×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Nur ein kleines Intermezzo?«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Nur ein kleines Intermezzo?« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Nur ein kleines Intermezzo?

hier erhältlich:

Dann wäre da noch Mack. Seine Freundinnen wechselt der sportbegeisterte Anwalt schneller, als er "Football" sagen kann - Verlustängste, vermutet Destiny. Bis Mack der Ärztin Beth Browning über den Weg läuft, die ihm zeigt, dass manche Dinge gerade dann am besten sind, wenn man sich viel Zeit nimmt.


  • Erscheinungstag: 10.12.2012
  • Seitenanzahl: 192
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955761325
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

SHERRYL WOODS

Die Carltons - Liebe findet ihren Weg

Nur ein kleines Intermezzo?

 

Image

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Priceless

Copyright © 2004 by Sherryl Woods

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Harlequin Books S.A.

Autorenfoto: © by Nina Subin; Harlequin Enterprise S.A., Schweiz

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-132-5

www.mira-taschenbuch.de

Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Mack Carlton beherrschte Ausweichmanöver besser als jeder andere Football-Spieler in der Gegend von Washington vor ihm. Nun wich er schon seit Wochen seiner Tante Destiny aus, doch leider war sie schneller und raffinierter als alle gegnerischen Spieler, mit denen er es jemals zu tun gehabt hatte. Darüber hinaus ging sie dermaßen entschieden vor, dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit war, wann sie ihn erwischen würde.

Nachdem es Destiny gelungen war, Macks älteren Bruder Richard zu verheiraten, war sie jetzt hinter ihm her. Und seitdem tauchten dauernd neue Frauen auf. Das war für Mack zwar nicht ungewöhnlich, weil er sich seinen Ruf als Playboy redlich verdient hatte, doch all diese Frauen entsprachen nicht seinem Geschmack. Jede von ihnen schien es ernsthaft zu meinen und sich “auf immer und ewig” binden zu wollen.

Mack dagegen hielt nichts von langfristigen Beziehungen, und das wusste Destiny nur zu gut.

Er selbst war überzeugt, mit Liebe und Verlustangst nicht die gleichen Probleme zu haben, die seinen älteren Bruder Richard lange Zeit gehemmt hatten. Seiner Meinung nach band er sich nicht, weil er viele Frauen kennenlernen wollte. Es hatte nichts mit der Furcht zu tun, wieder verlassen zu werden. Natürlich hatte es ihn damals mit zehn Jahren getroffen, als seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, doch er war deswegen nicht – im Gegensatz zu Richard – bis zum heutigen Tage traumatisiert.

Destiny und Richard waren da allerdings anderer Ansicht, und sogar sein jüngerer Bruder, Ben, war überzeugt, dass der Tod der Eltern im Gefühlsleben aller drei Brüder schwere Spuren hinterlassen hatte.

Mack fand jedoch, dass das auf ihn nicht zutraf. Er mochte Frauen, vor allem ihren Verstand. Na schön, das musste man heutzutage so darstellen. In Wahrheit mochte er es, wie sie sich anfühlten, wie zart ihre Haut war und wie leidenschaftlich sie reagierten. Er unterhielt sich sehr gern, aber noch lieber hatte er unverbindlichen Sex.

Keineswegs war er sexsüchtig, aber bei einem flotten Tango auf der Matratze fühlte sich einfach jeder Mann lebendig. Ja, vielleicht war es genau das. Der frühe Verlust seiner Eltern hatte ihm vor Augen geführt, wie kurz das Leben sein und dass der Tod überall lauern konnte. Insofern hatte doch auch er auf emotionaler Ebene Narben davongetragen.

Mack ließ sich das alles gerade durch den Kopf gehen, als Destiny hereinplatzte. Sie stürmte in sein Büro, das ihm als Miteigentümer der Mannschaft zustand, für die er früher gespielt hatte. Das unangekündigte Eindringen in diese Bastion der Männlichkeit überraschte ihn dermaßen, dass ihm die Füße vom Tisch rutschten.

“Du bist mir ausgewichen”, stellte Destiny vorwurfsvoll fest und strich ihr hellblaues Kostüm glatt, bevor sie sich setzte.

