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Sommer in der kleinen Traumküche in Cornwall

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Liebe geht durch den Magen!

Als Cressy Hobson, internetweit bekannt als »Cressida Cupcake« ein Fernsehfiasko erlebt, das ihre Karriere beendet, sucht sie Zuflucht im malerischen Seaspray Cottage in St. Aidan. Doch sie ist pleite und muss die Einheimischen um Hilfe bitten. Schon bald sind ihre vermeintlich ruhigen Wochen in Cornwall gefüllt damit, Schafe zu jagen, das örtliche Rentnerdorf zu retten, die kleine Traumküche für Backabende zu den Menschen nach Hause zu bringen – und sich vor der Liebe in Acht zu nehmen. Das allerdings ist leichter gesagt als getan, denn schon einmal hat sie in St. Aidan ihr Herz an Ross Bradbury verloren, und der sieht ein Jahrzehnt später noch besser aus als damals ...


  • Erscheinungstag: 21.03.2023
  • Aus der Serie: Kleine Traumküche
  • Bandnummer: 2
  • Seitenanzahl: 400
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365002940

Leseprobe

1. Kapitel

Wichtige Notizen und Karamell-Crispies

The Surf Shack, St. Aidan, Cornwall

Freitag

»Hallo, ich bin Cressy, tut mir echt leid, dass wir so spät dran sind.«

Über meinem Kopf flattern die bunten Wimpel des Surf Shack vor einem tiefblauen Himmel, und über den grob behauenen Holztisch hinweg erspähe ich drei erwartungsvoll lächelnde Gesichter.

Dass die um den Tisch versammelten Frauen Diesel bereits kennen, schließe ich aus der Tatsache, dass der Hund mir praktisch den Arm ausgekugelt hat, um zu ihnen zu gelangen. Nun ja, der Hund ist mit seinem großen grauen Kopf und den langen, unkoordiniert wirkenden Hoppelbeinen immerhin so was wie ein Wahrzeichen von St. Aidan. Als wir endlich vor dem Shack angekommen waren, sprintete er die Stufen so rasant hoch, dass meine Glitzer-Flip-Flops kaum den Boden berührten, und sauste dann wie ein Lenkflugkörper über die Bretterveranda. Nachdem er nun sein Ziel erreicht hat, drückt er jeder der Frauen der Reihe nach seine große schwarze Schnauze ins Gesicht und schleckt sie nach Strich und Faden ab.

Als das aufgeregte Wedeln seines Schwanzes in eine etwas normalere Frequenz übergeht, sehe ich, dass er eine riesige Schleimspur auf der im Karo-Hemd, ich glaube, sie heißt Nell, hinterlassen hat. Dann plumpst er mit dem Hinterteil auf meinen Fuß und starrt treuherzig zu mir hoch. Ginge ein Typ so manipulativ mit mir um, würde ich ihn ins Hafenbecken stoßen. Aber Diesels Blick aus herzerweichenden braunen Augen schafft mich jedes Mal.

Nell wischt sich mit einer Hand über die Wange, um den Sabber loszuwerden, und tätschelt ein letztes Mal seine haarige Schulter. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Diesel, ich hoffe, du benimmst dich anständig.« Sie schaut mich an. »Du bist ja völlig außer Atem, ist irgendwas passiert?«

Auch wenn es sich hier eher um Freundinnen von Freunden handelt als um einen Jobtermin, hatte ich doch so sehr darauf gehofft, einen guten Eindruck zu machen. Verlegen schüttele ich mein einstmals weißes T-Shirt aus und bete stumm, dass der Schweißfilm, der sich wie ein Heiligenschein um meinen Kopf ausgebreitet hat, meiner sorgfältig gestylten Frisur nicht den Garaus macht. »Keine Sorge, ich hyperventiliere immer vor Aufregung, wenn ich neue Leute treffe.« Was hoffentlich erklärt, warum ich klinge, als hätte ich gerade einen Iron Man hinter mir.

Ich kenne Diesel zwar schon, seit er ein Welpe war, hatte aber keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, als ich mich bereit erklärte, auf ihn und die Katze Pancake aufzupassen, während mein Bruder Charlie und seine reizende Partnerin Clemmie sich einen ausgedehnten Skandinavien-Trip gönnen. Charlies und Clemmies Wohnung liegt eigentlich gleich um die Ecke, ebenfalls direkt am Strand, doch sobald Diesel Sand unter den Pfoten spürte, haute er mir ab, und ich kriegte ihn erst nach einer wilden halbstündigen Verfolgungsjagd wieder zu fassen. Nach Nells wissendem Blick zu urteilen, hat sie so eine Ahnung, was passiert ist.

Am Ende musste ich ein Stück weit ins Wasser waten, das war meine einzige Chance, ihn wieder einzufangen. Angesichts der Flutlinie auf meiner ansonsten makellosen Boyfriend-Jeans und meiner langen, triefenden Strickjacke wäre wohl keiner darauf gekommen, dass ich den Großteil des Morgens damit verbracht hatte, mich fertig zu machen. Das mag für manche übertrieben klingen, zumal Akkuratesse nicht mein naturgegebener Zustand ist. Doch seit ich mit meinen Internet-Back-Videos so erfolgreich bin, erwartet man nun mal von mir, dass ich jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, absolut vorzeigbar bin.

Wäre die Übergabe allein Charlies Angelegenheit gewesen, hätte er mir vor seinem Aufbruch zum Flughafen zweifellos einfach nur die Schlüssel zugeworfen, mit den Worten Du weißt ja, wo alles ist, wir sehen uns dann in drei Monaten. Doch Clemmie hat mir eine Gebrauchsanweisung hinterlassen, die jede Eventualität abdeckt. Dass sie versäumt hatte, darauf hinzuweisen, wie man Diesel einfängt, lag nur daran, dass er normalerweise nie wegläuft. Vermutlich war Clemmie für die Instruktionen zuständig gewesen, weil ich in ihrem Teil des oberen Stockwerks wohne, einem Vintage-Apartment voller Tücken und Eigenarten. Aber sie hat mir auch einen minutiösen Stundenplan für die Haustiere hinterlassen, außerdem Charakter-Profile der meisten Einwohner von St. Aidan. Und sie hat darauf bestanden, mich der Obhut ihrer besten Freundinnen zu überantworten, die mich jetzt hier bei einer nachmittäglichen Teestunde am Strand willkommen heißen.

Das ist sehr süß von ihnen, aber doch deutlich mehr Betreuung, als ich benötige. Da ich fünf ältere Geschwister habe, vergisst die Familie oft, dass ich zweiunddreißig bin, unabhängig und voll und ganz dazu in der Lage, mich sowohl um mich selbst als auch um Charlies Haustiere zu kümmern.

Wer schon immer auf einen Beweis aus war, dass das Leben sich vom Guten zum Schlechten und dann wieder zum Guten wenden kann, muss sich nur Charlie anschauen. Vor dreizehn Jahren, kurz vor der Hochzeit, wurde seine wundervolle Verlobte Faye krank und starb. Es folgten zehn lange, einsame Jahre – bis Clemmie in die Wohnung nebenan einzog und ihn wieder glücklich machte.

Wenn mir die Vorstellung, von Clemmies Kindheits-Clique umschlungen zu werden, nicht ganz geheuer ist, dann liegt das vor allem daran, dass ich eigentlich immer mit einer einzigen BFF abhing statt mit einer ganzen Gruppe. Und dieser Haufen hier nennt sich immer noch »die Meerjungfrauen«, und obwohl sie mich noch gar nicht kennen, haben sie mir bereits die Ehrenmitgliedschaft angeboten.

Eine grundsätzlich reizende Vorstellung, wenn es nur meine Art Ding wäre. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich liebe das Meeresrauschen und auch das malerische Durcheinander von St. Aidan mit seinen farbenfrohen Häuschen, die sich am Hang entlangziehen, und dieses großartige Strand-Café, das aus Tausenden Stücken Treibholz zusammengezimmert wurde, ist wirklich etwas Besonderes. Aber ich habe keineswegs das Bedürfnis, meiner eigenen persönlichen Meer-Persona nachzuspüren.

Ein paar Wochen Strandurlaub im Frühsommer würde ich mir kaum gönnen, wenn ich nicht Haustiere hüten müsste, und ich habe mich wirklich auf diese Abwechslung gefreut, mir Salt-Water-Sandalen zugelegt und geschworen, mein Körpergewicht in Clotted Cream zu verzehren. Aber weiter würde ich mich den Ureinwohnern dann doch nicht anpassen wollen, denn mir gefällt mein Leben in London. Klar, in letzter Zeit ist da ziemlich viel gegen die Wand gefahren, weshalb ich besonders froh bin, mich für eine Weile hier in Cornwall verkriechen zu können. Bis Charlie und Clemmie zurückkommen, ist hoffentlich Gras über meine Probleme gewachsen. Dann kehre ich in die Zivilisation zurück und fange wieder da an, wo ich war, bevor mir alles um die Ohren geflogen ist.

»Wir haben uns total auf dich gefreut, Cressy. Wir kriegen hier in St. Aidan nicht oft Stars zu sehen.« Die Frau, die jetzt spricht, ist blond, und ihre Augen leuchten begeistert. Doch das meerblaue Oberteil und die dazu passende Stoffhose könnten direkt Clemmies Anmerkungen entsprungen sein.

