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Gut Erlensee - Margaretas Traum

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Januar 1919 bei Kiel. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt Margareta Lamprecht auf Gut Erlensee. Die zurückliegenden Jahre haben den Frauen der Familie einiges abverlangt. Und dabei ahnt Margareta noch nicht einmal, wie schlecht es um die Druckerei und der Familie wirklich steht. Um wieder an Geld zu gelangen, setzt ihr Vater alles daran, Margareta mit dem benachbarten Grafen zu vermählen. Doch das will die junge Frau um jeden Preis verhindern. Der Grafist ein unreifer Jungeund Margaretas Herz gehört längst einem anderen …


  • Erscheinungstag: 27.09.2022
  • Aus der Serie: Das Gut Am Erlensee
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 400
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749903382
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Julika

Kapitel 1

19. Januar 1919

Margareta

Sie warf einen kurzen Blick auf ihr Festtagskleid, das auf einem Bügel am Kleiderschrank hing. Es war aus knisternder Georgette-Seide, knöchellang, am Ausschnitt bestickt und seitlich mit paspelierenden Stoffbahnen verziert, von der gleichen eisblauen Farbe wie ihre Augen. Auf der Frisierkommode lagen in einem rosenholzfarbenen Schächtelchen die goldenen Ohrstecker aus dem Familienerbe, die ihre Großmutter Ilsegard ihr heute Morgen als Geburtstagsgeschenk überreicht hatte. Die Zahl ihrer Geschenke war überschaubar. Vor wenigen Wochen erst war der Krieg zu Ende gegangen, noch immer musste an allen Ecken und Enden gespart werden. Umso mehr freute Margareta sich über Großmutters Geschenk und darauf, den Schmuck bei ihrer Geburtstagsfeier am Abend, zu der Verwandte und Nachbarn eingeladen waren, anzulegen.

Es war später Nachmittag, und vor dem Fenster tanzten feine Schneeflocken in der einbrechenden Dämmerung. Plötzlich überkam sie das Bedürfnis, noch nach draußen zu gehen, ein wenig frische Luft zu schnappen und nach den Pferden zu sehen, bevor sie den restlichen Tag mit ihren Gästen im Salon und im Esszimmer verbringen musste, wo es durch das Kaminfeuer stickig und überhitzt war.

Schnell stahl sie sich durch den Hintereingang hinaus. Auf keinen Fall wollte sie von ihrer Mutter Adelheid erwischt werden, die sie vor lauter Angst, sie könne sich vor dem Fest noch einen Schnupfen holen, schnurstracks auf ihr Zimmer zurückschicken würde. Margareta verzichtete auf eine Jacke; die Wege auf Gut Erlensee, das nach einem der kleinen Gewässer rund um Langwedel benannt war, waren kurz. Vorbei an Erlen und Wacholderbüschen, die sich um das Haus drängten wie eine schützende Mauer, eilte Margareta in der beißenden Kälte zum Pferdestall, während Hofhund Harras schwanzwedelnd neben ihr herlief. Der Duft nach Pferdefell und Heu weckte sogleich bittersüße Erinnerungen in ihr.

»Na, meine Hübschen«, begrüßte sie Hermana, Gero und Arabella, die in der Dunkelheit ihrer Boxen standen, als hätten sie auf sie gewartet.

Hermana, ein Norwegisches Kaltblut, das mit seinen achtundzwanzig Jahren nicht mehr geritten wurde, trottete zu ihr heran und streckte ihr über das Boxentor hinweg den Kopf entgegen. Margareta streichelte ihr das weiche braune Fell zwischen den Nüstern. In diesem Moment wurde die Stalltür quietschend geöffnet, und Benno, der Stallknecht der Familie Lamprecht, kam herein, beladen mit einem Sack voll alter Äpfel.

»Guten Abend, Fräulein Margareta … Feiern Sie heute Abend nicht Ihr Geburtstagsfest?« Der junge Mann, über dessen Stirn sich eine lange Narbe zog, ein Überbleibsel seiner Zeit an der Front, steckte jedem Pferd einen Apfel zu.

»Doch, ich muss auch gleich zurück.« Margareta trat zu den beiden leeren Boxen und spähte sehnsüchtig hinein. »Ich wollte nur noch mal kurz nach den Pferden sehen …«

»Ich vermisse Alba und Avrogor auch«, bemerkte Benno, der ihrem Blick gefolgt war, mit rauer Stimme. »Die prächtigen Pferde für den Krieg einzuziehen, war eine Schande. Wer weiß, was aus ihnen geworden ist.«

Margareta schluckte. Sie wollte sich nicht vorstellen, welches Schicksal ihre Lieblingsstute Alba ereilt hatte. Der zehn Jahre alte Apfelschimmel war von dem Tag an, an dem ihr Vater ihn nach Hause brachte, ihr Ein und Alles gewesen. Sie hatte sich so intensiv um Alba gekümmert und ausschließlich sie geritten, dass mit der Zeit jeder in der Familie sie als ihr Pferd betrachtet hatte. Im zweiten Kriegsjahr waren Alba und der Lusitano-Rappe Avrogor von Abgesandten der Armee abgeholt worden, um an die Front gebracht zu werden. Vielen Gutsbesitzern war das Gleiche widerfahren; Hermana durfte aufgrund ihres Alters auf Gut Erlensee bleiben, auch Gero und Arabella wurden ihnen gelassen, da die Lamprechts, vor allem Großmutter Ilsegard, glaubhaft machen konnten, die Tiere für Warentransporte der familieneigenen Druckerei zu benötigen. Dass die Lamprechts zu Beginn des Krieges Informationsbroschüren für die Reichswehr druckten, spielte wohl auch eine Rolle bei der Entscheidung der Verwaltung, dass sie die Tiere behalten durften.

Benno schien zu bemerken, dass seine Worte Margareta traurig machten, rasch fügte er hinzu: »Aber auch wenn wir die Tiere nie wiedersehen, zum Glück sind ja Ihr Vater und Ihr Bruder Gregor lebend aus dem Krieg zurückgekommen. Die meisten Familien haben Verluste zu beklagen.«

»Sie haben recht.« Margareta versuchte, ihre Sehnsucht nach Alba zu verdrängen. Früher wäre sie mit ihr an einem solch klirrend kalten Wintertag wie dem heutigen zumindest zu einem kurzen Ausritt in Richtung des Erlensees aufgebrochen, der nur zwei oder drei Gehminuten vom Gutshof entfernt lag, und hätte den Wind auf den Wangen gespürt, das Knacken der gefrorenen Zweige unter den Hufen gehört. Aber wie Benno sagte: Ihr Vater und ihr Bruder waren mehr oder weniger unbeschadet von der Westfront zurückgekehrt, sie durfte sich nicht beschweren. Ihr Vater Hermann Lamprecht war aufgrund eines Beinschusses bereits kurz vor Kriegsende heimgekommen – noch immer hinkte er deutlich –, und ihr Bruder Gregor hatte die letzten Kriegswochen aufgrund seiner immer wiederkehrenden Zitteranfälle und Angstattacken in einem Lazarett verbracht, von wo aus er direkt nach Langwedel zurückkehren durfte.

»Geht es Ihrem Herrn Bruder inzwischen etwas besser?«, fragte Benno mit einem besorgten Unterton in der Stimme, während er Hermana noch einen schrumpeligen Apfel ins Maul schob. Er vermied Margaretas Blick.

Sie seufzte und schlang die Arme um sich. Langsam begann sie zu frieren. »Leider nicht. Noch immer quälen ihn diese Episoden, bei denen er am ganzen Körper bebt, und er ist insgesamt sehr schwermütig.« Sie stockte und biss sich auf die Lippen; wenn ihre Eltern sie so hörten, gäbe es mächtig Ärger. Einem Angestellten von privaten Angelegenheiten zu erzählen galt als ungehörig.

»Schlimm«, murmelte Benno und schnürte den Sack wieder zu. »Er hat sich früher ständig im Stall aufgehalten und ist so gern geritten. Schade, dass er das nicht mehr tut. Vielleicht würde es ihm helfen. Aber Sie frieren ja, Fräulein Margareta. Einen Moment …« Der Stallknecht nahm eine reichlich abgenutzte Öljacke vom Haken an der Stallwand und half ihr hinein. »Nicht, dass Sie sich noch erkälten an Ihrem Ehrentag.«

»Das ist sehr nett von Ihnen.« Margareta lächelte ihn dankbar an. »Ich muss zurück ins Haus. Aber ich komme morgen wieder, um nach den Pferden zu sehen. Auf Wiedersehen, Benno.«

Im Gehen streifte ihr Blick erneut die Box ihres Pferdes. Margaretas Herz wurde schwer, war sie sich doch allzu bewusst, dass die scheue und schreckhafte Stute die Torturen der Schlachten nicht gut überstanden haben konnte.

Im Haus angekommen gelang es ihr gerade noch, Bennos Öljacke unbemerkt an einen Haken vor der Küchentür zu hängen, als sie ihre Mutter Adelheid hörte, die ungeduldig nach ihrer jüngsten Schwester, der zwölfjährigen Carla, rief.

»Carla! Wo steckst du nur wieder?«

Margareta hastete zu ihrer Mutter in die Eingangshalle und überlegte sich eine Rechtfertigung, warum sie aus Richtung des Dienstbotenbereichs kam, wurde jedoch einer Erklärung enthoben. Ihre kleine Schwester sauste auf dem Geländer herab und landete mit zerknittertem Kleid und unordentlichen Haaren auf dem Boden vor Adelheids Füßen.

