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Paradiese der Lust - 3 prickelnde Romane voller Leidenschaft

hier erhältlich:

DIRTY

Elle ist verrückt nach Schokolade! Die süßen Pralinés aber können einen ganz anderen Appetit nicht stillen: nach Körper, nach Abenteuer, nach den verbotenen Früchten der Lust. In Dan, dem Liebhaber eher herberer Genüsse, scheint sie den perfekten Mann zum Vernaschen gefunden zu haben. Ihre erotischen Eskapaden kennen keine Grenzen: Sex in der Öffentlichkeit, Sex zu dritt, Sex mit sinnlichen Spielzeugen - verführerische Angebote, von denen Elle nicht ein einziges auslässt. Sie genießt die hemmungslosen Lustspiele mit Dan über alle Maßen. Mindestens ebenso wie die Unverbindlichkeit ihrer Affäre ... Doch Dan will mehr. Viel mehr!

LOVERS

Als die Schriftstellerin Bettina der charismatischen Audrey begegnet, erlebt sie ihre erotische Erweckung. Eine leidenschaftliche Woche lang lässt sie sich in die erregende Welt weiblicher Ekstase einführen, genießt hemmungslose Lustspiele mit Audrey. Doch dann taucht Audreys Liebhaber Jack auf. Bettina scheint abgemeldet - bis die beiden sie für eine heiße Nacht zu dritt in ihr Bett bitten. Und Bettina, die nie eine Beziehung wollte, beginnt sich ausgerechnet in Jack zu verlieben...

IM PARADIES DER SÜNDE

Willkommen in Paradise Hall! Einem Luxushotel, das seine Gäste in die Zeit von Jane Austen zurückversetzt und Wünsche wahr werden lässt - exquisite sexuelle Vergnügungen inklusive. Für die junge Witwe Louisa ist der Aufenthalt hier ein erster Schritt zurück ins Leben. Als die Jane-Austen-Expertin eingeladen wird, sich an erotischen Rollenspielen zu beteiligen, hält sie sich jedoch erst vornehm zurück. Bis der sexy Journalist Mac ihre Neugier - und ihre Lust - weckt. Erregt genießt Louisa die verruchten Spiele in Macs Armen, lässt sich sogar auf eine Ménage à trois mit dem jungen Rob ein. Aber dann macht sie eine verhängnisvolle Entdeckung, die sie schneller als gedacht in die Wirklichkeit zurückholt...


  • Erscheinungstag: 13.11.2017
  • Seitenanzahl: 1004
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955768348
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Megan Hart, Eden Bradley, Janet Mullany

Paradiese der Lust - 3 prickelnde Romane voller Leidenschaft

Megan Hart

Dirty

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Tess Martin

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,

Valentinskamp 24, 20350 Hamburg

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Dirty

Copyright © 2007 by Megan Hart

erschienen bei: SPICE Books

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Claudia Wuttke, Stefanie Kruschandl

Titelabbildung: Mauritius Images GmbH, Mittenwald

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-001-3
ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-000-6

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Unsere Geschichte begann so:

Wir begegneten uns in einem Süßwarenladen. Er drehte sich um, lächelte mich an, und ich war so überrascht, dass ich zurücklächelte.

Das Sweet Heaven war kein einfacher Süßwarenladen für Kinder, sondern ein gehobener Gourmet-Tempel; hier gab es keine billigen Lutscher oder vertrockneten Schokoküsse; hierhin ging man, wenn man mit schlechtem Gewissen Trüffelpralinen für die Frau des Chefs kaufen wollte, weil man mit ihm bei einer Geschäftsreise nach Milwaukee gevögelt hatte.

Er kaufte Jelly Beans, nur schwarze, und musterte die Tüte mit Schokolinsen in meiner Hand, ebenfalls alle in einer Farbe.

„Sie wissen, was Grün bedeutet.“ Der verwegene Zug um seine Lippen war anziehend.

„St. Patrick's Day!“ Das war nämlich genau der Grund, warum ich sie in Grün kaufte.

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Die Grünen steigern die Lust.“

Ich bin ja schon ziemlich oft angemacht worden, meistens von wenig feinsinnigen Männern, die glauben, das, was sie zwischen den Beinen haben, wäre ein Ausgleich für das, was zwischen ihren Ohren fehlt. Manchmal bin ich trotzdem mit einem von ihnen nach Hause gegangen, einfach, weil es sich gut anfühlte, zu begehren und begehrt zu werden, auch wenn alles meist nur gespielt war und üblicherweise enttäuschend endete.

„Das ist eine Erfindung von pubertierenden Jungs, deren überschwängliche Fantasien leider selten erfüllt werden.“

Sein Lächeln wurde breiter. Dieses strahlend weiße Lächeln war das Schönste an seinem ebenmäßig geschnittenen Gesicht. Sein Haar hatte die Farbe von feuchtem Sand, seine Augen waren blaugrün – er war attraktiv, doch wenn er lächelte, war er atemberaubend.

„Sehr gute Antwor“, sagte er.

Er streckte eine Hand aus. Als ich sie ergriff, zog er mich näher an sich heran, so nah, dass er mir ins Ohr flüstern konnte. Sein heißer Atem tanzte über meine Haut, und ich erschauerte. „Mögen Sie Lakritze?“

Allerdings, und so schob er mich um ein Regal herum und griff in ein Glas voller kleiner schwarzer Rechtecke, auf dem ein Etikett mit dem Bild eines Kängurus klebte.

„Dann probieren Sie mal das.“ Er hielt mir ein Stück hin, und ich öffnete die Lippen, obwohl auf einem Schild deutlich zu lesen war: Probieren verboten. „Kommt direkt aus Australien.“

Die Lakritze lag auf meiner Zunge. Weich, duftend und auf eine Weise klebrig, dass ich mit der Zunge über meine Zähne fuhr. Ich schmeckte seine Finger dort, wo er meine Lippen berührt hatte. Er lächelte.

„Ich kenne eine hübsche Bar“, sagte er, und ich ließ mich von ihm dorthin bringen.

The Slaughtered Lamb. Ein grausiger Name für eine kleine Bar, versteckt in einem Gässchen mitten in Harrisburg. Verglichen mit den angesagten Tanzschuppen und teuren Restaurants in dieser Gegend wirkte der Laden irgendwie fehl am Platz und deswegen umso reizvoller.

Er wählte für uns zwei Plätze an der Bar, abseits der Collegestudenten, die in einer Ecke Karaoke sangen. Weil mein Barhocker wackelte, musste ich mich an der Theke festhalten. Ich bestellte eine Margarita.

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf, und ich hob eine Augenbraue. „Sie möchten bestimmt Whiskey.“

„Ich habe noch nie Whiskey getrunken.“

„Eine Jungfrau.“ Bei jedem anderen Mann hätte dieser Kommentar albern geklungen und meinerseits nur ein Verdrehen der Augen nach sich gezogen.

Doch bei ihm funktionierte es.

„Eine Jungfrau“, stimmte ich zu, und das Wort fühlte sich ungewohnt auf meiner Zunge an, als ob ich es ziemlich lange nicht mehr benutzt hätte.

Er bestellte uns jeweils ein Glas Jameson's Irish Whiskey und stürzte seinen, so wie es sich gehört, in einem Zug hinunter. Mir war Alkohol wahrlich nicht fremd, auch wenn ich noch nie Whiskey probiert hatte, doch ich machte es ihm nach, ohne das Gesicht zu verziehen. Es gibt einen guten Grund, warum Whiskey Feuerwasser genannt wird, aber nach dem ersten Brennen breitete sich der Geschmack in meinem Mund aus und erinnerte mich an den Duft von verbrannten Blättern. Sehr angenehm. Warm. Sogar ein bisschen romantisch.

Sein Blick hellte sich auf. „Es gefällt mir, wie Sie ihn heruntergeschluckt haben.“

Ich war auf der Stelle wahnsinnig erregt.

„Noch einen?“, fragte der Barkeeper.

„Noch einen“, entgegnete mein Begleiter. Und zu mir sagte er: „Sehr gut gemacht.“

Dieses Kompliment freute mich, wobei mir nicht klar war, warum es mir auf einmal so wichtig erschien, ihm zu gefallen.

Wir tranken also eine Weile, und der Whiskey zeigte mehr Wirkung, als ich gedacht hätte. Oder vielleicht lag es auch an der Gesellschaft meines Begleiters, jedenfalls fing ich an, über seine spitzen, aber irgendwie netten Kommentare über die anderen Gäste zu kichern. Die Frau im Geschäftsanzug in einer Ecke war ein Callgirl, das gerade Pause hatte. Der Mann mit der Lederjacke ein Leichenbestatter. Mein Begleiter erfand Geschichten über jeden Gast und den freundlichen Barkeeper, der seiner Meinung nach früher Fruchtgummis angebaut hatte.

„Fruchtgummis werden nicht angebaut.“ Ich beugte mich vor, um seine Krawatte zu berühren, die auf den ersten Blick mit den üblichen Punkten und Kreuzen gemustert zu sein schien. Ich hatte jedoch bemerkt, dass es sich um winzige Totenköpfe mit gekreuzten Knochen handelte.

„Nicht?“ Er schien enttäuscht zu sein, dass ich nicht mitspielte.

„Nein.“ Ich zupfte an seiner Krawatte und blickte in seine blaugrünen Augen, die inzwischen mit der Schönheit seines Lächelns konkurrieren konnten. „Fruchtgummi wächst wild.“

Er warf den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus. Ich beneidete ihn darum, wie natürlich er dem Impuls nachgab, laut zu lachen. Ich hätte befürchtet, dass die Leute mich komisch anschauten.

„Und Sie?“, fragte er schließlich. Sein Blick durchbohrte mich. „Was sind Sie?“

„Ein Fruchtgummidieb“, flüsterte ich mit meinen vom Whiskey tauben Lippen.

Er streckte die Hand nach einer Haarsträhne aus, die sich aus meinem langen französischen Zopf gelöst hatte, und zwirbelte sie zwischen den Fingern. „So gefährlich wirken Sie meiner Ansicht nach gar nicht.“

Wir sahen uns an, zwei Fremde, lächelten – und ich dachte, dass es schon lange her war. „Möchten Sie mich nach Hause begleiten?“

Das wollte er.

An diesem Abend versuchte er nicht, mich zu lieben, was mich nicht überraschte. Allerdings versuchte er auch nicht, mich zu vögeln, was mich doch etwas wunderte. Er küsste mich nicht einmal, obwohl ich zögerte, bevor ich den Schlüssel ins Schloss steckte und noch ein wenig mit ihm lachte und plauderte, bevor ich Gute Nacht sagte.

Nicht mal nach meinem Namen hatte er gefragt. Auch nicht nach meiner Telefonnummer. Er ließ mich einfach, ein wenig schwankend vom Whiskey, vor meiner Tür zurück. Ich sah, wie er die Straße hinunterging und das Kleingeld in seiner Hosentasche klimpern ließ. Erst als er in der Dunkelheit hinter der Straßenlaterne verschwand, ging ich ins Haus.

Am nächsten Morgen, als ich mir unter der Dusche den Zigarettenrauch aus den Haaren wusch, musste ich an ihn denken. Ich dachte an ihn, während ich meine Beine, die Achseln und mein Haar zwischen den Beinen rasierte. Ich putzte meine Zähne, betrachtete mein Gesicht im Spiegel und versuchte mir vorzustellen, wie er meine Augen wohl gesehen hatte.

Bei genauerem Betrachten waren sie blau mit weißen und goldenen Sprenkeln. Viele Männer machten mir deswegen Komplimente. Einer Frau zu sagen, sie habe schöne Augen, ist vermutlich der schnellste Weg, um herauszufinden, ob man als Nächstes eine Hand auf ihren Schenkel legen darf. Er hatte meine Augen nicht erwähnt. Er hatte mir, um genau zu sein, kein einziges Kompliment gemacht, außer über die Art und Weise, wie ich den Whiskey trank.

Ich dachte an ihn, als ich mich für die Arbeit anzog. Schlichte weiße Unterhose, bequemer Schnitt und angenehmer Stoff, passender BH mit einem Hauch von Spitze, gerade genug, um hübsch auszusehen, aber dafür gemacht, meine Brüste eher zu stützen als hervorzuheben. Ein schwarzer, fast knielanger Rock. Eine weiße Bluse mit Knöpfen. Schwarz und Weiß wie immer, weil es einem die Wahl erleichtert und mich die Einfachheit von Schwarz und Weiß beruhigt.

Auf der Fahrt zur Arbeit dachte ich an ihn, die Ohren verschlossen mit Kopfhörern, um die willkürlichen Gespräche von Fremden auszublenden, Schutzschild der modernen Zivilisation. Die Fahrt dauerte nicht länger als sonst, war aber auch nicht kürzer, ich zählte die Haltestellen wie immer und warf dem Busfahrer dasselbe Lächeln zu.

„Ich wünsche Ihnen wie immer einen schönen Tag, Miss Kavanagh.“

„Danke, Bill.“

Ich dachte auch an ihn, als ich exakt fünf Minuten vor Dienstbeginn die Treppe zu meinem Bürogebäude hinauflief.

„Sie sind heute spät dran“, sagte Harvey Willard, der Sicherheitsbeamte. „Genau eine Minute.“

„Der Bus ist schuld“, erklärte ich mit einem Grinsen, von dem ich wusste, dass es ihn erröten lassen würde. Obwohl natürlich nicht der Bus dafür verantwortlich war, sondern allein die Tatsache, dass ich, in Gedanken versunken, langsamer gelaufen war.

Mit dem Fahrstuhl nach oben, den Flur entlang in mein Büro und hinter meinen Schreibtisch. Alles war wie immer, und doch hatte sich alles verändert. Nicht einmal der Zettel mit den vielen Telefonnummern konnte meine Gedanken von dem Rätsel, das er mir aufgab, losreißen.

Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Hatte ihm meinen nicht verraten. Ich hatte gedacht, es würde leicht werden – zwei Fremde, die dasselbe Bedürfnis verspürten. Die übliche Verführung, bei der man keine Namen brauchte, die alles nur kompliziert machten.

Ich mochte es nicht, wenn Männer meinen Namen wussten. Damit hätte ich ihnen eine gewisse Macht über mich gegeben, die sie nicht verdienten. Als ob die Tatsache, dass sie beim Orgasmus meinen Namen riefen, diesen Moment für alle Ewigkeit festhalten könnte. Wenn es gar nicht anders ging, nannte ich ihnen einen falschen Namen, und wenn sie ihn später mit heiserer Stimme herausschrien, musste ich jedes Mal lächeln.

Heute lächelte ich nicht. Ich war abgelenkt, verärgert und durcheinander … und wäre wohl enttäuscht gewesen, wenn ich noch in der Lage gewesen wäre, mich täuschen zu lassen.

Ich arbeitete an dem Problem wie an einer meiner Kalkulationen. Stellte eine Gleichung auf, entschlüsselte die individuellen Komponenten, fügte logische hinzu und zog die unverständlichen ab. Bis zur Mittagspause war es mir noch immer nicht gelungen, ihn in eine unbedeutende Erinnerung zu verwandeln.

„Hattest du letzte Nacht ein heißes Date?“, fragte Marcy Peters, die Königin der toupierten Haare und knallengen Röcke. Marcy gehört zu den Frauen, die sich selbst als Mädchen bezeichnen, die weiße Pumps zu hautengen Jeans tragen und deren Blusen immer ein wenig zu weit aufgeknöpft sind.

Sie schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Ich trank Tee. Wir saßen an einem kleinen Tisch und packten die kurz zuvor gelieferten Sandwiches aus – ihres mit Thunfisch und meines wie üblich mit Truthahn.

„Wie immer“, war meine Antwort, und wir lachten, zwei Frauen, miteinander durch etwas verbunden, was nichts mit gemeinsamen Interessen zu tun hatte, sondern dazu diente, uns vor den Haien zu schützen, mit denen wir zusammenarbeiteten.

Marcy hält sich die Haie mit ihrer unverblümt zur Schau gestellten Weiblichkeit vom Hals, sie ist blond, drall und durchaus bereit, ihre Vorzüge einzusetzen, um zu erreichen, was sie will.

Ich ziehe die etwas indirektere Methode vor.

Marcy lachte über meine Antwort, weil die Elle Kavanagh, die sie kannte, keine Verabredungen hatte, schon gar keine heißen. Die Elle Kavanagh, die sie kannte, war die Juniorchefin eines Finanzunternehmens, in deren Gegenwart selbst eine strenge Oberlehrerin mit Brille und Dutt so sexy wirkte wie Marilyn Monroe.

Marcy wusste überhaupt nichts über mich oder mein Leben außerhalb der vier Wände von Triple Smith and Brown.

„Hast du schon das Neueste über Flynn gehört?“ So stellte sich Marcia ein Gespräch beim Mittagessen vor: Tratsch über Kollegen und Kunden verbreiten.

„Nein“, antworte ich, um sie zu beruhigen und weil sie es irgendwie immer schaffte, die besten Geschichten aufzuschnappen.

„Mr.. Flynns Sekretärin hat an Bob die falschen Unterlagen geschickt. Bob kümmert sich um dieses Kundenkonto, nicht wahr?“

„Genau.“

Marcys Augen funkelten. „Offenbar hat sie ihm die privaten Rechnungen von Mr. Flynn gemailt, und nicht die geschäftlichen.“

„Das ist noch nicht besonders spannend.“

„Wie es scheint, listet Mr. Flynn all seine Hundert-Dollar-Nutten und seine geschmuggelten Zigarren penibelst auf!“ Sie drehte sich auf ihrem Stuhl.

„Dumm gelaufen für seine Sekretärin, fürchte ich.“

Marcy grinste. „Sie hat Bob einen geblasen. Und er hat es Mr. Flynn nicht verraten.“

„Bob Hoover?“ Diese Neuigkeit kam nun wirklich unerwartet.

„Tja. Ist das zu glauben?“

„Ich schätze, ich kann so ziemlich alles über jeden glauben“, sagte ich ehrlich. „Die meisten Leute sind bei ihren Bettgeschichten anspruchsloser, als man annehmen sollte.“

„Ach wirklich?“ Sie warf mir einen listigen Blick zu. „Und woher willst du das wissen?“

„Reine Spekulation.“ Ich stand auf und warf meinen Müll in den Eimer.

Marcy wirkte nicht enttäuscht, sondern vielmehr interessiert. „Aha.“

Ich schenkte ihr ein süßes und sanftes Lächeln und überließ es ihr, sich in eine Meditation über mein geheimnisvolles Sexleben zu versenken.

Tatsache ist, dass die meisten Menschen in Bezug auf ihre Sexpartner tatsächlich anspruchsloser sind, als sie zugeben wollen. Aussehen, Intelligenz, Sinn für Humor, Reichtum, Macht … nicht jeder kann mit diesen Qualitäten aufwarten, und die wenigsten besitzen mehr als eine davon. Hier ist die Wahrheit: Fette, hässliche und dumme Menschen werden ebenfalls gevögelt, die Medien berichten bloß nicht in dem Maße darüber wie über fantastisch aussehende Filmstars. Man muss einem Mann nicht seine Titten unter die Nase halten, um ihm zu demonstrieren, dass man auf der Suche nach einem Abenteuer ist. Selbst Frauen mit dem verklemmten Bibliothekarinnen-Look wie ich lassen sich, mit heruntergezogenem Höschen an eine raue Hauswand gedrückt, vögeln.

Oder zumindest habe ich das vor drei Jahren getan, als ich das letzte Mal darauf aus war. Im Sweet Heaven war ich nicht darauf aus gewesen, sondern wollte lediglich meine Schokoladensucht befriedigen. Warum aber war ich dann mit ihm etwas trinken gegangen? Warum hatte ich ihn gebeten, mich nach Hause zu begleiten und mich darüber geärgert, als er mich mit einem kurzen Winken einfach an der Tür stehen ließ?

Die Tatsache, dass ich an diesem Tag nicht nach einem Abenteuer gesucht hatte, machte es nur noch schlimmer. Hätte ich ihn in einer Bar statt im Sweet Heaven kennengelernt, hätte ich mein Haar offen getragen, die Bluse aufgeknöpft – hätte er mich dann gebeten, hineinkommen zu dürfen? In meinen Körper zu dürfen? Hätte er mich vor der Tür geküsst, mich an der Hüfte umfasst und fest an sich gedrückt?

Ich würde es nie erfahren.

Den ganzen Tag dachte ich an ihn, auch den nächsten, und mein Begehren stieg stetig an, als würde man Wasser in eine Vase voller Steine gießen. Die Gedanken an ihn füllten meine wachen Stunden aus, schlichen sich in meine Träume und sorgten für verschwitzte Nächte zwischen zerwühlten Bettlaken.

Unablässig musterte ich mein Gesicht und fragte mich, was er darin entdeckt hatte, um mit mir in eine Kneipe zu gehen, aber nicht ins Bett. Hatte ich irgendetwas falsch gemacht? Hatte ich etwas Falsches gesagt, eine Schwäche gezeigt, über seine Witze zu laut gelacht oder vielleicht nicht laut genug?

Mir war klar, wie obsessiv ich mich aufführte, wie ich immer und immer wieder jede gemeinsame Sekunde mit ihm in meinem Kopf kreisen ließ und aus allen möglichen Blickwinkeln betrachtete. Wie ich analysierte, kalkulierte und grübelte.

Ich konnte nicht vergessen, wie sein Atem mich gestreift hatte, als er mir ins Ohr flüsterte: „Mögen Sie Lakritze?“

Ich konnte die Wärme seiner Hand auf meiner nicht vergessen, als er mir nach dem ersten Schluck Whiskey gratulierte. Ich konnte das Blitzen seiner blaugrünen Augen oder die kleine, aber perfekte Kerbe in seinem Kinn nicht vergessen, auch nicht die blassen Sommersprossen auf seiner Nase und der Stirn. Genauso wenig wie seine Stimme und sein Lachen, diese tiefe, warme Tonlage, die in mir den Wunsch weckte, mich an ihm zu reiben wie eine schnurrende Katze.

Als ich das letzte Mal einen Mann in einer Bar aufgabelte, habe ich ihn mit nach Hause genommen, wo er sich über meinen Rock ergoss und nach Bier riechende Tränen auf mein Gesicht tropfen ließ. Dann beschimpfte er mich und wollte, dass ich ihm das Geld für all die Drinks zurückzahlte, die er mir ausgegeben hatte. Das war meine letzte schlechte Erfahrung, eine von vielen. Jungs, die mit ihrem Schwanz nicht richtig umgehen konnten, ältere Männer, die glaubten, zwei Minuten Rumgefummel gingen als Vorspiel durch, nett aussehende Kerle, die sich in brutale Scheißkerle verwandelten, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war.

