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SPOT - Die komplette Serie (5in1)

hier erhältlich:

SPOT 1 - IAN: THE PROTECTOR

Der Ex-Police Officer Ian ist der beste Kampfsportler in Los Angeles und Mitglied bei SPOT - einem geheimen Sonderkommando, das nur zu den gefährlichsten Jobs hinzugezogen wird, wenn die Polizei nicht mehr weiterweiß. Als die junge Ariana im Mordprozess gegen einen stadtbekannten Mafiaboss aussagen soll, wird Ian zu ihrem persönlichen Schutz abbestellt. Sobald er die brünette Schönheit erblickt, ist nicht nur sein Beschützerinstinkt geweckt ... Doch gerade als Ian bereit ist, sich seine Gefühle einzugestehen, wird Ariana entführt - und der Protector muss sich in einem alles entscheidenden Kampf beweisen!

SPOT 2 - SHANE: THE SNIPER

SPOT-Mitglied Shane ist der beste Scharfschütze in L.A. Ein Schuss, ein Treffer, und sein Gegenüber ist außer Gefecht gesetzt. Doch als das SPOT-Team beauftragt wird, die junge Ava vor brutalen Entführern zu beschützen, gerät Shanes sonst so ruhiges Blut in Wallung. In ihrem Versteck am Strand von Malibu entwickelt sich zwischen Shane und Ava eine brennende Leidenschaft, der beide kaum widerstehen können. Aber die Gefahr rückt näher. Und Shane muss all sein Können unter Beweis stellen, um Ava zu retten …

SPOT 3 - JOHN: THE HACKER

Aileen ist davon überzeugt, in das Visier mörderischer Verbrecher geraten zu sein. Verzweifelt wendet sie sich an ihre Jugendliebe John. Er ist nicht nur der beste Computerprofi der USA, sondern auch Mitglied bei der Undercover-Einheit SPOT. John durchschaut jedes System. Aber kann er auch den Code zu Aileens Herz knacken? Als die Leidenschaft zwischen den beiden nach Jahren wieder auflodert, überschlagen sich die Ereignisse, und John muss gleich an mehreren Fronten kämpfen, um die Liebe seines Lebens zu beschützen.

SPOT 4 - JACE: THE LEADER

Jace traut seinen Augen kaum: In Todesangst steht eine junge Frau vor seiner Tür, die in den Fokus eines Menschenhändlerrings geraten ist. Ein Blick in Jennifers atemberaubend blaue Augen, und der Anführer des SPOT-Teams weiß: Er würde sein Leben für sie geben. Doch Jace ahnt nicht, dass dieser Einsatz dunkle Erinnerungen in ihm heraufbeschwören wird. Schon einmal hat er geliebt und wurde bitter enttäuscht. Ein Countdown um Leben und Tod beginnt, und Jace muss alles geben, um sein Mädchen vor einem grausamen Schicksal zu retten.

SPOT 5 - RYDER: THE SHARK

Das heiße Finale der erfolgreichen SPOT-Reihe!

SPOT-Mitglied Ryder ist schockiert, als er eine ohnmächtige junge Frau am Strand von Los Angeles auffindet. Sie ist übel zugerichtet, blaue Flecken überziehen ihren gesamten Körper. Der ehemalige Navy SEAL erkennt sofort, dass es sich um keinen Unfall handeln kann. Noch schlimmer: Beths eigene Familie scheint in den Fall verwickelt zu sein. Inmitten des Labyrinths aus Lügen und Verrat weiß Ryder nur eines sicher: Er muss Beth um jeden Preis beschützen. Zum Glück kann er auf die Unterstützung seines Teams zählen. Doch ihr letzter Fall bringt selbst die toughen Jungs von SPOT an ihre Grenzen.


  • Erscheinungstag: 27.05.2019
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 1014
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745750898
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sarah Glicker

SPOT - Die komplette Serie (5in1)

SPECIAL OPERATIONS TEAM

Das Special Operations Team, auch SPOT genannt, ist eine Einsatztruppe der amerikanischen Polizei, die es offiziell nicht gibt. Nur ein paar wenige Abteilungschefs wissen von ihnen.

Diese fünf Männer haben nicht nur mit SWAT-Teams trainiert, sondern auch mit Navy Seals und Army Rangern.

Sie gehören zu den Besten und werden gerufen, wenn die Polizei mit normalen Mitteln nicht mehr weiterkommt.

Sie agieren im Dunkeln und haben immer alles unter Kontrolle.

Aber diese Einsätze ändern alles für sie.

Dies sind die Geschichten dieser fünf Männer.

PROLOG

Seit fünf Jahren arbeitete Ariana nun für die Kanzlei Thompson & Armstrong als Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie wohnte in einer kleinen Zweizimmerwohnung in L.A. und fuhr einen Ford Mondeo. Regelmäßig traf sie sich mit ihrer Familie und ihren Freunden. Sie hatte bisher nicht einmal ein Knöllchen wegen falschem Parken bekommen.

Ariana konnte behaupten, dass sie wirklich glücklich mit ihrem Leben war.

Dieser Umstand änderte sich allerdings, als sie zur falschen Zeit an den falschen Ort gelangte. Von da an würde nichts mehr so sein wie bisher.

Mit ihren Schuhen in der Hand schlenderte Ariana die verlassene Straße im Stadtteil South Central entlang. Es war drei Uhr morgens, und sie war gerade auf dem Weg nach Hause. Die letzten Stunden hatte sie gemeinsam mit ihren Freundinnen verbracht. Sie waren in einem angesagten Club gewesen, und Ariana hatte sich die Füße in ihren High Heels wund getanzt, so sehr hatte ihr die Musik gefallen. Doch nun war sie einfach nur müde und wollte so schnell wie möglich nach Hause. Viel war nicht mehr in der düsteren Gegend los, in der ihre Freundin wohnte, sodass sie mehr oder weniger alleine auf der Straße unterwegs war.

Ariana war so in Gedanken vertieft, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als sie ein leises, aber bedrohliches Geräusch vernahm. Es dauerte einen Augenblick, doch dann realisierte sie, was sie gerade gehört hatte.

Das musste ein Schuss gewesen sein, nur viel leiser, wie durch einen Schalldämpfer! Aber auch das änderte nichts daran, dass das Geräusch Ariana durch Mark und Bein ging. Sie war sich sicher, dass sie es niemals vergessen würde. Es hallte in ihren Ohren wider. Wie vom Donner gerührt blieb Ariana an Ort und Stelle stehen und ließ ihren Blick panisch die Straße auf und ab gleiten.

Doch um sie herum war alles still. Nirgendwo war jemand zu sehen oder zu hören. Es war fast so, als hätte es dieses furchteinflößende Geräusch nie gegeben.

Obwohl sich Panik in ihrem Körper breitmachte, konnte sie ihre Beine nicht dazu bekommen, sich zu bewegen, wenngleich ihr Gehirn immer wieder den Befehl dazu gab. Sie hatte keine Ahnung, was los war, aber sie spürte, sie war in Gefahr.

Plötzlich sah sie einen furchteinflößenden Mann um die nächstgelegene Hausecke kommen. Er war ganz in Schwarz gekleidet und mindestens drei Köpfe größer als Ariana. Finster blickte er die Straße hinunter. Zum Glück wandte er sich dabei nicht Ariana zu, sodass sie nur seine breiten Schultern von hinten erkennen konnte.

Während sie ihn dabei beobachtete, wie er langsam und mit sicheren Schritten weiterging, blieb ihr Herz stehen, denn in seiner Hand blitzte eine Waffe im Schein der Straßenlaterne auf. Er näherte sich einem schwarzen Geländewagen, der am Straßenrand in einiger Entfernung stand.

Verschwinde von hier, schoss es ihr immer wieder durch den Kopf.

Sie zwang sich, den Blick abzuwenden, machte ein paar Schritte zur Seite und versteckte sich im Schatten einer Haustreppe. Verängstigt kauerte sie sich dort auf dem Boden zusammen.

In der nächsten Sekunde hielt Ariana gebannt die Luft an, als sie sah, dass der Mann sich zu allen Seiten hin umsah. Dabei blieb sein Blick genau an der Stelle hängen, an der sie sich versteckt hatte.

Aus einem Reflex heraus hatte sie die Luft angehalten, während sie weiter auf dem Boden kauerte und ihn beobachtete, bis er in den dunklen Geländewagen stieg.

Sie konnte allerdings das Gefühl nicht abschütteln, dass er sie gesehen hatte, und das änderte sich auch in den nächsten Tagen nicht mehr.

1

»Der Mann wurde heute Morgen tot in einer Seitengasse aufgefunden. Noch wissen die Beamten nicht, um wen es sich handelt.«

Bei den Worten der Nachrichtensprecherin zuckte Ariana unbewusst zusammen und drehte sich abrupt zum Fernseher um. Dass sie dabei fast mit einem anderen Gast des Diners, in dem sie gerade einen Kaffee bestellt hatte, zusammenstieß, merkte Ariana überhaupt nicht. Sie nahm nichts mehr wahr, sondern richtete ihren Blick wie gebannt auf den Fernseher.

Und was sie dort sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Das Fernsehteam war genau in der gleichen dunklen Gasse in South Central, in der sie noch vor zwei Tagen gestanden und den Schuss gehört hatte.

Vor ihrem inneren Auge bildete sich das Bild des Mannes, den sie dort gesehen hatte. Bei der Erinnerung öffnete sich ihr Mund ein Stück, und ihr Herz raste. Wie gebannt starrte sie weiter auf den Bildschirm.

»Die Tatzeit wird auf ca. 3 Uhr morgens geschätzt. Obwohl diese Gegend zu der nächtlichen Zeit meist menschenleer ist, hofft die Polizei, dass sie auf diesem Weg einen Zeugen findet, der sachdienliche Hinweise zum Täter geben kann.«

»Scheiße«, murmelte Ariana, während ihr Kopf die Worte verarbeitete. Nur sehr langsam wurde ihr bewusst, was das bedeutete.

Ein Mann war erschossen worden, und sie hatte mit angehört, wie die tödliche Kugel abgefeuert wurde. Mehr noch: Sie hatte den Mörder gesehen.

Und er hatte sie auch gesehen!

Bei der Erinnerung an seinen eiskalten Blick lief ihr ein Schauer über den Rücken. Vom ersten Moment an war sie sich sicher gewesen, dass sie diesen Anblick niemals vergessen würde, und auch jetzt, Tage später, kam es ihr noch immer so vor, als wäre es erst vor wenigen Minuten geschehen.

Und die Tatsache, dass sie nun wusste, dass tatsächlich jemand umgebracht worden war, verschlimmerte alles.

»Verdammte Scheiße«, entwich es ihr lauter als gedacht, sodass ein paar der Gäste sich zu ihr umdrehten. Aus dem Augenwinkel sah sie die verwirrten Blicke, die die Leute ihr zuwarfen. »Sorry«, murmelte Ariana deswegen entschuldigend, hatte dabei ihren Blick aber weiterhin auf den Fernseher gerichtet.

In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass der ganze Mist, der ihr in den letzten Tagen passiert war, kein Zufall gewesen war. Jeden Nachmittag hatte sie eine tote Maus vor ihrer Tür gefunden, und der Lack ihres Autos war zerkratzt worden. Nachts hatte sie merkwürdige Anrufe bekommen, bei denen sich niemand gemeldet hatte. Es war immer nur ein schweres, bedrohliches Keuchen zu hören gewesen. Auch vor ihrer Wohnung hatte man nicht halt gemacht. Gestern war ihre Tür aufgebrochen und der Inhalt ihrer Schränke zerstört worden, als sie bei der Arbeit gewesen war. Aber das war noch gar nichts.

Fast noch schlimmer war es, dass sie seit zwei Tagen das Gefühl hatte, als würde man sie oberservieren, beobachten. Und nun kam es Ariana so vor, als wäre das nicht nur eine Vermutung, sondern Realität.

Kann es sein, dass mich der Mörder verfolgt?

Panisch wich ihr Blick von rechts nach links und wieder zurück. Aber so sehr sie es auch versuchte, Ariana konnte niemanden erkennen, der sie beobachtete. Trotzdem griff sie aus einem Reflex heraus nach ihrer Tasche, die neben ihr auf einem Barhocker lag, und hängte sie sich über die Schulter.

Ariana warf einen letzten Blick auf den Bildschirm, auf dem nun die nächsten Nachrichten gezeigt wurden, ehe sie ihren Kaffee einfach stehen ließ und aus dem Diner rannte.

Ohne auf die Autos zu achten, lief sie panisch über die Straße auf ihren Wagen zu, der am Straßenrand parkte. Sie nahm sich erst ein paar Sekunden zum Verschnaufen, als sie die Tür ihres Ford Mondeos wieder hinter sich zugezogen und verriegelt hatte.

Doch auch währenddessen wanderte ihr Blick ständig hin und her. Menschen liefen an ihr vorbei, gingen einkaufen oder schlenderten an den Schaufenstern entlang.

Aber weit und breit konnte sie auch hier niemanden entdecken, der sie beobachtete.

Ein letztes Mal atmete Ariana tief durch, ehe sie den Schlüssel ins Schloss schob und den Motor startete. Mit zitternden Händen lenkte sie den Kombi vom Parkplatz und fuhr die Straße hinunter.

Die nächsten zwei Stunden fuhr Ariana planlos durch L.A., während sie irgendwie versuchte, zu verdauen, was sie erfahren hatte. Sie hatte kein Ziel, ja, nicht einmal eine Idee, wo sie hinfahren könnte. Es kam ihr vor, als würde sie neben sich selber sitzen und sich dabei zusehen, wie sie den Wagen durch den dichten Verkehr lenkte und dabei immer wieder in den Rückspiegel sah. Als sie nach einer Ewigkeit endlich bereit war, sich ihrer Situation zu stellen, wurde ihr bewusst, dass sie vor dem Gebäude des Los Angeles Police Department stand. Sie war so in Gedanken vertieft gewesen, dass sie gar nicht realisiert hatte, ihren Wagen direkt dorthin gesteuert zu haben.

Eine Weile blieb sie noch im Auto sitzen und überlegte, ob sie das wirklich tun konnte. Dabei beobachtete sie die Polizisten, die das Gebäude betraten und verließen. Doch welche Wahl hatte sie schon?

Eigentlich hätte Ariana noch in der Mordnacht zur Polizei gehen müssen, das war ihr klar, aber sie hatte es nicht gekonnt. Schließlich war das ja nicht die erste Schießerei in Los Angeles und würde mit Sicherheit auch nicht die letzte bleiben, hatte sie sich eingeredet. Es hätte ja auch einfach sein können, dass das Opfer auf der Flucht vor der Polizei gewesen war oder sich von selbst ein Schuss gelöst hatte – alles nur bescheuerte Ausreden, das wurde ihr spätestens jetzt klar, wenn sie an die Worte der Nachrichtensprecherin dachte.

»Du schaffst das«, flüsterte sie sich immer wieder zu, bis sie es selber glaubte.

Erst dann stieg sie aus dem Wagen und ging auf die große Treppe zu, die in das Gebäude führte. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Beine bei jedem Schritt zitterten.

Im Gebäude herrschte Trubel. Zahlreiche Menschen sprachen wild durcheinander, Polizisten in Uniform versuchten, weinende und sichtlich aufgelöste Zivilisten zu beruhigen.

Vielleicht ist ein Angehöriger des Mordopfers dabei, überlegte sie, schob diesen Gedanken aber schnell wieder zur Seite. Er trug nicht dazu bei, dass sie ruhiger wurde, sondern sorgte eher dafür, dass ihr schlecht wurde.

Also ging Ariana auf den großen Empfangstresen zu ihrer Linken zu, hinter dem zwei Polizisten standen, die sich gerade unterhielten.

»Entschuldigen Sie«, unterbrach sie die beiden und zog so ihre Aufmerksamkeit auf sich.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte der ältere der beiden und schaute sie dabei an.

Ihr schlug das Herz bis zum Hals, und Ariana war sich sicher, dass jeder in ihrer Nähe es hören konnte. Das Blut rauschte in ihren Ohren, so nervös war sie. Obwohl sie nun hier stand, war sie sich noch immer nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Sie hatte keine Ahnung, um wen es sich bei dem Mörder handelte, oder ob die Polizisten mit ihrer Aussage überhaupt etwas anfangen konnten.

»Ich möchte eine Zeugenaussage machen«, erklärte sie etwas schüchtern und hoffte fast, dass dieser Satz in den lauten Hintergrundgeräuschen untergegangen war. Als sie einen kurzen Blick auf den Polizisten warf, sah sie allerdings, dass er sie genau verstanden hatte.

»Worum geht es denn? Haben Sie einen Termin?«

»Nein … ich«, stotterte Ariana und erkannte sich selbst kaum wieder. Bisher hatte sie immer über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügt. Normalerweise brachte sie so schnell nichts aus der Ruhe. Aber nun war genau dieses Selbstbewusstsein verschwunden, und Ariana hatte keine Ahnung, wie sie es wiederbekommen sollte.

Fragend sah der Polizist sie an.

Ariana atmete tief durch und nahm all ihren Mut zusammen. »Ich habe vorhin in den Nachrichten von einem Mord in South Central gehört. Ich glaube, dass ich den Täter gesehen habe.«

Kaum hatte sie ausgesprochen, wurden die Augen des Beamten immer größer, während sich auch sein Mund ein Stück öffnete. Allerdings hatte er sich schnell wieder im Griff, sodass sie sich kurz fragte, ob sie sich seine Reaktion nur eingebildet hatte.

Er warf einen kurzen Seitenblick zu seinem Kollegen, der sich jedoch gerade zu dem klingelnden Telefon umwandte.

»Kommen Sie«, forderte er Ariana auf, ging dabei um den Tresen herum und führte sie durch einen Metalldetektor hindurch. Dabei sah er sich einmal kurz nach allen Seiten um, ehe er vorausging.

Ariana folgte ihm durch mehrere Gänge hindurch, bis sie schließlich in einem Büro ankamen.

Mit einem stummen Nicken gab er ihr zu verstehen, dass sie sich setzen sollte. Ein wenig perplex über seine Reaktion kam sie der Aufforderung nach, während das Gefühl der Hilflosigkeit von ihr Besitz ergriff. In so einer Situation war Ariana noch nie gewesen, und ehrlich gesagt fühlte sie sich völlig unvorbereitet. Ihr Kopf war wie leer gefegt.

»Der Chief höchstpersönlich ist mit den Untersuchungen zu diesem Fall betraut. Er hat angeordnet, dass jeder Zeuge sofort zu ihm gebracht wird. Es wird noch ein paar Minuten dauern, dann wird er bei Ihnen sein«, erklärte der Polizist und lächelte Ariana freundlich an, als würde er genau wissen, wie es ihr in diesem Augenblick ging.

Aber wahrscheinlich ist das sogar der Fall. Es wird ja nicht das erste Mal sein, dass er es mit einer verstörten Zeugin zu tun hat, überlegte Ariana, als sie ihn dankbar ansah.

»Möchten Sie etwas trinken? Vielleicht ein Wasser? Oder einen Kaffee?«, fragte er vorsichtig nach.

»Nein, danke«, antwortete Ariana und wich dabei seinem Blick aus. Eigentlich wollte sie gerade nur alleine sein, um ihre Gedanken zu sammeln und wieder in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Ein letztes Mal sah er sie an, ehe er wieder hinaustrat und die Tür leise hinter sich schloss.

»Was mache ihr hier?«, fragte sie sich laut und sah sich dabei in dem Büro um. Sie war noch nie auf einem Polizeirevier gewesen und kannte es eigentlich nur aus Filmen und Serien. Ihr Chef war zwar Strafverteidiger, aber zu seinen Besprechungen mit den Ermittlern hatte sie ihn in den letzten Jahren nie begleitet.

Da sie nicht wusste, was sie erwartete, rutschte Ariana nervös auf dem Stuhl hin und her und starrte auf die Tastatur, die ihr gegenüber auf dem Schreibtisch lag.

Das Büro war geräumig. Zu ihrer Rechten befanden sich zwei große Fenster, die Licht hereinließen, und zu ihrer Linken standen Aktenschränke und eine Vitrine. Auf dem Tisch befanden sich ein paar Bilder. Um sich von dieser Umgebung abzulenken, betrachtete sie die gerahmten Fotos. Auf ihnen waren Kinder und eine Frau zu sehen, die glücklich in die Kamera lächelten.

Aber auch die freundlichen Familienbilder schafften es nicht, Ariana zu beruhigen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde sie sogar noch hibbeliger. Mit dem Absatz ihres Schuhs klopfte sie an das Stuhlbein, während sie ungeduldig auf den Chief wartete und eigentlich nur noch hoffte, dass sie hier schnell wieder herauskam.

Als sie das Warten nicht mehr aushielt, sprang sie auf und trat zu der Vitrine. In ihr wurden verschiedene Pokale, Auszeichnungen und Urkunden aufbewahrt, die ihr verdeutlichten, dass der Besitzer einiges draufhaben musste. Ariana war beeindruckt. Kurz machte sich die Hoffnung in ihr breit, dass sie doch die richtige Entscheidung getroffen hatte. Doch dann sah sie ihr Spiegelbild in der Glasscheibe, und das Hochgefühl verschwand wieder.

Ihre langen braunen Haare waren strähnig, und ihre hellen Augen wirkten in ihrem blassen Gesicht viel zu groß. Nach den Ereignissen der letzten Tage hatte sie nicht sehr auf ihr Aussehen geachtet. Ihre eh schon schlanke Figur kam ihr auf einmal geradezu dürr vor, als hätte sie seit Wochen kaum etwas gegessen.

Sie war so sehr auf ihr Erscheinungsbild konzentriert gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass jemand hinter sie getreten war.

»Ich habe gehört, Sie haben etwas gesehen, dass uns bei der Aufklärung helfen könnte, Ms. …?«

Erschrocken zuckte sie zusammen und drehte sich auf dem Absatz herum. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigt hatte, sodass sie den Mann vor sich genauer betrachten konnte. Ariana schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Doch für sein Alter wirkte er gut trainiert. Er war groß und breit gebaut. Seine kurzen grauen Haare verschärften noch einmal die Züge seines Gesichts, die ihr verdeutlichten, dass er schon einiges erlebt haben musste. Das Hemd seiner Uniform spannte sich um seine Schultern. In seinen Augen konnte sie etwas Väterliches erkennen, was bestimmt dem einen oder anderen half, sich zu beruhigen. Aber bei ihr kam diese Wirkung nicht an.

»Ariana Jones«, antwortete sie schließlich, nachdem seine Worte bei ihr angekommen waren.

»Ich bin Chief Detective Brown und der Leiter dieser Abteilung«, erklärte er schnell, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Freundlich lächelte er sie an und reichte ihr zur Begrüßung die Hand.

