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Filmriss

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Kriminalkommissarin Andrea Mangfall arbeitet bei der Münchner Mordkommission und muss ausgerechnet nach einem anstrengenden Wiesn-Abend am nächsten Morgen zu einem Tatort. Die Frau eines Notars ist ermordet worden, nachdem sie mit einer Spontanbekanntschaft auf dem Oktoberfest war. Und sie ist nicht das einzige Opfer … Als hätte Andrea beruflich noch nicht genug zu tun, muss sie sich um ihren kleinen Bruder Paul kümmern, der frisch bei ihr eingezogen ist, weil es weder mit der Liebe noch mit der Musikerkarriere klappt. Und plötzlich steht Paul selbst im Zentrum polizeilicher Ermittlungen.


  • Erscheinungstag: 27.12.2024
  • Aus der Serie: Mangfall Ermittelt
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 304
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365006351

Leseprobe

Same Procedure

Andrea Mangfall hat Kopfweh. Mehr als das. Schädel platzt. Und erst Mittwoch. Wie soll sie den Rest der Woche überstehen? Letztes Jahr hat sie sich geschworen: nie wieder mit den Kollegen aufs Oktoberfest! Geschenkt. Same procedure as every year. Abgehetzt nach einem harten Arbeitstag an den Biertisch in der reservierten Box, fester Vorsatz, möglichst schnell nach der ersten Maß die Biege zu machen … Pfiffkas. Nach dem dritten Bier auf der Bank: »Hey-eyyyyyyy Baaabyyyy …!«

Heute: Nebel des Grauens. Uhlalala-uh. Körperliches Befinden: desolat. Emotionale Verfassung ebenfalls. Das Geknutsche mit Tom von der Kriminaltechnik – geht gar nicht. Außerdem zu jung. Quatsch. Der ist genauso alt wie sie. Anfang 30. Gelaufen ist da nichts mehr. Oder?

»Verdammt, so geht das nicht!«, murmelt sie. »Sich so wegzuschießen!«

Was ist noch passiert? Im Bierzelt und bei Tom zu Hause, wo sie heute Morgen verknittert aufgewacht ist. Halb angezogen. Oder halb ausgezogen. Je nachdem. Diffus.

Andrea sitzt zusammengesunken auf ihrem Bürostuhl und würde am liebsten in den Papierkorb kotzen, so sehr graut ihr vor dem Tag. Auf dem Tisch ein Turm aus unerledigten Akten. »Kommen Sie, treten Sie näher, schauen Sie rein!«, scheinen sie zu flüstern. »Ruhe!«, zischt sie.

Puh. Was zuerst? Sie weiß es eh: Höchste Dringlichkeit hat der Fall mit der Gräfin von Dalheim, die vorgestern in ihrer Villa in Bogenhausen aufgefunden wurde. Tot. Zuletzt war die Dame laut Bekannten auf dem Oktoberfest. Aber kein Fall von Alkoholvergiftung. »Herzversagen«, lautete die erste Einschätzung des Rechtsmediziners vor Ort. Und offenbar hatte sie kurz vor ihrem Ableben noch Verkehr. Eine heiße Wiesn-Bekanntschaft?

Vielleicht hat die Gräfin sich einfach auf dem Höhepunkt verabschiedet, überlegt Andrea. Eigentlich kein schlechter Tod – gehen, wenn man kommt.

Aber Scherze sind hier nicht wirklich angebracht. Denn es gibt einen kriminellen Hintergrund. Aus der Villa der Gräfin sind viele Wertsachen verschwunden, und ihre Kreditkarte wurde am Folgetag bis zum Anschlag beansprucht. Anschlusstat nach einem, nun ja, Unfall? Oder vielleicht sogar Mord? Also Vorsatz. K.-o.-Tropfen? Die sind in solchen Fällen nicht selten im Spiel. Und bei denen gilt – wie bei vielen Dingen im Leben: alles eine Frage der Dosierung. Obduktionsbericht von Dr. Sommer steht noch aus.

Andrea kann sich nicht konzentrieren, zu wild sind die Strudel, die das Oktoberfestbier noch in ihrem Kopf veranstaltet. Sie reibt sich die Schläfen, gähnt, ist froh, das Großraumbüro in der Mordkommission gerade für sich alleine zu haben. Die Kollegen sind auf Fortbildung und im Krankenstand, und ihr Chef, Kriminalrat Josef Hirmer, ist noch nicht da. Josef hatte gestern Nacht Bereitschaft und war auf der Wiesn nicht dabei. Glückspilz. Ist ihm einiges erspart geblieben.

Andrea öffnet das Fenster und schaut in den Innenhof. Dort reges Kommen und Gehen. Oder Fahren. Autoballett, das sie mit ihrer virtuellen Playstation koordiniert. Den blauen BMW in die Lücke da. Komm, nochmal! Na bitte, geht doch. Luft angenehm kühl, Himmel blassblau, inklusive zwei Kondensstreifen. Kreuzen sich nicht. Parallelen sind zwei Geraden, die sich im Unendlichen berühren. Oder so ähnlich. Wer sagt so etwas Schlaues? Pythagoras? Irgendein Grieche bestimmt. Wie zwei Liebende, die das ganze Leben nebeneinanderher laufen. Wo kommt das jetzt her? Andrea weiß es. Ihr Kater ist ein melancholisches Haustier. Blick verschwommen und klar zugleich. Am besten, sie beendet das mit Tom gleich, bevor es wirklich anfängt. Liebe am Arbeitsplatz ist keine gute Idee.

