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Girl Stuff - Mädchen gewinnen gegen Jungs

hier erhältlich:

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Beste Freundinnen schaffen alles!

Als es um den großen Sommerausflug der Schule geht, wissen die Freundinnen Drew, Ruthie und Fonda schnell, wohin sie wollen: nach Catalina Island. Zu dumm, dass die Jungs sich aufs Camp Pendleton eingeschossen haben. Die Schüler sollen in zwei Wochen abstimmen. Genug Zeit für die Freundinnen, die wichtigsten Cliquen zu überzeugen. Denn wenn es Mädchen gegen Jungs heißt, kämpfen sie mit allem, was sie haben! Nur eine Kleinigkeit vergessen die drei: Wer seine Freunde behalten will, sollte ihnen nicht das Blaue vom Himmel versprechen!


  • Erscheinungstag: 25.01.2022
  • Aus der Serie: Girl Stuff
  • Bandnummer: 2
  • Seitenanzahl: 320
  • Altersempfehlung: 12
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505144349

Leseprobe

Für meinen Schwarm Wyatt,

der mich während der Arbeit an diesem Buch

mit Essen versorgt, lieb gehabt und unterstützt hat.

(Ich hoffe, wir sind noch zusammen, wenn es erscheint.

Alles andere wäre so peinlich,

dass ich ein eigenes Buch darüber schreiben müsste.)

1. Kapitel

kapitel_01

Der Herbst in Poplar Creek war kein bisschen so, wie man ihn aus dem Kino kennt. Der Wind heulte nicht durch die Straßen und wirbelte auch kein modriges Laub auf. Die Bäume reckten keine kahlen Äste in den Himmel, die gruselige, kriechende Schatten auf den Boden warfen.

Hier in Kalifornien glich der Wind auch jetzt im Oktober eher einer sanften Brise, in der die Palmwedel schaukelten, und die Sonne strahlte rund ums Jahr so hell, dass Schatten keine Chance hatten.

Aber auch hier konnte der Herbst gruselig sein – dank der »Klassenfahrt des Grauens«, wie Fonda Miller sie nannte.

»Die Ferdink-Farm ist die totale Hölle«, erzählte sie Drew und Ruthie auf dem Heimweg von der Poplar Middle School. Es war Freitag, und Fondas Nachbar-Besties – oder »Nesties«, wie sie sich selbst nannten – übernachteten heute bei ihr. Eigentlich war das Grund genug, möglichst schnell nach Hause zu düsen. Aber Fondas Füße in ihren hohen Sneakern mit Leomuster fühlten sich bleischwer an. Die diesjährige Klassenfahrt des Grauens würde zweifellos genauso werden wie die im vergangenen Jahr, als Fonda noch in die Siebte gegangen war. Und genauso war in diesem Fall gleichbedeutend mit absolut katastrophal.

»So schlimm kann es ja wohl nicht sein«, warf Ruthie ein. Ihre großen blauen Augen strahlten vor Optimismus. Was man ihr nicht verübeln konnte. Denn die Schüler der Talent-Sonderförderung durften ebenfalls mitfahren. Was bedeutete, dass Ruthie und ihre TSF-Freunde drei Tage und zwei Nächte lang ausnahmsweise einmal genau dasselbe machen würden wie Fonda und Drew. Das wünschte Ruthie sich schon seit einer halben Ewigkeit. Genau wie die beiden anderen. Aber doch nicht auf der Ferdink-Farm!

»Drei Tage lang auf einem Bauernhof schuften? Sieben Mal Matschepampe essen? Ich finde das schlimm.« Fonda nahm ihre verspiegelte Sonnenbrille mit den herzförmigen Gläsern ab, die sie sich von ihrer Schwester Amelia »geliehen« hatte, damit ihre Freundinnen die Panik in ihrem Blick sehen konnten. »Wir müssen Pferdeäpfel schippen, Kühe melken und auf Matratzen schlafen, die nach ungewaschenem Opa riechen.«

»Mein einziger Grandpa ist total reinlich, deswegen weiß ich gar nicht, wie ungewaschener Opa riecht«, sagte Ruthie. »Meistens duftet er nach Pfefferminz. Hey, vielleicht riecht meine Matratze ja auch nach Pfefferminz!«

»Dann riecht meine bestimmt nach Post-its«, sagte Drew. Ihr Grandpa Lou verteilte nämlich im ganzen Haus Klebezettel, weil ihre Grandma Mae inzwischen so vergesslich war.