»Hallo«, flüsterte Ariana mit brüchiger Stimme. Schnell räusperte sie sich, um sich nicht anmerken zu lassen, wie es ihr ging.

»Setzen Sie sich.« Mit diesen einfachen Worten zeigte er auf den Stuhl, von dem sie erst vor wenigen Minuten aufgestanden war, und ging um den Schreibtisch herum, um sich ebenfalls zu setzen. Ariana beobachtete jede seiner Regungen. Er bewegte sich selbstsicher und schien zu wissen, was er tat.

Langsam setzte sich Ariana wieder in Bewegung und folgte seinem Beispiel.

»Was führt Sie zu mir?«, fragte er mit sanfter Stimme, als würde er spüren, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand.

Fieberhaft suchte sie nach den richtigen Worten, um ihm den Grund für ihren Besuch zu nennen.

»Fangen Sie am besten von vorne an«, wurde sie von Chief Detective Brown aufgefordert, während er sie ermutigend anlächelte und kurz nickte.

Ein letztes Mal holte Ariana tief Luft, bevor sie ihre Geschichte von Anfang an erzählte. Dabei ließ sie nichts aus. Es fühlte sich befreiend an, aber gleichzeitig schämte sie sich auch, weil sie sich nicht schon viel eher gemeldet hatte.

»Können Sie mit beschreiben, wie der Mann mit der Waffe ausgesehen hat?«

»Er war groß, vielleicht ein Stückchen größer als Sie«, begann Ariana und stellte sich den Täter dabei wieder vor. Das war gar nicht so schwer, weil sie sein Bild in den letzten Tagen nicht ein einziges Mal aus ihren Gedanken hatte verdrängen können.

Während sie den Mörder beschrieb, registrierte sie, dass ihr Gegenüber etwas auf seiner Tastatur eingab. Schließlich drehte er den Bildschirm zu ihr, sodass sie sehen konnte, was sich darauf befand.

»War das der Mann?«, fragte er sie und zeigte auf ein Bild.

In der gleichen Sekunde, in der sie es erblickte, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Mehr als ein Nicken brachte Ariana nicht zustande, da sich ein dicker Kloß in ihrem Hals gebildet hatte und ihr Mund trocken wurde.

»Stephen Torka«, seufzte der Chief Detective und wischte sich müde über das Gesicht.

Ariana blickte ihn verständnislos an. Sie hatte diesen Namen noch nie gehört.

»Da ich mich nicht zum ersten Mal mit ihm beschäftige, kann ich Ihnen sagen, dass ich diesen Mann gut kenne. In den letzten Jahren haben wir ein paar Mal versucht, ihn endlich zu schnappen, aber nie ist es uns gelungen. Wenn ich mich richtig erinnere, steht demnächst wieder ein Prozess gegen ihn an.«

Die Worte des Polizisten versetzten Ariana einen Stich und machten ihr mal wieder klar, dass sie sich das Gefühl der Bedrohung wirklich nicht eingebildet hatte. Man hatte sie in den letzten Tagen verfolgt, um sie einzuschüchtern.

»Meine Frage wäre normalerweise, wie er an Ihre Adresse gekommen ist. Aber da wir hier über Torka reden, spare ich sie mir.«

Chief Brown atmete tief durch und betrachtete sie einen Moment.

Ariana wurde von Sekunde zu Sekunde nur noch nervöser. Sie hatte keine Ahnung, was gerade in seinem Kopf vor sich ging, war sich aber auch nicht sicher, ob sie es überhaupt wissen wollte. Ihre Hoffnung, dass man ihr hier helfen könnte, schwand, je länger ihr Gegenüber stumm blieb. Wahrscheinlich würde der Beamte sie nach Hause schicken und ihr sagen, dass sie selber schuld an der Situation sei, was sie in gewisser Hinsicht ja auch war.

Wieso musste ich auch unbedingt um diese Uhrzeit noch unterwegs sein? Und dann auch noch alleine …

»Es wird Ihnen nicht gefallen, was ich Ihnen jetzt sage«, holte Brown sie aus ihren Gedanken. »Stephen Torka ist ein sehr bekannter Name in diesem Department. Er ist ein Mafiaboss, dem schon so ziemlich jedes Verbrechen angelastet wurde: Körperverletzung, Totschlag, Geldwäsche, Entführung, Mord. Doch nach jeder Verhaftung haben seine Anwälte ihn nach spätestens zwei Tagen wieder rausgehauen, und die Anklage wurde fallen gelassen. Dass dieser Mann gefährlich ist, können Sie sich wahrscheinlich denken«, sagte er in einem sehr ernsten Ton. »Allerdings haben Sie keine Ahnung, wie gefährlich er wirklich ist. Es war vernünftig, dass Sie mich aufgesucht haben. Ich werde Sie jetzt etwas fragen, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie ehrlich darauf antworten.«

»Okay«, murmelte Ariana und ließ ihren Gegenüber dabei keine Sekunde aus den Augen.

Eine Weile blieb es ruhig zwischen ihnen. Ariana hatte das Gefühl, als würde der Polizist selbst nicht wissen, ob er diese Frage überhaupt stellen oder sie besser für sich behalten sollte.

»Wenn Sie die Gelegenheit hätten, würden Sie gegen Torka aussagen?«, wollte Brown schließlich wissen.

»Das ist eine schwere Entscheidung. Ich meine, ich weiß nichts über diesen Mann, aber so wie Sie ihn beschreiben …«, begann Ariana, hatte jedoch keine Ahnung, wie sie diesen Satz beenden sollte.

Ja, wie war dieser Torka? Kaltblütig? Rachsüchtig? Gefährlich?

Wenn sie daran dachte, dass er einen Menschen umgebracht hatte und die letzten Tage hinter ihr her gewesen war, schienen diese Einschätzungen schlüssig.

»Überlegen Sie es sich«, sprach Brown weiter, nachdem er ihre Hilflosigkeit bemerkt hatte. »Sie haben jetzt die Chance, den Arsch eines gefährlichen Mannes in den Knast zu befördern. Entscheiden Sie sich. Beachten Sie aber dabei, dass es um ihr Leben geht.« Die tiefe Stimme des Polizisten ließ keinen Zweifel daran, dass er überhaupt keine Bedenken an seinen Worten hatte.

»Das weiß ich«, seufzte sie. In den letzten Jahren hatte sie voller Selbstvertrauen jede Herausforderung angenommen, aber jetzt war sie vor Angst wie gelähmt. »Wird er wegen des Mordes angeklagt?«, fragte Ariana.

»In einer Woche wird es eh einen Prozess gegen ihn geben. Der Staatsanwalt wird ein paar Überstunden schieben müssen, aber mit Ihrer Hilfe könnte es sich lohnen.«

»Und was passiert, sobald dieser Torka erfährt, dass es eine Zeugin gibt? Ich würde doch wie auf dem Präsentierteller sitzen.«

»Wenn Sie sich dazu entscheiden, kann ich Ihnen bis zum Prozess ein Team an die Seite stellen, das sie beschützen wird«, schlug der Detective vor.

»Ich soll in den Zeugenschutz?« Alleine bei dem Gedanken daran, dass sie eine neue Identität bekommen würde und umziehen müsste, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, als sie nach Luft schnappte. »Ich kann mich doch nicht hinter einem U.S. Marshal verstecken.«

Angst und Skepsis schwangen in ihrer Stimme mit. Bis jetzt hatte sie noch nie mit den Beamten des United States Marshals Service zu tun gehabt. Diese Frauen und Männer übten einen sehr schwierigen Job aus, um Zeugen zu beschützen, so viel wusste sie. Aber sie hatte keine Ahnung, wie das genau ablief.

Doch bevor sie etwas erwidern konnte, sprach der Chief Detective weiter. »Nein. Wir reden hier nicht von Zeugenschutz, sondern von einer Art Polizeischutz.«

Sie verstand kein Wort und schaute ihren Gesprächspartner fragend und hilflos an. »Polizeischutz? Sie schicken mich also nach Hause und positionieren einen Streifenbeamten vor meiner Tür?«

»Sie werden an einem sicheren Ort versteckt und nicht von einem uniformierten Polizisten bewacht, sondern von einem fünfköpfigen Team, das extra für solche Aufgaben ausgebildet wurde.«

Mit großen Augen schaute sie ihn an. Ein ganzes Team? schoss es ihr durch den Kopf. Ist das sein Ernst?

»Wovon genau sprechen Sie?«, kam es ihr schließlich über die Lippen, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.

»Machen Sie sich keine Sorgen. Sollten Sie sich dafür entscheiden, gegen Torka auszusagen, wird Ihnen alles erklärt. Ich kann Ihnen schon einmal verraten, dass jeder von den Männern ganz genau weiß, was er tut. Bei ihnen wären Sie in Sicherheit. Ich würde Kontakt zu dem Staatsanwalt aufnehmen und ihm berichten, dass Sie gegen Torka aussagen wollen. Er wird sich dann um alles andere kümmern.«

»Und was wäre danach?«, fragte sie ihn, nachdem seine Worte bei ihr angekommen waren. »Ich meine, nach der Aussage, wenn das alles vorbei ist?«

»Auch darüber werde ich mit dem Staatsanwalt sprechen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Torkas Handlanger darauf reagieren werden, aber ich weiß, dass jeder von ihnen selber genug zu tun haben wird, um seinen eigenen Arsch zu retten. Wie auch immer sich der Staatsanwalt entscheidet, man wird Sie nicht einfach im Regen stehen lassen.« Aufmunternd zwinkerte er ihr zu.

»Und was passiert, wenn der Staatsanwalt der Meinung ist, dass es danach zu gefährlich für mich ist? Bekomme ich dann eine neue Identität?«

»Das könnte passieren, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das noch nicht genau sagen.«

Sie ließ seine Worte auf sich wirken und seufzte leise. Am liebsten hätte sie gerade hemmungslos geweint. Die Aussicht darauf, ihre Familie, ihre Freunde und ihr gewohntes Umfeld womöglich nie wiederzusehen, bereitete ihr Magenschmerzen.

»Ich weiß nicht.« Sie fuhr sich mit zittrigen Fingern durch die langen braunen Haare. Was würde ihr Großvater sagen? Was würde der Rest ihrer Familie sagen? Was würden ihre Freunde von ihr halten? All das ließ sie zögern. In diesem Moment stand sogar ihre eigene Sicherheit, wegen der sie überhaupt zur Polizei gegangen war, an zweiter Stelle. Ariana wollte das Richtige tun, und die Aussage vor Gericht zu wiederholen, wäre das Richtige, aber der Preis, den sie zahlen musste, erschien ihr in diesem Moment zu hoch. Doch sie kam auch nicht drum herum zuzugeben, dass sie dem Chief vertraute. Er hörte sich so an, als würde er genau wissen, wovon er sprach. Dennoch konnte auch dieses Vertrauen ihre Angst nicht vertreiben. Sie machte sich Sorgen um ihr Leben, ihre Existenz.

Trotzdem wollte sie gewissenhaft handeln.

»Ich werde gegen Torka aussagen«, willigte sie nach einigen Minuten des Haderns ein. Ihr Bauch sagte ihr, dass sie das Richtige tat. Nur das zählte. Schon immer hatte sie sich auf ihr Gefühl verlassen können, und es wurde mal wieder Zeit, dass sie das auch zuließ. In den letzten Tagen hatte sie es schließlich mehr als genug vernachlässigt.

Detective Brown zwinkerte ihr zu, bevor er sein Telefon in die Hand nahm und eine Nummer wählte. »Brown hier. Code Red«, teilte er nur mit und legte auf, ohne auf eine Antwort seines Gesprächspartners zu warten. »Haben Sie noch etwas in Ihrem Wagen, das sie brauchen?«

Überrascht schaute sie ihn an. Seine Frage verschlug ihr für einen kurzen Moment die Sprache. »Was?«

»Ich werde Sie direkt zum Treffpunkt bringen.«

»Jetzt?«, fragte sie mit viel zu hoher Stimme. »Aber …?«, begann sie ihre Frage, brach jedoch ab, da sie die auf sie einstürzenden Gedanken nicht in Worte fassen konnte.

»Es wird Ihnen alles erklärt, was Sie wissen müssen, sobald wir da sind.«

Mit großen Augen starrte sie ihn ein paar Sekunden an. Als ihr klar wurde, dass sie wahrscheinlich ziemlich bescheuert aussah, schloss sie kurz die Augen und schüttelte den Kopf. Dabei schlug ihr Herz so heftig gegen ihre Rippen, dass sie das Gefühl hatte, es würde gleich aus ihrer Brust springen.

»Das Wichtigste befindet sich in meiner Handtasche. Aber ich habe keine Kleidung dabei.« Ariana wusste gar nicht, wie ihr geschah.

»Wenn ich mich nicht irre, hat einer aus dem Team eine Schwester. Er kann ihnen ein paar Sachen von ihr mitbringen«, hielt Brown dagegen und wischte so auch ihre letzten Bedenken fort.

Damit hatte Ariana nicht gerechnet. Allerhöchstens hatte sie erwartet, dass mal eine Polizeistreife vor ihrem Haus entlang fahren würde, aber sicherlich nicht, dass sie aus ihrem Leben gerissen werden würde. Von einer Spezialeinheit bewacht zu werden war eine Sache, aber ihre Wohnung nicht mehr betreten zu dürfen, eine andere.

Chief Detective Brown stand auf und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie atmete noch mal tief durch, um die nötige Kraft dafür aufzubringen. Erst als sie sich sicher war, dass ihre Beine sie tragen konnten, löste sie sich vom Stuhl und folgte ihm durch die verwinkelten Gänge zum Hinterausgang des Polizeigebäudes. Auf dem Parkplatz hinter dem Präsidium schob er sie an einigen Streifenwagen vorbei und führte sie zu einem älteren Fahrzeug.

Ariana zitterte am ganzen Körper. Sie fühlte sich komplett überfordert. Sie kam sich wie eine Statistin in einem Actionfilm vor.

»Geben Sie mir die Schlüssel Ihres Autos«, verlangte Brown. »Ich werde dafür sorgen, dass es verschwindet.«

Der Polizist riss Ariana aus ihren Gedanken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihr Gehirn seine Worte verarbeitet hatte. Zögerlich griff sie in ihre Tasche und holte den Schlüssel heraus. Sie betrachtete den Anhänger, bevor sie den Autoschlüssel vom Bund löste, um ihn dann Brown zu überreichen. Dieser ließ ihn in seiner Hosentasche verschwinden.

Obwohl es ihr schwerfiel, hob sie ihren Kopf und suchte seinen Blick. Er verlieh ihr Zuversicht und ließ das mulmige Gefühl in ihrem Magen verschwinden.

»Sie tun das Richtige«, bekräftige Brown Ariana und öffnete die Beifahrertür für sie.

Ohne noch ein weiteres Wort von sich zu geben, stieg sie in den Wagen. Sie schnallte sich an und beobachtete den Chief, wie er um das Auto herumging und ebenfalls einstieg. Nachdem er sich hinter das Steuer gesetzt hatte, startete er den Wagen und fuhr rückwärts aus der Parklücke.

Er verließ relativ zügig Downtown Los Angeles, bog immer wieder links und rechts in kleine Seitenstraßen ab, bis Ariana selbst nicht mehr genau wusste, wo sie sich befanden, obwohl sie sich eigentlich gut in L.A. auskannte.

Als sie einen Blick aus dem Fenster warf, stellte sie fest, dass sie in eine ruhige Wohngegend gekommen waren. Nur mühsam gelang es ihr, ein Gähnen zu unterdrücken. Die letzten Tage, aber vor allem die letzten Stunden, hatten sie müde werden lassen.

Ariana wusste nicht, wohin genau sie gebracht werden sollte, aber sie war auch nicht in der Lage, Brown zu fragen. Ihr kam es fast so vor, als würde er ihr die Stadt zeigen wollen. Sie genoss diesen schönen Gedanken, er lenkte sie für einige Sekunden von dem wahren Grund für das ganze Szenario hier ab. Ariana entging auch nicht, dass Brown sie zwischendurch betrachtete. Aber auch das versuchte sie auszublenden. Vielleicht hatte er einfach nur Bedenken, sie könnte aus dem fahrenden Wagen springen.

Als Chief Detective Brown endlich vor einem großen Gebäude hielt, weiteten sich ihre Augen erschrocken. Ihr wurde klar, dass sie sich zum wiederholten Male an diesem Tag geirrt hatte. Sie war davon ausgegangen, dass sie in ein Wohnhaus gebracht werden würde, hatte aber nicht damit gerechnet, dass sie die nächsten Tage in einem Hotel verbringen würde.

Bevor Ariana ausstieg, betrachtete sie das Haus einige Sekunden. Das moderne Gebäude hatte fast die Größe eines Kongresszentrums.

Ein letztes Mal atmete sie tief durch, ehe sie die Wagentür aufstieß und neben den Polizisten trat. Sie spürte seinen prüfenden Blick auf sich, ging aber nicht darauf ein. Stattdessen straffte Ariana die Schultern und richtete sich auf. Sie wusste, sie war stark genug, um diesen Schritt wirklich zu gehen, aber dennoch musste sie den Mut dazu aufbringen.

»Kommen Sie«, forderte Brown Ariana auf.

Mit langsamen Schritten näherte sie sich der Eingangstür. Sie spürte die Anwesenheit des Polizisten hinter sich, als sie durch die Glastür trat und sich neugierig umschaute.

Die Eingangshalle war nicht so groß, wie sie erwartet hatte, aber trotzdem gemütlich eingerichtet. Überall standen Sitzecken mit kleinen Tischen, auf denen sich Blumensträuße befanden. Große Fenster ließen das helle Tageslicht herein. Touristen wuselten herum, die in fremden Sprachen ihre Kinder riefen oder sich unterhielten. Die Hotelangestellten wirkten dazwischen schon etwas verloren.

»Hier entlang«, riss Chief Detective Brown sie von dem Anblick los. Diesmal ging er voraus. Mit energischen Schritten eilte er in Richtung Rezeption. Dort hielt er aber nicht an, sondern ging weiter zu den Aufzügen.

»Wo wollen wir hin?«, fragte Ariana neugierig, während sie Mühe hatte, ihm zu folgen. Sie gab es nicht gerne zu, aber die Ungewissheit machte ihr Angst. Noch hatte er ihr nicht gesagt, was genau sie erwarten würde. Kurz fragte sie sich, ob dies zu seiner Taktik gehörte. Es gab sicherlich Menschen, bei denen es besser war, wenn man ihnen nicht direkt alles erzählte. Ariana hingegen war es gewohnt, immer alles zu wissen und den Ton anzugeben. Diese Situation war neu für sie.

Sie betraten den Fahrstuhl. Ariana sah, wie Brown das Handy aus der Hosentasche zog und einen Blick darauf warf. Von Sekunde zu Sekunde wurde sie immer unruhiger.

»Sie werden gleich alles erfahren, versprochen«, antwortete er ihr und drückte den Knopf für die 6. Etage.

Darauf bin ich gespannt.

***

Als Ian die Nachricht bekommen hatte, dass ihnen ein Einsatz bevorstand, hatte er sofort alles stehen und liegen gelassen und war aufgebrochen. Er hatte sich nur seine schwarzen Klamotten angezogen, die jeder aus seinem Team trug, und seine Waffe überprüft, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte.

Nun parkte er seinen Ford Ranger hinter dem Hotel auf dem Angestelltenparkplatz und stieg aus. Gerade als er den Wagen abschließen wollte, hielt sein Freund und Kollege John neben ihm und verließ ebenfalls sein Auto.

»Weißt du schon, worum es geht?«, fragte John ihn, und kam damit direkt zur Sache, ohne Ian zu begrüßen. Dabei schaute er ihn fragend an, während er auf den Knopf an seinem Autoschlüssel drückte, um seinen Wagen abzuschließen.

»Ich habe nur die Nachricht bekommen, dass sich alle hier treffen sollen«, antwortete er und verriegelte ebenfalls sein Auto. Um seine Worte zu unterstreichen, zog er sein Handy aus der Hosentasche und hielt es hoch. »Wir treffen uns in Zimmer 601«, erklärte er John, nachdem er das Gerät entsperrt und eine Nachricht aufgerufen hatte. Ohne auf seinen Freund zu warten, schritt Ian eilig auf den Hintereingang zu und betrat das Hotel. Er war nie ein Mann der vielen Worte gewesen. Viel lieber ließ er seine Fäuste für sich sprechen.

»Bist du gar nicht neugierig, was diesmal passiert ist?«, stellte John die Frage aller Fragen, nachdem er Ian eingeholt hatte und neben ihm herlief.

»Nein.«

Als er mit diesem Job anfing, hatte er es gehasst, keine Ahnung zu haben, worum es bei einem Einsatz ging. Aber im Laufe der Jahre hatte er gemerkt, dass es ihm nichts brachte, sich deswegen verrückt zu machen. Sobald alle zusammen waren, würde er eh erfahren, was los war.

Stumm schritten sie durch die Flure, bis sie das Treppenhaus erreicht hatten.

»Was hast du die letzten Tage so getrieben?«, unterbrach John das Schweigen, als sie die Treppen hinaufstiegen.

»Trainiert«, antwortete Ian knapp.

»Typisch Boxer. Dabei bist du doch schon eine Kampfmaschine.«

»Um es zu bleiben, muss ich aber auch etwas tun.« Beide fingen an zu lachen. Ian war sich bewusst, dass ein paar seiner Freunde meinten, er würde es mit dem Training übertreiben, aber dies tat er nun mal am liebsten. Er war nicht außergewöhnlich breit gebaut, sodass man ihm seine Kraft nicht unbedingt auf den ersten Blick ansah. Aber unter seinen Klamotten bestand er nur aus Muskeln. Muskeln, die schon das eine oder andere Mal dafür gesorgt hatten, dass ein Kampf zu seinen Gunsten entschieden wurde.

Als sie das sechste Stockwerk erreicht hatten, hielt Ian die Tür des Treppenhauses zum Zimmerflur auf, als sich eine weitere öffnete und Ryder seinen Kopf aus einem Hotelzimmer streckte. Schon von Weitem konnte Ian den erleichterten Gesichtsausdruck seines Kollegen erkennen.

»Na endlich. Alle sind schon da, nur ihr fehlt noch, wie immer«, gab er in einem mehr oder weniger scharfen Ton von sich.

»Und trotzdem sind wir noch im Team.« Mit großen Schritten ging Ian den Flur entlang und klopfte Ryder auf die Schulter, während er das Zimmer betrat. Shane saß bereits auf einem großen schwarzen Ledersofa und schaute in seine Richtung. Mit einem kurzen Nicken begrüßte Ian ihn und ließ sich auf einen ebenfalls schwarzen Sessel sinken, der dem Sofa gegenüber stand.