Aus einem der unteren Stockwerke steigt Kaffeeduft zu ihr hoch. Ah! Ein Kaffee und dann ein Einsatz an der frischen Luft, das wäre nicht schlecht.

Auf dem Weg in die Küche entdeckt sie in ihrem Hauspostfach den Obduktionsbericht zum Fall der Gräfin. Doch kaum sitzt sie bei einem Becher Kaffee über dem Bericht, erhält sie eine Mail: Sitzung mit dem Dezernatsleiter, großes Aufgebot, ganze Mannschaft. 10 Uhr. Sehr kurzfristig.

Sphinx

Der Besprechungsraum im Erdgeschoss ist voll besetzt. Auf der Bühne: Dezernatsleiter Dr. Aschenberger. Sieht wie immer tipptopp aus. Steht über den Dingen, denkt Andrea. Hat es gestern sicher bei einer einzigen Maß Bier belassen. Sie hat noch nie erlebt, dass Aschenberger sein Äußeres vernachlässigt oder aus der Fassung gerät. Spricht ja auch immer vom »Gesicht der Polizei«. Heute ist sein eigenes allerdings etwas sorgenverhangen.

Kriminalrat Josef Hirmer huscht in den Saal. Andrea weiß sofort, dass Josefs gestriger Bereitschaftsdienst etwas mit der Versammlung hier zu tun hat. Sie knipst ihr Hirn an. Kopfschmerzen fast Geschichte, Sinne geschärft, hier geht es nicht um irgendwelchen Kleinkram. Sie wundert sich, dass Josef ihr vorher nichts gesagt hat. Sonst nicht seine Art. Wird seine Gründe haben.

Andrea ist jetzt ein knappes Jahr in Josefs Abteilung. Sie hat schon ein paar Chefs in ihrer Polizeilaufbahn gehabt. Von beschissen bis super alles dabei. Josef ist – nun ja, wie ist er eigentlich? Sie weiß es nicht so genau. Ein bisschen die Sphinx. Aber korrekt, zuverlässig, uneitel. Wenn einer nichts auf Karriere gibt, dann er. Falls doch, dann versteckt er es gut. Unauffällige Klamotten, gute Umgangsformen, fairer Typ. Das Private blendet er vollkommen aus. Schade eigentlich, findet Andrea. Angeblich gibt es auch eine Frau Hirmer. Aber über die spricht er nie. Doch sie muss nicht alles wissen. Außer dass sie sich auf ihn verlassen kann.

»Sehr geehrte Damen und Herren«, beginnt Polizeichef Aschenberger, »es tut mir leid, wenn ich Sie so früh heute aus Ihrem stressigen Büroalltag reiße, aber wir haben einen Fall, der schnelle Ergebnisse erfordert. Der Kollege Hirmer hat das Wort.«

»Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute Nacht hatten wir einen Einsatz in Gern. In den frühen Morgenstunden wurde Frau Martina Wismar, die Ehefrau eines Notars, tot aufgefunden. Nach einem Oktoberfestbesuch, von dem sie offenbar einen Mann mit nach Hause gebracht hat. Ihr Ehemann ist gerade in Spanien auf Geschäftsreise. Eine Nachbarin hat die Polizei gerufen, weil sie morgens um halb vier eine verdächtige Person in der Hauseinfahrt gesehen hat. Vermutlich männlich. Die kurz nach dem Telefonat eintreffenden Streifenpolizisten fanden Frau Wismar tot im Bett. Erste Untersuchungen des Tatorts und der Leiche legen nahe, dass sie kurz zuvor Geschlechtsverkehr hatte. Keine verwertbaren Spuren, es wurde offenbar ein Kondom benutzt. Wie im Fall der Gräfin von Dalheim sind Schmuck und Bargeld verschwunden. Zudem wichtige Papiere aus dem Schreibtisch des Notars. Zwar hat der Täter versucht, Spuren zu beseitigen, aber in Gern wie in Bogenhausen konnten wir dieselben Fingerabdrücke sichern. Sie sind nicht in unserer Datenbank. Laut Obduktionsbericht zur Gräfin in Bogenhausen war die Todesursache dort eine Überdosis K.-o.-Tropfen. Bei Frau Wismar haben wir dementsprechend einen Schnelltest veranlasst. Dasselbe Ergebnis. Unklar ist, ob der Täter vorsätzlich handelt oder die K.-o.-Tropfen aus Unwissenheit zu stark dosiert. Vielleicht weiß er nicht, dass sich die Wirkung des Mittels mit Alkohol potenziert. Beide Frauen sind an Atemlähmung gestorben. Exitus statt K.o. Wenn wir Pech haben, macht er weiter so.«