»Ich wette, Schleimschnösels Matratze stinkt nach Geld«, sagte Fonda und zeigte auf den Jungen, der in dem großen Haus ganz am Anfang ihrer Straße wohnte und gerade seine Einfahrt hochschlenderte. Dabei wischte er mit krummen Schultern und vorgebeugtem Hals auf seinem Smartphone herum. Mit seinem Look aus weißem Hemd, weißen Turnschuhen und tortillagelber Stoffhose konnte man in anderen Gegenden – Gegenden, in denen der Wind im Herbst modriges Laub aufwirbelte – vielleicht punkten. Aber hier in Kalifornien wirkte das Outfit einfach nur daneben. So wie alles an Schleimschnösel.

»Er heißt nicht Schleimschnösel, sondern Owen Lowell-Kline«, sagte Ruthie, die ihn wie immer verteidigte. Nicht, weil sie Owen mochte, denn soweit Fonda wusste – und sie wusste alles über ihre Nesties –, kannte Ruthie ihn gar nicht richtig. Sie verteidigte ihn, weil er ihr bei der Pfadfinder-Spendenaktion vor zwei Jahren ihren gesamten Keksvorrat abgekauft hatte. Dadurch hatte sie mit einem Schlag ihr Soll erfüllt und mit Fonda und Drew an den Strand gehen können. »Irgendwie tut er mir leid.«

»Wieso?«, fragte Drew. »Weil er fünfzig Schachteln Doppeldeckerkekse essen musste?«

»Das waren nicht nur Doppeldecker. Ich hatte auch Haferplätzchen und Erdnuss-Schoko-Cookies gebacken. Und nein, er tut mir leid, weil er keine Freunde hat.«

»Selbst schuld«, sagte Fonda. »Wenn er nicht so ein Streber wäre, hätte er welche.« Hätte Ruthie je mit Owen in einer Klasse sitzen und zusehen müssen, wie er bei jeder Frage mit erhobener Hand in Richtung Lehrer schnipste und »Ich, ich, ich!« rief, wäre ihr das Mitleid genauso vergangen wie Fonda.

»Dass er ein Schnip-ser ist, heißt noch lange nicht, dass du so schnip-pisch zu ihm sein musst«, sagte Ruthie. Dann lachte sie, und Fonda und Drew lachten mit, weil der Spruch ungefähr genauso lässig war wie Owens Look.

Die drei Nesties lachten noch immer, als Fondas Mutter Joan sie in der Küche begrüßte und fragte, wie ihr Tag gewesen war. »Ich will alles ganz genau wissen«, sagte sie und musterte die Mädchen neugierig aus ihren großen hellbraunen Augen.

Sie war Dozentin für Feminismuswissenschaften an der Universität Irvine und musste freitags nicht unterrichten. Deshalb hatte sie Zeit, die Nesties mit Knabberkram vollzustopfen und sie dabei auszufragen. Normalerweise liebte Fonda diesen »Küchenklatsch«, wie ihre Mom das nannte. Aber nicht heute. Heute wollte sie lieber nichts erzählen, sondern den Tag vergessen und direkt zum Knabberkram übergehen.

Sie öffnete den Küchenschrank und schnappte sich drei Tüten Käsepopcorn. »Heute haben wir erfahren, wann die Klassenfahrt des Grauens stattfindet«, sagte sie nur.

»Was ist denn die Klassenfahrt des Grauens?«, fragte ihre Mom, während sie den Mädchen drei Gläser hinstellte und mit Schokomandelmilch füllte. »Und warum ist sie so grausig?«

»Wir müssen Pferdeäpfel schippen«, sagte Ruthie.

»Und auf Matratzen schlafen, die nach ungewaschenem Opa riechen«, fügte Drew hinzu.

»Igitt, redet ihr etwa über die Ferdink-Farm?«, fragte Winfrey, die barfuß in die Küche getappt kam. Bis zum Bauchnabel steckte sie in einem Surfanzug, obenrum trug sie ein rotes Bikinioberteil. Ob sie sich in dem Look in die Schule gewagt hatte? Zuzutrauen war es ihr. Wahrscheinlich würden morgen also sämtliche Elftklässlerinnen der Poplar Creek High ein ähnliches Outfit tragen. Fondas sechzehnjährige Schwester mit den karamellbraunen Strähnchen, den kaktusgrünen Augen und den drei gewonnenen Surfwettbewerben war nämlich total angesagt.

