Zuckersüße Zärtlichkeiten
Als der attraktive Tate ihre Küche betritt, bekommt Köchin Amy sofort weiche Knie. Es prickelt gewaltig zwischen ihnen. Was Amy nicht ahnt: Er ist ihr neuer Auftraggeber - und sie soll seine Hochzeit ausrichten!
Als der attraktive Tate ihre Küche betritt, bekommt Köchin Amy sofort weiche Knie. Es prickelt gewaltig zwischen ihnen. Was Amy nicht ahnt: Er ist ihr neuer Auftraggeber - und sie soll seine Hochzeit ausrichten!
Eleanor Barrington Morgan rang sich ein Lächeln ab, als ihr Patensohn Tate Darnley erzählte, dass er wieder einmal eine Frau kennengelernt hatte. Die Neue war Investmentbankerin.
»Mmm.« Tate war ihr der liebste Mensch auf der Welt, daher ließ sie sich nicht anmerken, was sie von seiner Wahl hielt. »Jemand aus deiner Firma?«
»Ja.«
Eleanor konnte sich die Frau nur zu gut vorstellen – streng zu sich selbst, was Kleidung, Diätplan und Fitness anging, logisch und analytisch begabt, äußerst fleißig und ehrgeizig.
Vermutlich geht sie abends mit ihren Zahlen ins Bett.
Eleanors Mann war genauso gewesen – intelligent, kühl, berechnend und im zwischenmenschlichen Bereich in etwa so warmherzig wie eine Gefriertruhe. Dreißig Jahre lang hatte sie sich gefragt, warum er ihr nicht die Art von Liebe schenken konnte, nach der sie sich so sehr sehnte. Nun wollte sie Tate ersparen, das Gleiche zu erleben.
Am liebsten hätte sie ihn heftig geschüttelt und ihm erklärt, dass es im Leben viel mehr gab als Geld und Aktienkurse – aber eine Barrington war dazu erzogen, niemals die Fassung zu verlieren.
Eleanor hörte also Tate ruhig zu, bis er sie auf die Wange küsste und dann ging. Kathleen und Gladdy, ihre besten Freundinnen in der Remington-Park-Seniorenresidenz, sahen ihn davonfahren und eilten neugierig herbei.
»Er hat eine Neue!«, erzählte Eleanor. »Offenbar wieder ein kalter Fisch. Wie können Männer nur so dumm sein?«
Kathleen und Gladdy seufzten betrübt.
»Die Erste hat ihn nicht glücklich gemacht«, fuhr Eleanor fort, »die Zweite auch nicht und die Dritte erst recht nicht. Jetzt hat er Nummer vier, und die scheint eine geklonte Version der anderen drei zu sein. Wenn er von ihr erzählt – keine echten Gefühle, keine Vorfreude, keine Wärme. Nur dieser Blödsinn über Verträglichkeit und gemeinsame Ziele. Tate klingt, als würden sie zusammen eine Firma gründen.«
Kathleen runzelte die Stirn. »Und wenn wir … ihn behutsam mit einer anderen bekanntmachen? Mit einer Frau, die ihn glücklich macht?«
»Meine Mutter hat immer gesagt, man darf sich bei der Partnerwahl nicht einmischen«, erwiderte Eleanor nachdenklich.
Gladdy schnaubte. »Deine Mutter ist vor zwanzig Jahren gestorben! Sie wird dich ja wohl kaum anrufen und zur Rede stellen.«
»Ach, ich habe schon mal versucht, Tate in eine andere Richtung zu lenken, aber … So etwas liegt mir einfach nicht«, gab Eleanor zu.