»Hier bin ich, Mutter!« Mit einem zugleich verlegenen und schelmischen Grinsen kam sie auf die Füße und zog ihr Kleid glatt. »Du hast gerufen?«

Margareta unterdrückte ein Schmunzeln, während ihre Mutter tief Luft holte, um zu einer ihrer üblichen Schimpftiraden anzusetzen. »Carla! Was erlaubst du dir! Dein Benehmen bringt mich noch ins Grab. Die Treppe hinunterzurutschen ist gefährlich und nicht damenhaft!«

Carla senkte betreten den Kopf, als warte sie, bis Mutters Donnerwetter vorübergezogen war.

»Unsere Verwandten befinden sich bereits im Hause, und in einer Stunde kommen die Gäste aus dem Dorf. Wenn dich einer von ihnen so gesehen hätte, ich wäre vor Scham im Boden versunken. Noch dazu in diesem liederlichen Aufzug!«

Margareta legte den Arm schützend um ihre Schwester. »Komm, Carla, gehen wir nach oben und ziehen uns um. Wir läuten nach Erna, dann kann sie uns mit den Haaren helfen.« Rasch zog sie sie die Treppe hoch, um weiteren Unmutsäußerungen Adelheids zu entgehen. Mit einem missmutigen Gesicht schaute diese ihren Töchtern nach. »Trödelt nicht herum! Es schickt sich nicht, seine Gäste warten zu lassen, das ist unhöflich.«

»Es macht einfach Spaß, das Geländer hinunterzurutschen«, flüsterte Carla Margareta eine Etage höher verschmitzt zu. »Wenn man ganz oben anfängt und die drei Stockwerke hinabsaust, bekommt man ganz schön Schwung. Aber Mutter verbietet ja alles, was mir gefällt.«

»Vielleicht solltest du dir für deine Aktivitäten Zeiten heraussuchen, zu denen Mutter sich woanders aufhält.« Margareta versuchte, ernst zu bleiben, aber sie konnte Carla verstehen. Die Kleine war mit großem Abstand die Jüngste der vier Geschwister – Gregor war mit seinen vierundzwanzig Jahren doppelt so alt wie sie, darauf folgten sie selbst und Marilla. Sie alle waren bereits erwachsen, weshalb Adelheid nur noch die Erziehung Carlas oblag. Ständig im Fokus von Mutters Aufmerksamkeit zu stehen, musste schwierig sein.

»Ja, schon gut«, murmelte Carla trotzig. Margareta ließ es darauf beruhen und läutete nach einem der Dienstmädchen.

Kurze Zeit darauf waren die drei Schwestern mithilfe von Erna vollauf damit beschäftigt, in ihre Kleider zu schlüpfen und sich die Haare zu lockeren griechischen Knoten, die tief im Nacken angesetzt waren, zu frisieren, so wie es der Mode entsprach. Gleich ihrer Mutter hatten die Lamprecht-Töchter kastanienbraune Haare, bloß Marilla, die mittlere, war honigblond.

»Das muss ein aufregender Tag für dich sein, Schwesterherz«, schwärmte Marilla, während sie Margareta half, die neuen Ohrstecker zu befestigen. »Dein zweiundzwanzigster Geburtstag – und gleichzeitig der erste Tag in der Geschichte des Deutschen Reichs, an dem Frauen wählen dürfen!«

»Es ist wunderbar«, stimmte Margareta ihr aus vollem Herzen zu, wobei sie nicht ihren Geburtstag meinte. Am Morgen war die ganze Familie mit der Familienkutsche zum Wahllokal in Langwedel gefahren, um ihre Stimmen für die erste Reichstagswahl nach der Abdankung des Kaisers und dem Ende des Krieges abzugeben. Alle – bis auf Adelheid. Diese hatte vorgegeben, zu beschäftigt mit der Vorbereitung des Geburtstagsfestes zu sein, um Zeit zu haben.

»Ich begreife nicht, wie Mutter auf ihr Wahlrecht verzichten kann«, bemerkte Margareta. »Jahrhundertelang durften wir Frauen nicht mitreden, und jetzt, wo wir es dürfen, scheint es manchen Frauen gar nicht wichtig zu sein. Sogar Großmutter ist fortschrittlicher als Mutter.«

Marilla lachte und zupfte an ihrem fliederfarbenen Kleid, das gut mit ihrer milchweißen Haut harmonierte. »Wie Großmutter die Wahlhelfer herumgescheucht hat, damit sie ihr einen Stuhl bringen, auf den sie sich in der Wahlkabine setzen konnte! Zum Glück wurde das Wahlalter herabgesetzt, sonst hätte ich mit meinen zwanzig Jahren nicht wählen dürfen!«

Carla zappelte und wand sich ungeduldig, als Margareta versuchte, ihr die Haare zu einem Rosendutt zu flechten. »Stillhalten, du kleine Krabbe. Sonst siehst du gleich zerzaust aus.«

»Mutter wird sowieso wieder etwas an mir auszusetzen haben«, maulte Carla.

»Unsinn. Heute putzen wir uns alle heraus.« Margareta griff nach einer widerspenstigen Strähne und schob sie sorgfältig in das Flechtwerk. »Wir haben so viel zu feiern. Den Beginn einer demokratischen Republik, in der die Adeligen nichts mehr zu sagen haben – nicht mehr als wir Bürgerlichen zumindest, das Ende des Krieges … Es ist das erste Mal seit Jahren, dass wir wieder Gäste bewirten und zusammen sind!« Ein wenig hatte Margareta das Gefühl, sich selbst davon überzeugen zu wollen, wie unbeschwert dieser Tag doch war. Noch immer verengte ihr die Sorge um ihren Bruder und die Trauer um Alba die Brust.

»Apropos Gäste«, begann Marilla mit einem vielsagenden Unterton in der Stimme. »Ich bin gespannt auf die von Köckritz.«

Die Grafenfamilie von Köckritz wohnte in einer Villa mit großzügig angelegtem Park am gegenüberliegenden Ufer des Erlensees. Sie besaßen eine Papierfabrik, mit der die Lamprechtsche Druckerei oft zusammenarbeitete.

»Wir haben sie eine Ewigkeit nicht gesehen«, stimmte Margareta zu, in Gedanken noch ganz woanders.

Marillas Augen funkelten. »Ja, vor allem den jungen von Köckritz. Leonhard.«

Inzwischen waren alle drei Schwestern fertig angezogen, frisiert und hatten ihren Schmuck angelegt. Erna knickste und zog sich wieder nach unten in die Küche zurück, wo es noch letzte Vorbereitungen zu treffen gab.

Kaum hatte das Dienstmädchen die Tür geschlossen, setzte Marilla wieder an: »Ich bin gespannt auf Leonhard! Es heißt, er sei erst vor einer Woche aus der Gefangenschaft heimgekehrt. Er war schon immer eine patente Erscheinung!« Wie immer, wenn sie aufgeregt war, drehte sie den Bernsteinanhänger, der an einer silbernen Kette um ihren Hals hing, zwischen den Fingern.

Lächelnd verdrehte Margareta die Augen. Anders als ihre Schwester interessierte sie sich wenig für die Söhne der Nachbarn rund um den See, zumindest bisher. »Wenn du meinst.« Mit Leonhard von Köckritz verband sie nur ein paar vage Erinnerungen aus Kindheit und früher Jugend, die mit Picknicken im Sommer oder Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Erlensee einhergingen.

Marilla seufzte, als sei Margareta ein hoffnungsloser Fall, während sie Carlas Frisur nachbesserte, die sich bereits wieder aufzulösen begann. »Greta! Sei nicht so naiv! Was glaubst du, warum es Vater so wichtig war, die von Köckritz zu deinem Geburtstagsfest einzuladen? Der Krieg ist endlich vorbei, und du bist im besten Heiratsalter. Vater hegt eine Schwäche für Adelige, das weißt du doch. Er wäre außer sich vor Freude, wenn du mit Leonhard eine Verbindung eingingest!«

»Dabei soll der Adelsstand doch abgeschafft werden«, bemerkte Margareta trocken. »Dann sind die von Köckritz auch nichts Besseres mehr als wir Bürgerlichen. Aber genug jetzt, wir sollten uns sputen.«

Zufrieden warfen sie einen letzten Blick in den Spiegel, nahmen Carla in ihre Mitte und machten sich auf den Weg in den Salon, wo auf Margaretas Wohl angestoßen werden sollte.

»Ein Prosit auf das Geburtstagskind! Trinken wir auf dein Glück und auf deine Gesundheit.« Hermann Lamprecht, dem man ansah, dass er es sich seit der Rückkehr aus dem Krieg wieder gut gehen ließ – die graue Weste mit der goldenen Taschenuhr im Einschubfach spannte leicht über seinem Bauch –, hielt seinen Champagnerkelch in die Höhe. Hausdiener Oskar ging mit einem Tablett durch den Raum und reichte jedem ein Glas. Die versammelte Familie stieß an.