»Die Ferdink-Farm gibt’s immer noch?«, fragte jetzt auch Amelia, die Mittlere der drei Miller-Schwestern, die hinter Winfrey in die Küche kam. Sie trug ebenfalls einen Bikini, aber ohne Neoprenanzug, und hatte sich die kastanienrote Lockenmähne zu einem wilden Dutt auf den Kopf getürmt. Amelia ging in die Zehnte der Poplar Creek High, war ein Volleyballstar und besaß eine riesige Sammlung an coolen Sonnenbrillen, mit der man halb Kalifornien hätte versorgen können. Amelia war also ebenfalls ziemlich angesagt. »Ich dachte, der Schrottladen ist letztes Jahr bei dem großen Waldbrand abgefackelt.«

»Nee«, seufzte Fonda, »für die Ferdink-Farm war sich sogar das Feuer zu schade.«

»Kluges Feuer«, sagte Winfrey, dann wandte sie sich an ihre Mutter. »Kann ich das Auto haben, Joan? Amelia und ich wollen an den Strand.«

»Also, was höre ich denn da?« Joan setzte sich an den Küchentisch. »Das sind ja ganz neue Töne.«

»Ähm, leidest du unter spontanem Gedächtnisschwund? Amelia und ich gehen freitags nach der Schule immer surfen.«

»Ich habe mit Fonda geredet«, erwiderte Joan und faltete mit ernster Miene die Hände.

»Mit der? Hast du nichts Besseres zu tun?«

Fonda ignorierte den Seitenhieb ihrer Schwester. »Was meinst du, Mom?«

»Habe ich dich nicht zu zivilem Engagement erzogen?«

Fonda hatte zwar keine Ahnung, was sie meinte, ahnte aber, dass sie gleich einen Vortrag über Feminismus, politischen Aktivismus oder beides auf einmal zu hören bekommen würde. So wie eigentlich alle Gespräche mit ihrer Mom mit Vorträgen über Feminismus, politischen Aktivismus oder beides auf einmal endeten. »Wenn du nicht einverstanden bist mit den Entscheidungen, die deine Schule für euch trifft, musst du für deine Meinung einstehen. Die Welt wird sich nicht ändern, solange du dich nicht dafür einsetzt.«

Fonda hätte sich fast an ihrer Schokomandelmilch verschluckt. »Und wie soll ich das bitte anstellen?«

»Wahre, nachhaltige Veränderungen lassen sich immer nur Schritt für Schritt bewirken.«

Ruthie haute auf den Tisch wie auf den Buzzer in einer Quizshow. »Ruth Bader Ginsburg! Ehemalige beisitzende Richterin am Obersten Gerichtshof.«

»Richtig!« Joan strahlte. »Super, Ruthie!«

»Ich bin ein riesiger Ginsburg-Fan und kenne alle ihre Zitate.«

Joan strahlte noch ein bisschen mehr. »Wer ist das bitte nicht?«

»Ähm, ich«, sagte Winfrey. »Außer, Ruth Bader Ginsburg ist zufällig der Name deines Autos.«

»Du hast eine Stimme, Fonda. Nutze sie nicht, um zu jammern, sondern um deine Ziele zu erreichen.«

Wieder haute Ruthie auf den Tisch. »Gloria Steinem.«

»Falsch«, sagte Joan.

»Tarana Burke?«

»Auch falsch.«

»Malala? Es muss Malala sein, danach gehen mir die Feministinnen aus.«

»Alles falsch, Ruthie. Das war ein Zitat von Joan Miller.«

»Von dir?«

Fondas Mom nickte stolz.

