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Vom Wachsen und Aufblühen

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Was bewegt Frauen heute noch dazu, einen Garten zu haben und zu pflegen?

Das Gefühl, einsam und isoliert zu sein und der Wunsch nach tiefer Verbundenheit führen die Journalistin Alice Vincent zu einem außergewöhnlichen Vorhaben: Sie erstellt eine Liste von Frauen, die sie bewundert und mit denen sie gerne sprechen möchte – über das Leben und über das Gärtnern. Sie will verstehen, was Frauen dazu bewegt, hinauszugehen, den Boden zu bearbeiten, Samen zu säen und Pflanzen zu pflegen, auch wenn so viele andere Aufgaben auf ihren Schultern lasten. Vom Wachsen und Aufblühen versammelt sehr persönliche und berührende Lebensgeschichten von Frauen zwischen 22 und 82 Jahren, immer ist der Garten Fluchtpunkt und Kraftort und offenbart verborgene Wahrheiten. Das Buch führt an verwunschene Orte in England, Schottland, Frankreich, zu Cottages in Rosengärten, zu Kräutergärten und Sozialarbeitsprojekten. Einfühlsam und voller Neugier spürt Alice Vincent den Gründen für das Gärtnern nach, die so vielfältig sind, wie die Frauen: postnatale Depression, Verlust, Trauer, Migration, Identitätssuche, Mutterschaft. Ein einzigartiger literarischer Spaziergang zu Orten, die uns widerstandsfähiger machen.


  • Erscheinungstag: 25.02.2025
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN/Artikelnummer: 9783312013678

Leseprobe

Alice Vincent

Vom Wachsen und Aufblühen

Geschichten gärtnernder Frauen

Aus dem Englischen von
Mayela Gerhardt

Für Anna und Heather

»In einem Garten geht es an erster Stelle um Menschen und an zweiter um Pflanzen.«

Katherine Swift, The Morville Hours

Einleitung

Anfang Dezember, bevor alles andere passierte, ließ ich mir die Tarotkarten legen. Ich war auf einer Party, wo es eine Kartenleserin gab. Nach ein paar Drinks saß ich in einer schummrigen Sitzecke des Nachtklubs, wählte Karten aus, drehte sie um und hörte zu, während sie meine Frage beantwortete: »Was wird mir das nächste Jahr bringen?«

Wer nicht viel Ahnung von Tarot hat, erhofft sich davon eine Voraussage über die Zukunft oder die Wahrheit zu erfahren. Wer sich besser damit auskennt, versteht, dass es einem meist nur das bestätigt, was man bereits weiß, womit man sich aber möglicherweise nicht auseinandersetzen will. Mit langen Fingernägeln drehte die Frau die Karten um: die Welt, der Gehängte, der Eremit, die Herrscherin. Sie ging sie mit mir durch, sprach von einem Potenzial für große Veränderungen und Chancen, aber auch von einer schleichenden Bedrohung des Stillstands. Ich solle mir Zeit für mich nehmen und mich den Frauen in meinem Leben zuwenden, riet sie mir, um Kraft, Weisheit und Orientierung zu erlangen, wenn ich das erreichen wollte, was ich mir erhoffte.

Monate später dachte ich an die Herrscherin zurück. Im Tarot kommt sie einer Erdmutter am nächsten – sie steht für Fruchtbarkeit und Fülle, für Liebe, die dem Erdreich entspringt. Und sie verkörpert Weiblichkeit. Ich dachte an die Herrscherin, und ich dachte an die wichtigsten Frauen in meinem Leben – meine Schwester, meine Mutter, meine beiden besten Freundinnen –, an die Frauen, die ich bewundere, mit denen ich lache und Pläne schmiede, mit denen ich mich nur noch per Sprachnachrichten über WhatsApp austauschen konnte und von denen ich die meisten seit dem Winter nicht mehr berührt hatte. Die Pandemie hatte uns auseinandergerissen und auf seltsame Weise unser Zeitgefühl verdreht. Ich versuchte die unerwarteten Ereignisse zu begreifen, die mein Leben verändern würden – unsere Hochzeit, ein neues, gemeinsames Zuhause –, während ich mich gleichzeitig nach der Freiheit und Verwirrung meiner Zwanziger sehnte, die weiter entfernt schienen als je zuvor.

Ich hatte das Gefühl, dass der Lockdown in meinem Freundeskreis den allmählichen Übergang von der Mädchenzeit zum Frausein mit einem leisen Ruck beschleunigt hatte. Ich hatte erwartet, dass wir die letzten Ausläufer des Lebens feiern würden, dem wir entwachsen waren, dass es noch ein wenig andauern würde, bevor es sich verwandelte. Stattdessen hörte es schlagartig auf; ein Lichtschalter anstelle eines Dimmers. Die Ausgangssperren und Abwesenheiten hatten uns die Übergangszeit geraubt. Als ich meine Freundinnen wieder treffen konnte, waren sie in der achtunddreißigsten Woche schwanger und steckten mitten im Umzug in ein neues Haus, was über Kurznachrichten zu umständlich zu erklären gewesen war. Auf einen Schlag waren wir alle isoliert voneinander erwachsen geworden.

Ein Gefühl der Einsamkeit stieg in mir auf, das sich wandelte, sich mal als Wut, mal als Melancholie und mal als Unbehagen äußerte. Mein Gehirn war über die Wochen, Monate hinweg trübselig und träge geworden, hatte auf die Beengtheit meines Zuhauses mit glatter Ablehnung reagiert. Mir fehlte Inspiration, und mich peinigte die Untätigkeit. Ich sehnte mich verzweifelt nach einer Verbindung, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie brauchte, weil ich zuvor immer das Glück gehabt hatte, sie zu besitzen. Also begann ich mich außerhalb meines engen Freundeskreises umzusehen, in dem ich mich bis zur Unkenntlichkeit zu etwas Unbekanntem veränderte. Ich suchte nach einem Leitfaden für das Frausein – bei Frauen, die ich noch nie getroffen hatte.

Mitten in diesem festgefahrenen Jahr schlug ich ein grünes Notizheft auf und erstellte eine Liste mit Namen. Darauf kamen die Frauen – größtenteils Fremde –, mit denen ich über ihren Garten und ihr Leben sprechen wollte; Frauen, deren Arbeit mir interessant erschien. Denn Frauen haben schon immer gegärtnert, aber unsere Geschichten sind mit unserer Arbeit verschüttet worden. Seit Jahrhunderten haben wir die Geheimnisse des Erdbodens erlernt. Wir haben Kräuter aus der Erde hervorgelockt und zu Heilzwecken getrocknet; wir haben Samen in unsere Haare geflochten, um unser Erbe zu bewahren, selbst wenn die Zukunft grausam und ungewiss schien; wir haben die Welt im Stillen verschönert, zu oft ohne Anerkennung. Ich wollte versuchen, das zu ändern. Ich wollte die Gärten sehen, die von Frauen angelegt worden waren. Ich wollte wissen, was sie ermutigt hatte, hinauszugehen, den Boden zu bewirtschaften, Samen auszubringen und die Sprösslinge zu hegen, auch wenn so viele andere Pflichten auf ihren Schultern lasteten. Ich wollte wissen, wie ihr Leben sie zu diesem Ort geführt hatte und was er ihnen nun, da sie dort waren, gab.