»Gut gereimt«, meldet sich Meiser, ein Kollege vom Raubdezernat. »Weiß die Presse schon von den Fällen?«

»Nein«, schaltet sich Aschenberger ein. »Der Fall Wismar ist ja erst einen halben Tag alt. Und bei der Gräfin von Dalheim ist der Fall ebenfalls noch zu frisch. Wir wussten bis gestern nicht einmal, ob überhaupt ein Kapitalverbrechen vorliegt. Beide Damen gehören zu Gesellschaftskreisen, die für die Klatschpresse interessant sind. Es wäre für unsere Ermittlungen wenig hilfreich, wenn die sich darauf stürzt.«

»Aber sollte man damit nicht trotzdem an die Presse gehen?«, hakt Meiser nach. »Wenn der Täter nicht in voller Absicht gehandelt hat und die Konsequenzen nicht erfährt, kann es doch sein, dass er es noch einmal tut.«

»Da gebe ich Ihnen völlig recht. Nur haben wir – zumindest im Fall Wismar – ein kleines Problem. Die Frau des Notars ist – Entschuldigung –, sie war die beste Freundin der Frau des Innenministers. Notar Wismar arbeitet eng mit dem Minister zusammen. Unter den verschwundenen Papieren sind auch Papiere des Ministers.«

»Hat der Innenminister denn etwas zu befürchten?«

Der Polizeichef sieht den Fragesteller scharf an. »Herr Meiser, Sie mögen zwar im Personalrat sein, aber ich muss Ihnen nichts über Ihre Weisungsgebundenheit erzählen, oder? Der Innenminister ist Ihr oberster Dienstherr!«

Meiser nickt betreten. Natürlich liegt es ihm auf der Zunge zu fragen, ob sie den Fall sonst so hochhängen würden. Tut er nicht.

Natürlich nicht, denkt Andrea. Ihr ist klar, worum es geht. Wenn der Täter durch Zeitung oder Radio erfährt, welche Unterlagen er da mitgenommen hat, wird er versuchen, diese zu Geld zu machen. Aber vielleicht weiß er eh, was er da in Händen hat. Warum sonst hätte er die Papiere mitnehmen sollen?

»Ich muss Ihnen nicht erklären, dass das ein pikanter Fall ist«, sagt der Polizeichef, »ein Fall, der schnellstens aufgeklärt werden muss. Ich habe Kriminalrat Hirmer beauftragt, zusammen mit Oberkommissarin Mangfall die Leitung der Soko Oktoberfest zu koordinieren. Die beiden werden bis heute Nachmittag um 16 Uhr ein Einsatzkonzept ausarbeiten, damit Sie am frühen Abend auf der Wiesn Stellung beziehen können.«

Ein Stöhnen geht durch die Menge.

Aschenberger kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie heute keine Lust aufs Oktoberfest haben? Nach dem schönen Abend gestern! Selbstverständlich gibt es Biermarken, damit Sie nicht auf dem Trockenen sitzen. Aber wehe, ich erwische einen, der etwas anderes als Alkoholfrei bestellt! Ich freue mich auf rasche Ergebnisse. Einen schönen Tag noch.«

Sicherheitstapete

»Josef, warum hast du mich gestern Nacht nicht über den neuen Fall informiert?«, fragt Andrea, als ihr Chef ins Büro kommt.

»Kunststück, wenn dein Handy aus ist und du daheim nicht ans Telefon gehst. Wo warst du denn?«

»Ähem, nicht ganz bei mir.« Andrea kramt das Handy aus ihrer Jacke und sieht, dass es auf Flugmodus gestellt ist. Immer noch. Seit gestern Abend. Hat sie gemacht, damit ihre bierbefeuerte Romantik nicht gestört wird. Sehr vorausschauend. Auch wenn sie sich heute an keine romantischen Details erinnert.

Josef grinst. »Wenn wir den Fall schnell aufklären, steht deiner Beförderung zur Hauptkommissarin nichts mehr im Weg.«

»Dein Wort in Gottes Ohr. Hast du schon eine Idee, was wir machen? Da sind doch Hunderttausende von Leuten auf dem Oktoberfest, wie sollen wir da irgendeinen Verdächtigen rausgreifen, der sich an gut betuchte ältere Damen ranmacht? Darum geht es doch, oder?«

»Genau darum geht es. Wie würdest du denn vorgehen, ich meine: als Täter?«

»Ich würde dahin gehen, wo die Promis sind – Käfer-Zelt oder Marstall-Zelt.«

»Und wie würdest du reinkommen? Die Plätze sind in der Regel alle reserviert. Die Schickeria-Tischgesellschaften kennen sich, bleiben unter sich. Schätze ich mal.«

»Ach, irgendwie kommt man immer rein. Und so schwer wird es nicht sein, eine der Damen anzusprechen. Oder der Täter kommt bereits mit den Damen … Das würde allerdings heißen, sie kennen sich schon vorher.«

Josef nickt nachdenklich. »Die beiden Damen kannten sich offenbar nicht und waren auch nicht im selben Zelt. Eine war im Käfer-Zelt, die andere im Marstall. Der Täter beschränkt sich nicht auf ein Revier.«