»Danke schön.« Margareta lächelte in die Runde, ein wenig verlegen, dass die gesamte Aufmerksamkeit auf ihr lag. Großmutter Ilsegards liebevoller Blick traf sie; selbst mit über siebzig Jahren strahlte sie eine jugendliche Frische aus, ihre Haut war fast faltenfrei und rosig, das schneeweiße Haar zu einem eleganten Chignon aufgesteckt. Daneben wirkte ihre Schwiegertochter Adelheid in ihrem hochgeschlossenen, mit Rüschen aus starrem Stoff besetzten Kleid regelrecht bieder und altbacken. Margareta wünschte, ihre Mutter würde sich etwas entspannen und sich nicht die ganze Zeit auf Carla fokussieren, um deren Benehmen zu kontrollieren.

Prompt schüttete Carla sich etwas Fruchtbowle über das Kleid.

»Carla!« Adelheid zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und begann mit fahrigen Bewegungen, an dem Fleck herumzureiben. »Musste das wieder sein? Benimm dich nicht immer wie ein Tollpatsch, was sollen die Gäste nachher von dir denken!«

Carla schob gekränkt die Unterlippe vor. »Ist mir egal.«

Hermann stellte seinen Champagnerkelch auf dem Kamin, in dem ein Feuer loderte und den Salon mit angenehmer Wärme erfüllte, ab. »Das ist die falsche Einstellung, junges Fräulein! Die von Köckritz sind in ihren Kreisen nur bestes Benehmen gewöhnt, sie sollen nicht denken, dass sie hier bei irgendwelchen Bauerntrampeln gelandet sind.«

Margareta warf Marilla einen flüchtigen Blick zu, und die Schwestern schafften es gerade so, ein Schmunzeln zu unterdrücken, wie immer erheiterte sie Vaters Vorliebe für den Adelsstand.

»Halb so schlimm.« Ilsegard legte tröstend den Arm um Carla. »Auf deinem dunkelroten Kleid sieht man den Fleck so gut wie gar nicht.«

»Die von Köckritz sind in Langwedel, ja sogar bis nach Kiel, eine angesehene Familie. Schon seit Jahren pflegen wir mit ihnen Geschäfte zu machen und unser Papier von ihnen zu beziehen«, dozierte Hermann. »Es ist eine Ehre, dass sie unserer Einladung gefolgt sind.«

»Aber ein bisschen spät dran sind sie schon«, bemerkte Großmutter Ilsegard mit einem Blick auf die große Standuhr trocken.

»Äh … ja.« Hermann zog nervös seine Taschenuhr hervor. »Und wo bleibt eigentlich Gregor? Hält mein Herr Sohn es wieder einmal nicht für nötig, zu erscheinen?«

Margareta umklammerte den Stiel ihres Glases fester. Sie hoffte inständig, dass ihr Bruder es aus seinem verdunkelten Schlafzimmer hinausschaffen und an ihrem Fest teilnehmen würde, trotz der Schwermut und Angstzustände, die ihn seit seiner Rückkehr wie ein Sumpf in die Tiefe zogen. Es tat ihr weh, dass er sich von allen zurückzog und sich vor ihnen verschloss.

»Oskar, schauen Sie bitte nach Gregor und schicken Sie ihn herunter«, ordnete Adelheid an. »Dieses Sich-gehen-Lassen ist ja schon unhöflich.«

»Unhöflich ist es eher, einem vom Krieg traumatisierten jungen Mann so zuzusetzen und ihm keine Erholung zu gönnen«, bemerkte Ilsegard spitz, woraufhin Adelheid sie pikiert ansah.

»Er hatte ein paar Wochen Zeit, sich zu erholen. Trotzdem liegt er noch immer untätig im Bett und starrt Löcher in die Luft«, konterte sie.

Margareta schloss für einen Moment die Augen, um die ständigen Zankereien zwischen ihrer Mutter und Großmutter auszublenden. Dass Adelheid keinerlei Verständnis für ihren großen Bruder aufbrachte, versetzte ihr einen Stich.

Gregor stahl sich erst herein, als die Familie mitsamt allen Verwandten und Nachbarn von der anderen Seeseite bereits an der gedeckten Tafel im Esszimmer saß. Margareta sprang hastig auf und zog den Stuhl neben dem ihren zurück, damit ihr Bruder sich setzen konnte. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, seine Haut war bleich wie Wachs.

»Na, Gregor, altes Haus, auch wieder in der Heimat?«, begrüßte Leonhard von Köckritz ihn beschwingt. Der Grafensohn sah aus wie das blühende Leben, keineswegs so, als sei er erst vor Kurzem aus dem Krieg zurückgekehrt. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge waren trotz des kalten Winterwetters leicht gebräunt, seine dunkelblonden, welligen Haare gepflegt und modisch geschnitten. »Warst du auch in Gefangenschaft?«

Margareta schwitzte Blut und Wasser. Alle Augen am Tisch waren auf Gregor gerichtet, und sie befürchtete, er würde wie so oft dieser Tage überhaupt keine Antwort geben. Doktor Uhlen, der Hausarzt der Familie aus dem Dorf, der Margareta gegenübersaß, sah ihn mitfühlend an. Der alte Graf von Köckritz und Leonhard starrten ihren Bruder regelrecht nieder, und auch die Verwandtschaft von Vaters Seite, Tante Hildegard und Onkel Arthur, schienen neugierig, fast als hofften sie auf einige pikante Details. Margareta sah aus dem Augenwinkel, wie sich Vaters Lippen abfällig kräuselten, je länger sich Gregor mit der Antwort Zeit ließ.

Schließlich brachte Gregor mit heiserer Stimme hervor: »Nein. Ich war im Lazarett im Elsass, von da aus bin ich direkt nach Hause geschickt worden.«

Zu Margaretas Erleichterung trugen in diesem Moment Franka und Erna die Hühnersuppe auf, während Oskar hinter ihnen herging und Wasser und Wein nachfüllte. Das Interesse der Gäste an ihrem Bruder war vorerst erloschen. Die Unterhaltung am Tisch zerfiel in einzelne Gespräche. Am Tischende sprach Marilla angeregt mit den Cousins und Cousinen, Franz, Emil, Louisa und Fanny; derweil wandten sich Hermann, Doktor Uhlen, die von Köckritz und Onkel Arthur geschäftlichen Themen zu.

»Es war höchste Zeit, dass ich wieder in die Druckerei zurückgekehrt bin«, dröhnte Hermann am Kopfende der Tafel. »Das Geschäft hat im Krieg doch arg gelitten. Die Druckerei hätte genauso gut geschlossen sein können. Nichts lief mehr.«

Onkel Arthur nickte bestätigend, den Kopf tief über dem Suppenteller. »Jaja, wem sagst du das, es ist überall dasselbe.«

»Dass nichts lief, kannst du nun wirklich nicht behaupten, Hermann«, wandte Ilsegard ein und fixierte ihren Sohn über die flackernden Kerzen auf dem Tisch hinweg. »Schließlich haben wir deine Druckerei weitergeführt, solange du und Gregor an der Front wart. Margareta, Marilla und ich haben uns um alles gekümmert, wir haben mit Kunden und Geschäftspartnern verhandelt, Aufträge angenommen und sie mithilfe der wenigen Arbeiter, die nicht eingezogen wurden, ausgeführt. Nicht wahr, Mädchen?«

Margareta und Marilla, die ihr Gespräch mit den Cousinen Louisa und Fanny unterbrachen, nickten.

»Ganz genau«, bekräftigte Marilla mit Stolz in der Stimme. »Wir haben nicht die letzten vier Jahre am Ofen gesessen und Strümpfe gestrickt, wir haben die Druckerei geleitet.«

Margareta entging das belustigte Zwinkern von Onkel Arthur und dem alten Grafen nicht; wahrscheinlich nahmen die beiden die Anstrengungen, die nötig gewesen waren, um die Druckerei vor dem Untergang zu bewahren, genauso wenig ernst wie ihr eigener Vater. Hatte er ihr, Marilla und Großmutter nur ein einziges Mal gedankt, dass sie während seiner Abwesenheit von früh bis spät in der Druckerei gearbeitet, ja, auch körperlich hart geschuftet hatten? Zehn Stunden hatten sie täglich gearbeitet und sich schmutzig gemacht. Ihre Mutter war zu dieser Zeit wie ein bleicher Schatten auf dem Gutshof geblieben, um Carla herumzuscheuchen und sich um das Wohl von Mann und Sohn zu sorgen, meistens laut jammernd.

Hermann winkte Franka, um sich noch Suppe nachfüllen zu lassen. »Die Druckerei geleitet – jetzt lasst mal die Kirche im Dorf. In Unternehmensführung und Druckereiwesen seid ihr nicht ausgebildet.«

»Da wir lesen können, haben wir uns selbst alles Wissen angeeignet, das man braucht, um eine Druckerei zu führen«, erklärte Ilsegard lächelnd. Margareta imponierte es, dass sie so ruhig blieb und sich nicht von ihrem Sohn provozieren ließ, was sicherlich in Hermanns Absicht lag.

»Na, Josephine«, wandte sich der Graf an seine Frau, die mit sauertöpfischem Gesicht zu seiner Rechten saß, »von den Lamprecht-Damen hättest du dir eine Scheibe abschneiden können. Warum hast du die letzten Jahre nicht unsere Papierfabrik geleitet?«

Die Herren brachen in schallendes Gelächter aus, so als habe er einen großartigen Scherz gemacht. Margareta wusste, dass der Graf von Köckritz überhaupt nicht im Krieg gewesen war, sondern in Kiel die Verwaltung in militärischen Angelegenheiten beraten und nebenbei seine Papierfabrik selbst weitergeführt hatte.

