×

Ihre Vorbestellung zum Buch »Missing Girl - Verschollen«

Wir benachrichtigen Sie, sobald »Missing Girl - Verschollen« erhältlich ist. Hinterlegen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse. Ihren Kauf können Sie mit Erhalt der E-Mail am Erscheinungstag des Buches abschließen.

Missing Girl - Verschollen

hier erhältlich:

Willst du nicht auch manchmal verschwinden?
Einfach ausbrechen.
Dir keine Gedanken mehr über andere machen.
Dorthin fliehen, wo niemand dich kennt.
Und den ganzen Scheiß zurücklassen …

Kalah und ihre Freundinnen Beth und Britney sind unzertrennlich. Bis Beth an ihrem achtzehnten Geburtstag spurlos verschwindet. In der Highschool machen Gerüchte die Runde: Hat sich Beth heimlich mit Britneys Freund getroffen? Ist sie wirklich weggerannt? Bevor Kalah die Wahrheit herausfinden kann, erschüttert der Selbstmord einer Mitschülerin die ganze Highschool. Immer tiefer gerät Kalah in den Sog eines psychologischen Verwirrspiels, dessen tödliche Regeln sie nur langsam begreift …

Ein rasanter Thriller um eine obskure Freundschaft, dunkle Geheimnisse und eine Liebe, die zur Besessenheit wird.


  • Erscheinungstag: 10.12.2015
  • Seitenanzahl: 304
  • Altersempfehlung: 14
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959679947

Leseprobe

E. E. Cooper

Missing Girl – Verschollen

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Ira Panic

HarperCollins YA!®

HarperCollins YA!® Bücher

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by HarperCollins YA!

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Vanished

Copyright © 2015 by HarperCollins Publishers

Erschienen bei: Katherine Tegen Books, New York

Published by arrangement with Katherine Tegen Books,

an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: formlabor, Hamburg

Redaktion: Eva Wallbaum

Titelabbildung: Shutterstock / Soleiko

ISBN eBook 978-3-95967-994-7

www.harpercollins.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Versuchung ist eine heikle Angelegenheit. Da braucht man nur mal Eva zu fragen. Das Mädel hat sich seinen schlechten Ruf wegen eines einzigen Apfels eingefangen. Wurde wegen eines winzigen Bissens aus dem Paradies geworfen. Ziemlich streng, oder? Es ist ja nicht so, als hätte sie den ganzen Baum geklaut. Davon abgesehen kann ich gut verstehen, warum sie den Apfel genommen hat. Es gibt Dinge, die sind einfach zu verlockend, um ihnen widerstehen zu können. Auch wenn man ganz genau weiß, dass man lieber verzichten sollte. Für Eva war der Gedanke an das süße Fruchtfleisch stärker als die Gefahr. Da bin ich ganz bei ihr. Mir war es das Ganze ebenfalls wert gewesen, trotz der Schuldgefühle. Allerdings war ich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht erwischt worden. Die Sache sieht natürlich ganz anders aus, wenn sie dich kriegen.

Ich legte ein paar Cracker neben die Camembertstücke auf den Teller und fragte mich, ob noch irgendwas fehlte. Auf dem Tablett drängten sich neben der Käseplatte bereits eine kleine Schale mit Mandeln, ein paar Trauben und ein Dutzend von Dads berühmten Schoko-Kokos-Keksen. Ich hätte genauso gut ein T-Shirt anziehen können, auf dem steht: Schaut mal, wie sehr ich mich anstrenge! Beth und Britney waren meine besten Freundinnen, aber trotzdem hatte ich immer noch das Gefühl, sie beeindrucken zu müssen.

Ich trug das Tablett nach oben. Normalerweise breche ich mir keinen ab, um bei anderen Leuten Eindruck zu schinden, aber seit ich mit Brit und Beth abhing, kam ich mir vor wie auf einem Laufband mit defekter Geschwindigkeitskontrolle. Manchmal passierte alles derart schnell, dass ich kaum hinterherkam, nur um im nächsten Moment so abrupt auf Schneckentempo herunterzufahren, dass ich fast auf die Nase fiel. Doch langweilig war es nie. Seit die beiden mich in ihre Welt hineingezogen hatten, schienen alle meine Sinne sich ständig in höchster Alarmbereitschaft zu befinden. Ich war hellwach und reagierte blitzartig auf alles, was um mich herum geschah. Vor Brit und Beth ahnte ich nicht mal, wie lahm und abgestumpft mein bisheriges Leben gewesen war.

Ich hörte schon von Weitem, wie sie sich kabbelten. Britney und Beth waren superenge Freundinnen, aber sie stritten sich dauernd. Britney witterte überall Beleidigungen, während Beth sich aufregte, weil Britney so verspannt war. Vor der großen Pause konnten sie einander ewige Feindschaft schwören, und am Ende der letzten Stunde war alles vergeben und vergessen. Ich hatte mir angewöhnt, das Ganze einfach hinzunehmen und mich nicht weiter einzumischen. Sie nannten einander B, nicht etwa, weil das der erste Buchstabe ihrer beider Vornamen war, sondern um sich spaßeshalber gegenseitig als Bitch beschimpfen zu können. Ich fand, dass sie sich eher wie Schwestern benahmen als wie beste Freundinnen. Sie mochten einander ständig in den Haaren liegen, aber sobald eine von ihnen von dritter Seite angegriffen wurde, schlossen sie sich zu einer eingeschworenen Gemeinschaft zusammen. Jede würde die andere bis aufs Blut verteidigen.

Vor der Tür zu meinem Zimmer blieb ich stehen. Die Stimmen wurden lauter.

„Kannst du nicht mal damit aufhören? Ich will nicht mehr darüber reden“, sagte Beth.

„Es geht aber nicht nur nach deinem Kopf“, fauchte Britney.

Beth schnaubte abfällig. „So wie ich das sehe, geht es ausschließlich nach meinem Kopf. Schließlich ist das hier einzig und allein meine Sache.“

Ich schob die Tür mit dem Fuß auf. Als Britney mich sah, klappte sie ihren Mund zu, den sie bereits zu einer Entgegnung geöffnet hatte. „Ich bringe euch ein bisschen was zu knabbern“, verkündete ich. Zu meinem Entsetzen hörte sich meine Stimme an wie die einer übereifrigen Lehrerin, die versucht, ihre Schüler davon abzuhalten, mit Buntstiftschachteln aufeinander loszugehen.

Beth lachte, als sie das Tablett sah. „Wer soll das denn alles essen?“ Am liebsten hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht, um nur rasch eine Tüte Kartoffelchips zu holen, wie jeder normale Mensch das gemacht hätte, aber dazu war es nun wohl zu spät. Sobald ich das Tablett abgesetzt hatte, nahm Beth einen der Kekse und hielt ihn Britney als Friedensangebot hin. „Hier, meine liebe B, etwas Süßes für die Süße.“

Britney verzog den Mund, als ob sie auf ein Stück Zitrone gebissen hätte. „Hast du eine Ahnung, was da alles drin ist?“ Sie wandte sich zu mir. „Sind die mit Butter gebacken?“

Ich zögerte. So wie ich meinen Dad kannte, waren die Kekse geradezu mit Butter getränkt. Seine zwei Lieblingszutaten waren Fett und Zucker – er schob das immer auf seine französischen Wurzeln.