»Dann müssen wir beide Zelte überwachen. Puh, wir suchen die Nadel im Heuhaufen!«

»Ich bin für jede Idee dankbar, Andrea. Wir müssen den Kollegen um 16 Uhr sagen, wie der Einsatz laufen soll.«

»Würden wir ohne Innenminister so einen Zirkus veranstalten?«

»Jetzt fang du auch noch an. Andrea, zwei Frauen sind gestorben. An einer Überdosis K.-o.-Tropfen. Wir wollen doch immer unser Bestes geben, oder?«

»Aber ich frag mich, ob das was bringt. So viele Leute einzusetzen.«

»Tut es natürlich nicht, aber das gehört nun mal zur Sicherheitstapete.«

Andrea grinst und zieht sich mit einem Kaffee an ihren Schreibtisch zurück. Sie überlegt angestrengt.

Nach dem zweiten Kaffee, einer Zigarette, einem Toilettenbesuch und einer LKS, eine Leberkässemmel, kommt ihr restvernebeltes Gehirn endlich in Schwung. Sie schluckt den letzten Rest der Semmel runter und entlässt den Leberkäsdunst aus dem offenen Fenster. Sie sieht zufrieden in den ordnungsgemäß zugeparkten Hof hinunter und denkt nochmal über ihre Idee nach. Ja, sie ist gut, ziemlich gut sogar, wie sie sich selbst loben muss. Eine Freundin von ihr ist Fotografin beim Abendblatt und macht zur Wiesn immer die Promifotos. Die wird sie anrufen und bitten, mit ihr die Fotos der vergangenen Abende durchzugehen. Vielleicht sind die Gräfin und die Frau des Notars auf den Fotos zu sehen – samt männlicher Begleitung.

Josef ist nicht begeistert von dem Vorschlag: »Dann kannst du ja gleich eine Pressekonferenz geben, wenn du jemanden von der Zeitung reinziehst.«

»Marlies ist eine gute Freundin von mir, die erzählt nix weiter. Außerdem schuldet sie mir einen Gefallen.«

Josef sieht sie misstrauisch an.

Andrea lacht. »Privat natürlich.«

Superstory

Univiertel, Maxvorstadt, Schellingstraße. Ewig nicht hier gewesen, denkt Andrea. Eigentlich ganz lässig – Cafés voll besetzt, Studenten schlendern die Bürgersteige rauf und runter. Sind das eigentlich Studenten? Das Wintersemester hat doch noch gar nicht angefangen. Oder? Andrea weiß es nicht mehr. Ihre zwei verwirrten Semester Germanistik und Politik liegen Urzeiten zurück.

Immer wieder schießen Radler haarscharf an den Autospiegeln oder vor der Motorhaube ihres alten VW Golf vorbei. An jeder Kreuzung Rotphase. Merkwürdig geschaltete Ampeln. Vielleicht, damit man besser schauen kann? Sehen und gesehen werden. Und gehört: Der Typ im Cabrio hinter ihr hat die Anlage voll aufgedreht. Strandbeats mit knätschigem Saxofon – Saint-Tropez-Mist.

Außer Cafés vor allem Klamottenläden, einer nach dem anderen. Wo sind die ganzen Antiquariate und Secondhandläden hin?, fragt Andrea sich. Oder ist das nur eine nostalgische Übertreibung ihrerseits? Zumindest der Schelling-Salon ist da, wo er schon immer war. Lindgrün an der Ecke Barer Straße. Sie könnte mal wieder Billard spielen gehen. Oder Tischtennis im Keller. Und hinterher den Salat mit den gekochten Eiern und der schrecklichen weißen Soße. Und dazu ein gutes Bier. Hey, das ist verdammt lang her? Gute Zeiten. Aber sie hat es nie bereut, das Studium aufgegeben zu haben und zur Polizei gegangen zu sein. Viel konkreter und jeden Tag was Neues. Nur das Herumsandeln vermisst sie schon ab und zu. Aber man kann nicht alles haben.

Kurz vor der Schleißheimer Straße biegt sie in eine Hofeinfahrt. Die zwei Stellplätze sind besetzt. Sie lässt den Wagen in der Einfahrt stehen und legt ihre Visitenkarte mit dem Polizeiwappen und ihrer Handynummer in die Windschutzscheibe. Nimmt die Bäckertüte vom Beifahrersitz und steigt aus. Hinterhaus. Tür steht offen. Ausgetretene Holzstufen. Dritter Stock. Die Klingel schnarrt.

»Mann, Andrea, das muss ja wirklich wichtig sein, wenn du zu dieser unchristlichen Stunde auftauchst«, sagt Marlies, als sie die Wohnungstür öffnet. Sie trägt einen alten hellblauen Bademantel und hat heftige Ringe unter den Augen.

»Es ist halb eins, und du schaust furchtbar aus, wenn ich das sagen darf«, meint Andrea und präsentiert die Tüte mit den Croissants.

»Ah, du kannst Gedanken lesen. Komm rein, Kaffee läuft schon.«

Beim Kaffee erzählt Andrea Marlies im Detail, worum es geht.