Ruthie stand von ihrem Stuhl auf, setzte sich auf Joans Schoß wie ein Kleinkind für ein Foto mit dem Weihnachtsmann und umarmte sie. »JM, für mich bist du die Größte.«

»Und das Popcorn hier ist für mich das Größte«, sagte Drew und knüllte ihre leere Tüte zusammen. »Darf ich noch mehr haben?«

»Schau mal im Küchenschrank nach«, erwiderte Fonda missmutig. Sie hatte keine Ahnung, was ihre Mom von ihr wollte. Statt ihr einen konkreten Plan zu liefern, hatte sie sie mal wieder mit Worten abgespeist. Worte, die sich irgendwann auf Stoßstangenaufklebern, Teebeutelanhängern und Instagrambildern wiederfanden. Selbst der Waldbrand war vor der Ferdink-Farm eingeknickt. Und jetzt bildete ihre Mom sich ein, ein Ruth-Bader-Ginsburg-Zitat sei die Lösung für Fondas Probleme? »Aber was soll ich denn machen, Mom? Mich mit einem Plakat mit der Aufschrift Ferdink-frei für alle, sonst gibt’s Krawalle! vors Direktorat stellen?«

»Findest du das nicht ein bisschen lang?«, ertönte Drews Stimme dumpf aus dem Küchenschrank.

»Mom!«, sagte Winfrey und stampfte mit dem Fuß auf. »Die Schlüssel!«

»Solche Sprüche funktionieren nicht, weil sie nicht lösungsorientiert sind«, dozierte Joan. »Anstatt zu sagen, was ihr nicht wollt, solltet ihr einen Gegenvorschlag machen. Sagen, was ihr wollt.«

Aber was will ich denn? Gute Frage. Fonda hatte keine Ahnung. Sie wusste nur, dass sie unbedingt eine Klassenfahrt machen wollte, vor allem jetzt, wo auch Drew und Ruthie mitkommen würden. Und zwar an einen anderen Ort als die Ferdink-Farm. Doch wohin?

»Ich will jedenfalls nirgendwo hin, wo es nach Pferdeäpfeln riecht.«

Drew kehrte mit drei ungeöffneten Popcornpackungen an den Tisch zurück. »Aber das ist ja schon wieder was, das du nicht willst.«

»Genau!« Joan klatschte triumphierend auf den Tisch. »Die Frage ist, was du willst.«

Fonda stand auf. Im Stehen konnte sie besser denken. »Ich will an einen Ort, an dem es nach frischer Luft riecht. Ich will an einen Ort, an dem man coole Sachen machen kann. Ich will an einen Ort, an dem es leckeres Essen und jede Menge Süßigkeiten gibt. Ich will …«

»Wie wär’s mit Catalina Island?«, fragte Amelia. Dann schnappte sie sich die Schokomandelmilch vom Tisch und trank direkt aus dem Karton.

»Super Idee!«, sagte Winfrey. »Catalina erfüllt all deine Kriterien. Die Party zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli war der Hammer, oder?« Die Frage war an Amelia gerichtet, die anders als Fonda »cool genug« war, um mit Winfrey und ihren Freunden mitfeiern zu dürfen.

»Ja, voll der Hammer.«

»Echt, oder?«

»Total.«

»Und die Fährüberfahrt ist auch hammer.«

»Echt, oder?«

»Total.«

»Mädels, würdet ihr euch bitte ein bisschen genauer ausdrücken?«, wies Joan sie zurecht. »Wenn man euch so hört, könnte man meinen, ihr kennt nicht mehr als fünfzig Wörter.«

Winfrey zog sich geschmeidig auf die Anrichte hoch und ließ die Beine baumeln. »Man kann schnorcheln und Zipline fahren, es gibt Eisdielen …«

»Und wilde Bisons!«, warf Amelia ein.

»Wild klingt gut«, sagte Ruthie. »Dann muss man keine Kacke schippen.«

Fonda hörte auf, durch die Küche zu tigern. Catalina Island war perfekt! Wieso war sie nicht selbst darauf gekommen? Vor allem, weil es so naheliegend war – und zwar wortwörtlich. Die Insel, die wie das Rückgrat eines schlafenden Seeungeheuers aus dem Pazifik ragte, lag nämlich keine vierzig Meilen von der Küste entfernt.

Wenn Fonda der Klassenfahrt ein Upgrade verpasste, würde sie nicht nur von der gesamten Achten vergöttert werden, sondern auch Catalina-Anekdoten mit ihren Schwestern austauschen können. Sie würde als engagierte Vorreiterin in die Geschichte der Poplar Middle eingehen. Als das Mädchen, das es auf eigene Faust mit der Klassenfahrt des Grauens aufgenommen und ihr ein Ende bereitet hatte. Fonda Miller würde einmal im Leben im Mittelpunkt stehen. Die Nesties würden im Mittelpunkt stehen. Und ihr Sozialleben würde endlich von den Toten auferstehen.