Sechs Jahre lang hatte ich mit stillem Drang auf Balkonen Pflanzen zum Wachsen gebracht; der erste war kleiner und heller gewesen als der zweite. Ich hatte gegärtnert, während ich Freude oder Einsamkeit, Verbundenheit oder Verlustschmerz empfunden hatte. Ich hatte gegärtnert, um zu feiern und um mich zu beruhigen. Mein inneres Gleichgewicht war an die Pflanzen geknüpft, daran, sie zu betrachten und sie zu pflegen. Nachdem ich fast drei Jahre lang einen schattigen schmalen Streifen von einem Balkon in eine einladende grüne Oase verwandelt hatte, stand ich vor der leeren Weite eines Gartens hinter unserem Haus.

Schon immer habe ich anhand ihrer Geschichten etwas über Pflanzen gelernt: wie sie hierhergekommen sind, wofür sie stehen, welche stillen Kräfte ihnen innewohnen und wem sie etwas bedeuten. Ich bin schon von Berufs wegen Geschichtenerzählerin: Als Journalistin habe ich das über ein Jahrzehnt lang jeden Tag getan. Jetzt wollte ich die Geschichten dieser Frauen hören – und vielleicht auch erzählen. Ich wollte mehr darüber erfahren, was sie zur Gartenarbeit veranlasste, möglicherweise um mein eigenes Bedürfnis danach besser zu verstehen oder um mir darüber klar zu werden, was es bedeutet, eine Frau zu sein.

Zunächst wandte ich mich an die Frauen, die ich in den sozialen Netzwerken gefunden oder auf die ich bei der Internetrecherche gestoßen war, und fragte sie, ob sie bereit seien, sich mit mir in einer Grünanlage ihrer Wahl zu treffen – sofern die Einschränkungen der Pandemie es zuließen, denn zu jener Zeit fand unser Leben zwischen Lockdowns statt. Aber nach und nach wurde mir bewusst, dass es viele Frauen und Geschichten gab, die außerhalb meiner Reichweite waren, und so erstellte ich ein schlichtes Onlineformular. Neben ein paar grundlegenden Fragen – Altersgruppe, Wohnort – stellte ich die für mich wichtigste und spannendste Frage: »Was hat dich zum Gärtnern gebracht?« Ich veröffentlichte den Link im Internet, und am nächsten Morgen waren bereits über fünfhundert Antworten eingegangen.

Begierig las ich sie durch, diese Nachrichten fremder Frauen, die mich so großzügig an ihrem Leben teilhaben ließen. In kurzen, prägnanten Sätzen wurden hier alle Bereiche des Lebens angesprochen: postnatale Depression, Verlust, Trauer, Migration, Genesung, Identität, Mutterschaft. Diese Frauen gärtnerten, um sich innerhalb der Umstände, in die das Leben sie geworfen hatte, einen Raum zu schaffen. Ich konnte Muster erkennen: Der Lockdown war ein wiederkehrender Beweggrund, ein weiterer – vermutlich wenig überraschend – der Umzug in ein Haus mit Garten. Einige Frauen, oft ältere, hatten die Gartenarbeit einfach zusammen mit anderen häuslichen Pflichten übernommen, die ihre männlichen Partner stillschweigend übersahen. Am häufigsten wurde das Wort »Mama« oder »Mutter« genannt. In manchen Fällen hatten Botanikergroßväter oder landwirtschaftlich tätige Väter ihnen den Anstoß gegeben, sich mit der Erde zu beschäftigen, aber hauptsächlich las ich hier von anderen Frauen.

Die Geschichten kamen aus dem Süden Londons und der Schweiz, aus New York und Newcastle upon Tyne. Die Lektüre war fesselnd und bittersüß: Ich konnte unmöglich mit allen siebenhundert Frauen sprechen, die mir letztlich insgesamt antworteten; im besten Fall könnte ich zehn Prozent von ihnen befragen. Doch einige faszinierten mich mehr als andere, und so sandte ich eine Flut von E-Mails aus.

Jedes Mal, wenn ich meinen Posteingang öffnete, fand ich darin Antworten mit Terminvorschlägen und Adressen vor. Ich zwackte mir freie Tage ab und durchquerte für ein Gespräch von ein paar Stunden das Land oder sogar den Kontinent. Manchmal kehrte ich enttäuscht nach Hause zurück. Zwar waren die Treffen immer herzlich und angenehm, aber in einigen Fällen fand ich einfach keine Antworten auf Fragen, die ich selbst noch nicht klar formulieren konnte. Trotzdem hielt ich an meinem Vorhaben fest, mit den Frauen über ihre Beziehung zur Erde zu reden, herauszufinden, was sie ein ums andere Mal zum Gärtnern antrieb.

Deutlich öfter allerdings kehrte ich beflügelt nach Hause zurück, beglückt über die gewonnenen Erkenntnisse und mit Gesprächsfetzen im Hinterkopf, die Wochen oder Monate später in meinem eigenen Garten oder beim Schlendern über die Straße wieder in mein Bewusstsein drangen: kleine Lebensweisheiten, die meine Weltsicht veränderten. Wie bei vielen Dingen, die wachsen, erforderte der Prozess Zeit, Hingabe und Glück. Oft war ich überrascht, wie Teile eines dieser Gespräche in meinem Kopf widerhallten, während ich etwas tat, was gar nichts damit zu tun hatte.

Am Anfang meiner Recherche dachte ich über mögliche Gründe nach. Über Trauer und Rückzug. Über Mutterschaft und Kreativität. Und ich dachte über die Erde als Ort des politischen Wandels nach, über die politische Bedeutung, die damit einhergeht, eine Frau zu sein, in einem Körper zu stecken, der seit Jahrtausenden ausgegrenzt, abgelehnt oder zum Fetisch erhoben wird. Ich dachte an die Frauen, die die Erde als Möglichkeit für Fortschritt und Protest ansehen.

Und so entwickelte ich bei der Auswahl meiner Interviewpartnerinnen eine Art Gespür dafür, in welche Richtung unsere Unterhaltung wahrscheinlich gehen würde. Manchmal lag es an den Gründen, die sie in meinem Fragebogen angegeben hatten, manchmal an ihren Beiträgen in den sozialen Medien oder an den Geschichten, die sie bereits über ihre Beziehung zum Erdboden erzählt hatten; manchmal aber war es lediglich eine Vermutung. Ich merkte recht schnell, dass sich meine Annahme oftmals von dem unterschied, was tatsächlich bei den Gesprächen herauskam. Dachte ich, dass eine Geschichte davon handele, eine Tradition fortzuführen, ging es um Erlösung; nahm ich an, eine Geschichte handele vom Rückzug, ging es letztlich um Grenzen. Oft traf ich eine Frau in der Erwartung, über ein unkompliziertes Thema zu plaudern, und verließ sie schwer bepackt mit ihren Momenten des Glücks, ihren Verlusten, ihren traumatischen Erlebnissen und Einsichten. Solche Gespräche empfand ich als so massiv wie einen Felsbrocken.