Sophie, vierfache Mutter, hat hundert identische T-Shirts in Mintgrün, startete ihre Multimillionen-Hautpflegemarke am Küchentisch mit hausgemachter Kosmetik, besitzt heute ein Schloss und regiert die Welt. Heißer Tipp: echter Kontrollfreak, wappne dich an ihren besonders durchgreifenden Tagen zum Widerstand.

Sophie hatte keinerlei Grund, so ehrfürchtig zu klingen. Aus der Welt der meisten weiblichen Wesen sind ihre Sophie-May-Produkte nicht mehr wegzudenken, während ich durch glücklichen Zufall einen einzigen Online-Hit landen konnte, den ich dann nach Kräften gemolken habe.

Nell reibt sich die Nase und nickt zustimmend. »Kate Humble kam mal auf einen Sticky Toffee Pudding in den Yellow Canary, daher kennen wir uns aus mit Promi-Glanz, und du bist ein echter Promi, Cressy. Ihr Star-Moderatorinnen strahlt alle diesen gewissen Glamour aus.«

Das bleibt jetzt unter uns, aber wenn die eigene Karriere auf so wackligen Beinen balanciert, dass sie mit ein paar glasierten Kuchen und kameratauglichem Make-up steht und fällt, muss man sich mit seinem Aussehen schon verdammt viel Mühe geben. Ich kann nur hoffen, dass meine 24-Stunden-Wunder-Foundation den Herausforderungen der Diesel-Jagd standgehalten hat.

Jetzt mischt sich die Frau in der farbverschmierten Latzhose ein. »Es ist dieses geradezu übermenschliche Leuchten, das von euch ausgeht. Als der Designer Patrick Grant hier unser Fish Quay Festival eröffnet hat, leuchtete er auch – aber viel weniger als du.« Das muss Plum sein, die die Galerie hinter der Bäckerei auf dem steilen, gepflasterten Hügel betreibt. Sie schüttelt ihren dunklen Pferdeschwanz und grinst mich an. »Du siehst echt genauso aus, wie wenn du auf YouTube backst, nur ohne die Schürze und die Mehlstreifen.«

Nell wedelt sich mit einer Hand Luft zu. »Du musst uns unsere kleinen Fangirl-Momente nachsehen. Schließlich stammen mindestens zehn Millionen deiner Milliarden Views von uns, wir haben deine Videos praktisch inhaliert, als Clemmie backen gelernt hat.«

Plum verzieht erwartungsvoll das Gesicht. »Könntest du, bevor du dich setzt, vielleicht noch schnell sagen, was du immer am Anfang deiner Back-Clips sagst?«

Darum bitten die Leute mich ständig, und ich mache es jedes Mal, weil es verlässlich das Eis bricht – sobald das mal erledigt ist, können wir uns alle wieder wie normale Menschen benehmen.

Also reiße ich die Augen weit auf, starre in eine imaginäre Selfie-Kamera und lege los. »Hi, hier ist Cressida Cupcake, angetreten, euch das Leben mit Blondies und Brownies zu versüßen.« Nach Plums tiefem, befriedigtem Seufzer fühle ich mich bemüßigt, die Ansage in einen gewissen Kontext zu bringen. »Ich bediene ein absolutes Nischenpublikum, und Internet-Ruhm ist flüchtig.«

Schließlich weiß wohl keiner so gut wie ich, wie unbeständig Social-Media-Erfolg sein kann. Bis vor Kurzem hätte ich noch unverdrossen behauptet, mein Lebensziel sei es, die Welt mit Kuchen zu füllen, aber das war, bevor ich mich vor Fantastilliarden Fernsehzuschauern öffentlich blamiert habe.

»Vergiss nicht, dass wir alle dich auch in der grandiosen Back-Show auf Channel 5 gesehen haben«, erwidert Plum.

Es war wohl vermessen gewesen zu hoffen, dass sie dieses Desaster nicht erwähnen würden. Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Das war leider ein sehr kurzes Vergnügen.«

An einem TV-Backwettbewerb mit internationaler Besetzung teilzunehmen, klang super und verschaffte mir außerdem einen Traum-Deal für zwei Rezeptbücher. Allerdings hätte das Ganze eher nicht damit enden sollen, dass ich nach der zweiten Show abserviert wurde, weil mein Backofen nicht richtig heizte. Am schlimmsten war, dass der Bildschnitt meinen verunglückten Tortenboden noch viel roher aussehen ließ, als er in Wirklichkeit war, und so aus einer Mücke einen Elefanten machte. Im Rückblick eine krasse Fehlentscheidung, an der ich nicht beteiligt war – mit deren Folgen ich mich aber bis heute herumschlagen muss.

Sophie zwinkert mir zu. »Mach dich nicht kleiner, als du bist, Cressy Cupcake, es war auf jeden Fall bewundernswert, überhaupt zu Social’s Biggest Bakers eingeladen zu werden!« Sie deutet mit dem Kopf auf einen gewaltigen Berg von Muffins und anderen Köstlichkeiten in der Mitte des Tischs, zieht einen Stuhl für mich vor und beginnt, Teller herumzureichen. »Ich bin übrigens Sophie, das ist Nell und das Plum. Schön, dich kennenzulernen, nun lasst uns reinhauen.«

Als das Handy in den Tiefen meiner Handtasche klingelt, weiß ich, dass neue Hass-Kommentare zu rohen Tortenböden eingetrudelt sind. Die verdammten Dinger strömen weiter rein, trotz des notorisch schwachen Netzes hier am äußersten Ende von England, wo das letzte bisschen Land sich ins Meer erstreckt. Aber das wird nicht bis in alle Ewigkeit so weitergehen. Es handelt sich nur um eine vorübergehende Karrieredelle, die ich aussitzen muss.

Solange ich das große Ganze im Blick behalte, kann ich den totalen Nervenzusammenbruch vermeiden. Vor mir liegen zwölf herrliche Wochen, in denen ich nichts zu tun habe außer backen und Haustiere hüten. Die Sonnenstrahlen glitzern auf dem knallblauen Wasser, und Diesel hat sich neben meinem Stuhl zusammengerollt. Sophie wedelt auffordernd mit der Kuchenzange, und ich entscheide mich für einen Cup Cake mit Knisterzucker, einen Muffin mit weißer Schokolade, einen klebrigen Schoko-Brownie und einen gigantischen Haferkeks. Während Nell Teetassen herumreicht, lässt das Wasser, das mir im Mund zusammenläuft, mich wissen, dass ich mich nicht verstellen muss. Zumindest für die nächste Stunde ist mein absolutes Glück gesichert.

Plum beißt in einen Blaubeer-Muffin, der fast so groß ist wie ihr Kopf. »Dir wird es in Clemmies Teil des Obergeschosses gefallen, Cressy, es ist wirklich supergemütlich dort, und du kannst die ganze Bucht überblicken.«

Der Themenwechsel tut gut, außerdem hat sie recht. Das Apartment ist unglaublich. Bevor Clemmie und Charlie ein Paar wurden, waren sie Nachbarn auf der obersten Etage des Seaspray Cottage, das nur einen Katzensprung von hier entfernt liegt, gleich um die Ecke beim Hafen. Clemmies Wohnung gehörte früher ihrer Großmutter, die es kunterbunt eingerichtet und mit allem möglichen Kram vollgestopft hat, während Charlies Seite des Stockwerks eher eine minimalistisch-luxuriöse Atmosphäre verströmt.

Ich lache. »Und während ich die Aussicht von Clemmies uraltem pinkfarbenen Sofa aus genieße, übernehmen nebenan bei Charlie die Handwerker.« Der Nachteil großer weißer Räume ist, dass sie oft neu gestrichen werden müssen, vor allem, wenn Diesel einer der Mitbewohner ist.

Sophie schaut mich neugierig an. »Clemmie erwähnte, dass du dort an deinem ersten Buch arbeiten willst?«

»Das ist der Plan.« Der Vertrag müsste jetzt jeden Tag zur Unterschriftsreife gelangen, und der üppige Vorschuss sollte mich locker ernähren, bis Gras über den Mist mit dem Backwettbewerb gewachsen und das Buch fertig ist. London ist ein teures Pflaster, aber dank des Verlags-Deals steht es zum ersten Mal in meinem Leben rosig um meine Finanzen. Noch ist das Geld nicht angewiesen, aber meine Agentin gibt mir sofort Bescheid, wenn es so weit ist. Das ist auch der Grund, warum ich trotz des schwächlichen Empfangs ständig am Handy-Display klebe. »In den nächsten Wochen checke ich noch mal alle Rezepte, dann treffe ich die finale Auswahl.«

»Clemmie war sicher, dass du dich hier zu Tode langweilen wirst.« Sophie lacht. »Also haben wir ihr versprochen, dich angemessen zu unterhalten.«

Bei diesem Angebot wird mir etwas mulmig. Ich dachte, das heutige Treffen sei das Ende des Meerjungfrauen-Einsatzes. »Ganz ehrlich, ich freue mich auf entspannte Tage zu Hause.« Ich will nicht unhöflich sein, hatte aber mehr als genug Unruhe im Leben, seit mein Cressida Cupcake Blog dermaßen durch die Decke ging. Außerdem, und das ist noch wichtiger, muss ich bis zum Ende meines Aufenthalts hier das Buch fertiggestellt und abgegeben haben.