»Ich mach es!«, verkündete sie.

»Super«, sagte Winfrey. »Kann ich jetzt endlich den Autoschlüssel haben, Joan?«

Fonda entdeckte den Schlüsselbund neben der Bananenschale und schnappte ihn sich, dann ließ sie ihn wie das Pendel eines Hypnotiseurs vor Winfreys Gesicht hin und her schwingen. »Nur, wenn du uns auf dem Weg am Fresh & Fruity absetzt. Fro-Yo hilft mir beim Denken.«

»Echt jetzt?«, stöhnte Winfrey und drehte sich Hilfe suchend nach ihrer Mutter um. Aber Joan tat wie immer so, als würde sie nichts mitbekommen. Sie war der Meinung, dass ihre Töchter ihre Streitigkeiten selbst austragen sollten.

»Komm schon«, bettelte Fonda. »Bit…«

Aber ehe sie aussprechen konnte, riss ihr Amelia den Schlüssel aus der Hand und warf ihn Winfrey zu. »Los, hauen wir ab!«

Unter Siegesgeheul rannten die beiden Schwestern aus dem Haus. Aber Fonda, die sich in solchen Momenten normalerweise fühlte wie die größte Loserin auf diesem Planeten, ließ den Kopf trotzdem nicht hängen.

Drew und Ruthie musterten sie mit ihren Schokomandelmilchbärten und warteten ab, wie es jetzt weitergehen würde.

So genau wusste Fonda das zwar selbst noch nicht, aber immerhin hatten sie ein Ziel: die Klassenfahrt zu dem Ereignis der achten Jahrgangsstufe zu machen. Und wenn sie scheiterten? Dann würde Fonda mit jeder Schaufel Pferdeäpfel, die man sie auf der Fer-dink-Farm schippen ließ, den Gestank ihres Fer-sagens einatmen müssen.

2. Kapitel

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»Was soll das heißen, du kannst nicht weg?«, fragte Drew ihren Bruder Doug, als der mit einem Stapel Boardshorts und Skinny Jeans über dem Arm aus der Umkleide von Poplar Surf and Sports kam. »Ich hab nur hier geskatet, weil du gesagt hast, dass du um drei Feierabend hast.«

»Das war aber, bevor Colter sich krankgemeldet und mir seine Schicht aufs Auge gedrückt hat.« Doug ließ den Stapel neben die T-Shirt-Auslage fallen und seufzte laut. »Wieso muss man eigentlich immer hinter den Leuten herräumen?« Sein Haar war zu blonden Stacheln gegelt, die gut zu seiner angepiksten Laune passten. »Echt jetzt, so schwer ist es ja wohl nicht, ein Paar Jeans zusammenzulegen.«

»Na ja, ganz so einfach ist es offenbar auch nicht«, erwiderte Drew. »Sonst wärst du ja wohl kaum so genervt davon.«

»Ich bin genervt, weil ich skaten gehen wollte und jetzt bis sechs hier rumhocken muss.«

»Bis sechs?!«

Die Glocke über der Tür bimmelte, und herein kam Will Wilder in Begleitung eines Mädchens mit einem grünen Trucker-Cap mit der Aufschrift Skate Hair, Don’t Care.

Schlagartig interessierte Drew sich kein bisschen mehr für Dougs Terminkalender. Sie konnte nur noch an ihre verschwitzten Achselhöhlen, errötenden Wangen und zittrigen Hände denken. Und an ihre rasende Eifersucht. Hastig glitt sie hinter den Ständer mit Neoprenanzügen und musterte unauffällig die geheimnisvolle Begleiterin ihres Schwarms. Superkurze abgeschnittene Jeansshorts, offenes Flanellhemd, gelber Badeanzug. Langes, dunkles Haar mit fuchsiafarbenen Strähnchen, Kaugummi im Mund … Irgendwie hatte das Mädchen etwas Gefährliches an sich. Also, nicht so gefährlich, dass Drew in ihrer Gegenwart Angst um ihr Leben gehabt hätte. Eher so gefährlich, dass Drew Angst um ihr Selbstbewusstsein bekam.

»Hey, was machst du denn da hinter den Neos?«, fragte Doug mit Megafonstimme.

