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Zwischen Liebe und Geheimnis

hier erhältlich:

Kopfüber hat sich Kathy in ihren attraktiven Boss Trey Sutherland verliebt. Und nach einem leidenschaftlichen Kuss ist sich sie sicher, er erwidert ihre tiefen Gefühle. Doch immer wieder kommen Kathy Gerüchte zu Ohren, dass Trey den Tod seiner Ehefrau verschuldet hat. Hat sie ihr Herz etwas an einen Mann verschenkt, der zu einem kaltblütigen Mord fähig ist? Und wird ihre Sehnsucht sie zerstören?


  • Erscheinungstag: 01.12.2015
  • Seitenanzahl: 125
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955765736
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Suzanne Brockmann

Zwischen Liebe und Geheimnis

Aus dem Amerikanischen von M. R. Heinze

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Undercover Princess

Copyright © 1999 by Harlequin Books S.A.

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Mareike Müller

ISBN 978-3-95576-573-6

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

1. KAPITEL

„Arbeiten Sie schon lange für die Agentur?“

Prinzessin Katherine von Wynborough sah die gut gekleidete Frau an, die nervös in der Eingangshalle des Sutherland-Besitzes auf und ab ging. „Wie bitte?“

„Sie sind doch wegen der Stelle hier, oder?“, fragte die Frau. „Ich habe jahrelang als Kindermädchen für die Hendricksons gearbeitet, doch sie ziehen ins Ausland. Ich wollte in der Gegend von Albuquerque bleiben, aber jetzt weiß ich nicht, was schlimmer ist – in Hongkong zu leben oder für Trey Sutherland zu arbeiten.“

Schlagartig würde Katherine alles klar. Die Stelle! Deshalb war es plötzlich so einfach gewesen, ins Sutherland-Haus zu gelangen. Die Sekretärin hatte angenommen, es ginge um ein Bewerbungsgespräch.

In ganz New Mexico konnte man mit Sicherheit niemanden so schwer erreichen wie Trey Sutherland. Seit einer Woche war Katherine bei jedem Anruf vertröstet worden. Nein, Mr Sutherland könne den Anruf der Prinzessin nicht entgegennehmen. Nein, Mr Sutherland könne sich frühestens nach Neujahr mit ihr treffen. Bedaure, Mr Sutherland lässt sich entschuldigen.

Katherine vermutete, dass Trey Sutherland ihre Nachrichten überhaupt nicht erhalten hatte. Aber heute Morgen hatte es plötzlich geklappt. Katherine hatte angerufen, ohne ihren Namen zu nennen, und nach Mr Sutherland gefragt. Die Sekretärin hatte sie eine Weile warten lassen und ihr drei Uhr als Termin genannt. Danach hatte sie Katherine noch die Adresse des Sutherland-Besitzes am Rand von Albuquerque gegeben und aufgelegt. Katherine war gar nicht bewusst geworden, dass die Sekretärin ihren Namen nicht einmal notiert hatte.

Die Gründe wurden ihr erst jetzt klar. Nach dem Flug von Colorado hatten sich die schweren schmiedeeisernen Tore für sie nur geöffnet, weil man sie für ein Kindermädchen hielt!

„Haben Sie auch die Gerüchte gehört?“, fragte die Frau. „Die über Trey Sutherland?“

„Bedaure, nein“, erwiderte Katherine gelassen.

„Seine Frau starb vor einigen Jahren.“ Die Frau kam näher und senkte die Stimme. „Und zwar unter mysteriösen Umständen. Er stand unter Mordverdacht, aber die Polizei fand nicht genügend Beweise gegen ihn.“ Die Frau fröstelte. „Hier drinnen ist es unheimlich düster.“

„Es regnet“, sagte Katherine. Das Gewitter hatte eingesetzt, als sie in die Einfahrt bog. „Im Moment ist es überall düster.“

Katherine betrachtete sich kritisch im Wandspiegel. Weiße Bluse, bis zum Hals zugeknöpft. Dunkelgrauer Wollrock, dunkelgraue Jacke. Praktische Schuhe mit flachen Absätzen. Das Haar war weder rot noch kastanienbraun wie das ihrer Schwestern. Im schwachen Tageslicht glänzte es unauffällig braun. Sie war nicht exotisch schön wie Elizabeth oder königlich elegant wie Alexandra oder hübsch und reizend wie Serena.