Vor jedem Treffen war ich nervös. Aber vor allem war ich überwältigt von der Großzügigkeit dieser Frauen, einer Fremden Einblick in ihr Leben zu gewähren und ihr ihre Geschichten anzuvertrauen. Oft gab ich auch etwas von mir selbst preis, sprach mit ihnen so offen über meine Gedanken und meine Angst davor, zu heiraten und Kinder zu bekommen, wie mit niemandem sonst. Manchmal saßen wir noch zusammen, ohne dass das Diktiergerät lief, und führten ein ausgeglicheneres Gespräch, in dem mir behutsam Ratschläge und Weisheiten zuteilwurden, denn ich verlangte nach den Erfahrungen von Frauen, die das, was mir noch bevorstand, bereits erlebt hatten. Die Frauen und die Unterhaltungen mit ihnen halfen mir nicht nur, mein Leben anders zu betrachten, sondern auch, meinen Garten mit anderen Augen zu sehen.

Keine der Frauen, mit denen ich sprach, hatte nur einen einzigen Grund, um zu gärtnern; das Leben ist selten so klar strukturiert. Immer hatte sie eine Vielzahl von Faktoren in die Natur und zu den Pflanzen geführt. Je länger ich mit Frauen über ihre Gärten sprach, desto mehr Verbindungen erkannte ich zwischen ihnen. Und auf diese Weise stelle ich sie hier vor – diese Frauen, ihre Geschichten und die Orte, zu denen sie sich hingezogen fühlen. Während sich die Wochen zu Jahreszeiten ausdehnten, fügte sich das Gehörte zu einem Gesamtbild zusammen. Ich verstand, warum sich Frauen dem Erdboden zuwandten, um selbst aufzublühen.

1
Brixton

Ich stand an der Balkontür und beobachtete die Lightshow, die sich mir bot. Die späte Nachmittagssonne verfing sich im Wind und in den Zweigen der Bäume und kämpfte darum, auf die Wände zu treffen. Ein Verlängerungskabel schlängelte sich an der Fußleiste entlang; ein Lampenschirm aus Korbgeflecht, den ich bei den Müllcontainern gefunden hatte, hing von der Decke; mein grimmiger Stolz und die langen Nächte, die ich in dieser Wohnung verbracht hatte, schwebten schwach in der Luft. Bald würde ich diese Wohnung verlassen. Aber erst noch ein weiterer Schattentanz über die Dielen.

Dieser Ort – eine ursprünglich schmuddelige, leicht feuchte ehemalige Sozialwohnung – war für mich ein Neuanfang gewesen. Drei Jahre zuvor hatte mir der bisherige Bewohner den einzelnen Messingschlüssel ausgehändigt: ein kleines Stück Stabilität, nachdem ich fünfzehn Monate lang durch die Stadt gezogen war. Gleich nach meiner Ankunft schälte ich Tapeten und Styroporplatten ab; ich nistete mich ein in dem fieberhaften Verlangen nach einem Raum, der nur mir gehörte. Einer meiner Freunde nannte die Wohnung »Baumhaus«, und während ich den Wechsel der Jahreszeiten an den Bäumen draußen beobachtete, blieb dieser Name haften. Er untermauerte das Gefühl hart erkämpfter, überlebenswichtiger Einsamkeit: dass dieser Ort nur für mich bestimmt war.

In jenen ersten Wochen sagte ich mir, der Balkon müsse warten, weil es drinnen zu viel zu tun gebe. Aber einen Monat später, an einem kalten, sonnigen Samstag Ende Oktober, konnte ich nicht länger widerstehen. Wenn ich im Frühling etwas Farbe sehen wollte, musste ich im Herbst Blumenzwiebeln setzen. Bei meinem Supermarkteinkauf drängten sich Schachteln mit weißen Zwergnarzissen zwischen Nudeln und Klopapier; im Internet bestellte ich noch ein paar andere, die auf meinem Büroschreibtisch landeten. Vor über einem Jahr hatte ich den Boden unter den Füßen verloren, aber jetzt konnte ich einen Garten anlegen.

Dieser Balkon war größer als mein vorheriger, der mir Halt gegeben hatte, als alles andere in sich zusammengebrochen war, und lag fast vollständig im Schatten. Ein neuer Lebensraum, der sowohl von mir als auch von Eichhörnchen und Tauben beansprucht wurde. Der Balkon war leer zurückgeblieben, aber ich bestückte ihn mit einer eigenwilligen Mischung aus tropischen Gewächsen (Bambus, Phlebodium, Zierspargel) und Pflanzen eines englischen Country-Gartens (Fingerhut, Erigeron, Waldmeister, winterharte Geranien), um eine weltentrückte Oase zu schaffen. Ich rollte einen Kunststoffteppich aus, quetschte Bugholzstühle durch die Tür, klappte die Melamintischplatte je nach Jahreszeit hoch oder runter. Nicht einmal fünf Quadratmeter und doch groß genug, um ganze Wochenenden dort zu verbringen. Auf dem Sofa wurde ich träge, aber auf dem Balkon widmete ich mich stundenlang den Blumentöpfen und Pflanzen, goss und düngte, zupfte vorsichtig welke Blätter ab. Der Tisch quoll von Anzuchttöpfen über, die Stühle wurden von Pflanzgefäßen in Beschlag genommen. Manchmal blickte ich zufrieden auf das Ergebnis meiner Arbeit, aber meist ging ich einfach in der Tätigkeit an sich auf. In dem Balanceakt zwischen Intuition und Herausforderung, der sich vollzog, wenn ich mit dem Vorsatz nach draußen ging, nur eine Sache zu erledigen, und eine Stunde später wieder hereinkam, die Finger schwarz vor Erde. Oft überraschte mich der Balkon – mit einer zartblauen Iris reticulata, die sich beim frostigen Tagesanbruch öffnete, oder der üppig wuchernden Kapuzinerkresse. Noch ahnte ich nicht, dass ich einen Ort schuf, der schließlich zwei Menschen beherbergen würde.

Einen ganzen Frühling und Sommer lang arbeiteten und aßen Matt und ich an demselben kleinen Tisch, unsere Füße und Laptopkabel stießen auf dem Boden gegeneinander. Wir schliefen, bis uns bei Tagesanbruch der morgendliche Vogelchor weckte. An einem Abend im Mai, auf dem Balkon, beschlossen wir zu heiraten. Nachdem ich Ja gesagt hatte, veränderte sich unser Zustand unerwartet, als hätten wir uns als Paar irgendwie neu erschaffen. Eine vorfreudige Nervosität wie beim ersten Date. Vielleicht lag es an der Absurdität des Ganzen: dass etwas so Einfaches, wie eine Frage zu stellen und eine Antwort zu geben, den Rest unseres Lebens formen konnte. Es fühlte sich wunderbar und zugleich grotesk an, als wäre die Welt kurzzeitig zu Wackelpudding geworden. Wir behielten es ein paar Tage für uns, bevor wir bei seiner Familie die Runde machten – in gebührendem Abstand, wie es seinerzeit vorgeschrieben war – und auf unseren täglichen Spaziergängen Freunde treffen konnten; meiner Familie erzählten wir es über Zoom und sahen die Überraschung auf ihren kleinen, pixeligen Gesichtern. Wie bedeutsam, wie kostbar, wie federleicht es sich anfühlte.