»Gott bewahre.« Die Gräfin von Köckritz zog ein angewidertes Gesicht, während sie ihren leeren Suppenteller mit spitzen Fingern von sich schob.

Angesteckt von der allgemeinen Heiterkeit, beugte sich Leonhard von Köckritz, der zu Margaretas Linken saß, zu ihr. »Ich bin beeindruckt. Ihr drei Frauen habt tatsächlich die Familiendruckerei am Laufen gehalten!« Seine Augen funkelten sie an, was Margareta verunsicherte. Meinte er es ernst, oder dachte er wie alle anderen und machte sich über sie lustig?

»Ja«, murmelte sie. »Obwohl es natürlich alles andere als einfach war. Durch den Krieg blieben die Aufträge aus, und dann ging eine Maschine kaputt. Es war niemand zu bekommen, der sie repariert hätte.«

Ilsegard stellte resolut ihr Weinglas auf dem Tisch ab. »Trotzdem. Wir haben unser Bestes gegeben. Ich bin stolz auf meine Enkelinnen.« Es klang, als wolle sie das unleidliche Thema damit ein für alle Mal beenden.

Genau in dem Moment wurde der Hauptgang serviert.

»Zum Glück ist der Krieg vorbei, und die Frauen sind wieder zu ihren ursprünglichen Tätigkeiten zurückgekehrt. Ruhig noch mehr«, wies von Köckritz Franka an, die ihm daraufhin eine große Portion Pommes Dauphine auf den Teller gab, die er sogleich mit dem Braten in sich hineinschaufelte. Glücklicherweise gab Gut Erlensee, auch wenn sie nur ein kleines Stück Land bewirtschafteten, genug ab, um nicht von der Versorgungskrise betroffen zu sein.

Die anwesenden Herren stimmten von Köckritz zu. Leonhard musterte Margareta einen Moment von der Seite, so als wisse er nicht so recht, was er von ihr halten solle. Sie hoffte, er habe modernere Vorstellungen als sein Vater.

»Haben Sie heute gewählt?«, fragte er, sie noch immer in seinem Blick festhaltend.

»Natürlich.«

Auch Marilla und Louisa bestätigten, dass sie zur Wahl gegangen waren, nur Cousine Fanny war noch zu jung, um als wahlberechtigt zu gelten.

»Nichts anderes hätte ich vermutet.« Leonhard wandte sich seinem Teller zu, während sein Vater erneut zu Höchstform auflief.

»Diese Wahlen sind doch eine Farce!«, verkündete er und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Durch die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts haben Krethi und Plethi dieselben Rechte wie wir, die Stimme jedes Stallknechts zählt genauso sehr wie die des Adels.«

»Ganz Ihrer Meinung«, bemerkte Hermann.

Margareta war die Katzbuckelei, die ihr Vater von Köckritz gegenüber an den Tag legte, unangenehm. Er tat ja, als sei er selbst ein Adliger! Ihr Blick schweifte zu Ilsegard, die verstohlen von Köckritz’ Gesichtsausdruck imitierte; sie musste ein Kichern unterdrücken. Zum Glück ließ sich ihre Großmutter von diesem Wichtigtuer nicht beeindrucken, im Gegensatz zu ihrer Mutter, die an seinen Lippen hing.

»Und jetzt haben auch noch die Frauen das Wahlrecht«, stöhnte Onkel Arthur auf. »Ich frage mich, wozu?«

Graf von Köckritz lachte dröhnend. »Als ob Frauen sich für Politik interessierten, geschweige denn eine Ahnung davon hätten! Frauen haben andere Stärken. Frauen sollen ihren Männern, ihren Familien ein liebevolles Heim schaffen, sich um den Nachwuchs kümmern und die Politik getrost den Männern überlassen.«

»Das sehe ich genauso«, ließ sich Adelheid vernehmen. Sie warf Carla einen bösen Blick zu, weil diese das Silberbesteck recht plump in den Händen hielt. »Es würde mir nicht im Traum einfallen, mich um das politische Geschehen zu kümmern, ich habe in meinem Haushalt und mit der Kindererziehung genug zu tun.«

Marilla schoss ihr einen entrüsteten Blick zu. »Aber Mutter! Das ist doch Unsinn! Im Krieg haben Frauen im ganzen Reich gezeigt, dass sie zu viel mehr in der Lage sind, als nur zu kochen und ihre Kinder zu umsorgen! Nicht nur wir haben in der Druckerei gearbeitet, auch überall sonst haben sich Frauen in Fabriken und in der Landwirtschaft nützlich gemacht und die Arbeit der Männer erledigt!«

»Ja, aber das war doch nur eine Notlösung für begrenzte Zeit«, warf Tante Hildegard, die die ganze Diskussion sehr zu verwirren schien, ein.

»Auf jeden Fall hätte ich nichts dagegen, auch weiterhin in der Druckerei mitzuhelfen.« Margaretas Herz klopfte. Sie hatte den Satz leichthin geäußert, um die Reaktion ihres Vaters auszuloten und wohl auch zu schauen, was Leonhard davon hielt; in Wahrheit aber war ihr der Wunsch, weiterhin im Familienunternehmen mitzuwirken, sehr wichtig. Für Marilla war das Thema Druckerei mit der Rückkehr des Vaters abgeschlossen, aber sie selbst wollte ihre Mitarbeit, die so erfüllend gewesen war, nicht einfach ad acta legen.

Leonhard lächelte nur vor sich hin, was sie nicht zufriedenstellte. Was dachte er im Stillen, was hielt er von ihr? Sein attraktives Äußeres und seine selbstbewusste, lockere Art gefielen ihr, doch sie vermochte ihn nicht einzuordnen.

»Papperlapapp!« Hermann verschränkte die Hände über dem Bauch, satt und zufrieden. »Wie könntest du mir schon helfen?«

»Sie könnte zur Kaffeezeit frisch gebackenen Kuchen vorbeibringen«, schlug Graf von Köckritz vor, woraufhin Hermann, Doktor Uhlen und Onkel Arthur in erheitertes Gelächter ausbrachen.

Margareta errötete und ballte unter dem Tisch wütend die Hände zur Faust. Sie hasste es, lächerlich gemacht zu werden. Zum Glück kam ihr wie so oft Großmutter Ilsegard zu Hilfe.

»Ein bisschen antiquiert, die Herren, was?« Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte sie die Männer, bis deren Lachen verebbte.

Hermann räusperte sich. »Es ist Zeit, dass meine Töchter wieder ihr geregeltes Leben aufnehmen. Mein Sohn übrigens auch.« Margareta spürte, wie Gregor an ihrer Seite leicht zusammenzuckte. Sie wusste, das Essen, das laute Gespräch, die vielen Menschen setzten ihm zu, und er nahm nur ihr zuliebe an diesem Fest teil. Von seinem Vater vor den Gästen vorgeführt zu werden, traf ihn in seinem labilen Zustand sicherlich noch stärker als sie selbst.

»Alles in Ordnung?«, flüsterte sie ihm hinter ihrer Serviette verborgen zu.

Gregor bewegte nur leicht die Lippen, ohne dass ein Laut herausgekommen wäre. Er sah abgekämpft und noch blasser aus als zuvor, das Abendessen musste eine Tortur für ihn sein.

»Vor allem Margareta ist nun im besten Alter, neue Ziele in Angriff zu nehmen, sich einem neuen Lebensabschnitt zuzuwenden«, fuhr Hermann fort. »Während des Krieges gab es ja wenig Gelegenheit dazu.« Vielsagend nickte er Leonhard zu. Margareta wünschte sich weit fort; sie war zwar durchaus nicht abgeneigt, etwas Zeit alleine mit dem jungen Grafensohn zu verbringen, doch Vaters Wink mit dem Zaunpfahl war demütigend.

Leonhard reagierte augenblicklich. »Dürfte ich Sie mal zu einem Spaziergang entführen, Fräulein Margareta?«

Sie forschte in seinen grünen Augen, sah jedoch nichts als Liebenswürdigkeit darin. »Gerne«, stimmte sie deshalb lächelnd zu.

Es wurde spät an diesem Abend. Carla wurde nach dem Nachtisch zu Bett geschickt, die Herren zogen sich in die Bibliothek zurück, um Zigarren zu rauchen und weiterhin über Politik zu debattieren, während sich die Damen in den Salon begaben. Erna reichte Tee, nur Großmutter Ilsegard sprach ihrem geliebten Wacholderschnaps zu, den sie von jeher aus den Beeren der Büsche brennen ließ, die das Haus umgaben. Amüsiert lauschte Margareta den Gesprächen von Adelheid, der Gräfin von Köckritz und Tante Hildegard, die sich um Koch- und Backrezepte drehten. Als sich alle Gäste verabschiedet hatten – die Nachbarn kehrten zur anderen Seeseite oder ins Dorf zurück, Hildegard, Arthur und ihre vier Kinder verbrachten die Nacht in den Gästezimmern, um früh am nächsten Morgen in Richtung Kiel aufzubrechen –, begleitete Margareta mit Marilla ihre Großmutter die Treppe hoch.

»Meine Güte, diese von Köckritz sind wirklich nur mit Alkohol zu ertragen«, seufzte Ilsegard erschöpft. Margareta fasste sie stützend am Ellbogen, da sie an der Treppenbiegung schwankte.