Während ihre Schwestern wirklich wie Prinzessinnen aussahen, wirkte Katherine wie … wie ein Kindermädchen. Das Gesicht war eine Spur zu rund, der Mund etwas zu weich, die Augen grau.

„Wie soll man denn nachts hier schlafen, wenn nicht klar ist, ob er sie umgebracht hat?“ Die Frau griff nach Handtasche und Regenmantel. „Da ist mir sogar Hongkong lieber.“

„Das ist doch albern“, sagte Katherine, während sich schon die Tür hinter der Frau schloss. „Es sind nur Gerüchte …“

Eine andere Tür öffnete sich, und eine zierliche Südamerikanerin kam herein. „Sind Sie die Einzige?“, fragte sie mit spanischem Akzent.

„Es sieht so aus“, sagte Katherine. „Allerdings …“ Nein! Für die Verwechslung wollte sie sich erst entschuldigen, wenn sie den schwer zu fassenden Trey Sutherland kennengelernt hatte.

„Ich bin Anita“, sagte die grauhaarige Frau. „Treys Haushälterin.“

Anita und Trey. Angenehm formlos ging es hier zu. Anita trug Jeans, einen weiten Pullover und Turnschuhe.

„Er hat zwar noch keine Zeit“, fuhr Anita fort, „aber kommen Sie schon mal mit.“

Die Haushälterin ging durch einen langen Flur voraus. Katherine musste sich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten. Das Herrenhaus war wunderschön, eine Hazienda mit mexikanischen Kacheln auf dem Fußboden und bogenförmigen Fenstern, durch die man in einen üppig grünenden Innenhof blickte. Herbstblumen verliehen dem Garten Farbe.

Katherine folgte Anita zwei Treppen hinauf. Der Flur war so breit, dass dort eine Sitzgruppe stand.

„Treys Zimmer liegen im Turm“, erklärte Anita und blieb vor einer Tür stehen. „Das Büro ist hier, das Schlafzimmer befindet sich im nächsten Stock. Die Kinder und das Kindermädchen schlafen im Ostflügel im ersten Stock.“ Sie deutete auf das Sofa. „Setzen Sie sich doch.“

Während Katherine Platz nahm, eilte Anita die Treppe wieder hinunter.

Katherine holte tief Luft. Sie hatte es geschafft und würde gleich den Mann kennenlernen, der ihre Fragen beantworten konnte. Aber ob er auch dazu bereit war, wenn er herausfand, dass sie sich unter einem Vorwand in sein Haus eingeschlichen hatte?

Katherine setzte ihr schönstes Lächeln auf. „Mr Sutherland, wie schön, Sie endlich kennenzulernen. Leider hat es eine Verwechslung gegeben. Ihre Mitarbeiter haben mich für ein Kindermädchen gehalten, obwohl ich in Wirklichkeit eine Prinzessin bin. Sehen Sie, mein älterer Bruder, Prinz James Windham, wurde als Kind entführt. Seit fast dreißig Jahren glaubt man, er wäre tot. Meine drei Schwestern und ich haben allerdings Grund zur Annahme, dass er damals nicht umkam. Mr Sutherland, wir sind der Überzeugung, dass er Ihr Geschäftspartner ist, Mr William Lewis – der Erbe des Throns von Wynborough.“

Oh ja, natürlich, das war wunderbar. Ihre Schwester Elizabeth und Laura Bishop, die Sekretärin, mussten danach wahrscheinlich von Colorado nach New Mexico fliegen und sie aus der geschlossenen Abteilung für geistesgestörte Verbrecher holen.

Es war ein Fehler, nach Albuquerque zu kommen, um Bill Lewis zu finden und bei Trey Sutherland einzudringen. Sie war schließlich nicht James Bond. Diese Aufgabe hätte besser Elizabeth oder Serena übernommen.

Sie selbst hätte lieber die alten Unterlagen des Kinderheims in Arizona durchsehen sollen, in das James möglicherweise damals nach der Entführung gebracht worden war. Aber sie hatte den verrückten Einfall gehabt, nach Albuquerque zu kommen, und jetzt war sie hier.

Und wurde für ein Kindermädchen gehalten! Auch das noch!

Katherine atmete tief durch. „Mr Sutherland, was ich Ihnen jetzt sage, klingt völlig verrückt, aber ich muss Sie bitten, Sir …“

Die Tür öffnete sich.

Trey Sutherland stand vor ihr.