Beth stellte sich auf mein Bett und hielt den Keks hoch. „Hiermit erkläre ich diese Plätzchen feierlich zu meinen Geburtstagskeksen; sie enthalten null Kalorien und können ohne Gewissensbisse verzehrt werden.“

Britney warf eins meiner Kissen nach ihr. „Du hast erst morgen Geburtstag.“

Beth grinste und ließ sich auf die Knie fallen. „Na gut, Miss Prinzipienreiterin, ich erkläre diese Plätzchen hiermit zu Ehren meines rasant nahenden Jubeltages, der ja praktisch, je nach Zeitzone, bereits eingetreten ist, zu Fast-Geburtstagskeksen, mit nur der Hälfte der üblichen Kalorienzahl.“

„Ich bleib bei Obst“, erklärte Brit und pulte die kleinste, total verkümmerte Traube aus der Dolde. Es hätte mich nicht weiter überrascht, wenn sie die Hälfte davon abgebissen und den Rest wieder auf den Teller gelegt hätte.

Beth zuckte mit den Schultern. „Umso mehr für uns.“ Sie verschlang den Keks mit einem Bissen. An ihren Lippen klebten Krümel. Sie zwinkerte mir zu und leckte sich den Mund ab. Ich schaute kurz zu Britney hin und streckte die Hand nach dem Keksteller aus. Ob sie das Zwinkern wohl bemerkt hatte? Doch Britney sah mich gar nicht an. Etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.

„Oh, mein Gott, was ist das denn?“ Die meisten Menschen würden sich wohl genieren, in fremden Schränken herumzuwühlen, aber Britney war nicht der Typ, sich von der Privatsphäre anderer Leute abschrecken zu lassen. Sie zog meinen silberblauen Sari vom Bügel. Die aufgestickten Perlen glänzten im Licht.

„Das habe ich zur Hochzeit meiner Cousine getragen“, sagte ich.

Britney hielt sich das Gewand vor den Körper und schaute in meinen Spiegel. „Das muss ich unbedingt mal anprobieren.“ Sie war schon dabei, sich die Jeans auszuziehen. Als sie nur noch Slip und BH trug, schaute sie fragend zu mir herüber. „Wie funktioniert das denn?“

Ich reichte ihr den dünnen, schlichten Rock und die kurze Bluse, die man unter dem Sari trug. „Zieh erst mal das hier an. Beim Rest muss ich dir helfen.“

Sie schlüpfte in Rock und Bluse, und ich begann, den Stoff um sie herumzudrapieren, zu falten und festzustecken.

Beth schaute interessiert zu, wie ich Britney ankleidete. „Das scheint mir ein ziemlich gefährliches Outfit zu sein“, kommentierte sie. „Einmal dran gezupft, und schon stehst du mehr oder weniger da, wie Gott dich schuf.“ Sie lächelte mir zu, und ich errötete, als sei ich diejenige, die praktisch nackt vor ihr posierte.

Britney streckte sich vor dem Spiegel. Die maßgeschneiderte Bluse saß etwas eng über der Brust, da sie für mich gemacht worden war, aber ansonsten sah Britney großartig aus. Das tiefe Pfauenblau brachte ihre Augen zum Leuchten. Sie drehte und wendete sich, um sich von allen Seiten betrachten zu können.

„Hast du noch mehr von denen? Oder könntest du sie beschaffen?“

Ich fühlte mich etwas unsicher. „Kann sein.“

„Wir sollten alle zusammen irgendwo in diesen Teilen auftauchen. Könnt ihr euch vorstellen, was die Leute sagen würden?“ Sie tat so, als führe sie einen Bauchtanz vor. „Hat Zach dich darin gesehen?“

Ich nickte. „Er war mein Date auf der Hochzeit.“

„Ich wette, er konnte kaum erwarten, es dir vom Leib zu reißen. Dieses Teil ist megaheiß. Jason flippt aus, wenn er mich so sieht.“ Britney sah sich im Spiegel beim Tanzen zu. „Er wird seinen Blick nicht von mir losreißen können.“

Beth sah mich an und verdrehte die Augen. „Das ist kein Faschingskostüm, B.“

Brit erstarrte mitten in der Bewegung, ihre Miene verfinsterte sich. „Habe ich das etwa behauptet?“ Sie zerrte an dem Stoff, um den Sari auszuziehen. Ich zuckte innerlich zusammen. Meine Grandma hatte das Gewand extra für mich aus Mumbai mitgebracht. Sie würde mir ganz schön die Hölle heißmachen, wenn Brit die Perlen abriss. „Ich habe nur versucht, ein bisschen Spaß zu haben, aber da habe ich wohl vergessen, dass nur das okay ist, was dir in den Kram passt.“ Sie zog sich ihre Jeans an. „Oder vielleicht hast du auch einfach nur ein Problem damit, dass Kalah und ich feste Freunde haben, während du immer noch der neuesten Eroberung hinterherjagst.“

„Lass uns nicht wieder damit anfangen“, sagte Beth.

Britney verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber natürlich nicht. Wir machen nur das, was du willst, Beth.“

Beth lachte, aber es klang nicht amüsiert. „Im Ernst jetzt? Du glaubst, ich sei diejenige, die allen ihren Willen aufdrückt? Na toll. Man sollte ja eigentlich denken, dass die Tochter zweier angesagter Psychiater über ein bisschen mehr Selbsterkenntnis verfügt. Aber offenbar ist dem nicht so.“

Britneys Unterlippe zitterte. „Das ist total unfair.“ Sie wirbelte zu mir herum. „So bin ich doch gar nicht, oder?“

Darauf gab es wohl keine richtige Antwort. „Nicht immer“, wich ich aus, was keine von beiden glücklich machte. Ich schaute zwischen ihnen hin und her und fragte mich, worum es bei ihrem Streit wirklich ging, und wusste nur, dass sie längst nicht mehr über den Sari sprachen.

„Ich muss los.“ Britney schnappte sich ihre Tasche vom Boden.

Ich versuchte, die Stimmung zu retten. „Okay. Aber es bleibt doch bei morgen, nicht wahr? Das wird unglaublich toll, ganz bestimmt.“ Beth hatte mich gebeten, ihren Geburtstagsabend durchzuplanen, und ich hatte keine Mühe gescheut und mehr Aufwand betrieben als ein Viersternegeneral, der eine Invasion vorbereitet. Britney würdigte mich keiner Antwort. Sie stürmte nach draußen und rannte polternd die Treppe hinunter.