Den Großteil meines frühen Erwachsenenlebens war ich davon ausgegangen, dass ich nicht heiraten würde. Als kleines Mädchen hatte ich mir nie eine große Hochzeit in Weiß ausgemalt und auch in späteren Jahren kein Verlangen danach verspürt. Ich mochte die Hochzeiten anderer Leute, aber mir entgingen auch nicht die seltsamen Fallen, in die so viele meiner Freundinnen dabei tappten. Ich war auf zahlreichen Hochzeiten, bei denen die Braut still dasaß, während die Männer um sie herum in höchsten Tönen ihr Organisationstalent lobten – was die Feier bewies, die wir alle genossen und die sie fast im Alleingang auf die Beine gestellt hatte –, und ich fragte mich, wohin die Frauen, die leidenschaftlichen und lustigen Mädchen, die ich gekannt hatte, in ihren weißen Kleidern entschwunden waren. Wir waren alle zu mehr imstande, als Tafelaufsätze zu bestellen. Aber da war ich nun, mit einem Ring am Finger, und führte merkwürdig abstrakte Gespräche darüber, wie unsere Hochzeit aussehen könnte. Ich liebte Matt und wollte ihn heiraten, aber mir war auch klar, dass eine lebenslange Bindung an einen Mann für mich mit Kompromissen einhergehen würde, die er seinerseits nicht einzugehen brauchte. Eine Hochzeit verkompliziert und verzaubert zugleich. Sie verändert das Leben der Frauen, die – aus welchen Gründen auch immer – beschließen, eine Ehe einzugehen.

*

Auf Mary Delany stieß ich in einem schmalen wissenschaftlichen Buch, das ich im Internet entdeckt hatte. Und was ich dort las, ließ auf eine Frau schließen, mit der ich mich gern auf einer Party unterhalten hätte. Aristokratisch, ja, aber pfiffig. Eine bemerkenswerte Universalgelehrte mit schöpferischer Kraft. Eine Frau, die schrieb, malte, Gärten anlegte und ihren Freundinnen Grotten widmete. Delany war in ihren Siebzigern, als sie begann, Papiercollagen von Blättern und Blumen auf schwarzem Hintergrund zu erstellen. Sie wurde im Jahr 1700 geboren, also geschah das im späten 18. Jahrhundert. Zu einer Zeit, in der die botanische Kunst die Beutestücke des Kolonialismus nur sehr vorsichtig darstellte – und ohne das mit ihrer Aneignung einhergegangene Blutvergießen –, präsentierte Delany deren Bestandteile im Detail: Kelch- und Staubblätter, Stempel und Blütenblätter. Vierzig Jahre zuvor war sie bei Hofe in einem schwarzen Kleid mit einer Rockweite von einem Meter achtzig erschienen, bestickt mit botanisch akkurat dargestellten Blumen. Sie hatte das gesamte Werk selbst entworfen – alle anderen Frauen trugen Pastellfarben. Nach ihrem Tod widmete Erasmus Darwin ihr Gedichte.

Delany widersetzte sich den gängigen Anforderungen an eine Frau, und wenn sie es nicht konnte, schuf sie Alternativen. Sie kritisierte die Ehe scharf und wurde dennoch zur Heirat gezwungen – als das Familienvermögen schwand, musste sie im Alter von siebzehn Jahren einen gichtgeplagten Alkoholiker ehelichen, der achtunddreißig Jahre älter war als sie. »Ich wurde geopfert«, schrieb sie über diese Verbindung. Sie war vierundzwanzig, als sie ihn »ziemlich schwarz im Gesicht« vorfand. Ihr Mann hatte es versäumt, sein Testament zu ändern, sodass das Erbe, das der Grund für Delanys Vermählung mit ihm gewesen war, nicht ihr zufiel, sondern einem Neffen. Die nächsten zwei Jahrzehnte verbrachte sie damit, Heiratsanträge abzulehnen und ihrer Schwester in Briefen von den enttäuschten Freiern zu berichten. Mit dreiundvierzig heiratete sie wieder, gegen den Willen ihrer Familie, einen Mann namens Patrick. Er versprach ihr, sie »beim Verfolgen ihres künstlerischen Schaffens zu unterstützen« – und einen Garten.

Auf Patrick Delanys Grundstück legte Mary ihren eigenen Garten an. Sie schuf verborgene Winkel und wilde Flecken; unter einem Hügel gestaltete sie eine »Bettlerhütte«, deren ovaler Eingang von einer Krause aus schamhaarähnlichem Gestrüpp umgeben war. Der Garten beflügelte Delanys Kreativität, so wie es auch ihre Ehe tat, selbst wenn Patrick und sie eher Gefährten als Geliebte waren. Nachdem sie die Ehe jahrelang als Gefängnis angesehen hatte, fand sie schließlich einen Weg, sie zu ihren Bedingungen funktionieren zu lassen.

Ich bin nicht wie Delany: weder adelig noch im Jahr 1700 geboren und nicht auf einen Mann angewiesen, um Sicherheit oder Status zu erlangen, auch wenn ich nach wie vor in einer patriarchalischen Gesellschaft lebe. Aber nachdem ich die Ehe lange abgelehnt hatte, verlobte ich mich schließlich und erhielt nur dank des Mannes, den ich heiratete, Zugang zu einem Garten.

Einige Jahre zuvor, als unsere Beziehung noch zaghaft und frisch war, schlenderte ich einmal mit Matt meine Lieblingsstraße in London entlang. Es ist eine lange, gerade Straße, die auf einen Hügel in Camberwell hinaufführt und zu beiden Seiten von geneigten Häusern im georgianischen Stil gesäumt wird. Die Fensterscheiben sind so alt, dass sie das Licht beugen. Dort kann man einen guten Blick in die Vorgärten werfen. Matt sagte, eines Tages werde er mir einen Garten schenken. Es war genau die Art von schlichtem, absurdem Ehrgeiz, zu dem er neigt – gewagt und gewaltig, ohne jeden Realitätsbezug. Ich lachte. Und finde immer noch, dass es das Romantischste ist, was er je zu mir gesagt hat.

*

Ich zog die Autoschlüssel aus meiner Tasche und barg sie in meiner Hand. Zeit zu gehen. Zehn letzte Schritte über den vom Sonnenlicht gesprenkelten Boden. Hier hatte ich mein unabhängiges Frausein herausgebildet, hier hatte ich das Glück gehabt, allein zu leben. Ich dachte an die Mahlzeiten, zu denen ich an den – jetzt fehlenden – Tisch eingeladen hatte, an die Worte, die ich dort geschrieben, an die Rechnungen, die ich bezahlt hatte. Ich dachte ein wenig über die Statistik nach, der zufolge Frauen nach der Heirat weniger glücklich sind und Männer glücklicher. Ich dachte an die unsichtbare Arbeit, die bei heteronormativen Paaren in der Regel von den Frauen geleistet wird – Geburtstagskarten kaufen, Terminkalender im Blick behalten, die Diätvorschriften der Essensgäste berücksichtigen. Diese kleinen Lasten waren auf meinen Schultern gelandet, und ich wusste, dass weitere hinzukommen würden. Mit einem anderen Menschen ein Zuhause zu erschaffen – ein Leben –, bedeutet, Kompromisse einzugehen und sich selbst mit dem anderen zu teilen. Durch den Umzug gewannen Matt und ich einen neuen, glanzvollen Raum. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich die Zügel der Unabhängigkeit losließ, die ich während meines Alleinlebens in der Hand gehalten hatte.