Zwischen den beiden stand ein dunkler großer Couchtisch aus Holz, und an der hellen Wand gab es einen Schrank. In einer Ecke des Zimmers befand sich ein großer Esstisch mit sechs Stühlen drum herum. Vor den Fenstern waren weiße Vorhänge angebracht, die das Tageslicht durchschimmern ließen und von schweren dunkleren Gardinen eingerahmt wurden. An den Wänden hingen Landschaftsgemälde. Ian sah sich suchend um. Abgesehen von ihm und seinen Freunden befand sich sonst niemand im Raum.

»Wisst ihr auch warum? Weil es Jobs gibt, die können nur wir erledigen«, ertönte nun die Stimme von John, als dieser ebenfalls das Zimmer betrat. Ian schaute wieder in seine Richtung und erkannte das selbstsichere Grinsen in seinem Gesicht. Dann entschied er sich dafür, dass der Wohnzimmertisch der beste Ort für ihn war, um Platz zu nehmen. So wie es meistens der Fall war. Ian biss sich auf die Innenseite seiner Wange, um nicht zu lachen, als er den wütenden Blick von Shane bemerkte. Diesen machte es immer wahnsinnig, wenn man sich einfach auf einen Tisch oder eine Arbeitsplatte in der Küche setzte. Mehr als einmal hatten die beiden sich deswegen schon gestritten.

Doch mit seiner Aussage hatte John gar nicht mal so unrecht. Jeder im Team hatte sein Spezialgebiet. Darin konnte ihnen keiner etwas vormachen.

Ian war der beste Boxer weit und breit. Schon als Kind hatte er sich für Kampfsport interessiert und wurde so über die Jahre zu einem Nahkampfexperten. In seiner Kindheit und später während seiner Laufbahn auf der Polizeischule hatte er diverse Titel gewonnen. Es gab zwar immer jemanden, der es mit ihm aufnehmen wollte, aber bis jetzt hatte ihn noch keiner in die Knie zwingen können, und er hatte vor, das auch in den nächsten Jahren nicht zu ändern.

Shane war der Scharfschütze der Truppe. Sie machten schon Witze darüber, dass er selbst mit verbundenen Augen sein Ziel treffen würde, und sie hatten damit recht. Er war der Ruhigste der Truppe, weswegen er sich stundenlang unter einem Busch verkriechen konnte, um sein Zielobjekt ins Visier zu nehmen.

John war der Computerprofi. Es gab kein System, das sicher vor ihm war. Während seiner Ausbildung beim Geheimdienst hatte er sich in den Server einer Uni gehackt, um den Stundenplan eines Mädchens zu erfahren, auf das er scharf gewesen war. Sein Glück war es gewesen, dass man ihn nicht erwischt hatte, sonst wäre er geflogen.

Ryder war die Wasserratte. Er war der Einzige der Truppe, der keine Ausbildung bei der Polizei genossen hatte, sondern ein ehemaliger Seal war. Nur wegen der Kampfschwimmerausbildung war er dahin gegangen und so schnell er konnte auch wieder verschwunden. Es hatte ihm zwar Spaß gemacht, ein Seal zu sein, aber die Auslandseinsätze und die damit verbundenen Wechsel der Zeitzonen hatten ihm sehr zugesetzt.

Jace war der Kopf des Teams. Es gab kein Problem, für das er keine Lösung hatte. Ihm lagen alle Frauen zu Füßen, aber bis jetzt hatte er um jede einzelne einen großen Bogen gemacht. Ian wusste, dass es einen Grund für Jaces Verhalten geben musste, aber er hatte keine Ahnung welchen. Bis jetzt hatte Jace sein Schweigen darüber noch nicht gebrochen, und Ian hatte nicht vor, ihn danach zu fragen.

Sie waren alle für das Special Operations Team rekrutiert worden, weil sie nicht in ihre jeweiligen Bereiche passten. Ian, Shane und Jace waren einfache Streifenpolizisten gewesen, bei denen man schon früh gemerkt hatte, dass sie mehr drauf hatten. John hatte für einen Geheimdienst gearbeitet, aber keine Lust darauf gehabt, immer nur im Büro zu sitzen, er wollte auch beim Einsatz dabei sein. Ryder wurde dazu geholt, als man bemerkte, dass er bei den Seals unterfordert war.

Aber sie waren nicht nur ein Team, sie waren auch Freunde und eine Familie. Sie wussten alles, oder in Jaces Fall fast alles, übereinander und vertrauten einander. Jeder von ihnen wusste, dass er sich auf die anderen verlassen konnte, und deswegen arbeiteten sie auch so gut zusammen.

Seit drei Jahren waren sie ein Team, und es würden noch einige Jahre hinzukommen, denn sie wurden immer nur gerufen, wenn es gefährlich wurde. Und es gab einige gefährliche Aufträge. Sie erledigten die Arbeit, an die sich nicht einmal das SWAT-Team traute.

»Wisst ihr etwas?«, fragte Ian und schaute dabei kurz zu Shane. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern.

»Jace hält sich bedeckt. Aber wir werden es gleich erfahren.« Ryder setzte sich aufs Sofa und legte die Füße auf den Tisch. Dafür kassierte er von Shane einen genervten Blick, ging aber nicht darauf ein. Ian sah ihm an, dass er sich hier bereits wie zu Hause fühlte. Allerdings tat er das überall, und keiner von den Jungs wusste, ob sie das gut oder schlecht finden sollten.

»Was ist da drin?«, fragte Ian nun und zeigte dabei auf die Tasche, die neben der Zimmertür stand.

»Ein paar Klamotten von meiner Schwester. Ich weiß nicht wieso, aber Jace meinte, ich soll ein paar einpacken.« Shane drehte kurz seinen Kopf in die Richtung, ehe er Ian wieder ansah.

In diesem Moment ging die Tür auf und Jace betrat das Zimmer.

Hinter ihm erschien Detective Brown. Ian fiel sofort das grimmige Gesicht des Abteilungsleiters auf. Er hatte aber keine Zeit sich weiter damit zu befassen, da sein Blick bereits zu der nächsten Person gewandert war, die den Raum betreten hatte.

Heilige Scheiße, fuhr es ihm durch den Kopf, als er die brünette Schönheit sah, die neben Brown stand. Der Polizist und Jace sprachen noch eine Weile, was ihm die Chance gab, sie genauer zu betrachten.

Ihre Figur war der Hammer. Die enge Jeans und die Bluse überließen der Fantasie keinen Spielraum. Sie trug schwarze Pumps, die ihre ohnehin schon langen und grazilen Beine optisch noch verlängerten. Ihre seidigen braunen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, sodass ihr hübsches Gesicht besonders gut zur Geltung kam.

Sie schien unsicher zu sein, was dafür sorgte, dass Ian sich am liebsten neben sie gestellt und ihr gut zugeredet hätte. Immer wieder huschte ihr Blick über die Männer im Raum, die nun keinen Ton mehr von sich gaben.

Bei ihrem Anblick wurde etwas in ihm wach, was er nicht benennen konnte. Tief in ihm regte sich etwas, von dem er keine Ahnung hatte, was es war oder wie er damit umgehen sollte.

Wie ein scheues Reh sah sie sich um und betrachtete jeden seiner Freunde kurz. Ian durchfuhr es heiß, als sie ihren Blick ihm zuwandte. Trotzdem schaute er sie weiterhin unverwandt an. Keine Sekunde nahm er seinen Blick von ihr. Als sie es bemerkte, errötete sie. Wie gebannt verhakten sich ihre Blicke ineinander.

Ihm war bewusst, dass er eine große Wirkung auf Frauen hatte, doch normalerweise interessierte ihn das nicht so sehr. Meist drehte er sich weg, sobald er die gewünschte Reaktion sah. Bei ihr konnte er das nicht. Er wurde von ihrem Blick gefangen gehalten. Irgendetwas an ihr sorgte dafür, dass er sie am liebsten den ganzen Tag betrachtet hätte.

Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihre Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie es sich wohl anfühlte, sie an seinen Körper zu ziehen und zu küssen.

»Meine Herren, darf ich vorstellen?«, setzte Brown an und führte Ian damit ins Hier und Jetzt zurück. »Das ist Ariana Jones. Sie ist eine wichtige Zeugin und untersteht in den nächsten Tagen eurem Schutz.« Brown zeigte auf die Frau und räusperte sich.

Ian erkannte, dass ihm noch etwas auf dem Herzen lag, er aber anscheinend nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte.

»Sie wird gegen Stephen Torka aussagen. Ms. Jones kann ihn mit den Mord an dem Unbekannten in Verbindung bringen«, kam ihm schließlich über die Lippen.

Alle im Raum rissen überrascht die Augen auf. Obwohl Ian Stephen Torka noch nie persönlich gegenübergestanden hatte, hatte er genug von ihm gehört, um zu wissen, zu welchem Kaliber dieser Verbrecher gehörte.

»Haben Sie ihn dabei beobachtet?«, wandte sich Ryder an die junge Frau.

»Mehr oder weniger«, kam es ihr leise über die Lippen. Stockend erzählte sie ihre Geschichte und starrte dabei unsicher auf den Boden.

Ian hörte ihr aufmerksam zu. Sie berichtete von dem Gefühl, tagelang verfolgt worden zu sein. Sie hatte tote Tiere vor ihrer Haustür gefunden, in ihre Wohnung war eingebrochen worden.

All das gefiel ihm überhaupt nicht. Sein Beschützerinstinkt meldete sich lautstark, viel drängender, als er es sonst von sich kannte. Am liebsten hätte er Ariana im Schlafzimmer eingesperrt und den Schlüssel weggeschmissen, nur damit Stephen Torka sie nicht fand.

Doch er bewunderte sie für die Ruhe, mit der sie ihre Geschichte erzählte. Als hätte sie schon viel Schlimmeres in ihrem Leben erfahren. Gott, bitte nicht!

»Weiß man, wo Torka sich aufhält?«, fragte John, der seinen Blick auf Brown gerichtet hielt.

»Wussten wir das jemals?«, stellte Brown die Gegenfrage. »Ihr müsst ihn also nicht nur finden, sondern auch dafür sorgen, dass er bis zum Beginn des Prozesses nichts mehr anstellen kann. Wenn ihr zwischendurch noch weitere Beweise für die Staatsanwaltschaft findet, wäre das perfekt.«

Ian sah wieder zu Ariana und erkannte, dass sie keine Ahnung von dem hatte, was hier besprochen wurde. Ihm war klar, derjenige, der bei ihr bleiben würde, müsste ihr eine Menge erklären.

»Ian bleibt bei Ms. Jones. Bei ihm ist sie am sichersten.« Jace zeigte auf ihn und riss ihn so aus seinen Gedanken.

Verblüfft schaute Ian zu seinem Teamleiter. Auch wenn Ian kein Freund von Diskussionen war, in diesem speziellen Fall hätte er gerne Einspruch erhoben. Okay, er war der beste Kämpfer im Team. Insofern war es wohl schon nachvollziehbar, dass er zu ihrem persönlichen Schutz abgestellt wurde. Allerdings konnte er sich auch noch ganz andere Dinge mit Ariana vorstellen, die ihn ziemlich sicher von seinem Einsatz ablenken würden.

Dinge, die er gerne mit ihr im Bett, aber auch auf jeder anderen Fläche veranstalten würde. Aber bevor sein Schwanz auch nur Anstalten machen konnte, seine Gedanken zu verraten, atmete er tief durch und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt.

»Sobald hier Ruhe eingekehrt ist, wird Ian Ihnen alles erklären, was Sie wissen müssen.« Er hörte, wie Brown die Worte an Ariana richtete, aber konnte sie nicht richtig zuordnen, da er zu sehr damit beschäftigt war, dem Blick von Jace auszuweichen.

»Haben Sie ihr ein paar Sachen mitgebracht?«, wandte sich Brown nun an Shane.

»Die Tasche steht da vorne.« Er zeigte hinter die beiden.

Also gut, du wirst in den nächsten Tagen auf sie aufpassen und ihr dabei auch so gut es geht aus dem Weg gehen. Wie schwer kann das schon werden?

»Danke«, murmelte Ariana mit leiser und rauer Stimme, die Ian einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Und in diesem Moment wurde ihm klar, dass sein Einsatz schwerer werden würde, als er es sich vorgestellt hat.

2

Bevor sich Ariana ins Schlafzimmer zurückgezogen hatte, hatte Chief Brown ihr noch ein letztes Mal versichert, dass diese Vorgehensweise nur ihrer Sicherheit diente.

»Sie tun das Richtige«, versicherte er ihr erneut und lächelte sie aufmunternd an.

Das wusste sie selber auch, aber es änderte nichts daran, dass sie in diesem Moment gerne woanders gewesen wäre. Zum Beispiel zu Hause in ihrem Bett, wo sie sich die Decke über den Kopf ziehen und die Welt ausschließen konnte. Aber hier ging das nicht.

Seufzend ließ sie ihren Blick durch das kleine Zimmer gleiten. Es war hell und gemütlich eingerichtet. Rechts neben der Tür, die zum Wohnbereich führte, stand ein kleiner Kleiderschrank und auf der gegenüberliegenden Seite der Tür befand sich ein großes Bett. Durch das Fenster über dem Bett schien die Sonne ins Zimmer. An den beigefarbenen Wänden hingen verschiedene Fotografien von Landschaften und Tieren, auf einem Foto erkannte sie sogar einen Hundewelpen. Fast schien es, als hätte der Inneneinrichter selbst nicht genau gewusst, für welche Stilrichtung er sich entscheiden sollte. Die Bilder und die restliche Deko wirkten auf Ariana fast schon kitschig, während die Möbel modern und gemütlich aussahen.

Als sie nun einen Blick auf die Uhr warf, die auf der linken Seite der Tür hing, realisierte Ariana, dass sie sich schon seit einer Stunde allein in dem kleinen Raum aufhielt.

In dieser Zeit hatte sie sich auf das Bett gelegt und versucht, ihre Gedanken zu sortieren. Sie hatte an ihre Familie und ihre Freunde gedacht. Würde sie sie jemals wiedersehen? Würden sie ihre Entscheidung verstehen?

Ariana ließ ihren Kopf kreisen, um ihre Nackenmuskulatur zu lockern. Aber das änderte nichts daran, dass sie angespannt war.

Ihr Blick glitt zu der Tasche neben der Tür. Erst war es ihr unangenehm gewesen, dass ein fremder Mann ihr Kleidung von einer Frau brachte, die sie nicht kannte. Doch wer weiß, wie lange sie hier ausharren musste? So hatte sie wenigstens ein paar Kleider zum Wechseln da. Hoffentlich war es nichts allzu Gewagtes, denn in sehr kurzen Röcken oder tief ausgeschnittenen Oberteilen hatte sie sich noch nie wohl gefühlt.

Da es auch keine Besserung brachte, als sie sich über den verspannten Nacken strich, beschloss Ariana, heiß duschen zu gehen. Obwohl es warm draußen war, ließ ihre Angst sie am ganzen Körper zittern.

Hoffentlich sieht die Welt danach besser aus. Doch natürlich war ihr klar: Sobald sie die Dusche wieder verlassen würde, hätte sie immer noch die gleichen Probleme und würde sich am gleichen Ort befinden.

Sie schwang die Beine vom Bett und ging mit sicheren Schritten auf die offene Tür zu, hinter der sich das Badezimmer befand.

Dieses war zwar genauso hell wie die anderen beiden Räume, aber um einiges kleiner. Es gab nur eine Dusche, eine kleine Badewanne, ein Waschbecken und eine Toilette darin. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel, aber ohne einen Blick hineinzuwerfen, ging sie daran vorbei und stellte das Wasser in der Dusche an.

Sie brauchte nicht in den Spiegel zu sehen, um zu wissen, wie fertig sie aussah.

Während der Raum sich langsam mit Wasserdampf füllte, zog sie sich ihre Kleidung aus und trat schließlich in das erfrischende Nass.

Das heiße Wasser löste Arianas verspannten Muskeln, als es an ihr herabfloss. Es half ihr, ihre Gedanken zu sortieren.

Erst als sie schon richtig durchgeweicht war, stellte Ariana das Wasser aus und griff nach dem flauschigen Handtuch, das sie vorher über die Duschwand gehängt hatte.

Nun traute sie sich auch, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sie war noch immer blass im Gesicht und hatte dunkle Augenringe, aber wenigstens fühlte sie sich nun frischer und hatte die nötige Kraft getankt, um sich allem und jedem zu stellen.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie die Schlafzimmertür nicht abgeschlossen hatte und sie keine frischen Wechselklamotten mit ins Bad genommen hatte. Zweifelnd blickte sie zur Tür.

Doch dann riss sie sich zusammen. Die Männer waren sicherlich noch damit beschäftigt, ihre ganze Ausrüstung fertig zu machen und hatten andere Dinge im Kopf, als zu ihr ins Schlafzimmer zu kommen.

Ariana band sich das Handtuch fester um den Körper und trat durch die Tür in das kühlere Schlafzimmer. Schnell ging sie zu der großen Reisetasche und inspizierte den Inhalt. Schließlich entschied sie sich für ein weites T-Shirt und eine Trainingshose. Ihre nassen Haare rubbelte sie erst ein wenig mit dem Handtuch trocken und griff dann nach dem Haarband, um sich einen Zopf zu flechten.

Ariana zögerte jedoch ein paar Sekunden, bevor sie die Tür zum Wohnbereich öffnete. Dort wartete das Team auf sie, das ihr Leben beschützen sollte. Es wurde Zeit, ihnen gegenüberzutreten. Ein letztes Mal holte Ariana tief Luft und griff nach dem Türknauf.

»Ms. Jones.« Einer der Polizisten, Ariana hatte seinen Namen vergessen, drehte sich zu ihr um, als sie das Wohnzimmer betrat. Auch der Rest des Teams schaute von seiner Arbeit auf.

Jeder von ihnen war groß und durchtrainiert. Sie trugen alle schwarze weite Hosen und enge gleichfarbige T-Shirts, welche ihre Muskeln noch besser zur Geltung brachten. An ihren Gürteln waren Holster angebracht, in denen Waffen steckten. Ariana spürte den Testosteron-Überschuss im Raum mit jedem Atemzug, aber merkwürdigerweise ließ sie das ruhiger werden.

Ich würde mich nicht mit ihnen anlegen wollen, ging es ihr durch den Kopf.

Gedankenverloren ließ sie ihren Blick über das Team schweifen und stoppte bei Ian. Jenem Mann, der sie von nun an persönlich beschützen sollte.

Er war genauso groß wie seine Kollegen. Seine dunklen Haare waren raspelkurz, und er hatte ein ausgesprochen breites Kreuz. Er war durchtrainiert aber nicht übertrieben muskelbepackt, wodurch er noch attraktiver wirkte. An seinem Hals und den Armen erkannte sie Tattoos. Sofort wurde Ariana neugierig, wie sie wohl in ihrer ganzen Pracht aussahen.

Für Tattoos hatte sie sich noch nie interessiert, aber Ian schaffte es, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Um die Zeichnungen und Symbole besser erkennen zu können, kniff sie ein wenig die Augen zusammen. Doch bereits im nächsten Moment wurde ihr bewusst, dass sie und Ian nicht allein im Raum waren.

Trotzdem konnte sie ihren Blick nicht von ihm abwenden. Ian war eigentlich gar nicht ihr Typ. Normalerweise bevorzugte Ariana Geschäftsmänner in maßgeschneiderten Anzügen oder Polohemden und Stoffhosen. Sie war noch nie sehr risikofreudig gewesen, und diese Männer schienen ihr eindeutig die bessere Wahl für den Platz an ihrer Seite zu sein.

Allerdings hatten solche Männer auch noch nie eine derartige Wirkung auf sie gehabt wie Ian. Bei seinem Anblick schlug ihr Herz schneller, und ihr Mund wurde trocken. Er raubte ihr den Atem, obwohl er es sicherlich nicht darauf angelegt hatte.

Er war ein Frauenmagnet, genauso wie seine Kollegen, das hatte sie sofort gespürt, nachdem sie das Zimmer zum ersten Mal betreten hatte. Aber keiner der anderen Männer in diesem Raum zog sie so sehr in seine Umlaufbahn wie Ian.

Von der Sekunde an, als sie ihn gesehen hatte, spürte sie eine seltsame Verbindung zwischen ihnen. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie spürte, dass da etwas war.

Er wird die nächste Zeit immer in meiner Nähe sein.

Der Gedanke traf sie völlig unvorbereitet und sorgte dafür, dass ihr schwindelig wurde. Ariana wurde bewusst, dass sie alles tun musste, um sich nicht nur vor Stephen Torka zu schützen, sondern auch ihr Herz vor Ian.

»Sie werden uns hier gar nicht bemerken«, meldete Shane sich zu Wort. Ariana drehte ihren Kopf in seine Richtung und bemerkte, dass er sie aufmerksam beobachtete. Als sich ihre Blicke trafen, lächelte er sie an.

Um nicht zu zeigen, was ihr gerade noch durch den Kopf gegangen war, blinzelte sie. Sie durfte sich ihre Gedanken nicht anmerken lassen, sonst würde sie den Männern genug Stoff zum Tratschen geben. Denn das hatte sie in den letzten Jahren gelernt: Männer waren schlimmere Tratschweiber als Frauen.

»Um ehrlich zu sein, will ich nicht das Gefühl haben, dass ich alleine hier bin«, erwiderte sie, nachdem sie all ihren Mut zusammengenommen hatte, um ihm zu antworten.

Bei dem Gedanken daran, in den nächsten Tagen niemanden zu haben, mit dem sie eine Unterhaltung führen konnte, lief es ihr kalt den Rücken herunter. Ihr war bewusst, dass Ruhe sie nur dazu verleiten würde, immer wieder über ihre bedrohliche Situation nachzudenken. Schon alleine aus diesem Grund wollte sie Gesellschaft.

»Ian wird immer hier sein. Er wird auf Sie aufpassen«, ertönte nun die Stimme von Jace. Ariana blickte zu ihm und sah, dass er zwei Bildschirme mit Kabeln verband, die auf dem Wohnzimmertisch standen.

Bei der Erwähnung von Ians Namen atmete sie so unauffällig wie möglich tief durch.

Da sie nicht weiter über diese magische Anziehung zu ihm nachdenken wollte, konzentrierte sie sich auf die ganzen Gerätschaften, die das Team aufgebaut hatte.

»Was ist das?«, fragte sie, um abzulenken, und zeigte dabei auf den ganzen Technik-Kram.

»Das ist eine Überwachungsanlage, mit der wir Zugriff auf die Kameras des Hotels haben.« Noch während Jace sprach, schaltete er einen der Bildschirme an, auf dem sofort ein Bild aufflackerte. »Kommen Sie«, forderte er Ariana auf und bedeutete ihr, sich neben ihn aufs Sofa zu setzen. Dann gab er etwas auf der Tastatur vor ihm ein.