Ich folgte ihr. „Brit, sei doch nicht sauer.“

Sie blieb an der Tür stehen, und zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass sie den Tränen nahe war. „Sie macht immer, was sie will, und jeder lässt es ihr durchgehen. Sobald du auch nur versuchst, ihr irgendwas auszureden, dreht sie den Spieß um und tut so, als ob das Problem bei dir liegt. Sie nimmt sich, was sie will, und nimmt und nimmt und denkt nicht ein Mal nach, was ihr Verhalten für andere bedeutet. Aber du kannst nicht einfach so durchs Leben tanzen und jedem auf die Füße treten, der dir im Weg steht. Manchmal muss man sich eben zurücknehmen und etwas nicht deshalb tun, weil es einem gerade passt, sondern weil es das Richtige ist, und wenn sie das nicht bald von selbst herausfindet, dann wird es ihr schon irgendjemand beibringen, und zwar auf die harte Tour.“

Ich trat einen Schritt zurück. „So ist Beth nicht“, sagte ich. Beth war vielleicht impulsiv, aber sie tat den Leuten nicht bewusst weh, niemals.

Britney schüttelte den Kopf, als könne sie meine Dummheit gar nicht fassen. Dann knallte sie die Tür hinter sich zu.

Wow. Ich ging langsam wieder die Treppe hoch und fragte mich, was zum Teufel da eben passiert war.

Beth war gerade dabei, mein Bücherbestand zu inspizieren, als ich ins Zimmer kam. Sie schob einen Band zurück ins Regal und lächelte mir zu. „Das Mädchen braucht einfach mal wieder was Vernünftiges im Magen.“ Sie nahm sich noch einen Keks. „Ein niedriger Blutzuckerspiegel macht die Leute wahnsinnig.“

Offenbar hatte sie nicht vor, mir anzuvertrauen, was zwischen ihr und Brit gerade los war. Stattdessen verhielt sie sich, als sei nichts Besonderes vorgefallen. Eigentlich sollte mich das nicht überraschen. Chaos machte Beth nichts aus, und sie ließ sich davon nicht so leicht aus der Ruhe bringen, was auch immer um sie herum passierte. Das war eine der Millionen Eigenschaften, die ich an ihr bewunderte. Sie grübelte nicht so viel. Ich hingegen hatte die Fähigkeit, mir über alles und jedes den Kopf zu zerbrechen, geradezu perfektioniert.

„Ist Britney sauer, weil ich deinen Geburtstag geplant habe?“, fragte ich, ohne hinzuzufügen, dass wir sonst eigentlich fast immer dahin gingen, wo Britney hinwollte – weil es einfacher war.

„Ganz ehrlich? Es ist mir total egal, ob sie sauer ist. Es ist schließlich mein Geburtstag.“ Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln. „Da wir gerade beim Thema sind: Ist das für mich?“ Sie deutete auf eine kleine Schachtel mit roter Satinschleife, die auf meinem Schreibtisch lag. Ich hatte kaum genickt, als sie sie hochhob und schüttelte. Lachend riss ich sie ihr aus der Hand. Mir war sofort klar gewesen, dass sie ihr Geschenk in dem Moment haben wollte, in dem sie es entdeckte. Geduld gehörte nicht unbedingt zu Beths Tugenden.

„Du hast erst morgen Geburtstag“, neckte ich sie und hielt die Schachtel hinter meinen Rücken. Mir gefiel, wie sie um mich herumgreifen musste, um an das begehrte Objekt zu kommen.

„Ich sollte es jetzt öffnen. Zwischen jetzt und morgen kann schließlich alles Mögliche passieren. Krieg, Hungersnot, Zombie-Apokalypse. Stell dir vor, wie tragisch es wäre, wenn ich niemals die Chance bekäme, zu sehen, was in dieser Schachtel ist.“ Sie schüttelte traurig den Kopf, aber ihre Augen glänzten.

Sie musste keine lange Überzeugungsarbeit leisten. „Okay, du kannst es aufmachen, nur für den Fall der Fälle. Aber ich warne dich: Bei der Abwehr von Zombies wird es dir keine guten Dienste leisten.“

Beth setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und klopfte mit der Hand auffordernd neben sich auf den Teppich, damit ich ihrem Beispiel folgte.

Plötzlich war ich nervös. „Hoffentlich gefällt es dir.“ Ich war so sicher gewesen, das perfekte Geschenk gefunden zu haben, aber jetzt überfielen mich doch Zweifel. Ich hatte daran gedacht, Britney zu fragen – wenn irgendjemand wusste, was Beth sich wünschte, dann sie –, es aber dann doch sein lassen. Ich wollte, dass das Geschenk wirklich ganz und gar von mir kam.

Wieder schüttelte Beth die Schachtel. „Ich hoffe, es ist nicht zerbrechlich“, witzelte sie.

„Ich tue mich echt schwer mit Geschenken“, plapperte ich. Wenn sie es doch nur endlich öffnen würde! „Mein Bruder Nadir hingegen ist ein Ass im Geschenkekaufen. Ernsthaft, er findet immer genau das Richtige. Meine Grandma ist davon überzeugt, dass er in einem früheren Leben übersinnliche Fähigkeiten hatte. Ganz im Gegensatz zu mir.“

Beth zog langsam die Klebestreifen ab und faltete das dicke weiße Papier bedächtig auseinander. Am liebsten hätte ich ihr das Geschenk aus der Hand gerissen und schnell selbst geöffnet. Ich merkte, dass ich die Luft angehalten hatte, und zwang mich dazu, auszuatmen.

Sie hob den Deckel der Schachtel und schaute dann zu mir auf. Über ihr Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln. „Wo hast du die denn gefunden?“

„Online.“ Ich erwähnte nicht, dass ich mehr Zeit mit der Suche nach dem perfekten Geschenk verbracht hatte als mit meinen Englisch-Hausaufgaben. „Ich dachte, dass du sie an deiner Halskette tragen kannst, oder wenn nicht, dann gebe ich dir dafür eine von meinen Ketten. Gefallen sie dir?“ Ihre Miene ließ keinen Zweifel daran, aber ich wollte es aus ihrem Mund hören.

Beth nahm die beiden Anhänger aus der Schachtel. Ich hatte sie passend zu ihrem Lieblingsbuch ausgesucht: „Alice im Wunderland“. Lieblingsbuch war womöglich sogar eine Untertreibung. Sie las ihre abgegriffene Gesamtausgabe von Lewis Carrolls Geschichten über „Alice“ immer wieder. Ich hatte einen kleinen silbernen Anhänger in Form einer Taschenuhr gefunden und eine winzige blau emaillierte Teetasse – an die ich mich noch aus dem Wunderland erinnern konnte.

„Ich liebe sie. Hilf mir, sie an der Kette zu befestigen.“ Sie drehte sich um und hob ihr Haar, damit ich an die dünne Silberkette von ihrer Großmutter herankam, die sie ständig trug. Ich konnte das Rosmarin-Minz-Shampoo riechen, das sie benutzte. Mit zitternden Händen öffnete ich den filigranen Verschluss und fädelte die Anhänger auf. Sobald die Kette wieder um ihren Hals lag, stand Beth auf und stellte sich vor den Spiegel. „Die sind perfekt. Morgen trage ich meine blaue Jacke, da kommen sie super zur Geltung.“

Ich hätte hüpfen und springen können. Es kam mir vor, als hätte ich einen großen Sieg errungen, weil es mir gelungen war, etwas auszusuchen, das sie liebte.

„Süßes Hündchen.“ Beth ließ sich auf mein Bett fallen, warf meinen Plüschhund in die Luft und fing ihn wieder auf.