Kathleen lachte. »Ach, Gladdy und ich haben keine Skrupel. Da kannst du jeden fragen. Was wir beide bei meiner Enkeltochter Jane abgezogen haben …«
»Eine wahre Meisterleistung!«, schwärmte Gladdy. »Inzwischen ist sie glücklich verheiratet.«
Kathleen nickte. »Glaub mir, wir können auch deinen Patensohn vor sich selbst retten. Wenn du willst, machen wir uns sofort an die Arbeit!?«
Eleanor seufzte. Sie kannte die Geschichte – ihre Freundinnen hatten fast die gesamte Seniorenresidenz eingespannt, um Jane unter die Haube zu bringen. Es hatte allen viel Spaß gemacht.
»Ich würde Tate so gern helfen, aber ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll.«
»Keine Sorge.« Gladdy tätschelte die Hand von Eleanor. »Wir wissen es.«
Eleanor wollte sich nicht einmischen, obwohl der arme Tate vermutlich nicht einmal mehr richtigen Sex hatte.
Er war mit Victoria Ryan verlobt – einem Mädchen, das er seit Jahren kannte. Und zudem hatte sie leider eine äußerst unsympathische Mutter.
Insgeheim hatte sie gehofft, dass Victoria es nicht lange bei Tate aushalten würde. Aber jetzt wollten die beiden tatsächlich heiraten, und noch dazu in der Villa, in der Eleanor gelebt hatte, bevor sie nach Remington Park umgezogen war. Und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Hochzeit ausfallen würde.
Zwei Tage bevor die ersten Hochzeitsgäste eintrafen, gab Eleanor auf und fragte Kathleen und Gladdy um Rat.
Kathleen ließ sich von der Panik nicht anstecken. »Na ja, der einfachste Weg wäre natürlich eine andere Frau.«
»Aber er hat keine andere!«
»Dann müssen wir ihm eine besorgen – eine richtige Frau und keinen eiskalten Engel«, sagte Gladdy.
»Wo sollen wir die denn so schnell finden? Und selbst wenn wir es schaffen, ist nicht garantiert, dass er sich in sie verliebt. Ich bezweifle, dass er ausgerechnet am Wochenende seiner Hochzeit Augen für eine andere Frau hat!«
»Wir bringen sie zusammen – der Rest liegt bei den beiden«, erwiderte Kathleen zuversichtlich.
»Genau! Und wir wissen alle, wer dafür in Frage kommt!«, rief Gladdy und schaute zur Küche hinüber, wo eine junge Köchin und Konditorin gerade eine Geburtstagstorte für einen Hochzeitsgast auslieferte. Es war Amy Carson, eine äußerst liebenswürdige junge Frau, die früher einmal in Remington Park gearbeitet hatte. »Eleanor, hast du nicht gesagt, dass du einen Küchenchef für das Wochenende einstellen willst? Um all die Hochzeitsgäste durchzufüttern, die bei dir wohnen?«
»Ja, einen netten Mann namens Adolfo.«
»Leider muss er in letzter Minute absagen.« Gladdy zwinkerte und zeigte auf die Frau in der Küche. »Und du ersetzt ihn durch Amy.«
Am Mittwochabend betrat Tate Darnley die Villa seiner Patentante nicht nur später als geplant, sondern auch ein wenig beschwipst. Victorias Vater hatte eine Cocktailparty gegeben, auf der Champagner in Strömen geflossen war. Die kleine Familienfeier hatte sich zu einem Riesenevent ausgewachsen, und Victoria – die normalerweise durch nichts zu erschüttern war – glich inzwischen einer Frau auf der Brücke der Titanic, die einen Ozean voller Eisberge vor sich sah.
Tate war fest entschlossen, nicht die Nerven zu verlieren. Er würde die Hochzeit überstehen, und danach konnten sie ihr gemeinsames Leben beginnen, und zwar in ruhigem Fahrwasser. Schließlich waren sie zwei intelligente, hart arbeitende Menschen, die sich seit vielen Jahren kannten und einander respektierten. Eine bessere Voraussetzung für eine glückliche Ehe kann es doch gar nicht geben, oder?