Katherine kannte Fotos von ihm und wusste, dass er äußerst attraktiv war. Trotzdem war sie auf seinen Anblick nicht vorbereitet.

Er war größer als erwartet, über eins achtzig. Die breiten Schultern füllten fast den Türrahmen aus. Der dunkelgraue Anzug war maßgeschneidert. Der Kragen des hellgrauen Hemdes war offen, die Krawatte gelöst.

Das pechschwarze Haar war zerzaust, als hätte Trey Sutherland oft hindurch gestrichen. Das gut geschnittene Gesicht wirkte entschlossen, die Augen verrieten Müdigkeit, waren jedoch von einem unglaublichen Blau.

„Tut mir leid, dass Sie warten mussten.“ Die Stimme klang tief. „Kommen Sie herein.“

Als sie an ihm vorbei das Büro betrat, fing sie den dezenten Duft seines Eau de Cologne auf. Das Telefon klingelte.

Trey Sutherland schloss die Tür. „Tut mir leid, ich muss das Gespräch annehmen. Setzen Sie sich schon einmal.“

Katherine deutete zur Tür. „Wenn Sie möchten …“

„Nein, es dauert nicht lange. Bitte, nehmen Sie Platz.“

Katherine setzte sich auf einen der Sessel vor dem Schreibtisch. Trey griff zum Hörer und blickte aus dem Fenster.

„Sutherland.“

Katherine versuchte, nicht zuzuhören, und betrachtete die Hände, die sie im Schoß ineinander verschlungen hatte.

„Nein, keinesfalls.“ Trey lachte knapp. „Nein, ich verstecke ihn nicht. Glauben Sie mir – wenn ich wüsste, wo Bill Lewis ist, würde ich ihm persönlich die Tür einrennen.“

Bill Lewis. Der Mann, den Katherine und ihre Schwestern für ihren Bruder hielten!

„Ja, er könnte jeden Moment anrufen oder auftauchen. So macht er das immer.“ Trey setzte sich lässig auf die Schreibtischkante. Katherine konnte sich den breiten Rücken und die schmalen Hüften gut in einem T-Shirt und einer staubigen Jeans vorstellen, doch der Anzug passte auch perfekt. „Ich kann nichts versprechen. Aber ich würde ihn festhalten, bis Sie hier auftauchen.“ Trey lachte. „Lieber Himmel, ich weiß es nicht. Er könnte überall sein. Das letzte Mal war er in Nepal. Man stelle sich das vor. Ich liebe ihn wie einen Bruder, aber ausgerechnet Nepal!“

Er drehte sich um, und Katherine sah hastig auf ein Bild und tat, als würde sie sich nur für die Ansicht des Meeres interessieren.

Trey betrachtete sie, während er zuhörte, und warf einen verstohlenen Blick auf … ihre Beine!

Das war doch absurd. Wenn schon jemand wagte, die Beine einer Prinzessin zu betrachten, dann die von Alexandra oder Elizabeth, aber nicht ihre! Ihre Beine waren zwar nicht hässlich, aber sie kleidete sich nicht so, dass ein Mann sie beachtete.

Trey legte auf. „Tut mir leid.“

„Keine Ursache.“

An den Schläfen hatte er silbergraues Haar, und seine Augen waren wirklich von einem sagenhaften Blau. Jetzt ließ er den Blick sehr aufmerksam über Katherine gleiten.

„Ich hatte Sie mir älter vorgestellt.“ Er kam um den Schreibtisch herum und setzte sich auf den zweiten Stuhl.

„Älter?“

„Das Kindermädchen soll hier im Haus wohnen“, erklärte er. „Falls Sie einen Mann und eine Familie haben …“

„Nein. Ich meine, ich bin nicht verheiratet.“

„Einen Freund?“

Sie fühlte, dass sie rot wurde. „Nein.“

„Wie alt sind Sie?“

„Fünfundzwanzig.“ Wie kam er dazu, solche unhöfliche Fragen zu stellen? Sie wollte sich nicht als Kindermädchen bewerben. „Wie alt sind denn Sie?“

„Fünfunddreißig, zumindest noch bis Januar.“

„Tut mir leid, ich …“

„Nein, schon gut. Sie können so viele Fragen stellen, wie Sie wollen. Dieses Gespräch soll nicht einseitig verlaufen. Mögen Sie Kinder?“

„Ob ich …?“

„Ja, ich weiß, die Frage klingt albern, aber ich habe schon mit Kindermädchen gesprochen, die Kinder nicht sonderlich mögen.“ Er beugte sich zu ihr. „Meine Kinder müssen respektiert und gemocht werden. Glauben Sie mir, wenn ich mit Geld erreichen könnte, dass Sie die Kinder lieben, würde ich dafür sorgen.“

Er stand energisch auf und kehrte hinter den Schreibtisch zurück.