Ich tat nichts Außergewöhnliches; viele meiner Freunde lebten mit ihrem Partner zusammen, hatten geheiratet oder sich verlobt. Ich freute mich auf das Zuhause, das Matt und ich gemeinsam gestalten würden, tat mich aber schwer damit, den damit verbundenen Anforderungen ins Auge zu blicken. Als Frau Anfang dreißig in einer festen Beziehung zu leben, kommt einem ständigen Tanz auf dem Drahtseil der Erwartung gleich. Die Kinderfrage hängt schwerer denn je in der Luft, sinkt in Richtung Boden, bis sie auf jedem Ess- und Couchtisch landet, in jedem Biergarten, in jedem Park, wo immer man sich gerade aufhält. Während ich meine Umzugskartons packte, bot mir meine Schwester per SMS die Kleider an, aus denen ihre Jungs herausgewachsen waren. Wir hätten jetzt vielleicht ein bisschen mehr Platz, oder? Ich antwortete, ich hätte Angst, etwas heraufzubeschwören, wenn die Sachen schon im Haus wären. Es gab so vieles, worüber ich mir noch klar werden musste.

Für mich war es immer leichter, das Kinderthema zu verdrängen, als mich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Genau wie die Ehe war das Kinderkriegen etwas, von dem ich in meinen Zwanzigern die meiste Zeit gedacht hatte, dass ich es einfach nicht tun würde. Die Welt stand in Flammen, damals war ich mit jemandem zusammen, der keine Kinder haben wollte, und ich ging in meinem Beruf auf – vielleicht war es einfacher, sogar edler, keinen Nachwuchs zu bekommen. Stattdessen schwebte mir ein genussvolles und unabhängiges Erwachsenenleben vor. Mitten in der Woche Dinnerpartys und Urlaube außerhalb der Schulferien. Ich nahm mir fest vor, eine großartige Tante zu sein, die lustige Freundin, die Vertraute, an die sich die Kinder meiner Freundinnen im Teenageralter wenden würden. Doch da war ich nun, mit Anfang dreißig, und in meine Zukunftsvision schien sich ein Baby eingeschlichen zu haben. Ich war nie so recht überzeugt davon gewesen, Kinder zu bekommen, hatte aber die Mutterschaft als eine Art Ziel trotzdem nicht endgültig abschütteln können.

Bei der Wohnungsbesichtigung hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, dort ein Kind großzuziehen. Ich sprach darüber, wo wir den Kinderwagen verstauen würden und ob die schicke Eingangstreppe mit einem Kleinkind im Schlepptau zu einem täglichen Ärgernis werden könnte. Ich überlegte, ein Gitterbett neben unser Bett zu stellen, einen Kinderstuhl in die Küche. Ich malte mir das ganze Drumherum eines unsichtbaren, gesichtslosen Babys aus; ein flaumiger Kopf, der sich durch die Küche bewegt, ein kleiner Körper, der sich auf dem Sofa zusammenrollt. Es waren weniger bewusste Gedanken als kurze Bilder, die vor meinem inneren Auge aufzublitzen begannen; die Andeutung eines Lebens, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich es wollte.

Ich hatte Angst davor, wie die Mutterrolle mein Leben verändern würde. Ich käme nicht gut damit klar, dachte ich, wenn ich den ganzen Tag mit einem Baby im Haus festsäße. Ich wäre betrübt – und möglicherweise verärgert – darüber, dass mir die neuen Verpflichtungen Zeit für meine kreativen Tätigkeiten rauben würden. Ich dachte an die biologischen Veränderungen, die im Körper einer frischgebackenen Mutter vor sich gehen; ich wollte nicht, dass sich mein Gehirn veränderte, dass frühmorgendliches Geschrei meine Sinne abstumpfte.

Ein Garten kann ein weiblicher Lebensraum sein, so wie der, den Mary Delany gestaltet hat, aber er steht auch mit den Kindern in Verbindung, die Frauen gebären. Ich hatte gesehen, wie Freundinnen mit dicken Babybäuchen Gärten angelegt und wie Mütter ihre Säuglinge mithilfe der Ernte aus ihren Gemüsebeeten abgestillt hatten, die gleichzeitig mit dem Baby gewachsen waren. Ich hatte Berichte über Frauen gelesen, die nach einer Fehlgeburt oder nach erfolglosen künstlichen Befruchtungen ihren wütenden Kummer mit dem Ausreißen boshafter Kiftsgate-Kletterrosen bekämpft und stattdessen mitten im Winter etwas Buntes gepflanzt hatten. Manche Gärten werden für Kinder umgestaltet – der Rasen wird zur Spielwiese, die Blumenbeete weichen einem Trampolin –, während anderen schon von vornherein der Wunsch nach einem Kind innewohnt. Als ich mir den Garten ausmalte, den Matt und ich miteinander teilen würden, dachte ich an Pfingstrosen und Duftwicken, ich dachte ans Umgraben und daran, wie die Pflanzen wachsen würden. Ich bin nicht sicher, ob ich an ein Baby dachte.

Die Beziehung zwischen dem Gärtnern und der Mutterschaft erschien mir beunruhigend und zu vereinfacht. Beides waren chaotische und wilde Schöpfungsakte, die einem tiefe Befriedigung bescherten – auf eine Weise, die von außen schwer zu erkennen war. Aber ich wusste, dass sich die Beziehung zu meinem Garten verändern würde, wenn ich ein Kind bekäme. Ich befürchtete, dass er als Luxus entlarvt würde, als Produkt der Zeit und Energie, die ich dann nicht mehr hätte. Ich stellte mir vor, wie dort überall Plastikspielzeug herumliegen würde. Unter den praktischen Aspekten verbarg sich aber etwas Tiefgreifenderes: Wenn der Garten mein Gestaltungsraum war, ein Ort, an dem ich meinen eigenen Wünschen und Vorstellungen folgen konnte, was würde es dann bedeuten, ein Kind dort hineinzubringen?

*

Es ist der letzte Tag im Juli, man riecht die Hitze, sieht sie auf dem Asphalt flimmern. Eigentlich sollte ich die Wände streichen, aber schließlich knie ich draußen im Garten und fahre mit den Fingern über die Erde. Sie ist karger, als ich angenommen hatte, ein mickriger, ausgedörrter, von Steinen durchsetzter Lehmboden. Ich sammle Etiketten von Wasserflaschen auf und Metallgehäuse von Teelichtern, die vor langer Zeit ausgebrannt sind. Ich greife nach einem Wassereimer und gieße ein paar zerfranste Hortensien. Dies ist unsere erste Begegnung – zwischen dem Garten und mir. Mein erster Kontakt mit dem Boden. An diesem heißen, trockenen Nachmittag kann ich mir noch nicht vorstellen, wie sich der Garten entfalten wird. Ich weiß nicht einmal, wie sich die Jahreszeiten entwickeln werden. Aber erst mal setze ich mich hin und beobachte, wohin das Licht fällt. Was habe ich für ein Glück, diesen Garten zu besitzen. Von diesem Augenblick an wird er zu meinem Reich: Matt gärtnert nicht und wird es auch nicht tun. Ich sehe dieses Stückchen Land auf andere Art als er, selbst inmitten des überwältigenden Wirbels eines Neuanfangs. Für mich ist es der Erdboden, den es zu nähren gilt, das Wachstum, das ich miterleben werde. Für ihn ist es nur eine grüne Fläche hinter den Fenstern. Ich werde diesen Raum nach meinen Vorstellungen mit Leben füllen.