Sophie fällt fast die Kinnlade runter. Sie ist es offensichtlich nicht gewohnt, auf Widerstand zu stoßen, erholt sich aber rasch. »Da hast du Glück, dass ich jeden Yoga-Kurs hier in der Gegend kenne. Sag Bescheid, und wir merken uns schon mal ein paar Entspannungs-Einheiten vor.«

Nells Lippen zucken. »Und wenn du lieber Spaß hast, als auf deiner Matte einzuschlafen, gibt’s immer noch unsere Single-Events. Wir sind da sehr offen, auch Paare oder anderweitig Liierte sind willkommen.«

Mir hätte klar sein müssen, dass das kommen würde, schließlich tauchte Nells Single-Club des Öfteren in Clemmies Notizen auf, aber dass die Erwähnung mich treffen würde wie ein Schlag in den Magen, war dann doch überraschend.

»Ich bin solo, und das soll bitte auch so bleiben.« Wir reden ohnehin schon nicht gerade leise, aber meine Entgegnung gerät so lautstark, dass die Gäste an den Nebentischen sich zu uns umdrehen. Abgesehen von einem Typ mit fantastischen Schultern unterm wie angegossen sitzenden Shirt, der sich durch sein dunkles Haar fährt und energisch zum Strand starrt. Ich maßregele mich innerlich für mein schrilles Getöse, senke die Stimme und versuche es noch einmal. »Vielen Dank, aber ich denke, ich verzichte lieber.«

Paarungsaktivitäten, und das auch noch ausgerechnet in St. Aidan, rufen zu viele Erinnerungen in mir wach. Das einzige Mal, als ich vor so was Ähnlichem wie Liebe den Verstand verlor, liegt jetzt mehr als zehn Jahre zurück. Und es passierte, als ich hier Ferien machte.

Kurz nach Fayes Tod war Charlie nach Cornwall gezogen, und etliche von uns reisten über Weihnachten an, um ihm Gesellschaft zu leisten. Wir mieteten uns in einem großen Haus an der Küstenstraße ein. Da hockte ich nun am Ende der Welt, gerade zwanzig geworden und platzend vor Selbstsicherheit, eingepfercht mit Charlies bestem Freund Ross Bradbury, für den ich schwärmte, seit ich als frühreife Vierzehnjährige seine Brustmuskeln und den Bartschatten angeglotzt hatte. Ich würde mir gerne einbilden, dass die Anziehung auf Gegenseitigkeit beruhte, nehme aber eher an, dass ich mich ihm dermaßen heftig an den Hals geworfen habe, dass er gar nicht anders konnte, als mich aufzufangen.

Die Bilder jener wenigen Tage prägten sich mir zunächst so scharf ein wie eine Lasergravur, doch mit der Zeit legte sich immer mehr Weichzeichner darüber. Bis heute weiß ich jedoch, dass nichts anderes dem, was damals geschah, auch nur halbwegs nahekam. Was vielleicht daran liegen könnte, dass es, wie bei allen guten Urlaubs-Affären, ein wasserdichtes Verfallsdatum gab. Wir verheimlichten das Ganze, weil das Letzte, was Charlie damals brauchte, ein bester Freund und eine Schwester waren, die unterm Mistelzweig rummachten.

Schon als ich mich auf der sturmgepeitschten Promenade vorbeugte, um den ersten glühenden Kuss in Empfang zu nehmen, war das Ende in Stein gemeißelt. So fest Ross mich auch in seinen Mantel wickelte, so überzeugend er mir schwor, mich nie wieder loszulassen, wussten wir doch beide, dass er gleich nach Silvester zum Austauschjahr an eine veterinärmedizinische Fakultät in die USA fliegen und ich nach Brighton zurückkehren würde, um weiter Medienwissenschaften zu studieren. Wie sich herausstellte, nahm die Sache dann einen schmerzlicheren Verlauf, den wir nicht vorhergesehen hatten. Doch die Erfahrung machte mich zu der Person, die ich heute bin – seit damals verlange ich von keinem Menschen außer mir selbst etwas.

Dennoch bin ich schockiert, wie sehr die Erinnerungen mich aufwühlen. Hatte ich mir doch vor all jenen Jahren hoch und heilig versprochen, das Ganze hinter mir zu lassen, daraus zu lernen und weiterzuziehen. Und bis zu dem Zittermoment von eben hätte ich jeden Eid geschworen, dass mir das auch gelungen ist.

Nell hebt gleichmütig die Schultern. »Es besteht absolut kein Mitmach-Druck. Allerdings bietet das gesellschaftliche Leben hier ansonsten keine besonders berauschenden Optionen, es sei denn, du stehst auf Gartenvereine oder Seniorendiscos.«

»Wahrscheinlich werde ich einfach durcharbeiten. Die Rezepte sind meine oberste Priorität.« Um die Wogen zu glätten, zerbreche ich mir den Kopf, was Clemmie sonst noch über Nell aufgeschrieben hat.

Mag Schweinebraten-Sandwichs, Eltern wohnen auf der Forget-me-not-Farm …

Ich ergreife meine Chance. »Da wir gerade bei den Rezepten sind, bist du nicht meine designierte Eierfrau? Drei Dutzend wären für den Anfang perfekt.« So lange ich mich benehme, als wäre alles in Ordnung, wird keiner das Gegenteil vermuten. Das war einer von Charlies heißen Tipps für schwere Zeiten. Obwohl meine Probleme, verglichen mit dem Tod eines Lebenspartners, wirklich kaum der Rede wert sind. Das ist das einzig Positive an einer Familientragödie – alle Schwierigkeiten, die danach kommen, fühlen sich eher unerheblich an.

Nells Miene hellt sich auf. »Die Eier sind alle aus Freilandhaltung, ich kann dir sogar die Namen der Hennen nennen, die sie gelegt haben. Ich bringe sie dir später vorbei.«

Es ist wohl das Beste, wenn ich die Kontrolle über die hiesige Freizeitgestaltung übernehme. »Ich probiere jeden Tag Rezepte aus, also gibt es, wann immer ihr Lust habt, bei mir vorbeizuschauen, Kuchen, Tee und bunte Kissen.« Ernsthaft, bei der Anzahl von Stufen, die sie sich hochschleppen müssten, um die Wohnung zu erreichen, werden sie meiner Einladung wohl kaum Folge leisten. Definitiv nicht.

Plum wedelt mit ihrer Ingwerschnitte in meine Richtung. »Cressida Cupcakes eigenhändige Werke und die Aussicht vom Seaspray Cottage? Ich bin dabei!«

»Ihr seid jederzeit willkommen.« Um meine Verblüffung zu verbergen, kraule ich Diesels Kopf. Da das Apartment mehr ihm als mir gehört, fühle ich mich verpflichtet, ihn einzubeziehen. »Stimmt’s, alter Junge?«

Ich beiße in das Knisterzucker-Topping meines Cupcakes und lasse mir den ersten köstlichen Happen auf der Zunge zergehen. Lächle, als ich sehe, wie Diesel unterm Tisch träge ein Auge öffnet. Lehne mich zurück und lausche dem Rauschen der Wellen.

Plötzlich wie aus dem Nichts ein Klappern, ein graues Zischen, und ehe ich Piep sagen kann, stemmt Diesel die Vorderpfoten auf mein Knie und reißt mir den Cupcake aus der Hand. Eine Sekunde später ist der Kuchen verschwunden, samt Papierhülle. Ein Hauch von Pink, als Diesels Zunge im Maul verschwindet, dann liegt er wieder zu meinen Füßen, den Kopf am Boden.

Endlich bricht mein Protestschrei sich Bahn. »Verdammt, was soll das denn?« Als Welpe war er zwar frech wie Oskar, aber das liegt fast ein Drittel meines Lebens zurück. Seither war er, mal abgesehen von einer mitternächtlichen Attacke auf die speziell glasierte Weihnachtstorte meiner Mum, immer ausnehmend brav.

Diesels Blick ist undurchschaubar. Wenn die sandigen Fußspuren auf meiner Jeans und meinem Oberteil nicht wären, würde ich ihm fast glauben, dass er nichts mit dem Mundraub zu tun hatte.

Nell wackelt drohend mit dem Zeigefinger. »Böser Diesel.«

Plum runzelte die Stirn. »Er hat den kompletten Kuchen verschlungen, ohne einmal zu schlucken.«

Ich wische die Spuren von meinem Shirt und werfe mich für Diesel in die Bresche. »Das kommt bestimmt nicht noch mal vor.« Da ich vorhabe, den Vorfall scherzhaft abzutun, starre ich auf meine Schenkel, die ungefähr doppelt so breit sind wie Sophies und deutlich dicker als vor der ganzen Backwettbewerb-Abschmeckerei. »Vermutlich ist das einfach Diesels Art anzumahnen, dass ich nicht so fett werden darf, dass ich nicht mehr in meine Schürze passe.« Der große Vorteil von Instagram und YouTube ist, dass man die Problemzonen aus dem Bild heraushalten kann. Und da Diesel mich heute Nachmittag schon zweimal übertölpelt hat, sollten wir uns besser vor dem nächsten Fauxpas davonmachen. Diesmal im Schritttempo.

Ich lächle in die Runde. »War toll, euch kennenzulernen, aber Diesel braucht seinen Auslauf.«

»Schon wieder?«, fragt Nell perplex. »Wir haben doch kaum mit den Kuchen angefangen.«

»Sie sind echt superlecker, aber ich hatte mehr als genug.« Es war schon heikel genug, vorhin den Reißverschluss meiner Jeans zuzukriegen.