„Unser letztes Kindermädchen ging, ohne sich von Stacy und Doug zu verabschieden. Mir ist es wichtig, jemanden zu finden, der die Last der Verantwortung kennt. Diese Kinder wissen nur zu gut, was es heißt, verlassen zu werden, und … Ich greife zu weit voraus. Ich kenne nicht einmal Ihren Namen.“

„Ich mag Kinder“, sagte Katherine leise. Das stimmte. Außerdem brauchte Trey Sutherland offenbar dringend ein Kindermädchen. Wenn sie unter diesem Vorwand in seinem Haus blieb, wäre sie hier, wenn William Lewis auftauchte.

Und sie wäre auch hier, wenn Trey Sutherlands unglaublich schöne Augen vor Energie und Leidenschaft aufleuchteten …

Ein leichtes Lächeln milderte die harten Züge seines Gesichts. „Gut zu wissen, Miss …?“

Zum ersten Mal im Leben handelte sie impulsiv. „Wind“, erklärte Prinzessin Katherine von Wynborough so gelassen wie Sean Connery. „Kathy Wind.“

Seltsam, aber als Kathy Wind ihm die Hand reichte, hatte Trey den Eindruck, als erwartete sie wie eine Königliche Hoheit einen Handkuss. Die Hand war zwar weich, aber die Nägel waren kurz, einige sogar abgebissen. Hatte man schon einmal von einer Königlichen Hoheit gehört, die an den Fingernägeln knabberte?

„Woher kommen Sie?“, fragte Trey und ließ ihre Hand los.

Sie musste zu ihm hochblicken, und er setzte sich auf die Schreibtischkante, damit sie auf gleicher Ebene waren. Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen, und das gefiel ihm.

„Ich komme aus Wynborough. Das ist eine kleine Insel vor England.“

„Und wieso hat es Sie in den Südwesten von Amerika verschlagen?“

„Ich habe … Angehörige … in Aspen. In Colorado“, erwiderte sie.

Trey mochte sie, und das war gut so. Anita hatte ihn informiert, dass Kathy Wind die einzige infrage kommende Bewerberin für die Stelle des Kindermädchens war. Die anderen waren von der Größe des Besitzes oder von den finsteren Gerüchten vertrieben worden.

Er blickte in Kathys graue Augen. Was sie wohl über ihn gehört hatte? Wieso machte ihr das nichts aus? „Sind Sie vorbestraft?“ Auf diese Frage hatte er bei der Suche nach einem geeigneten Kindermädchen schon die erstaunlichsten Antworten erhalten.

Kathy lachte überrascht. „Ich hoffe doch nicht!“

„Das hoffe ich auch“, sagte Trey trocken. „Sind Sie jemals verhaftet worden?“

Sie errötete leicht. Es wirkte bei ihr ganz zauberhaft. „Nein!“

„Gut. Ich auch nicht.“

Er sah ihr an, dass sie tatsächlich etwas über ihn gehört hatte. Sie stellte jedoch keine Fragen. Entweder war sie zu nervös oder zu höflich.

„Wie lange arbeiten Sie schon als Kindermädchen?“ Er blätterte in den Unterlagen, die ihm die Agentur geschickt hatte. „Ich finde hier nichts über Sie.“

„Nein?“, fragte sie erstaunt. „Nun, ich bin … neu. Aber ich … ich lasse Ihnen die Unterlagen per Fax zuschicken. Um ehrlich zu sein, Mr Sutherland, ich wurde nicht von der Agentur geschickt. Ich hörte von dieser Stelle durch … eine Bekannte. Ich werde jedoch dafür sorgen, dass Sie noch im Laufe des Tages meine Referenzen erhalten. Allerdings …“

Er wurde den Eindruck nicht los, dass etwas nicht stimmte.