Enthaltsamkeit schien mir die bessere Wahl, und was zunächst wie eine Herausforderung schien, wurde nach und nach zur Gewohnheit. Als ich ihn im Sweet Heaven traf, war es drei Jahre, zwei Monate, eine Woche und drei Tage her, dass ich das letzte Mal Sex gehabt hatte.

Und jetzt, mit diesem namenlosen Fremden in meinem Kopf, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Wenn ein Mann auf der Straße meinen Blick auffing, krampfte sich mein Schoß zusammen wie Finger um eine Blume. Meine Brustwarzen rieben immerzu gegen den Stoff meines BHs. Mein Slip rieb an meiner Haut und drängte mich, den kleinen Knopf zu streicheln, ganz egal wo, wann oder unter welchen Umständen.

Ich war geil.

Bei meinen Verabredungen mit Männern ging es nie um Gefühle. Es ging darum, eine Leere in mir auszufüllen, die dunklen Wolken zu vertreiben, denen ich meist entkommen konnte, aber manchmal … eben nicht. Ich ging in Kneipen, auf Partys und in den Park, um Männer zu finden, die mich für ein paar Stunden ablenken konnten, mich alles vergessen ließen, was in mir vorging. Ich benutzte Sex, um den Schmerz in mir zu betäuben. Das wusste ich. Ich wusste, warum ich es tat. Ich wusste, warum ich wie eine Bibliothekarin aussah und mich wie eine Nutte aufführte.

Bis jetzt hatte es keine Rolle gespielt. Ich hatte Männer getroffen, die mich zum Lachen brachten, zum Stöhnen und sogar einige wenige, bei denen ich gekommen bin. Bis jetzt hatte ich keinen getroffen, den ich nicht vergessen konnte.

Zwei Wochen lang stolperte ich auf diese Weise durchs Leben. Weil ich mit Zahlen so gut umgehen kann, litt meine Arbeit nicht darunter, alles andere allerdings schon. Ich vergaß, Rechnungen zu bezahlen, Kleider aus der Reinigung zu holen, meinen Wecker zu stellen.

An diesen Frühlingstagen wurde es immer noch früh genug Abend, sodass ich manchmal im Dunkeln nach Hause fuhr. Ich saß im Bus auf meinem üblichen Platz, den Mantel und die Aktentasche ordentlich über meinen Schoß gebreitet, die Beine übereinandergeschlagen. Ich starrte aus dem Fenster und stellte mir sein Gesicht vor und seinen Atem, und dann, mit der Hilfe des schaukelnden Busses, legte ich los.

Zuerst spannte ich die Muskeln meiner Schenkel rhythmisch an. Meine Klit wurde zu einem kleinen, harten Knoten und rieb an dem weichen Stoff meines Slips. Versteckt unter dem Mantel und der Aktentasche, rutschte ich auf meinem Sitz herum. Bei meinen züchtig gefalteten Händen wäre niemand jemals auf die Idee gekommen, was ich da tat.

Die silbernen Lichtstreifen der Straßenlampen wanderten über meinen Schoß die Brust hinauf, um hinter mir zu verschwinden und mich in Dunkelheit zu tauchen, die kurz darauf erneut von einem Lichtstrahl durchbrochen wurde. Ich begann meinen Rhythmus den Lichtern anzupassen.

In meinem Bauch machte sich ein angenehmes Gefühl breit. Ich hielt die Luft an und ließ sie leise durch meine halb geöffneten Lippen entweichen, bis meine Lungen zu brennen begannen. Dabei blickte ich stur durchs Fenster nach draußen, ohne etwas zu erkennen. Ab und zu spiegelte sich der Geist meines Gesichts im Fenster, dann stellte ich mir vor, dass er mich ansah.

Meine Finger über der Aktentasche verkrampften sich, die Füße bewegte ich auf und ab, auf und ab, während ich die Schenkel zusammenpresste und so meine Klit mit kleinen, aber perfekten Bewegungen liebkoste. Ich sehnte mich so sehr danach, meine Finger um die harte Perle kreisen zu lassen, sie in mich zu schieben und mich damit zu ficken, während der Bus auf sein Ziel zubrauste – aber ich tat es nicht. Ich schaukelte und presste, und jede Straßenlampe, an der wir vorbeikamen, trieb mich weiter auf den Höhepunkt zu.

Ich zitterte am ganzen Körper durch die Anstrengung, möglichst still zu sitzen, wo ich doch nichts anderes wollte, als mich zu winden. Nie zuvor hatte ich mir auf diese verstohlene Weise Genuss verschafft. Man masturbierte allein zu Hause, im Bad oder im Bett, kurz und schmerzlos, um die Spannung zu lösen. Aber das hier geschah fast gegen meinen Willen. Meine Gedanken an ihn, die Bewegungen des Busses, meine Enthaltsamkeit, alles zusammen sorgte dafür, dass mein Körper von einem Feuer verzehrt wurde, das nur ein Orgasmus löschen konnte.

Schweiß rann meinen Rücken hinunter und in meine Pospalte. Dieses feine Kitzeln, das so sehr an die Berührung einer Zunge erinnerte, gab mir schließlich den Rest. Mein Körper wurde steif. Meine Nägel hinterließen winzige Linien im Leder meiner Aktentasche. Meine Perle zuckte und krampfte sich zusammen, pures Glück schoss durch meinen ganzen Körper.

Ich erbebte, zog aber weniger Aufmerksamkeit auf mich, als wenn ich hätte niesen müssen. Ich tarnte mein Aufstöhnen mit einem Hüsteln, das kaum jemand wahrnahm. Ich fühlte mich entspannt und sank erschöpft in meinem Sitz zusammen, während der Bus zum Halten kam.

Meine Haltestelle.

Mit zittrigen Beinen stand ich auf, überzeugt davon, dass der Duft nach Sex mich umgab wie Parfüm, aber niemandem schien das aufzufallen. Ich stieg aus, hob mein Gesicht zum Abendhimmel und ließ die feuchte Luft darüberstreichen. Es war mir egal, dass meine Bluse und mein Haar nass wurden.

Ich hatte mich in aller Öffentlichkeit selbst befriedigt, mir dabei sein Gesicht vorgestellt und kannte noch nicht mal seinen Namen.

Zumindest linderte diese Soloeinlage in einem öffentlichen Verkehrsmittel ein wenig meine Sehnsucht. Nun konnte ich mich wieder auf die Zahlen konzentrieren, die mit wunderbarer Zuverlässigkeit meine Gedanken ausfüllten. Ich stürzte mich in die Arbeit und übernahm von Bob Hoover einige wichtige Kunden. Er selbst war viel zu sehr damit beschäftigt, sich von Mr. Flynns Sekretärin einen blasen zu lassen.

Mir machte das nichts aus. Es bot mir die Möglichkeit, meinen Vorgesetzten zu beweisen, dass ich meinen Titel, mein Eckbüro und meine zusätzlichen Urlaubstage verdiente. Und ich musste keine Gründe erfinden, um länger im Büro zu bleiben, statt nach Hause in meine leere Wohnung oder in eine Bar zu gehen und meine Willenskraft zu erproben.

„Sex“, verkündete Marcy beim Mittagessen, “ist wie dieses Schokoladen-Éclair.“ Versonnen drehte sie eines der kleinen länglichen Dinger zwischen ihren Fingern.

Mir hatte sie einen Doughnut mit Puderzucker mitgebracht. „Du meinst: voller Sahne, und hinterher würde man sich am liebsten übergeben?“

Sie verdrehte die Augen. „Himmel, was für eine Art von Sexleben führst du eigentlich, Elle?“

„In letzter Zeit gar keines.“

„Ich bin schockiert.“ Ihr Ton bewies das Gegenteil. „Aber kein Wunder, bei dieser Einstellung.“

Marcy hatte zwar eine unmögliche Frisur und einen furchtbaren Klamottengeschmack, aber sie konnte mich zum Lachen bringen. „Dann erklär du mir, warum Sex wie dieses Eclair ist.“

„Zum einen ist es verführerisch genug, um dich alles andere vergessen zu lassen.“ Sie leckte etwas Schokolade von dem Gebäck. „Und zum anderen ist das gut so, weil es einen glücklich macht.“

Ich rutschte auf meinem Stuhl ein wenig nach hinten und betrachtete sie. „Ich vermute, du hattest letzte Nacht Sex?“

Als sie ein unschuldiges Gesicht aufsetzte, wurde mir etwas klar: Ich mochte sie. Sie klimperte mit den Wimpern. „Wer? Diese kleine Alte hier?“

„Ja, du.“ Ich legte den Doughnut zurück in die Schachtel und nahm stattdessen das letzte Éclair. „Und du kannst es kaum erwarten, mir davon zu erzählen. Also hör auf, Zeit zu verschwenden und leg los, bevor wieder ein Kollege reinkommt und wir dann so tun müssen, als ob wir über die Arbeit sprächen.“

Marcy lachte. „Ich war mir nicht sicher, ob du es hören willst.“

Ich musterte sie. „So denkst du von mir, nicht wahr? Du glaubst, dass ich Sex nicht mag?“

Sie blickte mich über ihren schokoladenverklebten Teller an, mit ernstem Lächeln und einem etwas merkwürdigen Ausdruck in ihrem Blick. Etwas wie Mitleid. Ich runzelte die Stirn.

„Ich weiß nicht, Elle. Dazu kenne ich dich nicht gut genug, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass du eigentlich nichts besonders magst, von deiner Arbeit mal abgesehen.“

Etwas zu hören, was man sowieso weiß, sollte eigentlich keine Überraschung sein, und doch ist es meist so. Ich wollte etwas entgegnen, doch plötzlich war mein Hals wie zugeschnürt, Tränen brannten in meinen Augen. Ich blinzelte sie weg und legte eine Hand auf meinen Magen, der sich bei ihren Worten zusammengezogen hatte.

Marcy war trotz ihres Auftretens als naive Blondine alles andere als dumm. Sie drückte meine Hand, bevor ich sie wegziehen konnte, und ließ sie schnell wieder los.

„Hey“, sagte sie sanft. „Ist schon gut. Wir alle haben unsere Probleme.“

Genau in diesem Moment hatte ich die Chance, Marcy als Freundin zu gewinnen. Als wirkliche Freundin. Ich habe schon so oft kurz vor etwas gestanden, und fast immer war ich zurückgeschreckt. Sobald die Wahrheit eine Tür öffnen konnte, log ich. Sobald ein Lächeln eine Verbindung tiefer werden lassen konnte, wandte ich das Gesicht ab.

Aber dieses Mal, überraschend für mich und wahrscheinlich auch für sie, tat ich es nicht. Ich lächelte sie an. „Erzähl mir von deinem Date gestern Abend.“

Und das tat sie. So detailliert, dass ich rot wurde. Das war die schönste Mittagspause, die ich je hatte.

Als es Zeit war, zurück in unsere Büros zu gehen, hielt sie mich kurz zurück. „Ich finde, du solltest irgendwann mal mitkommen.“

Ich gestattete ihr, wieder meine Hand zu drücken, weil sie so ernsthaft wirkte und weil wir so viel Spaß miteinander hatten. „Klar.“

„Wirklich?“, kreischte sie, und aus dem Händedruck wurde eine spontane Umarmung, bei der mein ganzer Körper sich versteifte. Marcy klopfte mir auf den Rücken und trat einen Schritt zurück. Falls ihr aufgefallen war, dass ich mich bei der Umarmung in einen Holzklotz verwandelt hatte, so erwähnte sie es nicht. „Gut.“

„Gut.“ Ich nickte lächelnd.

Ihre Begeisterung war ansteckend, und es war lange her, dass ich eine Freundin gehabt hatte. Später, an meinem Schreibtisch, ertappte ich mich dabei, wie ich vor mich hin summte.

Doch Euphorie hält auch unter den besten Umständen nicht lange an, und als ich später meine Wohnungstür aufschloss und den Anrufbeantworter blinken sah, löste sich meine Hochstimmung sofort in Luft auf.

Ich werde nicht oft zu Hause angerufen. Sprechstundenhilfen, Telefonmarketing, falsch verbunden, mein Bruder Chad … und meine Mutter. Die blinkende Vier schien sich über mich lustig zu machen, während ich die Post auf einen Tisch fallen ließ und den Schlüssel an einen kleinen Haken neben der Tür hängte. Vier Nachrichten an einem Tag? Die mussten alle von ihr sein.

Seine eigene Mutter zu hassen ist ein derartiges Klischee, dass Komiker auf der Bühne damit ihr Publikum zum Lachen bringen. Psychiater bauen ihre komplette Karriere darauf auf, diesen Hass zu diagnostizieren. Die Grußkartenindustrie stochert in dieser Wunde und verursacht bei den Kunden ein derart schlechtes Gewissen, dass sie freiwillig fünf Dollar für ein Stück Papier bezahlen, auf denen ein paar nette Worte stehen, die sie nicht selbst geschrieben haben und ein Gefühl beschwören, das sie nicht kennen.

Ich hasse meine Mutter nicht.

Ich habe es versucht, wirklich. Denn wenn ich sie hassen würde, könnte ich sie vielleicht endlich aus meinem Leben verbannen, fertig mit ihr sein, den Schmerzen, die sie mir zufügt, ein Ende bereiten. Doch die traurige Tatsache ist, dass ich nicht gelernt habe, meine Mutter zu hassen. Das Beste, was mir gelingt, ist, sie zu ignorieren.

„Ella, nimm ab.“

Die Stimme meiner Mutter klang wie ein Nebelhorn, das voller Verachtung die anderen Schiffe warnt, auf Abstand zu mir zu bleiben, dem Grund all ihrer Enttäuschung. Ich kann sie nicht hassen, aber ich kann ihre Stimme hassen und dass sie mich Ella und nicht Elle nennt.

Ella ist der Name für ein Waisenkind, das sich in der Gosse herumdrückt. Elle ist viel eleganter. So heißt eine Frau, die von den Leuten ernst genommen werden will. Sie besteht darauf, mich Ella zu nennen, weil sie weiß, dass mich das ärgert.

Bis zur vierten Nachricht hatte sie mir erklärt, wie wenig lebenswert das Leben mit einer so undankbaren Tochter wie mir sei. Dass die Tabletten, die der Arzt ihr verschrieben hatte, nicht halfen. Wie peinlich es sei, die Nachbarin Karen Cooper bitten zu müssen, für sie in die Apotheke zu gehen, wo sie doch eine Tochter hätte, die sich eigentlich um sie kümmern müsste.

Sie hat auch einen Mann, der für sie gehen könnte, aber auf diese Idee kam sie nie.

„Und vergiss nicht“, ich schrak zusammen, als ihre Stimme plötzlich lauter wurde, “du hast gesagt, du würdest uns bald besuchen.“

Daraufhin entstand eine kurze Pause, als ob sie überzeugt wäre, dass ich doch zu Hause war und sie nur lange genug zu warten bräuchte, bis ich aufgab. Dann klingelte das Telefon wieder. Resigniert nahm ich ab. Ich machte mir nicht die Mühe, mich zu verteidigen. Sie sprach volle zehn Minuten, bis ich endlich die Chance hatte, etwas zu sagen.

„Ich war bei der Arbeit, Mutter“, erklärte ich, als sie kurz schwieg, um sich eine Zigarette anzuzünden.

Sie zischte verächtlich. „So lange!“

„Ja, Mutter. So lange.“ Es war zehn nach acht. „Ich fahre mit dem Bus nach Hause, das weißt du doch.“

„Aber du hast doch dieses schicke Auto. Warum fährst du nicht damit?“

Ich wollte ihr nicht schon wieder sämtliche Gründe dafür aufzählen, warum ich zwar ein Auto besaß, aber trotzdem öffentliche Verkehrsmittel benutzte, was schneller und bequemer war. Sie hätte ja sowieso nicht hingehört.

„Du solltest endlich einen Ehemann finden“, sagte sie, und ich unterdrückte ein Stöhnen. Die Tirade näherte sich ihrem Ende. „Wobei ich nicht weiß, wie dir das jemals gelingen soll. Männer mögen es nicht, wenn Frauen klüger sind als sie. Oder mehr Geld verdienen. Oder …“, sie machte eine bedeutungsvolle Pause, “… nicht richtig auf sich achten.“

„Ich achte auf mich, Mutter.“ Ich meinte das finanziell gesehen. Sie dagegen sprach von Maniküre und Kosmetikbehandlungen.

„Ella.“ Ihr Seufzen am anderen Ende klang sehr laut. „Du könntest so hübsch sein …“

Während sie sprach, sah ich in den Spiegel und betrachtete das Gesicht einer Frau, die meine Mutter nicht kannte. „Mutter. Es reicht. Ich lege auf.“

Ich stellte mir vor, wie sie ihren Mund verzog, weil ihre einzige Tochter sie unfair behandelt hatte. „Gut.“

„Ich rufe dich bald an.“

Sie schnaubte. „Vergiss nicht, dass du mich bald besuchen wolltest.“

Allein bei der Vorstellung tat sich ein Abgrund vor mir auf. „Ja, ich weiß, aber …“

„Du musst mit mir zum Friedhof gehen, Ella.“

Die Frau in dem Spiegel sah erschrocken aus. Dabei war ich gar nicht erschrocken. Ich fühlte gar nichts. Egal was mein Spiegelbild zeigte.

„Ich weiß, Mutter.“

„Bilde dir nicht ein, dass du dich dieses Jahr wieder herausreden kannst …“

„Auf Wiederhören, Mutter.“

Während sie noch weiterquakte, legte ich auf und wählte umgehend eine andere Nummer. „Marcy, hier ist Elle.“

Marcy reagierte Gott sei Dank erfreut, als ich ihr Angebot annahm, mit ihr nach der Arbeit auszugehen. Und genau diese Reaktion brauchte ich. Bei zu viel Begeisterung hätte ich es mir vielleicht noch einmal anders überlegt, bei zu wenig gleich alles wieder zurückgenommen.

Blue Swan“, sagte sie mit fester Stimme, als würde sie mir die Hand reichen, um mir über eine schwankende Brücke zu helfen. Und im Grunde war es auch so. „Kleiner Laden, aber die Musik ist gut, und die Leute sind ganz unterschiedlich. Außerdem ist es nicht zu teuer und kein Anmach-Schuppen.“

Wie süß von ihr, dass sie nach wie vor glaubte, ich hätte Angst vor Männern. Sie konnte ja nicht wissen, dass ich früher einmal mit vier verschiedenen Männern in ebenso vielen Tagen geschlafen hatte. Sie wusste nicht, dass es nicht der Sex war, vor dem ich mich fürchtete. Ihre Freundlichkeit ließ mich lächeln, und wir beschlossen, am Freitag nach der Arbeit dorthin zu gehen. Warum ich meine Meinung geändert hatte, wollte sie gar nicht wissen.

Ich legte auf und starrte noch immer die Frau im Spiegel an. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Sie tat mir leid, diese Frau mit dem dunklen Haar, diese Frau, die immer nur Schwarz und Weiß trug. Die hätte hübsch sein können, wenn sie nur mehr auf sich geachtet hätte, wenn sie nur nicht so intelligent wäre und so viel Geld verdiente. Sie tat mir leid, aber ich beneidete sie, weil sie zumindest weinen konnte und ich nicht.

2. KAPITEL

Eine Gestalt in Schwarz erwartete mich, als ich am frühen Donnerstagabend, ausnahmsweise zeitiger als sonst, von der Arbeit kam. Schwarzes Sweatshirt, die Kapuze über das schwarz gefärbte Haar gezogen. Schwarze Jeans und Turnschuhe. Schwarz lackierte Fingernägel.

„Hi Gavin.“ Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, und er stand auf.

„Hi Miss Kavanagh. Kann ich Ihnen beim Tragen helfen?“

Er nahm mir die Tüte aus der Hand, bevor ich protestieren konnte, und folgte mir hinein. Dort hängte er sie ordentlich an den Haken neben der Tür. „Ich bringe Ihnen Ihr Buch zurück.“

Gavin wohnte nebenan. Seine Mutter hatte ich noch nicht kennengelernt, aber ich sah sie oft, wenn sie zur Arbeit ging. Und ich hörte gelegentlich Stimmen durch die Wand, weshalb ich meinen Fernseher auch nie zu laut stellte.

„Hat es dir gefallen?“

Er zuckte mit den Schultern und legte das Buch auf den Tisch. „Nicht so gut wie das erste.“

Ich hatte ihm Der Ritt nach Narnia von C. S. Lewis ausgeliehen. „Viele Leute haben nur Der König von Narnia gelesen, Gav. Möchtest du das nächste auch?“

Der fünfzehnjährige Gavin sah aus wie ein typischer Möchtegern-Gothic mit seinen Jack-Skellington-Klamotten und dem dick aufgetragenen Kajal. Dabei war er ein ganz netter Junge, der gerne las und viele Freunde zu haben schien. Vor etwa zwei Jahren tauchte er an meiner Tür auf, um zu fragen, ob er meinen Rasen mähen dürfe. Da ich nur ein kleines Stückchen Rasen von der Größe eines Kleinwagens habe, brauchte ich eigentlich keinen Gärtner. Weil er so ernsthaft wirkte, heuerte ich ihn aber trotzdem an.

Inzwischen half er mir dabei, Tapeten herunterzureißen und den Boden abzuschleifen, und er lieh sich Bücher aus. Er war still, höflich und viel fröhlicher, als ein Gothic-Kid eigentlich sein dürfte. Und er war sehr geschickt darin, den restlichen Kleister abzukratzen, nachdem wir Tapetenschichten der letzten zwanzig Jahre von meinen Esszimmerwänden gerissen hatten.

„Ja, klar. Ich bringe es Ihnen am Montag zurück.“

Gavin folgte mir in die Küche, wo ich eine Schachtel mit Schokokeksen auf den Tisch stellte. „Bring es mir zurück, wann immer du magst.“

Er nahm sich einen Keks. „Brauchen Sie heute Abend bei den Tapeten noch Hilfe?“

Wir sahen einander an, und ich blinzelte. Er sah erschrocken aus. Ich musste mich wegdrehen, um ihn mit meinem Lachen nicht zu beleidigen.