»Pssst!«

Theoretisch hatte Drew kein Recht, eifersüchtig zu sein. Weil sie gar nicht mit Will zusammen war. Also nicht mal ansatzweise. Ja, er hatte auf Ava G.s Party vor zwei Wochen zugegeben, dass er sie mochte. Und ja, sie mochte ihn auch. Total sogar. Aber dann hatte Will herausgefunden, dass Drew ihn als Vollpfosten bezeichnet hatte und ihn blutend und mit gebrochenen Knochen im Straßengraben liegen lassen würde. Ein Missverständnis, das ein tiefes Loch in die ganze Geschichte mit dem Mögen gerissen hatte. Und durch dieses Loch war alles Schöne zwischen ihnen einfach weggesickert.

Natürlich hatte Drew das überhaupt nicht so gemeint. Als sie das gesagt hatte, war sie ziemlich durcheinander gewesen, und zwar aus gutem Grund. Will und sie hatten am letzten Tag vom Battleflag-Familiencamp miteinander geflirtet. Aber als er sie dann in der Schule wiedersah, tat er so, als würde er sie nicht kennen. Tja, und da hatte Drew eben ein paar Dinge gesagt, die sie nicht so meinte. Aber sie hatte sich entschuldigt. Und sogar bewiesen, dass sie ihm natürlich helfen würde, wenn er blutend (allerdings nicht mit gebrochenen Knochen) im Straßengraben lag. Weil sie, als Will sich auf seinem Skateboard hingelegt hatte, über die Fontana Avenue geflitzt war und seine Wunden versorgt hatte. So professionell wie eine Krankenschwester – die sie eines Tages werden wollte.

Es war nicht so, dass er ihr daraufhin an Ort und Stelle verziehen und wieder angefangen hätte, sie zu mögen. Aber zumindest ignorierte er sie seitdem ein bisschen weniger. Winkte, wenn sie sich im Gang begegneten. Lächelte, wenn er sie am Zebrastreifen vor der Schule stehen sah. Bezeichnete ihre Backside 180s liebevoll als Popo 180s, wenn sie zufällig beide im gleichen Skatepark waren und Drew beim Üben mal wieder auf dem Hintern landete. Aber das war’s. Und dieses »das« reichte Drew nicht.

»Entschuldige«, sagte das geheimnisvolle Mädchen und streckte den Kopf zwischen den Neoprenanzügen durch. »Würdest du bitte den grünen Badeanzug aus dem Schaufenster holen?«

»Öhm … okay?«, stammelte Drew.

»Cool«, sagte das Mädchen. »Über das ultrahässliche Teil ärgere ich mich schon seit Wochen, wenn ich hier vorbeilaufe.«

Will und das Mädchen lachten sich kaputt, und Drew verdrehte die Augen. War sie gerade echt auf diesen Oma-Witz reingefallen? Der war ja älter als Kelly Slater!

»Haha, wahnsinnig witzig«, murmelte Drew, als sie durch den Vorhang aus nach Gummi duftenden Anzügen trat.

»Oh, hey«, sagte Will. Seine jeansblauen Augen leuchteten auf, und seine Wangen liefen dunkel an. »Arbeitest du hier?«

»Nein, mein Bruder. Wir wollten skaten gehen, aber …« Sie zuckte mit den Achseln. »Ach, egal.« Ihr war nicht danach, die ganze Geschichte zu erzählen. Viel wichtiger war herauszufinden, ob Will das Mädchen mit den Oma-Witzen mehr mochte als sie.

»Und? Was geht so?« Die Frage war zwar an Will gerichtet, aber ganz zufällig fixierte Drew beim Reden das Mädchen.

»Wir verstecken uns vor Henry«, sagte sie, was die beiden erneut hysterisch losgackern ließ.

»Keelie hat versucht ihm zu sagen, dass ihm sein Geldbeutel aus den Shorts fällt und er sein ganzes Geld verliert, wenn er nicht aufpasst«, erklärte Will. »Aber er wollte nicht auf sie hören, also …«

»… hab ich ihn geklaut!« Zum Beweis wedelte Keelie stolz mit dem Geldbeutel herum.