Sophie fährt mit den Fingern durch ihr perfekt geschnittenes blondes Haar. »Wenn du wirklich nicht länger bleiben kannst, denk daran, dass wir immer für dich da sind. Egal, was du brauchst, wir sind auf Standby.«

Es ist wirklich großartig, dass sie mir das anbieten, auch wenn ich nicht darauf zurückkommen werde. Ich hatte eine schöne halbe Stunde, komme aber, wie ich ihnen vorhin sagte, prima allein zurecht. »Vielen Dank, bis bald.« Ich umfasse Diesels Leine, und er steht auf.

Noch während ich zum Abschied winke, jubele ich mir im Stillen zu, weil es mir gelungen ist, mich ohne verbindliche Vereinbarungen und bevor Diesel etwas noch Schlimmeres anstellen kann, von den drei Frauen loszueisen. Ich bin gerade beim dritten stummen »Hurra«, als ich spüre, wie mir die Leine aus der Hand gleitet. Hastig versuche ich, danach zu greifen, doch es ist zu spät – und Diesel auf und davon.

2. Kapitel

Toast Toppings und
wohin man sie sich stecken kann

The Surf Shack, St. Aidan, Cornwall

Freitag

Als ich die Leerstelle spüre, wo Diesels Leine sein sollte, schließe ich leise fluchend die Augen. Als ich sie wieder öffne, rechne ich fest damit, Diesel mit hochgerecktem Schwanz um die Biegung der Bucht verschwinden zu sehen. Doch er ist viel näher. Und es ist so viel schlimmer, als ich dachte. Er ist schnurstracks auf den Typ zugestürmt, der allein an einem Tisch neben der Treppe sitzt, und hat beide Vorderpfoten bereits fest auf die Schultern seines Opfers gepflanzt.

Ich stöhne leise. Dass Diesel sich auf Clemmies Freundinnen stürzt, ist das eine. Aber ein vollkommen Fremder, das geht gar nicht. Und auch wenn man mir keine Wahl gelassen hatte, wäre es mir doch lieber gewesen, wenn der dumme Hund sich nicht ausgerechnet den muskulösesten Kerl im ganzen Café ausgesucht hätte.

Mit zwei Sprüngen habe ich die Veranda überquert und bin bereit, zu Kreuze zu kriechen. »Tut mir schrecklich leid, mein Hund greift Sie nicht an, er ist nur supergesellig.« Wenn ich eine persönliche Note hinzufüge, reagiert er vielleicht freundlicher. »Sein Name ist Diesel … und natürlich ersetze ich Ihnen jedes Essen, das er angehechelt hat.« Ich krabbele unter dem Tisch herum, in der Hoffnung, das Ende der Leine zu erwischen, bevor Diesel wieder davonrennt.

»Diesel und ich kennen einander schon gut.«

»Tatsächlich?« Da Diesel mit halb Cornwall befreundet zu sein scheint, überrascht mich das nicht wirklich. Doch die entspannte, leicht herbe Stimme hat etwas erschreckend Vertrautes, das mich so heftig zusammenzucken lässt, dass ich mir den Kopf stoße. Klar, es ist total lächerlich anzunehmen, im Schatten einer Tischplatte den engen Sitz einer Jeans oder die unverwechselbare Kurve eines Oberschenkelknochens wiedererkennen zu können. Doch als ich die Leine endlich zu packen kriege und mich wieder aufrappele, haben meine Eingeweide sich in Gelee verwandelt.

»Eier-Kressy Hobson, wer hätte das gedacht? Du bist es doch, Cressy, stimmt’s?«

Das ist dieselbe schokoladendunkle Stimme, die mich einst auf unerklärliche Weise vom schüchternen Teenager in eine großmäulige, um Aufmerksamkeit heischende Prinzessin verwandelt hat. Jetzt befindet sich an Stelle meines Magens ein riesiges Loch, und beim Klang meines Spitznamens aus Kindertagen kneife ich die Augen fest zu.

»Stimmt.« Auch wenn sich in meinem Kopf alles so schnell dreht, dass ich nicht sicher bin, ob ich weiß, wer ich bin. Oder was hier gerade los ist. Ross? Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Doch ich muss nur einmal blinzeln, um festzustellen, dass er es ist, noch immer mit dieser unwiderstehlichen Kombination aus kantigem Kinn und verheerenden dunklen Augen. Nicht, dass ich immer noch so oberflächlich wäre, auf diesen umwerfenden Sex-auf-zwei-Beinen-Charme abzufahren. Heutzutage würde ich, sofern das überhaupt ein Thema wäre – was es definitiv nicht ist –, sehr viel mehr auf den Charakter achten, sozusagen das Gesamtpaket.

»Und noch immer außergewöhnlich, nach dem, was ich gerade gehört habe.« Über Diesels Rücken hinweg mustert er mich. »Das überrascht mich nicht weiter. Mir war immer klar, dass du mal was Erstaunliches machen wirst.«

»Du hast gelauscht?« Hoffentlich hat er nicht mitgekriegt, wie ich mich als Berühmtheit aufgeführt habe. Und dass er mich an meinem schlimmsten Frizz-Hair-Day seit Anbeginn der Zeiten ertappt, ist wieder mal typisch.

»Nicht absichtlich«, beteuert er. »Du hast ziemlich laut geredet.«

Das bringt mich ausreichend auf die Palme, um meinen Fokus zurechtzurücken. »Was zum Teufel machst du eigentlich hier?« Präziser ausgedrückt, was zum Teufel ist aus der unausgesprochenen Vereinbarung geworden, die wir getroffen hatten? Er bekam Schottland, das er als bekennender Workaholic niemals verließ, und ich den Rest der Welt. In all den Jahren hatte ich mich in der absoluten Sicherheit gewiegt, dass er niemals versehentlich in eine Londoner Bar schneien würde, um sich durch die Craftbier-Karte zu trinken. Oder dass die Narbe an seiner linken Wange, wo eine Kuh ihn getreten hatte, nicht plötzlich hinter einem Ansichtskartenständer auftauchen und das mit meinen Knien machen würde, was sie jetzt gerade tat. So stämmige Beine wie meine sollten eigentlich unter keinen Umständen nachgeben, dennoch klammere ich mich sicherheitshalber an die Tischkante.

Er räuspert sich. »Vertretungsstelle in der örtlichen Tierklinik.«

»Wie bitte?« Nachdem Charlie sich so fest in Cornwall eingenistet hat, vergisst man leicht, dass eigentlich Ross derjenige ist, der hier aufgewachsen ist. Dennoch mutet es überraschend an, dass er nach so langer Zeit zu seinen Wurzeln zurückkehrt – zumal wir beide wissen, dass jemand mit so vielen akademischen Buchstaben vor seinem Namen normalerweise nicht befristet für irgendwen in einer Dorftierklinik einspringt.

Er verzog den Mund. »Charlie erwähnte, dass du kommst, aber ich dachte, das wäre erst morgen. Und mein Engagement hier wurde unerwartet verlängert, daher bin ich heute hier am Strand, um ein letztes Mal der Völlerei zu frönen.« Er trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte und schreit unerwartet scharf los. »Hey, lass Diesel nicht meinen Toast fressen!«

Die Brotkrusten, die ich Diesels Schnauze entreiße, sind grün und schleimig, aber mein Stolz verlangt, dass ich die ganze Scheibe wieder auf den Teller lege.

Fairerweise sollte man anmerken, dass Diesel Ross womöglich einen Gefallen getan hat. In Anbetracht all der köstlichen Kuchen, die dieses Café im Angebot hat, erscheint mir gegrillter Schlamm eine grässliche Wahl zu sein. »Warum gibst du Diesel nicht diesen zweifelhaften Toast, und ich spendiere dir stattdessen ein extragroßes Stück Schokoladen-Paradies?« Zwar passt mir gar nicht, dass ich mich an seine Schwäche für sämtliche kakaohaltigen Köstlichkeiten erinnere, aber wenn ich schon von unwillkommenem Insiderwissen verfolgt werde, kann ich es genauso gut sinnvoll einsetzen.

Doch mein Vorschlag zur Güte resultiert in einer sturmumwölkten Miene. »Soll das ein Witz sein? Natürlich kriegt Diesel den Toast nicht. Avocado ist Gift für Hunde. Das musst du doch wissen!«

Jetzt weiß ich es. Und denke als vertrauenswürdige Haustier-Hüterin nicht daran, meine klaffenden Lücken in Hundekunde zu offenbaren. »Ach, das ist dieses schleimige Zeug! Gut, dass der Superveterinär hier ist, um mir auf die Sprünge zu helfen.«

Diese Typen und ihr Gesundheitstick. Außerdem guckt er mich gerade so von oben herab an, als wäre ich fünf Zentimeter groß. Ich weiß, er hat Unmengen von beruflichen Qualifikationen, aber andere Eigenschaften zählen auch. In meiner Welt begegne ich Männern bis zum Beweis des Gegenteils auf Augenhöhe. Und lachte er früher nicht laut heraus, statt sich mit einem winzigen ironischen Zucken um die Mundwinkel zu begnügen? Es kommt mir vor, als ob ich vor jemandem stehe, der mit fünfunddreißig einen Humor-Bypass braucht.

Angesichts seiner versteinerten Miene überrollt mich die Erkenntnis, wie trostlos mein Leben hätte verlaufen können, wenn es damals anders zwischen uns gekommen wäre.