„Ich bin fertig“, gelang es mir, zu antworten. „Allerdings könnte ich Hilfe beim Spachteln einer Wand brauchen, wenn du magst.“

„Klar, klar.“ Er klang erleichtert.

Ich steckte eine Tiefkühlpizza in den Ofen. „Und wie geht es dir, Gav? Ich habe dich schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.“

„Oh. Meine Mom … sie heiratet wieder.“

Ich nickte und deckte den Tisch mit Tellern und Gläsern. Wie sprachen meist nicht sehr viel, Gavin und ich, was uns beiden nur recht war. Er half mir dabei, mein Haus zu renovieren, und ich entlohnte ihn mit Keksen und Pizza, mit Büchern und einfach mit einem Ort, wo er hingehen konnte, wenn seine Mutter nicht da war, was recht oft der Fall zu sein schien.

Ich gab ein unverbindliches Murmeln von mir, während ich Milch in die Gläser füllte. Gavin nahm zwei Servietten aus dem Küchenschrank und wusch sich die Hände, bevor er sich setzte. Sein schwarzer Nagellack war abgesplittert.

„Sie sagt, der Typ wäre der Richtige.“

Nachdem ich geriebenen Käse und Knoblauchpulver auf den Tisch gestellt hatte, warf ich ihm einen Blick zu. „Das ist schön für sie.“

„Ja.“ Er zuckte die Achseln.

„Werdet ihr umziehen?“

Seine dunklen Augen in dem bleichen Gesicht wurden groß. „Ich hoffe nicht?“

„Das hoffe ich auch. Mein komplettes Esszimmer muss noch gestrichen werden.“ Ich lächelte ihn an, und nach kurzem Zögern lächelte er zurück.

Man musste nicht Gedanken lesen können, um zu ahnen, dass ihn etwas quälte, und auch nicht gerade ein Genie sein, um zu wissen, was. Ich hätte mich nun als Mentorin aufspielen, ihm verständnisvolle Fragen stellen können. Aber wir hatten keine solche Beziehung, in der man sich gegenseitig das Herz ausschüttete. Er war der Nachbarsjunge, der mir beim Renovieren half. Ich weiß nicht, was ich für ihn verkörperte, aber mit Sicherheit nicht seine Therapeutin.

Die Uhr am Ofen klingelte, und ich legte brutzelnde Pizzastücke auf die Teller. Er streute Knoblauchpulver darüber, ich geriebenen Käse. Beim Essen diskutierten wir über das Buch, das ich ihm geliehen hatte und über unsere Lieblings-Krimiserie im Fernsehen. Wir fragten uns, ob in der nächsten Folge der Name des Mörders verraten werden würde. Später räumten wir zusammen die Geschirrspülmaschine ein, und Gavin warf die Pizzareste weg. Als ich umgezogen aus dem ersten Stock wieder nach unten kam, hatte er bereits die Folie auf dem Boden ausgebreitet und eine Dose mit Voranstrichmittel geöffnet.

Dann hörten wir Musik und malten einige Zeit vor uns hin, bis er nach Hause gehen musste. Zuvor durchstöberte er meine Bücherregale und suchte sich ein weiteres Buch aus.

„Worum geht es hier?“ Er hob die ramponierte Ausgabe von Der kleine Prinz in die Höhe.

„Um einen kleinen Prinzen aus dem All.“ Das war die leichte Antwort. Jeder, der diese Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry gelesen hat, weiß, dass es um viel mehr geht.

„Cool. Darf ich das auch mitnehmen?“

Ich zögerte. Das Buch war ein Geschenk gewesen. Zugleich stand es aber auch seit Jahren im Regal und setzte Staub an, ohne dass ich es auch nur eines Blickes gewürdigt hatte. „Sicher.“

Da grinste er mich zum ersten Mal an diesem Abend an. „Toll. Danke, Miss Kavanagh?“

Nachdem er gegangen war, starrte ich einen Moment auf die leere Stelle in dem Regal, bevor ich anfing aufzuräumen.

In dieser Nacht träumte ich von einem Raum voller Rosen und wachte keuchend mit weit aufgerissenen Augen auf. Zwar verscheuchte ich den Traum, indem ich das Licht anknipste, aber gegen die Dunkelheit meiner Gedanken konnte es nichts ausrichten. Ein paar Minuten blieb ich liegen, bevor ich mich geschlagen gab und nach dem Telefonhörer griff.

„Haus der Lust.“

Ich musste lächeln. „Hallo Luke.“

Ich habe den Liebhaber meines Bruders nie kennengelernt. Die beiden leben in Kalifornien, eine ganze Welt entfernt von meinem sicheren Nest in Pennsylvania. Chad kommt nie nach Hause. Und ich hasse es, zu fliegen. Insofern hat ein Treffen bisher nicht stattgefunden.

Trotzdem waren wir einander nicht fremd, und seine nächsten Worte wärmten mich von innen. „Wie geht es meinem Mädchen?“

„Mir geht's gut.“

Luke schnalzte mit der Zunge, sagte aber nichts weiter. Kurz darauf war Chad am Apparat und benahm sich weniger rücksichtsvoll.

„Hier ist es schon nach Mitternacht, Süße. Was ist los?“

Chad ist mein jüngerer Bruder, was allerdings niemand glauben würde, so wie er mich bemuttert. Ich kuschelte mich tiefer in mein Kissen und zählte die Risse in der Decke. „Ich kann nicht schlafen.“

„Schlecht geträumt?“

„Ja.“ Ich schloss die Augen.

Er seufzte. „Was ist los, Mäuschen? Hackt deine Mutter wieder auf dir herum?“

Ich wies ihn nicht darauf hin, dass es sich dabei auch um seine Mutter handelte. „Sie hackt nicht mehr als sonst auf mir herum. Sie will, dass ich mit ihr gehe.“

Ich musste ihm nicht sagen, wohin. Chad gab einen empörten Ton von sich, ich konnte mir sein Gesicht genau vorstellen und musste lächeln – und das war ja schließlich der Grund, weshalb ich ihn angerufen hatte.

„Sag der alten Hexe, dass sie dich verdammt noch mal in Ruhe lassen soll. Sie kann selbst fahren, wohin zur Hölle sie auch immer will. Sie soll endlich ihre gemeinen Klauen von dir lassen.“

„Du weißt genau, dass sie nicht fahren kann, Chaddie.“

Er ließ eine Tirade von Flüchen und farbenfrohen Beleidigungen los.

„Deine Kreativität und deine Vehemenz sind beeindrucken?“, erklärte ich ihm. „Du bist ein wirklicher Meister der Beschimpfungen.“

„Und, geht es dir jetzt besser?“

„Wie immer.“

Er schnaubte. „Was gibt es sonst noch?“

Ich dachte an den Mann, den ich im Sweet Heaven getroffen hatte. „Nichts.“

Chad schwieg, um mir die Gelegenheit zu geben, noch etwas hinzuzufügen, und als ich es nicht tat, schnaubte er erneut. „Ella, Baby, Süße, Schnuckel. Bei dir ist es mitten in der Nacht, und du rufst mich doch bestimmt nicht an, um über die alte Hexe zu sprechen. Da ist noch etwas. Raus damit.“

Ich liebe meinen Bruder von ganzem Herzen, aber ich konnte ihm auf keinen Fall von meiner lüsternen Fixierung auf einen Fremden erzählen, der einen Hang zu merkwürdigen Krawatten und schwarzen Lakritzen hatte. Manche Dinge sind einfach zu persönlich, um sie mit jemandem zu teilen, nicht einmal mit jemandem, der deine dunkelsten Geheimnisse kennt. Ich murmelte etwas über die Arbeit und mein Haus, was er als Antwort nur zögerlich akzeptierte, aber immerhin.

Danach sprachen wir über seine Arbeit in einem Altenheim, von seinen Plänen, Lukes Familie zu treffen und über den Hund, den die beiden sich anschaffen wollten. Er führte ein angenehmes kleines Leben, mein Bruder. Guter Job. Hübsches Haus. Ein Partner, der ihn liebte und unterstützte. Ich entspannte mich, während er sprach, mein Körper verschmolz mit dem Bett, und so langsam bekam ich den Eindruck, doch wieder einschlafen zu können.

Als er die Bombe platzen ließ.

„Luke möchte Kinder.“ Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden.

Ich mag ja gelegentlich ein wenig eigenartig sein, aber selbst ich wusste, dass die angemessene Antwort auf diese Bekanntmachung nicht lautete: Was zum Teufel soll das?, sondern eher: Oh, das klingt gut.

Ich sagte nichts von beidem. „Was möchtest du denn, Chaddie?“

Er seufzte. „Keine Ahnung. Er meint, ich wäre ein wunderbarer Vater. Ich bin mir da nicht so sicher.“

Ich hatte keinen Zweifel daran, wusste aber auch, warum ihm die Vorstellung Angst machte. „Du hast sicher viel Liebe zu geben.“

„Ja, aber Kinder … Kinder brauchen auf jeden Fall jede Menge … davon.“

„Stimmt.“

Wir schwiegen eine Weile, durch die Entfernung getrennt, aber in unseren Gefühlen vereint. Schließlich räusperte er sich. Als er wieder sprach, klang er wie immer.

„Wir denken ja bisher nur darüber nach. Ich bin der Meinung, wir sollten uns erst mal diesen Hund anschaffen. Sehen, wie wir damit zurechtkommen.“

Nicht einmal für ein Haustier würde ich die Verantwortung übernehmen wollen.

„Wird schon werden, Chad. Und egal, wofür du dich entscheidest, du weißt, dass ich immer für dich da bin.“

„Tante Ella.“ Er lachte.

„Tante Elle“, korrigierte ich ihn.

„Elle“, bestätigte er. „Ich hab dich lieb, mein Hasenschnäuzchen.“

Das war einer seiner groteskeren Kosenamen, aber ich wollte nicht mit ihm zanken. „Ich hab dich auch lieb, Chad. Gute Nacht.“

Nachdem wir aufgelegt hatten, begann ich zu grübeln. Ein Kind? Mein Bruder … ein Vater?

Mit dem Bild von lachenden Babys vor Augen schlief ich wieder ein, und das war bedeutend angenehmer, als rote Rosen zu sehen.

Der Freitag kam schneller, als ich erwartet hatte. Das Blue Swan kannte ich nicht, aber es war dort genau so, wie Marcy gesagt hatte. Man hatte eher das Gefühl, in einem intimen kleinen Café mit Tanzfläche zu sein, Dancefloor-Musik, angenehmes blaues Licht, weiche Sofas, eine interessante Auswahl an Drinks, und an der schwarz gestrichenen Decke blinkten Sterne.

Marcy stellte mich ihrem neuen Freund vor, Wayne. Er sah aus, wie man als leitender Angestellter aussieht, mit Hundert-Dollar-Haarschnitt und schicker Designerkrawatte, einfarbig, ohne Totenköpfe und gekreuzte Knochen. Er schüttelte mir die Hand und, das muss man ihm lassen, nahm meine Brüste nicht übertrieben unter die Lupe. Er bezahlte sogar meine erste Margarita.

Marcy grinste. „Willst du es mal so richtig krachen lassen, Elle?“

„Ach, ein Drink ist schon in Ordnung. Nicht jeder ist so 'ne kleine Schnapsdrossel wie du, Babe.“ Was wie eine Beleidigung hätte klingen können, klang aus Waynes Mund liebevoll, er hatte den Arm hinter ihr auf die Lehne gelegt und spielte mit ihren langen Locken. „Glaub mir, Elle, wir werden Marcy später raustragen müssen.“

Marcy schnitt eine Grimasse und verpasste ihm einen Stoß, wirkte jedoch überhaupt nicht verärgert. „Hör gar nicht hin.“

„Hey, solange du mich hinterher flachlegst“, sagte Wayne, “ist es mir völlig egal, wie betrunken du bist …“

Diesmal schlug sie ihn schon ernsthafter. „Hey?“

Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu, aber ich zuckte mit den Schultern, nicht so verlegen, wie sie offenbar erwartete. In Wahrheit trank ich viel zu gern, als dass ich eine ernsthafte Trinkerin sein könnte. Mir gefiel das Gefühl, alles zu vergessen, selbst mein stetiges Bedürfnis, zu zählen und zu rechnen wurde davon verjagt.

Alkohol ist die Schlinge, an der mein Vater sich nach wie vor versucht aufzuhängen. Ich kann verstehen, warum er das tut. Ich meine, immerhin ist er mit meiner Mutter verheiratet. Und nun, als Rentner mit Mitte sechzig, ist der Alkohol Beruf und Hobby zugleich, vielleicht auch sein Schutzschild. Ich weiß es nicht. Wir sprechen nicht darüber. Wir sind nicht die einzige Familie, die alles Mögliche unter den Teppich kehrt, aber wen interessieren schon andere Familien, wenn man mit seiner eigenen auskommen muss?

„Also, du bist eine Kollegin von Marcy?“ Damit sammelte Wayne noch mehr Pluspunkte, denn die Frage klang ehrlich interessiert.

„Ja. Marcy ist zwar in der Bilanzbuchhaltung und ich kümmere mich um die Buchführung großer Unternehmen, aber wir arbeiten für dieselbe Firma.“

Wayne lachte. „Ich kümmere mich eher um Morde und Hinrichtungen.“

„Wayne!“ Marcy verdrehte die Augen. „Er meint …“

„Fusionen und Übernahmen, hab schon kapiert.“

Wayne wirkte sehr beeindruckt. „Du kennst American Psycho?“

„Klar.“ Ich nippte an meinem Getränk.

„Wayne hält sich für Patrick Batema?“, erklärte Marcy. „Allerdings ohne die ärgerliche Angewohnheit, Prostituierte mit einer Kettensäge aufzuschlitzen.“

„Nun“, entgegnete ich gedehnt, “niemand ist perfekt.“

Dafür schenkte er mir ein Lächeln. „Du, Marcy, ich mag deine Freundin.“

Sie sah mich an. „Ich auch.“

Manchmal teilt man einen besonderen Augenblick mit jemandem, der nichts damit zu tun hat, wer man ist oder wie man lebt. Marcy und ich kicherten so mädchenhaft, wie ich es nicht gewohnt war, aber ich genoss es trotzdem. Wayne betrachtete uns abwechselnd, dann zuckte er angesichts unserer weiblichen Albernheit die Schultern.

„Auf Morde und Hinrichtungen“, rief er begeistert und hob dabei sein Bierglas. „Und auf alles Materialistische und Oberflächliche.“

Wir stießen miteinander an. Wir tranken. Wir unterhielten uns, obwohl wir über die Musik hinwegschreien mussten. Ich entspannte mich, der Alkohol und die Musik lockerten meine verkrampften Schultern.

„Jetzt bin ich dran“, protestierte ich, als Wayne eine weitere Runde bestellen wollte.

Er hob die Hände. „Ich will keinen Streit. Meine Mutter hat mir beigebracht, dass Frauen immer recht haben. Also los, Miss Kavanagh, du kannst die nächste Runde besorgen. Ich bin Manns genug, um die Großzügigkeit einer Frau zu genießen.“

„Oho!“, rief Marcy. „Du meinst, du bist schon so angetrunken, dass du keine Lust mehr hast, zur Bar zu gehen.“

Wayne zog sie zu sich für einen Kuss, der mir das Gefühl gab, ein Spanner zu sein. „Das auch.“

Das war mein Stichwort, um sie eine Weile allein zu lassen. Ich musste sowieso mal aufstehen, um abzuschätzen, wie beschwipst ich schon war. Zwei Drinks machten mir inzwischen deutlich mehr zu schaffen als noch vor ein paar Jahren.

Als ich bei der Theke ankam, war gerade jemand zur Seite gerückt, und der Barkeeper schenkte mir umgehend seine Aufmerksamkeit. Ich wusste, dass er fürs Flirten genauso bezahlt wurde wie fürs Mixen von Getränken, und doch wurde mein ganzer Körper bei seinem Lächeln mit Wärme durchflutet. Ich bin genauso wenig immun gegen so etwas wie alle andere Frauen. Ich lächelte zurück und bestellte zwei Bier und eine Flasche Wasser für mich.

„Das will sie gar nicht. Gib ihr einen Jameson.“

Ich drehte nicht mal den Kopf, um den Mann zu sehen, der mich seit drei Wochen im Geiste verfolgte, nickte nur, weil der Barkeeper auf mein Einverständnis wartete.

„Hallo“, sagte der Mann aus dem Sweet Heaven, und jetzt drehte ich mich um.

„Hallo.“

In den letzten Stunden war es richtig voll geworden, die Menschenmenge drückte uns aneinander. Mit einem verwirrenden Lächeln blickte er an mir herab. In dem blauen Neonlicht wirkten seine Augen dunkler, als ich sie in Erinnerung hatte.

„Wie schön, Sie hier zu treffen.“

Meine Finger schlossen sich um das Whiskeyglas, aber ich trank nicht. „Ja.“

Sein Blick wanderte über mein Gesicht wie ein Streicheln. Jemand stieß mich von hinten an, er ergriff meinen Arm knapp über dem Ellbogen, damit ich nicht stolperte. Er ließ nicht los.

„Wollen Sie den Whiskey nicht trinken?“ Er deutete mit dem Kinn auf das Glas, ohne mich aus den Augen zu lassen.

„Ich habe schon zu viel getrunken.“

Noch mehr Leute begannen von hinten zu schieben, wir wurden regelrecht aneinandergepresst. Er ließ die Hand meinen Arm hinunterwandern und legte sie auf meine Taille. Die Bewegung war so selbstverständlich, dass jeder Beobachter geglaubt hätte, wir würden uns seit Jahren kennen, eine Bewegung so unverhohlen, dass mir die Luft wegblieb.

„Ach so, Sie möchten ein braves Mädchen sein.“

Jedem anderen Mann, der mich Mädchen genannt hätte, hätte ich auf den Fuß getreten und vielleicht mein Getränk ins Gesicht geschüttet. Doch in seinem Fall lächelte ich. Wir kamen einander noch näher wie zwei Magnete, ohne dass die Menge uns hätte schieben müssen.

„Hängt von Ihrer Definition des Wortes brav ab.“

Seine Finger streichelten über meine Hüfte. „Flirten Sie mit mir?“

„Hätten Sie das gerne?“

„Möchten Sie tun, was ich gerne hätte?“ Bei dieser Frage, in mein Ohr geflüstert, begann mein Puls zu hämmern.

Wir standen bereits Bauch an Bauch zusammen. Sein Atem streichelte über mein Ohr und meinen Nacken.

Ich nickte. „Ja.“

„Ich möchte, dass Sie den Whiskey trinken.“

Ohne zu zögern, trank ich das Glas aus. Er brannte in meinen Eingeweiden und schickte flüssiges Feuer durch sämtliche Adern. Er hatte sich nicht gerührt, nur seine Hand lag jetzt über meinem Steißbein.

„Machen Sie Ihr Haar auf.“

Obwohl es ein Befehl war, klang es nach einer Bitte, und ich griff nach der Spange, öffnete sie und ließ mein Haar über die Schultern auf den Rücken fallen. Es streifte auch sein Gesicht, das noch immer sehr nah an meinem war.

„Tanzen Sie mit mir.“

Um mir in die Augen zu sehen, wich er ein wenig zurück, sein Lächeln war jetzt weniger irritierend, sein Blick leuchtender. Hungriger. Er nahm seine Hand nicht weg.

„Das ist es … was Sie wollen?“ Meine Worte klangen schüchtern, was gar nicht in meiner Absicht gelegen hatte. Sie sollten heißblütig klingen und zugleich verspielt.

Er nickte ernst, starrte mich lange an, und ich sah nichts anderes mehr. Spürte nichts anderes mehr als die Stellen meines Körpers, die gegen seinen drückten.

„Ja, das will ich.“

Also gab ich ihm, was er wollte. Auf der Tanzfläche war wenig Platz, aber die meisten tanzten sowieso nicht richtig. Sprangen vielleicht im Rhythmus auf und ab oder schlängelten den Körper, aber sie tanzten nicht.

Er zog mich in die Mitte, seine Hand lag auf meiner Hüfte, als wäre sie dafür gemacht. Sein Schenkel glitt zwischen meine Beine. Eine Unterhaltung war bei der dröhnenden Musik nicht möglich. Der Bass hämmerte seinen Rhythmus in meinen Magen, in meinen Hals, zwischen meine Beine. Die Menschenmenge wogte gegen uns wie das wilde Meer gegen Felsen.

Er lächelte nicht mehr, als ob es sich um eine ernste Sache handelte. Als ob er außer uns nichts wahrnehmen könnte, als ob seine Welt sich auf mich allein begrenzte. Ich erzitterte unter seinem Blick.

Als er die andere Hand etwas höherschob, fast unter meine Brust, erschrak ich ein wenig, sah auf, sah in diese Augen voller Licht und Dunkelheit und verlor mich darin.

Wir bewegten uns zusammen, meine Hand wanderte von seiner Schulter in seinen Nacken. Sein sandfarbenes Haar kitzelte mich. Die Wärme seiner Hand brannte sich durch meine Bluse. Hitze jagte durch meinen Bauch, da, wo wir uns aneinanderpressten.

Es war lange her, dass ich mit jemandem getanzt hatte, und eine Ewigkeit, seit mich ein Mann berührt hatte, seit ich mein eigenes Begehren in den Augen eines anderen widergespiegelt sah. Mir stockte der Atem, ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, was er so aufmerksam beobachtete wie eine Katze, die eine Maus mit ihrem Blick fixiert.

Er rutschte mit der Hand höher meinen Rücken hinauf, um in mein Haar zu greifen. Zog meinen Kopf zurück und strich mit den Lippen über meinen Hals. Ich spürte, wie ich keuchte, konnte es aber nicht hören. Die Menschenmenge war jetzt wie ein einziger Körper, der sich zum lüsternen Beat der Musik bewegte. Ein einziges Wesen, in dessen Mitte wir uns befanden, so fest aneinandergepresst, dass ich nicht mehr wusste, wo ich aufhörte und er begann. Er berührte meine Brust durch den Stoff der Bluse. Ich blinzelte kurz und sah nichts als sein in Blau und Grün getauchtes Gesicht, über das die Farben im Rhythmus der Musik wischten.