»Wir sind abgehauen, ehe er was bemerkt hat«, fügte Will hinzu. »Gerade ist er drüben auf der anderen Straßenseite und sucht nach uns.«

»Ich würde sagen, wir ziehen dann mal weiter zum Fresh & Fruity und holen uns zwei Fro-Yos«, schlug Keelie vor, dann grinste sie. »Henry zahlt.«

»Ich liebe das Fresh & Fruity«, sagte Drew in dem Versuch, sich gewaltsam einen Platz in der privaten kleinen Welt der beiden zu erkämpfen. »Ich hab sogar einen Coupon von denen.« Noch während sie redete, wäre sie am liebsten im Boden versunken. Wer gab denn bitte damit an, einen Coupon zu haben? Und dann auch noch einen, der nur montags zwischen zwölf und sechzehn Uhr gültig war.

»Ich hab auch einen!«, sagte Will. Sein Blick wurde wärmer, so wie damals im Battleflag Camp, als sie festgestellt hatten, dass sie beide auf diesen alten Film standen, The Skateboard Kid. »Aber der ist nur am Montag gültig.«

»Meiner auch.« Drew lächelte. Und dann kam ihr ein vollkommen neuer Gedanke. Ein riskanter, mutiger, womöglich sogar ein bisschen waghalsiger Gedanke. »Lass uns doch am Montag zusammen hingehen«, sagte sie. »Ehe sie ablaufen.«

»Auf jeden Fall!«, sagte Keelie, als hätte sie plötzlich auch einen Coupon. Was vermutlich nicht der Fall war. Sonst hätte sie es wohl kaum nötig gehabt, anderer Leute Geldbeutel zu klauen.

»Montag passt«, sagte Will.

»Bei mir auch«, kam es aus Keelies Nervensägenmund.

»Dann also abgemacht?«

»Abgemacht.« Will lächelte, und im gleichen Augenblick ging im Hintergrund »One Love« von Bob Marley los.

Drew lächelte zurück. Bob hatte ja keine Ahnung, wie recht er hatte.

3. Kapitel

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Ruthie Goldman breitete ihr Handtuch mit den tanzenden Ananas auf dem Sand aus, sprühte sich doppelt mit Lichtschutzfaktor 100 ein und schob sich ihre Schirmmütze in die Stirn, um das grelle Nachmittagslicht auszublenden. Mutter Natur hatte die Sache mit dem Sonn-tag heute wörtlich genommen, und zum ersten Mal in ihrem Leben fand Ruthie es schön, bei strahlendem Wetter am Strand zu sein. Da sie für ihr Leben gern unter freiem Himmel las, waren ihr schummrige, bewölkte Tage eigentlich am liebsten. Tage, an denen die Seiten nicht grell leuchteten, ihr kein Schweiß in die Augen rann und sie nicht gezwungen war, mitten im Kapitel abzubrechen, um sich im Meer abzukühlen. Aber heute hatte Ruthie keinerlei Bedürfnis, in Fantasiewelten abzutauchen. Heute fühlte sie sich in der sonnendurchfluteten echten Welt pudelwohl. Denn ihr Drei-Personen-Freundeskreis war auf vier gewachsen. Was früher ungleich gewesen war, war jetzt gleich. Und das bedeutete, dass sie endlich zusammen Scharade spielen konnten.

»Ich hab gerade die Renaissance-Edition runtergeladen«, sagte Sage Silverman, Ruthies engste Freundin in der Talent-Sonderförderung. Es war das erste Mal, dass die Nesties jemand Neuen in ihre kleine Gruppe aufnahmen, und Ruthie war wahnsinnig dankbar dafür. Weil es bedeutete, dass sie nicht mehr in zwei Welten gleichzeitig leben musste und überall die Hälfte verpasste. Jetzt hatte sie alles, was sie brauchte, auf einmal – wie bei dem rosafarbenen Schweizer Taschenmesser, das Ruthie gewonnen hatte, weil sie (dank ihres hungrigen Nachbarn Owen Lowell-Kline) die meisten Pfadfinderkekse verkauft hatte.

Fonda stützte sich auf die Ellenbogen und musterte Sage ratlos. »Was ist denn die Renaissance-Edition?«

Auch Sage stützte sich auf die Ellenbogen, womit sie bewusst Fonda spiegelte. Ihre TSF-Lehrerin Rhea war ein Riesenfan dieser Technik. Es geht darum, die gleiche Körperhaltung einzunehmen wie die Person, mit der man spricht, hatte sie erklärt. Dadurch entspannt sich euer Gegenüber, und ihr vermittelt ihm – oder vielmehr seinem Unterbewusstsein –, dass ihr interessiert zuhört.«

Die Spiegeltechnik einzusetzen war clever von Sage. Denn vor nicht allzu langer Zeit hatte sie »Durchschnittsschüler« wie Fonda und Drew noch als Dummdödel bezeichnet. Seit Ruthie ihr das verboten hatte, gab Sage sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie den anderen intellektuell überlegen war. Was ihr mal besser, mal schlechter gelang.