Marlies tunkt ihr letztes Stück Croissant in den Kaffee. »Wiesn-Morde – hey, das ist eine Superstory fürs Abendblatt.«

»Leider nicht. Was glaubst du, was los ist, wenn das in der Zeitung steht! Willst du eine Wiesn-Panik auslösen? Marlies, ich muss dir vertrauen können. Das ist streng geheim. Wenn wir den Fall lösen, kriegst du die Geschichte aus erster Hand. Aber erst dann.«

»Okay. Aber ich nehm dich beim Wort.« Marlies fährt ihren Laptop hoch und klickt durch verschiedene Dateiordner. »Ich bin mir nicht sicher, ob … Du hast Glück, die letzten drei Tage sind komplett da.«

Sie verbringen die nächste Stunde schweigend damit, die Sintflut an Bildern aus den Bierzelten durchzuklicken. Rotspeckige Gesichter, glasige Augen, lederbraune Dekolletés, auf denen man eine Carrera-Bahn aufbauen könnte. Marlies sieht ihre eigenen Bilder plötzlich mit neuem Interesse. Vielleicht ist auf einem davon der Mörder zu sehen? Sie denkt an den Film Blow Up, in dem der Fotograf glaubt, auf einem seiner Bilder ein Verbrechen zu entdecken.

Klick für Klick geht die Zeit ins Land.

»Halt, hier, das ist sie«, sagt Andrea plötzlich.

»Wer, die Frau Konsul?«, fragt Marlies erstaunt und deutet auf eine fröhliche ältere Dame.

»Nein, die daneben.«

»Die kenne ich nicht.«

»Das ist die Gräfin von Dalheim«, sagt Andrea, »eins der Opfer. Wer sind die anderen auf dem Bild?«

»Na ja, die Frau Konsul Weingarten, die Frau hier kenn ich nicht.«

»Und die Männerschulter, an der die Dalheim lehnt? Hast du noch ein Bild von dem Tisch?«

Marlies klickt weiter. Eins der Bilder zeigt den gesamten Tisch. Inklusive mehrerer Männer, alle jung, gut aussehend, engagiert.

»Das sind vermutlich die Söhne der Damen«, meint Andrea.

»Sei mal nicht spießig, Andrea. Auf der Wiesn sieht man das nicht so eng. Nach ein paar Maß und bei dem Licht schaut eine gut erhaltene Sechzigjährige noch ganz knackig aus.«

»Irgendwas stimmt mit den Typen nicht«, sagt Andrea.

»Sie sehen unverschämt gut aus, das ist alles.«

»Komm, mach weiter. Vielleicht finden wir die Frau des Notars noch.«

Die Frau des Notars taucht ebenfalls in geselliger Runde auf. Und: Zwei der jungen Männer von vorhin sind am Tisch der Notarsfrau!

»Marlies, jetzt sag bloß, dass das Zufall ist!?«

»Ach, was meinst du, was ich auf dem Oktoberfest schon alles gesehen hab? Die zwei Jungs sind Schlitzohren, die sich aushalten lassen. So sehen doch keine Mörder aus, oder?«

»Wie sieht denn ein Mörder aus?«, fragt Andrea zurück und sieht auf die Uhr. »Ich muss los. Mail mir bitte die Fotos mit den Typen ins Präsidium.«

»Aber wenn du irgendwo erzählst, wo die Bilder her sind, ist es vorbei mit der Freundschaft.«

»Jetzt übertreib mal nicht.«

»Im Ernst. Das ist ein Minenfeld. Ich muss die Fotos, die wir in der Zeitung bringen wollen, den Promis immer erst zur Freigabe vorlegen. Wenn das nicht so läuft, kann ich es nieten, bei denen nochmal zu fotografieren.«

»Keine Sorge. Von mir erfährt niemand was. Wir veröffentlichen auch keins der Bilder. Gib mir die Adressen von der Frau Konsul und den anderen Damen. Also, soweit du sie kennst.«

»Hey, ich hab doch gesagt, dass das …« – »Marlies, hier geht’s um Mord! Oder zumindest Totschlag. Nicht um irgendwelche kompromittierenden Bilder. Stell dir vor, deine Frau Konsul wär das nächste Opfer. Mir ist wurscht, was die Damen in ihrer Freizeit machen. Wenn ich mit denen red, dann bleibt das unter vier Augen. Ohne Protokoll. Aber ich brauch Informationen, wer die Typen sind. Hast du die Telefonnummern der Ladys?«

»Marlies sucht die Adressen in ihrem Rolodex.«

»Nicht im Handy?«, fragt Andrea.

»Zu sensibel fürs Handy. Eine Gräfin, eine Freifrau und eine Industriellengattin.«

»Hochherrschaftlich«, sagt Andrea mit einem Grinsen.