Niemand achtete auf uns. Niemand sah uns. Wir waren Teil eines Ganzen geworden und blieben doch davon getrennt. Das Pärchen neben uns knutschte, während sie sich streichelten und drückten. Die Tanzfläche hatte sich in eine Orgie der Lust verwandelt, ich konnte es riechen, schmecken, ich sah es in seinen Augen und wusste, dass er es in meinen sah.

Schweiß lief mir den Rücken hinunter und schimmerte auf seiner Stirn. Nur noch Hitze und Rhythmus existierten. Sein Schwanz drückte sich fest gegen meinen Bauch, meine Lippen teilten sich, und er betrachtete meinen Mund, angestrengt, fast als ob er Schmerzen hätte.

Er strich über meinen Rücken und meinen Hintern, drückte mich gegen seine Erektion, und ich war verloren. Hatte mich in seinen Augen verloren, in seinen Berührungen, in der hämmernden Musik und meiner Lust. In meinem eigenen Begehren, das ich so lange geleugnet hatte und gegen das ich jetzt nicht länger ankämpfen konnte.

An einem kurzen Zucken seines Blicks erkannte ich den exakten Moment, in dem er meine Reaktion wahrnahm. Hätte er selbstgefällig gegrinst oder gezwinkert, wäre ich geflohen. Stattdessen kniff er die Augen ein wenig zusammen, auf seinem Gesicht malte sich ein Ausdruck der Entschlossenheit und hilflosen Bewunderung. Er sah mich an, als wäre es ihm egal, wenn die Musik niemals enden oder er niemals mehr eine andere Frau ansehen würde.

Er tastete über meinen Schenkel und schob meinen Rock ein wenig nach oben, bis er mit der Hand daruntergleiten konnte. Dann drückte er die Handfläche gegen mein Höschen. Wieder ein Wogen der Menge, und seine Finger glitten unter den seidigen Stoff in meine heiße Nässe.

Seine Augen weiteten sich ein klein wenig, seine Lippen öffneten sich zu einem lautlosen Stöhnen oder Keuchen. Ich zuckte zusammen, als er begann, meine Klitoris zu streicheln. Wenn die Menschen um uns herum nicht gewesen wären, wäre ich gestolpert. Die Berührung ging mir durch Mark und Bein. Ich klammerte mich an seinen Schultern fest, ich tat ihm weh, konnte es aber nicht ändern. Bei jedem Streicheln grub ich die Fingernägel tiefer in seine Haut.

Die ganze Zeit hatte er entschlossen und neugierig gewirkt, doch als er mich jetzt in Kreisen streichelte, sah er irgendwie … stolz aus. Ein anderes Wort fiel mir nicht ein, was kein Wunder war.

Denn für mich es gab auf der Welt nur noch diesen Mann. Seine Hände. Seine Augen. Sein Schwanz, der sich noch immer gegen meine Hüfte presste. Er leckte sich die Lippen, und meine feuchte Hitze unter seinen Fingern reagierte sofort. Wieder griff er in mein Haar und verhinderte so, dass ich zurückweichen konnte. Wir tanzten, jede Bewegung drückte mich gegen seine Hand, bis ich glaubte, es nicht mehr ertragen zu können.

Genau so hatte ich mich schon seit Wochen gefühlt. Atemlos, nach Erlösung suchend, nicht in der Lage, mich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf das wunderschöne Gefühl zwischen meinen Beinen. Meine Brustwarzen zogen sich zusammen, sein Blick fiel auf sie.

Es war einfach unglaublich, unmöglich, und schließlich legte ich meine Hand auf seine Brust und schob ihn von mir. Ich konnte das nicht. Ich konnte nicht zulassen, dass ein Fremder mich mitten auf der Tanzfläche in den Himmel schickte, nicht so, so bin ich nicht …

Aber ich war kurz davor. Oh ja, ich war kurz davor, zu kommen, hier und jetzt, über den Rand zu kippen, so schnell und so heftig, dass ich glaubte, vor Lust ohnmächtig werden zu müssen.

Sein Atem fuhr heiß über meine Haut, als er an meinem Ohr knabberte und etwas flüsterte, was ich bei dem Lärm gar nicht hätte verstehen dürfen: „Komm.“

Ich zersplitterte in tausend Teile, biss mir auf die Lippe, um den Schrei zu unterdrücken, der in meiner Kehle aufstieg. Das Blut pulsierte in meinen Ohren, meine Perle zuckte wieder und wieder, und jedes Mal stöhnte ich leise auf.

Er nahm mich fester in den Arm, hielt mich fest, während ich mich an seine Hand drückte, mit bebendem und zuckendem Körper. Er küsste mich zart aufs Kinn, seine Finger hörten auf, sich zu bewegen, seine Hand umhüllte mich nur noch genau richtig, behielt den Druck bei, ohne den übersensiblen Stellen Schmerz zuzufügen.

Ich versuchte zu atmen, was mir zunächst nicht gelang. Ich versuchte es erneut, und da atmete ich auch seinen Duft ein. Ich wusste, ich würde nie mehr in der Lage sein, blaue und grüne Neonlichter zu sehen, ohne an seinen männlichen Duft zu denken.

Ich war sicher, dass alle um uns herum wussten, was gerade geschehen war, doch niemand ließ sich etwas anmerken. Die Menge schwankte nach wie vor in ihrem eigenen orgiastischen Rhythmus. Der Mann, der vor mir stand, legte einen Finger unter mein Kinn und hob es an. Dann beugte er sich herab, um mich zu küssen. In letzter Sekunde drehte ich den Kopf weg, und seine Lippen landeten auf meiner Wange.

„Okay“, sagte er, glaubte ich zumindest, denn er war bei der Musik kaum zu verstehen.

„Hey, pass verdammt noch mal auf, wo du hintrittst?“

„Pass du besser auf, Idiot?“

Zwei Tänzer waren zusammengestoßen. Mit erhobenen Fäusten und roten Gesichtern begannen sie eine andere Art von Tanz, der zu Blutvergießen und eingeschlagenen Zähnen führte.

Mein Partner zog mich am Ellbogen weg, weg von der Tanzfläche in eine kleine Nische. Ich sah mich nach Marcy und Wayne um und entdeckte die beiden lachend und küssend an der Theke.

In der Nische gab es eine halbkreisförmige Bank, er setzte sich neben mich. Inzwischen hatte mein Herzschlag sich beruhigt, meine Beine waren wieder fest, und ich konnte wieder frei atmen. Ich bestellte bei der Bedienung Mineralwasser mit einem Stück Zitrone. Er bestellte dasselbe.

Ich konnte ihn nicht ansehen, obwohl ich Sekunden vorher noch unfähig gewesen war, ihn nicht anzusehen. Eine Hitze, die nichts mit der Raumtemperatur zu tun hatte, kroch über meine Brust in den Hals hinauf bis in die Wangen.

Schon oft hatte ich Dinge getan, auf die eine Nutte stolz gewesen wäre, aber zumindest nie in der Öffentlichkeit. Niemals und auch nie mit jemandem, dessen Namen ich nicht kannte. Mit Fremden ja, Männern, die ich erst seit ein paar Stunden kannte, aber selbst wenn ich ihnen immer einen falschen Namen nannte, so wollte ich auf jeden Fall den ihren erfahren.

Ich schwieg, bis die Bedienung die Getränke brachte und jeder von uns einen Schluck getrunken hatte. Am liebsten hätte ich das kalte Glas an meine Stirn gedrückt, unterließ es aber. Ich saß steif auf der mit Kunstleder bezogenen Bank, mir überaus der Nähe seines Armes bewusst und der Tatsache, dass wir uns jederzeit hätten berühren können.

„Was war das?“, fragte er.

Hier in der Nische musste er mich nicht anbrüllen, damit ich ihn verstand. Er musste sich auch nicht vorbeugen, um in mein Ohr zu raunen. Eine Zeit lang sagte ich nichts. Ich hatte den Eindruck, dass er mein Gesicht berühren oder einen Arm um meine Schulter legen wollte, und versteifte mich. Er streichelte mein Haar, strich es hinter meine Schulter und betrachtete mein Profil.

„Wie heißt du?“

So eine simple Frage, eine Frage, die man auf Cocktailpartys stellt und in Parks, eine internationale Frage, die ständig überall auf der Welt gestellt wird. Und vollkommen normal in einem Klub wie hier, in dem Namen und Telefonnummern ausgetauscht wurden wie Kochrezepte.

„Ich heiße Elle.“

Daraufhin schwieg er, lange genug, dass ich aufgab und ihn ansah. Er lächelte und spielte mit einer Haarsträhne.

„Ich heiße Dan.“

Er streckte eine Hand aus. Gut erzogen wie ich war, ergriff ich sie. Er zog mich zu sich heran.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Elle.“

„Danke für das Getränk. Ich sollte jetzt gehen.“

Ich tat es aber nicht. Ich sah ihn an. Er sah mich an.

„Was war das?“, fragte er wieder.

„Ich weiß nicht.“ Ich schüttelte den Kopf, mein Haar fiel wieder nach vorn.

„Möchtest du es herausfinden?“ Er kam näher.

Jetzt berührten sich unsere Schenkel, er hielt meine Hand noch immer fest. Die Hitze seines Körpers drang durch meine Kleider, doch ich zitterte.

Ich kannte Erregung. Ich kannte Begehren. Lust. Aber das hier war etwas anderes, alles drei zusammen und noch etwas anderes. Dies war, als würde man wie Alice im Wunderland kopfüber in das Kaninchenloch stürzen, es war, wie am Rand einer Klippe zu stehen und sich auf den Sprung vorzubereiten, dies war nichts und alles auf einmal.

„Ja“, murmelte ich. „Ich will es herausfinden.“

Er nahm meine Hand, zog sie unter den Tisch und legte sie auf seinen Schoß. Vermutlich keuchte ich auf wie eine Jungfrau, die ich nun wirklich nicht war. Er drückte meine Handfläche auf die Ausbuchtung seiner Hose. Er war nicht so grob, meine Hand zu bewegen oder sich daran zu reiben. Er näherte sich erregend meinem Ohr. „Ich kenne dich schon immer, oder?“

Ich konnte nur nicken und die Augen schließen. Der Stoff seiner Hose fühlte sich weich unter meinen Fingern an. Ich bewegte die Hand, er zuckte zusammen, legte eine Hand in meinen Nacken und küsste mein Ohrläppchen. „Wer bist du?“, fragte er heiser. „Ein Engel? Oder vielleicht … der Teufel?“

Ich drehte den Kopf, um ihm ebenfalls ins Ohr flüstern zu können. „Ich glaube weder an Engel noch an den Teufel.“

Langsam streichelte ich ihn, sehr sanft, bog und streckte meine Finger so geringfügig, dass niemand etwas bemerken konnte. Er wurde härter. Erregter. Ich fuhr den Umriss seines Schwanzes nach, wanderte dann tiefer und liebkoste die weichere Wölbung darunter.

Der Griff um meinen Nacken verstärkte sich. „Du siehst aus wie eine Göttin, wenn du kommst. Wusstest du das?“

Sex lässt selbst den eloquentesten Menschen solchen Unsinn reden, aber das Schöne daran ist, dass Sex dafür sorgt, die wahre Bedeutung in diesen Worten zu erkennen, in Worten, die in jeder anderen Situation einfach nur lächerlich gewirkt hätten.

„Ich bin keine Göttin.“

„Keine Göttin. Kein Engel. Kein Teufel.“ Sein nach Whiskey riechender Atem traf mich. Mit der Zunge liebkoste er mein Ohr, und ich erschauerte wieder. „Bist du ein Geist? Du kannst einfach nicht real sein.“

Ich nahm seine Hand und legte sie auf mein Herz, das erneut wie wild zu schlagen begonnen hatte. „Ich bin real.“

Mit dem Daumen strich er über meine Brustspitze, die sich sofort aufrichtete. Dann zog er die Hand weg und schob meine von seinem Schoß. Er rutschte auf der Bank ein wenig nach hinten. Das Haar hing ihm zerzaust in die Stirn. Sein Gesicht war ernst, das Neonlicht blinkte in seinen Augen.

Er griff in seine Hemdtasche, legte seine Visitenkarte auf den Tisch und schob sie in meine Richtung.

„Wenn ich das nächste Mal sehe, wie du kommst, will ich in dir sein.“

Dann stand er auf und ließ mich allein.

3. KAPITEL

„Daniel Stewart.“ Sein Name war mit eleganten schwarzen Buchstaben auf das schwere cremefarbene Papier geprägt. Teuer, elegant und ohne jeglichen Hinweis auf den Humor, den er mir im Sweet Heaven gezeigt hatte. So viel und so wenig konnte man also von einer Visitenkarte ablesen.

Ich wartete eine Woche, bevor ich ihn anrief.

„Nächstes Mal“, hatte er gesagt, als ob er keine Sekunde daran zweifelte, dass es ein nächstes Mal gab.

Diese schlichte Zuversicht stieß mich ab, aber noch mehr irritierte mich die Tatsache, dass ich mir ein nächstes Mal wünschte. Ich wollte ihn wiedersehen, ich wollte seine Hände auf mir spüren, wollte kommen, wenn er in mir war, so, wie er es gesagt hatte.

All das wollte ich, und es machte mir Angst. Seinen Namen zu wissen und was er arbeitete, ließ mich Nacht für Nacht schlaflos in meinem Bett hin und her wälzen. Trösten konnte ich mich nur mit meiner Hand, mit einem Finger, während ich mir sein Gesicht vorstellte und seinen Duft. Ich kam schnell, allein, keuchend und unerfüllt, und ich wusste, es würde ein nächstes Mal geben, auch wenn es sieben Tage dauerte, bis ich nachgab.

Seine Sekretärin nahm ab. Ich bildete mir ein, aus ihrer Stimme Selbstgefälligkeit, Neugier und Eifersucht herauszuhören. Trieb er es mit seiner Sekretärin? Hielt sie mich für seine Klientin, Kollegin, Schwester, Geliebte? Sie fragte nur nach meinem Namen und ob Mr. Stewart wisse, worum es ginge, und als ich Ja sagte, stellte sie mich ohne zu zögern durch.

„Elle.“ Seine warme Stimme war wie Honig, der in Tee tropft. „Ich habe gerade an dich gedacht.“

„Wirklich?“

Meine Bürotür war zum Glück geschlossen. Ich lehnte mich zurück, wickelte das Telefonkabel um den Finger und schloss die Augen.

„Wirklich.“

„Und was hast du gedacht?“

„Ich dachte“, antwortete er, und seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken, “dass du mich wohl nicht anrufst.“

Darüber musste ich lächeln. Er hatte doch nicht wirklich daran gezweifelt? „Du wusstest, dass ich mich melden würde.“

„Stimmt nicht. Ich dachte, du hättest mich vergessen.“

„Habe ich nicht.“

„Dann treffen wir uns heute zum Lunch.“

Ich fand, es hatte keinen Sinn, Theater zu spielen. „Ja.“

„Gut.“

Er gab mir die Wegbeschreibung zu einem Restaurant, das ich kannte. Ich schrieb aber trotzdem, malte Buchstaben mit meiner zittrigen Hand. Schließlich legte ich auf, nicht mehr sicher, wie das Gespräch geendet hatte, und als ich auf das Blatt sah, entdeckte ich, dass ich wieder und wieder seinen Namen geschrieben hatte, in einer Handschrift, die einer Fremden zu gehören schien.

„Daniel Stewart. Daniel Stewart. Daniel Stewart.“

Das Restaurant La Belle Fleur hatte einen protzigen Namen, aber trotzdem gutes Essen, außerdem befand es sich auf halbem Weg zwischen seinem und meinem Büro. Mit dem Taxi brauchte ich fünfzehn Minuten. Ich hatte meine Sekretärin gebeten, meine Nachmittagstermine zu verschieben.

„Miss Kavanagh?“ Der Oberkellner lächelte mich an. „Sie sind mit Mr. Stewart verabredet?“ Ich muss überrascht gewirkt haben, denn er fuhr mit gesenkter Stimme fort, als wollte er mir ein geheimes Rezept verraten: „Er hat Sie sehr genau beschrieben.“

„Ah.“ Ich nickte. „Verstehe.“

Der kleine Mann mit der perfekten Frisur und einem winzigen passenden Schnurrbart strahlte. „Hier entlang.“

Ich hatte schon ein Dutzend Mal im La Belle Fleur gegessen. Die Atmosphäre war nett, das Essen ordentlich und nicht zu teuer, trotz der schicken Einrichtung. Ich entdeckte einige Gesichter, die ich kannte, und nickte ihnen lächelnd zu.

Mit jedem einzelnen Schritt besiegte ich meine zitternden Beine. Daniels Name hallte in meinen Kopf wider, während ich dem Oberkellner an den weiß gedeckten Tischen vorbei in einen kleineren Hinterraum folgte.

„Mr. Stewart hat einen Tisch im Raum Jolie reserviert.“

Und da saß er, Daniel Stewart, an einem kleinen Tisch in der Ecke. Er stand auf, als ich eintrat. Er trug einen dunkelblauen Anzug, ein blassblaues Hemd und eine Krawatte mit einer Hula-Tänzerin darauf. Er kam mir nicht entgegen, machte keine Anstalten, mich zu berühren, und ich war zugleich erleichtert und enttäuscht.

„Hallo.“

Nach allem, was er mit mir im Blue Swan angestellt hatte, war es albern, so schüchtern zu sein, und umso alberner, weil ich wusste, ich würde es ihn jederzeit wieder tun lassen. Wir starrten uns über den elegant gedeckten Tisch hinweg an, bis der Oberkellner sich räusperte und meine Aufmerksamkeit auf den Stuhl lenkte, den er für mich zurückgezogen hatte. Ich setzte mich. Dann starrten wir uns noch ein paar Sekunden an, bevor er schließlich sprach.

„Ich war nicht sicher, ob du kommen würdest.“

Ich senkte den Blick, studierte jeden einzelnen Tropfen in meinem Wasserglas und sah wieder zu ihm auf. „Ich war mir auch nicht sicher.“

„Ich nehme ein Glas Merlot“, sagte Dan zum Kellner, der neben uns aufgetaucht war. „Und die Dame nimmt einen Cabernet. Und für uns beide Steak, Pommes frites und den Salat mit Hausdressing.“

Dann lehnte er sich zurück und betrachtete mich, als ob er auf etwas wartete. Ich konnte mir vorstellen, auf was. Ich nippte an meinem Wasser, bevor ich es ihm zugestand. „Sollte ich mich jetzt geschmeichelt oder beleidigt fühlen, dass du davon ausgehst, zu wissen, was ich mag?“

„Ich weiß, was du magst, Elle.“ Sein Lächeln war ungezwungen.

„Tatsächlich!“ Ich kannte dieses Spiel, ich hatte es schon zuvor gespielt. Ich gewann immer. Sie wussten nie, was ich wirklich wollte.

Dan nickte, seine Augen wanderten über mein Gesicht, als ob er sich jede Linie einprägen wollte. Und dann, ohne sich vorzubeugen oder auch nur die Stimme zu senken, sagte er in einem Ton, als ob er über das Wetter spräche: „Du willst, dass ich dich gegen eine Hauswand gedrückt nehme.“

Ich sah ihn an, meine Finger umklammerten das Wasserglas. Rutschig. Kalt. Ich schluckte, mein Hals war trocken, aber ich trank nicht.

„Nach dem Essen“, fuhr er fort, und in dieser Sekunde wusste ich, dass ich endlich den Richtigen gefunden hatte.

Wir unterhielten uns. Er hatte eine angenehme Art, Fragen zu stellen. Er drängte nicht, übte keinen Druck aus, verurteilte nicht. Er fragte mich nach meinem Job, meinen Hobbys und ging nicht mehr weiter darauf ein, was ich von ihm wollte oder nicht. Es spielte auch gar keine Rolle.

Nach einer Stunde war ich so erregt, dass nur das Überschlagen meiner Beine mir einen Schauer durch den Körper jagte. Meine Brustwarzen richteten sich unter meinem Satin-BH auf, der zwar verhinderte, dass man es sah, sie aber zugleich gnadenlos reizte. Ich war so nass, dass meine Schenkel übereinanderglitten. Meine Hände zitterten vor Lust, und ich ballte sie zu Fäusten, damit er es nicht bemerkte.

„Nun“, sagte er, nachdem der Kellner abgeräumt und die Rechnung dagelassen hatte. „Du gehst jetzt auf die Toilette.“

Sein Blick ließ mich nicht los. Nach einem Moment nickte ich. „Ja.“

Dan lächelte. „Ich werde zahlen.“

„Ja.“

„Und du wartest auf mich, denn es ist das, was du willst.“

Wieder sagte ich Ja, doch meine Stimme war so heiser, dass ich kaum zu verstehen war. Ich stand auf, einen Augenblick nicht sicher, ob meine Beine mich tragen würden. Ich hielt mich kurz an der Stuhllehne fest, legte die Serviette auf den Tisch, nahm meine Handtasche und lief dann durch einen kleinen Flur zur Toilette.

Ich lächelte einer Frau zu, die zwar mein Lächeln erwiderte, doch mein Gesicht musste etwas von meiner Anspannung zeigen, denn sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu und wusch sich hastig die Hände. Ich wusch meine ebenfalls, nur um etwas zu tun, während ich wartete.

Mein Herz hämmerte laut in meinen Ohren. Ich spritzte mir Wasser auf Wangen, Hals und Handgelenke. Dann legte ich die Hände aufs Waschbecken und betrachtete mein gerötetes Gesicht im Spiegel.

Das ist das Gesicht einer Frau, die jeden Moment gevögelt wird, dachte ich absichtlich barsch, damit mir alles realer vorkam. Er wird hier hereinkommen und dich vögeln, Elle.

Meine Pupillen waren so groß, dass meine Augen ganz dunkel wirkten. Was machte ich hier eigentlich? Ich betrachtete meine Zunge, die über die Lippen fuhr, und stellte mir vor, wie er mich mit seiner Zunge schmeckte. Unwillkürlich musste ich stöhnen, was mir zwar peinlich war und mich doch umso mehr erregte.

Ich sah im Spiegel, wie er hereinkam. Der kleine Leberfleck auf seiner linken Wange befand sich nun auf seiner rechten, meine etwas höhergebogene rechte Augenbraue auf meiner linken Seite. Er umfasste meine Hüften, seine Daumen drückten sich in die beiden Grübchen, die er durch meine Bluse auf meinem unteren Rücken fand.