»Dieser ewiggestrige Graf und seine zitronensaure Frau! Greta, du musst wirklich nicht mit dem jungen von Köckritz spazieren gehen!«

»Mal sehen.« Margareta war todmüde und wollte nur noch ins Bett. Über Leonhards Einladung würde sie morgen nachdenken.

»Der junge Mann ist mir nicht geheuer. Seine Augen huschen umher wie die eines Fuchses. Er hat sich ja zurückgehalten, aber wer weiß, ob er nicht genauso überholte Ansichten vertritt wie sein Vater? Auf jeden Fall – lass dich nicht von deinem Vater unter Druck setzen, Kind. Der Krieg ist zwar beendet, aber das heißt nicht, dass du und Marilla sofort unter die Haube müsst und euch dem Erstbesten an den Hals werfen solltet.«

Im oberen Korridor wünschten sie sich eine gute Nacht, und jede betrat ihr Schlafzimmer. Margareta sah, dass noch immer Schneeflocken vor ihrem Fenster umherwirbelten. Das Feuer in ihrem Kamin war fast heruntergebrannt. Rasch kleidete sie sich aus und schlüpfte in ihr Nachthemd. Franka würde ihr Kleid morgen bügeln. Ihr fielen fast schon die Augen zu, als sie ins Bett kroch, das von der mit einem gestrickten Überzug geschützten Wärmepfanne, die eines der Dienstmädchen gebracht hatte, wohlig warm war. Was für ein Tag, dachte sie im Einschlafen.

Kapitel 2

Februar 1919

Margareta

Noch war es dunkel draußen; als sie ihr Fenster öffnete, drang feuchte, kalte Luft herein. Über dem See lasteten Nebelschwaden wie dicke Wolkenberge, wie so oft in dieser Jahreszeit. Als sie draußen auf dem Korridor die laute Stimme ihres Vaters hörte, bürstete sie sich rasch das kastanienbraune Haar und steckte ein paar Haarklammern hinein, um es zurückzuhalten, bevor sie nach draußen eilte. Bitte nicht wieder einen erbitterten Schlagabtausch zwischen Vater und Gregor, dachte sie ängstlich. Fast täglich eskalierte die Situation zwischen den beiden.

Tatsächlich stand Hermann breit im Türrahmen von Gregors Zimmer, die Hände in die Seiten gestützt, und starrte in die Dunkelheit. Die Fensterläden waren geschlossen, vom Korridor fiel fahles Licht herein.

»Aufstehen!«, befahl Hermann. »Und zwar zügig. Ich brauche dich in der Druckerei. Du hattest lange genug Schonfrist, jetzt ist Schluss mit Faulenzen.«

Mit langen Schritten trat er ans Fenster und öffnete die Fensterläden. Von der Tür aus warf Margareta einen langen Blick auf ihren Bruder, der sich stöhnend die Hände über die Augen schlug. »Lass bitte, Vater. Mir geht es nicht gut. Ich bleibe hier.«

»Du zitterst ja.« Margareta kam näher und setzte sich besorgt auf die Bettkante, um Gregor die Hand auf den Arm zu legen. Mit der anderen strich sie ihm über die Wange, die schweißnass war.

Gregors Kopf hob sich kurz, dann sank er zurück ins Kissen.

Hermann betrachtete ihn mit einer Mischung aus Unverständnis und Unbehagen. »Indem du nur hier herumliegst, wird es auch nicht besser. Na los, schwing dich aus dem Bett. Die Arbeit wartet.«

»Ich kann wirklich nicht, Vater.«

Margareta spürte unter ihrer Hand, dass Gregors Zittern sich verstärkte. Seine Pupillen waren geweitet, sein Blick starr und angsterfüllt.

»Natürlich kannst du.« Hermanns Stimme wurde lauter, und er musterte die Bettdecke, als überlege er, sie Gregor einfach wegzuziehen. »Du bist nicht der Einzige, der im Krieg gewesen ist, Junge! Wir haben alle Schlimmes erlebt. Sogar mich alten Mann hat man noch eingezogen. Aber was nützt es, sich gehen zu lassen und nur noch herumzuliegen? Es muss weitergehen. Reiß dich zusammen. Nichts ist heilsamer als Ablenkung durch Arbeit.«

Gregor gab einen undefinierbaren Laut von sich, der einem Stöhnen glich. Es schnitt Margareta ins Herz, denn es klang wie das Klagen eines verletzten Tieres.

»Ich brauche dich!«, beschwor Hermann ihn eindringlich. »Es steht schlecht um die Druckerei. Wir haben im Moment kaum Aufträge, wir müssen uns wirklich dahinterklemmen, um wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.«

Einer plötzlichen Eingebung folgend, hob Margareta den Kopf. »Ich komme mit, Vater. Gregor geht es noch nicht gut genug, er ruht sich besser noch aus. Aber ich habe Zeit, und ich kenne mich in der Druckerei aus, das weißt du ja.« Ihr Herz klopfte vor Aufregung; sie wünschte sich, sich wieder nützlich zu machen und mitzuhelfen, die Familiendruckerei besseren Zeiten entgegenzuführen, doch gleichzeitig war ihr klar, dass ihr Vater sicherlich ablehnend reagieren würde.

Prompt zog dieser die Stirn in Falten, als sei ihr Vorschlag unvorstellbar. »Du? Das kommt nicht infrage. Hast du immer noch nicht verstanden, dass der Krieg vorbei ist und wir Männer zurück sind? Es ist die Pflicht deines Bruders, sich aus dem Bett zu bewegen und zur Arbeit zu gehen, nicht deine! Was sind das nur für Zeiten? Diese verdammten letzten Jahre haben alles auf den Kopf gestellt!«

Von unten erklang die Glocke zum Frühstück, und Hermann stapfte missmutig davon. Margareta blieb auf der Bettkante sitzen und strich ihrem Bruder sacht eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. »Es tut mir so unendlich leid, dass es dir schlecht geht. Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«

»Mir kann niemand helfen«, murmelte Gregor mit zusammengebissenen Zähnen. »Aber mach dir keine Sorgen um mich, Schwesterherz, lass mich einfach hier liegen, das ist das Einzige, was ich tun kann.«

Margareta zog ihm die Decke bis zum Kinn, weil er am ganzen Körper bebte. Natürlich wusste sie, dass er nicht fror, sondern dass seine Zitteranfälle seelischen Ursprungs waren. Dieser Tage hörte man oft von Soldaten, die nervlich derart angeschlagen waren, dass sie unaufhörlich bebten. Kriegszitterer nannte man sie. Ihr Bruder musste Entsetzliches erlebt haben, Dinge, die er nicht vergessen konnte. Der Gedanke, dass sie ihren geliebten großen Bruder, den Gefährten ihrer Kindheit, verloren hatte, schnürte ihr die Kehle ab. Der Gregor von früher schien irgendwo in den Gräben an der Westfront zurückgeblieben zu sein; statt seiner war ein gebrochener Mann zurückgekehrt. Doch sie durfte nicht weinen, um seinetwillen musste sie gefasst und gelassen bleiben.

»Es war alles so dunkel, so schrecklich«, flüsterte Gregor plötzlich mit geschlossenen Augen. »So hoffnungslos … die Nächte in den Schützengräben, die Bombeneinschläge …«

Margareta spürte, wie ihr trotz ihrer Vorsätze, unbeschwert zu wirken, die Tränen in die Augen stiegen, dabei konnte sie nicht annähernd nachvollziehen, welche Schrecken Gregor erlebt hatte. Sie griff fester nach seiner Hand.

»Ich habe es immer noch alles vor Augen«, keuchte Gregor. »Das und noch viel mehr. Da war noch viel mehr …«

Dann verstummte er; Margareta wartete, ob er weitererzählen würde, aber es kam nichts mehr. Sie goss ihm ein Glas Wasser aus der Karaffe auf dem Nachttisch ein und reichte es ihm. Sie durfte ihn nicht drängen, sich stärker zu öffnen.

»Ruh dich aus«, sagte sie leise und küsste ihn auf die Wange. »Ich sage Franka, sie soll dein Frühstück hochbringen.«

»Setz dich gerade hin und stütz den Arm nicht auf!«, wies Adelheid Carla zurecht, die daraufhin einen Schmollmund zog. »Eigentlich könnten wir dich jetzt, wo der Krieg vorbei ist, in die Stadt aufs Lyzeum schicken wie deine Schwestern damals, aber dein Benehmen würde uns nur blamieren.«

Ilsegard, die meistens auf ein Frühstück verzichtete und nur eine Tasse Getreidekaffee trank – Bohnenkaffee war auch nach Kriegsende noch nicht wieder erhältlich –, legte raschelnd ihre Zeitung weg, hinter der sie sich morgens verschanzte. »Adelheid, heißt das, du willst das Kind weiterhin zu Hause unterrichten?«

»Ganz recht«, gab Adelheid zurück. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass ihr Großmutters skeptischer Tonfall nicht entgangen war. Obwohl die beiden Frauen höflich miteinander umgingen, lag doch immer eine gewisse Spannung in der Atmosphäre, wenn sie sich im selben Raum aufhielten.

»Dann lerne ich den ganzen Tag nichts anderes als Taschentücher besticken«, stöhnte Carla auf.

Bevor Hermann zu einer Zurechtweisung ansetzen konnte, trat Oskar ins Esszimmer und brachte auf einem Silbertablett die Post.