2
Somerset

Nicht immer ist es leicht, etwas anzubauen. Ich habe viele Samen ausgestreut, nur damit sie in trockener Erde untätig schlummern oder in zu feuchtem Grund aufquellen und schimmeln. Manchmal picken die Vögel sie auf, manchmal werden die Jungpflanzen von einem heißen Nachmittag überrascht und verbrennen, hängen schlaff über den Rand des Blumentopfes. Manchmal macht man alles richtig, und trotzdem blüht nichts.

Ich verwandelte meinen Garten in eine To-do-Liste. In der Hitze des Spätsommers hatte ich die modernden Hochbeete demontiert. Im Dämmerlicht der ersten Herbstabende säte ich in Plastiktöpfen und Wurzeltrainern Samen aus: Blumen, die erst im nächsten Sommer blühen würden, dunkelviolette Duftwicken, Kornblumen, leuchtende Mohnblumen und zartrosa Blumen. Im Wohnzimmer schraubte ich den Bausatz eines Frühbeets zusammen. Ich stellte es an einen sonnigen Platz im Freien und bestückte es mit Anzuchttöpfen. Ab und zu machte ich mir am späten Abend wegen der Kälte Sorgen und deckte das Beet mit einem Wärmeschutz aus Verpackungsmaterial ab.

Ich nahm die Pfähle meines Großvaters – zwei stabile Metallpflöcke, die mit mehreren Metern Schnur aneinandergebunden waren – und stieß erst sie und dann ein paar Stöcke in die weiche Erde, bis sich ein Bogen über den Rasen spannte, um die Ränder des kargen grünen Rechtecks abzurunden, und grub eine Stelle aus, an der etwas wachsen konnte, nachdem ich über mehrere Wochen beobachtet hatte, wohin das Licht fiel. Matt und ich waren uns uneinig, was die Breite der Beete anging: Ich wollte sie größer, er wollte so viel Rasen wie möglich bewahren. Eine unausgesprochene Überlegung schwang darin mit: Eines Tages könnte ein Kind auf der Grasfläche spielen wollen. Wir schlossen einen Kompromiss, und ich nahm mir vor, die Beete insgeheim jedes Mal ein bisschen auszudehnen, wenn ich die Grenzen absteckte. Der Rasen wurde abgestochen, ausgehoben und in sauberen, flauschigen Vierecken hinter dem Pflaumenbaum aufgeschichtet. In das freigelegte Erdreich kam eine Kofferraumladung mehrjähriger Pflanzen – Gräser, Salbei, Knöteriche und Agastache –, die eine Zeit lang blühten, bevor sie zusammen mit dem schwindenden Tageslicht verwelkten. Mitten im Regen bauten wir einen Schuppen. Ich versenkte Tulpenzwiebeln in der abkühlenden Erde und stellte mir das feurige Schauspiel vor, das sich uns sechs Monate später bieten würde. Fritillaria, Narcissus, Nectaroscordum, Namen wie Gebete, allesamt unter einem zinnfarbenen Himmel vergraben. Über einige Wochen hinweg nutzte ich meine Mittagspausen, um ein Dutzend Fünfziglitersäcke mit gut verrottetem Stallmist auf den Beeten auszuleeren und die ausgezehrte Erde mit Nährstoffen anzureichern. Mir kam es vor, als könnte ich endlos viel in diesen Boden stecken: wurzelnackte Pfingstrosen, wurzelnackte Geranien, deren braune Triebe vertrauensvoll im Erdreich verschwanden. Unsere Küchenabfälle wanderten in eine große grüne Tonne in der Ecke, um zu etwas Unkenntlichem zu verrotten.

In diesen Monaten des Niedergangs wuchs nichts aus dem Boden, obwohl ich es mir so sehr wünschte. All meine Bemühungen konnten nicht verhindern, dass sich das Leben zurückzog; die Erde war trist und durchnässt. Der Garten wirkte verwildert und leblos zugleich; so oder so hatte ich keine Kontrolle über ihn. Er leistete Widerstand, ich flehte ihn an. Den ganzen Tag starrte ich darauf. Manchmal hörte ich, wie er zu mir sagte, ich solle Geduld haben. Wenn das gesichtslose Baby vor meinem inneren Auge auftauchte, fragte ich mich, wie ich mich gleichzeitig um diesen störrischen Garten und ein Kind kümmern sollte. Wie konnte ich die Saat und die bereits welkenden Zimmerpflanzen gießen, selbst in meinem Leben ohne jegliche Abhängigkeiten? Zu welchem Ausmaß an Fürsorge, fragte ich mich, sollten Frauen imstande sein?

Babys krabbelten in meine Gedanken. Wenn ich neue Kleider anprobierte, überlegte ich, ob ein wachsender Bauch darin Platz hätte und ob sie sich zum Stillen leicht öffnen ließen. Ich wusste nicht, ob ich ein Kind haben wollte oder nicht, aber vielleicht war das meine Art, es herauszufinden. Ein Dutzend unserer Freundinnen erwartete innerhalb weniger Monate ein Kind, und mit ihren großen Neuigkeiten kam die Erkenntnis, dass sich unser Leben verändert hatte. Ich fühlte mich nicht bereit dafür, aber ich weiß nicht, ob irgendjemand das überhaupt jemals ist.

Immer häufiger führte ich Gespräche, die auf das Thema Muttersein hinausliefen. Ältere Frauen erzählten von ihren erwachsenen Kindern und sannen darüber nach, wie es gewesen war, als sie zur Welt gekommen waren. Jüngere, kinderlose Frauen sprachen über ein Leben in naher Zukunft, in dem sie Mütter sein würden. Die Frauen, die sich irgendwo dazwischen befanden, häufig in den harten, kräftezehrenden Jahren, wenn die Kinder noch klein waren, sprachen darüber, welche Bücher sie lasen, während sie mit ihren Babys im Park spazieren gingen, oder über die unvorstellbar große Kluft zwischen der überschwänglichen Vorfreude auf das Mutterwerden und der ernüchternden Realität oder was es bedeutete, lange auf eine ersehnte Schwangerschaft zu warten oder die unverhohlene Wahrheit zu erfahren, dass der eigene Körper nicht dazu imstande ist, ein Kind auszutragen. Das passierte nicht nur, wenn ich mich mit Frauen darüber unterhielt, warum sie gärtnerten – auch beim Mittagessen mit Kolleginnen und bei Interviews, die ich als Journalistin führte, kam die Mutterschaft unversehens zur Sprache. So hörte ich mitten in einem Fotoshooting von der postnatalen Depression einer Frau oder schnappte bei einem Familienessen eine alte Erinnerung an die Kinderjahre auf.