Er horchte in sich hinein und stellte erleichtert fest, dass er vollkommen gelassen war. Er pfiff sogar leise vor sich hin, als er zu seinem Zimmer schlich – bis ihm ein unglaublicher Duft in die Nase stieg.
Würzig, aber frisch … nach Zitrone. Und nach etwas Süßem. Ja, Zitrone, Zucker und … irgendwelche Beeren!?
Es roch so herrlich, dass Tate unwillkürlich seufzte und stehen blieb. Wenn jemand das Recht hatte, sich einen Bissen dieser Köstlichkeit zu gönnen, dann wohl er. Schließlich war er der Bräutigam. Also machte er kehrt und ging in die Küche. Dort traf er auf eine schlanke junge Frau in gestärkter weißer Schürze. Der lange kupferfarbene Zopf fiel ihr auf die Schulter, als sie einen Zitronenblechkuchen aus dem Backofen zog. Der Duft wurde noch unwiderstehlicher.
Auf dem Hocker neben ihr saß ein etwa sieben Jahre alter Junge. »Ein Stück!«, flehte er. »Komm schon, Mom, nur ein einziges!«
»Max, du hattest schon zwei vom ersten Blech. Wenn du noch mehr isst, wird dir schlecht, und das geht gar nicht. Ich kann mich nicht gleichzeitig um dich kümmern und für alle diese Leute backen und kochen.«
»Aber …«
»Nein«, unterbrach sie ihn und schob den Kuchen auf eine Platte. »Jetzt bleib hier und pass auf. Ich muss in der Speisekammer nach Puderzucker suchen.«
Der Junge zog einen Schmollmund.
Tate wartete, bis die Köchin fort war, und schlenderte – wie rein zufällig – in die Küche. »Wow, das riecht ja toll hier!«
Der Junge hob den Kopf. »Ja, das finde ich auch.«
Aus dem Vorratsraum kam eine strenge Frauenstimme. »Max, ich habe die Stücke gezählt und merke das, wenn etwas fehlt!«
Max seufzte schwer. »Ich esse ja gar nichts.«
»Das ist nicht fair, was?«, fragte Tate leise.
Der Junge warf ihm einen betrübten Blick zu.
Tate sah sich die Kuchenstücke genauer an. Tatsächlich, Zitrone … und etwas Pinkfarbenes. »Zitrone und Erdbeere?«, riet er.
»Keine Ahnung, aber er schmeckt echt gut.«
»Das glaube ich gern.« Tate schnupperte. »Himbeere!?«
»Kann sein. Mom nennt die Stücke Sugardaddies.«
»Oh.« Interessanter Name. »Weil sie Puderzucker darauf verstreut?«
»Nein, wegen Leo«, sagte Max.
Leo? Sugardaddies? Sie benennt ihren Zitronenkuchen nach einem reichen älteren Mann, der eine junge Frau mit Geschenken überhäuft, weil die ihm erotische Dienste leistet?
»Leo ist … dein Dad?«
»Nein.« Max schüttelte den Kopf. »Ein Freund von mir und meiner Mom. Sie hat für ihn gekocht und so, und er mochte sie sehr.«
»Aha.« Tate fragte lieber nicht genauer nach.
»Deshalb ist sie auch zur Kochschule gegangen«, erklärte Max. »Das wollte sie schon immer. Und irgendwann gehe ich auch zur Schule. Ich habe zwar keine große Lust dazu, aber Leo hat mir Geld dafür hinterlassen. Nicht für die Kochschule, sondern … die andere. Wissen Sie, was ich meine?«
»College?«
»Genau.«
»Dann … war Leo ein netter Typ, was?«
»Hatten Sie schon mal einen Sugardaddy?«
Tate musste lächeln. »Nein, das Vergnügen hatte ich noch nicht.«
»Das ist der beste Kuchen, den meine Mom macht«, vertraute Max ihm an. »Und dazu musste sie nicht mal zur Kochschule gehen. Den konnte sie schon vorher.«
»Wow.«
Max beugte sich vor. »Sie gibt mir kein Stück mehr, weil sie Angst hat, dass mir sonst schlecht wird«, flüsterte er, »aber vielleicht bekommen Sie eins und können es dann mit mir teilen!?«
Tate lachte. »Ich tue mein Bestes«, versprach er.