Zögerlich setzte Ariana sich in Bewegung und trat an Ian vorbei. Dabei streifte sie flüchtig seinen Arm. Ihr stockte der Atem, und sie schaute auf den Boden, obwohl sie normalerweise überhaupt nicht schüchtern war. Aber Ian hatte etwas an sich, das ihr die Sprache verschlug.

Kurz schaute er von seiner Arbeit auf. Sein Blick traf ihren, als sie ihren Kopf wieder hob, und es fühlte sich an, als würde die Zeit stillstehen. Die Welt drehte sich langsamer, und um sie herum verschwand alles. In diesem kurzen Augenblick gab es nur sie beide.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst. Mit größter Kraft gelang es ihr den Blickkontakt zu unterbrechen und weiterzugehen. Sie ließ sich neben Jace aufs Sofa sinken, spürte Ians Blicke aber noch immer auf ihrer Haut, und gab sich Mühe, ihn nicht weiter zu beachten. Stattdessen wanderten ihre Blicke über die Bilder der unterschiedlichen Bereiche des Hotels, die auf den Monitoren angezeigt wurden.

Auf ihnen waren Menschen zu erkennen, die das Hotel verließen oder betraten, die im Restaurant saßen und sich unterhielten, oder die Hand in Hand durch die Flure schlenderten, um zu ihren Zimmern zu gelangen.

Für Ariana sah alles ganz normal aus.

»Ich bin hier das Computergenie«, erklärte ihr John nun, als er sich auf die Lehne setzte. »Damit Ian klarkommt, werde ich alles einrichten, sodass er nur noch ein paar Knöpfe drücken muss. Ich denke, dass er das auch noch hinbekommen wird.« John zwinkerte ihr kurz zu.

»Schnauze«, kam es aus der Richtung seines Kollegen.

Erschrocken drehte sie sich in Ians Richtung und sah den bösen Blick, mit dem er John bedachte. Dennoch musste sie sich auf die Lippen beißen, um nicht zu lachen.

»Ich kann genauso mit dem System umgehen wie jeder andere auch. Nur habe ich keine Lust, alles alleine aufzubauen«, erklärte er verbissen.

Als Ian seinen Blick auf Ariana richtete, funkelte etwas in seinen Augen auf, und zeigte ihr, dass seine Worte nicht allzu ernst genommen werden mussten.

In diesem kurzen Moment wurde ihr klar, dass sie diese Augen niemals vergessen würde. Sie waren so klar und hell und brannten sich in ihr Gedächtnis ein.

Ian löste seinen Blick von ihr und widmete sich wieder den Kabeln, die er in den Händen hielt. Erst jetzt merkte Ariana, dass sich an ihrem Körper eine Gänsehaut gebildet hatte. Seine tiefe Stimme ging ihr durch Mark und Bein. Fast schien es ihr, als hätte jemand die Heizung ein wenig aufgedreht.

Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder den Videoaufnahmen zu. Jede Ablenkung war ihr willkommen, auch wenn das hieß, dass sie sich mit ihrem eigentlichen Problem auseinandersetzen musste.

»Ist das alles nicht etwas übertrieben?«, fragte sie sich in Anbetracht des riesigen technischen Aufwandes. Erst als sie ihren Kopf wieder zu John drehte, bemerkte sie, dass sie die Frage laut ausgesprochen hatte. Sofort biss sie sich auf die Lippen.

»Stephen Torka ist ein Mann, gegen den man nicht genug geschützt sein kann. Sonst hätte man uns nicht hierher geholt. Wie der Kollege schon gesagt hat, wir sind die Besten«, sagte Ryder, ließ sich auf der anderen Seite des Tisches auf die Knie sinken und schaute Ariana durchdringend an. Er schien sehr von sich überzeugt zu sein, aber wenn das Team nur halb so gut war, wie er meinte, würde Ariana ihm das durchgehen lassen. »Bis jetzt haben wir noch jeden gefunden«, erklärte er mit fester Stimme, die keinen Zweifel zuließ.

»Vor uns kann sich keiner verstecken«, stimmten die anderen zu. Aber das nahm sie nur am Rande wahr, denn in dieser Sekunde hob Ian wieder seinen Blick und sah ihr direkt in die Augen. Er strahlte eine Ruhe aus, die ihr zeigte, dass er sich keine Sorgen machte und sie sich deswegen auch keine machen musste. Stumm vermittelte er ihr, dass er alles im Griff hatte, und das ließ sie ruhiger werden. Obwohl sie nichts über diesen Mann wusste, vertraute sie ihm.

Um ihm zu zeigen, dass sie seine stille Botschaft verstanden hatte, nickte Ariana kurz. Doch er wandte seinen Blick nicht ab. Sie hatte das Gefühl, als würde er in ihr Innerstes schauen können. Ihr Herz fing an, schneller zu schlagen und beruhigte sich erst wieder, als sie den Blickkontakt zu ihm unterbrach.

»Wenn das so ist, wollen wir mal das Beste hoffen«, murmelte sie leise vor sich hin, während sie aufstand und zurück ins Schlafzimmer verschwand.

Sie hatte immer noch viele Fragen, auf die sie eine Antwort wollte, aber fürs Erste gab sie sich mit dem zufrieden, was sie gerade erfahren hatte. Sie wollte die Männer nicht bei ihrer Arbeit stören.

Kaum war die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, ließ sie sich dagegen sinken und versuchte ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zu wissen, dass Ian sich auf der anderen Seite der Tür befand, ließ sie beinahe wahnsinnig werden.

Mädchen, beruhige dich. Das ist definitiv der falsche Zeitpunkt, um für irgendeinen Typen zu schwärmen, rief sie sich selber zur Ordnung. Aber der gewünschte Effekt blieb aus.

Ihr kam es vor wie eine Ewigkeit, bis sie hörte, wie die Männer sich verabschiedeten und das Apartment verließen. Einige Sekunden war es still auf der anderen Seite der Tür, doch dann wurde der Fernseher eingeschaltet.

Leise, um Ian nicht auf sich aufmerksam zu machen, schlich Ariana auf ihr Bett zu, legte sich hinein und zog sich die Decke bis zur Nasenspitze. Ihr war klar, dass sie Ian nicht aus dem Weg gehen konnte. Aber sie wollte zunächst ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle bringen, um nicht wie eine Idiotin dazustehen.

Ariana griff nach der Fernbedienung des Fernsehers, der dem Bett gegenüberstand, und schaltete durch das Programm. Dabei versuchte sie, auszublenden, dass Ian sich nur ein paar Meter von ihr entfernt befand.

An schlafen war auch nicht zu denken. Unruhig wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Immer wieder ließ sie ihren Blick zur Tür gleiten und überlegte, was Ian wohl tat.

Irgendwann reichte es ihr. Noch ehe sie genauer darüber nachdenken konnte, schlug Ariana die Bettdecke zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett.

Mit schnellen Schritten ging sie durch das Schlafzimmer zum Bad, wo sie einen prüfenden Blick in den Spiegel warf. Wenn sie ihm schon gegenübertreten musste, dann wollte sie wenigstens nicht wie ein Zombie aussehen.

Mit geübten Fingern flocht sie sich einen neuen Zopf und spritzte sich dann kaltes Wasser auf die Haut, um die Müdigkeit aus ihrem Gesicht zu verscheuchen. Erst als sie sich sicher war, dass sie nicht mehr wie ein Gespenst aussah, straffte sie die Schultern und durchquerte das Schlafzimmer.

Bevor sie es sich anders überlegte, griff sie nach dem Türknauf. So leise wie möglich öffnete sie die Tür und warf dabei einen vorsichtigen Blick ins Wohnzimmer. Ian saß auf dem Sofa und schaute irgendeinen Boxkampf im Fernsehen. Sein Kopf bewegte sich alle paar Sekunden hin und her. Ariana vermutete, dass er zwischen dem Fernseher und den Bildschirmen auf dem Tisch hin und her sah.

»Können Sie nicht schlafen, Ms. Jones?«, fragte er sie, ohne sich dazu umzudrehen.

Erschrocken zuckte Ariana zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, bemerkt zu werden.

Beruhig dich. Das ist sein Job, ermahnte sie sich selber und machte einen Schritt in den Raum hinein.

»Ich will kein Ms. mehr hören. Das sagen nur meine Chefs. Aber ja, ich kann nicht schlafen«, konterte sie frech, als sie sich neben ihn setzte. Dabei achtete Ariana jedoch darauf, dass genügend Platz zwischen ihnen war, da sie die Befürchtung hatte, dass sie sonst keinen Ton mehr herausbekommen würde. Sie versuchte so locker wie möglich zu sein, während sie sich innerlich darüber freute, dass sie langsam ihre Sprache wiederfand.

»Wieso reagieren Frauen so extrem darauf, wenn man Ms. sagt?« Ian betrachtete sie belustigt, als sie die Beine an ihren Oberkörper zog und sich nach hinten in die Kissen sinken ließ.

Ariana sah ihn prüfend an, während sie nach den richtigen Worten suchte.

Er sieht überhaupt nicht müde aus. Aber wahrscheinlich ist er es gewöhnt, dass er sich die Nächte um die Ohren schlägt, um eine Frau zu beschützen, die dazu selbst nicht in der Lage ist, überlegte sie, als sie ihn kurz beobachtete. Seine Bewegungen waren geschmeidig, wie die eines Raubtieres. Sein Blick wanderte aufmerksam immer wieder zwischen den Monitoren und ihr hin und her. Er war der Beweis dafür, dass es durchaus Männer gab, die sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren konnten.

»Ich kann zwar nicht für alle Frauen sprechen, aber ich bin zu jung, um eine Ms. zu sein«, antwortete sie schließlich. Ariana zog eine angewiderte Grimasse bei dem Gedanken daran. Ms. sagte man zu Frauen, die man nicht kannte, oder die ihre Wechseljahre schon hinter sich hatten. Aber Ariana war noch keine Dreißig und wollte deswegen nicht so genannt werden. Schon gar nicht von einem Mann wie Ian.

»Ian«, stellte er sich ihr vor und reichte ihr die Hand. Auf seinem Gesicht breitete sich ein ansteckendes Lächeln aus.

»Ariana«, erwiderte sie und ergriff seine Hand.

In dem Moment, in der seine Haut ihre berührte, bekam sie einen elektrischen Schlag. Ihr Herz fing an, wie verrückt zu schlagen, und Schmetterlinge in ihrem Bauch wurden wach. Jeder Zentimeter ihrer Haut konzentrierte sich nur noch auf ihn, was Hitze in ihr auslöste. Sie öffnete ihre Lippen und befeuchtete sie etwas mit ihrer Zunge. Ihr Kopf schien wie leer gefegt.

Hatte er den Schlag auch gespürt, oder hatte sie ihn sich bloß eingebildet? Ian ließ sich nichts anmerken. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf die Computerbildschirme vor ihm, sodass sie davon ausgehen konnte, dass er von ihrer Nervosität nichts gemerkt hatte. Im Stillen dankte sie Gott dafür.

»Und wieso schauen Männer es sich so gerne an, wenn andere Männer sich prügeln?«, unterbrach sie schließlich das unangenehme Schweigen.

»Ich kann zwar nicht für alle Männer sprechen, aber ich finde gerne heraus, ob wirklich der mit der größten Klappe auch der Stärkste ist.« Ian drehte seinen Kopf wieder zu ihr und zwinkerte, sodass sie lachen musste. »Ich weiß, dass du viele Fragen hast. Frag mich, was du willst. So gut es geht, werde ich sie dir beantworten.«

Einige Sekunden war es still zwischen ihnen. Ariana betrachtete Ian einfach, während sie überlegte, was sie ihn zuerst fragen sollte.

»Wer seid ihr?«, kam es ihr schließlich über die Lippen. Eine Frage, die sie sich seit ihrer Ankunft mehrmals gestellt hatte.

»Wir sind das Special Operations Team.« Während er sprach, ließ er sie keine Sekunde aus den Augen.

SWAT kannte sie, Navy Seals waren ihr geläufig, genauso wie Marines und noch sämtliche andere Sondereinheiten, die für die Sicherheit Amerikas sorgten. Aber von diesem Team hatte Ariana noch nichts gehört.

»Kurz werden wir einfach SPOT genannt«, erklärte er ihr. »Jeder von uns hat ein Spezialgebiet, und auf diesem ist er unschlagbar. Aus diesem Grund sind wir die Besten, um für deine Sicherheit zu sorgen. Offiziell gibt es unser Team überhaupt nicht. Wir arbeiten im Verborgenen.« Die letzten Worte kamen ihm so leise über die Lippen, dass Ariana sie kaum verstehen konnte.

Als sie merkte, dass sie ihn schockiert ansah, riss sie sich schnell zusammen und schloss für einige Sekunden die Augen.

Jetzt weiß ich wenigstens, was Brown in seinem Büro meinte.

Kurz fragte sie sich, ob sie näher darauf eingehen sollte, doch sie wusste nicht, wie weit er sie ins Vertrauen ziehen durfte. Vielleicht war es besser, nicht zu viel zu wissen. Das, was er ihr mitgeteilt hatte, reichte aber auch.

»Und wie geht es nun weiter?«, fragte sie stattdessen.

»Ich bleibe hier bei dir, bis der Prozess beginnt. Die anderen machen sich auf die Suche nach Torka und behalten ihn im Auge.« Ians Stimme klang ruhig und gefasst und zeigte Ariana, dass er es gewohnt war, sich in Gefahr zu begeben, während sich in ihrem Inneren wieder die Panik ausbreitete.

»Und was ist, wenn sie ihn nicht finden? Was passiert, wenn er mich zuerst findet?«

»Es gibt keinen Grund, um das anzunehmen«, beruhigte er sie sofort.

Ariana war klar, dass sie skeptischer sein sollte. Aber dazu hatte sie keine Kraft. Dieser ganze Mist zerrte an ihren Nerven, ob sie es nun zugeben wollte oder nicht.

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Obwohl Ariana sich eigentlich nicht für Boxen interessierte, verfolgte sie gebannt, wie sich die beiden Männer auf dem Bildschirm prügelten.

»Damit hätte ich nie gerechnet«, kam es ihr leise über die Lippen.

»Was meinst du?« Interessiert schaute Ian in ihre Richtung.

»Dass ich fünf Männer beschäftigen kann, nur weil ich abends allein nach Hause gegangen bin.«

Bei ihren Worten bildete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Kurz schoss Ariana die Frage durch den Kopf, wie es sich wohl anfühlte, von ihnen geküsst zu werden. Schnell schob sie den Gedanken wieder zur Seite.

»Brown hat vorhin erzählt, dass du Rechtsanwaltsfachangestellte bist. Wolltest du nicht lieber Anwältin werden?« Ian schaute sie fragend an. Er beobachtete sie ganz genau, dessen war sie sich bewusst.

Verwirrt über den plötzlichen Themenwechsel überlegte Ariana kurz, ob sie ihm die Wahrheit sagen konnte.

»Die meisten aus meiner Familie sind Anwälte«, antwortete sie ihm. »Ich habe Jura studiert, allerdings habe ich das Studium abgebrochen. Ich hatte damals große Angst vor der Reaktion meines Großvaters, der selber lange Zeit Richter war, aber er hat mich verstanden und mir eine Stelle bei einer angesehenen Kanzlei besorgt. Und dort bin ich geblieben, auch wenn es am Anfang eher als Übergangslösung gedacht war.«

Ian beobachtete Ariana aufmerksam. Er hatte in den letzten Jahren schon den einen oder anderen Zeugen beschützt, und alle hatten Angst. Das war normal. Es hätte ihn gewundert, wenn sie das nicht hätten.

Aber bei ihr war es nicht nur Angst. Er schätzte, dass sie unsicher war. Unsicher, wie sie mit der ganzen Situation umgehen sollte. Unsicher, ob sie dem Team vertrauen konnte. All diese Gründe konnte er ebenfalls verstehen.

Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er die Ruhe bedrückend. Aufgrund seines stressigen Jobs freute er sich eigentlich jedes Mal darauf, Ruhe zu haben. Aber jetzt wollte er lieber in eine handfeste Schlägerei geraten, als dieses Schweigen zu ertragen.

»Du hast dich richtig entschieden«, äußerte er sich schließlich, um Ariana die Anspannung zu nehmen und die Stille zu durchbrechen.

Ariana betrachtete ihn, sagte aber nichts. Er war sich sicher, dass nur wenige Sekunden verstrichen, die ihm allerdings wie Minuten, wenn nicht sogar wie Stunden vorkamen.

»Meinst du?«, fragte sie ihn schließlich mit leiser und brüchiger Stimme. Ian musste sich sehr zusammenreißen, um sie nicht an sich zu ziehen. Irgendetwas hatte diese Frau an sich, dass er auf Vorschriften und seine eigenen Regeln pfeifen wollte. Und das, obwohl er sich in den letzten Jahren immer an sie gehalten hatte. Aber bis jetzt hatte er auch noch keine Frau wie Ariana kennengelernt.

Langsam nickte er nur und schaute wieder auf den Fernseher.

Dennoch nahm er jede noch so kleine Bewegung von ihr wahr. Er spürte, dass sie sich gerne weiter unterhalten würde, aber Angst hatte, etwas Falsches zu sagen.

Obwohl er sonst Frauen bevorzugte, die selbstsicher waren und genau wussten, was sie wollten, fand er ihr Verhalten irgendwie süß.

»Wieso hast du dein Studium nicht beendet?«, fragte Ian sie in der Hoffnung, dass es ihr helfen würde, wenn sie über ihr Leben sprach. Sie lockerer werden würde. Und bei dieser Gelegenheit bot sich ihm die Chance, mehr über sie zu erfahren.

Doch kaum hatte er die Frage gestellt, bereute er es schon. Er sah, wie Ariana sich anspannte und erkannte, dass sie damit nicht gerechnet hatte. Gerade als er ihr sagen wollte, dass sie nicht auf die Frage antworten musste, holte sie tief Luft.

»Ich wollte nicht in die Fußstapfen meiner anderen Familienmitglieder treten«, antwortete sie.

»Warum?«, fragte er sie vorsichtig.

»Mein Onkel ist ebenfalls Anwalt, und mein Vater war es. Und dass mein Opa Richter war, weißt du ja schon. Schon als ich noch ein kleines Kind war, stand fest, dass ich ebenfalls Anwältin werden sollte, aber ich konnte es einfach nicht«, erklärte Ariana traurig und zuckte mit den Schultern.

Ein Wort in ihrer Antwort störte ihn. »War?« Ian war sich nicht sicher, ob sie ihm eine Antwort geben würde, als er sah, wie sich ihr Gesicht verdüsterte. Verdammt, schoss es ihm bei ihrem Anblick durch den Kopf. Aber nun konnte er die Frage nicht mehr zurücknehmen, egal wie sehr er es auch wollte.

»Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, als ich vierzehn Jahre alt war.« Ihre Stimme klang brüchig, und ihr Blick verriet ihm, dass sie innerlich ganz woanders war.

Ian sah ihr an, dass sie die Tränen, die in ihre Augen getreten waren, nur schwer zurückhalten konnte. Erneut verspürte er das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, um sie zu trösten. Da er aber keine Ahnung hatte, wie weit er bei Ariana gehen konnte, griff er stattdessen nach ihrer Hand und drückte sie kurz. Ian wollte sie nicht verschrecken, es war sicher das Beste, wenn er etwas Abstand zu ihr hielt. Obwohl er sich selbst eingestehen musste, dass ihm das nicht leicht fiel.

»Es tut mir leid«, flüsterte er.

»Das muss es nicht. Mein Onkel und seine Frau haben mich bei sich aufgenommen. Sie haben den Platz meiner Eltern eingenommen, so gut es ging, und waren immer für mich da.«

Für sie klang das wohl normal, was es wahrscheinlich auch war. Aber kein Kind sollte in dem Alter schon seine Eltern verlieren. Und schon gar nicht durch einen Unfall.

Bei dem Gedanken daran bildete sich vor seinem inneren Auge das Bild eines kleinen Mädchens mit braunen Haaren, das vor einem offenen Grab stand. Dieses Szenario sorgte dafür, dass sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Er war nur froh darüber, dass ihre Familie sie so gut aufgefangen und gestützt hatte, sonst wäre Ariana mit Sicherheit untergegangen.

»Aber genug von mir. Was ist mit dir?« Mit ihrer Frage riss sie ihn aus seinen Überlegungen, wofür er ihr dankbar war. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, war sich aber klar darüber, dass er diese Nacht deswegen sicher nicht würde schlafen können.

»Ich bin nach meinem Abschluss auf der Highschool zur Polizeischule. Danach habe ich mehrere Jahre als Streifenpolizist gearbeitet, bevor ich irgendwann in dieses Team kam.« Ian machte eine kurze Pause, ehe er schließlich weitersprach. »Aufs College wollte ich nicht gehen.«

Normalerweise sprach er darüber nicht gern. Bisher war es ihm immer unangenehm gewesen, nie einen akademischen Abschluss auch nur angestrebt zu haben. Aber in diesem Moment zählte nur, dass Ian Ariana von ihrer traurigen Vergangenheit ablenken wollte. Und komischerweise störte es ihn auch nicht, dass sie es nun wusste. Es fühlte sich richtig an. Er wollte, dass sie alles von ihm wusste. Trotzdem war er gespannt auf ihre Reaktion.

»Wieso wolltest du das nicht?«, fragte sie ihn und sah ihn aufmerksam an.

Das überraschte ihn. Er hatte mit einem vorwurfsvollen Blick gerechnet oder mit einer Standpauke, aber nicht damit.

»Ich war noch nie gerne am Lernen und wollte lieber so schnell es geht arbeiten. Und da ich immer gern Kampfsport betrieben habe, bin ich zur Polizei gegangen. Mein Vater war ebenfalls Polizist. Das hat mich noch in meinem Entschluss bestärkt. Am Anfang dachte ich, ich würde die ganzen tollen Verbindungspartys verpassen …«, erzählte er ihr.

»Aber?«, hakte Ariana nach.

»Pro Woche wurde ich zu mindestens einem Einsatz gerufen, weil sich Collegestudenten prügelten oder ähnliches. Da wusste ich, dass ich den richten Weg gewählt habe. Keine Ahnung, wo ich gelandet wäre, wenn ich ein Student geworden wäre.«

»Ob du es mir glaubst oder nicht, aber auf so einer Party war ich auch nur ein einziges Mal. Das war ganz am Anfang meines Studiums. Aber ich habe immer lieber gelernt«, erwiderte Ariana.

»Hast du es bereut?«

»So wie du keine Lust hattest, aufs College zu gehen, hatte ich keine Lust, mich auf solchen Partys blicken zu lassen.« Während sie sprach, zuckte sie gleichgültig mit den Schultern.