Ich kämpfte den Drang nieder, ihr Roogs zu entreißen und außer Sichtweite in den Schrank zu sperren. „Keine Ahnung, warum ich das Ding immer noch habe“, sagte ich, doch mein Lachen geriet nicht sehr überzeugend. Roogs rauer brauner Pelz wirkte plötzlich nicht mehr kuschelig, sondern schäbig und mitleiderregend.

Beth hielt sich Roogs dicht vors Gesicht. „Ach, er ist ein Süßer. Ich mag ihn.“ Sie küsste ihn dorthin, wo mal seine Nase war, und ich verspürte einen lächerlichen Stich der Eifersucht auf mein eigenes Stofftier. „Du verletzt noch seine Gefühle.“ Beth zog einen Schmollmund.

Ich seufzte. Da hatte ich meinen treuen Plüschhund voreilig verraten, weil mir gar nicht in den Sinn gekommen war, dass Beth ihn mögen könnte. Manchmal war ich so sicher, dass ich Beth besser kannte als mich selbst, und dann wieder gab es Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, sie überhaupt nicht zu kennen. Wir waren uns noch fremd. Fast wünschte ich mir, in die Zukunft springen zu können, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir schon alles übereinander wissen würden. Ich wollte mehr Insiderwitze und gemeinsame Erinnerungen. Nichts war besser als diese Momente, in denen wir einander anschauten und anfangen würden zu lachen, weil wir genau wussten, was die andere gerade dachte. „Hast du noch Plüschtiere aus deiner Kindheit?“, wollte ich wissen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, welche in ihrem Zimmer gesehen zu haben.

„Ich hatte welche. Doch dann hat meine Mom eines Tages beschlossen, dass es Zeit für mich wäre, endlich erwachsen zu werden und mich nicht mehr wie ein Kind aufzuführen. Während ich in der Schule war, hat sie einen Haufen Sachen zusammengepackt und entsorgt. Sogar mein liebstes Stofftier, das ich schon eine Ewigkeit hatte, eine Plüschgiraffe namens Max.“

Wie unfair war das denn! Ich schnappte empört nach Luft.

Beth lachte über meine entsetzte Miene. „So schlimm ist es auch wieder nicht. Ich meine, sie hat nicht ganz unrecht. Irgendwann muss man diesen Kram hinter sich lassen. Niemand kann für immer Kind bleiben. Außer mein Bruder natürlich, der hat immerhin sein Leben gegeben, um in der Erinnerung anderer für immer jung zu bleiben, also kann man ihm das wohl durchgehen lassen.“

Ich wusste nie, was ich sagen sollte, wenn Beth ihren Bruder erwähnte. Er war vor sechs Jahren gestorben, und soweit ich das beurteilen konnte, hatte sein Tod die Familie ziemlich verkorkst. „Trotzdem war es gemein, dein Zeug ohne zu fragen einfach wegzuschmeißen“, erwiderte ich. „Vor allem Max.“

„Das klingt jetzt total albern, schließlich waren es nur Stofftiere, aber am schlimmsten fand ich, dass ich mich nicht von ihnen verabschieden konnte. Wie nennt man das doch gleich? Einen Abschluss finden. Ich konnte diesen Lebensabschnitt nicht bewusst beenden. Mir war natürlich immer klar, dass ich mich eines Tages von ihnen trennen müsste, aber ich wollte sie weitergeben oder so. Was völliger Quatsch ist, denn nicht mal irgendein armes Heilsarmeekind hätte meine Giraffe noch gewollt. Max hatte seine besten Tage schon lange hinter sich.“

„Trotzdem hatte er etwas Besseres verdient“, sagte ich.

Beth hörte damit auf, Roogs in die Luft zu werfen, und sah mir direkt ins Gesicht. „Ganz genau.“ Ich errötete und hörte förmlich den Klick, mit dem das Band zwischen uns sich schloss. Sie rutschte ein Stück zur Seite, um mir Platz zu machen. Mein Herz schlug bis zum Hals.

Ich setzte mich neben sie, aber mein Hintern war so nah an der Kante, dass ich auf der glatten Tagesdecke abrutschte und mit einem Plumps am Boden landete.

Beth schaute über die Bettseite nach unten. „Alles klar?“

„Das war reine Absicht“, behauptete ich und rappelte mich auf. Bei jedem anderen wäre mir das Ganze furchtbar peinlich gewesen, aber bei Beth fühlte ich mich immer okay, selbst dann, wenn mir mal eine Dummheit passierte. Sie war wie ein sicherer Hafen.

Ich legte mich neben sie und hörte zu, wie sie über Hockey plauderte und mir ihre feste Überzeugung mitteilte, dass ich unser Team im nächsten Jahr bis zur Schulmeisterschaft führen könnte. Ich wusste, dass sie mich für die Idee begeistern wollte, hatte aber große Schwierigkeiten, mir vorzustellen, was das nächste Jahr bringen würde – wenn sie und Britney beide nicht mehr da wären. Wann immer ich auch nur daran dachte, hatte ich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und ins Nichts zu stürzen.

„Du freust dich doch bestimmt schon wahnsinnig darauf, für Ohio zu spielen“, sagte ich. Das schien mir sicherer zu sein, als zu fragen, wie oft ich sie dann noch sehen würde. Ich hätte nichts dagegen, die siebenstündige Fahrt öfter zu unternehmen, aber vielleicht wollte sie nicht, dass ich dauernd bei ihr aufkreuzte, wenn sie erst mal auf dem College war.

Beth zuckte mit den Schultern. „Klar. Wenn’s denn überhaupt klappt.“

„Warum sollte es nicht klappen? Du hast doch das Stipendium.“ Ich sah sie nicht an. Unsere Arme berührten sich fast. Wenn ich meinen kleinen Finger ganz leicht anhob, würde er ihren streifen. Ich wollte sie so gern berühren, aber noch viel mehr wollte ich, dass sie mich zuerst berührte.

„Ja, schon, aber ich brauche trotzdem Geld für Unterkunft und Verpflegung und Bücher und …“ Sie atmete scharf aus. „Und alles andere.“

„Oh“, murmelte ich matt. Ich hatte mir über die hohen Kosten gar keine Gedanken gemacht und kam mir plötzlich unsäglich jung und doof vor. Keine von uns erwähnte die Tatsache, dass ihre Eltern sie nicht unterstützen würden. „Vielleicht gibt es ja noch eine andere Förderung, die du beantragen kannst.“

„Ich wünschte, es wäre so einfach.“ Sie hob Roogs Ohren. „Aber mach dir keine Sorgen. Wenn es nicht klappt, arbeite ich einfach für den Rest meines Lebens Vollzeit im Restaurant. Es war schließlich schon immer mein Karrieretraum, die Leute zu fragen, ob ich ihnen Kaffee nachschenken soll oder ob sie noch ein Stück von Maureens grässlicher Pastete wollen.“

Ich antwortete nicht. Ich hatte keinen sinnvollen Vorschlag in petto. Dabei hätte ich ihr so gerne eine echte Lösung präsentiert.

„Es ist so ein Durcheinander“, sagte sie schließlich. „Ich dachte immer, ich hätte alles im Griff, aber jetzt bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Manchmal weiß ich nicht mal, was ich als Nächstes tun soll.“

„Dharma“, erwiderte ich ohne nachzudenken.