»Und hatten Sie schon mal einen anderen Sugardaddy?«, wollte Max wissen.
»Eine anderen?«
»So einen wie Leo!«
Tate räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. »Ich … ich glaube nicht.«
»Wissen Sie, warum Mom ihn so genannt hat?«
»Nein.«
»Weil er so süß war. Er war wie ein richtiger Dad und hat auf uns aufgepasst.«
»Oh.« Tate nickte. Eine bessere jugendfreie Erklärung wäre ihm auch nicht eingefallen. »Na, das freut mich für dich. Und für deine Mom.«
Im Wohnzimmer nahm Eleanor das Ohr von der Wand zur Küche und warf ihren Freundinnen einen entsetzten Blick zu.
»Sugardaddy? Oje, das dürfte Tate aber gar nicht gefallen.«
Kathleen, die ihren verstorbenen Ehemann Leo noch immer über alles liebte, seufzte. »Okay, im Moment läuft es nicht besonders gut«, gab sie zu.
»Es läuft katastrophal!«, rief Eleanor.
»Nicht ganz«, widersprach Gladdy. »Ich meine, jetzt kommt dein Patensohn ganz bestimmt nicht darauf, dass wir Amy engagiert haben, um sie miteinander zu verkuppeln. Nicht nach dem, was der kleine Max ihm gerade erzählt hat.«
Genau, denn er wird Amy für eine Frau halten, die nach einem Nachfolger für Leo sucht, dachte Eleanor niedergeschlagen.
Nur noch 96 Stunden bis zur Hochzeit!
»Warum sollte er sie jetzt noch kennenlernen wollen?«
»Wegen ihrer Backkünste!«, antwortete Gladdy unbeschwert.
Eleanor presste das Ohr wieder an die Wand.
Mit dem Puderzucker in der Hand stieg Amy von der Leiter. Worauf hatte sie sich bloß eingelassen? Eine so große Speisekammer hatte sie noch nie gesehen, und das gesamte Haus glich eher einem Schloss.
Sie hatte gerade erst die Kochausbildung abgeschlossen und besaß nicht die Berufserfahrung, die man für eine so große Hochzeit brauchte. Sie war in letzter Minute für den armen Adolfo eingesprungen und hatte ihren Sohn Max mitbringen müssen, weil sie so kurzfristig keinen Babysitter gefunden hatte.
Sie öffnete die Packung Puderzucker. Hoffentlich hatte der Junge auf sie gehört. Als sie in die Küche zurückkehrte, saß ihr Sohn auf seinem Hocker und unterhielt sich mit einem atemberaubend gut aussehenden Mann in einem – soweit sie es beurteilen konnte – sehr teuren Anzug.
Amy blieb stehen und starrte auf sein markantes Profil – kurzes dunkelblondes Haar, das attraktive Gesicht leicht gebräunt, ein schöner Kontrast zum blütenweißen Hemd, zu dem er eine dunkelblaue Krawatte trug. Alles an ihm strahlte Geld und Privilegien aus – ein Mann wie er war bestimmt in einem Haus wie diesem zur Welt gekommen.
Absolut nicht meine Liga, dachte Amy.
Aber einen kurzen Blick darf ich doch wohl riskieren, oder?
Der letzte Mann in ihrem Leben war Max’ Vater gewesen. Seitdem war sie vorsichtig.