Wie stets sah sie aus, als käme sie gerade aus einem Schönheitssalon. Als Malerin in Frankreich – vor dem Tode ihres Bruders – hatte sie dagegen wesentlich exotischer gewirkt, und manchmal fragte sich Mack, ob seiner Tante das frühere Leben nicht fehlte. Schließlich hatte sie es aufgegeben, um nach dem Flugzeugabsturz seiner Eltern in die Vereinigten Staaten zurückzukehren und sich um ihn und seine verwaisten Brüder zu kümmern.

“Ich bin dir nicht ausgewichen”, widersprach er und bemühte sich um eine neutrale Miene. Man durfte Destiny nie zeigen, dass sie einen überrascht oder gar aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.

Seine Tante lachte bloß. “Ich habe mir nicht nur eingebildet, dich von hinten gesehen zu haben, als ich Richard und Melanie neulich besuchte. Diesen Po kenne ich von viel zu vielen Football-Spielen, als dass ich ihn nicht zuzuordnen wüsste.”

Verdammt, und er hatte gedacht, gerade noch rechtzeitig abgehauen zu sein. Aber vielleicht hatte Richard ja auch geredet. Sein Bruder war nämlich der Ansicht, dass er, Mack, sich zu sehr über Destinys erfolgreiche Kuppelei amüsiert hatte, und es wäre eine gute Revanche, nun den Spieß umzudrehen und Destiny zu unterstützen.

“Hast du mich wirklich gesehen, oder hat Richard mich verpetzt?”, erkundigte sich Mack. “Er will, dass ich dir genau wie er in die Falle gehe.”

“Dein Bruder war noch nie eine Petze, und meine Augen sind hervorragend”, versicherte Destiny. “Wovor hast du eigentlich Angst?”

“Das wissen wir doch beide, und deshalb bist du auch hier. Welchen raffinierten Plan hast du dir denn dieses Mal ausgedacht, Destiny? Aber bevor du antwortest, wollen wir eines ein für alle Mal klarstellen: Mein Privatleben geht nur mich etwas an, und ich komme damit ausgezeichnet zurecht.”

“Oh ja, das liest man auch in den Klatschspalten sämtlicher Zeitungen. Du hast zwar nicht direkt etwas mit Carlton Industries zu tun, aber unsere Familie nimmt eine gewisse gesellschaftliche Stellung ein. Darauf solltest du Rücksicht nehmen, vor allem wenn Richard in die Politik gehen sollte.”

Das Argument mit dem Ruf der Familie war so vertraut, dass es ihn wunderte, warum Destiny es überhaupt noch vortrug. Schließlich hatte es bisher nie etwas gebracht. “Die meisten Menschen können sehr wohl zwischen meinem Bruder und mir unterscheiden”, entgegnete er und gab auch sofort die gleiche Antwort wie immer. “Außerdem bin ich erwachsen, und das gilt ebenso für die Frauen, mit denen ich mich treffe. Also wird niemandem geschadet.”

“Und damit bist du zufrieden?”, fragte Destiny skeptisch.

“Absolut”, versicherte er. “Ich könnte gar nicht zufriedener sein.”

“Nun gut”, meinte sie und nickte. “Mir geht es schließlich nur um dein Glück. Alles andere zählt für mich nicht.”

Mack blieb misstrauisch, weil es nicht Destinys Natur war, kampflos aufzugeben. Immerhin hatte sie es geschafft, Richard zu verheiraten. “Wir sind dir unendlich dankbar, dass du uns liebst”, erwiderte er vorsichtig. “Und ich bin sehr froh, dass du es mir überlässt, mit wem ich mich treffe. Das ist wirklich eine große Erleichterung.”

“Ja, kann ich mir vorstellen”, erwiderte Destiny. “Ich sehe dich nämlich langfristig nicht mit geistig und gefühlsmäßig dermaßen flachen Frauen, wie du sie dir normalerweise aussuchst.”

Auf diese Spitze ging Mack nicht weiter ein, er kannte solche Bemerkungen zur Genüge. “Kann ich vielleicht etwas für dich tun?”, bot er höflich an. “Brauchst du Souvenirs unseres Teams für eine deiner karitativen Versteigerungen?”