„Was?“

Ich errötete. „Das würde Grandma sagen. Dharma bedeutet, dass das Universum alles zurechtrückt, nach einer kosmischen Ordnung, sofern man das Richtige tut.“

„Und was ist, wenn man nicht mehr weiß, was das Richtige ist?“

Ich zögerte und musste an Britneys Wutausbruch denken. Sie irrte sich gewaltig, was Beth betraf.

„Frag mich, vielleicht kann ich helfen“, sagte ich.

Beth öffnete den Mund, klappte ihn dann aber wieder zu. Ich wartete. „Willst du nicht auch manchmal verschwinden, einfach so?“, murmelte sie schließlich in Roogs Ohr, als ob ihre Frage an ihn gerichtet wäre statt an mich.

„Wie unter einer Tarnkappe?“, versuchte ich zu scherzen. Sie lachte nicht.

„Nein, einfach verschwinden. Abhauen. Sich um keinen anderen kümmern, einfach aufbrechen, sich frei machen. Wegfliegen, dorthin, wo einen niemand kennt. Die ganze Scheiße zurücklassen und neu anfangen.“

„Ich würde dich vermissen, wenn du weg wärst“, sagte ich. Es sollte locker klingen, aber das tat es nicht.

Beth stützte sich auf ihre Ellbogen. „Komm mit.“

„Was?“ Ich war so schockiert, dass ich mich an meiner eigenen Spucke verschluckte. Ich fing an zu husten. Selbst meine eigenen Körperflüssigkeiten legten sich mit mir an. Schließlich kriegte ich mein Keuchen unter Kontrolle. „Du willst, dass ich mitkomme? Bist du … Ich meine, sind wir …“ Ich versuchte schon, die richtigen Worte zu finden, dabei hatte mein Gehirn noch nicht mal ganz erfasst, was gerade zwischen uns passierte. „Meine Eltern würden das nie erlauben.“ Sobald der Satz ausgesprochen war, hätte ich ihn am liebsten zurückgenommen. Meine Eltern würden mir nicht erlauben, wegzulaufen? Na toll, als Nächstes würde ich Beth wohl fragen, ob es okay wäre, wenn ich Roogs und ein Nachtlicht auf unsere Flucht mitnähme. „Ich meine, sie würden ausrasten. Und was ist mit deinem Stipendium …“

Beth stupste mir auf die Nase und ließ sich aufs Bett zurückfallen. Der Zauber war gebrochen.

„Entspann dich, Kalah. Ich erwarte nicht wirklich, dass du deinen Koffer schnappst, dein Sparschwein schlachtest und mit mir durchbrennst. Ich habe nur laut vor mich hin geträumt, keine große Sache.“ Ihre Stimme klang wieder wie sonst. Sie hatte sich zurückgezogen, war wieder die öffentliche Beth, die Königin von Northside High. Beliebt, hübsch und unnahbar. Ich hatte es vermasselt. „Du musst noch lernen, dass man mich nicht so ernst nehmen darf“, sagte sie.

„Aber ich nehme dich ernst“, gab ich leise zurück.

Beth rollte sich schnell zu mir herum und drückte mich auf die Matratze. Ich konnte die Wärme ihres Körpers auf meinem spüren. Ihr Haar fiel auf beiden Seiten an meinem Gesicht vorbei und bildete ein Zelt, in dem nur wir beide waren. Mein Herz raste.

Beth schaute mir in die Augen, mit der gleichen Intensität, die ich fühlte. Langsam senkte sie den Kopf, bis ihr Gesicht nur Zentimeter über meinem schwebte. Ihr Atem streifte meine Lippen. Dann drückte sie ihren Mund auf meinen. Mein Verstand schaltete sich ab und vor meinen Augen wurde alles grellweiß, als ob ich direkt in einen Blitz starrte.

Ich war so eingenommen von dem Kuss, dass ich zunächst gar nicht bemerkte, wie er geendet hatte. Als ich wieder klar denken konnte, stand Beth bereits mitten im Zimmer und zog ihre Jacke an. Ich schwang meine Beine über die Bettkante und setzte mich rasch auf. Mir war schwindelig.

So war es immer mir ihr. Heiß und kalt. Küsse und dann Verwirrung. Es war Wochen her, seit wir uns das erste Mal geküsst hatten, doch trotz allem, was wir getan hatten und was wir füreinander empfanden, wusste ich immer noch nicht, was eigentlich genau zwischen uns lief. Oder ob sie überhaupt der Ansicht war, dass irgendetwas zwischen uns lief. Vielleicht spielte sie ja nur mit mir. Aber das glaubte ich nicht wirklich. Beth hatte zwar den Ruf, reihenweise Herzen zu brechen, ohne sich jemals ernsthaft zu verlieben, aber das mit uns war etwas anderes. Da war ich ganz sicher.

Womöglich wartete sie ja darauf, dass ich sagte, was ich von unserer Beziehung erwartete. Vielleicht dachte sie, dass ich diejenige war, die nur ihren Spaß haben wollte. Immerhin hatte ich einen Freund. Vielleicht hatte sie ja das gemeint, als sie sagte, alles sei so durcheinander.

„Du musst nicht gehen“, sagte ich. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich kam mir vor wie nach einer wilden Karussellfahrt. „Wir könnten uns unterhalten.“

„Doch, ich muss los.“ Sie griff nach ihrer Tasche. „Ich habe heute Spätschicht im Restaurant“, erklärte sie und bückte sich, um Roogs hochzuheben, der auf den Boden gefallen war. Sie warf ihn mir zu, doch ich reagierte nicht schnell genug, und er prallte von meinem Gesicht ab und plumpste in meinen Schoß. „Siehst du, es hat durchaus ein paar Vorteile, ihn zu behalten“, sagte sie. „Auf diese Weise bist du nie allein.“ Sie kramte in ihrer Tasche und zog das zerlesene Exemplar von „Alice im Wunderland“ hervor. „Da, das leihe ich dir. Das ist dasselbe, als würde ich dich in meinen Kopf lassen. „Damit du mich nicht vermissen musst, wenn ich weg bin.“ Sie küsste mich auf die Nasenspitze und ging.

2. KAPITEL

Freitagabend probierte ich mindestens sechzehn Outfits, bevor ich mich endgültig entschied, was ich auf Beths Geburtstagsfeier tragen würde. Ich wollte heiß aussehen, aber nicht so, als wolle ich um jeden Preis jemanden aufreißen. Sexy, aber nicht vulgär. Ich wünschte, ich hätte Britneys Kleiderschrank. Sie hatte keine Mühe damit, diese kniffelige Balance zu finden. Das war eine ihrer Superkräfte. Was immer sie trug, sah einfach perfekt aus.

Obwohl ich mich immer wieder umgezogen hatte, war ich lange vor der verabredeten Zeit fertig. Doch nun verspäteten sich Brit und Beth um fast dreißig Minuten, und ich begann erneut, über mein Outfit nachzudenken. Ich hörte einen Wagen in unsere Straße einbiegen und rannte zum Fenster, aber sie waren es nicht. Sechsmal klopfte ich an den Fensterrahmen, weil das Glück brachte, doch das nächste Auto war auch nicht ihres.