»Hey, Mom! Rate mal, wer das ist. Mein neuer Freund Tate, und er hatte noch nie einen Sugardaddy!«
Amy lächelte verlegen. Den Kuchen so zu nennen, war eindeutig ein Fehler gewesen. Ihr Sohn würde wahrscheinlich nie lernen, wann es besser war, den Mund zu halten.
»Noch nie ein Stück von deinem Zitronenkuchen oder jemanden wie Leo.«
Sie zuckte zusammen, schloss die Augen und murmelte etwas, das nicht für Max’ Ohren bestimmt war. Sie wollte es dem Fremden erklären und redete wie so oft sehr gestenreich mit den Händen, dachte aber nicht an den Puderzucker darin.
Die Packung rutschte ihr aus den Fingern.
Sowohl sie griff danach als auch der Mann, sie kamen beide jedoch zu spät.
Mit einem dumpfen Geräusch landete die Packung auf dem Boden und platzte auf. Eine weiße Wolke stieg auf und traf sie beide mitten ins Gesicht.
Amy und der Mann erstarrten. Der Puderzucker hüllte sie ein, verteilte sich auf ihren Gesichtern und dem Haar und drang ihnen in den Mund, sogar in die Nase.
Sie blinzelte. Selbst ihre Wimpern waren weiß.
Der Mann hustete, Amy ebenso. Fast gleichzeitig stießen sie kleine weiße Wolken hervor.
Max fiel vor Lachen fast von seinem Hocker, denn die Küche sah aus, als hätte es geschneit.
Er wollte zu seiner Mom gehen, aber sie hob abwehrend beide Hände. »Halt, Max, bleib, wo du bist!«
»Mom …«
»Mach es nicht noch schlimmer, als es schon ist.« Sie sah den Mann an. »Tut mir leid.«
Er wirkte nicht verärgert.
»Jetzt habe ich Ihren Anzug ruiniert.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken.« Als er lächelnd den Kopf schüttelte, rieselte Puderzucker aus seinem Haar.
Amy versuchte, die weiße Schicht von seinem Anzug zu wischen. Vergeblich, denn der Puderzucker war so fein, dass er zwischen die Fäden des dunkelblauen Stoffs drang und ihn hellgrau schimmern ließ.
»Tut mir wirklich leid«, wiederholte sie.
»Ich ziehe ihn einfach aus.« Er streifte das Jackett von den Schultern, und wieder verbreitete sich eine weiße Wolke.
»Warten Sie, ich gebe Ihnen etwas dafür, sonst verteilen wir das Zeug im ganzen Haus.« Hastig holte sie einen frischen Müllbeutel und öffnete ihn, damit er das Jackett hineinstopfen konnte.
Er nahm die Krawatte ab und ließ sie auf die Anzugjacke fallen, bevor er prüfend an sich hinabschaute und das Hemd aufzuknöpfen begann. Nach einem Moment hielt er inne. »Macht es Ihnen etwas aus?«
Amy schüttelte den Kopf.
Ob es mir etwas ausmacht? Im Gegenteil. Oh oh, ich habe ein Problem. Einen Mann wie ihn hatte sie noch nie gesehen – außer in Werbespots für Rasierwasser oder Bluejeans.
Er knüllte das Hemd zusammen und stopfte es in den Müllbeutel. »Ich glaube, das reicht.«
Max lachte. »Ihre Augenbrauen sehen aus wie die vom Weihnachtsmann.«
Verwirrt sah der Mann Amy an.
»Die sind auch weiß«, erklärte sie, »genau wie Ihr Haar.«
Er senkte den Kopf.
Vorsichtig ging sie nahe genug an ihn heran. Sein Aftershave setzte sich gegen den Duft von Zucker und Zitrone durch und stieg ihr in die Nase. Zögernd hob sie die Hand und rieb mit dem Daumen über seine Augenbrauen. Geschafft, dachte sie erleichtert, bevor sie die Finger in sein Haar schob.