Nein, das ist mir jetzt ganz und gar nicht durchs Hirn geschossen. Schließlich habe ich die vergangenen zwölf Jahre darauf verwendet, exakt solche Fantasien zu vermeiden. Was ist bloß in mich gefahren?

Er starrt so düster aufs Meer hinaus, als gäbe es für keinen von uns auch nur den Hauch einer Hoffnung. »Da du ja nun mal verantwortlich für Diesel bist, bringe ich dir besser eine Merkliste vorbei, eine Art Poster.«

»Eine Merkliste?« Ich klinge wie ein gewürgter Igel. »Du willst doch nicht etwa vorbeikommen?« Schlimm genug, ihn hier zu treffen. Wenn ich ihn in Clemmies winziger Wohnung sehen müsste, könnte das definitiv mein Ende sein.

»Keine Sorge, ich trete dir nicht zu nahe. Nahrungsmittel, die Hunde meiden sollten – ein illustrierter Leitfaden sollte in den Briefkasten passen.« Er reibt Diesels Ohren. »Charlie liebt diesen Jungen hier abgöttisch, daher können wir in seiner Abwesenheit gar nicht vorsichtig genug sein.«

Hätte es irgendeine andere Option gegeben, hätten Charlie und Clemmie ihn niemals zurückgelassen. Aber ich will verdammt sein, wenn ich Ross spüren lasse, wie sehr die Verantwortung für ihren Augenstern mir zu schaffen macht. Stattdessen ziehe ich einmal energisch an der Leine. »Also, soll ich dir diesen Kuchen bestellen, bevor wir aufbrechen? Oder noch einen Toast?«

Angewidert verzieht er das Gesicht. »Lieber nicht, danke. Irgendwie ist mir der Appetit vergangen.«

»Na prima.« Ist es natürlich nicht, aber nachdem wir ihm den Besuch im Surf Shack verdorben haben und er mir meinen Nachmittag versaut hat, fällt mir keine andere ironische Entgegnung ein. »Man sieht sich«, werfe ich ihm noch zu, bevor ich mich zum Gehen wende.

Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und kneift nachdenklich die Augen zusammen, als ob er sich meine Worte in aller Ruhe durch den Kopf gehen lässt. Doch das Zucken der Narbe auf seinem Wangenknochen verrät, wie unbehaglich er sich fühlt. »Ich glaube, ich überlasse den Strand von jetzt an am besten dir.«

Als ich dieses Zucken, begleitet von demselben schmerzerfüllten Stirnrunzeln, das letzte Mal gesehen habe, hatte ich gerade unser Baby verloren, und er verschwand rückwärts aus dem Krankenzimmer, um zurück in die Staaten zu fliegen. Damals nahm ich mir fest vor, ihn niemals wiederzusehen. Und Sie haben keine Ahnung, welche Kraft und Energie ich in die Durchführung dieses Vorsatzes gesteckt habe. Meines Wissens war er seit einer Ewigkeit nicht mehr in Cornwall gewesen, und es gab absolut keinen Grund zu der Annahme, dass sich daran etwas geändert hatte. Wenn ich auch nur den leisesten Verdacht gehegt hätte, dass er sich hier aufhalten könnte, wäre ich ans andere Ende des Landes geflüchtet.

Und wenn ich mir jemals erlaubt hätte, über dieses unwahrscheinliche Zufallstreffen zu fantasieren, dann wäre in diesem Szenario gewiss nicht vorgekommen, dass wir einander finster anstarren und die Zugangsrechte zum Dorf unter uns aufteilen. Für diesen Schock war ich nicht gewappnet. Ich hatte mich so darauf gefreut, am Meer zu relaxen und meinen einstigen Glücksort wiederzuentdecken. Und nun fühle ich mich, als ob eine Flutwelle mein ganzes geordnetes, ausgeglichenes Leben erfasst und ins Chaos geschleudert hätte.

Erst mit einiger Verspätung dämmert mir das volle Ausmaß seiner Bemerkung. »Du meinst, du bleibst noch länger hier?«

Ergeben schließt er die Augen. »Nur zwei Tage.«

Ich bedenke ihn mit meinem allerstrahlendsten Lächeln. »Nun, in dem Fall werden wir dich nicht mehr sehen. Hier oder wo auch immer. Was uns gut in den Kram passt.« Diesel miteinzubeziehen, klingt nach starkem Team und weniger so, als ginge es nur um Ross und mich. Ich bin drauf und dran, ihm noch ein schönes Leben zu wünschen, kann es mir aber verkneifen. Selbst ein betont fröhliches »bis dann« würde sich zu sehr nach einer Stalking-Drohung meinerseits anhören, also begnüge ich mich damit, meine Mutter zu imitieren, wenn die ihre alte Hockey-Lehrerin nachahmt. »Dann lass uns zum Abschied leise Servus sagen. Cheerio!«

Als ich mich endgültig zum Gehen wende, schwänzelt Diesel ausnahmsweise brav neben mir her, und irgendwie gelingt es uns, die Veranda zu überqueren und die Stufen zum Strand hinunterzugelangen, ohne dass mir meine Flip-Flops von den Füßen fallen. Dann sinken wir in den weichen Sand und laufen zum Meeressaum, wo weiß gekrönte Wellen über den schimmernden Schlick schäumen.

3. Kapitel

Süße Füllungen und manches bittere Ende

In Clemmies Wohnung im Seaspray Cottage, St. Aidan

Der nächste Morgen, Samstag

»Schoko-Streusel und Walnüsse, weiße Schokoladenbrocken und Oreo, Bitterschokolade und Pfefferminz …«

Am nächsten Morgen warten Nells Eier auf der apfelgrünen Kommode in der Küche, und ich laufe durchs Wohnzimmer und rezitiere Diesel meine Lieblings-Brownie-Mischungen. Ich habe bereits die Hälfte meiner salzkrausen Haare glatt gebürstet und Clemmie und Charlie mit ein paar frühmorgendlichen Impressionen von St. Aidan versorgt: ein im frischen Luftzug vom Balkon her dösender Diesel neben der offenen Schlafzimmertür. Und Pancake, wie sie mich mit einem stechenden Angewidert-von-St.-Aidan-Blick durchbohrt, weil ich mich beim Servieren des heutigen Garnelen-mit-Bambussprossen-Frühstücks von Gourmet Kitty um zwei Stunden verspätet habe. Was ziemlich gemein von ihr ist, nachdem sie sich die halbe Nacht auf meinem Kopfkissenberg breitgemacht und mir lautstark ins Ohr geschnurrt hat.

Allerdings kann ich mein Schlafdefizit nicht wirklich Pancake ankreiden. Und auch nicht dem ständigen Wellenrauschen vor meinem Fenster. Das Schlafzimmer selbst ist ein Traum, mit dem bequemsten Bett, das man sich wünschen kann, und bezaubernd geblümter Seidenwäsche. Die Lücken zwischen den zahlreichen Gemälden an den Wänden leuchten in verschiedenen Abstufungen von Altrosa. Dass ich mich dennoch bis zum Morgengrauen unruhig unter der weichen Decke gewälzt habe, liegt daran, dass der Nachmittag im Surf Shack durch meinen Kopf flimmerte wie eine endlose Filmschleife. Und wenn es mir mal gelang, sie anzuhalten, stiegen vor meinem geistigen Auge halb vergessene Montagen aus längst vergangener Zeit auf.

Natürlich habe ich mich in jenen langen dunklen Stunden vor Einsetzen der Dämmerung ausgiebig verflucht, weil ich es versäumt hatte, Charlie vor meiner Ankunft einem subtilen, aber sorgfältigen Verhör bezüglich Ross’ Verbleib zu unterziehen. Mir hätte klar sein müssen, dass ich noch genauso wachsam sein musste wie damals, als ich ständig meine Umgebung im Blick behielt, um eine Zufallsbegegnung zu vermeiden, und mich im Zweifel lieber dreimal vergewisserte, dass die Luft tatsächlich rein war.

Aber es fällt schwer, sich in St. Aidan lange dem inneren Blues hinzugeben. Vor allem, wenn man, sobald man morgens die Augen aufschlägt, die Sonne auf dem türkisfarbenen Meer glitzern sieht, darüber einen mit Schäfchenwolken betupften Himmel, unter dem die Möwen kreisen, und die Wellen, die sich von einem Ende der Bucht zum anderen ziehen. Ja, Ross hat mich verletzt, weil er letztlich nicht der Mann war, für den ich ihn gehalten hatte. Und durch meine ungeplante Schwangerschaft, die dann so tragisch endete, geriet unsere Trennung weitaus schmerzlicher, als unserer sehr kurzen gemeinsamen Zeit eigentlich angemessen gewesen wäre. Doch all das liegt jetzt lange zurück.

Und in den Jahren davor, wann immer Charlie ihn mit zu uns nach Hause schleppte, hatte ich Ross stets als diesen lächelnden, extrem klugen, enorm umschwärmbaren und charmanten Typ wahrgenommen. Damit will ich nicht sagen, dass er so perfekt war, dass es an Langeweile grenzte. Im Gegenteil, er brachte seine Makellosigkeit extrem interessant und unkonventionell zur Geltung.

So neckte er uns fünf Schwestern immer exakt so lange, bis wir ihn fröhlich zurückneckten. Er brachte meiner Mum ihre Lieblingsblumen mit, dunkelblaue Anemonen, während wir anderen noch nicht mal mitgekriegt hatten, dass sie überhaupt Blumen mochte. Und er kannte nicht nur sämtliche Figuren bei »The Archers«, sondern diskutierte auch bereitwillig die zahlreichen Plot-Twists mit ihr. Mit meinem Dad plauderte er über die »Today«-Nachrichten und Frank Zappa. Ich meine, wer sonst wäre dazu imstande gewesen, ohne einzuschlafen?