Marilla strahlte, als sie ihren Brief mit dem Buttermesser aufgeschlitzt hatte. »Nein! Ich glaube es nicht! Das ist ja wunderbar! Stellt euch vor, Edu…, ich meine, Herr von Weidenthal ist wieder zurück in der Heimat und bietet mir an, dass wir unsere Querflötenstunden fortsetzen!«

Margareta lächelte. »Wie schön für dich, Schwesterherz.« Marilla war von jeher die Musikalische in der Familie gewesen, ein Talent, das ihr selbst völlig abging. In ihrer freien Zeit steckte sie die Nase lieber in ein Buch.

»Er schreibt, ob es uns passt, dass er wie früher dienstags und donnerstags kommt, um mich zu unterrichten. Ist euch das recht so?«

Hermann bestrich sich sein Brötchen dick mit Wacholdermarmelade, die Wilhelmine, die Köchin, selbst einzukochen pflegte. »Von mir aus«, brummte er. »Ich hoffe nur, der feine Herr von und zu hat sich inzwischen mal die Haare schneiden lassen. Er kam ja immer daher wie ein Bohemien.«

»Du magst doch Adelige«, warf Marilla schelmisch ein.

»Aber nicht solche!« Hermann verzog das Gesicht. »Ein völlig verarmter Graf, der sich sein Geld mit Musikunterricht verdient. Lächerlich. Musiklehrer ist doch kein anständiger Beruf. Der Mann ist ein Weichei im Samtjackett.«

»Es kann nur von Vorteil sein, dass Marilla Querflöte spielt«, mischte sich Adelheid ein. »Sie ist ja jetzt auch in einem gewissen Alter … Und eine junge Frau mit musikalischem Talent ist immer eine gute Partie.«

Marilla drückte sich den Brief von Weidenthals an die Brust, zog ihn aber rasch wieder weg. »Ich schreibe Herrn von Weidenthal sofort zurück, dass ihr mit den Musikstunden einverstanden seid.«

Alle widmeten sich wieder ihrem Frühstück, und Margareta öffnete den Brief, der für sie gekommen war. Außen stand kein Absender darauf, aber zu ihrem Erstaunen bemerkte sie, dass er von Leonhard von Köckritz stammte. Seit ihrem Geburtstag, der nun bereits zwei Wochen zurücklag, hatte sie nichts von ihm gehört und auch nicht mehr damit gerechnet.

»Leonhard von Köckritz lädt mich zu einem Spaziergang am See ein«, sagte sie, das kurze Schreiben noch einmal lesend. »Morgen Nachmittag.«

Hermann stellte klirrend seine Kaffeetasse ab. »Eine hervorragende Nachricht! Der junge von Köckritz, sieh an!«

»Was wirst du anziehen?« Adelheid machte auf einmal einen recht nervösen Eindruck und begann die Finger zu kneten. »Für dein altrosa Kleid ist es noch viel zu kalt, außerdem musst du einen Mantel …«

»Mutter!«, unterbrach Margareta sie amüsiert. »Es handelt sich nur um einen Spaziergang, mehr nicht.« Sie war sich selbst nicht so sicher, ob Leonhards Einladung etwas bedeutete. Kam sie von ganzem Herzen, oder erfolgte sie nur, weil Hermann ihn mit der Nase darauf gestoßen hatte?

»Sag das nicht. Es könnte sich so viel mehr daraus entwickeln«, entgegnete Adelheid.

Ilsegard verdrehte die Augen und verbarg sich wieder hinter ihrer Zeitung.

»Mutter hat recht«, pflichtete Hermann seiner Frau bei. »Du bist kein Kind mehr, Greta, es ist Zeit, an die Zukunft zu denken. Es wäre überaus günstig, wenn du eine Verbindung mit dem jungen von Köckritz eingehen würdest. Sicherlich wäre seine Familie bereit, Geld in die Druckerei zu investieren. Das würde uns helfen, die größten Schwierigkeiten hinter uns zu lassen.«

»Hermännchen!« Ilsegard ließ erneut die Zeitung sinken und schaute ihren Sohn empört an. »Du willst dein Kind zugunsten der Druckerei verschachern? Zum Glück sind die Zeiten, in denen so etwas üblich war, vorbei, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.«

Vater hasste es, Hermännchen genannt zu werden, doch Margareta wusste, dass der Respekt vor seiner Mutter zu groß war, als dass er ihr widersprochen hätte. Stattdessen rechtfertigte er sich. »Mutter, du kannst dir nicht vorstellen, wie schlecht es der Druckerei inzwischen geht. Wir brauchen dringend Investitionen, um zu überleben. Oder möchtest du, dass die Druckerei, die Vater gekauft und die ich groß aufgezogen habe, bankrottgeht?«

Ilsegard schwieg seufzend. Aber Margareta wäre unendlich enttäuscht, wenn all die harte Arbeit im Krieg umsonst gewesen war und sie die Firma nun doch verlieren sollten.

In der Nacht hatte es einen Temperatursturz gegeben. Die Luft war frostig und schmerzte im Gesicht, und unter ihren Stiefeln knackte totes Laub, als sie mit Leonhard den Weg vom Gut in Richtung des Erlensees einschlug. Sie trug eine dicke Fellmütze und vergrub die Hände in einem Muff, obwohl sie auch darin noch taub vor Kälte waren. Leonhard schlenderte lässig neben ihr her, die Fäuste in den Jackentaschen.

Margareta war aufgeregt, das erste Mal mit einem Mann eine Verabredung zu haben – noch dazu mit solch einem attraktiven und charmanten Mann! –, und verlegen. Hoffentlich ging ihnen der Gesprächsstoff nicht aus. Sie hatte Leonhard zuletzt im Alter von neun oder zehn Jahren gesehen, dann war er auf ein teures Internat geschickt worden, danach kam der Krieg. Ihr wurde bewusst, dass sie ihn eigentlich kaum kannte und nichts über ihn wusste, obwohl seine Familie nur auf der anderen Seeseite wohnte.

Zum Glück sprach Leonhard ausführlich über die Papierfabrik seines Vaters, die er später übernehmen würde, sodass von ihr keine Gesprächsbeiträge erwartet wurden.

Erst als sie am See angekommen waren, den eine dünne Schicht Eis bedeckte, wandte er sich ihr zu. »Und wie läuft es in Ihrer Druckerei? So, wie Sie auf Ihrem Geburtstag erzählt haben, scheinen Sie sich ja gut mit den Belangen der Firma auszukennen.«

Margareta zögerte einen Moment und zerbrach mit der Stiefelspitze eine gefrorene Pfütze. Vater würde wütend werden, wenn sie Leonhard von den Schwierigkeiten der Druckerei erzählte, zudem würde die Grafenfamilie dann gewiss nicht investieren. Sie versuchte, ein wenig vom Thema abzuweichen. »Vater ist froh, wieder zurück zu sein. Er hängt sehr an der Druckerei. Sie wissen ja bestimmt, dass die Firma unter meinem Großvater sehr klein war, es wurden lediglich ein paar lokale Pamphlete gedruckt. Großvater betrieb hauptberuflich den Hof, auch wenn wir nur wenig Feld und nicht viele Hühner, Schweine und Kühe besaßen. Erst mein Vater vergrößerte die Druckerei und führte sie zum Erfolg. Er steckte eine Menge Energie hinein. Es lief richtig gut, aber dann kam der Krieg dazwischen. Den Rest kennen Sie ja.«

»Ja. Zusammen mit Ihrer Großmutter und Ihrer Schwester haben Sie das Unternehmen vor der Schließung bewahrt.« Er musterte sie einen Moment lang, wobei ein Lächeln um seine Mundwinkel zuckte. Wie auf ihrem Geburtstagsfest fragte Margareta sich, ob er belustigt oder einfach nur freundlich war. Sie konnte ihn einfach nicht einschätzen. Er wandte sich ab und beobachtete einen Raubvogel, der am glasklaren Himmel seine Bahnen zog. Sie musterte ihn verstohlen. Seine Augen wiesen einen interessanten Grünton auf, und seine unbeschwerte Lässigkeit zog sie an.

»Ja, wir haben die Druckerei vor der Schließung bewahrt«, wiederholte sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. »Es ist seltsam, plötzlich so viel freie Zeit zu haben, jetzt, wo Vater wieder da ist.«

»Ach, Sie finden bestimmt bald neue Beschäftigungen.« Sein Tonfall klang unbekümmert. Was meinte er damit? Waren seine Worte nur so dahingesagt, oder wollte er etwas Bestimmtes andeuten?

Im Wäldchen schrie eine Eule. Margareta war es mit einem Mal entsetzlich kalt, sie versuchte, ihre Arme weiter in den Muff zu schieben.

»Wollen wir umkehren?«, fragte Leonhard. Sie nickte.

Zurück auf Gut Erlensee ließ er von Benno sein Pferd satteln und verabschiedete sich mit einem nonchalanten »Grüße an die Familie«, bevor er dem Rappen die Sporen gab.

Margareta sah ihm in der zunehmenden Dämmerung unschlüssig nach. Der Spaziergang war seltsam verlaufen; zwar war Leonhard liebenswürdig und um ein Gespräch bemüht gewesen, mehr war aber nicht geschehen. Hatte sie mehr erwartet? Sie wusste es nicht. Auffällig war, dass er sie nicht gefragt hatte, ob sie sich wieder einmal treffen wollten. Ob der kurze Ausflug lediglich eine Gegenleistung zur Geburtstagseinladung darstellen sollte?