Mit der Zeit verwandelten sich die dicken Bäuche meiner Freundinnen in Bündel mit zahnlosem Lächeln. Matt und ich machten die Runde, verteilten Glückwunschkarten und winzige Kleidungsstücke. Gurrend bewunderten wir das neue Leben, nicht nur die warmen, strammen Fäustchen und die von Milchschorf bedeckten Köpfchen, sondern auch das Leben, das in den Wohnzimmern Einzug gehalten hatte, die von Windeln und Fläschchen in Beschlag genommen wurden, hörten uns Schlafrhythmusberechnungen und Geburtsberichte an. Und dann verabschiedeten wir uns wieder und fragten uns, ob und wann es uns auch so ergehen würde. Es wirkte wie ein gewaltiger Umbruch, ein Leben mit Cocktails unter der Woche und trägen, spontanen Sonntagnachmittagen gegen eines einzutauschen, das von den kleinen und häuslichen Dingen bestimmt wurde. Doch insgeheim wusste ich, dass wir es beide bereits am Horizont erahnten. Noch fehlte uns der Mut, uns einzugestehen, dass wir es wollten, aber ich spürte, wie es leise, aber immer gewichtiger zwischen uns in der Luft hing.

Eines Nachmittags traf ein Ultraschallbild auf meinem Handy ein: die adrett geschwungene Wirbelsäule eines Babys, dessen Herz kraftvoll im Leib meiner besten Freundin schlug. Ich freute mich riesig für sie, wusste aber, dass sie gerade eine Erfahrung machte, die ich nicht nachvollziehen konnte, und dass dies ein Geheimnis war, das wir nicht miteinander teilten. Meine Freundin war gelassen und voller Vorfreude, denn sie lernte Dinge über ihren Körper, die man uns in der Schule nie beigebracht hatte. In den kommenden sechs Monaten fühlte es sich manchmal so an, als stünden wir in verschiedenen gläsernen Räumen – füreinander sichtbar, aber voneinander getrennt. Seit unserer Schulzeit hatten wir unsere Übergangsriten gemeinsam durchlebt. Jetzt machte ihr Körper einen lebensverändernden Prozess durch, und ich konnte nur vom Rand aus zusehen.

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In einer Forumsdiskussion stieß ich auf ein Buch mit dem Titel Eine Hütte für mich allein und bestellte es bei eBay, weil der Debütroman der kanadischen Autorin Joan Barfoot inzwischen vergriffen ist. Er ist in der ersten Person geschrieben, und inmitten der Schwemme literarischer Berichte von Menschen, die das spätkapitalistische Leben hinter sich lassen, um ein erdverbundeneres Dasein zu führen, ist es wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass Eine Hütte für mich allein nicht zu diesen Büchern gehört.

Die Ausgangssituation ist ebenso schlicht wie verblüffend. Abra ist Anfang dreißig und führt ein scheinbar angenehmes Leben: Ihr Mann ist ein erfolgreicher Börsenmakler, und gemeinsam mit ihm und ihren beiden Kindern im Grundschulalter lebt sie in einem hübschen, geräumigen Haus. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, sich für die Dinnerpartys zurechtzumachen, die die Ehefrauen der Kollegen ihres Mannes alle paar Wochen veranstalten. Aber dann macht sich Abra auf und davon und zieht in eine abgelegene Hütte auf einem dreißig Hektar großen Grundstück mit einer geisterhaften Geschichte, gekauft von dem Erbe, das für ihre Kinder bestimmt gewesen war. Ihrem Mann hinterlässt sie lediglich die Nachricht, dass er die Kinder bei den Nachbarn abholen solle. Sie bringt sich selbst bei, Holz zu hacken und Möbel zu reparieren, klebt schäbige Tapeten an und näht schiefe Vorhänge. Sie macht sich die Natur zu eigen, schwimmt im Fluss, beobachtet die Vögel und den Mond. Eine Hütte für mich allein wird von einer subtilen und beharrlichen Auseinandersetzung mit der Darstellung von Weiblichkeit angetrieben. In Abras neuem Zuhause gibt es weder Uhren noch Spiegel: Erstere hatten sie der Tyrannei der Zeit unterworfen, der nach Aufgaben unterteilten Tage; Letztere einer Eitelkeit, die sie nicht mehr besitzt. Aber es gibt keine Andenken an ihr Familienleben, insbesondere – und das ist von zentraler Bedeutung – keine Andenken an ihre Kinder. Jahre später bekommt Abra Besuch von ihrer inzwischen erwachsenen Tochter Katie und erkennt sie nicht wieder. Sie will nicht mehr wahrhaben – erinnert sich kaum noch daran –, dass sie eine Tochter hat. Die junge Frau unterbricht Abra bei der Gartenarbeit, »wo ich den Salat ausdünnte, ausjätete und nachschaute, ob alles gedieh; ich mache das jeden Tag, und es sieht dieses Jahr sehr vielversprechend aus«, berichtet uns die Erzählerin.

Abra ist oft im Garten. Sie bringt die Saat zur Selbstversorgung aus, aber man könnte die Nutzpflanzen, die sie heranzieht, auch als alternative Nachkommenschaft deuten. Ihre Tätigkeit im Garten erfordert »viel Fingerspitzengefühl und Sorgfalt«, es ist »eine Arbeit, die schützen und erhalten will und bei der etwas herauskommen kann oder auch nicht. Wichtig ist die Arbeit selbst, jeder einzelne Handgriff, und darin liegt die eigentliche Befriedigung.«

Frustriert über ihre abwesende, unbekannte Mutter reißt Katie mehrere Reihen von Bohnenkeimlingen aus. Abra beschreibt ihre Tochter als »heulend und wirres Zeug stammelnd; ich musste natürlich sofort eingreifen, denn sie zerstörte meine Nahrung«. Die beiden Frauen streiten sich, die eine ist untröstlich, die andere versucht ihre Lebensgrundlage zu retten. Doch der Vorfall führt zu einem seltenen Moment der Verbundenheit zwischen ihnen: Abra hält ihre Tochter so lange im Arm, »bis sie sich dann völlig aufgelöst, erschöpft und verdreckt wieder beruhigte«. Sie trägt Katie in die Hütte, legt sie auf das Sofa und deckt sie zu. Erst dann kehrt Abra in den Garten zurück, um den Schaden zu begutachten und die Pflanzen zu ersetzen, gibt sich »besondere Mühe mit ihnen«.

Barfoot vermittelt eine Vorstellung von der Mutterschaft, die auch nach über vierzig Jahren noch umstritten ist: dass sie vergessen werden, zwiespältig und schädlich sein kann. Dass die Mutterschaft die Identität einer Frau in den Hintergrund drängt, ihr noch mehr gesellschaftliche Rollen auferlegt, und dass sie daran zerbrechen kann. Ich verschlinge das Buch, bin davon betört. Ich vergucke mich in den lebendigen, abstrakten Buchumschlag meiner Ausgabe, auf dem eine grimmig dreinblickende Frau mit kurz geschorenem Haar zu sehen ist, die sich um ihre Kohlköpfe kümmert. Im Internet suche ich nach Interviews mit Barfoot aus den späten 1970er-Jahren, will herausfinden, was sie dazu bewogen hat, etwas zu schreiben, was auch heute noch so radikal und zeitgemäß wirkt. Unbefriedigt schaue ich mir stattdessen ihre Website an und finde die Aufforderung ganz unten ebenso charmant wie unwiderstehlich: »Für gebundene Exemplare bestimmter Romane kontaktiere Joan per E-Mail.«