Im Prinzip teilte unsere gesamte Familie die Ansicht, dass Ross die Sonne aus den strategisch platzierten Rissen auf seinem strammen, Levis-bedeckten Hintern schien. Und er machte nicht etwa nur zu Hause was her. Immer wieder erzählte er, wie er während seines Veterinärstudiums ganzen Kuh-Herden die Stirn geboten und die Oberhand gewonnen hatte. Einmal hat er sogar einen Elefanten ausgeknockt, mit einem verdammten Betäubungspfeil. Mit dieser Art Superman hatten wir es also zu tun.

Und aus genau diesem Grund war es auch so ein Schock, als er und ich, metaphorisch gesprochen, in eine gefährliche Strömung gerieten und ich feststellen musste, dass er in Wahrheit gar nicht schwimmen konnte. Es gibt dieses Zitat von Eleanor Roosevelt, in dem sie Frauen mit Teebeuteln vergleicht – wie stark sie sind, merke man erst, wenn man sie ins heiße Wasser schmeißt. Im Fall von Ross war der Tee so schwach, dass er praktisch überhaupt keine Farbe hatte. Man könnte sogar sagen, dass der ganze verflixte Beutel sich komplett in nichts auflöste. Und damit war, nach dem supersouveränen Eindruck, den er immer auf uns gemacht hatte, nun wirklich nicht zu rechnen gewesen.

Aber was soll’s! Das alles ist längst Schnee von gestern. Ich habe dann ohnehin herausgefunden, dass ich allein super klarkomme, was die beste Empowerment-Lektion war, die man sich vorstellen kann. Außerdem gehöre ich definitiv nicht zu der Art Frauen, die sich ihren Arbeitsurlaub von einem unvermutet aufgetauchten Ex ruinieren lassen. Schon gar nicht, wenn der so irrelevant ist wie Ross. Stattdessen bin ich wild entschlossen, die Dinge auf meine Art wieder ins Lot zu bringen – durchs Backen. Daher werde ich mich jetzt mit aller Kraft auf meine Brownie-Testläufe stürzen.

»Ich darf auf keinen Fall die mit Karamell und Eiercreme weglassen. Aber die mit Nutella sind auch sehr lecker …«

Ich stöpsele das Glätteisen ein, kuschele mich auf das himbeerrosa Samtsofa und zupfe mein liebstes Ditsy-Print-Etuikleid zurecht. Diesel lässt sich neben mich plumpsen. Mein Handy klingelt, und ich checke die Nachricht.

Ich würde den Baiser-Tipps ja mehr trauen, wenn dieser Tortenboden nicht #totalroh gewesen wäre

Was für eine Angeberin! #ScheißCupcake

Das sind genau die Kommentare, die ich seit Ausstrahlung der Back-Show an mir abprallen lasse, heute mit zwei wundervollen neuen Hashtags. Das muss man den Hatern lassen – sie sind wirklich kreativ. Wer hätte gedacht, dass es so viele unterschiedliche Wortbildungen für »nicht ganz durchgebacken« gibt?

Es muss mindestens eine Stunde her sein, seit ich auch meine E-Mails durchgesehen habe, also scrolle ich durch die Inbox und verschlucke mich fast, als ich den Namen Martha Channing lese. Das ist doch wieder mal typisch. Da aktualisierst du drei Monate lang im Minutentakt den Posteingang, und in dem Moment, in dem du tatsächlich mal eine Weile nicht reinklickst, kommt die ersehnte Mail an.

Martha ist meine Agentin, die mir jetzt mitteilen wird, dass der Verlag endlich den Buchvertrag geschickt hat, was wiederum bedeutet, der gewaltige Vorschuss landet auf meinem Konto, sobald ich die digitale Unterschrift geleistet habe.

Mit zusammengekniffenen Augen überfliege ich die E-Mail.

Cressy, kannst du irgendwann später am Vormittag telefonieren? Martha x

Selbst in der Medienwelt ist es eine große Sache, eine Agentin zu haben. So was passiert einem normalerweise nur im Fahrwasser einer bekannten TV-Show. Und Martha ist wirklich superreizend, sie nimmt sich sogar die Zeit, mir persönlich zu sagen, dass die Kohle unterwegs ist.

Ich schreibe Und ob, am liebsten sofort!. Lösche es aber sofort wieder und versuche, mehr nach der professionellen Autorin zu klingen, die ich künftig sein werde.

Martha, kein Problem, halb zwölf wäre super. VIELEN Dank, Cressy xxxxx

Sobald ich auf Senden gedrückt habe, fällt mir ein, dass sie sich normalerweise per Videocall meldet. Also sollten beide Seiten meines Haars gleich aussehen, außerdem muss ich mich schminken. Und vorher noch mit Diesel rausgehen. Und ich kann ein Gespräch von einem solchen Kaliber nicht führen, ohne meinen Blutzuckerspiegel mit ein paar habhaften Kalorien auf Trab zu bringen. Das bedeutet, dass auch noch ein Abstecher in die Bäckerei ansteht. Zum Glück liegt der Laden gleich um die Ecke, denn es ist mittlerweile schon zehn, ich habe also keine Sekunde zu verlieren.

Bei meinen Haaren gilt übrigens dasselbe verfluchte Naturgesetz wie bei den E-Mails. Wenn es keine Rolle spielt, lässt es sich traumhaft stylen, aber wenn ich unter Druck Perfektion anstrebe, verhält es sich störrisch wie ein Esel. Die einzige Möglichkeit, mich ausreichend abzuregen, um es in die gewünschte Form zu bringen, besteht darin, an Champagner zu denken. Keine Angst, ich drehe nicht durch, aber bei einer so großen Sache darf man schon mal die Korken knallen lassen. Und dann werde ich mir eine fette Portion Fish and Chips reinziehen, mit allem Drum und Dran, und dabei dem ganzen #KlitschigerKuchen-Elend den Stinkefinger zeigen.

Dies hier ist ein kompletter Neustart für Cressida Cupcake, und auch Diesel scheint sich der Bedeutung der Stunde bewusst zu sein, jedenfalls legt er beim Spaziergang durchs Dorf benehmenstechnisch eine Schippe drauf und trabt auf dem Web zu Crusty Cobs folgsam neben mir her. Die vier Erdbeertörtchen, die ich mir spendiere, sind gleichzeitig Belohnung und berufliche Investition, und um zu feiern, wie steinreich ich gleich sein werde, kaufe ich obendrein noch zwei Mandel-Croissants als Proviant für den Heimweg. Das Einzige, was jetzt noch zu tun bleibt, ist, die Stufen zur Wohnung zu erklimmen, ohne dabei mein Leben auszuhauchen, und den Videocall auf dem rosa Sofa entgegenzunehmen, wo der Empfang am besten ist. Mit ein paar wohlplatzierten Patchwork-Kissen neben und der türkis-grün-gestreiften Tapete hinter mir sollte ich ein überzeugendes Bild abgeben. Niemand kann mir nachsagen, ich hätte mir mit meinen Vorbereitungen keine besondere Mühe gegeben.

Alles läuft so genial, dass beim Weg durch den Hafen sogar noch Zeit bleibt, uns an den Hummerfangkörben vorbeizuschlängeln und an der Kaimauer entlangzulaufen, wo die bunten Fischerboote neben ihren aufgehäuften Netzen schaukeln, an denen Diesel so gerne schnuppert. Als mein Handy klingelt, stopfe ich mir hastig den Rest des ersten Croissants in den Mund und versenke das zweite in der Tasche meiner Strickjacke. Dann ziehe ich das Telefon aus der Handtasche, packe Diesels Leine fester und nehme das Gespräch automatisch an. Ich rechne fest mit Charlie oder Clemmie und sehe erst, als mein Finger bereits auf dem grünen Button liegt, dass es Martha ist, zehn Minuten zu früh.

Beim Versuch zu sprechen versprühe ich eine Kaskade von Krümeln. »Marff … wie phhööön …«

»Cressy, schön, dich zu sehen. Ich bin etwas zu früh dran, aber du hast offensichtlich Zeit und siehst fantastisch aus.«

Ich lag richtig mit dem Videocall, außerdem ist sie auf laut gestellt, aber ich traue mich nicht, das jetzt zu ändern. Statt zu antworten, stoße ich einen erstickten Protestschrei aus, denn Diesel macht sich die Gelegenheit zunutze und zieht das verbliebene Croissant aus meiner Jackentasche. Ausnahmsweise verschlingt er es nicht mit einem Happs, sondern drückt es mit einer Pfote auf den gepflasterten Boden und zupft mit den Zähnen daran, als wollte er mich foltern.

Mein mit Croissant ausgestopftes Gesicht füllt Marthas komplettes Display, doch sie redet unverdrossen weiter. Ihre Stimme dröhnt durch den ganzen Hafen.

»Es gibt ein winziges Problem, Cressy, aber das war nicht anders zu erwarten nach den Milliarden Klitschiger-Kuchen-Hashtags, mit denen wir uns herumschlagen müssen.« Das ist das Nette an Martha, sie ist stets so fröhlich und unterstützend, dass ich mich immer fühle wie eine Gewinnerin. Zu dumm, dass sie gerade ganz St. Aidan über den Tortenboden-Shitstorm informiert. Noch schlimmer, dass sie die Hassbotschaften offenbar alle kennt.