Es war so lange her, dass sie einen Mann in ihrem Alter berührt hatte. Sie holte tief Luft. Es fühlte sich herrlich an.
Verdammt.
Hastig schaute sie zu Boden. Das war ein Fehler, denn ihr Atem wirbelte den Puderzucker an seiner Brust auf. Finger weg, befahl sie sich, während sie auf die gebräunte Haut und die straffen Muskeln starrte.
Max lachte schon wieder. Der Mann, der gerade eben noch völlig entspannt gewirkt hatte, sah plötzlich verlegen aus.
»Ich fürchte, ich habe es nur noch schlimmer gemacht«, gab sie zu.
»Ich werde es überleben, versprochen. Es ist nicht das erste Chaos, das ich in dieser Küche angerichtet habe.«
»Oh nein!«, stöhnte sie. »Mrs. Brown, die Haushälterin, hat Wochen gebraucht, um das Anwesen blitzblank zu bekommen. Und Mrs. Brown … macht mir Angst.«
»Mir auch!«, warf Max ein.
»Sie macht allen Angst«, sagte der Mann.
»Mom, du machst besser sauber.«
Erst jetzt sah Amy, dass auch Max voller Puderzucker war.
»So etwas habe ich noch nie angerichtet«, verkündete ihr Sohn stolz.
»Gut für dich, Max«, sagte der Mann, »aber deine Mom hat recht. Wir wollen Mrs. Brown nicht verärgern, deshalb müssen wir beide beim Saubermachen helfen.«
Max runzelte die Stirn. »Mom meint, meistens mache ich alles nur schlimmer.«
»Dann sollten wir genau überlegen, wie wir vorgehen. Ihr wohnt dort hinten in dem Raum neben der Speisekammer?«
Max nickte.
»Dann trage ich Mad Max vorsichtig ins Bad, damit er duschen kann.«
»Ich habe mich heute schon gewaschen!«, protestierte Amys Sohn.
»Anders wirst du den Zucker nicht los. Also lass Mr. …«
»Tate, bitte. Tate Darnley.«
»Amy. Ich bin in letzter Minute für den Küchenchef eingesprungen, der eigentlich übers lange Wochenende herkommen sollte, und Max …«
»Hier soll noch ein Junge sein!«, unterbrach Max sie. »Mit dem möchte ich spielen.«
»Max, du hältst auf dem Weg ins Bad ganz still, okay?«
Mühelos trug Tate Darnley ihn durchs Zimmer, das der Junge mit seiner Mutter bewohnte, und ins angeschlossene Bad. Dann ging er zur Seite, damit Amy übernehmen konnte.
»Ist das kalt!«, rief Max hinter dem Duschvorhang.
Tate lehnte am Türrahmen und betrachtete Amy lächelnd. »Gehören die Koffer auf dem Bett Ihnen?«
Als sie nickte, brachte er sie ins Bad.
»Danke.« Amy holte Max’ Schlafanzug heraus. »Max, denk an die Seife und das Shampoo.«
»Ach, Mom!«
»Ein toller Junge«, sagte Tate sanft.
»Danke.«
»Ich wette, mit ihm ist es nie langweilig.«
»Stimmt.«
»Wie alt ist er? Fünf? Sechs?«
»Sieben.« Amy wusste, was er dachte – dass sie eine sehr junge Mutter war. »Ich habe ihn mit sechzehn bekommen und allein großgezogen.«
Tate nickte. »Das war bestimmt nicht einfach.«
»Nein, aber Max ist jede Anstrengung wert.«
»Dann würde ich sagen, Max hat eine Menge Glück gehabt«, erwiderte der Mann.
Amy war fast sicher, dass sie nur träumte.
Denn die meisten Männer reagierten entsetzt, wenn sie erfuhren, dass sie eine alleinerziehende Mutter war – auch deshalb hatte sie sich in den letzten sieben Jahren vom anderen Geschlecht ferngehalten.