“Eigentlich nicht. Ich wollte nur mal bei dir vorbeischauen und ein wenig plaudern”, behauptete sie. “Kommst du demnächst zum Abendessen zu mir?”

“Ja, da du dich nicht weiter in mein Privatleben einmischen willst”, antwortete er strategisch. “Werden am Sonntag alle da sein?”

“Natürlich.”

“Dann komme ich auch”, versprach er.

“Ich mache mich wieder auf den Weg”, erklärte sie und stand auf.

Mack begleitete sie, und auf dem Korridor fiel ihm erneut auf, wie zierlich sie war. Tante Destiny reichte ihm kaum bis zu den Schultern. Wegen ihrer unglaublichen Durchsetzungskraft war sie ihm stets bedeutend größer erschienen. Andererseits war er fast ein Meter neunzig. Seine Tante entsprach also der Durchschnittsgröße, aber was ihre Energie anging, konnte sie mit sämtlichen Frauen im Großraum der Hauptstadt Washington mithalten.

Bevor sie den Aufzug betrat, schenkte sie ihm ihr typisches Lächeln, mit dem sie sämtlichen Wirtschaftsgrößen Geld für wohltätige Zwecke aus der Tasche zog. Sofort war Mack wieder auf der Hut.

“Ach ja, mein Lieber, fast hätte ich es vergessen”, behauptete sie und holte aus der Handtasche ein Blatt Papier. “Könntest du vielleicht heute Nachmittag einen Sprung ins Krankenhaus machen? Dr. Browning hat sich an mich gewandt. Ein kleiner Patient auf der Krebsstation ist ein großer Fan von dir, und dein Besuch könnte den Jungen aufrichten.”

Obwohl Mack bei der Sache ein ungutes Gefühl hatte, griff er nach dem Zettel. Mochte Destiny auch Hintergedanken haben, eine solche Bitte konnte er ihr nicht abschlagen, und das wusste sie auch, denn sie hatte ihren drei Neffen Verantwortungsgefühl beigebracht. Außerdem kannte Mack solche Bitten, aufgrund seiner Popularität als Football-Spieler wurden öfters derartige Wünsche an ihn herangetragen.

“In zwei Stunden habe ich einen Termin”, sagte er nach einem Blick auf die Uhr. “Aber auf dem Weg dorthin fahre ich beim Krankenhaus vorbei.”

“Vielen Dank, mein Lieber. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Darum habe ich Dr. Browning auch versichert, du würdest hinkommen. Ich habe gesagt, dass die anderen Anfragen bestimmt nur verloren gegangen seien.”

“Es gab schon früher Anfragen?”

“Mehrere, soweit ich informiert bin. Zuletzt blieb nur noch ich als Vermittlerin übrig.”

Er nickte. Jetzt hatte er seine Tante nicht mehr im Verdacht, etwas ausgeheckt zu haben. “Ich kümmere mich darum. Die Mitarbeiter bei uns wissen, dass ich solche Besuche so oft wie möglich mache, vor allem bei Kindern.”

“Wichtig ist, dass du ins Krankenhaus gehst”, meinte Destiny. “Ich werde für den Jungen beten, und am Sonntag kannst du mir dann alles erzählen. Vielleicht können wir ja noch mehr für ihn tun.”

Mack gab ihr einen Kuss auf die Wange. “Eigentlich solltest du an meiner Stelle hingehen. Mit deiner positiven Lebenseinstellung kannst du jeden aufheitern.”

“Das hast du sehr nett gesagt, Mack”, erwiderte sie überrascht. “Jetzt verstehe ich, wieso du bei Frauen so gut ankommst.”

Mack hätte ihr erklären können, dass er nicht wegen seiner sprachlichen Fähigkeiten bei Frauen Erfolg hatte. Es gab jedoch Dinge, über die ein Mann nicht mit seiner Tante sprach. Sollte sie doch glauben, er würde seine Beliebtheit beim anderen Geschlecht dem Umstand verdanken, dass er ein netter Kerl war. Damit ersparte er sich so manche scharfe Lektion.