»Mmmmhmmm …« Noch immer gilt mein gedämpftes Jammern dem immer kleiner werdenden Croissant, doch das Wort »Problem« lenkt meine Aufmerksamkeit schlagartig auf Martha. Was war ich doch für eine Idiotin anzunehmen, das Backshow-Desaster wäre ausschließlich mein privater Albtraum.

»Wir können es der Presseabteilung nicht verübeln, dass sie kalte Füße bekommen«, fährt Martha fort.

Verdammt, verdammt, verdammt. Natürlich hat ein derart öffentliches Debakel sich bis zum Verlag herumgesprochen. Doch Martha klingt so heiter, dass die Situation nicht allzu schlimm sein kann.

»Jedenfalls haben sie ihr Vertragsangebot vorerst zurückgezogen.«

Es dauert zwei Sekunden, bis die Bedeutung ihrer Aussage in mein Hirn einsickert. Mir bleibt fast das Herz stehen, ich taumele zu einer nahe stehenden Bank und schlucke so schwer, dass der letzte Brocken Croissant endlich aus meinem Mund verschwindet. »Also zahlen sie überhaupt keinen Vorschuss?« Es war als empörter Aufschrei konzipiert, kommt aber eher als klägliches Wimmern über meine Lippen.

»Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Und sie wollen die Bücher auch nicht mehr verlegen. Aber wenn du immer noch erpicht darauf bist, eins zu schreiben, nur zu. Wenn es fertig ist, können wir versuchen, es unterzubringen.«

Unglaublich, wie nüchtern sie klingt. Mir kommt es so vor, als hätte ich den Jackpot geknackt und dann den Lottoschein verloren. Ich bin am Boden zerstört. Doch ich muss wissen, woran ich bin. »Das heißt also, ich habe die ganze Arbeit, kriege aber kein Geld dafür. Und auch keinerlei Garantie?«

Wie soll ich bloß die nächsten sechs Monate ohne den Vorschuss überstehen? Alles schien so sicher in Stein gemeißelt, dass ich meine ganzen Finanz- und Lebenspläne danach ausgerichtet habe. Was sehr viel abgehobener klingt, als es ist. Aber wenn man felsenfest mit einem künftigen warmen Regen rechnet, geht man sehr viel leichtsinniger mit seinen gegenwärtigen Mitteln um. Ich meine, noch vor fünf Minuten habe ich in der Bäckerei mit Geld nur so um mich geworfen. Von der Summe, die für Erdbeertörtchen und Croissants draufgegangen ist, könnte ich mich glatt einen Monat ernähren. Plötzlich zähle ich jeden Mandelsplitter. Gott sei Dank, dass ich mir den Schampus verkniffen habe.

Marthas Lächeln wirkt jetzt gezwungen. »Schreib dein Buch, solange Eiszeit herrscht, und bete inbrünstig um Tauwetter. Das ist reine Spekulation, aber mein bester Vorschlag angesichts der …«

Ich kann mich nicht länger beherrschen. »Der Roh-wie-eine-verfickte-Auster-Hashtags?«, brülle ich. Was nützt einem Kohle, die vielleicht niemals kommt, wenn man das verdammte Zeug eher gestern als heute braucht?

Sie wechselt in den Klientenberuhigungs-Modus. »Das ist alles wirklich unglücklich gelaufen. Lass uns bald wieder sprechen, wir überlegen uns was Konkretes, wenn du Zeit zum Nachdenken hattest.«

In diesem Moment zieht Diesel an seiner Leine, und als ich mich aufrappele und ihm zu einer Sandwich-Kruste folge, die ein paar Meter weiter auf dem Pflaster liegt, wird der Empfang schwächer, kurz darauf ist Marthas Anruf beendet.

Der nächste Ruck an der Leine erwischt mich kalt, und bevor ich mich’s versehe, saust Diesel los, so kraftvoll, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als ihm zu folgen. Zum Glück kriecht der Verkehr hier nur. Wir weichen einem Traktor aus, der einen Anhänger voller Fischkisten zieht, entkommen knapp zwei fahrenden Autos und haben dann freie Bahn bis zum Ende des Hafen-Parkbereichs.

»Ich habe also einen Hund, der ständig ausreißt, kein Einkommen und vier Erdbeertörtchen, die vermutlich in genauso viele Millionen Stücke zerbrochen sind wie meine Bücherträume«, murmele ich vor mich hin. »Schlimmer kann es nun wirklich nicht mehr kommen.«

Als wir die Ecke erreichen, wo der Asphalt in einen Dünenpfad übergeht, drehe ich mich kurz und beuge mich vor, um mein Seitenstechen zu mildern. Dabei schaue ich für den Bruchteil einer Sekunde über meine Schulter und entdecke eine Gestalt, die neben einem schlammbespritzten Kombi steht und mich mit schräg gelegtem Kopf beobachtet.

Wenn es sich bei der Gestalt um Ross handelt und er mitgekriegt hat, dass Diesel schon wieder außer Kontrolle war, ist mein Tag soeben ein weiteres erhebliches Stück den Bach runtergegangen.

4. Kapitel

Ungebetene Gäste und Gartenpartys

In Clemmies Wohnung

Später am Tag, Samstag

Glauben Sie mir, wenn die ganze Welt über einem zusammenbricht, gibt es nur einen Weg, sich schnell wieder besser zu fühlen. Kuchen backen.

Marthas Anruf und meine spontane Jogging-Runde mit Diesel hatten mich so fertiggemacht, dass ich schon hyperventilierte, bevor ich die Haustür vom Seaspray Cottage erreichte. Doch als ich mich die knarzigen Holzstufen hochschleppte und auf den Treppenabsätzen den Duft nach Thymian und Lavendel wahrnahm, hörte ich auf zu keuchen und begann wieder normal zu atmen.

Und als ich auf der oberen Etage ankomme und die Küche betrete, liegen da Nells Eier neben der Butter, die ich heute Morgen nach dem Aufstehen aus dem Kühlschrank geholt habe, damit sie weich wird. Da Clemmies Vorratsschränke bis zum Bersten mit Backzutaten gefüllt sind und ich die Erlaubnis habe, mich von allem zu bedienen, muss ich nichts anderes mehr tun, als meinen Autopiloten einzuschalten und auf Start zu drücken.

Brownies sind das perfekte Gebäck für eine Krise. Vielleicht schwante mir ja bereits etwas, als ich heute früh eine mentale Liste meiner Lieblingsrezepte zusammengestellt habe. Brownies sind unkompliziert, daher kann ich, nachdem ich die Zutaten abgewogen und Clemmies babyrosa Mixer angeworfen habe, um die Butter zu rühren, meine Gedanken ziellos schweifen lassen. Doch das Beste am Brownie-Backen ist diese dicke, schokoladige Masse, die sich zäh an den Löffel hängt, mit dem ich die Walnüsse unterhebe. Das verheißungsvolle Schimmern der Brocken dunkler Pfefferminzschokolade in der zweiten Charge, wenn ich den Teig in die Formen streiche. Sich die dichte saftig-weiche Mitte und den delikat-dunklen Geschmack auszumalen, während die obere Schicht der Nutella-Charge langsam fest wird. Als die Backofentür schließlich geöffnet wird und einen Dampf-Schwall reinsten Kakao-Aromas in die Küche entlässt, ertrinkt mein Gehirn in Endorphinen. Noch immer habe ich keinen Schimmer, wovon ich leben soll, wenn mein Konto leer ist, aber es macht mir nicht mehr so viel aus.

Genau drei Stunden nach dem Nullpunkt – als welchen ich den Moment definiere, in dem das Gespräch mit Martha mangels Empfang abbrach – wische ich mir die Hände an der Schürze ab und schaue auf eine Reihe bunter Blechtabletts, auf denen köstliche Berge klebriger Schoko-Quadrate prangen. Obwohl ich aufgehört habe, meine Backwerke zu posten, um hässliche Kommentare zu vermeiden, kann ich nicht widerstehen, ein paar Fotos zu schießen. Nur für mich.

Es war noch nie meine Stärke, die Küche direkt nach dem Backen wieder auf Hochglanz zu bringen, aber immerhin schaffe ich es, das schmutzige Geschirr und die Kuchenformen in der Spüle zu stapeln. Dann gönne ich mir eine Pause.

Während ich den Wasserkessel fülle, bedenke ich Diesel mit einem schiefen Grinsen. »Die Kacke ist immer noch am Dampfen, aber der Tag fühlt sich definitiv heller an.« Ich gehe durchs Wohnzimmer, und er folgt mir auf den langen sonnigen Balkon, der sich vor Clemmies und Charlies Wohnungen entlangzieht.

Der Wind verwüstet meine Frisur, aber die Luft ist so frisch, dass ich trotzdem weitergehe, die Schlitze unter meinen nackten Füßen ignorierend, durch die ich freien Blick auf den weit unter mir liegenden Strand habe. Ich quetsche mich an dem Vintage-Tisch samt Stühlen vorbei bis zum Geländer, als ein Ruf aus der Tiefe mich so verschreckt, dass ich fast über den Rand falle.