„Möglicherweise könnten Sie mich für ungeeignet halten. Ich habe bisher noch nie als Kindermädchen gearbeitet.“ Dabei lächelte sie unwiderstehlich entwaffnend. „Jeder muss einmal anfangen, meinen Sie nicht?“

Sie war zauberhaft, und sie erwärmte sein Herz wie schon lange niemand mehr. Dabei fand er sie nicht attraktiv, zumindest nicht sexuell. Sicher, sie hatte tolle Beine. Die Figur unter diesem entsetzlichen grauen Kostüm war schlank und gut proportioniert und …

Na schön, sie war doch attraktiv, sehr attraktiv sogar, aber eher wie eine reizende kleine Schwester. Ohne Make-up wirkte sie wie fünfzehn und nicht wie fünfundzwanzig. Das Gesicht war rund und ebenmäßig, beinahe zart. Kleine gerade Nase, zierliches Kinn. Der Mund wirkte voll. Die Augen gefielen ihm am besten – grau, groß, mit dichten dunklen Wimpern. Kathy Wind gab sich zwar kühl und zurückhaltend, konnte jedoch die ansprechende Mischung von Intelligenz, Aufgeschlossenheit und Unschuld nicht verbergen.

Sicher, Trey hätte lieber ein erfahrenes Kindermädchen eingestellt, aber jeder musste tatsächlich irgendwann einmal anfangen.

„Sie brauchen einen Führerschein“, sagte er. „Haben Sie einen?“

„Natürlich. Wieso?“

„Sie müssen die Kinder zur Schule bringen und abholen. Die beiden gehen in eine sechs Kilometer entfernte Privatschule. Außerdem gibt es Partys und andere Veranstaltungen für die beiden. Und Anastacia hat mehrmals wöchentlich Klarinettenunterricht.“

„Dann brauchen Sie mich im Grunde als Fahrerin“, bemerkte Kathy.

„Nein, Sie müssen die Kinder auch betreuen. Das ist sogar sehr wichtig. Die Arbeitszeit ist lang. Wenn die Kinder in der Schule sind, haben Sie frei, aber abends müssen Sie zur Verfügung stehen. Und während der Schulferien brauche ich Sie täglich rund um die Uhr. Die Überstunden werden natürlich bezahlt.“

„Natürlich, aber …“ Sie sah ihn unschuldig an. „Wann kümmern Sie sich um die Kinder?“

„Bis Neujahr werde ich sehr wenig Zeit haben“, erwiderte er und stand auf. „Jetzt müssen Sie die Kinder erst einmal kennenlernen. Anastacia ist dreizehn, Douglas sechs. Beide sind schwierig, aber das sollte Sie angesichts des Vaters nicht überraschen“, fügte er mit einem schwachen Lächeln hinzu.

Sie betrachtete ihn ernst. „Auf mich machen Sie einen sympathischen Eindruck.“

„Die beiden haben den Tod ihrer Mutter vor drei Jahren nicht gut verkraftet.“

„So würde es vermutlich allen Kindern ergehen.“

„Stacy benimmt sich ziemlich feindselig“, erklärte er. Was für eine Untertreibung! „Ihre Noten sind katastrophal. Einige Male ist sie schon von zu Hause weggelaufen, manchmal mitten in der Nacht. Sie ist zwar nicht so weit gekommen, dass man es Fortlaufen nennen könnte, aber trotzdem finde ich es …“

„Beängstigend“, warf sie ein. „Das kann ich mir vorstellen.“

„Sie braucht wohl etwas, das ich ihr nicht geben kann“, gestand Trey offen. „Und ihr jüngerer Bruder Doug …“ Er schüttelte den Kopf. „Sind Sie noch an der Stelle interessiert?“

Kathy stand nicht auf, sondern seufzte. Das war kein gutes Zeichen. „Mr Sutherland …“

„Trey“, unterbrach er sie. „Wir legen hier keinen Wert auf Förmlichkeiten.“

„Trey.“ Sie blickte zu ihm hoch. „Könnten Sie sich bitte für einen Moment setzen? Sie sind sehr groß, und ich möchte Ihnen etwas von Angesicht zu Angesicht sagen.“

Trey erfüllte ihren Wunsch.

Sie wandte sich ihm zu. „Ich würde die Stelle wirklich gern annehmen, aber ich weiß nicht, ob ich dafür geeignet bin. Ich suche keine Langzeitstelle. Sir, Sie und Stacy und Doug brauchen ein Kindermädchen, das bleibt, bis die Kinder erwachsen sind. In ihrem Leben hat es offenbar schon genug Unruhe gegeben.“

Unglaublich! Sie wollte die Stelle, lehnte jedoch wegen der Kinder ab.