Bei ihren Worten wurde Ian klar, dass sich zum ersten Mal eine Frau vor ihm befand, die ihn nicht dafür verurteilte, dass er nicht studiert hatte. Ariana schien es überhaupt nicht zu stören.

Die Frauen in seiner Vergangenheit hatten in ihm immer eher eine Art Rebellen gesehen, den wortkargen Nahkämpfer. Jede von ihnen war nur auf eine kurze und intensive Affäre aus gewesen. Ein kurzes Abenteuer, um einmal aus ihrer sicheren Welt auszubrechen. Eine Möglichkeit, sich auf etwas Unkonventionelles, ja, vielleicht sogar Gefährliches einzulassen, bevor ihr durchgetakteter Alltag sie wieder bekam. Und bisher war Ian auch immer bereit gewesen, ihnen genau das zu geben, was sie wollten. Zwei- bis dreimal in der Woche hatte er eine andere Frau in seinem Bett gehabt. Obwohl seine Eltern ihm ein gutes Vorbild in Sachen liebevoller Beziehung gewesen waren, hatte er alles dafür getan, um einer festen Bindung aus dem Weg zu gehen. Sein gefährlicher Job im Special Operations Team schloss schließlich eine vertrauensvolle Bindung aus, so dachte er immer. Dass die bisherigen Frauen damit kein Problem gehabt hatten, hatte dies für ihn nur erleichtert.

Aber jetzt wurde ihm klar, dass es auch Frauen gab, die den Menschen in ihm sahen. Frauen, die nicht auf seine Bildung, seine schulische Laufbahn oder seinen Job achteten.

Eine von ihnen saß neben ihm und ließ ihn ungewollt nervös werden.

»Was haben deine Eltern dazu gesagt?«, fragte Ariana nun sanft. Bei dem Klang ihrer Stimme hob er seinen Kopf ein Stück, um ihr besser in die Augen schauen zu können.

Es kam ihm so vor, als würde sie genau wissen, was ihm in den letzten Minuten durch den Kopf gegangen war.

»Solange ich glücklich bin, sind sie es auch. Die beiden haben mich nie zu etwas gedrängt. Mein Vater war zwar froh darüber, dass ich ebenfalls zur Polizei wollte, aber hätte ich mich für etwas anderes entschieden, wäre das auch in Ordnung für ihn gewesen.«

Und dafür war Ian bis heute dankbar. Die beiden hatten ihn seinen eigenen Weg gehen lassen und standen dabei immer hinter ihm.

Ian hatte bei seinen ehemaligen Schulfreunden gesehen, wo es enden konnte, wenn man zu etwas gedrängt wurde, das man nicht wollte. Viele seiner Altersgenossen hatten zwar einen guten Collegeabschluss gemacht und somit beste Chancen auf einen gut bezahlten Job. Allerdings konnten einige mit dem Druck, der damit verbunden war, nicht umgehen. Alkohol- und Drogenmissbrauch war die Folge. Ein paar sind deswegen sogar in Entzugskliniken oder gar im Knast gelandet.

»Bevor ich in das Team kam, musste ich einen meiner ehemaligen Freunde selbst verhaften. Ich hatte ihn betrunken am Steuer eines gestohlenen Autos erwischt. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hatte er Wirtschaftswissenschaften studiert«, erzählte Ian, gedankenverloren. »Ich habe rausgefunden, dass er wegen Einbrüchen und Körperverletzung gesucht wurde. Mit diesem Mann bin ich zusammen aufgewachsen.« Bei der Erinnerung schüttelte Ian den Kopf. Auch jetzt konnte er noch immer nicht glauben, dass das wirklich passiert war. Niemals hätte er seinem Kumpel solche Taten zugetraut.

»Das war sicherlich ein Schock für dich«, murmelte Ariana nun leise.

»So kann man es auch ausdrücken. Wer weiß, ob es mir genauso ergangen wäre, wenn ich auf dem College gewesen wäre und etwas studiert hätte, das mich überhaupt nicht interessiert. Ich habe keine Ahnung, ob ich mit dem Druck klargekommen wäre.«

»Aber in deinem Job bist du doch sicherlich auch Druck ausgesetzt«, wandte sie ein.

»Das stimmt. Der Unterschied ist aber, dass ich mit ihm umgehen kann, weil ich ihn mir selber ausgesucht habe.«

Die nächste Stunde unterhielten sie sich über ihre Hobbys und Freunde. Ian stellte fest, dass Ariana komplett andere Interessen hatten. Für sie war ein perfekter Abend zum Beispiel, zu Hause auf dem Sofa in Ruhe ein Buch zu lesen. Er dagegen würde den Abend im Sportstudio verbringen oder zu einer Party gehen. Und trotzdem fühlte er sich von ihr unglaublich stark angezogen.

»Ich werde jetzt ins Bett gehen. Gute Nacht, Ian«, verabschiedete sich Ariana von ihm, als sie ein Gähnen nicht mehr unterdrücken konnte.

Er ließ seinen aufmerksamen Blick auf ihr liegen und sah die Müdigkeit in ihren Augen. Ariana war blass im Gesicht und konnte die Augen kaum noch offenhalten.

Wie lange hat sie wohl nicht mehr in Ruhe schlafen können? Er wusste es nicht, aber ihr Aussehen ließ keinen Zweifel daran, dass es schon zu lange her war. Er sah ihr an, dass die Ereignisse der letzten Tage ihre Spuren hinterlassen hatten.

Das änderte aber nichts daran, dass er gerne noch etwas mehr Zeit mit ihr verbracht hätte. Aber dafür würde es in den nächsten Tagen noch genug Gelegenheiten geben. Für sie war es ein langer Tag gewesen, und Ian wollte, dass sie sich ausruhte, um fit zu sein. Wenn sie Torka vor Gericht gegenübertreten würde, sollte sie erholt aussehen. Ian wollte nicht, dass dieser Mörder sah, wie sehr sie seine Bedrohungen erschüttert hatten. Das würde ihn zum Gewinner machen, selbst wenn er den Prozess verlieren sollte.

»Gute Nacht, Ariana.« Alles in ihm schrie danach, sie ins Bett zu bringen und ihren zierlichen Körper sanft zuzudecken. Aber er konnte genug Selbstbeherrschung aufbringen, um das nicht zu tun. Stattdessen lächelte Ian sie an, bevor sie aufstand und das Zimmer verließ.

Er blickte ihr hinterher, bis sie durch die Tür des Schlafzimmers getreten war und diese hinter sich geschlossen hatte. Erst dann ließ er die Luft entweichen, die er unbewusst angehalten hatte. Seufzend strich er sich mit den Händen über das Gesicht. Er konnte die Erinnerung an ihre traurige Stimme und den verzweifelten Blick, als sie von ihren Eltern erzählt hatte, nicht aus dem Kopf bekommen.

Um sich auf andere Gedanken zu bringen, kontrollierte er erst die beiden Bildschirme vor sich auf dem Tisch und griff dann nach der Fernbedienung, um den Fernseher auszuschalten. Langsam machte er sich auf dem Sofa breit und starrte an die Decke. Er dachte an das Gespräch mit ihr zurück und stellte sich ihre Eltern vor. Sicher waren sie stolz auf ihre Tochter. Wie könnten sie auch nicht? Schließlich war sie eine starke und wunderschöne junge Frau.

In dieser Nacht lag Ian noch lange wach. Er konnte kaum klar denken. Immerzu tauchte Ariana in seinem Kopf auf. Alles an ihr hatte ihn in ihren Bann gezogen. Ian war sich sicher, dass er ihr Lächeln, ihre Augen und ihre sanfte Stimme nie wieder vergessen würde.

Aber er dachte nicht nur an die Frau im Nebenzimmer, sondern auch an die Frauen, mit denen er bisher seine Zeit verbracht hatte. Bis jetzt war das Aussehen einer Frau für ihn das wichtigste Kriterium gewesen. Dicke Brüste und einen schönen runden Hintern, bei dem man etwas in der Hand hatte, wenn man drauf schlug, so sah sein bisheriges Beuteschema aus. Dabei hatte es ihn nicht sonderlich interessiert, ob man sich mit der Frau auch gut unterhalten konnte.

Auch Arianas Aussehen war Ian direkt ins Auge gestochen, das konnte er nicht leugnen. Dabei sah sie ganz anders aus als all die anderen zuvor. Sie hatte eine zierliche Figur, einen knackigen Po und – soweit Ian das beurteilen konnte – kleine feste Brüste.

Aber vor allem hatte sie eine besondere Ausstrahlung, die Ian in den Bann zog.

Von Sekunde zu Sekunde wurde ihm immer deutlicher bewusst, dass die nächste Woche die schwierigste seines Lebens werden würde.

Aber das änderte nichts daran, dass er sich vornahm, diese Frau mit seinem Leben zu beschützen. Sie hatte in den letzten Jahren genug durchgemacht, er wollte nun für sie da sein. Komme, was wolle.

3

Seit zwei Tagen saß Ariana nun schon in diesem Hotelzimmer.

Zwei Tage, in denen sie nur Ian gesehen und seine Stimme gehört hatte. Und jedes Mal ließ der raue Ton seines tiefen Timbres ihr Herz schneller schlagen. Dann versuchte sie sich wieder daran zu erinnern, weswegen sie überhaupt hier war: Sie versteckte sich vor einem gefährlichen Mann, vor einem Mafiaboss und Verbrecher, der sie verfolgte und das nur aus dem Grund, weil sie einen Mord beobachtet hatte.

Aber es brachte nichts.

Sie konnte sich Ians Anziehungskraft nicht entziehen. Jedes Mal wenn er sie ansah, hatte Ariana das Gefühl, er würde ihr direkt in die Seele blicken.

Normalerweise ließ schon der Gedanke daran, dass ein Mann diese Macht über sie haben könnte, Angst in ihr aufkommen. Aber bei Ian war es anders. Bei ihm fühlte es sich richtig an. Richtig und vertraut.

Keines der anderen Teammitglieder hatte sich seit ihrer Ankunft wieder blicken lassen. Ian hielt mit den anderen über Telefon oder Funk den Kontakt. Aber ob sie schon eine Spur zu Stephen Torka entdeckt hatten, konnte Ariana dabei nicht raushören.

Seit ihrer Unterhaltung an ihrem ersten Abend hatten sie nicht mehr über Torka gesprochen. Ariana wollte nicht permanent an ihren bedrohlichen Feind erinnert werden. Sie war sich sicher, hätte sie Ian jedes Mal, sobald sie sich in einem Raum befanden, nach dem neusten Stand gefragt, wäre sie durchgedreht.

Und Ian spürte das vermutlich und hielt sich deswegen mit weiteren Informationen zurück.

Doch als sie nun das Badezimmer verließ, fragte sie sich, ob er vielleicht schlechte Nachrichten für sie hatte. Und ob er deswegen so schweigsam war.

Langsam müssen sie Torka doch gefunden oder wenigstens eine Spur von ihm entdeckt haben, überlegte Ariana, während sie sich das schmale Handtuch enger um den Körper schlang. Es endete nur knapp über ihrem Hintern. Sobald sie sich bückte, würde sie einiges offenbaren, was nicht unbedingt jeder sehen sollte. Aber da sie alleine im Zimmer war, machte sie sich darüber keine Sorgen.

Während sie zum Kleiderschrank ging, nahm Ariana sich vor, Ian auf Torka anzusprechen. Sie öffnete die Schranktüren, inspizierte den Inhalt und schnappte sich einen BH mit dem dazu passenden Höschen. Auch jetzt störte es sie noch immer, dass sie nicht wusste, wem die Sachen gehörten. Aber sie hatte keine große Wahl, obwohl ihr ihre eigenen Klamotten natürlich lieber gewesen wären.

Leise seufzend griff Ariana nach einem übergroßen Shirt. In dem Augenblick, in dem sie die Shorts aus dem Schrank ziehen wollte, lockerte sich ihr Handtuch. Gleichzeitig hörte sie hinter sich die Tür.

Panisch ließ Ariana alles fallen und versuchte das Handtuch zu ergreifen, doch zu spät. Erschrocken drehte sie sich um.

Vor sich entdeckte sie Ian.

Er befand sich im Türrahmen und starrte sie mit großen Augen an. Ariana spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken. Dies war mit Abstand die peinlichste Situation, in der sie sich je befunden hatte. Ihr Herz raste, und ihr gesamter Körper zitterte. Je länger Ian stehen blieb und sie begutachtete, umso schlimmer wurde es. Die Stille, die sich zwischen ihnen ausbreitete, ließ sie wahnsinnig werden. Unter seinen aufmerksamen Blicken wand sie sich geradezu. Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und rang nach Luft.

Raus! Verschwinde! Siehst du nicht, dass ich nackt bin? Ist etwas passiert? schoss es ihr durch den Kopf. Mehr als einmal befahl sie sich, wenigstens eins von diesen Worten auszusprechen, aber sie schaffte es nicht. Kein einziger Ton drang über ihre Lippen.

Nicht nur Ariana hatte es die Sprache verschlagen. Auch Ian verharrte stumm. Sein Blick ließ die Hitze in ihr aufsteigen. Seine Augen hatten sich gefährlich verdunkelt. Ihre Brustwarzen reagierten sofort darauf. Sie zogen sich fast schmerzhaft zusammen und richteten sich auf, als würden sie um seine Aufmerksamkeit betteln.

Immer wieder holte Ariana tief Luft, da sie das Gefühl hatte, jeglicher Sauerstoff wäre aus dem Schlafzimmer verschwunden. Aber so sehr sie es auch versuchte, sie schaffte es einfach nicht, die Geschwindigkeit ihres Herzschlages unter Kontrolle zu bekommen. Der Raum erschien ihr plötzlich viel zu klein. Ians muskulöse, breite Statur nahm ihn komplett ein.

»Sorry«, unterbrach Ian schließlich die Stille. Obwohl Ariana der dunkle Ton seiner Stimme mittlerweile vertraut war, zuckte sie ein wenig zusammen. »Ich will mir eine Pizza bestellen und wollte dich nur fragen, ob du auch etwas möchtest.«

Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Worte bei Ariana ankamen und noch mal so lange, bis sie in der Lage war, zu antworten. »Ja, klar … sicher«, stammelte sie, da sich die Gedanken in ihrem Kopf noch immer überschlugen. Während sie sprach, versuchte sie so unauffällig wie möglich das Handtuch aufzuheben und wieder um ihren Körper zu schlingen.

Ian beobachtete sie weiterhin unentwegt. Sein Blick jagte ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Erschrocken hielt sie die Luft an, als er einen Schritt auf sie zumachte. Aber noch bevor sie die Chance hatte, zu reagieren, überlegte Ian es sich anscheinend anders und blieb stehen. Allerdings ruhte sein Blick weiterhin auf ihr.

Am liebsten wäre sie wieder im Badezimmer verschwunden, aber dafür hätte Ariana an ihm vorbeigehen müssen, und sie wusste nicht, ob sie dafür die notwendige Kraft aufbringen konnte. Es war, als wären ihre Füße am Boden festgeklebt, egal wie oft sie ihnen den Befehl gab, sich zu bewegen.

Natürlich hätte sie ihn rausschicken sollen. Doch sie brachte die Worte einfach nicht über die Lippen. Unter seinen Blicken fühlte sie sich begehrenswert, und davon wollte sie noch mehr.

Er nahm sie wortlos in Besitz und das, obwohl er sie nicht einmal berührte. Ihr reichte es zu wissen, dass er dort stand und sie so ansah, wie er es gerade tat.

Ohne es zu merken, biss sie sich auf die Unterlippe.

Seine breite Brust hob und senkte sich. Ihr Blick glitt über seine starken Arme und die durchtrainierten Beine, die sie unter der Hose erahnen konnte.

Heimlich hatte sie Ian schon ein paar Mal beobachtet, aber jetzt tat sie es ganz offen. Sie ließ ihn spüren, dass sie seinen Anblick in sich aufsog. Aber zum ersten Mal glaubte sie, diese Anziehungskraft könnte auf Gegenseitigkeit beruhen.

Ariana wusste nicht, wie lange sie so dastanden. Sie hatte ihr Zeitgefühl verloren.

Plötzlich erklang der blecherne Sound eines uralten Rocksongs und holte beide in die Realität zurück. Mit einer fließenden Handbewegung griff Ian in seine Hosentasche und zog sein klingelndes Handy heraus. Dabei ließ er Ariana allerdings nicht aus den Augen. Erst als einen prüfenden Blick auf das Display warf, wurde ihr Augenkontakt kurz unterbrochen. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass sich ihre Atmung nicht normalisieren wollte.

In der nächsten Sekunde schaute er sie wieder an – diesmal allerdings mit Bedauern. Doch noch bevor sie sich wirklich sicher sein konnte, drehte er sich um, verschwand aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Ariana wusste nicht, wie lange sie regungslos verharrte und auf die Stelle starrte, an der vorhin noch Ian gestanden hatte. Ihr Gehirn versuchte noch immer zu verarbeiten, was gerade passiert war.

In ihrem Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet, den sie schnell hinunterschluckte und dabei tief Luft holte.

»Oh Mann!« Seufzend ließ sie sich aufs Bett fallen.

Nachdem sie ein paar Mal tief ein- und ausgeatmet hatte, hatte sich ihr Puls wieder ein wenig beruhigt. Ein letztes Mal warf sie einen prüfenden Blick zur Tür, bevor sie sich dazu überwinden konnte, aufzustehen. Ein wenig wackelig auf den Beinen war Ariana noch, sodass sie nicht sofort gehen konnte. Doch einige Minuten später, als sie sicher war, dass ihre Beine sie tragen würden, sammelte sie ihre Klamotten vom Boden auf und zog sich an.

Mit unsicheren Schritten ging sie langsam auf die Tür zu. Dahinter hörte sie Ians gedämpfte Stimme. Erneut jagte ihr das Timbre einen Schauer über den Rücken. Ariana holte einmal tief Luft und trat in den Wohnbereich.

Kaum hatte sie die Tür geöffnet und einen Blick ins Wohnzimmer geworfen, entdeckte sie Ian. Er saß auf dem Sofa, mit dem Rücken zu ihr. Langsam kam sie ein wenig näher und sah, dass er zwei Pizzakartons vor sich auf den Tisch gelegt hatte. In der rechten Hand hielt er eine Fernbedienung und zappte mit ihr durch das Fernsehprogramm. Barfuß ging Ariana weiter auf ihn zu.

»Hi«, murmelte sie schüchtern.

»Ich hoffe, du magst Pizza mit Hühnchen«, verkündete Ian und zeigte dabei auf die beiden Kartons.

Als Antwort nickte sie nur kurz. So dämlich sie sich gerade auch vorkam, aber zu mehr war sie in diesem Moment nicht in der Lage. Ariana war sich sicher, dass ihre Stimme viel zu schrill klingen und so ihre Gedanken verraten würde, sobald sie einen Ton von sich gab. Und das war das letzte, was sie gebrauchen konnte.

Also zog sie es vor zu schweigen, während sie sich aufs Sofa fallen ließ. Dabei achtete sie jedoch darauf, dass sich genügend Platz zwischen ihr und Ian befand.

Ihr Blick war auf den Fernseher gerichtet, obwohl das Autorennen, bei dem Ian gestoppt hatte, sie überhaupt nicht interessierte. Aber in diesem Moment war es besser, als sich mit dem Mann auseinanderzusetzen, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war.

»Tut mir leid wegen vorhin. Ich hätte klopfen sollen«, entschuldigte Ian sich bei ihr mit schuldbewusster Stimme.

Ein wenig überrascht über seine Worte drehte Ariana den Kopf in seine Richtung. »Ist schon gut, ich hätte auch die Tür abschließen können«, gab Ariana leise zu bedenken und widmete sich wieder ihrer Pizza.

Fast schon krampfhaft versuchte sie, nicht an die Gefühle zu denken, die Ian in ihr heraufbeschworen hatte, als er sie mit seinem Blick verführt hatte. Sie bekam diese Augen einfach nicht aus ihrem Kopf.

»Ist alles klar?«, fragte Ian schließlich, nachdem sie ein paar Minuten geschwiegen hatten.

Unsicher, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte oder nicht, starrte sie auf das Stück Pizza in der Hand.

»Ariana«, flüsterte er nun mit heiserer Stimme.

Die Art, wie er ihren Namen aussprach, sorgte dafür, dass sich eine Gänsehaut auf ihrem gesamten Körper bildete.

»Es ist alles bestens, wirklich. Ich bin nur etwas nervös wegen der Aussage«, antwortete sie ihm nach kurzem Zögern mit entschlossener Stimme. Dass auch er es war, der sie nervös machte, verschwieg sie Ian lieber.

Das sollte ihr kleines Geheimnis bleiben.

»Mach dir keine Sorgen«, versuchte er ihr Mut zuzusprechen. »Du bist hier sicher, und wenn du deine Aussage machst, wird genug Sicherheitspersonal vom Gericht dabei sein, sodass Torka dir nichts tun kann.«

Bei seinen Worten drehte sie sich in seine Richtung. Als sie ihn ansah, entdeckte sie den beruhigenden Ausdruck in seinen Augen. Gerne hätte sie seine Zuversicht geteilt, konnte es aber nicht.

Ariana wusste nicht viel über Stephen Torka, aber ihr war klar, dass er ein einflussreicher, gefährlicher Mann war. Sie brauchte nicht schon seit Jahren bei der Polizei zu arbeiten, um zu wissen, dass sie auch nach der Aussage, sobald Torka im Gefängnis sitzen würde, nicht wieder in Sicherheit wäre.

»Okay«, brachte sie nach einer Ewigkeit trotzdem heraus. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen das ungute Gefühl an, das sich wieder in ihr breitmachen wollte. Es war in den letzten Tagen immer wieder zurückgekehrt, aber Ariana hatte es geschafft, es zu verbannen. Vor allem in den Momenten, in denen Ian bei ihr war.

Mittlerweile war ihr aber auch klar, dass es sie beruhigte, wenn sie sich vor Augen hielt, dass sie das Richtige tat.

»Schau da«, sagte Ian nun und riss sie damit aus ihren Überlegungen. Als sie kurz zu ihm schaute, zeigte Ian zu den Monitoren auf dem Tisch.

»Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Ich habe alles im Blick. Außerdem geht ein Alarm auf meinem Handy los, wenn sich jemand an dieser Tür zu schaffen macht. Egal, ob derjenige einen Schlüssel hat oder nicht. Es gibt also nichts, was mir entgehen kann.«

Während Ian sprach, drehte sich Ariana in die Richtung der Apartmenttür. Das gab ihr auch die Gelegenheit, sich kurz zu sammeln. Erst als sie sich sicher war, dass Ian keine Emotionen mehr auf ihren Gesichtszügen erkennen konnte, schaute Ariana wieder in seine Richtung.