Natürlich passte Mutter sie ab, sobald sie die Eingangshalle betreten hatte.

»Schon zurück? Wann seht ihr euch wieder?«

»Das weiß ich nicht, er hat nichts gesagt.« Margareta überreichte Oskar, der diensteifrig bereitstand, ihren Mantel.

Adelheid sah sie pikiert an. »Wie – er hat nichts gesagt? Wieso denn nicht? Warst du abweisend zu ihm?«

Margareta biss die Zähne aufeinander. »Nein, war ich nicht.« Natürlich gab Mutter ihr die Schuld daran, dass der Ausflug so kurz und unspektakulär verlaufen war. Vielleicht entsprach dies womöglich der Wahrheit? Hatte sie sich Leonhard gegenüber unbeholfen, gar falsch verhalten? Da dies ihr erstes Rendezvous gewesen war, konnte sie leider keine Vergleiche anstellen. Grübelnd zog sie sich am Treppengeländer hoch, um sich in ihr Zimmer zu begeben.

Kapitel 3

Februar 1919

Hermann

Er ließ sich von Oskar seine Aktentasche reichen. Erstaunt sah er, dass seine älteste Tochter komplett ausgehfertig in der Eingangshalle stand und zu warten schien. Kurz blitzte die Hoffnung in ihm auf, sie habe ein erneutes Rendezvous mit dem jungen von Köckritz. Etwas Besseres als ein Techtelmechtel der beiden mit anschließender, gerne zügiger Heirat, konnte der Druckerei nicht passieren.

»Wo willst du zu so früher Stunde hin, Greta?«, fragte er und musterte sie. In ihrem grauen, einfachen Kleid schien sie ihm nicht besonders adrett gekleidet, aber was wusste er schon von Frauendingen wie Mode?

»Ich komme mit in die Druckerei«, sagte sie und sah ihn mit ihren eisblauen Augen fest an, wenngleich ein Funke Ängstlichkeit in ihnen glomm.

Ärger stieg in ihm hoch. Dass Margareta es einfach nicht lassen konnte, sich ihm ständig wegen der Firma aufzudrängen! Sie hatte mit Marilla und seiner Mutter während des Kriegs viel Zeit im Druckereigebäude verbracht und ein bisschen Führungskraft gespielt, aber nun musste mit diesen Flausen Schluss sein. »Auf keinen Fall. Du bleibst hier. Hilf deiner Mutter dabei, das Menü für die kommende Woche aufzustellen, oder mach dich anderweitig nützlich, aber in der Druckerei ist kein Platz für dich.«

»Aber es ist das Familienunternehmen«, sagte sie leise. »Verstehst du nicht, dass mir die Druckerei viel bedeutet, genauso wie dir? Ich war in den letzten Jahren täglich dort. Außerdem …« Sie hob hilflos die Hände. »… mein Leben fühlt sich im Moment etwas leer an, weißt du? Marilla spielt leidenschaftlich gern ihre Querflöte, und ich hatte früher Alba … Wenn ich nicht mehr in die Druckerei darf, habe ich nichts Wichtiges mehr im Leben.«

Hermann seufzte und schaute auf seine goldene Taschenuhr. Er war es leid, ständig Diskussionen mit seinen Kindern zu führen. Gregor, sein Ältester, auf dem seine ganzen Hoffnungen gelegen hatten, gab den Invaliden und war kaum noch ansprechbar. Marilla schwärmte für diesen brotlosen Künstler, der ihr Querflötenunterricht erteilte, und Margareta trug diese fixe Idee im Kopf, in der Druckerei aushelfen zu wollen, statt sich um Leonhard von Köckritz zu bemühen und ihn für sich zu gewinnen. Gerade wollte sich seine Jüngste noch an ihm vorbeistehlen und das Haus verlassen.

»Hiergeblieben!«, donnerte er, um seiner Wut Luft zu verschaffen. »Hast du keine Aufgaben zu machen? Und wie schauen deine Fingernägel wieder aus? Du siehst aus wie ein Landarbeiter!«

Carla trat mit hängendem Kopf den Rückzug an. »Ich wollte bloß schnell Benno mit den Schweinen helfen.«

»Ab in die Bibliothek mit dir. Deine Mutter wartet bestimmt schon mit Aufgaben auf dich. Und zu dir, junge Dame …«

»Ach, Hermännchen«, hörte er da sehr zu seinem Verdruss seine Mutter sagen, die die Treppe herunterkam. »Nimm Greta doch mit. Sie verfügt über ein gutes Händchen für die Buchhaltung. Lass sie doch mal in die Bücher schauen, vielleicht kommt ihr eine Idee, wie wir die Lage verbessern können.«

Hermann zwang sich, ruhig zu bleiben. Wenn seine Mutter ihn Hermännchen nannte, kam er sich mit seinen einundfünfzig Jahren stets gemaßregelt vor wie ein kleiner Junge. »Nun gut«, knirschte er. »Dann komm in Dreigottesnamen mit. Du kannst in der Mittagsstunde zum Klabautermann laufen; dort wird ein guter Mittagstisch angeboten. Du kannst mir eine Suppe in die Druckerei bringen.«

Margareta schaute ihn betreten an, aber wahrscheinlich begriff sie, dass er ihr nicht weiter entgegenkommen würde.

Benno hatte bereits Gero und Arabella vor den Zweispänner gespannt, und sie brachen auf. Hermann spürte die verkrampfte Körperhaltung seiner Tochter, als sie neben ihm auf dem Bock saß. Sie kauerte unter der Decke, die Benno ihr gegeben hatte, weil es noch immer klirrend kalt war. Sie passierten den Erlensee, der nun vollständig zugefroren war; am Nachmittag würden die Dorfkinder ihn mit ihren Schlittschuhen bevölkern.

Da Margareta nun schon einmal dabei war, konnte er genauso gut die Gelegenheit nutzen, um ihr noch einmal ins Gewissen zu reden. »Lass dir den jungen von Köckritz nicht durch die Lappen gehen, Greta. Eine Investition seiner Familie in unser Geschäft ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe, um unseren Hals zu retten.« Da ihm seine Worte auf einmal selbst harsch erschienen, fügte er hinzu: »Außerdem ist er doch ein vielversprechender junger Mann, dem alle Möglichkeiten offenstehen. Du hättest ein gutes Leben an seiner Seite, da bin ich mir sicher.«

»Ach, Vater.« Margareta seufzte und starrte bedrückt in die bleiche Morgensonne, die durch die grauen Wolken blinzelte. »Ich weiß noch immer nicht, was ich von ihm halten soll. Er ist nett, aber unnahbar. Wahrscheinlich hegt er gar kein Interesse an mir. Wir waren ein einziges Mal zusammen spazieren, ansonsten haben wir uns nicht gesehen. Vielleicht steht ihm eine Adelstochter in Aussicht? Was will er da mit mir?«

Die Möglichkeit, dass von Köckritz überhaupt kein Auge auf seine Tochter geworfen haben könnte, war ihm noch gar nicht gekommen. Vielleicht sollte er ein wenig nachhelfen und in einem geeigneten Moment, zum Beispiel während eines geschäftlichen Gesprächs mit dem alten Grafen, eine Bemerkung fallen lassen. Das Wasser stand der Druckerei bis zum Hals, lange würde er das nicht mehr verbergen können, aber er wollte auf Zeit spielen.

Bald fuhren sie vor dem Firmengebäude vor, das sich am Rande von Langwedel befand. Vor dem Tor wartete bereits das jämmerliche Häufchen seiner Arbeiter. Im Moment waren es elf an der Zahl, der Rest befand sich noch in Kriegsgefangenschaft oder war gefallen. Er musste dringend neue Leute einstellen, Inserate hatte er bereits in allen großen Zeitungen aufgegeben. Seufzend schloss er auf, die Angestellten trotteten hinter ihm her. Mit ihnen war wirklich kein Staat zu machen, Schneider, der Älteste unter ihnen, war inzwischen fast taub vom Lärm der Druckmaschinen, Büchler, der Jüngste, konnte aufgrund einer Kriegsverletzung seinen rechten Arm nur noch eingeschränkt bewegen.

In barschem Ton befahl er den Männern, sich an die Arbeit zu machen, und verzog sich in sein Büro, welches sich hinter einer großen, schmierigen Glasscheibe befand. Er besaß keine Mittel, um Reinigungskräfte zu bezahlen. Aber vielleicht konnte Margareta sich da etwas einbringen. Er beobachtete, wie sie mit den Arbeitern ein paar Worte wechselte und den Blick durch die Halle schweifen ließ, die umherliegenden Schachteln und unordentlich gestapelten Papierrollen in sich aufnahm.

Schließlich kam sie zu ihm ins Büro; bereits von Weitem konnte er erkennen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.