Ich überlegte, unten zu warten, aber meine Mom saß im Wohnzimmer und las, und ich hatte keine Lust, ihre stumme Missbilligung über mich ergehen zu lassen. Sie würde nie einen Ton sagen, aber ich wusste, dass sie nicht besonders gut auf Brit und Beth zu sprechen war. Allerdings hatte ich keine Ahnung, ob es daran lag, dass die beiden bereits in der Abschlussklasse waren, also ein Jahr über mir, oder ob ihr nicht gefiel, dass sie extrem beliebt waren, oder ob sie irgendwie spürte, wie sehr ich mich verändert hatte, seit ich so viel Zeit mit ihnen verbrachte. Gut möglich, dass sie mich einfach immer noch beschützen wollte, wegen dem, was an meiner alten Schule vorgefallen war. Aber das lag Jahre zurück, und Beth und Brit waren nicht so wie die anderen Mädchen. Mom hatte keinen Grund, ihnen zu misstrauen.

Ich konnte meiner Mutter nicht erklären, dass es inzwischen unmöglich für mich war, nicht anders zu sein als vorher. Dass ich in Brits und Beths Kreisen aufgenommen wurde, war so, als hätte ich hinten in meinem Kleiderschrank ein Tor nach Narnia entdeckt. Wenn man erst einmal erkannt hat, dass die Welt dort ein magischer Ort ist, kann man nicht so weiterleben wie zuvor.

Es ging mir wirklich nicht darum, zu den populären Mädchen zu gehören, im Gegenteil: Ich hatte diese Art von Beliebtheit immer zu vermeiden versucht, seit ich auf die Northside High gewechselt war. Trotzdem fand ich es schmeichelhaft, dass die Bs mir ihre Aufmerksamkeit schenkten. Und zu meiner Überraschung schienen einige Funken ihrer glitzernden Persönlichkeiten auf mich überzuspringen. Ich war zwar immer noch ich selbst, aber eine bessere, witzigere, scharfsinnigere Version von mir. Ich konnte förmlich spüren, wie ich mich verwandelte. Plötzlich bemerkten die Leute mich, wenn ich einen Raum betrat. Anfangs war ich nicht sicher, ob ich diese ungewohnte Zuwendung mochte, aber schon bald war ich süchtig danach.

Und das war noch bevor Beth und ich uns näherkamen. Sie in meinem Leben zu haben, war wie den Rand eines Puzzles zu legen. Das Bild ist nicht komplett, aber man kriegt einen Eindruck davon, wie das große Ganze einmal aussehen wird – und das Vertrauen darauf, den Rest auch noch hinzubekommen. Als sie mich das erste Mal küsste, fühlte sich das an, als ob zwei Teile des Puzzles sich aneinanderfügten. Wir passten perfekt zusammen.

Dennoch wusste ich nicht, wie ich das definieren sollte, was zwischen uns passierte. Ehrlich gesagt war ich nicht mal sicher, wie ich es gerne genannt hätte. Ich war vorsichtig, schließlich hatte ich oft genug mitbekommen, wie Leute sich Hals über Kopf in Beth verliebten, nur um dann dumm dazustehen, während sie in eine andere Richtung davontanzte. Ernsthafte Beziehungen waren nicht unbedingt ihr Ding. Und ich hatte noch nie ein Mädchen auf diese Weise gemocht. Schon der Gedanke an eine solche Verbindung machte mich unsicher. Und dann war da noch Zach. Wir waren seit fast einem Jahr zusammen, und ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Unsere Beziehung war nicht gerade glühend leidenschaftlich – eher wie ein schöner Sommertag, warm und ungefährlich. Notwendig. Allein bei der Vorstellung, ihm wehzutun oder ihn zu verlieren, wurde mir schlecht. Aber Beth hatte dieses gewisse Etwas. Ich konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Ein Teil von mir wusste, dass ich die Sache beenden sollte, aber ich brachte es nicht fertig.

Letzte Nacht war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich die unterschiedlichen Versionen meines Lebens, mein öffentliches und mein privates Dasein, nicht aufrechterhalten konnte. Zuerst war es ein intimes und intensives Gefühl gewesen, ein solches Geheimnis mit Beth zu teilen, aber jetzt hatte ich genug von der Heimlichtuerei und den Lügen. Zu viele Dinge blieben ungesagt, auch zwischen uns beiden. Beth hatte mir gestern die Chance gegeben, zu sagen, was ich wollte, und ich hatte die Gelegenheit verpasst. Heute Abend würde ich nicht noch mal denselben Fehler machen.

Britney würde es wohl fast ebenso hart treffen wie Zach. Ich wusste, dass sie unsere Beziehung unterstützen würde, vor allem, wenn sie sah, wie gut wir zueinanderpassten, aber es musste definitiv merkwürdig für sie sein, wenn ihre beiden besten Freundinnen ein Paar wurden. Es hätte unsere Gruppe komplett verändert, wenn die Dinge sich nicht ohnehin schon geändert hätten. Sicher, Britney würde sich nach unserem Bekenntnis womöglich unbehaglich fühlen, aber das wäre längst nicht so schlimm, wie irgendwann herauszufinden, dass wir alles vor ihr geheim gehalten hatten.

Ich wippte auf meinen Fußballen. Nun, da ich Beth meine Gefühle gestehen wollte, konnte es mir nicht schnell genug gehen. Das Warten zerrte an meinen Nerven. Ich hatte schon in der Schule mit ihr reden wollen, aber ich kriegte sie den ganzen Morgen über kaum zu Gesicht, und während der Mittagspause war sie schon auf dem Sprung. Vielleicht war es besser so. Die Schule war nicht unbedingt der ideale Ort für ein romantisches Stelldichein. Vielleicht würde sie nach dem Abendessen zunächst Brit heimfahren, dann hätten wir ein bisschen Zeit für uns allein. Bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um.

Ich nahm „Alice im Wunderland“ zur Hand und blätterte darin, in der Hoffnung, mich abzulenken. Mein Handy summte, und ich rannte zum Bett, um den Anruf anzunehmen. Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, fing Britney an zu reden.

„Dreimal darfst du raten, wer uns heute Abend hängen lässt.“ Ihr Ton war scharf.

Die Vorfreude, die den ganzen Tag über in meiner Brust geprickelt hatte, fiel in sich zusammen. „Das gibt’s doch gar nicht“, sagte ich. „Was ist passiert?“

„Wer weiß? Vielleicht wird sie gerade flachgelegt, oder sie hat eine bessere Einladung, oder sie hat einfach so beschlossen, lieber zu Hause zu bleiben und gar nichts zu machen. Ich habe jeden Versuch aufgegeben, dieses Mädchen zu verstehen. Ich weiß nur, dass sie abgesagt hat.“

„Aber wir haben diesen Abend die ganze Woche lang geplant.“ Grässlich, wie weinerlich ich mich anhörte. „Es ist doch ihr Geburtstag.“

Britney klang plötzlich erschöpft. „Hör zu, Kalah, ich weiß nicht, was du jetzt von mir hören willst. Du bist echt süß, aber du musst dich einfach daran gewöhnen, dass du auf Beth nicht zählen kannst.“

„Das ist nicht wahr.“ Ich schob einen Haufen Klamotten vom Bett auf den Boden und ließ mich auf die Matratze fallen. Beth mochte impulsiv sein und nicht immer leicht zu verstehen, aber sie ließ keinen hängen.