»Cressy, was machst du da oben?«

Ich beuge mich über den Handlauf und sehe Nells mittelblonden Schopf, Sophies helleren und eine Schar Kinder. Alle Gesichter sind nach oben gerichtet. »Diesel und ich amüsieren uns prächtig.«

Nell lacht. »Wie man hört, hat er dich heute Morgen quer durch den Hafen gejagt.«

Verdammt, und ich hatte so gehofft, dass ich mit dieser kleinen Showeinlage unbemerkt davongekommen bin.

Sophie versetzt ihr einen Rippenstoß. »Ihre bessere Hälfte hat sein Büro dort«, ruft sie zu mir hoch. »Mach dir keinen Kopf, du bist nur deshalb die interessanteste Person im Dorf, weil du neu bist.«

Nell hustet vielsagend in ihre Faust. »Das stimmt nicht ganz. Jeder hier weiß immer, was jeder andere so treibt, manchmal sogar, bevor es überhaupt passiert ist.«

Sophie schüttelt den Kopf. »Das klingt schlimmer, als es ist. Wir wollen in den Surf Shack, auf ein spätes Mittagessen. Hast du vielleicht Lust mitzukommen?«

Kurz zögere ich. Die Mädels-Runde von gestern hat mir eigentlich gereicht, selbst wenn ich nicht jeden Penny dreimal umdrehen müsste. Andererseits mochte ich mich ja nach der Produktion eines Kuchenbergs von der Höhe der hiesigen Klippen wohlig beschwingt fühlen, hatte aber noch keinen Gedanken darauf verschwendet, wer die Brownies essen sollte. Schließlich konnte ich das schlecht im Alleingang erledigen. Jetzt aus meinen Jeans zu platzten, würde meinen Finanzen den Rest geben.

»Alternativ hätte ich einen Stapel ofenwarmer Brownies im Angebot und einen frisch aufgesetzten Wasserkessel. Wir könnten im Garten Tee trinken?« Wenn Sophie und Nell schon mit einer kleinen hungrigen Armee hier aufschlagen, bietet es sich an, meine Vorbehalte beiseitezuschieben und die Truppe willkommen zu heißen. Sie können mir, während sie den Kuchenberg abbauen, das notwendige Feedback geben. Zwar habe ich Marthas Vorschlag, trotz allem mit meinem Buch weiterzumachen, noch nicht vollständig verinnerlicht, aber da ich nun mal diese drei Monate fürs Rezepte-Testen reserviert habe, wäre es Verschwendung, sie nicht zu nutzen.

»Brownies, sagst du?«, fragt Sophie verträumt.

Nell nickt. »Mit einer Kanne starken Tee? Wir sind dabei. Sophie kann sich um die Sitzgelegenheiten hier unten kümmern, ich komme hoch und helfe dir tragen.«

Ich bin nicht sicher, wie ich das finde. »Aber du musst versprechen, mich nicht für den Saustall zu verurteilen, den ich in der Küche hinterlassen habe.«

Offenbar findet Nell das lustig. »Als ob ich das jemals tun würde. Sophie vielleicht, aber ich doch nicht. Ich bin praktisch auf dem Bauernhof aufgewachsen.«

Das erinnert mich daran, dass diese »Instant«-Freundinnen eigentlich zu jemand anderem gehören. Schon komisch, wie wenig ich über ihre Vergangenheit weiß oder darüber, wie sie ticken. Egal, zehn Minuten später teile ich Clemmies hübsche, nicht zusammenpassende Teller aus. Leider bin ich nicht mehr dazu gekommen zu überprüfen, wie wirr meine Haare sind. Nachdem ich auf dem stürmischen Balkon war, sehe ich vermutlich aus wie ein Heuhaufen, der im Windkanal festgeklemmt war.

Noch während Sophie den blassgrünen Metalltisch auf der verblichenen, im Kreuzmuster gemauerten Sitzterrasse zurechtschiebt, macht sie sich über die kleinen Geschmackstest-Quadrate her. »Dieser Teil des Gartens ist zwar nicht so abgeschieden, aber heute besser vor dem Wind geschützt, und wir können immer noch das Meer sehen.«

Nell schaut über die niedrige Mauer zum Strandweg dahinter. »Außerdem können wir dich den Leuten, die vorbeikommen, vorstellen, wenn wir sie kennen. Und Diesel sollte sich heute benehmen, schließlich ist er hier zu Hause.«

Sophie schaut zu, wie die älteren Kinder, in jeder Hand ein Stück Kuchen, durch das Holzgatter laufen und sich unter den Apfelbäumen ins Gras werfen. »Sie lieben diesen Garten. Clemmie veranstaltet hier im Sommer Nachmittagstees für unsere ›Mütter-und-solche-die-es-noch-werden‹-Gruppe.«

Nell nickt. »Und an wärmeren Tagen ist der Ort perfekt für Single-Events im Freien. Die Dessert-Abende sind allseits beliebt – das könnte übrigens auch was für dich sein.«

Die Rede ist von Clemmies erstaunlichem Kleine-Traumküche-Projekt, mit dem sie vor ein paar Jahren oben in ihrem Apartment durchgestartet ist, bevor sie es aus Platzgründen ins geräumigere Erdgeschoss verlegte. Vor zwei Monaten war ich hier, um mit Clemmie an einer Hygieneschulung teilzunehmen. Ich glaube, sie hoffte, dass ich den Laden während ihrer Abwesenheit am Laufen halten könnte. Doch dann kamen wir beide zu dem Schluss, dass ich dieser Herausforderung nicht gewachsen bin.

Warum Nell gerade jetzt darauf zu sprechen kommt und worauf sie damit hinauswill, ist mir allerdings nicht klar.

Sie mustert mich eindringlich. »Ich sag’s ja nur. Diese Veranstaltungen bringen gutes Geld. Ich bin sicher, Clemmie hat nichts dagegen, wenn du ein paar davon ausrichtest – falls es eng wird.«

Ich weiß, dass ich wegen des Verdienstausfalls Panik schiebe, hatte aber keine Ahnung, dass ich derart durchschaubar bin. »In welcher Hinsicht eng?«

Seufzend hebt Sophie sich ihr jüngstes Kind auf den Schoß. »Na schön. Karten auf den Tisch. Nells bessere Hälfte hat dein Telefonat heute Morgen im Hafen zufällig mitgehört. Wir sind hier, um dir zu helfen.«

»Wenn du finanzielle Probleme hast«, mischt Nell sich ein, »sind Events im Seaspray Cottage definitiv die Lösung.«

Gegen das, was hier gerade abgeht, wirken die Interventionen von gestern Nachmittag regelrecht harmlos. Abgesehen von allem anderen würde ich niemals Charlies und Clemmies Wohnung benutzen, um Geld zu verdienen, es sei denn, wir hätten das im Voraus so abgesprochen.

So gut diese Frauen es auch meinen, ich muss ihnen den Kopf zurechtrücken. Und sie mit der harschen Realität konfrontieren, dass meine kulinarischen Fähigkeiten auf keinen Fall reichen, um Veranstaltungen auszurichten. Vergesst es! Wenn das Backshow-Desaster mich eines gelehrt hat, dann, dass ich künftig gefälligst bei dem bleiben werde, was ich kann. Allein bei der Vorstellung, so weit von meinem bewährten Pfad abzuweichen, bricht mir der kalte Schweiß aus.

Wie bei vielen Leuten hat meine berufliche Laufbahn sich anders gestaltet als ursprünglich erhofft, und ich zähle eindeutig nicht zu den Menschen, die bereits mit zwei Jahren perfekte Flans zubereiten können. Während des Studiums träumte ich davon, später bei einem Make-up-Magazin zu arbeiten. Mit dem Backen fing ich überhaupt erst an, als ich zwanzig war. Dass ein Beruf daraus wurde, war reiner Zufall. Ich jobbte damals für ein paar anspruchsvolle Lifestyle-Magazine und filmte mich in einer verrückten Anwandlung mit dem Handy dabei, wie ich einer Freundin beibrachte, Buttercreme-Toppings zu spritzen. Sie lud den Clip exakt in der Woche bei YouTube hoch, als die ganze Welt plötzlich wild auf Cupcakes wurde, und der Rest ist Geschichte. Aber eben auch etwas vollkommen anderes als die wundervollen Partys, von denen Clemmie mir erzählt hat und die sie zu einer lokalen Legende machten. Selbst in meinen kühnsten, überspanntesten Träumen spiele ich nicht in dieser Liga. 

Sophie hebt die Brauen. »Anfangs hatte Clemmie keinen blassen Schimmer vom Kochen und Backen. Wenn wir sie auf den richtigen Trichter gebracht haben, können wir dasselbe für dich tun.« Sie fixiert mich mit strengem Blick.

Anders als Clemmie, die in Bars auf der ganzen Welt gearbeitet hat, besitze ich null Konsumenten-Kompetenz und habe keinerlei Gastronomie-Erfahrung. Verzweifelt versuche ich, ihnen zu verklickern, wie sehr sie bei mir auf dem Holzweg sind. »Ich filme mich zwar beim Backen, aber dabei agiere ich wie eine Schauspielerin. Ich gaukele den Leuten etwas vor, das mit dem echten Leben nichts zu tun hat.«

Nell schnieft ungerührt. »Diese Brownies schmecken für mich ziemlich echt.«

Eine andere, konkretere Ausrede schießt mir durch den Kopf. »Es kommt ohnehin nicht infrage. Die Handwerker reißen in Clemmies Arbeitsküche Wände nieder, und alle Tische und Stühle sind abgeholt worden, weil sie einen neuen Anstrich bekommen.«

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