»Vater«, begann sie und strich sich aufgewühlt eine Haarsträhne hinter das Ohr, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte. »Das geht doch so nicht … Büchler kann doch mit seinem einen Arm keine Maschine bedienen!«

»Meinst du, das ist mir entgangen?«, brummte er. Das fehlte ihm gerade noch, dass seine Tochter ihn auf das Offensichtliche hinwies, als wüsste er das nicht selbst alles. »Es muss irgendwie gehen, bis die anderen Männer aus der Gefangenschaft zurückgekehrt sind oder ich neue Mitarbeiter gefunden habe.«

Margareta setzte sich auf die Fensterbank. »Kurz bevor du letztes Jahr zurückgekommen bist, habe ich mich auf dem Markt ein wenig nach moderneren Druckmaschinen umgesehen. Es gibt eine namens Heidelberger Tiegel, die über einen automatischen Papiertransport verfügt. Sie arbeitet viel schneller als unsere alten Geräte.« Sie deutete mit dem Kinn nach draußen in die Halle, wo Büchler sich mit seinem kranken Arm mit dem Papiereinzug abmühte. »So eine Maschine wäre eine wirkliche Erleichterung für unsere Männer.«

Ärger kochte ihn ihm hoch, wie so oft. Musste er sich von seiner zweiundzwanzigjährigen Tochter, die nicht das Geringste vom Geschäft verstand, Ratschläge erteilen lassen? So weit war es schon gekommen.

»Und wovon soll ich diese Maschine bezahlen?«, blaffte er sie an. »Hör endlich auf, dich aufzuspielen! Hol lieber den Putzlappen aus der Kammer und mach ein bisschen sauber.«

Sie sah ihn verletzt an, gehorchte aber und suchte die Putzutensilien zusammen. Mürrisch widmete er sich seinen Unterlagen. Morgen würde sich als Erstes ein gewisser Konrad Neumayer vorstellen, der sich auf die Stelle des Vorarbeiters bewarb. Hoffentlich taugte er etwas und half ihm, diesen traurigen Verein der Kriegsversehrten aufzupolieren. Aber jetzt war erst einmal Mittagszeit. Er suchte ein paar Geldscheine zusammen und schickte seine Tochter mit dem Henkelmann zum Wirtshaus, um ihm eine warme Mahlzeit zu besorgen.

Kapitel 4

Februar 1919

Margareta

Die nächsten Tage begleitete Margareta ihren Vater nicht in die Druckerei, da Carla, die der ewigen Nörgelei ihrer Mutter überdrüssig war, sie bat, ihr bei den Schulaufgaben zu helfen. Während ihre Schwester über ihren Rechen- und Schreibübungen saß, vertiefte sich Margareta in einen umfangreichen Wälzer über Betriebsführung, den sie sich im letzten Kriegsjahr aus Kiel hatte schicken lassen, um sich stetig weiterzubilden, was die Arbeit in der Druckerei betraf. Das dumpfe Gefühl, dass das Zeitverschwendung war, weil Vater sie nie zum Zuge kommen lassen würde, saß ihr im Nacken. Erst am dritten Tag begleitete sie ihren Vater wieder, auch wenn sie sich in der Firma trostlos und fehl am Platz fühlte, was sich durch das unaufhörliche Prasseln des Regens auf dem Flachdach noch verstärkte. Sie putzte und schrubbte, doch befriedigend war das nicht. Verdrossen dachte sie an ihr betriebswirtschaftliches Lehrwerk; zum Putzen brauchte sie wahrhaftig nicht zu wissen, was darin stand. Nur einmal war sie zwei Stunden mit den Arbeitern allein und durfte ein paar Rechnungen schreiben, da Hermann in dieser Zeit die Papierfabrik derer von Köckritz aufsuchte, um über Papierlieferungen zu verhandeln.

Zermürbt kam er kurz vor Mittag zurück und ließ sich schwer hinter seinen Schreibtisch sinken.

»Ist es nicht gut gelaufen?«, fragte Margareta mitfühlend; sie stand bereits mit dem blechernen Henkelmann bereit, um zum Wirtshaus aufzubrechen, auch wenn sie wenig Lust verspürte, durch den strömenden Regen zu eilen.

Hermann schnaufte frustriert und blätterte durch die Rechnungen, die sie in seiner Abwesenheit geschrieben hatte. »Nein. Es war einigermaßen schwierig, mit von Köckritz über neue Papierlieferungen zu sprechen und zu verschweigen, dass wir eigentlich kaum Geld haben, um diese zu bezahlen.« Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. »Es könnte übrigens sein, dass der junge von und zu sich demnächst wieder bei dir meldet. Ich habe seinem Vater gegenüber eine Bemerkung dazu fallen lassen, dass du den Spaziergang mit ihm sehr genossen hast.«

»Oh nein!«, stöhnte Margareta. Glühende Röte überzog ihr Gesicht. Wie peinlich, dass ihr Vater nicht davon abließ, sie mit Leonhard verkuppeln zu wollen! Noch dazu, wo dieser anscheinend keinerlei Interesse für sie aufbrachte, hatte er doch nicht wieder von sich hören lassen. »Ich möchte das nicht. Er soll sich nicht verpflichtet fühlen, Zeit mit mir zu verbringen.«

»Ob er sich verpflichtet fühlt oder nicht, ist mir egal. Hauptsache, er findet irgendwann Gefallen an dir. Aber denk dran – kein Wort über unsere prekäre finanzielle Situation. Sonst war es das. Sein Vater wird ihm wohl kaum dazu raten, eine verarmte Bürgerstochter zu heiraten geschweige denn Geld in die Druckerei fließen zu lassen.«

Da wenig zu tun war – alle Aufträge waren abgearbeitet, neue standen nicht an –, schickte Hermann die Arbeiter am frühen Nachmittag nach Hause und machte sich mit Margareta ebenfalls auf den Heimweg. Die Rückfahrt durch die nass glänzenden Straßen und aufgeweichten Feldwege um den Erlensee herum war unangenehm. Von allen Seiten spritzte schlammiges Wasser hoch, und der kalte Wind drang Margareta unter den Mantel. Als sie auf dem Gut eintrafen, sahen sie, dass sich ein Besucher dem Haus näherte.

»Graf von Weidenthal gibt sich die Ehre«, murmelte Hermann abfällig, half Margareta vom Bock und übergab die Pferde Benno, der sie sogleich in den trockenen Stall brachte.

Eduard von Weidenthal, Marillas Querflötenlehrer, blieb stehen und lächelte ihnen freundlich entgegen. Seine rötlichen, etwas zu langen Haare kräuselten sich über dem Kragen seines Samtjacketts. In den Händen trug er einen Instrumentenkasten sowie eine zerbeulte Aktentasche, in der sich vermutlich die Notenblätter befanden.

»Wie schön, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen!« Von Weidenthal gab Margareta einen Handkuss und wollte Hermann die Hand reichen, was dieser geflissentlich übersah. Stattdessen wanderten Hermanns Augen an den schlammbespritzten Hosenbeinen des Adeligen herab. »Lassen Sie sich von Erna eine Bürste bringen, um den Dreck von Ihren Hosen zu bekommen«, sagte er in mürrischem Ton.

»Natürlich. Leider muss ich zu Fuß auf Ihren Hof herauskommen, da ich weder Pferd noch Automobil besitze.« Von Weidenthal grinste Margareta an, die daraufhin auch schmunzeln musste. Im Gegensatz zu ihrem Vater mochte sie den Musiklehrer, er war witzig, bodenständig und bildete sich nichts auf seine Herkunft ein. Kein Wunder, dass Marilla für ihn schwärmte.

»Wohnen Sie immer noch bei dieser Witwe in Eisendorf zur Untermiete?«, fragte Hermann unwillig, während er läutete. Kurz darauf wurde ihnen von Oskar die Tür geöffnet.

»Ja.« Von Weidenthal lächelte unbekümmert. »Meine Familie hat bereits vor Jahren jegliches Land und Gut verloren. Irgendwo muss ich ja wohnen. Und Witwe Langbold backt ausgezeichneten Kuchen.«

Hermann wandte sich an den Hausdiener. »Oskar, sagen Sie Erna oder Franka, sie sollen dem Herrn Grafen die Hosenbeine abbürsten. Sonst haben wir eine Schweinerei im ganzen Haus. Margareta, bring du den werten Herrn dann in die Bibliothek. Ich denke, dass Marilla dort wartet.«

Tatsächlich saß Marilla in der Bibliothek auf der äußersten Kante des samtüberzogenen Kanapees, als könne sie es kaum erwarten, mit der Musikstunde zu beginnen. Was natürlich der Fall war, dachte Margareta. Marilla trug ihr bestes lindgrünes Kleid und hatte sich das blonde Haar mit der Brennschere gelockt. Aufgeregt spielte sie mit ihrem Bernsteinanhänger, der ihr an einer Kette um den Hals hing.

»Graf von Weidenthal!« Über das ganze Gesicht strahlend sprang sie auf und lief dem Lehrer entgegen, der ihre Hände ergriff und nicht mehr loszulassen schien.

»Fräulein Marilla! Ich freue mich, Sie endlich wiederzusehen!« Er küsste ihr beide Hände.

»Ich weiß, dass ihr euch duzt«, bemerkte Margareta erheitert. »Vor mir braucht ihr euch nicht zu bemühen, die Etikette zu wahren.«

Marilla und von Weidenthal lachten ein wenig zu albern, wie sie fand, doch sie gönnte ihrer kleinen Schwester ihre Verliebtheit. Trotzdem spürte sie einen kleinen Stachel der Eifersucht im Herzen. Auch sie sehnte sich nach jemandem, bei dem sie sich begehrt und geliebt fühlte. Leonhard kam da wohl nicht infrage, seine Freundlichkeit schien eher nachbarschaftlicher Natur zu sein; aber es musste schön sein, jemanden an der Seite zu haben, der Gefühle für einen hegte.

Von Weidenthal überreichte Marilla eine zwischen den Seiten seines Liederbuchs gepresste Ringelblume, die sie berührt entgegennahm.

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