»So ist es. Feinster Münchner Geldadel. Du, ich sag’s nochmal …«

»Vertrau mir, ich bin so was von direkt, äh, diskret.« Andrea zwinkert. »Danke für die Hilfe, Marlies. Du hast was gut bei mir.«

»Ich nehm dich beim Wort. Du lieferst uns hinterher die Story. Was habt ihr jetzt vor?«

»Das kann ich dir nicht sagen.«

»Jetzt komm schon!«

»Aber topsecret. Wir werden Käfer-Zelt und Marstall-Zelt überwachen.«

»Dann sehen wir uns eh heute Abend. Ich muss ja wieder meine Runden ziehen. Ich halt die Augen offen.«

Andrea sieht auf die Uhr. Flucht leise. Halb vier. Keine Zeit mehr für Telefonate mit den Damen von Marlies’ Fotos. Später. Sie muss ins Präsidium.

Im Hof zieht sie einen kritzeligen Zettel unter dem Scheibenwischer hervor. Bullen dürfen überall parken. »Scharf erkannt«, sagt sie und steigt ein.

Tatverdächtig

Im Büro fährt Andrea den Computer hoch, checkt ihre Mails und schickt die Fotos auf den Drucker.

Josef sitzt an seinem Schreibtisch und wirkt sehr erschöpft. Er hat die ganze Zeit telefoniert und den Einsatz geplant.

Andrea stellt ihm einen Kaffee hin. »Josef, alles klar soweit?«

»Muss ja. Und du?«

Sie erzählt ihm, was sie herausbekommen hat, zeigt ihm die Fotos.

»Gut, sehr gut. Jetzt haben wir wenigstens einen Anhaltspunkt. Stell die Bilder in die Einsatzgruppe.«

»Glaubst du, die zwei Typen haben was damit zu tun?«

»Keine Ahnung. Erst mal sind sie nur Zeugen. Nicht dringend tatverdächtig. Wenn sie wieder auftauchen, werden wir sie befragen.«

»Es ist doch komisch, dass die zwei an aufeinanderfolgenden Abenden mit Damen vom selben Schlag aus sind. Und zweifellos kennen die beiden sich gut.«

Sie betrachten das Bild, auf dem sich die zwei Männer lachend in den Armen liegen.

Josef steht auf. »Los, komm. Einsatzbesprechung. Und in einer Stunde müssen wir schon auf der Wiesn sein.«

Lulu

Ein strahlender Spätsommerfrühabendhimmel in zartem Rosé wölbt sich über München und Theresienwiese. Auf dem Oktoberfest ist die Hölle los. Kein Wunder, bei dem Wetter. Die Luft ist erfüllt vom Duft der Hendln, Zuckerwatte, Mandeln, es riecht intensiv nach Bier. Alles durchzogen von einem zarten Hauch Kotze und Urin.

Den Duft könnte man in hübsche Flakons abfüllen, denkt Andrea, als sie vor der Polizeistation unter der Bavaria noch eine raucht. L’eau de Wiesn. In so Minimaßkrügen. Zu dem schneidigen Geruch der Toiletten fällt ihr die alte Parfümwerbung ein, die mit der ätherischen Lady, die vor dem Spiegel sitzt, sich umdreht und wispert: »Lulu, c’est moi.« So ähnlich jedenfalls. Hier ist allerdings nichts ätherisch. Krasse Reizüberflutung. Die Musikanlagen der Fahrgeschäfte wetteifern miteinander, wer den stumpfesten Hit losballert, unterbrochen von den heiser-leidenschaftslosen Stimmen der Ansager in den Kassenhäuschen: »Steigen Sie zu, der heißeste Kick auf der Wiesn.«, »Kommen Sie, staunen Sie, lassen Sie sich verzaubern.«, »Ja, das macht Spaß, das bringt die Hormone in Ekstase, das ist supergeil.« Die Geisterbahnen röcheln, die Achterbahnen kreischen, die Bierzelte beben unter Schlachtgesängen: »Oans, zwoa, gsuffa!«, »Ein Prooosit, ein Prooosit der Gemüüütlichkeit!« und natürlich »He-eyyyy Baaaa-by!«

Der Wiesn-Soundtrack, das ganze Brummen und Wuseln sind in der Einsatzzentrale nur noch ein fernes Echo. Trotz tropischer Temperaturen sind die Fenster des Besprechungsraums geschlossen. Josef gibt den Einsatzplan aus und verteilt die Kollegen auf die beiden Zelte. Er selbst bleibt zur Koordination in der Polizeistation, Meiser vom Raub vertritt Andreas abwesende Kollegen von der Mordkommission und übernimmt die Einsatzleitung im Käfer-Zelt, Andrea die im Marstall.

Andrea bezieht Stellung am Personaltisch auf der Galerie, von wo sie die Zugänge zu den Promiboxen gut einsehen kann. Am frühen Abend ist hier oben noch alles im grünen Bereich. Sie hängt ihren Gedanken nach und gähnt. Eigentlich wollte sie heute früh ins Bett. Eigentlich. Na ja, endlos geht die Gaudi ja nicht. Allzu viel verspricht sie sich generell nicht von dieser Aktion. Ihr Abendessen besteht aus Brezn und Radi plus Spezi. Sicher nicht die beste Kombination, denn ihr Magen grummelt gefährlich. Andrea sieht ins Zelt runter auf den steten Strom von Trachtenmenschen. Ewiges Rein und Raus.