“Es ist doch nur ein Spiel”, bemerkte die Onkologin Beth Browning und handelte sich dafür geringschätzige Blicke von ihren männlichen Kollegen des Kinderkrankenhauses für Krebspatienten ein. “Und gespielt wird es von erwachsenen Männern, die ihr Gehirn und nicht ihre Muskeln einsetzen sollten – vorausgesetzt natürlich, ihr Gehirn funktioniert überhaupt noch”, fügte sie in scharfem Ton hinzu.

“Wir sprechen hier über Profi-Football”, empörte sich der Radiologe Jason Morgan, als hätte sie etwas Unmögliches gesagt. “Es geht um Sieg oder Niederlage, und das ist Sinnbild für den Triumph des Guten über das Böse.”

“Die Chirurgen sehen das aber bestimmt anders”, entgegnete Beth, “wenn sie nach einem Samstagsspiel die gebrochenen Knochen eines Jugendlichen flicken müssen.”

“Verletzungen gehören nun mal zum Football”, verteidigte der Orthopäde Hal Watkins die männliche Position.

“Und sie füllen deine Station”, bemerkte Beth spöttisch.

“Das ist unfair”, widersprach er. “Niemand möchte, dass sich Jugendliche verletzen.”

“Also haltet sie vom Spielfeld fern”, schlug Beth vor.

Jason sah sie betroffen an. “Und wer soll dann im Profisport spielen?”

“Ist das denn überhaupt nötig?” Beth lief bei dem Thema zu Höchstform auf. Sie hatte gelesen, dass Mack Carlton vom gefeierten Quarterback zum Miteigentümer des Teams aufgestiegen war. Dabei hatte er einen Abschluss im Fach Jura. Welche Verschwendung von Fähigkeiten!

“Football ist unbedingt nötig”, erwiderte Hal auf ihre Frage.

“Es ist ein Spiel, nicht mehr und nicht weniger.” Beth wandte sich an Peyton Lang, den Hämatologen, der bisher geschwiegen hatte. “Was meinst du?”

“Zieh mich da nicht mit hinein”, wehrte er ab. “Football interessiert mich nicht sonderlich, aber ich habe auch nichts dagegen, wenn andere das Spiel unterhaltsam finden.”

“Kommt es euch denn nicht kindisch vor, dass dermaßen viel Zeit, Geld und Energie für den Gewinn eines albernen Titels verschwendet werden?”, fragte Beth.

“Aber wer den Siegertitel gewinnt, der regiert!”, behauptete Jason.

“Und was?”, fragte Beth.

“Die Welt.”

“Mir ist nicht bekannt, dass Football in weiten Teilen der Welt gespielt wird. Seien wir doch ehrlich”, fuhr Beth angriffslustig fort, “in dieser Stadt geht es nur darum, dass ein reicher Typ die besten Spieler kauft, damit er an Sonntagnachmittagen etwas hat, das ihn interessiert. Hätte dieser Mack Carlton ein erfülltes Leben, eine Familie oder irgendeine wirklich wichtige Beschäftigung, würde er sein Geld nicht für eine Football-Mannschaft verschwenden.”

Anstelle der empörten Proteste, mit denen Beth fest gerechnet hatte, sahen die Kollegen in der Cafeteria sie höchst merkwürdig an.

“Möchtest du das nicht lieber zurücknehmen?”, fragte Jason beschwörend.

“Warum sollte ich das tun?”

“Weil du zu Beginn der Diskussion erwähnt hast, du hättest versucht, Mack Carlton für einen Besuch bei Tony Vitale zu gewinnen”, fuhr Jason fort. “Der Junge ist verrückt nach ihm. Und du warst der Meinung, Macks Besuch könnte ihn aufrichten, nachdem die Chemotherapie nicht angeschlagen hat.”

“Und?”, fragte Beth aufgebracht. “Dieser um seine Mitbürger angeblich so rührend besorgte Football-Held hat es nicht mal für nötig befunden, auf meine Anrufe zu reagieren.”

Jason räusperte sich und deutete hinter sie.