»Danke.« Wenigstens einen klitzekleinen Fehler hat Tate Darnley garantiert, oder? Mensch, hör bloß auf zu träumen und mach dich an die Arbeit, bevor Mrs. Brown auftaucht.
Amy knöpfte die weiße Kochjacke auf, und als sie den Kopf wieder hob, sah sie, dass Tate noch immer in der Badezimmertür stand. In seinen Augen blitzte etwas auf.
»Keine Sorge«. Sie rang sich ein Lachen ab. »Ich … ich habe darunter etwas an.«
»Natürlich.«
Unter der Jacke trug sie ein schwarzes BH-Hemdchen mit Spaghettiträgern – nichts Aufregendes. Am Herd wurde ihr schnell warm.
Er machte er einen zaghaften Schritt auf sie zu. »Sie haben noch immer Puderzucker im Haar.«
»Oh, das habe ich ganz vergessen.« Sie strich sich über den Kopf und den Zopf, aber es half nicht. Sie verteilte die weiße Schicht nur. Nach kurzem Zögern löste sie den Zopf.
»Beugen Sie sich vor«, sagte er.
Und dann fühlte sie seine Hände in ihrem Haar.
Es war nicht besonders erotisch, aber sie liebte es, wenn jemand mit ihrem Haar spielte. Und wenn es nur der Friseur war – sie war ganz und gar nicht stolz darauf, denn es war das einzige kleine Geheimnis, das sie sich in all den Jahren erlaubt hatte. Und jetzt hatte Mr. Perfect seine Finger darin. Der Puderzucker rieselte zu Boden.
Amy seufzte genießerisch. »Ich muss zurück in die Küche. Max? Dein Schlafanzug liegt vor der Dusche. Komm zu mir, sobald du angezogen bist.«
»Mom, ich bin kein Baby mehr!«
Mr. Perfect lachte. »Ich helfe Ihnen beim Saubermachen.«
Bloß nicht, dachte sie, bitte nicht.
Aber er folgte ihr.
Überall in der Küche war Puderzucker – auf den Arbeitsflächen, der Spüle, dem Fußboden und wie zum Hohn auch auf dem Zitronenkuchen.
»Sehen Sie sich das an! Jetzt brauche ich die Kuchenstücke gar nicht mehr selber mit Puderzucker zu bestäuben. Kennen Sie das Gefühl, dass sich die ganze Welt gegen Sie verschworen hat?«
»Na ja, und ich bin übrigens hergekommen, um heimlich von Ihrem Kuchen zu naschen«, gab Tate zu.
Sie servierte ihm ein Stück am Frühstückstresen. »Den haben Sie sich verdient.«
»Aber ich wollte Ihnen doch erst beim Saubermachen helfen.«
»Ich weiß es zu schätzen, aber noch ist der Kuchen warm. Dann schmeckt er am besten.«
Er zögerte noch immer. »Außerdem habe ich Max versprochen, dass er auch noch ein Stück bekommt oder wenigstens einen Bissen von meinem.«
»Ach, das Kind ist unersättlich, bei allem.«
Tate zuckte mit den Schultern. »Die Naschsucht hat uns gleich zusammengeschmiedet.«
»Ich hebe ihm ein paar Krümel auf. Oder wollen Sie ihm wirklich die Hälfte abgeben?«
»So dick sind wir nun auch nicht miteinander.« Er nahm sich einen Bissen und schnupperte daran, bevor er sich ihn in den Mund schob. »Himmlisch!«
»Vielen Dank.«
Er seufzte genießerisch und sah dann Amy an.
Sie schaute in die hinreißendsten schokoladenbraunen Augen, die sie je gesehen hatte. Und als wäre das nicht genug, hatte Tate auch noch dichte volle Wimpern. Bei seinem Anblick wurde ihr Mund trocken.
Er leckte sich den Mund und stöhnte auf.