Britney schnaufte. „Okay, es tut mir leid, wenn du meinst, du weißt es besser. Ich bin ja nur seit dem ersten Highschooljahr mit ihr befreundet. Toll, dass du sie schon nach den sechs Monaten, in denen wir drei zusammen abhängen, total durchschaut hast.“

Ich zuckte zusammen. „So habe ich das nicht gemeint.“ Britney auf die Palme zu bringen, war jetzt sicher auch keine Hilfe. „Was hat sie denn gesagt?“

„Sie hat gar nichts gesagt. Sie hat mir nur eine SMS geschickt, dass sie nicht kommt. Unter uns, ich habe die Nase jetzt endgültig voll. Ich würde sie oder dich niemals derart auflaufen lassen, aber Beth hält sich nun mal für was Besseres.“

Ich hörte ihrem Ausbruch nur mit halbem Ohr zu. Es wunderte mich nicht weiter, dass sie so wütend war. Britney erledigte die Dinge mit geradezu militärischer Disziplin, und Gott helfe allen, die ihre sorgfältig ausgearbeiteten Pläne durchkreuzten. Aber irgendwas ging zwischen den beiden vor, etwas, das nichts mit dem ausgefallenen Geburtstagsessen zu tun hatte. Ich konnte nicht wirklich den Finger drauflegen, aber ich fragte mich doch, ob es vielleicht mit dem Geheimnis zu tun hatte, das Beth selbst vor ihrer besten Freundin hütete – das Geheimnis unserer Beziehung. Womöglich spürte Brit ja, dass Beth ihr etwas Wichtiges verschwieg, und reagierte entsprechend angespannt. Ich konnte nur hoffen, dass die Situation sich wieder bessern würde, sobald alles offen ausgesprochen war.

„Ihr beide sollt euch aber nicht komplett zerstreiten“, sagte ich – nicht, weil ich mich wirklich um ihre Freundschaft sorgte, sondern weil es das war, was sie von mir erwartete. Meine übliche Rolle in ihrem Drama.

„Wie auch immer“, knurrte Britney. „Egal, ich dachte, ich gebe dir lieber Bescheid, damit wir beide nicht sinnlos herumsitzen und auf Ihre Hoheit warten.“

Ich hörte, wie enttäuscht sie war. „Wir könnten trotzdem losziehen“, schlug ich vor. Wir beide hatten noch nie etwas zu zweit unternommen, aber ich dachte, ich sollte es wenigstens anbieten.

Britney zögerte. „Heute Abend lieber nicht“, sagte sie dann. „Ehrlich gesagt fühle ich mich nicht so toll. Ein andermal, okay?“

„Klar“, erwiderte ich. „Bis bald.“

Ich beendete das Gespräch. Ein Hoffnungsschimmer breitete sich in mir aus. Vielleicht hatte Beth nur Brit abgesagt, wollte den Abend aber immer noch mit mir verbringen. Nur wir zwei. Wenn sie mich nicht sehen wollte, hätte sie es mir doch sicher selbst gesagt?

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Ich schaute auf mein Handy. Keine neuen Nachrichten.

Nachdenklich kaute ich auf der Innenseite meiner Wange. Vielleicht hatten Beth und ihre Mutter wieder eine ihrer Auseinandersetzungen. Ich schrieb eine Nachricht.

Alles klar? Willst du reden?

Dann starrte ich auf das Telefon, als könne ich sie dadurch zwingen, mir sofort zu antworten. Aber das tat sie nicht.

Ich sollte sie nicht anrufen. Sie wusste schließlich, wie ich zu erreichen war. Sie hatte meine Nummer. Unschlüssig drehte ich das Handy in der Hand.

Dann drückte ich die Anruftaste und hielt den Atem an. Es klingelte und klingelte. Als es in der Leitung knackte, durchzuckte mich ein Blitz der Freude, aber es war nur die Ansage ihrer Mailbox.

„Hier ist Beth. Ich bin gerade nicht erreichbar, weil ich das Unmögliche möglich mache, also hinterlassen Sie eine Nachricht.“

Als der Piepton kam, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ja gerade eine Nachricht geschickt. Wenn ich so weitermachte, könnte ich glatt als Stalkerin durchgehen. Rasch beendete ich den Anruf und ließ mich aufs Bett zurückfallen. Sie würde meine Nummer auf ihrem Display sehen. Warum hatte ich nicht einfach eine Nachricht hinterlassen wie jeder normale Mensch? Ich wollte sofort wieder anrufen, um alles zu erklären, aber das würde mich nur noch verrückter wirken lassen.

Ein paar Minuten später brummte mein Telefon. Ich schoss kerzengerade hoch und wühlte in einem Haufen T-Shirts und Tanktops, bis ich es endlich zu greifen kriegte.

„Ich bin so froh, dass du anrufst“, platzte ich heraus.

„Kein Wunder, ich bin nun mal unwiderstehlich.“

Der Hoffnungsschimmer erlosch. Es war nicht Beth; es war mein Freund Zach.

„Unwiderstehlich, was? Du hast ja eine ziemlich hohe Meinung von dir“, neckte ich ihn und unterdrückte einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil ich mir gewünscht hatte, dass der Anruf nicht von ihm gekommen wäre. Die Schuldgefühle gegenüber Zach auszublenden, war in letzter Zeit schon üblich für mich. Ich war praktisch ein Profi darin. Noch ein Grund, diese Angelegenheit mit Beth möglichst schnell zu klären. Was ich Zach antat, war schrecklich, und er hatte es nicht verdient.

„So etwas würde ich niemals über mich selbst sagen“, gab er zurück. „Dazu bin ich viel zu bescheiden. Aber ich höre es von anderen.“

Ich spielte mit. „Du hörst es von Stimmen in deinem Kopf?“

„Nein. Von den Horden von Frauen, die mir überallhin folgen. Ich kann dir sagen, ich bin so was wie eine Ein-Mann-Boy-Band. Ich muss mir die kreischenden weiblichen Fans mit dem Knüppel vom Leib halten. Doch trotz der Legionen von Frauen, die bereitwillig eine Niere opfern würden, wenn ich nur einmal in ihre Richtung schaute, macht es mich glücklich, dass du dich über meinen Anruf freust.“

„Ich dachte, es wäre Beth“, bekannte ich.

Zach stöhnte auf, als hätte ich ihn in die Eier getreten.

„Ich bin verletzt. Am Boden zerstört.“

„Ich würde dir niemals absichtlich wehtun“, sagte ich. Es klang ernster als beabsichtigt. Aber es stimmte. Das Problem war nur, dass es sich so richtig anfühlte, wenn ich mit Zach zusammen war. Nicht auf dieselbe Weise wie mit Beth, aber es gab eben auch einen Teil von mir, der perfekt zu Zach passte. Alles wäre so viel leichter, wenn ich mich einfach zweiteilen könnte.