»Die Renaissance war eine bedeutende Epoche, die auf das Mittelalter folgte und geprägt war durch die kulturelle, künstlerische, politische und ökonomische ›Wiedergeburt‹ Europas. Grob lässt sich sagen, dass sie vom 14. bis zum 17. Jahrhundert andauerte«, erklärte Sage.

»Cool, oder?« Ruthie klatschte in die Hände. Sie war gespannt, was die anderen sich einfallen lassen würden, um Personen wie Michelangelo oder da Vinci pantomimisch dazustellen. »Ich laufe schnell rüber zum Schreibwarenladen und hole ein paar Stifte. Papier hab ich noch genug im Rucksack.«

»Stifte?« Drew fädelte ihren Pferdeschwanz durch das Loch hinten in ihrem neuen grünen Trucker-Cap. »Wofür?«

»Damit wir die Begriffe aufschreiben können, du Nerd«, sagte Ruthie und verdrehte die Augen.

»Du bist hier der Nerd«, stichelte Drew liebevoll. »Stifte sind was für Eltern.«

»Nein, du bist der Nerd«, schoss Ruthie zurück. »Wie willst du wissen, was du darstellen sollst, wenn wir keine Zettel ziehen können?«

Fonda, Sage und Drew zeigten einhellig auf ihre Smartphones in ihren Händen.

»Es gibt eine Scharade-App«, sagte Sage. Eine Schar Highschool-Mädchen in winzigen Bikinis, die die Pobacken komplett freiließen, schlenderte vorbei, und Sage flüsterte: »Dummdödel.« Aber so leise, dass nur Ruthie es hören konnte.

»So, Leute, langsam halte ich es nicht mehr aus!«, verkündete Fonda.

»Ich auch nicht«, sagte Sage und warf sich ihr rosagefärbtes Haar über die Schulter. »Wie kann man nur so verzweifelt um Aufmerksamkeit betteln?« Dabei überprüfte sie mit einem kurzen Blick, ob ihr eigener pfirsichfarbener Badeanzug auch wirklich alles bedeckte, was er sollte.

Fonda rollte sich auf den Bauch und vergrub ihr Gesicht in einem Klamottenhaufen. »Ich meine die Sache mit Ruthie.«

»Welche Sache? Was hab ich getan?«

»Du gar nichts«, stellte Fonda richtig. »Aber deine Eltern. Haben sie vor, dich jemals aus der smartphonefreien Hölle ins 21. Jahrhundert zu entlassen?«

Drew kicherte. »Das würde es jedenfalls viel einfacher machen, sich mit dir zu verabreden.«

»Stimmt«, warf Sage ein. »Und überhaupt: Wie recherchierst du denn? Und wie kommst du an die Nachrichten ran und hörst dir Podcasts an?«

»Ich lebe nicht hinterm Mond, Sage. Ich hab einen Laptop.« Trotzdem wusste Ruthie, dass ihre Freundinnen recht hatten. Wie oft hatte sie schon stumm danebengesessen, wenn die anderen Fun Facts austauschten oder über TikTok lachten? Wie viele Verabredungen hatte sie schon verpasst, weil sie nicht zu erreichen gewesen war? Fonda hatte recht: Das Leben ohne Smartphone war die Hölle.

Sage öffnete eine Flasche Erdbeerlimo. »Willst du denn gar keins?«

»Doch, klar. Aber mein Dad glaubt, sie machen süchtig, und meine Mom hat Angst, dass die Radiowellen meinen Orbitofrontalkortex grillen.«

»Wann hast du denn zuletzt gefragt, ob du eins haben darfst?«, fragte Fonda.

»Mit zehn.«

»Vielleicht solltest du es mal wieder probieren«, schlug Drew vor. »Ich bitte meine Mom mindestens dreimal im Jahr um eine Xbox.«

»Und, hat es was gebracht?«

»Bisher nicht.«

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