„Könnte ich Sie nicht umstimmen?“, fragte er. „Dass Sie länger bleiben? Sagen wir – zehn Jahre?“

Bei ihrem Lächeln erschienen reizende Grübchen in den Wangen. „Zehn Jahre lang vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen in der Woche? Nein, danke.“

„Ganz sicher? Wir könnten über die Arbeitszeiten verhandeln und …“

„Es schmeichelt mir, dass Sie schon nach einem kurzen Gespräch so viel von mir halten“, sagte Kathy. „Aber Sie können mich nicht umstimmen, Sir. Ich möchte eines Tages eine eigene Familie gründen und … nun ja …“

„Natürlich, ich verstehe. Es ist nur … Ich befinde mich in einer Zwangslage. Um diese Jahreszeit sucht niemand eine neue Stelle. Die Agentur meinte, ich hätte im Januar eine größere Auswahl, aber so lange kann ich nicht warten. Ich brauche jemanden für sofort.“

Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Ich könnte bis Januar bleiben, vorausgesetzt ich bekomme zu Weihnachten eine Woche frei. Das wäre zwar nicht ideal, aber wenn die Kinder von Anfang an wissen, dass ich nur kurz bleibe …?“

„Vielleicht sollten Sie die beiden erst einmal kennenlernen“, schlug Trey vor, „bevor Sie ein so großzügiges Angebot machen.“

Kathy stand auf. „Gehen Sie voraus“, verlangte sie in ihrer hoheitsvollen Art.

„Hier entlang, Eure Majestät“, sagte er und ging zur Tür.

Kathy stolperte. „Wie bitte?“

„War nur ein schlechter Scherz. Wahrscheinlich liegt es an Ihrer hoheitsvollen Ausdrucksweise.“

„Wirklich?“, fragte sie betroffen. „Tut mir leid, ich wusste gar nicht …“

„Beruhigen Sie sich“, meinte Trey. „Es passt zu Ihnen und wirkt sehr niedlich.“

Niedlich.

In ihrem ziemlich ereignislosen Leben war Prinzessin Katherine von Wynborough noch nie ‚niedlich‘ genannt worden.

Sie folgte Trey Sutherland die Treppe hinunter und dann wieder durch einen endlosen Flur. Wenn sie hier leben sollte, brauchte sie einen Grundriss des Hauses. Es war wie ein U geformt. Zwei lange Seitenflügel erstreckten sich vom Hauptgebäude nach hinten und bildeten den Innenhof. Der Turm befand sich an einer der vorderen Ecken des Gebäudes. Durch ein Fenster sah Katherine die Lichter in Treys Büro.

Trey ging langsamer. „Sobald Sie die Kinder kennengelernt haben, fahren Sie nach Hause und überlegen in Ruhe. Faxen Sie mir Ihre Referenzen. Wenn wir beide morgen noch immer der Meinung sind, es könnte für eine gewisse Zeit klappen, reden wir wieder miteinander. Hier ist das Spielzimmer“, fügte er hinzu und holte tief Luft, bevor er die Tür öffnete.

Das Spielzimmer war ein heller Raum mit einer heiteren Note, voller Bücher, Spiele und Spielzeug. Dort gab es zwei große Sofas und einige Schaukelstühle, außerdem einen riesigen Kamin, in dem jetzt kein Feuer brannte. Durch die Fenster und Dachluken fiel das Tageslicht herein. In einem Schrank waren ein Fernseher und ein Videorekorder untergebracht. In dem leeren Zimmer lief ein Zeichentrickfilm.

Trey schaltete die Geräte aus, drückte einen Knopf am Sprechgerät an der Wand und beugte sich zum Mikrofon. „Stacy, hatte ich dich nicht gebeten, heute Nachmittag mit Doug im Spielzimmer zu bleiben?“

„War ich auch“, antwortete eine verärgerte Mädchenstimme. „Aber dann hat Doggie seine Leine durchgebissen.“

Durchgebissen? Seine Leine?

Trey machte ein unglückliches Gesicht. „Wie oft habe ich dir schon erklärt, dass er sich nur dann wie ein Junge aufführen wird, wenn wir ihn auch wie einen Jungen behandeln.“ Er schüttelte den Kopf. „Kommt herunter. Ihr sollt jemanden kennenlernen.“

„Leine?“, wiederholte Katherine.