Plötzlich wurde Amy bewusst, dass sie ihren Zitronenkuchen noch nie an den Lippen eines Mannes geschmeckt hatte.
Flirtete Tate Darnley etwa mit ihr?
So unauffällig wie möglich schaute sie auf seine Hand – kein Ehering. Und wenn schon, manche Männer trugen keinen.
»Wirklich, noch nie im Leben habe ich …«
Er verstummte, als jemand die Küche betrat.
Fast gleichzeitig drehten sie sich um. Vor ihnen stand eine der gepflegtesten, makellosesten Frauen, die Amy je gesehen hatte – eine hochgewachsene gertenschlanke Blondine in einem unwahrscheinlich teuren Designerkostüm. Ihr Blick war kühl und prüfend.
»Noch nie in deinem Leben hast du was, Liebling?«, fragte sie.
Amy schluckte. Warum kam sie sich vor, als wäre sie in flagranti ertappt worden?
»Hallo, Victoria.« Tate küsste sie auf die perfekt geschminkte Wange. »Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.«
Ihr Lachen klang wenig erfreut. »Ganz offensichtlich.«
»Ich wollte gerade sagen, dass ich noch nie etwas so Leckeres wie Amys Zitronenkuchen gegessen habe.«
Eine anmutig geschwungene Augenbraue zuckte noch höher. Victoria schien ihm nicht zu glauben.
»Wo sind deine Sachen?«, fragte die Frau und warf einen spitzen Blick auf seinen nackten Oberkörper.
»Hier.« Amy griff nach dem Müllbeutel mit seinem Jackett und dem Hemd. »Ich hatte einen kleinen Unfall mit dem Puderzucker, und leider hat sein Hemd etwas abbekommen.«
Tate nahm ihr den Beutel ab. »Tut mir leid«, flüsterte er und hob erst dann die Stimme. »Danke, Amy. Ich habe euch noch nicht bekannt gemacht. Victoria, dies ist Amy … Entschuldigung, ich fürchte, ich kenne Ihren Nachnamen gar nicht.«
»Carson.«
»Victoria, dies ist Amy Carson«, fuhr er fort, »Amy, dies ist Victoria Ryan, meine Verlobte.«
Verlobte?
»Sie beide sind das Brautpaar?« Amy wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Ja, wir heiraten in vier Tagen.« Victoria nickte ihr flüchtig zu. »Und Sie sind …?«
»Die Köchin. Der Kollege, den Eleanor engagiert hat, ist in letzter Minute ausgefallen, und ich bin für ihn eingesprungen.«
Tates Verlobte musterte sie von Kopf bis Fuß. »Sie sehen nicht aus wie eine Köchin.«
Amy errötete. »Meine Kochjacke ist im Bad. Sie war voller Puderzucker.«
Plötzlich ging ihr auf, wie sich das anhörte – als hätten sie beide sich eine Kuchenschlacht geliefert, was vermutlich immer noch besser klang als das, was seine Verlobte sich ausgemalt hatte. Amy konnte es ihr nicht verdenken. Tates Stöhnen und Seufzen ließ einen nicht gerade an den Genuss von Zitronenkuchen denken.
Das hier lief nicht gut. Sie starrte abwechselnd auf das Chaos, an die Zimmerdecke und auf die Arbeitsfläche zwischen ihr und Miss Perfect, der idealen Partnerin für Mr. Perfect. Was hatte sie schon zu verlieren? Kurz entschlossen griff sie nach der Platte mit dem Kuchen und hielt sie Victoria hin. »Möchten Sie auch ein Stück?«
»Nein, danke.«
»Wir sollten Amy nicht länger aufhalten.« Tate schob sich den letzten Bissen in den Mund und verließ mit seiner Verlobten die Küche.
Amy sah ihnen nach. Sie wollte nicht lauschen, hörte aber trotzdem, was die beiden zueinander sagten.
»Was war das denn?«, fragte Victoria.