Joan antwortet ein paar Tage später und macht meine Vermutung sofort zunichte. »Ich bin keine Gärtnerin«, schreibt sie und fügt hinzu, aufmerksame Leser von Eine Hütte für mich allein hätten das bereits erkannt: »Ich erinnere mich, dass mich jemand nach der Veröffentlichung des Buches darauf hinwies, dass ich das Gemüse zu früh in der Saison erntete.« Unaufgefordert fügt Joan hinzu, dass ihre Mutter gegärtnert habe. »Ich weiß noch, wie sie im Winter am Küchentisch Saatgutkataloge durchgeblättert, ihre Bestellungen aufgegeben und die Blumenbeete angelegt hat – ihr eigener schöpferischer Akt. Das ist es doch, was das Pflanzen von Blumen wirklich ist, oder?«, schreibt sie. »Ich kann mir gut vorstellen, wie viel Arbeit sie in die Gestaltung der Beete gesteckt hat, damit sie adrett und hübsch aussahen.« Inzwischen ist Joan Mitte siebzig und sagt, dass sie im Nachhinein »mit Bedauern, Schuldgefühlen und Bewunderung« auf das zurückblickt, was ihre Mutter im Garten geleistet hat, aber, so bekennt sie, »damals habe ich es ihr irgendwie übel genommen«. 

»Das klingt jetzt albern«, fährt sie fort, »aber ich erinnere mich noch gut an die kleinen Petunienbeete, die sie zu beiden Seiten der Verandatreppe angelegt hatte. Als eines Tages ein Ball zwischen die Petunien rollte, ermahnte sie mich, besser aufzupassen, um sie nicht zu beschädigen. Irgendwie habe ich das so interpretiert, dass ihr die Petunien wichtiger waren als ich. Wie ich schon sagte: albern. Und trotzdem – ich mag Petunien bis heute nicht.«

Joan ist nicht die Erste, die das Ringen zwischen all dem, um das sich eine Frau kümmern sollte, erwähnt. In Jamaica Kincaids Mein Garten(Buch) dreht sich alles um die Anforderungen ihres Gartens: ihre Kinder, das Haus, in dem sie sie aufzieht, und ihr eigenes Elternhaus. In einer Szene beschreibt sie ihre Pflanzen und ihre Kinder als Konkurrenten. Eine Lieferung aus einer Baumschule – es ist bezeichnend, dass das Wort »Schule« auch im Kontext der Pflanzen verwendet wird – trifft ein und wird in ihrer Garage gelagert. Sie schreibt: »Die Kinder beschwerten sich und dachten dabei insgeheim an ihr Milchgeld: Hatte sich ihre Mutter für die Pflanzen finanziell völlig verausgabt, würden sie hungern müssen? Für sie ist der Garten etwas, das ihnen das vollkommene Glück meiner uneingeschränkten Zuwendung vorenthält.«

Kinder oder Pflanzen großzuziehen, kann nicht so einfach sein, wie die romantisierte Darstellung es über sehr lange Zeit suggeriert hat. Ich spüre es daran, wie meine Gedanken darum kreisen, ein Baby zu bekommen, an meinen Befürchtungen, dass mir winzige Hände die Kontrolle entreißen, und an dem Gefühl der Niederlage, das der beginnende Winterschlaf in meinem Garten auslöst.

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Manchmal ist der Herbst so leuchtend, so traumhaft, dass es ans Surreale grenzt: ein Jackpot der Klischees. Neblige Morgendämmerungen, Blätter in feurigen Farben, zart, knusprig und golden wie Demerara-Zucker. Ich war durch diese ganze Pracht hindurchgefahren, in südwestliche Richtung, zu einem in ein Tal gekuscheltes Dorf in Somerset, um Marchelle zu besuchen. Sie war Ende dreißig, und mir hatten ihre knackigen und aufschlussreichen Instagram-Posts über ihren Garten gefallen. Wie ich erfuhr, war es ihr erster richtiger Garten. Als Jugendliche war Marchelle mit einem Stipendium aus Trinidad nach England gekommen, um in Cambridge zu studieren. Ihr Akzent zog ihre Vokale immer noch in die Länge; für mich klang er nach Sonnenschein.

Marchelle war erst die zweite von fast fünfzig Frauen, mit denen ich im Laufe des kommenden Jahres sprechen wollte. Wir hatten E-Mails ausgetauscht, waren uns aber noch nie begegnet. Meine Neugier fühlte sich formlos an, fast unkontrollierbar: Ich wusste, dass ich mit Marchelle und mit anderen Frauen sprechen wollte, die eine interessante Beziehung zu ihrem Garten zu haben schienen, aber selbst während der Wochen, in denen ich einen Termin vereinbart und mir eine Unterkunft gesucht hatte, hatte ich mir nicht überlegt, was ich sie eigentlich fragen würde, wenn ich dort ankäme.

Der Garten zieht sich an einer Seite des Tals hinauf, begleitet von einem Bach, den man eher hört als sieht. Dieser Wasserlauf war es, erzählt Marchelle, der sie zu dem Haus hingezogen hat. Sie fand es großartig, wie sich sein Klang veränderte, je nachdem, wo man im Garten stand. Es ist Mitte Oktober, und der Garten nimmt einen letzten, lebhaften Atemzug: unzählige purpurfarbene Astern, die letzten Skabiosen, Schwarzkümmel und Salbei; ein tapferer hellvioletter Fingerhut, der sich fünf Monate nach der Blüte seiner Geschwister immer noch hält. Ich bin eine relativ Fremde, die in Marchelles Einfahrt aufgetaucht ist, und wir machen einen Rundgang durch den Garten; das erscheint naheliegend.

Wir folgen dem Plätschern des Wassers und den Steinen des Pfades. Alles befindet sich irgendwo zwischen Wandel und Stillstand: Marchelle, ihr Mann und ihre beiden kleinen Kinder leben noch kein Jahr in diesem Haus, und der Erdboden schenkt ihr immer noch Pflanzen, die die vorherigen Bewohner aus den Augen verloren hatten, nicht zuletzt deshalb, weil sie aufmerksam danach Ausschau hält. Im Laufe des warmen, ruhigen Frühlings und Sommers haben sie und ihre Familie dieses Gelände erkundet. Sie bauten Hochbeete für das Gemüse, streuten Samenkörner aus, schnitten den Bambus zurück, um vergessenen Pflanzen Licht zu verschaffen, lasen Bücher zum Thema Baumschnitt und griffen zur Heckenschere, um die Bäume atmen zu lassen. Ein Pfad wurde angelegt, der den Hügel hinauf bis zum Tor führt, über den die Kinder auf dem Weg zur Schule laufen können. Marchelle buddelte alte Weinflaschen aus der Erde aus und erfuhr, dass das Haus früher einmal ein Pub gewesen war. Sie mulchte »wie eine Wahnsinnige«, erzählt sie mir, und unter ihren Wangen breitet sich ein ansteckendes Grinsen aus. Der schwere Lehmboden belohnte sie mit Fruchtbarkeit. Trotz all dieser Arbeit glaubt sie, dass »der Garten wie für uns gemacht« ist. Es gibt so viel Verblüffendes, kleine Aha-Erlebnisse und Zeichen, die darauf hindeuten, dass der Garten endlich die richtigen Menschen gefunden hat, die ihn pflegen, und die richtigen Kinder, die darin spielen.

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