„Keine Angst, ich werd’s überleben. Nur eine Fleischwunde“, beteuerte Zach. „Ich bin froh, dass ich dich noch erwischt habe, bevor du losziehst. Ich wollte deine Stimme hören.“

Ich brachte es zwar nicht fertig, es ihm zu sagen, aber in Wahrheit tat es mir ebenfalls gut, seine Stimme zu hören. Zach würde mich niemals im Stich lassen, wenn wir verabredet waren. Ich konnte mich immer felsenfest auf ihn verlassen. Schon wieder versetzte mein Gewissen mir einen Stich, diesmal, weil ich schlecht über Beth gedacht hatte. Egal, wie ich mich drehte und wendete, aus der Schuldnummer kam ich einfach nicht raus. „Beth hat mich versetzt“, erklärte ich. „Unsere Pläne sind ersatzlos gestrichen.“

Zach zögerte. „Ich weiß, dass ich jetzt eigentlich sagen müsste: ‚Wie schrecklich‘, aber ehrlich gesagt denke ich nur noch daran, ob du mich vielleicht vor einem Schicksal bewahren möchtest, das schlimmer ist als der Tod.“ Ich hörte Zachs Schwester Maddy im Hintergrund etwas schreien. „Au! Nicht schlagen!“, bat er.

„Wirst du gerade von einer Elfjährigen misshandelt?“, erkundigte ich mich.

„Wer hätte gedacht, dass der Spruch ‚Du schlägst wie ein Mädchen‘ in Wahrheit heißen soll: ‚Du kannst zutreten wie ein Ninja‘? Natürlich wollte ich eigentlich sagen, wie schön es wäre, wenn du die unendliche Freude mit mir teilen würdest, einen Freitagabend meine kleine Schwester zu unterhalten und Filme zu gucken.“ Ich hörte ein Murmeln im Hintergrund. „Außerdem wurde mir befohlen, hervorzuheben, dass sie keinen Babysitter braucht, egal was unsere Eltern sagen.“

„Ich nehme an, deine Eltern gehen davon aus, dass sie auf dich aufpasst“, bemerkte ich.

„Wenn ihr beide euch gegen mich verbündet, ziehe ich meine Einladung zurück.“

„In ein paar Minuten bin ich da. Versuch, dich so lange Maddy gegenüber anständig zu benehmen.“

Nach Ende unseres Gesprächs behielt ich das Handy noch eine Weile in der Hand und wartete darauf, dass Beth sich meldete. So lief das doch immer, oder? Sobald man andere Pläne gemacht hatte, kam endlich der ersehnte Anruf. Ich sah zu, wie der Wecker auf meinem Nachttisch zwei Minuten weitersprang. Offenbar kannte Beth diese spezielle Regel nicht.

Ich war so sicher gewesen, dass sie anrufen würde. Und jetzt wollte ich vor lauter Frustration am liebsten gegen die Wand treten. Da hatte ich mich endlich dazu durchgerungen, mit ihr zu reden, und nun würde es nicht dazu kommen.

Vermutlich sollte ich ihr dankbar sein, dass sie mir die Demütigung ersparte.

Am Samstagmorgen wurde ich früh aus dem Schlaf gerissen. Ich brauchte eine Weile, um zu kapieren, was mich geweckt hatte. Mein Handy brummte vor dem Bett, wo ich es gestern Abend hingeworfen hatte, nachdem ich von Zach zurückgekommen war.

Beth. Hoffnung keimte in meiner Brust auf. Ich rief mir hastig in Erinnerung, dass ich ihr eigentlich böse sein sollte, weil sie mich so schnöde versetzt hatte, und griff nach dem Telefon. Im Geiste kreuzte ich meine Finger, um das Glück zu beschwören.

Die SMS war von Zach. Mein Herz plumpste enttäuscht zu Boden.

Guten Morgen, meine Schöne.

Und:

Spricht es gegen mich, dass ich dich jetzt schon vermisse?

Ich seufzte und tippte eine rasche Antwort. Ja. Aber ich mag dich trotzdem. Meine Finger schwebten über den Buchstaben. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch irgendwas Frivoles hinzufügen sollte oder zumindest eine Anspielung darauf, dass wir, nachdem seine Schwester im Bett war, stundenlang auf dem Sofa herumgemacht hatten. Aber ich brachte es schlichtweg nicht über mich und drückte auf „Senden“.

Jedes normale Mädchen wäre überglücklich, so viel begeisterte Zuwendung von dem Typen zu erfahren, mit dem sie zusammen war. Ein normales Mädchen würde zurückschreiben, wie sehr er ihr fehlte, und es auch so meinen. Aber was normal war, hatte ich seit Längerem schon deutlich überwunden. Es war ja nicht etwa so, dass er mir gar nicht fehlte; nur eben nicht so sehr wie Beth. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie schon hinterging, wenn ich Zach eine SMS schickte – obwohl doch alles, was ich mit Beth tat, ein einziger Betrug an Zach war. So konnte es nicht weitergehen. Es war höchste Zeit, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, auf die eine Art oder auf die andere.

Eine Welle der Unsicherheit durchfuhr mich.

Ich rollte mich auf die Seite und verkroch mich unter der Decke. Es hatte gar nichts zu bedeuten, dass Beth sich nicht meldete, redete ich mir ein. Sie war einfach nicht der Typ, der sich gern festlegen ließ. Sie brauchte ihren Freiraum, das war alles. Und ich verstand sie. Beth hatte wahrlich genug Menschen um sich, die etwas von ihr wollten. Britney, das Hockeyteam, ihre Familie – einfach jeder. Ich wollte diejenige sein, die nichts von ihr verlangte, ihr aber alles gab.

Ich drückte mein zweites Kissen auf mein Gesicht und atmete den Duft nach Rosmarin und Pfefferminz ein, den ihr Shampoo hinterlassen hatte. Nicht mal mein Bettzeug konnte Beth vergessen.

Ich schmiegte mich an Roogs und hoffte, dass er die Angst vertreiben würde, die plötzlich in mir aufstieg. Vielleicht hatte sie gestern Abend ja gar nicht Brit und mich versetzt. Sondern nur mich.

3. KAPITEL

Am Montag legte ich auf dem Weg zur Schule einen Zwischenstopp bei Starbucks ein. Normalerweise würde ich einen Espresso für Beth und irgendeinen aromatisierten Kaffee für Britney mitnehmen, aber heute ließ ich es bleiben. Ich war nicht ihre Kellnerin.

Ich hatte Beth am Sonntag noch eine weitere Nachricht geschickt, aber es kam nichts zurück. Nicht mal eine SMS mit dem Hinweis, dass sie zu beschäftigt wäre, um zu telefonieren. Britney hatte sich ebenfalls nicht gemeldet. Gut möglich, dass die beiden das Wochenende zusammen verbracht und keinen Gedanken daran verschwendet hatten, wie ich immer noch darauf wartete, von ihnen zu hören. Es wäre nicht das erste Mal, dass die beiden mich weniger wie eine Freundin, sondern mehr wie ein Haustier behandelten.

Autor