Das darf doch nicht wahr sein, dachte Beth entsetzt, als sie sich umdrehte und vor sich einen hoch gewachsenen, breitschultrigen Mann in einem maßgeschneiderten Anzug sah. Unter seinem rechten Auge hatte er eine kleine Narbe, die sein gutes Aussehen allerdings nicht beeinträchtigte, sondern die anziehende Ausstrahlung des Gesichts eher noch verstärkte und die Aufmerksamkeit auf die dunklen Augen lenkte. Der Blick aus diesen Augen war so faszinierend, dass Beth unwillkürlich den Atem anhielt. Alles an ihm verriet Geld, guten Geschmack und Arroganz, abgesehen vielleicht von dem etwas zerzausten Haar.

“Dr. Browning?”, fragte er so ungläubig, dass er vermutlich mit einer älteren, vor allem aber männlichen Person gerechnet hatte.

Trotz des geradezu beleidigenden Tonfalls verschlug der Klang seiner Stimme Beth vollständig die Sprache. Sie versuchte sich zu entschuldigen, fand jedoch keine Worte. Niemals hätte sie ihn direkt beleidigt, auch wenn sie Männer verachtete, die ihr Geld für Sport ausgaben, anstatt damit anderen Menschen zu helfen.

“Sie steht Ihnen zur Verfügung, sobald sie wieder aus dem Fettnäpfchen kommt, in das sie getreten ist”, bemerkte Jason und lockerte damit die Spannung.

Beth war dem Radiologen unendlich dankbar. Jetzt gelang es ihr, aufzustehen und Mack Carlton die Hand zu reichen. “Mr. Carlton, ich habe nicht mit Ihnen gerechnet.”

“Offenbar nicht”, entgegnete er und lächelte. “Meine Tante hat mir erzählt, dass Sie Probleme hatten, mich zu erreichen. Meine Mitarbeiter hätten Sie nicht abweisen dürfen. Dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen.”

Beth hatte gelesen, dass er ein Herzensbrecher war, und jetzt erlebte sie das am eigenen Leib. Sein Blick machte sie sprachlos, und sein Lächeln setzte sie geradezu in Flammen. Dazu kam, dass die Entschuldigung aufrichtig klang, und somit musste sie auch den ersten Eindruck von ihm revidieren. Bisher hatte sie noch nie so heftig auf einen Mann reagiert, und das gefiel ihr gar nicht.

“Würden Sie …” Ärgerlich, weil sie noch immer nicht klar denken konnte, holte sie tief Luft und machte einen weiteren Anlauf. “Möchten Sie eine Tasse Kaffee?”

“Ich stehe unter Termindruck, aber da ich ohnehin in der Nähe zu tun habe, wollte ich Ihnen sagen, dass ich Ihre Anrufe nicht absichtlich abgeblockt habe. Und ich wollte mich erkundigen, ob ein Besuch bei Tony vielleicht jetzt möglich wäre.”

“Natürlich”, erwiderte sie hastig, obwohl die offizielle Besuchszeit erst später begann. In diesem Fall brach sie die Regeln gern. “Ich begleite Sie zu ihm. Er wird begeistert sein.”

Als Jason sich räusperte und ihr einen beschwörenden Blick zuwarf, begriff Beth, dass ihre Kollegen diesem Football-Helden vorgestellt werden wollten. Sie konnte kaum glauben, dass erwachsene Männer genau wie ihr zwölf Jahre alter Patient von Mack Carlton schwärmten, aber sie nahm sich die Zeit und machte die Männer miteinander bekannt. Als ihre Kollegen ansetzten, über alle großen Spiele des Besuchers zu reden, griff sie jedoch ein.

“Ihr würdet wahrscheinlich gern für den Rest des Tages über Football sprechen, aber Mr. Carlton ist wegen Tony hier”, erklärte sie entschieden.

Mack Carlton schenkte ihr erneut ein umwerfendes Lächeln. Vermutlich konnte so ein Lächeln Eis zum Schmelzen bringen. “Außerdem langweilen wir Dr. Browning vermutlich entsetzlich.”

Zum Glück erkannte sie gerade noch das drohende zweite Fettnäpfchen. Sie wollte ihn keineswegs erneut beleidigen, indem sie ihm recht gab, aber sie log auch nicht. Darum lächelte sie und sagte bloß: “Sie haben von Zeitdruck gesprochen.”