Er sagte nichts. Hätte er gesprochen, wäre ich zurückgewichen. Er sprach nicht. Er war dreist. Direkt. Und doch zeigte sein Gesicht im Spiegel wieder diese gemischten Gefühle, Lust und Bewunderung und ein klein wenig Stolz.

Er schob mich zu der letzten Kabine, der größten, und schloss die Tür hinter uns ab. Nun konnte ich ihn nicht mehr sehen, aber er ließ keinen Zweifel daran, was er wollte. Er zog meine Hände nach oben und drückte sie gegen die kalten Keramikfliesen. Dann tastete er mit einer Hand unter meinen Rock, strich über die halterlosen Strümpfe, glitt zwischen meine Beine und begann mich zu streicheln.

Ich erbebte und drückte die Stirn gegen die Wand. Schloss die Augen und öffnete die Schenkel. Er spreizte sie noch ein wenig weiter, indem er sein Bein dazwischenschob. Seine Finger malten Kreise auf mein durchnässtes Höschen.

Ich hörte, wie ein Reißverschluss aufgezogen wurde. Jetzt griff er in meinen Slip und streichelte mich, als ob er überprüfen wollte, wie bereit ich für ihn war. Er biss in mein Ohrläppchen, und ich neigte den Kopf, um meinen Nacken zu entblößen. Mit der anderen Hand schob er meinen Rock nach oben. Meine Finger verkrampften sich, doch die glatten Fliesen boten keinen Halt. Ich atmete ein und ein und ein, vergaß völlig, auch wieder auszuatmen, bis ich die Luft schließlich mit einem langen, zittrigen Seufzen ausstieß.

„Du willst es.“

Das war keine Frage, und doch verlangte er nach einer Antwort. „Ja.“

Er schob einen Finger in mich, dann zwei, er streichelte mich innen und außen, ein Versprechen darauf, was er bald mit seinem Schwanz machen würde. Und ich drückte mich schamlos gegen seine Hand, um ihn so tief aufzunehmen, wie es nur ging.

„Meine Tasche“, murmelte ich, fragte mich, ob er sich zieren würde, und bereitete mich darauf vor, sofort aufzuhören, falls es so war.

Er ließ mich los. Ich stöhnte eine Klage. Er lachte. „Gib mir eine halbe Minute, Elle“, flüsterte er mir ins Ohr.

Ich hörte, wie meine Schlüssel klimperten, dann ein Rascheln, das Zerreißen von Papier und sein Stöhnen, als er das Kondom überzog. Er hielt kurz inne, ich spürte seinen heißen Atem im Nacken, und endlose Lust durchflutete meinen ganzen Körper, um sich in meinem Schoß zu sammeln. Selbst meine Fingerspitzen kribbelten. Wenn es dunkel gewesen wäre, hätte mein Körper vermutlich geleuchtet.

Er zog meinen Slip herunter und drückte sich an mich, strich mit seinem Schwanz über meinen Hintern, ging ein wenig in die Knie und fand meinen Eingang. Er tauchte in mich ein und stieß in mich.

„Verflucht“, murmelte er und biss mir in die Schulter, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Ich schrie leise auf, als er mich ausfüllte. Es war so lange her, dass ich fast zu eng war. Er packte meine Handgelenke und schob sie nach unten, bis ich mich ein wenig vorbeugen musste. Ich hatte nicht gedacht, dass er noch tiefer in mich dringen könnte, aber da sich der Winkel nun ein wenig verändert hatte, stieß er sanft an meinen Muttermund, und der leise Schmerz steigerte meine Lust nur noch mehr.

„Himmel, du bist so heiß?“, murmelte er. „Wie ein verdammter Heizofen.“

Er begann sich zu bewegen. Zunächst langsam, dann schneller und härter. Mit einer Hand griff er um mich und streichelte meine Klit im Rhythmus zu seinen Stößen.

Die Tür zur Toilette wurde geöffnet. Dan hielt einen Moment inne, dann machte er quälend langsam weiter, während sein Finger sich schneller bewegte. Ich hörte, wie zwei Frauen ohne Pause miteinander plauderten, während sie nebeneinander auf die Toilette gingen. Eine von ihnen brauchte eine Ewigkeit, es hörte überhaupt nicht mehr auf zu plätschern, und ich musste ein Kichern unterdrücken. Meine Schultern bebten und ich begann langsam Sternchen zu sehen, während ich versuchte, Luft zu bekommen.

Dann lachte ich, und während ich lachte, bekam ich meinen Höhepunkt und drückte mich gegen seine Hand und seinen Schwanz.

Noch immer quasselnd, wuschen sich die beiden Frauen die Hände. Falls sie uns gehört hatten, achteten sie nicht weiter auf uns. Vielleicht waren wir wirklich leise genug gewesen, oder ihr eigenes Leben war so spannend, dass nichts ihre Aufmerksamkeit davon ablenken konnte. Ich weiß nur, dass ab der Sekunde, in der die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, Dan begann, mich ernsthaft zu vögeln.

Schnell und hart. Er krallte seine Finger so fest in meine Hüfte, dass ich hinterher einen blauen Fleck hatte. Mit der anderen Hand streichelte er mich nun nicht mehr, sondern hielt mich nur fest. Ich kam wieder, nicht ganz so heftig, aber nicht weniger schön, er vergrub die Zähne in meinem Nacken. Dann wanderten seine Lippen auf meiner Schulter, und er stieß einen gedämpften Schrei aus. Er begann in mir zu zucken, stieß noch einmal tief in mich, so heftig, dass meine Stirn gegen die Fliesen schlug.

Es tat weh, aber ich musste wieder lachen. Sex im wahren Leben ist anders als im Kino. Die Choreografie ist immer merkwürdig. Allerdings lachen die meisten Leute beim Sex nicht gern. Das verstehe ich nicht. Sex soll doch Spaß machen, oder nicht?

Dan drückte noch einmal zart meine Hüften, bevor er einen Schritt zurück machte. Mein Rock fiel herunter, und ich zog den Slip hoch. Er spülte das Kondom in die Toilette. Seine Bewegungen waren so sparsam und geschäftsmäßig, als ob er so etwas schon hundertmal zuvor getan hätte. Nun, vielleicht war es ja so.

„Ich habe bezahlt“, sagte er – seine Stimme war auf einmal viel zu laut – und verließ die Kabine.

Was hatte ich denn erwartet? Im Spiegel sah ich dasselbe Gesicht, doch diesmal handelte es sich nicht um eine Frau, die gleich gevögelt werden würde, sondern die es bereits hinter sich hatte. Ich suchte in meinen Augen nach einem Hinweis, nach etwas, das mir zeigte, was ich fühlen sollte. Reue? Schuld? Befriedigung? Nichts davon fand ich in meinen Augen, nichts davon konnte ich fühlen. Ich musste nur ständig daran denken, wie ich gleichzeitig gelacht und einen Orgasmus bekommen hatte.

Noch eine Weile blieb ich am Waschbecken stehen, wusch mir die Hände und drückte mir ein feuchtes Papierhandtuch ans Gesicht. Dann richtete ich mein Haar, frischte mein Make-up auf und betupfte mich mit etwas Parfüm, um den Geruch von Sex zu übertünchen.

Der Parkplatz war leer. Ich trat in die Nachmittagssonne und setzte die Sonnenbrille auf. Eine Windbö zerrte am Saum meines Regenmantels.

„Hey.“

Als ich mich umdrehte, entdeckte ich ihn vor der Tür. Er warf eine Zigarette auf den Boden und kam mit zwei Schritten auf mich zu.

„Du hast lange gebraucht“, sagte er. „Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr heraus.“

Ich brauchte einen Moment, bis ich antworten konnte. „Ich wusste nicht, dass du auf mich wartest.“

In seinen Augen blitzte etwas auf, das ich nicht deuten konnte. „Nein?“

Ich schüttelte langsam den Kopf.

„Wie kommst du nur darauf?“

„Schließlich hast du bekommen, was du wolltest. Und ich dachte, du müsstest zurück ins Büro.“

Ich war mit dem Taxi in das Restaurant gefahren, doch die Bushaltestelle war nur eine Straße weiter. Ich lief los. Nach vier Schritten folgte er mir.

„Also … du dachtest, ich hätte dich einfach da zurückgelassen?“

Ich nickte wieder, den Blick starr nach vorn gerichtet. Es stimmte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er auf mich wartete, hatte geglaubt, er wäre längst verschwunden. Und erst als ich ihn entdeckte, begann ich mich zu schämen, denn mir wurde klar, dass er nicht nur einen schnellen Mittagsfick wollte, sondern auch noch ein Gespräch danach.

„Für so einen Typen hältst du mich also?“ Er hatte die Angewohnheit, Fragen so zu betonen, dass sie keiner Antwort bedurften.

Ich musterte ihn. „Nun, Dan, ich weiß nicht, was für ein Typ du bist, aber wenigstens warst du vorsichtig. Das weiß ich zu schätzen.“

Sein Gesicht verdüsterte sich, er packte mich am Ellbogen, als ich weitergehen wollte. „Elle …“

Mit einer Heftigkeit, die man nicht missverstehen konnte, entzog ich mich seinem Griff. „Danke für das Mittagessen, Dan.“

Diesmal ließ er mir sechs Schritte Vorsprung, bevor er mir folgte. „Glaubst du, das ist alles, was ich wollte? Hast du nichts anderes erwartet?“

Wie sollte ich ihm erklären, dass ich nicht nur nichts anderes erwartet hatte, sondern auch nichts anderes wollte. Zwanzig Minuten des Vergessens, zwanzig Minuten nicht nachdenken.

Mit zwei schnellen Schritten stand er vor mir. „Elle.“

„Da kommt mein Bus.“ Ich konnte einfach einsteigen und zurück an die Arbeit gehen.

„Du steigst nicht in diesen Bus.“

„Nein? Ich denke schon.“

Da er vor mir stand, musste ich um ihn herumgehen. Doch er trat mir in den Weg, er lächelte nicht. Ich auch nicht.

„Elle“, sagte er warnend. „Lauf nicht einfach weg.“

Als es um Sex ging, hatte ich seinen Befehlston genossen, doch nun nicht mehr. „Ich laufe, wohin und wann ich will.“

Der Busfahrer schlug sich auf Dans Seite und fuhr weiter. Ich starrte ihm wütend nach.

„Jetzt musst du mit mir sprechen“, sagte er.

„Nein“, erwiderte ich scharf. „Muss ich nicht. Hör zu.“ Ich wirbelte zu ihm herum. „Nur weil du es mir besorgen durftest, hast du noch lange nicht das Recht, mir zu sagen, was ich zu tun habe.“

„Das habe ich doch auch gar nicht vor!“ Er runzelte die Stirn. „Aber zumindest habe ich doch das Recht, dich davon zu überzeugen, dass ich kein Arschloch bin.“

„Ich glaube auch gar nicht, dass du das bist.“

Er kam näher. „Was bin ich dann?“

„Du bist ein Mann“, entgegnete ich, es war mir egal, ob er das als Beleidigung auffasste oder nicht.

Doch Dan grinste. „Da bin ich aber ausgesprochen froh, dass du das bemerkt hast.“

Ich wollte sauer auf ihn sein. Und ich wollte ihn verachten. Doch es funktionierte nicht.

„Sieh mal“, sagte ich schließlich. „Wir hatten ein nettes Mittagessen …“

„Allerdings.“

„Und was danach passiert ist …“

„Auch nett. Wir haben das Dessert vergessen.“

Ich zögerte. „Aber wir sollten uns nicht einreden, dass es mehr war. Okay?“

„Elle“, sagte er ernst. „Wieso nicht?“

Die Bushaltestelle war nur wenige Schritte entfernt, ich hielt weiterhin darauf zu. Er folgte mir. Ich ging schneller.

„Warum nicht?“, fragte er erneut und umfasste meinen Arm.

Diesmal riss ich mich nicht los. Ich ließ zu, dass er mich zu sich umdrehte. „Warum nicht?“

Tausend Erklärungen schossen mir durch den Kopf, aber ich sprach nur eine aus. „Weil ich so etwas nicht tue.“

„Nimm die Sonnenbrille ab. Ich möchte deine Augen sehen, wenn wir uns unterhalten.“

Ich seufzte geschlagen. Er studierte meinen Blick, als könnte er darin eine Antwort finden, einen Schlüssel, eine Schatzkarte. „Wieso nicht?“

Ich sah ihn einfach nur lange an, während der Verkehr an uns vorbeirauschte und die Vögel auf den Ästen der Bäume zwitscherten. „Ich mache so etwas einfach nicht.“

„Was machst du nicht?“ Sein Ton klang freundlich, die Worte waren nicht bedrohlich, aber ich konnte ihm nicht antworten. „Du verabredest dich nicht?“

„Nein, das tue ich nicht.“

Er musterte mein Gesicht. „Aber du treibst es gern auf Toiletten.“

Jetzt befreite ich meinen Arm. „Ich habe so etwas noch nie zuvor getan.“

Diesmal war ich sicher, dass er mich gehen lassen würde, doch ich irrte mich.

„Ich möchte dich wiedersehen.“

Ich ließ resigniert die Schultern sinken. „Warum, Dan?“

„Weil ich diesmal dein Gesicht nicht gesehen habe.“

Und so einfach schlitzte die Lust mich auf wie ein Samuraischwert, ich schnappte nach Luft. Allerdings tarnte ich diese Empfindung mit einem Kopfschütteln und einem finsteren Blick. Als er leise meinen Namen murmelte, bewegten sich meine Füße nicht mehr, so als wären sie festgewachsen.

„Weil du das aufregendste Lachen hast, das ich je im Leben gehört habe. Und ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, wenn ich nie wieder von dir hören würde.“

Warum kann man Freundlichkeit so viel weniger trauen als Grausamkeit?

Ich wollte ihm nicht glauben. Ich wollte glauben, dass das nur leere Worte waren. Ich wollte weglaufen. Ich wollte all das, aber letztlich gelang mir nichts davon.

„Ich verabrede mich nicht.“ Selbst in meinen Ohren klang die Erwiderung lahm.

Dan grinste. „Dann verabreden wir uns eben nicht.“

Ich bemühte mich, nicht zu lächeln. „Und was tun wir dann?“

„Was immer du magst, Elle“, sagte Dan. „Was immer du willst. Du musst es nur sagen.“

4. KAPITEL

Was immer ich wollte. Das war leicht gesagt, aber nicht leicht zu beantworten. Ich wusste nicht, was ich wollte. Ich wusste nur, dass ich nicht aufhören konnte, an ihn zu denken.

Marcy fing mich an der Kaffeemaschine ab. „Wohin bist du am Freitag verschwunden? Du hast uns sitzenlassen.“

„Ich hatte plötzlich Kopfschmerzen.“ Die Lüge ging mir leicht von den Lippen. „Und ihr beide wart gerade so miteinander beschäftigt, dass ich mich einfach aus dem Staub gemacht habe.“

Diese Antwort schien ihr zu genügen, sie begann sofort von ihrer Nacht mit Wayne zu erzählen. Welches Aftershave er benutzte. Welches Shampoo er bevorzugte. Wie er sein Frühstücksei am liebsten aß. Doch mitten im Satz brach sie ab und starrte mich an. „Was ist los?“

Ich erschrak, schenkte mir aber in aller Ruhe weiter eine Tasse Kaffee ein. „Nichts.“

Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich sie beneidete, und so ganz sicher war ich mir auch nicht. Ich hatte mich ja auch schon mal verliebt – mit katastrophalem Ausgang.

„Ist im Blue Swan irgendwas geschehen?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, sollte es das denn?“

„Himmel, ja!“ Marcy warf ihr blondes Haar zurück. „Natürlich sollte es. Aber es ist überhaupt nichts passiert? Nachdem wir uns an der Theke neue Getränke besorgt hatten, warst du verschwunden. Wir dachten, dass du vielleicht jemanden kennengelernt hast.“

„Oh.“ Mein Lachen klang gezwungen. „Ich fürchte, nein.“

Sie sah nicht überzeugt aus, aber ich schwieg eisern.

Dan wartete nicht so lange damit, mich anzurufen, wie ich.

„Hallo, Miss Kavanagh. Hier ist Daniel Stewart.“

„Ja, Mr. Stewart. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich habe eine gute Kritik über den Film gelesen, der an diesem Wochenende im Allen-Theater läuft. Ich würde gerne einen Termin mit Ihnen vereinbaren, damit wir ihn zusammen sehen können.“

„Einen Termin?“ Ich war gerade dabei, das vom Frühstück übrig gebliebene Geschirr zu spülen. Ich klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter.

„Ja. Wenn ich mich nicht irre, sagtest du, dass du dich nicht verabredest.“

„Ah. Das ist tatsächlich ein sehr feiner Unterschied.“

Ich stellte mir vor, wie er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, vielleicht trug er Jeans und T-Shirt. Wahrscheinlich besaß er eine Ledercouch und einen riesigen Fernseher. Pflanzen, die von der Putzfrau gegossen wurden.

Ich beendete den Abwasch und setzte den Teekessel auf. „Gelegentlich verabrede ich mich doch.“ Das stimmte nicht ganz. Ich hatte schon lange kein Date mehr gehabt. Länger, als mein Verzicht auf Sex gedauert hatte, um ehrlich zu sein.

„Das letzte Mal hast du eine andere Geschichte erzählt. Das ist nicht fair.“

„Das Leben ist nicht fair.“ Ich wischte den Tisch ab und platzierte den Serviettenhalter in der Mitte.

„Elle.“ Seine Stimme funktionierte auch durchs Telefon, sie streichelte mich von Kopf bis Fuß. Ich schloss erregt die Augen.

„Du willst mit mir ins Kino gehen.“

Gegen den Küchenschrank gelehnt, dachte ich einen Moment nach. „Ja, das stimmt.“

„Das ist gut.“ Offenbar war für ihn die Angelegenheit damit erledigt.

Wir gingen in einen künstlerisch wertvollen Film mit Untertiteln, dessen Handlung sich mir nicht ganz erschloss, was den Genuss aber nicht schmälerte. Danach aßen wir etwas Süßes im Café des Kinos, wo wir eine Runde Scrabble spielten und er Worte buchstabierte, die ihm den dreifachen Wortwert einbrachten. Anschließend tauschten wir Limericks aus, und es schien ihn zu beeindrucken, dass ich so viele kannte. Wir mussten so laut lachen, dass man sich nach uns umdrehte, aber das war mir egal. Obwohl ich es wollte, berührte er mich nicht.

Dann lud er mich auf ein Getränk in seine Wohnung ein. Ich willigte ein. Ich wollte sehen, wie er wohnte. Und ich wollte sein Bett sehen.

Dan servierte mir Guinness in einem großen Glas ohne Untersetzer, obwohl seine Möbel sehr neu aussahen. Dann machte er es sich ohne Umstände auf seiner Ledercouch bequem und stellte mir Fragen über den Film, als ob ihn meine Antworten wirklich interessierten.

Ich war nicht asozial. Schließlich musste ich mit Kunden umgehen, hielt Präsentationen, schüttelte Hände und machte Small Talk. Ich konnte das alles recht gut, auch wenn es mir nicht leicht fiel. Wahrscheinlich wirkte ich auf andere distanziert und eher arrogant als schüchtern. Ich war noch immer das Mädchen, das in der Klasse in der ersten Reihe sitzt und alle Fragen des Lehrers beantworten will. Nur hatte ich auf meinem Weg die meisten Antworten verloren.

Jetzt musste ich nicht allzu sehr nachdenken. Dan führte mich gekonnt durch das Labyrinth dieses Gesprächs, es war, als hielte er mich an der Hand, damit ich nicht über die Risse im Gehsteig stolperte. Er sprach viel über sich selbst, aber nicht auf unangenehme Weise. Ich fand es angenehm, seinen Anekdoten aus der Highschoolzeit zu lauschen. Mit solchen Geschichten konnte ich nicht dienen, mit solchen normalen Geschichten, aber ich hörte sie immer wieder gern. Vielleicht hätte es mich bitter und neidisch machen sollen, aber so war es nicht. Ich beneidete ja auch nicht die Prinzessin im Märchen, die aus Stroh Gold spinnen konnte.

Wer jemals Zeit mit einem Menschen verbracht hat, der von jedem Wort, das man sagt, gefesselt zu sein scheint, weiß, wie berauschend das ist. Seine Augen fixierten meinen Mund, wenn ich sprach. Er hörte mir aufmerksam zu, verwickelte mich in ein Gespräch, holte Antworten aus mir heraus, über deren Ehrlichkeit ich mich selbst wunderte. Ich erzählte ihm von meinem Haus und meinem Job, von meiner Lieblingsfernsehsendung und dass ich alles aus Schokolade liebte, außer heiße Schokoladensoße.

Und das alles nur, indem er zuhörte. Dürstete ich so sehr nach Aufmerksamkeit, dass mir sein höfliches Benehmen einfach als viel mehr erschien? Nein. Es lag ausschließlich an ihm, an Dan, und an der Tatsache, dass er zuhörte, um mich besser kennenzulernen.

Ich war gerade mitten in einem Satz, als er sich vorbeugte, um mich zu küssen. Ich erschrak. Ich hatte nicht damit gerechnet und konnte nicht schnell genug das Gesicht wegdrehen. Seine Lippen waren weich und warm. Sie schmeckten salzig vom Popcorn. Er berührte mein Gesicht.

Ich konnte es nicht. Ich konnte ihn nicht auf den Mund küssen, das war viel intimer, als mit ihm zu schlafen. Daher drehte ich mich zur Seite und beendete meinen Satz nicht.

„Nein?“, fragte er.

„Nein.“

Er streichelte meine Brust. „Aber das.“

Ich sah ihm in die Augen. „Ja.“

Sein Blick wurde hart. Er legte mir eine Hand in den Nacken, griff in mein Haar, zog meinen Kopf zurück und entblößte meinen Hals.

„Und das.“ Er presste die Lippen auf die Stelle, wo mein Puls klopfte und manchmal einen Schlag aussetzte.

Ich atmete schwer. „Ja.“

Seine Lippen wanderten tiefer, verharrten auf meinem Schlüsselbein, der Griff in mein Haar wurde fester, und ich keuchte auf vor Schmerz und Lust. Er saugte meine Haut zwischen die Zähne, mit dem Daumen der anderen Hand streichelte er meine Brustwarzen, bis sie hart wurden. Dann fasste er mir zwischen die Beine.