Nach 18 Uhr wird es voll. Und unübersichtlich. Immer wieder verlässt Andrea ihren Platz, um im Gedränge an den Boxen vorbeizugehen und hineinzuspähen. Unten brodelt der Hexenkessel. Bombenstimmung. Menschen tanzen auf Bänken und Tischen, und auch hier oben geht es nun richtig ab. Muss man mögen. Für ihren Geschmack erheblich zu viel nacktes Fleisch in zu knappen, grellen Dirndln. Und die Männer – geschenkt! Fensterleder an Hemden wie Tischdecken, Gesichter hochglanzlackiert. Höllehöllehölle!

Der Abend vergeht mit Hochgeschwindigkeit, die stampfende Musik der Bavaria-Big-Band gibt den Takt vor. Nichts Nennenswertes passiert. Um halb neun registriert Andrea eine Blitzlichtsalve in einer der Boxen. Marlies bei der Arbeit.

»Ich hab dich gar nicht kommen sehen?«, begrüßt Andrea die Freundin.

»Der Personalaufgang von der Küche. Das ist der schnellste Weg.«

»Mist, den haben wir vergessen!«

»Mach dir keinen Kopf, Andrea. Ich bin schon durch alle Boxen. Die Typen waren nicht dabei.«

»Trotzdem. Wir müssen unten in der Küche jemanden postieren.« Andrea greift nach ihrem Handy – nein, ins Leere. Sie flucht. Jemand hat ihr Handy geklaut. Hat sie es auf dem Tisch liegen gelassen, als sie an die Balustrade gegangen ist? Egal. Weg ist weg. Sie geht nach unten, um einen der Kollegen am Eingang zu informieren, dass jemand ein Auge auf die Küche hat. Und dann muss sie zur Polizeistation, Ersatzhandy holen.

Andrea sagt den Beamten am Eingang Bescheid und verlässt das Zelt. Hastet durch die Gasse zwischen den Zelten. An der frischen Luft stürmt der ganze Trubel ungebremst auf sie ein. Röhrende Fahrgeschäfte, johlende Gesänge aus den Zelten und giftig-greller Lichtnebel am Nachthimmel. Pissoirs torpedieren ihre Nase. Die Hänge zur Theresienhöhe sind gepflastert mit Alkoholleichen und Liebespaaren in mehrdeutigen Stellungen. Rauchfahnen in der Abendkühle – Wildbisler.

Pulverdampf. Ein riesiges Schlachtfeld, denkt Andrea mit Blick auf die steile Wiese. Plötzlich erstarrt sie. Die beiden Männer von den Fotos! Schlendern den Hangweg hinab. Was jetzt? Zur Polizeistation keine hundert Meter. Sie muss Josef informieren. Nein, sie folgt den Männern.

Als diese auf das Armbrustschützenzelt zusteuern, schüttelt sie den Kopf. Heute ein anderes Zelt? Da ist natürlich kein Beamter.

Kurz vor neun, Zelt hoffnungslos überfüllt, Ordner in schwarzen Uniformen. Die beiden Männer werden problemlos eingelassen. Andrea präsentiert ihren Polizeiausweis, hastet hinterher. Eine Heißfront aus Bier, Schweiß und Lärm schlägt ihr entgegen. Im gedämpften Licht und heftigen Gedränge sieht sie gerade noch, wie die beiden Männer zur Galerie hochsteigen. Sie folgt ihnen bis zu einer Box, wo sie mit großem Hallo von einer Gruppe bunt bedirndelter und stark geschminkter Damen in reiferen Jahren empfangen werden.

Bingo!, denkt Andrea. Aber Mist, sie kann niemanden informieren. Soll sie jemandem vom Personal Bescheid geben? Nein, das stiftet nur Verwirrung. In diesem Zelt weiß niemand von dem Polizeieinsatz. Sie denkt nach. Armbrustschützenzelt – bis elf geht der Spaß hier. Sie kann locker zur Einsatzzentrale rüber, um Verstärkung zu holen.

Sie mustert die Tischgesellschaft. Die Ladys sind schon ziemlich hinüber und hängen hochnotgeil an den Hälsen der jungen Männer. Nein, das kann ganz schnell gehen. Vielleicht holen die Herren die Damen nur ab?

Blitzlichtsalve.

»Marlies, du bist meine Rettung!«, begrüßt Andrea ihre Freundin.

»Alles klar bei dir?«

»Du, kannst du mir dein …« Jetzt verlässt die Gruppe den Tisch. »Marlies, halt drauf, fotografier sie!«

Marlies schießt ein paar Fotos von der Vierergruppe.

»Los, hinterher!«

Sie folgen der Gruppe nach draußen.

»Gib mir bitte dein Handy«, bittet Andrea im Laufen, »ich muss meinen Chef anrufen.«

Josefs Anschluss ist belegt. Egal. Weiter. Sonst sind die Typen weg.

In der Feuerwehrzone wartet ein schwarzer Mercedes-Van. Der Fahrer steigt aus und öffnet die Schiebetür. Die Gruppe steigt ein.

»Ich steh in der Anlieferzone«, sagt Marlies.