»Du musst denken, dass ich ein totaler Angsthase bin.«

Sie hatte noch nicht einmal ausgesprochen, als sich jedoch ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht bildete, was der ganzen Situation ein wenig die Spannung nahm.

»Wieso sollte ich das denken? Das ist völlig normal. Stephen Torka ist nicht irgendein kleiner Taschendieb.« Ian zuckte mit den Schultern und biss ein Stück von seiner Pizza ab.

»Gegen einen kleinen Taschendieb würde ich auch nicht aussagen«, erklärte Ariana ihm.

Seine Worte überraschten sie. So viel Einfühlungsvermögen hatte sie von ihm nicht erwartet. Eher hatte Ariana damit gerechnet, dass er ihr sagen wurde, sie solle sich nicht so haben. Schließlich hatte er bestimmt schon viel gefährlichere Situationen erlebt.

»Ein kleiner Taschendieb würde dich auch nicht verfolgen. Und das wiederum würde bedeuten, dass wir nicht hier sitzen würden«, schlussfolgerte er.

Obwohl sie sich damit schwer tat, musste Ariana ihm recht geben. Sie wäre Ian niemals über den Weg gelaufen, wenn all das nicht passiert wäre.

Bei dieser Tatsache wurde ihr schwer ums Herz. Eine Weile spürte sie seinen Blick auf sich. Stur schaute sie geradeaus und hoffte, dass er ihr nicht ansehen konnte, was gerade noch in ihrem Kopf vor sich ging.

»Was möchtest du sehen?«, wechselte Ian zum Glück das Thema.

»Mir egal, solange es kein Horrorfilm ist«, antwortete Ariana, wobei sie kurz erschauderte.

»Wieso nicht?« Ian hob interessiert eine Augenbraue.

»Nach dem Tod meiner Eltern habe ich die erste Zeit genug Horror durchgemacht, sodass ich mir nie einen angesehen habe.«

»Schade. Hätte ich denn eine Chance, dass du ihn mit mir schaust, wenn du dich hinter mir verstecken kannst, falls es zu schlimm werden sollte?«

Ariana konnte nicht leugnen, dass sich alleine bei dem Gedanken daran, ihm so nah zu sein, ihr Magen sehnsüchtig zusammenzog. Nur zu gerne würde sie sich hinter Ian verkriechen und ihre Nägel in sein Shirt krallen, sobald es zu gruselig wurde, wobei sie sich sicher war, dass dies die meiste Zeit über der Fall sein würde.

Alleine die Aussicht darauf ließ ihr Herz erneut schneller schlagen.

Als Ariana kurz in seine Richtung sah, blieb sie an seinem aufmerksamen Blick hängen. Alles in dem Raum verschwand, bis es nur noch sie beide gab. In diesem Moment hätte eine Bombe neben ihr explodieren können, und sie hätte nichts davon mitbekommen.

Ein paar Sekunden sahen sich die beiden schweigend in die Augen.

»Na komm«, forderte Ian sie irgendwann auf. Aufmunternd lächelte er sie an und schnappte sich dabei eine dünne Fleecedecke, die über der Sofalehne hing.

***

Ian hatte den Film nur aus einem einzigen Grund vorgeschlagen: Er wollte Ariana in seine Arme locken. Ihm war klar, dass er mit unfairen Mitteln spielte, aber er wollte sie endlich nah bei sich spüren, und dabei war ihm alles andere egal.

Auch wenn es nur ein Vorwand war, aber in dieser Situation konnte er ihr dann wenigstens das geben, was sie brauchte. Er konnte ihr den Halt und die Sicherheit geben, nach der sie seit Tagen wortlos rief.

Seit er vorhin ins Schlafzimmer geplatzt war, konnte Ian nur noch an Arianas Körper denken.

Er musste endlich wissen, wie es sich anfühlte, ihre Haut an seiner zu spüren, oder sie einfach nur in seinen Armen zu halten und ihr Schutz zu geben.

Als er ihre schlanken Beine, den flachen, leicht gebräunten Bauch und für einen winzigen Moment auch diese makellos geformten Brüste mit den erregte Nippeln erblickt hatte, war es um ihn geschehen gewesen. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, hatte er sich auf sie zubewegt.

In letzter Sekunde konnte er sich aber davon abhalten, sie an die Wand zu drücken und sie spüren zu lassen, wie sehr er sie begehrte. Am liebsten hätte er ihr gezeigt, wie verrückt Ariana ihn in den letzten Tagen gemacht hatte. Aber er hatte sich wieder in den Griff bekommen.

Das änderte jedoch nichts daran, dass sich dieser Anblick für immer in seinen Kopf gebrannt hatte.

Die letzten Tage waren Folter für ihn gewesen. Ariana war immer in seiner Nähe gewesen.

Um sie auf andere Gedanken zu bringen, hatte er Scherze gemacht und sie aufgezogen, obwohl das normalerweise nicht seine Art war. Das Bedürfnis ihr beizustehen und sie vor allen Gefahren zu beschützen, war in dieser Zeit noch größer geworden. Ian wollte für Ariana da sein, komme was wolle.

Nie, wirklich nie, hatte Ian daran geglaubt, dass eine Frau jemals solche Gefühle in ihm auslösen könnte. Aber sein Vater hatte ihm bereits vor Jahren etwas in den Kopf gesetzt, was er einfach nicht vergessen konnte.

»Eines Tages werdet ihr alle die Frau treffen, die euer Leben gehörig auf den Kopf stellen wird. Von dem Augenblick an, in dem ihr sie zum ersten Mal seht, wird sich euer Leben ändern. Sie wird euch glücklich machen, euch zum Lachen bringen, aber jeden einzelnen von euch auch gehörig in den Wahnsinn treiben. Ihr werdet das Bedürfnis haben, sie einsperren zu wollen, nur damit sie euch niemand wegnimmt. Aber sie wird euch gehören. Von der allerersten Sekunde an.«

Diese Worte hatte er immer für das Gerede eines Mannes gehalten, der unbedingt Enkelkinder haben will. Aber seitdem Ian Ariana kannte, kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass sein Vater vielleicht doch recht hatte.

Aufmerksam ließ er seinen Blick auf Ariana ruhen und sah ihren inneren Kampf. Er sah den Zwiespalt in ihrem Gesicht. Ihr Blick wanderte immer wieder zwischen ihm und dem Fernseher hin und her, und für einen kurzen Augenblick glaubte er sogar, dass sie zur Schlafzimmertür sah.

Oh nein!

Ian beschloss, ihrer Unentschlossenheit ein wenig nachzuhelfen und schaltete deswegen wortlos auf den Sender, wo der Horrorfilm lief.

Nach wenigen Sekunden Stille, schien sich Ariana zu entspannen. Sie nahm sich noch ein Stück Pizza und rückte näher zu ihm. Aus einem Reflex heraus schlang Ian einen Arm um ihre Hüfte und zog sie noch näher an sich heran. So dicht wie möglich wollte er sie an seinem Körper spüren.

Er spürte ihren schnellen Herzschlag an seinem Arm.

»Keine Panik, die Monster wissen nichts von diesem Hotelzimmer«, scherzte er leise.

Kurz, fast schon zögerlich, drehte sie ihren Kopf in seine Richtung und schaute zu ihm auf.

Wenn er wollte, bräuchte er sich nur ein kleines Stück, nur wenige Zentimeter, nach vorne zu beugen und könnte sie küssen. Und bei Gott, ihre Lippen verlangten regelrecht danach. Sie waren voll und rund und machten ihn wahnsinnig.

Während der Film lief, versteckte Ariana immer wieder ihr Gesicht an seiner Brust. Ian genoss es, ihren zierlichen Körper und ihre weiche Haut an sich zu spüren und zu wissen, dass er derjenige war, der ihr gerade Schutz bot.

Glücklich darüber, dass sie ihm anscheinend vertraute, strich er gedankenverloren mit dem Daumen über die zarte Haut ihres Armes. Aber die Zweisamkeit mit ihr konnte ihn nicht davon ablenken, seinen Job zu erledigen, weshalb er die Monitore kaum länger als drei Sekunden aus den Augen ließ.

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich Horrorfilme nicht mag«, entschuldigte sie sich bei ihm, nachdem der Film zu Ende war.

»Nicht schlimm. Allerdings habe ich gedacht, dass du wenigstens mal hinschaust«, gab Ian zurück und konnte dabei das leise Lachen aus seiner Stimme nicht fernhalten. Ein leichtes, aber eindeutig amüsiertes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen.

»Mach dich ruhig über mich lustig«, antwortete Ariana und zog dabei einen verführerischen Schmollmund.

»Schau mich an«, bat Ian sie plötzlich ernster. Der Spaß war schlagartig aus seiner Stimme verschwunden, sodass Ariana alleine deswegen schon ihren Kopf in seine Richtung drehte, doch sie richtete ihren Blick auf den Boden. »Das würde ich niemals.« Ian meinte es ernst. Niemals würde er sich über sie lustig machen. Und erst recht nicht in dieser Situation.

Bei seinen Worten hob Ariana ihren Kopf gerade so weit, dass sie ihm in die Augen schauen konnte. Sie waren sich so nah, dass er ihren heißen Atem spüren und ihren Duft riechen konnte. Der Geruch von Vanille und Erdbeeren stieg ihm in die Nase. Er wollte seine Hände über ihren Körper wandern lassen, um ihn zu erkunden. Sie sollte seinen Namen rufen, während er sie mit seinen Lippen verschlang und in sie eindrang.

Um die Bilder aus seinem Kopf zu verscheuchen, schüttelte er sich, bevor sein Schwanz sich melden konnte. Sein Herz schlug mittlerweile so heftig, dass das Blut in seinen Ohren dröhnte. Immer wieder rief er sich in Erinnerung, dass er einen Auftrag zu erledigen hatte. Er war zu ihrem Schutz abbestellt worden.

In den letzten Stunden war er bereits weiter gegangen, als er eigentlich durfte.

Aber sein Mund sehnte sich danach, herauszufinden, wie ihre Lippen schmeckten. Seine Hände sehnten sich danach, ihre Brüste zu berühren und ihren Körper zu erkunden. Er wollte sie halten und nicht mehr loslassen. In diesen wenigen Tagen hatte sie sich einen Platz in seinem Herzen gesucht und würde diesen nicht mehr verlassen.

Ariana hielt seinem Blick stand. Auch dann, als er eine Hand hob und über ihre Wange strich. Sie wich nicht zurück. Mit langsamen Bewegungen schmiegte sie sich an seine Handinnenfläche und schloss ihre Augen. Sie genoss es mit jeder Faser ihres Körpers, das konnte Ian deutlich erkennen.

Sein Blick fiel auf ihre Lippen, doch er wollte sein Glück nicht herausfordern. Er musste sich zusammenreißen. Dennoch ließ Ian es sich nicht nehmen, ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken.

Das musste genügen, um sein Verlangen in den Griff zu bekommen, aber er wusste, dass das aussichtslos war. Wenn, dann hatte er es damit nur noch gesteigert. Ian wollte Ariana ganz in Besitz nehmen. Obwohl und vielleicht sogar, weil es eigentlich verboten war.

Für einen kurzen Moment blieben sie so sitzen.

»Es ist spät«, flüsterte er schließlich.

Ariana antwortete jedoch nicht. Ihre Augen, die eben noch voller Verlangen geglüht hatten, nahmen nun einen traurigen Ausdruck an und ließen sein Herz in tausend Stücke brechen.

Meine Güte, reiß dich zusammen, ermahnte er sich selbst.

»Ist alles in Ordnung?«

»Mir geht es gut, wirklich«, antwortete Ariana ihm, wich dabei aber seinem Blick aus.

»Wieso glaube ich dir das nicht?«

Eine Weile war es still zwischen ihnen. Ian war sich darüber klar, dass er sie nicht zwingen konnte, mit ihm zu sprechen, aber vielleicht vertraute sie ihm mittlerweile genug, um ihm von alleine die Wahrheit zu sagen.

»In den letzten Nächten habe ich nicht sehr gut geschlafen«, flüsterte sie schließlich leise, als er schon die Befürchtung hatte, dass sie gar nichts mehr sagen würde. Dabei versuchte sie, ein Stück von ihm wegzurutschen, aber Ian verstärkte seinen Griff und machte ihr so klar, dass er sie nicht gehen lassen würde.

»Sprich weiter«, ermutigte er sie.

»Die Aussicht, noch so eine Nacht zu erleben, ist nicht sehr verlockend.« Niedergeschlagen seufzte sie und senkte ihren Blick wieder zu Boden.

Ian konnte sie verstehen. Auch er hatte in den letzten Nächten nicht viel geschlafen, weil er sich immerzu Sorgen um sie gemacht hatte. Ständig hatte er die Bildschirme überwacht und auf Geräusche auf dem Hotelflur geachtet, vor Angst, ihm könnte etwas entgehen.

»Wenn du willst, kann ich bei dir bleiben, bis du schläfst«, schlug er ihr vor, noch bevor er überhaupt über seine Worte nachgedacht hatte.

Mit großen Augen starrte sie ihn an. Die nächsten Sekunden kamen ihm vor, als würden sie überhaupt nicht vorbeigehen, während sich Panik in ihm breitmachte.

Jetzt habe ich wahrscheinlich wirklich eine Grenze überschritten.

Gerade als er fieberhaft nach den richtigen Worten suchte, um seinen Vorschlag zurückzunehmen, nickte sie. Ian fiel ein Stein vom Herzen.

»Unter einer Bedingung«, sagte sie plötzlich.

Ian spürte, dass sie sich unwohl fühlte, aber er hatte keine Ahnung, wieso. »Und die wäre?«, fragte er vorsichtig.

»Ich möchte, dass du die ganze Nacht bei mir bleibst«, brachte sie so leise hervor, dass er sie kaum verstehen konnte. Aber dennoch war er sich sicher, sie richtig verstanden zu haben.

Und sein Herz war nur zu gerne bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.

***

Arianas Kopf war wie leer gefegt, während sie an die Decke starrte und darauf wartete, dass Ian sich neben sie legte.

Wieso habe das nur laut ausgesprochen? fragte Ariana sich immer und immer wieder, obwohl sie die Antwort doch schon längst kannte.

Sie wollte ihn bei sich haben, in ihrem Bett und nicht im Nebenzimmer. In seiner Gegenwart fühlte sie sich wohl. Ihre körperliche Anspannung ließ dann endlich nach, und ihr Kopf hörte auf zu arbeiten. Ariana vertraute Ian.

Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen.

Er hat bestimmt Wichtigeres zu tun, als hier mit mir zu liegen! überlegte sie und lenkte sich damit ein wenig von der Tatsache ab, dass Ian gerade neben ihrem Bett stand und sich seine Klamotten auszog.

Als er zu ihr unter die Decke kroch, spürte Ariana, wie die Matratze unter seinem Gewicht etwas nachgab. Je näher er ihr kam, umso stärker hämmerte ihr Herz vor Aufregung. Jede Bewegung von ihm nahm sie überdeutlich wahr.

Es erschien ihr so, als wären sie durch unsichtbare Bänder miteinander verbunden. Ian bewegte sich, und sie reagierte darauf, indem sie unbewusst die Luft anhielt. Sie versuchte es zu verdrängen, doch sie konnte an nichts anderes denken als daran, dass er neben ihr lag und dabei nicht mehr als eine Boxershorts trug.

»Dreh dich auf die Seite«, flüsterte er, nachdem sein Kopf auf das Kissen gesunken war.

Unwillkürlich wandte sie ihm ihr Gesicht zu. Kurz schaute Ariana ihn verwirrt an. Doch nachdem er keine Miene verzogen hatte, folgte sie seinem Befehl.

Kaum hatte Ariana sich umgedreht, rückte Ian so dicht an sie heran, dass sie seine Hitze durch ihr Shirt spüren konnte. Ihr Rücken lag an seiner Brust, während er mit dem linken Arm um sie griff und seine Hand auf ihren Bauch legte. Augenblicklich brannte sich seine Körperwärme durch ihr Oberteil. Sein warmer Atem streifte die Haut in ihrem Nacken und sorgte dafür, dass sich die feinen Härchen dort aufrichteten. Rasant breitete sich eine Gänsehaut über Arianas gesamten Körper aus, sogar ihre Brustwarzen richteten sich auf.

Ariana konzentrierte sich ganz auf Ian und vergaß dabei alles um sich herum.

»Entspann dich«, raunte er ihr ins Ohr. Seine Worte sorgten dafür, dass sie ihre Augen schloss und ihre Atmung ruhiger wurde.

»Danke«, kam es ihr nach ein paar Sekunden über die Lippen. Obwohl sie leise sprach, durchdrang ihre Stimme die Stille des Raumes wie eine Explosion.

»Wofür?«

»Dass du hier bleibst«, antwortete sie und war froh darüber, dass sie ihn in diesem Moment nicht anschauen musste.

»Ich wäre nirgendwo lieber als bei dir.« Mit diesem einen Satz brachte er sie zum Lächeln, und das erste Mal seit Tagen schlief sie glücklich ein.

4

Wie kam Ian bloß auf die Idee, dass es ein guter Einfall wäre, die Nacht mit Ariana in einem Bett zu verbringen?

Habe ich sie noch alle? fragte er sich am nächsten Morgen, nachdem er einen Blick auf die schlafende Frau neben sich geworfen hatte. Er hoffte, dass sie noch ein wenig in diesem Zustand bleiben würde, da er einen gewaltigen Ständer hatte. Sein Schwanz war so hart wie noch nie. Und das war definitiv keine Morgenlatte.

Nein, das hatte er Ariana zu verdanken.

Scheiße, fuhr es ihm durch den Kopf, während er sich mit der Hand übers Gesicht wischte. Dabei kam er nicht drum herum zuzugeben, dass sein Plan ein wenig aus dem Ruder gelaufen war.

Die ganze Nacht hatte er den Geruch ihrer Haut in der Nase und das leise Geräusch ihres Atems in den Ohren gehabt. Obwohl es sicherlich das Beste gewesen wäre, war er einfach nicht in der Lage gewesen, sich umzudrehen und ihr den Rücken zuzudrehen.

Aber so seltsam ihm auch das Verlangen vorkam, in ihrer Nähe zu sein, so ruhig wurde er auch, sobald sie bei ihm war. Innerlich und äußerlich! Ihm kam es so vor, als würden sich sein Körper und sein Geist nur dann im Einklang befinden, wenn er sie hielt.

Es dauerte eine Weile, bis er vollends erwachte, doch dann merkte Ian, dass sie sich in der letzten Nacht bewegt hatten. Trotzdem lagen sie immer noch eng aneinander geschmiegt unter der Decke. Ian lag auf dem Rücken, während sie ihren Kopf auf seiner Brust abgelegt hatte, direkt über seinem Herzen.

Da sie am vorigen Abend an seiner rechten Seite eingeschlafen war, musste sie über ihn hinweg gekrabbelt sein, um diese Stelle zu erreichen. Bei dem Gedanken daran, dass es sie zu diesem Ort gezogen hatte, machte sich ein warmes Gefühl in ihm breit.

Ohne darüber nachzudenken, legte er seine rechte Hand auf ihr Bein, welches angewinkelt über seinem lag. In Gedanken versunken strich er ohne Pause darüber. Mit der linken Hand drückte er sie gleichzeitig näher an sich heran.

Als er Ariana genauer betrachtete, erkannte Ian, dass sie entspannter wirkte als in den letzten Tagen. Sie hatte wieder mehr Farbe im Gesicht und sah gesünder aus. Auch die Augenringe, die von Tag zu Tag stärker geworden waren, waren nun über Nacht fast verschwunden.

Sie hat den Schlaf wirklich gebraucht, überlegte er.

Ein erfreutes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als ihm klar wurde, dass er es gewesen war, der dafür gesorgt hatte, dass es ihr wieder besser ging.

Die nächsten Minuten genoss er. Ian wollte nicht, dass sie so schnell endeten. Allerdings war ihm klar, dass es falsch war. Er sollte nicht hier liegen, sondern bereits die Monitore wieder beobachten und mit seinem Team Kontakt aufnehmen, um sich auf den neusten Stand zu bringen.

Aber obwohl Arianas Sicherheit oberste Priorität hatte, konnte er sich nicht dazu überwinden, all diese Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Ian musste dringend seine Gefühle in den Griff bekommen. Diese Tatsache änderte aber nichts daran, dass er sich nun schon seit einer Stunde dagegen sträubte, aufzustehen.

Es dauerte noch einige Minuten, bis Ian spürte, wie Ariana sich langsam bewegte.

»Guten Morgen«, flüsterte sie mit süßer verschlafener Stimme.

»Hast du gut geschlafen?«

»Ja. Danke noch mal, dass du hier geblieben bist. Das war die erste Nacht, in der ich endlich mal wieder Ruhe gefunden habe.« Während sie sprach, suchte Ian ihren Blick. Als er ihr in die Augen schaute, bemerkte er das Funkeln, dass sie in den letzten Tagen verloren hatte, aber von dem er die ganze Zeit wusste, dass sie es noch besaß.

»Das freut mich«, gab er zurück, wobei er die Zufriedenheit nicht aus seiner Stimme halten konnte.

Unbedingt wollte er auch die nächsten Nächte mit ihr verbringen, doch er wollte sich nicht aufdrängen. Aus diesem Grund schob er den Gedanken schnell zur Seite, bevor er ihn aussprechen konnte.

Wenn sie sich danach sehnte, dann musste sie es ihm sagen. Ian wollte diese Worte aus ihrem Mund hören.

Ariana unternahm einen Versuch, um sich aufzurichten. Doch er weigerte sich, sie schon gehen zu lassen. Er legte seine Hand um ihre Hüfte und hielt sie so an sich gedrückt.

Am liebsten hätte er aus dem Fenster gerufen, dass diese Frau ihm gehörte, dabei war ihm eigentlich klar, dass das nicht der Fall war. Und er machte sich auch nichts vor, dass es vielleicht jemals so sein könnte, denn Ariana gehörte zu den Frauen, die nicht auf Kerle wie ihn standen.

Die Erfahrung hatte er bereits oft in der Vergangenheit gemacht.

»Soll ich etwas zum Frühstück bestellen?« Er stellte die Frage nur, um sich von der ungünstigen Situation abzulenken, in der er sich befand.

Einen Augenblick lang sah Ariana ihn an. So sehr er auch alles an ihr begehrte, diesen unergründlichen Gesichtsausdruck hasste er. Aus irgendeinem Grund, den er nicht nachvollziehen konnte, wollte er immer genau wissen, was in ihrem hübschen Kopf vor sich ging.

»Okay«, murmelte sie immer noch verschlafen, und ein kleines Lächeln stahl sich dabei auf ihr Gesicht. »Ich werde mich dann mal fertig machen.« Mit diesen Worten unternahm sie noch einen Versuch aufzustehen. Dieses Mal hinderte er sie nicht daran, sondern ließ sie los.