„Und das.“

„Ja …“, seufzte ich.

„Steh auf.“

Ich tat es.

„Zieh dich aus.“

Mit zitternden Fingern begann ich, meine Bluse aufzuknöpfen. Angst und Leidenschaft kann man manchmal nicht voneinander unterscheiden. Ich zog die Bluse aus und ließ sie auf den Boden fallen, was ich allein niemals getan hätte.

Ich wollte das Begehren in seinen Augen sehen, wollte hören, wie er bei meinem Anblick aufstöhnte. Dan betrachtete mich mit undefinierbarem Gesichtsausdruck. Ich errötete. Am liebsten hätte ich die Hände an meine Wangen gelegt, um sie zu kühlen. Stattdessen öffnete ich den Reißverschluss meines Rockes und ließ ihn ebenfalls auf den Boden fallen.

Ich trug hübsche Dessous darunter, Slip und BH aus schwarzer Spitze und Satin. Der BH hob meine Brüste und sorgte für ein aufregendes Dekolleté. Der Slip saß tief auf meiner Hüfte, war an den Beinen hoch ausgeschnitten und entblößte die Kurven meines Hinterns. Das Schwarz bildete einen starken Kontrast zu meiner blassen Haut, die ich niemals an die Sonne ließ, und ich wusste, er konnte durch den dünnen Stoff das noch dunklere Dreieck zwischen meinen Beinen sehen.

Während ich vor ihm stand, bemühte ich mich, nicht zu zittern, obwohl meine Beine vor Lust unter mir nachgeben wollten. Ich hatte mich schon öfter vor Männern ausgezogen. Hatte ihnen erlaubt, meinen Körper zu betrachten, meinen Bauch, meine Hüftknochen, die Größe und Form meiner Brüste zu beurteilen. Ich hatte mich vor ihnen bewegt, als wäre ich angezogen gewesen, ungehemmt, weil es einem Zweck diente.

Doch für Dan war ich mehr als Hintern und Schenkel und Brüste. Er betrachtete meinen Körper und kannte meinen echten Namen, er wusste, wie ich meinen Tee trank und wie mein Lachen klang. Vor ihm war ich ganz und gar nackt, weil ich ihm diese winzigen Intimitäten verraten hatte, die ich sonst mit niemandem teilte.

„Den Rest. Zieh dich ganz aus.“ Seine Stimme klang gepresst, und das gab mir Mut.

Diesen Teil kannte ich. Wie der flüchtige Anblick von Rosa Männer den Verstand verlieren lässt. Wir Frauen besitzen alle dieselben Körperteile, und doch hat mich bisher jeder Mann betrachtet, als hätte er noch nie zuvor eine Frau gesehen. Unsere Körper besitzen eine Macht, geheime und versteckte Stellen, die Männer immer und immer wieder erforschen wollen. Der Körper einer Frau birgt das Rätsel von Blut und Leben, nicht nur von Vergnügen.

Ich hakte meinen BH auf. Ich beobachtete ihn, wie er mich beobachtete, als ich die Träger über die Schultern rutschen und schließlich den BH auf den Boden fallen ließ.

Er lehnte sich zurück, sein Schwanz drückte gegen den Stoff seiner Hose. Nicht nur ich hatte ein heißes Gesicht, auch seine Wangen färbten sich rot, und er leckte sich über die Lippen.

„Der Slip.“

Ich ließ die Daumen unter den Saum gleiten und schob den Slip langsam nach unten. Ich öffnete die Schenkel und wackelte mit den Hüften, schob den dünnen Stoff über den Hintern. Der Slip fiel auf den Boden, und nun stand ich vollkommen nackt vor ihm.

„Verdammt“, murmelte er und fuhr sich durchs Haar. „Dreh dich um.“

Ich gehorchte.

„Fass dich an.“

Diese Aufforderung überraschte mich. Ich hielt meine Brüste und streichelte mit den Daumen die Spitzen, dann fuhr ich mit den Händen über meine Seiten nach unten, legte eine Hand auf das Dreieck zwischen meinen Beinen und presste einen Finger gegen meinen Schoß.

„Verflucht, bist du heiß.“

Ich wurde noch röter. Sein Kommentar erregte mich.

„Elle“, sagte Dan. „Sag, dass ich dich nehmen soll.“

Das waren schlichte Worte für einen komplexen Vorgang.

„Oh“, sagte ich mit heiserer Stimme. „Dan, ich will, dass du mich nimmst.“

Ich glaube, ich habe noch nie etwas mehr gewollt. Niemals werde ich das Gefühl vergessen, als ich zum ersten Mal nackt vor ihm stand. Wie er meinen Körper als Ganzes betrachtete, zusammengehalten von all den kleinen Details, die ich ihm verraten hatte.

Er sprang ohne zu zögern auf, fasste mich an den Hüften und drückte die Lippen auf meinen Hals. Dann küsste er meine Schulter, ging ein wenig in die Knie, um meine Brüste zu erreichen. Seine Hände wanderten über meine Haut, legten sich über meine Pobacken, streichelten mich zwischen den Schulterblättern.

„Leg mir deine Arme um den Hals.“

Ich gehorchte. Er hob mich hoch, was mich überraschte, denn ich bin keine kleine Frau, und er ist kein großer Mann. Es spielte keine Rolle. Ich schlang die Beine um ihn, der Stoff seines Hemdes rieb so köstlich an meinem Schoß, dass ich zu wimmern begann.

Er trug mich ins Schlafzimmer, trat die Tür hinter sich zu, dann legte er mich vorsichtig aufs Bett. Sein Körper bedeckte meinen, er küsste mich überall. Überall, nur nicht auf den Mund, weil ich ihn gebeten hatte, es nicht zu tun.

Gemeinsam öffneten wir seine Knöpfe weitaus weniger anmutig als vorher meine. Einer sprang sogar ab und knallte gegen die Wand. Seine Haut war weich, lockige Haare bedeckten die Muskeln, die sich unter meinen Fingern bewegten. Als ich in seine Hose fasste, half er mir, die Zähne in meiner Schulter vergraben.

Ich zuckte zusammen und verstärkte unversehens meinen Griff. Er fluchte wieder leise, setzte sich auf, zerrte die Hose und die Boxershorts herunter, und ich sah, wie perfekt sein Körper war. Nicht weil er keinen Makel hatte, sondern weil ich ihn so sehr begehrte, dass ich keinen entdecken konnte.

Er rollte sich auf mich, Haut an Haut, er war hart, wo ich weich war, rau, wo ich glatt war, schmal, wo ich Kurven hatte. Mann und Frau, Puzzleteilchen, die perfekt zusammenpassten.

Als er eine Brustwarze zwischen seine Lippen nahm, wölbte ich mich ihm entgegen. Kurz fuhr er mit der Zunge darüber, dann begann er zu saugen, das Ziehen reichte bis in meinen Bauch, mein Unterleib begann zu pochen. Er legte eine Hand zwischen meine Beine, drückte einen Finger zielsicher auf meine Klit und begann sie zu streicheln.

Ich fasste in sein Haar, in sein weiches Haar, und zog aus Versehen zu fest daran, er stöhnte an meiner Brust. Schnell lockerte ich den Griff. Er wanderte zur anderen Brustwarze, das Ziehen in meinem Bauch wurde heftiger, und ich schwoll unter seinem Finger an. Ich spürte, wie alles Blut in diesen kleinen Knopf voller Nerven schoss. Ich ließ mich treiben, gab mich ganz und gar hin, wartete auf das Vergessen.

Seine Erektion drückte sich fest an meinen Schenkel, er rieb sich an mir, ich dachte daran, wie er sich in mir angefühlt hatte, und stöhnte auf.

„Verdammt, du hast eine sexy Stimme.“

Komplimente machen mich verlegen. Ich sah ihn an, nicht sicher, ob ich einen vollständigen Satz formen konnte. „Sei bitte still.“

Grinsend bewegte er seine Hand weiter und sagte: „Sei du still!“

Ich schüttelte ein wenig den Kopf. Er betrachtete mich wieder mit diesem seltsam fragenden Blick, wie jemand, der ein Geschenk bekommen hat und nicht weiß, ob er es wirklich verdient.

„Elle“, sagte er. „Diesmal will ich dein Gesicht sehen, wenn ich in dir bin. Möchtest du das auch?“

Ich nickte und spielte mit seinem Haar. „Ja.“

Er griff in die Schublade seines Nachttischs, und ich war froh, dass ich ihn nicht bitten oder gar aufstehen musste, um meine Tasche zu holen. Ich wollte das Kondom nehmen, aber er schüttelte den Kopf. „Das mache ich besser selbst.“ Er bemerkte meinen Blick, denn er fuhr fort: „Es soll nicht schon vorbei sein, bevor wir überhaupt begonnen haben.“

Seine Ehrlichkeit weckte in mir den Wunsch, auch ehrlich zu sein, ihm etwas Echtes zu geben. Dabei hatte ich ihm durch meine kleinen Enthüllungen schon mehr gegeben als jedem anderen zuvor, was er allerdings nicht wissen konnte.

Ich stützte mich auf einen Ellbogen, und wie der ganze Rest von ihm war auch sein Schwanz perfekt. Hübsch, glatt, von durchschnittlicher Größe und Farbe, aber irgendwie schön. Er zog das Kondom über, beugte sich wieder über mich, und ich spreizte die Beine und hob das Becken. Als er in mich eindrang, gab ich einen klagenden Laut von mir, er hielt kurz inne und legte seine Stirn an meine. Dann, ohne mich aus den Augen zu lassen, begann er wieder, sich in mir zu bewegen.

Er hatte gesagt, dass er mit mir schlafen wollte, aber dieses Wort kann so vieles bedeuten. Dan bewegte sich bedächtig, sanft. Ich schlang die Arme um seinen Hals und spürte, wie ich immer feuchter wurde. Unsere Körper arbeiteten perfekt zusammen. Haut an Haut, er bewegte sich, ich bewegte mich. Er gab, ich nahm. Er murmelte meinen Namen, ich antwortete mit seinem. Denn obwohl ich in der Lust Vergessen suchte, war mir immerzu bewusst, mit wem ich zusammen war. Und das war gut. Es war wichtig, wessen Lippen meine Haut küssten, wessen Hände mich streichelten, welcher Penis mich ausfüllte.

Plötzlich war es wichtig, und ich versteifte mich. Mein Herzschlag setzte aus.

Der Orgasmus einer Frau ist so fragil, er ist mindestens genauso abhängig von dem, was im Kopf geschieht, wie davon, wie der Körper reagiert. Obwohl ich kurz vor dem Höhepunkt war, verließ mich plötzlich die Lust, als mir klar wurde: Ich hatte ihn hineingelassen.

Dan konnte natürlich nicht wissen, dass Sex für mich auf einmal kompliziert wurde, nur weil ich ihm verraten hatte, wie ich heiße und wie ich meinen Tee trank. Schließlich hatte ich ihm erlaubt, mich auf der Toilette zu vögeln. Er konnte also nicht wissen, dass ich zwar Sex zuließ, aber keine Intimität. Das alles konnte er nicht wissen, doch nun sah er mich an, als verstünde er mich.

„Ist schon gut“, sagte er mit fester Stimme. „Elle. Es ist gut.“

Dann drehte er sich, ohne dass unsere Körper sich voneinander lösten, bis er unter mir lag.

„Beweg dich“, flüsterte er. „Beweg dich, so wie du es magst.“

Ich tat, was er sagte, ich bewegte mich, ich schaukelte gegen ihn, fand meinen eigenen Rhythmus und gelangte wieder dahin, wo wir bereits gewesen waren. Er half mir. Er verlagerte sein Gewicht, wenn es nötig war oder ich den Winkel veränderte. Er bewegte seine Hüften nach meiner Anleitung, und selbst als er schon heftig keuchte, blieben seine Stöße sanft.

Ich warf den Kopf zurück, mein Haar fiel über den Rücken bis zu meinem Po. Ich wollte mich wieder verlieren, wollte mich wieder in dieses süße Nichts fallen lassen, aber so gut es sich auch anfühlte, ich fand den Weg nicht.

„Komm für mich“, flüsterte er, während er mich mit seinem Daumen streichelte. „Ich möchte dich dabei ansehen.“

Zitternd öffnete ich die Augen. Mein Körper war klüger als mein Verstand. Er sah mich an, ich sah ihn an, und dann gab ich ihm, worum er gebeten hatte. Mein ganzer Körper krampfte sich zusammen, ich schrie auf und grub die Fingernägel in seine Haut. Er umklammerte meine Hüften, stieß schneller und fester zu und kam so kurz nach mir, dass es fast gleichzeitig war.

Danach lagen wir schweigend nebeneinander, ohne uns zu berühren. Schweiß kühlte meinen Körper, es fühlte sich gut an. Es fühlte sich so gut an.

Zumindest einen Moment lang, bevor ich anfing zu überlegen, wie lange ich hier wohl liegen bleiben musste, bevor ich aufstehen und mich verabschieden konnte. Ich hörte, wie sein Atem gleichmäßiger wurde. Vielleicht schlief er bald ein, dann konnte ich mich davonschleichen.

Er gab ein leises, absolut liebenswertes Schnarchen von sich, und schon sprang ich aus dem Bett, lief in das angrenzende Bad und wusch mich schnell. Seine Handtücher waren dick und teuer und blau, sie passten perfekt zum Duschvorhang. Ich benutzte sein Mundwasser, schnüffelte an seinem Aftershave und bewunderte die überraschende Reinheit des Bodens und Waschbeckens. In seiner Badewanne lag eine Gummiente, über die ich einen Augenblick staunte.

Als ich, noch immer nackt, aus dem Badezimmer kam, lag er mit offenen Augen da.

„Du bist die erste Frau in meinem Leben, die praktisch die Sekunden zählt, bis sie abhauen kann.“

„Wirklich? Ich war schon mit einer Menge Männer zusammen, die das tun.“

Ich lief ins Wohnzimmer, um meine Kleider aufzusammeln und überzustreifen. Gerade als ich meinen BH zuhakte, trat er ins Zimmer.

„Warum verabredest du dich nicht?“, fragte er. Er hatte Boxershorts mit marschierenden Jelly Beans darauf angezogen, und sofort musste ich daran denken, wie ich ihn im Sweet Heaven kennengelernt hatte.

„Das macht alles nur kompliziert.“ Ich schlüpfte in die Bluse, zog den Rock an und glättete die Falten.

„Wie kommst du darauf?“

„Wenn man sich verabredet, muss ein gewisses Maß an Interesse vorhanden sein, an einer möglichen Beziehung zu arbeiten.“

Dan verschränkte die Arme vor der Brust. „Und?“

Ich seufzte. „Für so was habe ich keine Zeit.“

Er sah mich ungläubig an. „Du meinst, du willst dafür keine Zeit haben.“

„Haarspalterei.“

Er sah, dass ich nach meiner Handtasche suchte, machte aber keine Anstalten, mir zu helfen. „Du hast gesagt, dass du dich manchmal verabredest.“

Ich warf ihm ein Lächeln zu. „Manchmal. Aber nie für längere Zeit.“

„Ah.“ Er wirkte verwirrt. „Weil es dann kompliziert werden würde.“

Ich bemerkte, dass er mich aufzog. „Das auch.“

„Wie lange ist es her, dass du das letzte Mal eine Verabredung hattest?“

„Von unserem Treffen abgesehen?“

Er hob einen Finger. „Das war ein Treffen. Keine Verabredung.“

„Genau.“ Ich musste nicht lange nachdenken. „Vier Jahre, acht Monate, drei Tage.“

In der darauf eintretenden Stille, fand ich meine Handtasche, wühlte darin nach Schlüssel und Geldbörse. Als ich hochschaute, starrte Dan mich an.

„Und wie lange, seit du das letzte Mal Sex hattest?“

„Drei Jahre. In etwa.“

„Von heute an gerechnet oder von unserem Treffen auf der Toilette?“

„Von unserer Begegnung auf der Tanzfläche.“ Ich zog den Reißverschluss meiner Tasche zu und hängte sie um. „Denn … das war auch Sex.“

Sein Gesichtsausdruck verriet mir nicht, ob er schockiert war, wütend oder erstaunt. Schließlich fuhr er sich mit einer Hand über den Mund.

„Gute Nacht, Dan.“

Schon hatte ich die Hand auf der Türklinke, als er sagte: „Du möchtest mich wiedersehen. Das weiß ich einfach.“

Ich drehte mich um. “Öfter als einmal, meinst du?“

„Du hast mich bereits öfter als einmal gesehen“, stellte er fest.

„Dann sollte ich Nein sagen.“

Ich wollte nicht Nein sagen. Nicht nur der Sex war fantastisch gewesen, ich hatte auch seine Gesellschaft genossen. Was gefährlich war. „Ich verabrede mich nicht.“

„Dann lass uns einen weiteren Termin vereinbaren.“

„Warum?“, fragte ich geradeheraus. „Du hast gesehen, wie ich kam, während du in mir warst. Was willst du noch?“

Ich glaube, mit diesen Worten schockierte ich ihn dann doch. Jedenfalls war es meine Absicht gewesen. Ich wollte ihn verjagen.

Dan richtete sich auf, warf kurz einen Blick zum Schlafzimmer, dann spazierte er auf mich zu. Er war nicht so groß, dass ich meinen Hals hätte recken müssen. Sein Gesicht war hart geworden, und plötzlich hatte ich Angst, es zu weit getrieben zu haben.

„Du lächelst.“

Er tat es nicht. „Spielst du gerne Spielchen, Elle? Geht es darum?“

Manche Männer benutzten ihre Größe oder ihre Fäuste, um Frauen einzuschüchtern. Dan sah sauer aus, aber er fasste mich nicht an. Ich wich nicht zurück. Er legte eine Hand auf den Türrahmen neben meinem Kopf. „Hab ich es dir nicht gut genug besorgt?“

„Darum geht es nicht. Du warst sehr gut.“

Das Kompliment schien ihn nicht zu erfreuen. „Nicht gut genug für eine weitere Runde?“

„Du hast mich nicht gefragt, ob ich dich wieder vögeln möchte“, sagte ich. „Du fragtest, ob ich dich wiedersehen möchte.“

„Das Erstere geht schlecht ohne Letzteres, Elle.“

Er war flink und klug, ohne arrogant zu sein. Das gefiel mir. Er gefiel mir.

„Wenn du vögeln möchtest …“, begann ich.

„Ist es das, was du willst?“ Seine Stimme wurde tiefer. „Einfach nur einen schnellen Fick?“

„Nein“, sagte ich. „Manchmal mag ich es langsam.“

Er legte eine Hand auf meine Hüfte und zog mich an sich. „Das kann ich dir geben.“

Schon wieder war er hart, ich spürte ihn an meinem Bauch. Ich schlang einen Arm um seinen Hals und presste mich fester an ihn. „Tatsächlich?“

Während er feierlich nickte, legte er die Hände auf meinen Hintern und rieb sich an mir. „Wie ich bereits sagte: Was immer du willst.“

„Es wird nicht funktionieren, weißt du. Menschen fangen an, sich zu binden.“

Er lächelte. „Ich nicht.“

Auch ich musste nun lächeln, seine nackte Haut war warm unter meinen Händen. „Das glaubt jeder am Anfang. Und doch passiert es immer.“

„Und deswegen verabredest du dich nicht.“

„Ganz genau.“

Sanft wiegte er mich an seinem Körper. „Weil Männer sich an dich binden.“

„Ist schon passiert, ja.“

„Und dir passiert es nicht?“

Ich streichelte seine Brust. „Es ist mir einmal passiert.“

Dan drückte seine Lippen auf meinen Hals. „Aber davon abgesehen hast du die Herzen zahlreicher Narren gebrochen, die sich in dich verliebten.“

„Nein, ich denke nicht. Ich habe immer versucht, es zu vermeiden.“

„Warum? Macht es dich nicht an, an all die gebrochenen Herzen zu denken?“

„Nein.“

„Weil … du dich schuldig fühlst.“

„Ja …“ Das Wort war mehr ein Stöhnen, weil er mit der Zunge über meine Haut fuhr.

„Und deswegen verabredest du dich nicht.“

„Hatten wir das nicht bereits?“ Ich schob ihn ein wenig von mir, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

„Keine Sorge, Elle“, raunte er und zog mich wieder an sich. „Ich werde mich nicht allzu sehr in dich verlieben.“

Wie soll ich erklären, was er mit mir machte? Selbst jetzt noch, wenn ich zurückblicke, kann ich mir diesen Moment in allen Einzelheiten ins Gedächtnis rufen. Wie sich seine Hände auf meiner Haut anfühlten. Wie er roch, nach Aftershave und Sex. Wie seine Mundwinkel sich nach oben bogen und sich auf seinen Wangen die ersten Bartstoppeln bemerkbar machten. Ich habe das perfekte Bild vor Augen: Dan in diesem Moment. Das war der Moment, in dem ich mich davon überzeugen ließ, zu bleiben.

5. KAPITEL

Am nächsten Tag, als ich vor meinem Haus in denselben Klamotten wie am Abend zuvor aus dem Taxi stieg, hatte ich genug Zeit, meine Entscheidung zu bereuen. Ich hatte bei Dan geduscht und Zähne geputzt. Doch die Falten in den Kleidern, die entstehen, wenn man sie gedankenlos auf den Boden wirft, um sich anständig durchvögeln zu lassen, kann niemand missverstehen.

„Hi Miss Kavanagh.“ Gavin wartete diesmal zwar auf den Stufen seines eigenen Hauses, aber da diese nur Zentimeter von meinen entfernt waren, machte es kaum einen Unterschied. „Ich dachte, Sie könnten heute vielleicht wieder meine Hilfe beim Esszimmer brauchen.“

Was ich wirklich brauchte, war, mich kopfüber aufs Bett zu werfen und zu schlafen. Ich schenkte Gavin ein halbes Lächeln, steckte den Schlüssel ins Schloss, und da stand er bereits hinter mir.

„Es ist noch so früh“, sagte ich. „Gibt es nichts anderes, was du lieber tun würdest? Es ist wirklich ein wunderschöner Samstag.“

„Nö.“ Er beobachtete mich dabei, wie ich an dem Schloss herumfummelte, das an feuchten Tagen manchmal klemmte. „Soll ich Ihnen helfen?“

„Hab's schon.“ Das stimmte nicht. Ich war müde, und er bedrängte mich, schielte über meine Schulter auf das widerspenstige Schloss.