„Nur eine in seiner Fantasie existierende Leine“, versicherte Trey hastig. „Ich mag vielleicht nicht der beste Vater der Welt sein, aber ich leine meine Kinder nicht an.“

„Doggie – Dougie – hält sich für einen Hund.“

Das Mädchen war so schnell eingetreten, dass sich sein Zimmer gleich nebenan befinden musste.

Katherine verstand gar nichts mehr. „Doggie“ war doch ein Spitzname für einen Hund.

Stacy stand mit verschränkten Armen in der Tür. Sie war völlig schwarz gekleidet – Leggins, fast knielanger Rollkragenpulli, hohe Schnürschuhe mit klobigen Absätzen. Das kurze Haar war ebenfalls schwarz, wenn auch sicher nicht von Natur aus. Dazu hatte sie die Augen schwarz geschminkt, fast weißes Make-up und dunkelroten Lippenstift aufgelegt und die Fingernägel schwarz lackiert.

Die Wirkung war … umwerfend, für eine Dreizehnjährige jedoch übertrieben.

„Er hält sich für einen Hund“, wiederholte Katherine.

„Ja.“ Stacy betrachtete sie mürrisch. „Sie wissen schon – wau, wau.“ Sie wandte sich an ihren Vater. „Wenn du nach ihm pfeifst, Trey, kommt er.“

„Ich werde nicht nach ihm pfeifen“, widersprach Trey mit gepresster Stimme. „Er ist kein Hund.“

Stacy sah Katherine an. „Sie sind vermutlich Kindermädchen Nummer 4515. Das Kostüm ist cool. Der lange Rock ist irre altmodisch, aber lassen Sie die ätzende Bluse weg und ziehen Sie nur die Jacke mit nichts darunter an. Oder nehmen Sie einen von diesen Wonderbras. Und statt der Latschen kaufen Sie sich Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen und …“

„Lieber nicht“, warf Trey ein.

„Sieht dir ähnlich.“ Stacy seufzte übertrieben. „Du bist schließlich seit Jahren nur mir der grässlichen Eiskönigin ausgegangen – es sei denn, du hast dich heimlich mit einer Frau eingelassen, von der ich nichts weiß.“

Was für ein Empfang! dachte Katherine.

Trey Sutherland sah aus, als wollte er seine Tochter erwürgen. Und dann dachte Katherine einen Moment sogar, er würde in Tränen ausbrechen. Im nächsten Augenblick verbarg er sämtliche Gefühle.

„Womit habe ich das verdient?“, fragte er seine Tochter völlig ruhig.

„Es war nur ein Scherz“, behauptete Stacy. „Lach doch mal, Trey.“

Auch das noch! Er hasste es offenbar, dass sie ihn mit dem Vornamen ansprach, und Stacy wusste das.

„Falls ich Kindermädchen Nummer viertausend bin“, bemerkte Katherine, „ist das für euch beide sicher ziemlich belastend, für dich und den armen Doug. Fangen wir noch einmal von vorne an.“ Sie wandte sich an Trey. „Tun Sie Ihrem Sohn den Gefallen und pfeifen Sie nach ihm, wenn er das möchte. Und nun zu dir …“ Sie sah Stacy an. „Wir könnten doch auch freundlich miteinander umgehen, ohne deinen Vater noch einmal in Verlegenheit zu bringen, oder?“ Sie streckte die Hand aus, während Trey seufzte und schrill pfiff. „Ich bin Kathy Wind. Freut mich, dich kennenzulernen. Und du gibst mir jetzt die Hand und sagst, dass es dich auch freut.“

Stacy hatte kalte Finger und einen schlaffen Händedruck, aber sie schaffte beinahe ein Lächeln. „Freut mich auch.“

„Großartig.“ Katherine drückte dem Mädchen lächelnd die Hand. „Dein Vater will mich vielleicht für eine gewisse Zeit einstellen, bis ihr jemanden findet, der dauerhaft bleibt. Falls du Fragen hast, kannst du sie jederzeit stellen.“

„Reiten Sie?“

Neben einem der Sofas blickte Katherine für einen Moment in große dunkle Augen. Douglas. „Nicht gut, fürchte ich. Du?“

„Ich hasse Pferde. Ist Ihr affiger Akzent echt?“

Trey schloss die Augen. „Stacy!“

„Echter als deine Haarfarbe“, entgegnete Katherine.

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