Er beobachtete sie dabei, wie sie ihre Beine aus dem Bett schwang und aufstand. Am liebsten hätte er sie wieder an sich gezogen und den ganzen Tag dort mit ihr verbracht. Aber Ian lag schon viel zu lange im Bett. Er hatte einen Auftrag zu erfüllen.

Während sie im Badezimmer verschwand, stand er auf und zog sich seine schwarze Hose an. Seine Waffe hatte er am Vorabend in die Nachttischschublade gelegt. Nun holte er sie raus, überprüfte sie und steckte sie in das Holster an seinem Gürtel.

Sie hatten letzte Nacht keinen Sex gehabt, sondern einfach nur gekuschelt. Trotzdem fühlte er sich beschwingt und hatte gute Laune. Ian wusste gar nicht, wann es ihm das letzte Mal so ergangen war. In diesem Moment war er sich sicher, dass nichts und niemand in der Lage war, ihm diese wieder zu versauen.

Mit schnellen Schritten ging er zur Tür und trat in den Wohnbereich. Dort steuerte er auf direktem Weg auf das Telefon zu und bestellte das Frühstück.

Während Ian auf den Zimmerservice und Ariana wartete, ging er die Videoaufnahmen von der letzten Nacht durch. Aber es war nur das zu sehen, was er schon erwartet und auch gehofft hatte.

Leere Flure.

Trotzdem verfestigte sich ein ungutes Gefühl in Ian. Torka suchte nach Ariana. Und mit jedem Tag, an dem er sie nicht fand, würde er zu drastischeren Mitteln greifen. Und mit jeder Sekunde, in der sein Team keinen Fortschritt machte, erhöhte sich die Chance des Feindes, sie zu finden. Torka hatte seine Männer schließlich überall. Aber das würde er Ariana nicht sagen. Ian wollte sie nicht noch mehr verunsichern.

Es reichte, dass er deswegen immer nervöser wurde.

Eine halbe Stunde später klopfte es an der Zimmertür. Ian brauchte nur einen Blick auf den Monitor zu werden, um festzustellen, dass es ein Hotelangestellter mit dem Essen war. Trotzdem nahm er die Waffe aus dem Holster und lud sie durch, während er zur Tür ging. Ihm war bewusst, dass es sich um eine Falle handeln konnte, und er wollte deswegen kein Risiko eingehen.

Er versteckte die Waffe hinter seinem Rücken, atmete ein letztes Mal tief durch und griff nach dem Türgriff.

In derselben Sekunde hörte er, wie Ariana den Wohnbereich betrat.

Das ließ ihn zögern, und er tat etwas, das er normalerweise niemals tun würde. Er ließ seinen Blick zu ihr wandern und sah, dass sie ihn mit großen Augen beobachtete.

Scheiße, fuhr es ihm durch den Kopf, als ihm klar wurde, dass sie die Waffe sah und sich deswegen sicher in Gefahr wähnte.

»Das ist nur unser Essen«, flüsterte er. »Aber trotzdem wäre es besser, wenn du wieder ins Schlafzimmer gehst.«

Noch immer starrte sie ihn an, nickte aber schließlich mit offenem Mund. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Ian, dass sie noch etwas sagen wollte, doch stattdessen drehte Ariana sich um und verschwand wieder im Schlafzimmer.

Mit einer flinken Handbewegung öffnete er die Tür und schaute in das Gesicht eines jungen Mannes. Schüchtern blickte dieser ihn an, als er merkte, dass Ian ihn mit grimmiger Miene betrachtete.

Ja, du darfst ruhig etwas Angst vor mir haben. Im Ernstfall hättest du nämlich keine Chance gegen mich, dachte Ian und zog dabei noch herausfordernd eine Augenbraue nach oben.

Anstatt etwas zu sagen, zeigte der Kellner nur auf den Servierwagen neben sich und starrte dann direkt wieder auf seine Füße.

Aufgrund seines schüchternen Auftretens nahm Ian an, dass der Junge wohl noch auf dem College war und sich nebenbei hier etwas dazu verdiente. Er wollte Ärger sicher aus dem Weg gehen, und das war etwas, was Ian respektierte, vor allem im Hinblick darauf, dass Ariana sich nur wenige Meter von ihm entfernt befand.

»Hi«, begrüßte Ian ihn, während er unauffällig den Flur nach rechts und links hinunter sah. Aber sie waren alleine, was ihn beruhigte.

»Ihre Bestellung«, erwiderte der Junge. Unsicher schaute er Ian an. Ian war sich darüber bewusst, dass sein Auftreten ziemlich aggressiv wirkte. Aber das war ihm egal. Der Junge konnte ruhig wissen, dass niemand an ihm vorbei kommen würde, falls Torka ihn geschickt hatte.

»Danke«, erwiderte Ian knapp und nahm ihm das große Tablett aus der Hand, das der Junge vom Servierwagen genommen hatte.

»Falls Sie noch einen Wunsch haben, können Sie jederzeit anrufen.«

»Ich werde es mir merken.« Mit einem Zwinkern drehte Ian sich herum. Da Ariana, und somit auch er, dieses Zimmer nicht verlassen durften, hatte er in der letzten Zeit mehrmals den Zimmerservice in Anspruch genommen. Das brauchte der Junge aber nicht zu wissen.

Da er noch immer die Waffe in der rechten Hand hielt, stieß er mit dem Fuß die Tür hinter sich ins Schloss. Kaum war das Geräusch ertönt, ging die Schlafzimmertür wieder auf, und Ariana kam zum Vorschein. Erst jetzt merkte Ian, dass sie eine schlichte Jeans und ein einfaches Shirt trug. Barfuß stand sie auf den kalten Fliesen und machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Ihre Haare waren zu einem Zopf zusammen gebunden.

Ariana war nicht gestylt, doch für ihn hätte sie nicht besser aussehen können. Sie brauchte kein Abendkleid oder einen Haufen Schmuck, um wunderschön zu sein. In seinen Augen war sie es von Natur aus.

Völlig unvorbereitet schoss ihm die Frage durch den Kopf, wieso eine Frau wie sie noch nicht verheiratet war.

Will sie keine feste Beziehung? Oder will sie einen Mann an ihrer Seite und hat nur den richtigen noch nicht gefunden?

Bevor er näher darüber nachdenken konnte, rief er sich selbst zur Ordnung. Das ging ihn nichts an.

Es ist nur ein Auftrag, ermahnte er sich selbst. Er befand sich schließlich nicht im Liebesurlaub oder verbrachte ein paar Tage mit einer heißen Brünetten, um sie zu vernaschen. Er war hier, um Ariana zu beschützen. Das war sein Job, und er würde nicht zulassen, dass seine Gefühle ihm in die Quere kamen.

Mit dem Kopf zeigte er nun in die Richtung des Sofas, doch auch jetzt bewegte Ariana sich noch nicht. Fragend hob er eine Augenbraue, bis er auf die Idee kam, dass die Waffe sie vielleicht störte.

»Sorry«, murmelte er. »Vorsichtsmaßnahme.«

»Ist schon in Ordnung.«

Ariana sah zunächst so aus, als würde sie noch etwas hinzufügen wollen, deswegen blieb Ian noch für ein paar Sekunden an Ort und Stelle stehen. Da sie aber keine Anstalten machte, noch etwas zu sagen, lächelte er sie aufmunternd an, steckte die Waffe wieder weg und ging zum Wohnzimmertisch. Dort schob er die beiden großen Bildschirme ein Stück nach hinten und positionierte das Tablett so, dass beide daran kamen.

»Du bist genau passend fertig geworden«, rief er ihr über die Schulter hinweg zu und hoffte dabei, dass sich ihre Laune wieder etwas heben würde.

Als er einen kurzen Blick in ihre Richtung warf, stellte Ian zufrieden fest, dass ihre Unsicherheit verschwunden war.

***

Der Anblick seines nackten Oberkörpers sorgte dafür, dass sie sich selber ermahnen musste, um weiter zu atmen.

Die Tatsache, dass er so vor ihr stand, ließ sie schwindlig werden. Seine Tattoos, von denen sie mittlerweile wusste, dass sie aus verschiedenen Worten und Symbolen bestanden, bewegten sich bei jeder seiner Bewegungen mit. Die Sonne, die durch die Fenster hereinschien, ließ seine gebräunte Haut glänzen. All das sorgte dafür, dass ihr Magen sich wohlig zusammenzog.

Während er das Tablett auf den Tisch stellte und sich wieder zu ihr umdrehte, ließ sie Ian keine Sekunde aus den Augen. Sie sah, wie er mit langsamen Schritten auf sie zukam. In einiger Entfernung blieb er stehen und streckte seine Hand nach ihr aus. Kurz zögerte Ariana, ergriff sie dann aber und ließ sich von ihm zum Sofa führen.

Kaum hatte sie es erreicht, blieben sie voreinander stehen. Um ihn genau anzuschauen, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen, so groß war er. Nur unter Aufwendung all ihrer Disziplin gelang es ihr, nicht dem Drang nachzugeben und sich an ihn zu lehnen.

Ian setzte sich auf das weiche Sofa und zog sie mit sich. Kaum hatte sie neben ihm Platz genommen, griff er nach einer Tasse und goss ihr frischen Kaffee aus einer Thermoskanne ein.

»Danke«, flüsterte Ariana, nachdem sie einen kleinen Schluck genommen hatte.

»Was geht in deinem Kopf vor?«, fragte Ian, während Ariana von einem Sandwich abbiss.

»Ich habe mich nur gefragt, ob ihr ihn bereits gefunden habt.« Kaum hatte Ariana es ausgesprochen, hätte sie es gerne zurückgenommen. Sie wollte nicht, dass Ian dachte, sie würde ihm nicht vertrauen. Denn das tat sie. Aber ihre Angst vor Stephen Torka wurde immer größer, je mehr Zeit verstrich.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Ian sich kurz anspannte. Doch er hatte sich schnell wieder im Griff.

Ian räusperte sich und wandte ihr sein Gesicht zu. Bei seinem Blick lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sein Ausdruck verriet mehr, als es ihm wohl bewusst war.

»Sag es mir, bitte.« Sie wusste, dass ihre Stimme verzweifelt klang, aber das war ihr egal. Ariana wollte nicht wie eine zerbrechliche Puppe behandelt werden, sondern wie die erwachsene Frau, die sie war.

Ian legte seine Gabel zur Seite und wandte sich ihr vollständig zu. Dabei griff er nach ihrer Hand und drückte sie.

»Bis jetzt noch nicht. Aber die anderen bleiben hartnäckig. Ich glaube nicht, dass Torka sich noch ewig verstecken kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Rest des Teams ihn finden wird.« Ians Blick hielt sie fest.

»Wieso sollte er sich überhaupt verstecken? Ich meine, schließlich wird es doch bald einen Prozess gegen ihn geben.«

»Torka hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er dir etwas antun will, falls du zur Polizei gehst. Aber genau diesen Schritt hast du gemacht. Und das führt dazu, dass er sich denken kann, dass er gesucht wird. Alleine die Tatsache, dass er oder einer seiner Männer dich verfolgt und dir gedroht hat, kann ihn bis zu Prozessbeginn wieder ins Gefängnis bringen. Auch wenn es nur noch ein paar Tage sind.«

Ariana musste zugeben, dass sie es von dieser Seite noch nie gesehen hatte. Obwohl sie ihr Jurastudium nie abgeschlossen hatte, war sogar ihr klar, dass Torka alles tun würde, um einen weiteren Anklagepunkt zu verhindern. Dieser Mann war nicht blöd, sondern wusste ganz genau, was er tat.

Ohne Ian zu beachten, stand Ariana auf und ging auf die Balkontür zu. Die Sonne schien herein und wärmte ihre nackten Füße.

Ein paar Minuten, oder vielleicht waren es auch mehr, stand sie einfach reglos da und schaute hinaus. Von ihrem Standpunkt aus konnte Ariana die gesamte Skyline von Los Angeles überblicken, den Wilshire Grand Tower, den US Bank Tower und auch das Aon Center waren zu erkennen.

Dort draußen ging das Leben weiter. Es ging sogar in diesem Hotel weiter. Nur ihres stockte.

Ariana war so in den Anblick der Stadt versunken gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie Ian sich ihr genähert hatte. Erst als sich ihre Nackenhaare aufstellten, spürte sie seine Anwesenheit. Diese Reaktion hatte er schon gestern ihrem Körper entlockt.

Eine Zeitlang stand Ian einfach hinter ihr. Er berührte sie nicht und sagt kein Wort. Aber seine Anwesenheit reichte ihr aus, um sich wieder ein wenig zu beruhigen. Er half ihr dabei, nicht durchzudrehen, und Ariana war sich nicht einmal sicher, ob er das wusste.

Als er seine Arme um sie schlang und seine großen und starken Hände auf ihrem Bauch lagen, ließ sich Ariana an ihn sinken. In diesem Moment war das alles was sie brauchte und wollte.

»Schau mich an.« Seine Stimme drang ruhig und leise an ihr Ohr.

Ein kleiner Befehl. Drei kleine Worte. Normalerweise gefiel es ihr nicht, wenn Männer sie herumkommandierten. Normalerweise hätte sie auf so etwas zickig reagiert.

Aber wie Ariana bereits festgestellt hatte, war mit Ian alles anders.

Er zeigte ihr damit, dass er die Kontrolle hatte. Die Kontrolle über eine Situation, die ihr von Anfang an Angst eingejagt hatte.

Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, drehte sie sich in seinen Armen um. Langsam und zögerlich hob sie den Kopf, bis sie ihn ansehen konnte.

Wie von alleine legten sich ihre Hände auf seine nackte Brust. Sein Herz schlug schnell und stark unter ihren Fingern. Genauso wie Ian war.

Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, in der sie sich einfach in die Augen schauten. Ian machte keine Anstalten, sich ihr zu nähern, aber er entfernte sich auch nicht. Stumm verharrte er und schaute zu ihr hinab.

Die Nähe zu ihm sorgte dafür, dass sie seine Worte besser verarbeiten könnte. Nie wollte Ariana sich von einem Mann so abhängig machen, aber wie sie nun zugeben musste, war sie es von ihm. Und es fühlte sich gut an. Ihr war klar, dass sie ohne Ian schon lange die Nerven verloren und wahnsinnig geworden wäre.

Als sie spürte, wie seine Fingerspitzen sanft über ihre Lippen strichen, schloss Ariana genüsslich die Augen. Nachdem sie ihre Augen wieder geöffnet hatte, bemerkte sie, dass er ihr näher gekommen war. Nur wenige Zentimeter, wenn überhaupt, trennten ihre Gesichter voneinander.

Gerade als sie sich sicher war, dass er sie küssen würde, ertönte ein schriller Alarm, und die Tür wurde geöffnet.

Ariana blieb das Herz stehen. Panik durchflutete sie und sorgte dafür, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Aber sie konnte sich auch nicht bewegen, und das war noch viel schlimmer.

Ian handelte blitzschnell. Er wirbelte herum und zog dabei seine Waffe aus dem Holster. Dabei machte er einen großen Schritt zur Seite, sodass Ariana hinter ihm stand und von seinem breiten Oberkörper verdeckt wurde.

Aus einem Reflex heraus gab sie einen gellenden Schrei von sich. Als ihr Herz die Arbeit wieder aufnahm, raste es so schnell, dass sie das Gefühl hatte, es würde ihr jeden Augenblick aus der Brust springen.

Panisch griff sie nach dem Hosenbund von Ian und hielt sich in ihrer Verzweiflung daran fest, da sie die Befürchtung hatte, dass ihre Beine gleich unter ihr nachgeben würden. Gleichzeitig schloss sie erneut die Augen und zog den Kopf etwas ein.

***

»Meine Güte, Ryder.« So unauffällig wie möglich atmete Ian tief durch und versuchte seinen Puls wieder in den Griff zu bekommen.

Er hoffte, dass sein Kollege ihm nicht ansah, was er in den letzten Sekunden durchgemacht hatte.

Für einen kurzen Augenblick hatte er wirklich gedacht, dass Stephen Torka es geschafft hatte, sie zu finden und sich anzuschleichen. Dieses Gefühl wollte er nicht noch einmal erleben.

»Ich bin stolz auf dich. Du hast gut reagiert.« Auf Ryders Gesicht erschien ein breites Grinsen. Ian musste sich zusammenreißen, um ihm nicht eine zu verpassen oder seinem Freund wenigstens den Mittelfinger zu zeigen.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis er bemerkte, dass Ryder nun Ariana betrachtete, die noch immer hinter ihm stand. Da sie sich mit festem Griff an ihn klammerte, spürte er das Zittern, das von ihr ausging.

»Alles in Ordnung. Es ist nur Ryder«, erklärte er und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu klingen, was gar nicht so einfach war.

Langsam lockerte sich ihr Griff, und sie tauchte hinter ihm auf.

»Wird das jedes Mal so laufen?«, fragte Ariana und zeigte dabei in die Richtung der Tür.

»Was meinst du?«, fragte Ryder, der anscheinend keine Ahnung hatte, worauf Ariana hinaus wollte. Ganz im Gegensatz zu Ian. Er wusste genau, was sie meinte und hätte sich in diesem Moment gerne in den Hintern getreten, weil er ihr nichts davon gesagt hatte.

»Einer von euch kommt rein, und der Alarm geht los?« Ian hörte das Beben in ihrer Stimme, obwohl sie das sicherlich nicht wollte.

Er spürte, dass sie sich wieder ein wenig verschloss, und das gefiel ihm überhaupt nicht. Ryder hingegen schien das nicht zu bemerken.

Ian nickte nur knapp, um ihr eine Antwort zu geben. Am liebsten hätte er noch hinterhergesetzt, dass er immer ein Auge auf die Monitore hatte, aber damit hätte er Ryder Zündstoff gegeben. Und das war etwas, was er auf jeden Fall vermeiden wollte.

»Störe ich?«, fragte sein Freund schließlich mit einem schelmischen Grinsen. Er schien zu bemerken, wie dicht sie beieinander gestanden hatten.

»Als ob dich das interessieren würde«, gab Ian nur genervt zurück und steckte seine Waffe wieder weg. Dabei trat er einen Schritt zur Seite und stellte sich ein zweites Mal beschützend vor Ariana.

Doch dieses Mal nicht aus dem Grund, weil Gefahr bestand, sondern weil er Ariana vor den neugierigen Blicken seines Freundes schützen wollte.

Ihm war es nicht unangenehm, aber er hatte die Befürchtung, dass es Ariana peinlich sein könnte. Er wusste, was in dem Kopf seines Partners vor sich ging und wollte Ariana davor bewahren, es ebenfalls zu erfahren.

Davon abgesehen sollte keiner aus seinem Team sehen, wie fertig Ariana war. Ian wollte sie beschützen, egal vor wem. Auch vor seinen eigenen Freunden. Sie hatte schon genug Probleme und sollte sich nun nicht auch noch Gedanken darüber machen, was sein Team dazu sagen würde, dass die beiden sich eindeutig näher gekommen waren.

»Was willst du hier? Habt ihr etwas gefunden?« Sein Ton klang eine Spur zu scharf, aber in diesem Moment war ihm das egal. »Ich bin auf dem Weg, um John abzulösen. Er überwacht das Penthouse von Stephen. Deswegen dachte ich, ich schaue vorher vorbei«, erklärte Ryder.

»Falls ihr mich sucht, ich bin im Schlafzimmer«, meldete sich Ariana zu Wort und verschwand, noch bevor Ian etwas sagen konnte.

Je weiter sie sich von ihm entfernte, desto größer wurde sein Drang, sie am Arm zu packen und wieder an seine Seite zu ziehen. Doch er tat es nicht. Stattdessen schaute er ihr nur stumm nach und wünschte sich, dass Ryder nicht aufgetaucht wäre und sie immer noch an der gleichen Stelle stehen würden.

Er war ganz kurz davor gewesen, sie zu küssen.

Als er sich wieder an die Situation erinnerte, schwoll sein Schwanz an. Schnell konzentrierte er sich deswegen auf Ryder, der seinen Blick immer noch auf ihn gerichtet hatte.

Doch Ryder gab ihm wortlos zu verstehen, dass er genau wusste, was hier los war.

»Oh Mann, ich hab es geahnt«, stöhnte Ryder nun und rieb sich den Nacken.

»Was meinst du?« Ian wich seinem Blick aus und ging wieder zum Sofa. Er wusste, was Ryder meinte, hoffte aber, dass er ein paar Sekunden bekam, um sich zu sammeln, und das ihm in dieser Zeit eine passende Antwort einfallen würde.

Ariana bedroht zu sehen, hatte gereicht, um seinen Freund fast über den Haufen zu schießen. Das wollte er nicht noch einmal erleben müssen.

»Das weißt du genau. Du bist hier um die Zeugin zu beschützen und nicht um sie flachzulegen«, konterte Ryder, der ihm zum Sofa gefolgt war.

»Ich lege sie nicht flach«, gab Ian zurück.

Nein, das tat er nicht. In diesem Punkt hatte er nicht gelogen.

»Du bist also seit neustem mehr an Kuscheln als an Sex interessiert?«, hakte Ryder mit einem belustigten Unterton nach. Ian schaute zu seinem Partner und sah, wie er herausfordernd die Augenbrauen nach oben gezogen hatte. Aber Ian hatte nur einen wütenden Blick für diesen Kommentar übrig.

Ja, normalerweise war er nur an Sex interessiert. Aber aus der letzten Nacht, die sie einfach nur gemeinsam in einem Bett verbracht hatten, hatte er mehr gewonnen als aus all den körperlichen Beziehungen der letzten Jahre. Er konnte sich das selbst nicht erklären.

»Du weißt, was dein Vater immer sagt, oder?«, fuhr Ryder fort und ließ Ian hellhörig werden. Ryder hatte nämlich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er den Worten von Ians Vater keinen Glauben schenkte. Genau wie Ian selbst.

»So oft, wie ich sie gehört habe, werde ich sie mit Sicherheit nicht vergessen«, antwortete er und hoffte, dass Ryder das Thema fallen lassen würde.

Dieser schien die Botschaft zu verstehen, konnte es sich aber dennoch nicht verkneifen, ihn noch ein letztes Mal misstrauisch anzuschauen.

»Was habt ihr herausgefunden?«, fragte Ian schließlich, nachdem er sich gesammelt hatte.

»Du meinst wohl eher, was wir nicht herausgefunden haben«, zischte Ryder zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ian erkannte sofort, dass es nicht so lief, wie er es sich vorgestellt hatte.

Aber das konnte er nur unterstreichen, denn auch Ian hatte sich gewünscht, dass sie schneller Fortschritte machen würden, was sie normalerweise auch taten.

»Was habt ihr nicht herausgefunden?«, korrigierte Ian seine Frage.