„Gavin?“

Wir drehten uns beide um. Mrs.. Ossley trat auf ihre Veranda, die Hände in die Hüften gestemmt und mit gerunzelter Stirn. Als sie mich und ihren Sohn erblickte, blieb sie jäh stehen. Dann musterte sie mich von Kopf bis Fuß. Ich schuldete ihr keine Erklärung für meine Kleidung oder das frühe Nachhausekommen, aber trotzdem hätte ich ihr am liebsten eine gegeben. Aus dem Stirnrunzeln wurde ein unechtes Lächeln.

„Gavin“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. „Lass Miss Kavanagh in Ruhe. Außerdem musst du dich fertig machen.“

Gavin wich einen Schritt zurück. „Ich will da nicht hin.“

Ihr Lächeln veränderte sich nicht. „Es interessiert mich nicht, was du willst. Dennis spricht schon die ganze Woche davon.“

Gavin schien in sich zusammenzufallen. „Ich hasse den amerikanischen Bürgerkrieg, und darum will ich auch nicht ins Bürgerkriegsmuseum. Das ist so langweilig.“ Er sah mich an. „Außerdem habe ich Miss Kavanagh versprochen, ihr beim Streichen des Esszimmers zu helfen.“

„Miss Kavanagh“, zischte seine Mutter durch die Zähne, “ist sicher durchaus in der Lage, ihr Esszimmer auch allein zu streichen.“

„Ja, Gavin“, sagte ich ruhig. „Das bin ich. Du solltest tun, was deine Mutter sagt. Du kannst mir nächste Woche wieder helfen.“

Er murrte und grummelte, hüpfte aber meine Stufen hinunter und stieg seine hinauf. Wortlos schob er sich an seiner Mutter vorbei. Sie sah ihn nicht an.

Stattdessen musterten wir uns über den schmalen Spalt zwischen unseren Treppen hinweg. Sie schien nicht viel älter als ich zu sein, obwohl sie schon einen fünfzehnjährigen Sohn hatte. Sie lächelte noch immer, und schließlich gab ich nach und lächelte auch, in etwa genauso ehrlich wie sie.

„Viel Spaß im Museum“, sagte ich, und endlich funktionierte mein Schloss.

„Den werden wir haben. Mein Verlobter Dennis kommt mit uns.“

Nichts hätte mich weniger interessieren können, aber ich nickte trotzdem.

„Gavin verbringt viel Zeit mit Ihnen“, sagte sie.

Ich drehte mich um. „Er leiht sich gerne Bücher von mir aus. Und er hat mir beim Renovieren sehr geholfen.“

Sie blickte kurz hinter sich, bevor sie sagte: „Ich muss oft lange arbeiten. Ich kann nicht immer für ihn da sein.“

Ich wusste nicht, ob sie sich bei mir entschuldigen oder mich warnen wollte. „Er kann immer gerne zu mir kommen, Mrs. Ossley. Ich freue mich über seine Hilfe.“

Sie betrachtete mich wieder von Kopf bis Fuß. „Das kann ich mir vorstellen.“

Ich wartete, ob sie noch mehr sagen würde, dann wünschte ich ihr erneut viel Spaß im Museum und ging hinein. Ich schloss die Tür hinter mir und lehnte mich einen Moment dagegen. Bisher hatten wir uns nur ab und zu zugewinkt, obwohl wir bereits seit fünf Jahren Nachbarinnen waren. Wahrscheinlich hätte es einen besseren Gesprächsanfang geben können. Andererseits hätte es auch schlimmer kommen können. Ich hatte keine Lust, allzu viel darüber nachzugrübeln. Mein Bett rief, und ich schlief lieber noch ein paar Stunden, bevor ich mit dem Rest des Tages weitermachte.

Am Montag hatte ich keine Chance, Marcy zu entgehen. Sie sah mich nur kurz an, dann kreischte sie auf, als hätte sie jemand gepikt.

„Ooooh Mädchen! Du hast es getan!“

Ich heftete den Blick auf mein Spiegelbild und fuhr fort, die Lippen nachzuziehen. „Was getan?“

Marcy frischte gerade ebenfalls ihr Make-up auf, sie hatte einen perfekt ausgestatteten Schminkkasten dabei. Darin befanden sich sämtliche Lidschattenfarben dieser Welt und ein paar, die von einem anderen Planeten stammen mussten, außerdem passende Lippen- und Kajalstifte, Rouge, Foundation und Puder.

„Du hast dir einen Mann gesucht.“

Bei ihren Worten zuckte ich zusammen und verschmierte den Lippenstift. „Wie bitte?“

Sie hob ihre perfekt gezupfte Augenbraue. „Einen Mann, Süße. Streite es nicht ab. Du hast den FVG an dir.“

Ich schüttelte lachend den Kopf. „Den was?“

„Den Frisch-gevögelt-Glanz, Süße“, erläuterte sie mit gesenkter Stimme. „Spuck's aus.“

„Ich habe nichts auszuspucken.“ Ich puderte mir die Nase und packte dann Lippenstift und Puderdose in meine Tasche.

„Komm schon. Ich habe dir auch von Wayne erzählt.“

Sie hatte recht. Eine Frauenfreundschaft beruhte auf Gegenseitigkeit. Und ehrlich gesagt wollte ich auch mit jemandem über Dan sprechen. Marcy war, so traurig es war, meine einzige Freundin.

„Sein Name ist Dan Stewart. Er ist Anwalt. Ich habe ihn im Blue Swan getroffen.“

„Ich wusste es!“ Es schien ihr nichts auszumachen, dass ich sie angelogen hatte.

Marcy besaß mehr Pinsel als Picasso, die sie in einem zusammengerollten Lederetui aufbewahrte. Mit einem tupfte sie ihren Lippenstift auf. Ich sah ihr fasziniert dabei zu, wie sie ihre Lippen ausmalte wie ein Malen-nach-Zahlen-Bild.

„Also, er hat einen guten Job. Na und … hat er auch einen großen Schwanz?“

Ich hüstelte. Warum, weiß ich auch nicht. Ich hatte schon Schlimmeres gehört. Und gesagt.

„Er ist ausreichend.“

„Oh“, hauchte sie mitfühlend und presste die Lippen auf ein Taschentuch. „So klein?“

„Nein! Du liebe Zeit, Marcy?“

„Ausreichend? Na hör mal, Elle.“ Sie blickte mich an. „Beschnitten? Oder nicht? Lang? Kurz? Dick? Dünn? Was?“

„Himmel, Marcy. Wer schaut sich das so genau an?“ Ich beugte mich hinunter, um die Hände zu waschen.

„Wer nicht, möchte ich wissen?“ Sie packte ihren Schminkkasten zusammen.

„Er hat einen sehr hübschen Penis“, erklärte ich ihr. „Ästhetisch ansprechend und absolut funktionsfähig.“

Sie verdrehte die Augen. „Verschone mich, ja? Du tust gerade so, als ob gar nichts dabei wäre.“

Ich lief aus der Toilette zu meinem Büro. Sie folgte mir bis an meinen Schreibtisch und machte es sich bequem.

„Setz dich doch“, bot ich ihr grinsend an. „Kann ich dir etwas zu trinken bringen?“

„Eines von deinen Diätgetränken“, sagte sie. „Ich weiß, dass du sie in dem kleinen Kühlschrank versteckst.“

Ich reichte ihr eine Dose und setzte mich hinter den Schreibtisch. „Hast du nichts zu tun?“

„Doch.“ Sie öffnete die Dose und trank einen Schluck. Es schien ihr egal zu sein, dass sie damit den Lippenstift ruinierte, den sie eben so sorgfältig aufgetragen hatte.

„Solltest du dann nicht mal loslegen? Statt mich über mein Sexleben auszuquetschen?“

„Wieso ausquetschen?“, rief sie. „Ich frage doch nur.“

Ich musste lachen. „Marcy, wir haben miteinander geschlafen. Keine große Sache.“

Sie runzelte die Stirn. „Süße, das ist echt traurig. Es sollte eine große Sache sein, sonst lohnt es sich nicht.“

Da hatte sie nicht unrecht, dasselbe hatte ich mir schließlich auch gesagt, als ich beschloss, künftig enthaltsam zu leben. „Es hat sich gelohnt, okay?“

„Also war er gut.“

„Er war gut, Marcy!“ Ich wedelte mit einem Stift vor ihrer Nase herum. „Du neugierige Hexe.“

Sie legte eine Hand aufs Herz und sah mich verletzt an. „Das sagst du, als ob Neugier etwas Schlechtes wäre.“

Ich seufzte resigniert. „Wir sind zusammen ins Kino gegangen und danach zu ihm nach Hause.“

Ich erwähnte die Tanzfläche nicht und auch nicht die Toilette im La Belle Fleur. Marcy beugte sich trotzdem nach vorn. „Hat er so getan, als wollte er dir seine Briefmarkensammlung zeigen?“

„Ich denke, wir wussten beide, warum wir zu ihm gingen. Und er sammelt keine Briefmarken, soweit ich das beurteilen kann.“

„Puh“, sagte sie. „Das turnt nämlich total ab.“

„Gut, das merke ich mir.“

Marcy trank noch einen Schluck, dann stellte sie die Dose auf meinen Tisch. „Elle, darf ich dir was sagen?“

„Könnte ich dich daran hindern?“

„Selbstverständlich nicht.“

„Dann raus damit.“

„Ich finde es gut, dass du mal etwas Ablenkung hattest.“

Ihre Worte berührten mich. „Danke, Marcy.“

Sie nickte und zwinkerte mir zu. „Also wirst du ihn wiedersehen.“

Mein Lächeln verblasste. „Ja.“

„Mannomann, das klingst ja begeistert. Was ist los? Spricht er mit vollem Mund? Oder was?“

Ich zuckte mit den Schultern und musterte den Aktenstapel auf meinem Tisch. „Nein. Er hat sehr gute Manieren.“

„Oha. Sehr gute Manieren. Einen ästhetisch ansprechenden Penis. Ich will hören, dass er fantastisch war und ihr viel Spaß hattet.“

Ich konnte nicht länger widerstehen. „Ich mag ihn.“

„Und wo ist dann das Problem?“, fragte sie besorgt. „Das ist doch gut, oder nicht?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte meine Gründe dafür, dass ich ihn nicht mögen wollte. Dass ich keine Beziehung anstrebte. Es waren zwar beschissene und erbärmliche Gründe, aber immerhin Gründe.

„Du musst ihn doch nicht gleich heiraten.“

„Gott bewahre?“, rief ich erschrocken. „Du liebe Güte, nein?“

Sie hob die Hände. „War nur so dahergesagt. Ist doch nichts dabei, auszugehen, Spaß zu haben und sich flachlegen zu lassen, oder?“

„Nein. Es ist nur …“ Ich schüttelte den Kopf. „Es ist einfach nicht mein Ding.“

„Vielleicht solltest du noch mal darüber nachdenken, was dein Ding ist“, riet sie mir und stand auf. „Denn wenn ich ehrlich bin, Herzchen, glaube ich nicht, dass du auf dem richtigen Weg bist.“

„Danke für den Tipp“, entgegnete ich.

„Mit Sarkasmus“, verkündete sie mit erhobenem Kopf, “verteidigen sich die, die sich ertappt fühlen?“

Damit rauschte sie, in eine Duftwolke Obsession gehüllt, aus meinem Büro und hinterließ eine tropfende Getränkedose auf meinem Schreibtisch.

Auf der Busfahrt nach Hause hatte ich Zeit, über ihre Worte und Dans Versprechen nachzudenken. Keine feste Bindung. Diese Vorstellung war verlockend, wenn auch lächerlich. Man kann nicht einfach miteinander ins Bett gehen. Das geht nicht. Der eine oder der andere verstrickt sich irgendwann in seine Gefühle, und irgendjemand wird auf jeden Fall verletzt. Wir sind nicht dafür gemacht, Sex von Liebe zu trennen, es gibt einen guten Grund dafür, warum man sich in beiden Fällen so euphorisch fühlt. Sex und Liebe nähren sich gegenseitig. Natürlich könnte man behaupten, dass die Menschen auf diese Weise einfach nur Familien gründen und damit ihren Fortbestand garantieren wollen, und doch bleibt die Tatsache bestehen: Je öfter zwei Menschen miteinander schlafen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen sich verliebt.

Ich fragte mich, wie lange es in diesem Fall wohl dauern würde, und während ich durchs Fenster auf die Straßenlaternen starrte, begann ich wie immer zu zählen. Zahlen ändern sich nicht. Wie oft also müsste ich Dan wohl in meinen Körper lassen, bis einer von uns zum ersten Mal zärtliche Gefühle entwickelte?

Und falls ich das sein würde, wäre ich in der Lage, es dann sofort zu beenden?

Nicht dass ich noch nie einen Freund gehabt hätte oder verliebt gewesen wäre; einmal war es so, vor sehr langer Zeit. Hals über Kopf hatte ich mich verliebt, wahnsinnig, leidenschaftlich, verzweifelt verliebt in einen Jungen, von dem ich glaubte, er wäre mein Ritter in glänzender Rüstung. Ist schon eine komische Sache mit den glänzenden Rüstungen. Sie werden ziemlich schnell matt.

Als ich zu Hause ankam, war ich fest entschlossen, ihn nie mehr wiederzusehen. Es hatte doch gar keinen Sinn. Ich würde ihn nicht anrufen, nicht treffen, gar nichts.

Meine Mutter hatte in der Zwischenzeit dreimal angerufen und derart lange Nachrichten hinterlassen, dass mein Anrufbeantworter voll war. Und ich, die ich nicht in der Lage war, sie zu hassen, musste erkennen, dass ich sie nun nicht einmal ignorieren konnte. Ich lauschte ihren Ergüssen, dann nahm ich den Telefonhörer ab.

„Wer ist da?“ Sie klang streitsüchtig. Alt. Ich musste mir in Erinnerung rufen, dass sie Anfang sechzig war und noch längst nicht invalide. „Ella?“

„Ich heiße Elle, Mutter. Bitte.“

„Wir haben dich immer Ella genannt.“ Und dann ergoss sich erneut ein Wortschwall über mich. „Hörst du überhaupt zu?“

Als ob ich eine Wahl gehabt hätte. „Ja, Mutter.“

Sie schnaubte leise. „Wann besuchst du mich?“

„Ich habe momentan sehr viel zu tun, wie du weißt. Das habe ich dir doch gesagt.“

Mir halbem Ohr hörte ich ihr zu, während ich den Teekessel mit Wasser füllte und mein Abendessen aus dem Tiefkühlfach nahm. Dann holte ich einen Teller aus dem Schrank. Ein Glas. Eine Gabel. Und stellte alles auf meinen Tisch, an dem vier Personen hätten Platz nehmen können, was noch nie vorgekommen war. Ich veranstaltete keine Dinnerpartys.

„Ich möchte, dass du mich zum Friedhof fährst, Ella. Daddy kann nicht, er ist nicht mehr in der Lage, so weit zu fahren.“

Die Gabel fiel klappernd auf den Teller. „Mutter, ich habe es dir bereits gesagt: Nein?“

Daraufhin entstand erstaunlicherweise eine lange Pause, ich hörte nichts außer ihrem Atem. „Elspeth Kavanagh“, sagte sie schließlich. „Das Mindeste wäre ja wohl, dass du gelegentlich mal eine Rose auf sein Grab legst. Er war dein Bruder. Schämst du dich nicht, Ella? Er war dein Bruder, und er hat dich geliebt.“

Das Pfeifen des Wasserkessels erlöste mich. Mit zitternden Fingern stellte ich das Gas ab und schüttete das kochende Wasser in den Becher. Es lief über, und ich verbrannte mir die Hände. Vor Schmerz stöhne ich auf.

„Was ist los?“

„Ich habe mich mit kochendem Wasser verbrüht.“

Schon ging es wieder los, sie erklärte, wie man am besten mit Verbrennungen umging und dass es jemanden geben sollte, der auf mich aufpasste und sich um mich kümmerte, weil ich das ja offensichtlich nicht selbst konnte. Ich beendete das Gespräch so schnell wie möglich. Dann betrachtete ich den Tee, das Essen, den einzelnen Teller.

„Ich weiß, wer er was“, sagte ich laut zu mir selbst in der leeren Küche.

Dan öffnete mit zerwühltem Haar die Tür. Als er mich sah, weiteten sich seine verschlafenen Augen. Ich trug einen schwarzen Regenmantel und hochhackige Pumps, roten Lippenstift und schwarzen Kajal. Ich wusste, wie ich aussah: wie die Parodie der Wichsvorlage eines Teenagers.

Ich warf die Tür hinter mir zu. „Hi.“

Dan lächelte. „Das ist aber eine Überraschung.“

Es ist immens zufriedenstellend, wenn ein Mann allein beim Anblick einer Frau hart wird. Er trug eine Schlafanzughose aus Flanell, die sich herrlich ausbeulte, als ich den Mantel öffnete und zeigte, wie wenig ich darunter trug. „Wie wäre es damit?“

Er blinzelte, betrachtete mich von Kopf bis Fuß, dann starrte er mir in die Augen. Mir stockte der Atem, mein dreister Auftritt war mehr Theater als wirklich dreist. Einen Moment lang fürchtete ich, er würde mich zurückweisen, mir einen Stuhl anbieten und etwas zu trinken. Aber nur einen Moment lang, denn mit seinen nächsten Worten gab er mir genau das, was ich wollte.

„Zieh ihn aus.“

Ich ließ den Mantel auf den Boden fallen. Ich trug schwarze halterlose Strümpfe und schwarze Spitzenwäsche. Dessous aus den Tiefen meines Kleiderschranks, die ich seit Jahren nicht mehr getragen hatte, die mir ein Gefühl von Macht gaben, in denen ich mich sexy fühlte. Es funktionierte. Ich musste ihn nur betrachten, und meine Brustwarzen zogen sich zusammen.

„Knie dich hin.“

Ich gehorchte. Er legte eine Hand auf meinen Kopf, strich mir zärtlich durchs Haar und schob seine Hüfte nach vorne. Ich berührte seinen Schwanz durch den Schlitz seiner Hose, sein Stöhnen trieb die Lust zwischen meine Beine.

Es war so leicht zu tun, was er verlangte. Weil ich es wollte. Weil ich mich danach sehnte, aber nicht selbst entscheiden wollte. Und ich belohnte ihn, indem ich mich ergab. Er übernahm die Verantwortung, was mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Ich betrachtete seine Haut, das dunkle Haar und seinen so herrlich erregten Penis.

Manche Frauen glauben, vor einem Mann zu knien wäre erniedrigend und ihm einen zu blasen schmutzig, ekelhaft, lästig, etwas, was man eben tun und tolerieren muss. In manchen Fällen konnte ich das nachvollziehen, und doch tun mir diese Frauen leid. Sie verstehen nicht, wie viel Macht sie auf ihren Knien ausüben können. Wie viel sie gewinnen, wenn sie ihn so verwöhnen. Ich sah auf, wollte etwas sagen, aber sein Gesichtsausdruck hielt mich davon ab.

„Du bist so schön. Weißt du das?“

Ich mag das Wort “schön“ nicht. Man benutzt es auch für Vasen, Pferde, Häuser und Blumen. Schön ist eine schmeichelhafte Lüge.

Ich schüttelte den Kopf. „Pssst?“

Er strich mir über den Kopf, dann über die Wange. „Möchtest du, dass ich etwas anderes sage?“

„Sag mir“, flüsterte ich und presste die Wange gegen seinen Schenkel, “dass ich deinen Schwanz in den Mund nehmen soll.“

Bei meinen Worten stöhnte er auf. „Elle …“

Ich lächelte. Ich küsste seinen Schenkel, knabberte an seinem Haar, berührte seine Hoden mit meinen Lippen. „Sag es.“

„Nimm meinen Schwanz in den Mund.“

Und das tat ich, Zentimeter für Zentimeter. Ich hielt mich an seinen Schenkeln fest. Er keuchte auf und stieß mir entgegen. Es war erregend, wie er meinen Namen flüsterte und mein Haar streichelte. Ich nahm ihn ganz in den Mund, bis meine Lippen seinen Bauch streiften, wanderte langsam zurück, verweilte an seiner Schwanzspitze und begann zu saugen, nahm ihn wieder ganz in mir auf, langsam, ich atmete durch die Nase und konzentrierte mich auf jede Wölbung und Einbuchtung.

Ich wollte ihn schmecken, wollte hören, wie sein Atem schneller ging, spüren, wie die Muskeln in seinen Schenkeln bebten, während er tief in meinen Hals stieß. Das war es, was ich wollte, denn auf diese Weise gelang es mir, an nichts anderes mehr zu denken als an seinen Schwanz, seine Eier, seine Schenkel, seinen Bauch, sein Stöhnen, sein Stoßen, den salzigen Geschmack hinten auf meiner Zunge, als er fast so weit war.

„Elle. Elle, Baby, hör auf. Ich komme gleich.“

Ich hörte nicht auf und brachte ihn erneut zum Stöhnen, als ich mit der Zunge über seine zarte Haut an der Unterseite strich. Ich legte zusätzlich die Finger um ihn und bewegte meine Hand im selben Takt wie meinen Mund. Mit der anderen Hand spielte ich an seinen Hoden.

Er stieß so hart in mich, dass ich wohl erstickt wäre, hätte ich ihn nicht so fest umklammert. Sein Schwanz pochte an meiner Zunge, er schrie leise auf, ich schluckte alles, wartete dann noch ein paar Sekunden, bis er fertig war, saugte noch ein letztes Mal und stand auf.

Wegen der hohen Absätze konnte ich ihm direkt in die Augen sehen. Er griff nach meinem Oberarm, als müsste er sich festhalten.

„Wo?“, sagte er schließlich. Sein Blick wurde wieder klar.

Ich fuhr mir mit dem Daumen über die Lippen. „Könnte ich ein Glas Wasser haben?“

„Ja, klar …“ Er zeigte zur Küche.

Ich lief durchs Wohnzimmer und spürte, wie er mich mit seinen Blicken verschlang. Das Wasser direkt aus dem Hahn war kalt und löschte meinen Durst. Es fühlte sich auch auf meinen Wangen gut an und in meinem Nacken. Als ich mich umdrehte, stand er hinter mir.

„Danke für das Wasser“, sagte ich.

„Gern geschehen.“ Er hatte die Schlafanzughose wieder hochgezogen.