“Das stimmt”, bestätigte er. “Übernehmen Sie die Führung, Dr. Browning”, bat er sie charmant.

Erleichtert steuerte sie die Station an, auf welcher der zwölfjährige Tony bereits einen großen Teil seines Lebens verbracht hatte.

“Erzählen Sie mir etwas über Tony”, bat Mack unterwegs.

“Er ist zwölf und leidet an Leukämie”, erwiderte sie und hatte Mühe, ruhig zu bleiben. “Inzwischen ist es schon sein dritter Aufenthalt bei uns, aber dieses Mal reagiert er nicht gut auf die Chemotherapie. Wir hatten gehofft, ihn für eine Knochenmarktransplantation vorbereiten zu können, aber wir haben noch keinen geeigneten Spender gefunden. Wegen der Schwierigkeiten mit der Chemotherapie käme allerdings eine Transplantation wahrscheinlich sowieso nicht sofort infrage.”

Mack hörte ihr aufmerksam zu. “Wie lautet die Prognose?”

“Nicht gut”, erwiderte sie knapp.

“Und das nehmen Sie persönlich”, stellte er fest.

Beth schüttelte den Kopf. “Ich weiß, dass ich nicht jeden Kampf gewinnen kann.” Die gleiche Antwort hatte sie am Vortag dem Psychologen gegeben, der sich besorgt über ihre seelische Verfassung geäußert hatte. Nur wenige Leute wussten, wie persönlich sie Fälle wie den von Tony nahm, und es überraschte sie, dass Mack Carlton es sofort gemerkt hatte.

“Aber Sie verlieren nicht gern”, konstatierte Mack.

“Natürlich nicht, wenn es um Leben und Tod geht”, erwiderte sie heftig. “Ich habe Medizin studiert, um Leben zu retten.”

“Warum?” Bevor sie antworten konnte, fügte er hinzu: “Es ist ein sehr ehrenwerter Beruf, aber es ist sicher nur schwer zu ertragen, ständig mit todkranken Kindern zu tun zu haben. Warum nehmen Sie das auf sich? Wieso arbeiten Sie gerade auf diesem Gebiet?”

“Ich habe mich schon früh dafür interessiert”, antwortete sie ausweichend, obwohl er an ihrer Antwort ehrlich interessiert zu sein schien.

“Und warum?”, hakte er nach.

“Wieso spielt das für Sie eine Rolle?”

Er ließ sie nicht aus den Augen. “Weil es für Sie offenbar eine Rolle spielt.”

Erneut überraschte sie sein Einfühlungsvermögen. Es war klar, dass er sich nicht abweisen ließ. “Also gut, in Kurzfassung: Ich war zehn, als mein älterer Bruder an Leukämie starb. Damals habe ich mir vorgenommen, Kinder wie ihn zu retten.”

Mack nickte. “Wie ich schon sagte, Sie nehmen alles sehr persönlich.”

“Ja, das stimmt”, räumte sie ein.

“Und wie lange werden Sie durchhalten, wenn Sie sich jeden Fall zu Herzen nehmen?”

“So lange wie nötig”, gab sie entschieden zurück. “Ich betreue nur wenige Patienten. Überwiegend beschäftige ich mich mit Forschung, und unsere Behandlungsmethoden verbessern sich ständig.”

“Aber bei Tony schlagen sie nicht an”, erinnerte Mack.

“Nein, zumindest noch nicht”, bestätigte sie leise und hielt eisern die Tränen zurück. “Trotzdem werden wir auch diesen Kampf gewinnen.”

“Ja, das glaube ich Ihnen”, entgegnete er und warf ihr einen bewundernden Blick zu. “Wird denn mein Besuch dem Jungen wirklich helfen? Seien Sie ehrlich!”

“Es wird ihm Kraft geben. In letzter Zeit war er ziemlich niedergeschlagen, und manchmal ist die beste Medizin, wenn es uns gelingt, unsere Patienten seelisch aufzurichten. Wir müssen verhindern, dass Tony sich selbst aufgibt oder das Vertrauen zu uns verliert.”