»Wir haben nicht herausgefunden, wo Torka sich aufhält.«

»Und was habt ihr herausgefunden?« Auch wenn er sich wiederholte, er konnte nicht anders. Es musste doch irgendetwas geben. Irgendein noch so kleines Detail, das dabei helfen würde, Ariana besser zu beschützen.

Ohne zu antworten, setzte Ryder sich und schnappte sich aus dem Schälchen vom Frühstückstablett eine Erdbeere.

»Erdbeeren?« fragte er und hatte wieder diesen vielsagenden Blick im Gesicht.

»Ryder, würdest du bitte einfach meine Frage beantworten?« Ians Hände ballten sich zu Fäusten, obwohl er das eigentlich gar nicht wollte.

»Alles klar, ist ja gut. So gereizt kennt man dich ja überhaupt nicht.«

Ian konnte nicht verleugnen, dass er genervt war. Allerdings musste er aber zu seiner Verteidigung sagen, dass es nur daran lag, weil Ryder den denkbar schlechtesten Moment erwischt hatte, um sie zu besuchen. Wäre er wenigstens ein paar Minuten eher gekommen, dann wäre Ryder nicht direkt in diese verfängliche Situation geraten und hätte nicht so offenkundig aus Ians und Arianas Verhalten seine Schlüsse ziehen können.

»Bei Stephen Torka möchte ich wissen, woran ich bin.« Ian gab sich große Mühe, nicht auf die versteckte Botschaft einzugehen.

»Er weiß nicht, wo Ariana sich aufhält, da sind wir uns sicher. Solange wir aber nicht wissen, wo er ist, könnte er jederzeit hier hereinspazieren. Aus diesem Grund wollte ich dir sagen, dass du sie hier wegbringen sollst, wenn dir irgendetwas verdächtig vorkommt.«

»In dem Teil brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich kenne unseren Plan B.« Ian brachte die Worte nur schwer über die Lippen, weil das eigentlich etwas war, was er vermeiden wollte. Aber wenn es nicht anders ging, dann würde er Ariana von hier wegbringen.

»John ist es aber gelungen, sich in Torkas Firmencomputer zu hacken. Dort hat er Beweise gefunden, die ihn mit einigen seiner früheren Verbrechen in Zusammenhang bringen. Er hat sie an Brown weitergeleitet, der dafür sorgen wird, dass der Richter einen Durchsuchungsbefehl ausstellt.«

»Das sind ja wenigstens ein paar gute Nachrichten.«

»Müsste ich raten, würde ich sagen, dass er aus seinem Loch gekrochen kommt, sobald wir ihn haben«, antwortete Ryder grinsend.

Ian hoffte es. Er wollte diese Zuversicht gerne teilen. Das würde seinen Job um einiges einfacher machen. Solange sie Torkas Aufenthaltsort nicht kannten, konnte es sogar sein, dass er sich in dem gleichen Hotel befand, vielleicht sogar im Nachbarzimmer. Aber an diese Möglichkeit wollte er lieber nicht denken.

Je weiter Ariana von diesem Mann entfernt war, umso besser war es für alle.

»Ich weiß genau, was du denkst.« Ryder riss ihn aus seinen Gedanken.

»Wenn das so ist, weißt du ja auch, dass ich diese Situation nicht gerade schön finde.«

»Du kannst wenigstens den Zimmerservice nutzen. Das würde ich auch gerne mal.« Ryder hörte sich beleidigt an, aber Ian wusste, dass es nur Show war. Sein Freund hatte es schon immer vorgezogen, draußen bei der Action dabei zu sein, als drinnen den Babysitter zu spielen. »Keiner von uns will, dass ihr etwas passiert.«

»Ich weiß. Genauso wie mir klar ist, dass ich sie von hier wegbringen muss, wenn mir irgendetwas komisch vorkommt. Ich mache das ja nicht zum ersten Mal, aber ich bin angespannt«, seufzte Ian und fuhr sich niedergeschlagen mit den Händen über das Gesicht.

»Aber du scheint das gut im Griff zu haben. Und werd lockerer. So gereizt zu sein, steht dir nicht«, scherzte Ryder. Er schnappte sich noch eine Erdbeere, schob sie sich genüsslich in den Mund und stand wieder auf. »Das Team ist eine Familie, nur so haben wir es in den letzten Jahren geschafft, diese Ziele zu erreichen. Für jeden von euch würde ich mir eine Kugel einfangen. Ariana scheint dir etwas zu bedeuten, also gehört sie auch dazu. In dem Augenblick, in dem dir klar geworden ist, dass du etwas für sie empfindest, ist es für uns alle persönlich geworden.« Überrascht über die Worte seines Freundes hob Ian seinen Kopf.

War es so leicht zu sehen, dass er Gefühle für diese Frau hatte?

Und wenn Ryder es schon nach wenigen Minuten bemerkte, wie war es dann erst bei Ariana? Wusste sie es? Oder vermutete sie etwas?

»Ich muss wieder los«, verkündete Ryder. Mit großen Schritten durchquerte er den Raum und hielt auf die Zimmertür zu.

»Wir sehen uns.« Zur Verabschiedung winkte Ian kurz, obwohl er mit den Gedanken ganz woanders war.

»Grüß Ariana von mir.« Mit einem Zwinkern verschwand Ryder durch die Tür und schloss sie hinter sich.

Ian fuhr sich durch die Haare und schaute zur geschlossenen Schlafzimmertür. Eine Weile betrachtete er sie.

Ja, er empfand etwas für diese Frau. Ian wusste nicht, wo ihn all das hinführte, aber das erste Mal in seinem Leben war er gewillt, es herauszufinden.

Gerade als er Ariana rufen wollte, ging die Tür auf. Scheu blickte sie ihm entgegen, wodurch sein Herz schneller schlug.

»Ist er weg?«, fragte sie ihn vorsichtig.

»Ryder wollte nur schauen, ob bei uns alles in Ordnung ist«, erwiderte er.

Unsicher sah sie sich rechts und links in dem großen Raum um, doch als sie niemanden entdeckte, schien sich zu entspannen.

Ariana ging zum Sofa, um sich zu ihm zu setzen. Er griff nach ihrer Hand und ließ seine rauen Finger über ihre sanfte Haut gleiten.

Ian dachte darüber nach, ob sie sich wohl über den Weg gelaufen wären, wenn er nicht zu diesem Einsatz gerufen worden wäre. Wenn das Schicksal es gewollt hätte, wäre es bestimmt passiert, obwohl er noch nie ein Mensch gewesen war, der daran geglaubt hatte. Aber das brachte ihn auf die Frage, ob diese Frau überhaupt für ihn bestimmt war, oder ob sie ihn nur für seinen bisherigen Lebenswandel büßen lassen sollte.

»Schade, dass sie Torka noch nicht haben«, flüsterte sie und lenkte so seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Mit hängenden Schultern saß sie auf dem Sofa und schaute aus dem Fenster.

Er hasste es, mitansehen zu müssen, wie sehr sie unter dieser Situation litt. Innerhalb von ein paar Minuten war die lustige und liebenswerte Frau verschwunden. Aber er würde alles dafür geben, damit sie wieder zum Vorschein kam.

5

»Läuft irgendetwas besonderes im Fernsehen?«, fragte Ariana, als sie sich neben Ian auf das Sofa sinken ließ.

»Es ist Mittag. Was soll schon laufen?«, konterte Ian frech und zuckte dabei mit den Schultern.

»Irgendeinen Film wird es doch bestimmt geben.« Ihre Stimme klang zickig, was ihr auch bewusst war. Aber in diesem Zimmer eingesperrt zu sein, frustrierte sie von Tag zu Tag mehr.

»Da muss ich dich enttäuschen. Im Moment laufen nur Nachrichten.« Um Ians Mundwinkel zuckte es verdächtig. Er streckte seine Hand nach ihr aus und zog sie mit einen Ruck an sich.

Als sie seinen harten Körper an ihrem spürte, wollte sie sich erst wehren. Doch im nächsten Moment drang schon seine Körperwärme durch ihr Top, was dafür sorgte, dass sie noch etwas näher rückte.

Ariana fühlte sich einfach zu wohl in Ians Gegenwart, um sich ihm lange widersetzen zu können.

Auch die letzte Nacht hatte er in ihrem Bett verbracht und so dafür gesorgt, dass sie in Ruhe schlafen konnte. Aus irgendeinem Grund fand sie nur zu ihrem inneren Gleichgewicht zurück, wenn sie ihm so nah war wie jetzt.

Doch sie hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn so angefahren hatte. Eigentlich hielt sie sich zurück. Ariana war kein Mensch, der sofort verbal um sich schoss, aber in diesem Moment musste sie ihre Frustration einfach mal rauslassen. Sie wollte es nicht an Ian auslassen, aber es ließ sich auch nicht vermeiden, er war nun mal der Einzige in ihrer Nähe.

»Es tut mir leid, ich will nicht so zickig sein, aber ich bin es nicht gewohnt, eingesperrt zu sein«, entschuldigte sie sich bei Ian.

»Das weiß ich, und es braucht dir nicht leidzutun. Es würde jedem so gehen, und du bist auch nicht die erste, die nach ein paar Tagen nicht mehr kann. Mich würde es eher wundern, wenn es dir nichts ausmachen würde. Es ist völlig normal, dass einem irgendwann die Nerven durchgehen. Jeder zeigt das auf eine andere Art.« Während er sprach, strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte.

Sein intensiver Blick brannte sich in ihre Augen und ließ Ariana atemlos nach Luft schnappen.

Mit ein paar Worten schaffte Ian es, ihr in dieser Situation, in der sich für sie alles änderte, etwas Normalität zu geben.

Ariana atmete tief durch und entspannte sich dann wieder ein wenig.

»Na komm, schalt mal die Nachrichten ein. Ich will wissen, was in der letzten Zeit so in der Welt passiert ist.« Sie zwang sich zu einem Lächeln, obwohl ihr nicht danach war. Und sie war sich sicher, dass man ihr das auch ansah.

Ein letztes Mal strich Ian ihr über das Gesicht, bevor er sich mit ihr im Arm nach hinten fallen ließ. Dann griff er nach der Fernbedienung und schaltete um. Ariana blickte auf den Fernseher. Doch bereits wenige Sekunden, nachdem er den Sender gewechselt hatte, hätte sie ihm am liebsten die Fernbedienung aus der Hand gerissen.

»Die junge Rechtsanwaltsfachangestellte ist vor ein paar Tagen spurlos verschwunden. Bis jetzt haben weder ihre Familie noch Freunde irgendeinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort erhalten.« Die helle Stimme der Nachrichtensprecherin schlug den beiden entgegen. Sie stand vor der Kanzlei, in der Ariana arbeitete. Dabei hielt sie ein Mikrofon in der Hand und berichtete über Ariana.

In Arianas Körper spannten sich alle Muskeln an, während sie den Worten der Journalistin lauschte. Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr die Luft aus den Lungen gepresst. Ihre Magen drehte sich schmerzhaft um.

Da ihr Körper dicht an Ian gepresst war, spürte sie, dass er auch kurz zusammenzuckte. Sein linker Arm umfasste Ariana noch fester, während er mit der rechten Hand den Fernseher lauter stellte.

Es wurden aber nur ein paar unwichtige Details aus ihrem Leben genannt, wo sie zur Schule gegangen war und wessen Tochter sie war. Aber vor allem dieser Punkt setzte ihr zu, da sie Ian nicht gesagt hatte, dass ihr Vater der beste Strafverteidiger an der Westküste gewesen war. Doch zu ihrem Glück ging er nicht darauf ein, worüber sie in dieser Situation mehr als froh war.

Als nächstes wurde wieder ins Studio geschaltet, wo Ariana unter anderem ihren Onkel und ihre Tante auf einem Sofa sitzen sah. Die Menschen, die sie großgezogen hatten, sahen aus, als ob sie schon seit Tagen nicht geschlafen hatten. Sie waren blass und hatten Augenränder. Ihre Tante wirkte, als ob sie stundenlang durchgeweint hätte. Von ihrer üblichen Lockerheit war nichts mehr da.

Die beiden schilderten ihre Ängste und Annahmen, was mit ihrer Nichte passiert sein könnte. Von einem Freund ihres toten Vaters wurde sogar die Sorge geäußert, dass Ariana irgendwo schwer verletzt lag und dringend Hilfe brauchte. Allerdings kam keiner von ihnen auf die Idee, dass sie sich mit Absicht versteckt hielt, weil sie etwas gesehen hatte, das sie nicht hätte sehen sollen.

Ariana wusste nicht, ob sie über letzteres dankbar sein sollte. Allerdings hatte sie auch keine Zeit mehr, sich darüber Gedanken zu machen, denn das, was als nächstes kam, ließ sie kräftig schlucken.

Ein Bild von ihr wurde eingeblendet.

Es war zwar kein aktuelles Foto, sondern eines von einer Familienfeier im letzten Jahr, welches aus einer größeren Entfernung aufgenommen worden war, aber dennoch war Ariana deutlich darauf zu erkennen.

Erschrocken schnappte sie nach Luft, und auch Ian verlor für den Bruchteil einer Sekunde die Fassung. An seiner Reaktion konnte sie erkennen, dass er damit genauso wenig gerechnet hatte wie sie. Beide starrten weiterhin stumm auf den Fernseher.

Ariana konnte es nicht fassen. Ihre Familie hatte sie vermisst gemeldet bei der Polizei, von der sie versteckt wurde!

»Scheiße«, entfuhr es ihr schließlich, und sie schlug die Hände vors Gesicht. Nur mit Mühe konnte sie die Tränen zurückhalten, als ihr klar wurde, dass ihre Entscheidung, gegen Torka auszusagen, auch soweit reichte, dass die Menschen, die sie liebte, sich Sorgen um sie machten.

»Hast du dich immer regelmäßig bei ihnen gemeldet?«, fragte nun Ian. Ariana war klar, dass er nach einem Grund dafür suchte, wie es zu dieser Situation gekommen war.

»Es gab Zeiten, da habe ich mich nur alle zwei oder drei Wochen bei ihnen gemeldet, weil ich so viel zu tun hatte«, erklärte sie ihm. »Ich habe keine Ahnung, wieso sie mich schon nach wenigen Tagen als vermisst gemeldet haben.«

»Haben dein Onkel und deine Tante vielleicht versucht, dich zu erreichen und weil du nicht ans Telefon gegangen bist, haben sie im Büro angerufen? Dort hätte man ihnen sagen können, dass du schon seit Tagen nicht mehr da warst. Oder vielleicht war es eine deiner Freundinnen.«

Bei seinen Worten hob Ariana den Kopf und betrachtete ihn. Ein paar Sekunden ließ sie sich seine Bemerkung durch den Kopf gehen, wusste aber trotzdem nicht, was sie davon halten sollte. »Könnte sein«, gab sie schließlich leise von sich. »Allerdings haben die beiden nicht sehr oft im Büro angerufen, seitdem ich da arbeite.«

Unsicher wich sie seinem Blick aus. Sie konnte sich die Situation einfach nicht erklären.

Eine unangenehme Stille machte sich zwischen ihnen breit. Ariana spürte Ians Unruhe, die daraus resultierte, dass er sich keinen Reim auf die Ereignisse machen konnte.

Aber ihr ging es nicht anders. Das Büro hatte nicht die Nummer ihres Onkels oder ihrer Tante. Allerhöchstens ihres Großvaters, der war aber geschäftlich unterwegs, also konnte sie wohl auch davon ausgehen, dass er nicht benachrichtigt worden war.

»Das ist nicht gut, oder?«, fragte sie in die Stille hinein. Sie musste irgendetwas tun, oder wenigstens Ians Stimme hören, damit sie sich nicht ganz verloren vorkam.

»Es kommt drauf an«, gab Ian nur ausweichend zurück. Sie spürte, dass sein Kopf auf Hochtouren lief und er über eine Lösung nachdachte, falls es hierfür überhaupt eine gab.

Obwohl Ian sie festhielt und sie seine Nähe suchte, löste sie sich ein wenig von ihm, damit sie ihn besser betrachten konnte.

Ihre Blicke trafen sich, und Ariana spürte den Drang, sich an ihn zu schmiegen, aber sie tat es nicht. Diese Unterhaltung war gerade zu wichtig, als dass sie sich davon hätte ablenken lassen können.

»Worauf?«

Ian holte tief Luft und schaute sie dabei prüfend an. Wahrscheinlich wollte er herausfinden, ob sie es wirklich wissen wollte, weswegen sie seinem Blick standhielt. Obwohl ihr das nur sehr schwer gelang.

»Dass du für vermisst erklärt wurdest, kann bedeuten, dass Torka die Suche nach dir aufgegeben hat. Es kann dir ja schließlich sonst etwas passiert sein, und das würde seine Chance, dich zu finden, erheblich einschränken. Es muss ja nicht zwingend bedeuten, dass du dich versteckt hältst«, antwortete er ihr in einem ruhigen Ton.

Ariana musste zugeben, dass das einleuchtend klang. Trotzdem glaubte sie nicht daran. Für einen derart leichten Ausgang aus der Misere fehlte ihr einfach das Glück.

»Das wäre die positive Möglichkeit. Es wird sicherlich auch eine negative geben«, flüsterte Ariana betreten, nachdem das Schweigen zwischen ihnen unerträglich geworden war.

Vorsichtig, fast schon schüchtern, sah sie zu Ian, wendete aber ihren Blick direkt wieder ab, als er sie ebenfalls ansah. So sehr sie es auch wollte, aber Ariana konnte ihm jetzt nicht in die Augen schauen. Dies würde sie wahrscheinlich nur in Tränen ausbrechen lassen, und das wollte sie nicht. In Ians Gegenwart wollte Ariana nicht weinen, sondern stark sein.

»Es richtet mehr Aufmerksamkeit auf unsere Arbeit, als uns guttut. Dass du als vermisst gemeldet wurdest, ist eine Sache, und damit haben wir gerechnet, allerdings nicht damit, dass ein Foto von dir in den Nachrichten erscheint. Du hast dich zwar ein wenig verändert, und die meisten schauen nicht so genau hin, aber es kann immer passieren, dass dich jemand erkennt.«

Bei seinen Worten bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Nur mühsam unterdrückte sie die aufsteigenden Tränen. Obwohl sie es nicht wollte, musste sie ihm recht geben.

Sollte sie in nächster Zeit dazu gezwungen sein, dieses Zimmer zu verlassen, konnte Ariana nur hoffen, dass man sie nicht erkannte.

»Und was jetzt?«, kam es ihr mit leiser Stimme über die Lippen.

»Wir warten. Etwas anderes können wir nicht machen. Außerdem werde ich das Team kontaktieren und ihnen Bescheid geben, falls sie es nicht schon von Brown erfahren haben. Mich wundert es nur, dass mir keiner Bescheid gegeben hat.« Ian verstärkte seinen Griff um ihre Hüfte.

Wortlos, nur mit dieser Geste, machte er ihr klar, dass sie ihn an ihrer Seite hatte, und darüber war sie froh, zumal sie selber keine Ahnung hatte, wie sie mit alldem umgehen sollte.

Gerade erst hatte sich Ariana damit abgefunden, dass sie hier festsaß, und dann kam der nächste Mist auf sie zu.

»Das tut mir alles leid.«

»Wieso? Du kannst doch nichts dafür. In dieser Nacht warst du nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.«

Ian stricht ihr beruhigend über die Arme. Bei seiner Berührung setzte das schmerzhafte Verlangen in ihrem Bauch ein, das sie immer in seiner Gegenwart verspürte. Aber Ariana verbot es sich, dem nachzugeben. Vor allem unter diesen Voraussetzungen.

Genau wie es in der verhängnisvollen Mordnacht der Fall gewesen war, war auch das hier der falsche Ort und vor allem die falsche Zeit.

»Ich glaube, ich werde mich etwas hinlegen oder duschen gehen oder so.« Mit diesen Worten schälte sie sich aus seinen Armen und stand auf.

Es fiel ihr schwer, da sie sich am liebsten noch viel länger an ihn gekuschelt hätte, aber sie musste es tun. Sie musste diese neue Wendung erst einmal alleine verdauen, und Ian wollte sicherlich mit seinen Kollegen besprechen, wie es nun weitergehen sollte.

Ohne ihn noch einmal anzusehen, stand sie auf und ging zum Schlafzimmer. Jeder Schritt fiel ihr schwer. Aber Ariana zwang sich selbst dazu. Sie musste jetzt alleine sein, damit Ian ihr nicht ansah, wie es tief in ihr aussah.

Sie fühlte sich, als würden die Wände auf sie zukommen, wenn sie nicht die Notbremse zog.

Kaum hatte sie das Schlafzimmer betreten, schloss sie leise die Tür hinter sich und lehnte sich gegen das kühle Holz.

In ihrem Kopf ging es wilder zu als in einer Disco, sodass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, dass ihre Familie öffentlich nach ihr suchte. Klar, nach dem Tod ihrer Eltern hatten ihr Onkel und ihre Tante sie aufgenommen. Die beiden hatten nie eigene Kinder bekommen können und hatten sie deswegen immer wie ihre Tochter behandelt. Ariana liebte sie beide, umso mehr tat es ihr leid, dass sie ihnen das zumuten musste. Nie hatte sie vorgehabt, sie in so eine Lage zu bringen, aber dafür war es nun zu spät.

»Was habe ich nur getan?«, seufzte sie und drückte sich von der Tür ab. Verloren und hilflos ging sie ins Badezimmer und zog sich währenddessen das Top und den BH aus. Ariana warf die Sachen einfach auf den Boden, ohne sich daran zu stören. Sie drehte das Wasser in der Dusche auf, zog die Hose und ihr Höschen aus und stieg unter den heißen Wasserstrahl. Sie legte den Kopf in den Nacken, und das Wasser strömte ihr übers Gesicht. Ihr Kopf war plötzlich wie leer gefegt.

***

»Ariana?«, rief Ian zum wiederholten Male und klopfte dabei gegen die Tür des Schlafzimmers.

Ariana war eigentlich nach nebenan verschwunden, um sich nach dieser Nachricht etwas auszuruhen. Aber nachdem er gehört hatte, wie vor einer Stunde das Wasser abgestellt worden war, hatte er kein Geräusch mehr wahrgenommen.

Nichts, was darauf schließen ließ, wie es ihr ging oder was sie tat. In diesem Moment wäre es ihm sogar recht gewesen, wenn sie das Zimmer auseinandergenommen und alles kurz und klein geschlagen hätte.

Er konnte ihre Reaktion sehr gut nachvollziehen. An ihrer Stelle wäre es ihm wahrscheinlich nicht anders ergangen. Trotzdem hatte er gehofft, dass sie bei ihm bleiben würde. Ian hatte sie nur ungern gehen lassen, vor allem weil er nicht einschätzen konnte, wie es ihr wirklich ging.

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