„Gut.“ Mission erfüllt. Ich hatte das Gespräch mit meiner Mutter lange genug vergessen, dass ich jetzt damit umgehen konnte. „Ich gehe dann wieder.“

Er hielt mich am Arm fest. „Du willst gehen?“

Ich betrachtete seine Hand auf meinem Arm, dann blickte ich ihn an. „Ja, das habe ich vor.“

„Wieso?“

Ich lächelte. „Weil ich fertig bin.“

Dan lächelte auch, es wirkte aber ein wenig angestrengt. Wie beim letzten Mal, als ich gehen wollte. „Und wenn ich noch nicht fertig bin?“

Ich warf einen bedeutungsvollen Blick auf seine Hose. „Ich denke schon.“

„Ja, aber du nicht.“

Ich legte den Kopf schief. „Deswegen bin ich nicht gekommen.“

„Du bist überhaupt nicht gekommen.“ Er zog mich an sich.

„Mir ist es egal, warum kümmert es dich dann?“ Seine Hände streichelten über meinen Hintern.

„Elle, bist du nur gekommen, um mir einen zu blasen und dann wieder zu gehen?“

„Ja.“

Er schwieg einen Moment. „Wirklich?“

Ich nickte.

Er sah überrascht aus, und diesen Moment nutzte ich, um mich aus seiner Umarmung zu befreien und meinen Mantel aufzuheben.

„Elle, warte.“

Ich drehte mich um, den Mantel bereits halb angezogen.

„Ich möchte nicht, dass du gehst. Bleib noch eine Weile bei mir.“

„Ich bin nicht gerade passend gekleidet, um Mensch ärgere dich nicht zu spielen.“ Ich begann den Reißverschluss hochzuziehen.

„Du gehst also wirklich.“

„Ich gehe wirklich, Dan.“

„Nein.“

„Die meisten Typen wären glücklich, wenn eine spärlich bekleidete Frau mitten in der Nacht vorbeikommt, ihnen wunderbar einen bläst und dann wieder verschwindet, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.“

„Ich bin nicht wie die meisten Typen.“

„Du … hat es dir nicht gefallen?“ Ich verbarg meine Unsicherheit hinter einem hastigen Hüsteln. Meine Wangen brannten. Auf einmal kam ich mir dumm vor.

Er zog mich von hinten an seine Brust. „Es war herrlich“, flüsterte er mir ins Ohr. „Aber ich möchte nicht, dass du schon gehst.“

Ich erzitterte, als sein Atem über mein Ohr strich. Ich biss mir auf die Lippen. Seine Berührungen fühlten sich so gut an. Ich wollte seine Hände überall spüren. Ich habe nie eine Entschuldigung gesucht, wenn ich mit einem Mann schlafen wollte. Habe nie zugelassen, dass meine Vergangenheit die Lust meines Körpers verhindert. Mir ist vieles genommen worden, aber nicht das.

„Du willst doch gar nicht gehen, oder?“

Behutsam zog er den Reißverschluss ein Stück auf, glitt mit den Händen unter den Mantel und legte sie auf meine Brüste. Viel mehr als ihr Gewicht spürte ich durch den Stoff nicht. Doch dann zog er mir den Regenmantel mit einer Bewegung aus, wanderte mit den Fingern über meine nackte Haut. Ich lehnte mich an ihn, an seine breite Brust.

„Du riechst so gut.“ Er küsste meinen Hals, glitt mit einer Hand unter meinen BH und knetete sanft meine Brustwarzen, mit der anderen strich er über meinen Slip. Ich erschauerte. Dan biss mir sanft in die Schulter, bis ich vor Lust aufstöhnte.

„Ich liebe dein Stöhnen“, raunte er und küsste das Mal, das seine Zähne hinterlassen hatten. „Du hast die aufregendste Stimme der Welt. Alles, was du sagst, klingt aus deinem Mund einfach wunderbar.“

Ich drehte den Kopf und sah ihn an. „Wie bitte?“

Er lächelte. „Ich wollte nur sicher sein, dass du mir auch zuhörst.“

Ich wusste nichts zu antworten. Die meisten Komplimente lassen mich stutzig werden. Ich kenne meine Stärken, und meine Mitmenschen, wie ich vermute, auch. Alles Weitere ist übertrieben oder sogar gelogen.

Er hörte nicht auf, mich mit den Händen weiterhin sanft zu verwöhnen. „Magst du das etwa auch nicht?“

„Du musst das nicht tun.“

„Was denn?“ Er strich mit dem Daumen über meine Brust. „Das?“

„Nein. Du musst nicht solche Sachen sagen.“

Er drehte mich ein wenig zu sich. „Ich möchte es aber.“

Ich schüttelte den Kopf. „Wieso? Ich bin doch schon hier. Du bekommst doch auf jeden Fall, was du willst.“

Mit gerunzelter Stirn ließ er mich los und verschränkte die Arme vor seiner nackten Brust. „Du glaubst, dass ich nur deswegen solche Sachen sage?“

Wir sahen einander an, ich schob den BH-Träger wieder auf die Schulter. Mein Gesicht wurde heiß, als er mich musterte, diesmal aber nicht vor Leidenschaft.

„Elle“, sagte Dan. „Wenn ich solche Sachen nicht sagen soll, dann lass ich es. Aber es ist okay, zu sagen, dass du meinen Schwanz in den Mund nehmen sollst?“

Ich lächelte leise. „Ja.“

„So wie es okay war, mit dir auf der Toilette zu vögeln, aber nicht, dich um eine Verabredung zu bitten.“

„Genau.“

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, bis es ganz zerzaust war und ich es am liebsten geglättet hätte. Er holte tief Luft. „Und du kommst hier einfach vorbei, wenn es dir gefällt, in Klamotten, die aus meinen feuchten Träumen als Pubertierender stammen könnten, und besorgst es mir, ohne dass ich dich verwöhnen darf.“

„Ja.“ Ich lächelte jetzt etwas breiter. „Wobei ich noch nicht gegangen bin.“

Er studierte noch einen Moment lang mein Gesicht. „Komm her.“

Ich folgte, gehorsam, ergeben, mein Herz setzte kurz aus, als er in mein Haar griff und meinen Kopf nach hinten zog. „Du magst es, wenn man dir sagt, was du tun sollst.“

Ich murmelte etwas Zustimmendes. Er fuhr mit der Fingerkuppe über meinen Hals, über die Brüste zu meinem Bauchnabel und zwischen meine Beine. Während des Gesprächs war mir die Lust vergangen, doch sie lebte sofort wieder auf.

„Wieso?“

„Weil ich die ganze Zeit denke“, flüsterte ich. „Und manchmal ist es schön, damit aufzuhören. Manchmal ist es schön, einfach … etwas zu tun.“

„Oder gesagt zu bekommen, was man tun soll.“

„Ja.“

Er streichelte mich durch den Slip hindurch. Mit der anderen Hand hielt er meinen Kopf fest und zwang mich, ihn anzusehen.

„Ist es wirklich Jahre her, dass du mit einem Mann geschlafen hast?“

Ich trat einen Schritt zurück. „Natürlich. Warum sollte ich dich anlügen?“

„Warum lügen Leute überhaupt?“ Er machte keine Anstalten, mir näher zu kommen.

„Wie ich gesagt habe, es war vor drei Jahren.“

„Komm her.“

Beinahe hätte ich es nicht getan. Aber dann näherte ich mich ihm. Er packte mich, diesmal fester, und ich zuckte zusammen, obwohl er mir nicht wirklich wehgetan hatte. Er drückte mich an sich und legte wieder eine Hand zwischen meine Beine.

„Sagst du mir, was du gern magst, oder muss ich raten?“ Er begann mich zu streicheln. „Gefällt es dir, gefesselt zu werden? Geschlagen? Magst du Nippelklammern und heißes Wachs?“

„Heißes Wachs?“ Ich wollte mich wieder losmachen, doch er hielt mich fest und streichelte und streichelte und streichelte. So zart. Hitze entstand unter seinen Fingern und breitete sich aus.

Dan grinste. „Kein Wachs!“

„Ich … also ich bin nicht …“ In Wahrheit hatte ich gewisse Schwierigkeiten, genau zu sagen, was ich mochte und was nicht. Je länger er mich streichelte, desto weniger konnte ich mich überhaupt an Worte erinnern.

„Du magst es, wenn ich dir sage, was du tun sollst.“

„Ja …“

Er biss mir sanft in den Nacken, und ich schob die Hüften vor.

„Und mir gefällt es, dir zu sagen, was du tun sollst“, flüsterte er. „Offenbar passen wir gut zusammen.“

Er schob mich ins Schlafzimmer und warf mich aufs Bett, ein wenig grob, aber nicht allzu sehr. Und ich war zu erregt, als dass es mich gestört hätte.

„Fass dich an.“

Das hatte ich nicht erwartet. „Wie bitte?“

„Du hast schon verstanden.“ Er stand neben dem Bett und betrachtete mich mit hartem Blick. „Ich will zusehen, wie du es dir selbst besorgst.“

„Wenn ich das wollte, könnte ich auch nach Hause gehen.“ Ich stütze mich auf einen Ellbogen.

Schulterzuckend zeigte er zur Tür. „Tu dir keinen Zwang an.“

Ich zögerte. „Du willst, dass ich mich streichle.“

„Ja.“

Das hatte ich noch nie vor einem anderen getan. Es gehörte nicht einmal zum Repertoire meiner sexuellen Fantasien. Aber ich tat es trotzdem, weil er mich dazu aufgefordert hatte. Ich legte die Hände auf die Brüste. Es fühlte sich nicht so gut an, als wenn er es getan hätte. Ich schob den BH zur Seite, feuchtete meine Finger an und strich über die Brustwarzen. Das war schon viel besser, und ich keuchte auf.

Seine Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. Seine Hose wies bereits wieder eine mächtige Ausbuchtung auf, was meine Leidenschaft nur noch anheizte. Ich schob die Hand unter mein Höschen und zupfte an meinem Lustzentrum im selben Rhythmus wie an meinen Brustwarzen.

„Gefällt dir das?“, fragte Dan. „Macht dich das an?“

„Ja.“

„Bringst du dich so selbst zum Orgasmus?“

„Ja.“ Ich bewegte mich schneller, glitt mit einem Finger tiefer, um ihn zu befeuchten. Ich erbebte.

„Zieh den Slip aus. Ich will alles sehen.“

Ich ließ ihn nicht aus den Augen, schob den Spitzenstoff nach unten und streichelte mich weiter. Er setzte sich neben mich, und obwohl mich sein prüfender Blick ein wenig irritierte, behielt ich den Rhythmus bei und versuchte, mich zu verlieren.

„Fällt es dir schwer?“ Er legte eine Hand auf meinen Bauch.

Ich musste mich anstrengen, um zu antworten, musste erst über meine Lippen lecken. „Ein wenig.“

„Auch wenn du es allein machst?“

Ich lachte leise und ließ meine Hand ruhen. „Es fällt mir schwer, weil du mich beobachtest, als müsstest du hinterher darüber ein Examen ablegen.“

Mir war gar nicht klar gewesen, wie sehr ich auf ein Lächeln von ihm hoffte, bis er es mir schenkte. Erleichterung erfasste mich. Er drückte einen Kuss auf meine Schulter und noch einen auf meinen Hals. Dann legte er die Hand auf meine, und wir bewegten uns gemeinsam.

„Handelt es sich um einen Multiple-Choice-Test oder um eine mündliche Prüfung?“, fragte er.

Ich schnappte nach Luft, während er sprach, weil er einen Finger in mich schob. Dann noch einen, er weitete mich ein wenig und bewegte die Hand vor und zurück. Kleine Flammen schienen in die Höhe zu züngeln.

„Du bist so eng“, murmelte er an meiner Schulter. „So heiß. Und so nass.“

Es war gut, wie er seine Finger bewegte, aber es war nicht genug. Ich wollte mehr. Ich hob meine Hüften und rieb mich schneller.

„Willst du, dass ich dich ficke?“

„Ja.“

„Ja was?“

„Ja, Dan, ich will …“ Die Worte blieben mir im Hals stecken, nicht aus Scham, sondern weil ich glaubte, vor Lust sterben zu müssen. „Ich will, dass du …“

„Sag: Fick mich.“

„Fick mich.“

Er griff in die Nachttischschublade, zog sich ein Kondom über und drang in mich ein. Er traf meinen Punkt sofort, und ich schrie auf. Er vögelte mich schnell und hart, kümmerte sich wenig um meinen Genuss … und es war fantastisch. Der Höhepunkt war heftig wie ein Gewitter mit Blitz und Donner und allem Drum und Dran. Er kam kurz danach.

Schwer atmend sah er auf mich hinunter. Ein Schweißtropfen fiel von seiner Stirn auf meine Lippen, und ich leckte ihn weg. Er rollte sich auf den Rücken, entsorgte das Kondom und zog mich an sich.

„Hat dir das gefallen?“, fragte er. „Als ich dir gesagt habe, du sollst dich streicheln?“

Ich dachte darüber nach, weil ich fand, er verdiente eine ehrliche Antwort. „Es war nicht so, dass ich es nicht mochte.“

Seine Hand tanzte über meine Hüfte und meine Taille. „Was heißt das?“

„Das heißt, es hat mir gefallen, dass du mich dazu aufgefordert hast. Dass ich es sonst aber nicht getan hätte.“

„Und du würdest alles tun, was ich dir sage?“ Seine Stimme klang nachdenklich.

„Habe ich das bisher denn nicht?“

Er schwieg einen Moment. „Wie weit würdest du gehen?“

Ich konnte ihn nicht ansehen. „So weit, wie du möchtest.“

„Du ziehst das wirklich durch, oder?“, fragte er leise. „Es zu trennen, meine ich.“

Der Sex hatte mich schläfrig gemacht. Ich legte meine Hand auf seine. „Ja.“

Er küsste mich auf die Schulter. „Immer?“

„Ja, Dan. Immer.“

Ich wartete darauf, dass er noch etwas sagte, doch er schwieg. Nur sein Atem war zu hören, und dann wurde es plötzlich dunkel im Zimmer, und er zog die Bettdecke über uns. Etwas später hörte ich ihn leise schnarchen, seine Hand lag noch immer auf mir, als wollte er sicher sein, dass ich noch da war. Ich lauschte einen Moment, seine Berührung war ein Anker, von dem ich nie vermutete hätte, dass ich ihn so sehr genießen könnte.

Ich stand auf, lieh mir aus seinem Schrank eine Jogginghose und ein Hemd. Zwar war ich verrückt genug gewesen, in Unterwäsche durch die halbe Stadt zu fahren, doch jetzt wollte ich das Schicksal nicht noch einmal herausfordern.

Ich war nicht vollkommen herzlos, selbst damals nicht. Ich tat zwar mein Bestes, um es nicht zu zeigen, aber ich hatte ein Herz. Ich warf noch kurz einen Blick zurück, um ihn schlafen zu sehen, dann erst schlüpfte ich durch die Tür.

6. KAPITEL

Wenn man gefragt wird, was man gerade denkt, antwortet man oft: „Nichts.“ Das ist eine Lüge. Niemand denkt jemals nichts. Der Verstand hält nie inne. Ist nie leer. So ein Verstand ist eine knifflige Angelegenheit, immerzu arbeitet er an einem Problem oder einer Idee herum, selbst wenn er ganz ruhig zu sein scheint.

Ich denke nie an nichts. Am ehesten komme ich zur Ruhe, wenn ich rechne, mit einem Mann schlafe oder trinke. Ansonsten fühle ich mich wie in einem Hamsterrad, meine Gedanken drehen sich ununterbrochen, ohne an irgendein Ziel zu gelangen.

Chad, der Mensch, der mich besser kennt als irgendjemand sonst auf der Welt, versteht mich. Deswegen schickt er mir auch kleine Päckchen mit Karikaturen, teurer Schokolade und Karten mit Sinnsprüchen. Er weiß zwar, dass Worte und Süßigkeiten mir nicht helfen, aber er schickt sie trotzdem, weil er sich dann besser fühlt. Ich streite nie mit ihm darüber, schließlich mag ich teure Schokolade und Karikaturen, die mich zum Kichern bringen. Ich revanchiere mich mit Fruchtkörben und eleganten Körperlotionen. Auf diese Weise kümmern wir uns umeinander, da wir zu weit entfernt voneinander leben, um uns regelmäßig zu sehen.

„Für Sie ist ein Päckchen gekommen.“ Gavin hatte offenbar auf meine Rückkehr gewartet, denn kaum hatte ich einen Fuß auf meine Treppe gesetzt, als er schon die Tür aufriss. „Ich habe es angenommen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.“

„Klar, Gav. Danke. Möchtest du es reinbringen?“ Wir gingen ins Haus, und ich hängte Mantel und Tasche an den Haken. Dann ging ich nach oben, um mich umzuziehen.

Als ich zurückkam, öffnete Gavin gerade die Farbeimer, die ich an der Wand aufgereiht hatte. Schlichtes Weiß. Nichts Ausgefallenes. Ich sah ihm dabei zu, während ich das Päckchen meines Bruders öffnete.

„Wie war's im Museum?“

Er zuckte mit den Schultern. „Langweilig.“

Ich fragte nicht weiter. In dem braunen Papier befand sich eine Schachtel. Ich schüttelte sie, aber es war nichts zu hören, vermutlich handelte es sich um Zeitschriften. Chad sammelte alle erdenklichen Klatschblätter und schickte sie mir dann mit handgeschriebenen Kommentaren an den Rändern.

Doch in der Schachtel lag ein Buch, der feste schwarz-weiße Einband war abgenutzt und ein wenig verbogen, ansonsten aber in gutem Zustand. Ich strich mit dem Finger darüber, legte es dann auf die Handfläche und sah, wie es zitterte.

Die Abenteuer der Prinzessin Pennywhistle. Es war einmal eine Prinzessin namens Pennywhistle. Prinzessin Pennywhistle hatte lockiges blondes Haar und so blaue Augen, dass der Himmel neidisch wurde. Prinzessin Pennywhistle lebte in einem Schloss mit ihrem Einhorn Unique.

Prinzessin Pennywhistle. An sie hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gedacht, und jetzt lag ihre Geschichte in meinen Händen, nach so langer Zeit, dass ich mich kaum noch an sie erinnern konnte.

Gavin spazierte in die Küche, um ein Glas Wasser zu holen und sah, wie ich mit dem Buch am Tisch saß. „Was ist das?“

Ich zeigte es ihm. „Prinzessin Pennywhistle. Diese Geschichte haben meine Brüder und ich geschrieben, als wir noch Kinder waren.“

„Sie haben Geschichten geschrieben?“

Ich war mir nicht sicher, ob ich wegen seines ungläubigen Gesichtsausdrucks brüskiert sein sollte. „Diese eine, ja.“

„Wow.“ Er schien beeindruckt. „Das ist ganz schön cool, Miss Kavanagh.“

Ich fuhr erneut mit dem Finger über den Einband aus Pappe. „Prinzessin Pennywhistle hat mit ihrem Einhorn Unique eine Menge Abenteuer erlebt. Und sie musste nie auf einen Prinzen warten, der sie rettet.“

„Die war ziemlich zäh, wie?“

Ich entdeckte auf seinem Gesicht ein Grinsen, das so selten war. „Darauf kannst du wetten.“

„Warum haben Sie aufgehört, über sie zu schreiben?“

Ich legte das Buch auf den Tisch. „Weil ich erwachsen wurde.“

Er schnappte sich das Buch und blätterte darin herum. „Darf ich es irgendwann mal lesen?“

„Es ist nicht gerade Der kleine Prinz“, erklärte ich ihm. „Aber … klar. Wenn du magst.“

Er grinste wieder. „Danke. Ich schreibe übrigens auch manchmal.“

„Vielleicht lässt du mich auch mal was lesen.“ Ich suchte in der Schachtel nach einem Brief oder einer Karte, doch sie war leer.

Gavin blätterte weiter. „Vielleicht. Hey! Da sind ja auch Bilder?“

Er hob das Buch, um mir eine mit Buntstiften gemalte Zeichnung der mutigen Prinzessin zu zeigen. Unique, das eher wie ein Esel mit einem deformierten Horn auf dem Kopf aussah, stand neben ihr. Mein Hals wurde eng, als ich dieses Bild sah, das Kinderhände vor so langer Zeit gemalt hatten.

„Prinzessin Pennywhistle und das Müllmonster“, las Gavin vor und blätterte um. „Prinzessin Pennywhistle und der Glasturm.“

Aus dem Turm hatte sie sich mit einem Hammer befreien können.

„Prinzessin Pennywhistle und der Schwarze Ritter.“ Gavin war am Ende des Buches angekommen.

„Ich denke … vielleicht sollten wir jetzt mit dem Streichen beginnen, Gavin. Du musst morgen in die Schule, und ich muss zur Arbeit.“

Ich steckte das Buch zurück in die Schachtel, ohne ihn anzusehen. Mir war klar, dass meine Schroffheit ihn verletzte, aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Ich verstaute Pennywhistle in einer Schublade und lief ins Esszimmer.

Als Gavin gegangen war und ich geduscht hatte, zog ich das Buch wieder hervor. Sie war tapfer gewesen, die kleine blonde Prinzessin mit den blauen Augen, die den Himmel eifersüchtig machte. Tapfer und stark. Sie hatte sich aus dem Glasturm befreit, das Müllmonster besiegt, das Königreich der Regenbogenmenschen betreten und es von der bösen Schwarzweißhexe befreit. Prinzessin Pennywhistle war bunt und lustig und selbstbewusst gewesen, bis zum Schluss, als sie den Schwarzen Ritter traf, der ihr das Lachen stahl.

Warum war aus ihr ein farbloses, unglückliches, unsicheres Mädchen geworden? Warum hatte sie Angst bekommen? Nun, diese Frage stellte ich mir nicht im Ernst. Sondern ich fragte mich: Warum war ich so geworden?

Als das Telefon klingelte, ging ich nicht ran. Der Film im Fernsehen und das Popcorn auf meinem Schoß waren viel interessanter. Meine Mutter konnte gerne mit dem Anrufbeantworter sprechen.

Doch dann hörte ich eine Männerstimme, warf das Popcorn auf den Boden und nahm den Hörer ab. Mir war durchaus bewusst, dass ich mich wie ein Mädchen benahm, das auf den Anruf eines ganz bestimmten Jungen wartete. Vermutlich deshalb, weil ich genau das war.

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