“Gut, dann gehen wir jetzt zu ihm und reden über Football.” Mit einem breiten Lächeln fügte Mack hinzu: “Vermutlich werden Sie nur wenig dazu sagen.”

Beth musste trotz allem lachen und mochte Mack mehr, als sie ursprünglich erwartet hätte. Wenn jemand Humor besaß, konnte sie ihm vieles verzeihen. “Nein, Bedeutendes werde ich nicht beisteuern.”

Schlagartig wurde er wieder ernst. “Ich arbeite zwar nicht als Arzt oder Wissenschaftler, aber ich möchte nicht, dass Sie vor dem Jungen geringschätzig über meine Tätigkeit sprechen. Ihm bedeutet Football etwas.”

“Mr. Carlton”, versicherte sie, “ich werde auf jegliche Bemerkung verzichten. Hier geht es nur um Tony.”

“Nennen Sie mich Mack”, bat er amüsiert. “Das machen alle meine Fans.”

“Ich gehöre aber nicht zu Ihren Fans.”

“Abwarten. Vielleicht werden Sie noch einer.”

Beth seufzte lautlos, weil er durchaus recht haben konnte. Dabei brauchte dieser Mack Carlton bestimmt nicht noch einen weiteren Erfolg in seinem Leben. Ständig tauchten in Klatschberichten die Namen von Frauen auf, die sich damit brüsteten, zu seinem Leben zu gehören. Nur selten wurde jedoch eine von ihnen zweimal erwähnt, und Beth hatte keine Lust, sich in diese große Schar von Bewunderinnen einzureihen.

“An Ihrer Stelle würde ich nicht darauf warten, Mr. Carlton. Wichtig ist nur, dass Tony Sie bewundert, und das steht schon jetzt fest.”

“Trotzdem hätte ich nichts gegen den Hauch einer Andeutung von Anerkennung durch Sie”, entgegnete er und sah ihr dabei tief in die Augen.

Obwohl er eindeutig versuchte, sie aus der Ruhe zu bringen, konnte Beth sich seiner Wirkung nicht entziehen. Gleichzeitig ärgerte sie sich darüber. “Warum? Müssen Sie jede Frau, der Sie begegnen, für sich gewinnen?”

Er zögerte einen Moment. “Wie gut kennen Sie eigentlich meine Tante?”, fragte er dann unvermittelt.

“Ihre Tante?”

“Destiny Carlton, die Frau, mit der Sie sich in Verbindung gesetzt haben und die mich zu diesem Besuch gedrängt hat.”

Beth schüttelte den Kopf. “Ich kenne sie gar nicht, obwohl mir der Namen bekannt vorkommt. Wenn ich mich nicht irre, treibt sie viel Geld für das Krankenhaus auf, aber gesprochen habe ich noch nie mit ihr.”

“Sie kennen sie tatsächlich nicht?”, vergewisserte er sich erstaunt.

“Nein.”

“Und Sie haben sie auch nicht angerufen?”

“Nein. Wieso fragen Sie?”

Sichtlich verwirrt schüttelte er den Kopf. “Ach, nicht weiter wichtig.”

Trotzdem hatte Beth den Eindruck, dass es irgendwie wichtig war, auch wenn sie sich den Grund nicht vorstellen konnte.

2. KAPITEL

Vor der Tür von Tony Vitales Zimmer stellte Mack sich auf den Anblick ein, der ihn da drinnen erwartete – ein blasses Kind, vielleicht ohne Haar und mit unnatürlich groß wirkenden Augen. Zu oft schon war er damit konfrontiert gewesen, jedes Mal schnürte es ihm die Kehle zu, und noch heute fiel es ihm schwer, sich unter Kontrolle zu halten.

“Alles in Ordnung?”, fragte Beth besorgt. “Sie werden doch nicht umkippen?”

“Wohl kaum”, wehrte er ab.

“Sie wären nicht der erste Mann, der den Anblick eines schwer kranken Kindes nicht erträgt.”

“Ich bin nicht zum ersten Mal hier.”

Sie sah ihn verständnisvoll an. “Beim ersten Mal ist es immer am härtesten. Danach wird es leichter.”

“Das bezweifle ich”, entgegnete er.

“Bereit?”

Mack nickte.

Autor