Sie laufen hinüber und springen in ihren alten Porsche, jagen durch die Ausfahrt, überqueren die Schwanthaler Straße. Der Mercedes biegt ins Westend ab.

»Mach schon, Marlies!«, zischt Andrea.

Marlies ignoriert die inzwischen rote Ampel und tritt das Gaspedal durch.

»Dafür stehst du aber gerade, Frau Polizistin!«

»Hauptsache, du verlierst sie nicht.«

Die Gefahr besteht nicht, denn der Mercedes fährt in gemächlichem Tempo auf der Landsberger Straße stadtauswärts. Andrea probiert es nochmal bei Josef. Diesmal kommt sie durch. Josef kocht vor Wut, weil sie ihren Posten verlassen hat, doch Andrea lässt ihn nicht zu Wort kommen, berichtet, dass sie den zwei Männern und ihren potenziellen Opfern in Richtung Pasing folgen, und bittet um Verstärkung. Auf seine Frage, was außer einem vagen Verdacht gegen die zwei Männer vorliegt, fällt ihr nicht viel ein. Also keine Verstärkung. Josef stimmt zumindest zähneknirschend zu, dass sie die Beschattung der beiden Männer fortsetzt. Andrea verspricht, sich zu melden, wenn sie Unterstützung braucht.

Als Andrea Marlies das Handy zurückgibt, ist sie sich plötzlich nicht mehr so sicher, dass sie auf der richtigen Spur sind.

»Hey, mach dir keinen Kopf!«, sagt Marlies. »Wir ziehen das durch und bringen die Typen zur Strecke!«

Waldi

Pasing. Der Van biegt in die Alte Allee ein, hält vor einer der Villen. Das schmiedeeiserne Tor öffnet sich automatisch und schließt sich wieder hinter dem Wagen. Marlies quetscht sich in eine Parklücke. Sie sehen zum Haus.

Dort geht das Licht an. Festbeleuchtung. Andrea und Marlies können genau ins Wohnzimmer sehen. Die Schiebetür zur Terrasse wird geöffnet. Musik flattert zu ihnen herüber.

Marlies stöhnt: »Boah, ich hasse Vivaldi!«

»Spitz wie Waldi«, präzisiert Andrea, denn jetzt hören sie auch das Klirren von Gläsern und erregtes Gelächter.

Sie sehen, wie die vier Personen sich zuprosten.

»Scheiße, die K.-o.-Tropfen!«, zischt Andrea.

»Wart ab, die sehen noch ganz lebendig aus.«

Womit Marlies recht hat. Keine Schwächeerscheinungen.

Das gesellige Beisammensein geht eine Viertelstunde, dann werden Terrassentür und Vorhänge geschlossen. Die vier jetzt nur noch als Schattenspiel.

»Gleich geht’s ab in die Schlafzimmer«, orakelt Andrea.

Marlies zuckt mit den Achseln. »Vielleicht auch ein Viererbob vor Ort.«

Sieht ganz danach aus, denn die Schatten huschen jetzt hin und her, Sachen fliegen durch den Raum. Kleidungsstücke?

Licht auf Minimum gedimmt.

»Marlies, wir gehen auf die Terrasse. Wer weiß, was da drin passiert!«

Andrea steigt aus dem Auto.

Marlies folgt ihr – mit Fotoapparat. »Beweisfotos«, lautet ihre Antwort auf Andreas strengen Blick.

Sie klettern über den Zaun und schleichen zur Terrasse. Im Wohnzimmer jetzt: Action! Die Schatten hinterm Vorhang bewegen sich wild, spitze Schreie dringen gedämpft nach draußen, klingen nicht nach Lust, sondern nach Schmerz.

Jetzt ein gellender Schrei. Andrea greift nach ihrer Waffe, prüft die Terrassentür – nicht verriegelt. Drinnen wird es immer lauter.

»Marlies, ich zähl bis drei. Du reißt die Tür auf und den Vorhang weg, ich spring rein.«

Auf drei rauscht die Schiebetür auf, der Vorhang fliegt zur Seite, Andrea stürzt mit gezückter Pistole ins Wohnzimmer. Instinktiv drückt Marlies auf den Auslöser ihres Fotoapparats. Blitzlichter durchzucken die gespenstische Szenerie. Situation schockgefrostet. Der Pornofilm in dem riesigen Fernseher läuft munter weiter. Hopsende Brüste und zuckende Ärsche. Das Arrangement im Wohnzimmer steht den TV-Bildern in nichts nach: zwei durchtrainierte junge Männer mit Lederslips, schwarzen Masken und Peitschen bei der Arbeit. Eine Dame liegt bäuchlings über der Lehne der riesigen Couch und präsentiert ihren rotstriemigen nackten Hintern, die andere ist mit Kabelbindern auf den Couchtisch gespannt, ebenfalls textilfrei.

Andrea mustert die Loverboys mit ihren knappen Höschen und erhobenen Händen. Sie hat das ungute Gefühl, dass die Dinge hier vielleicht anders liegen als vermutet. Nur Sexspielchen? Oder sind sie gerade noch rechtzeitig eingeschritten?

»Die Party ist vorbei! Die Personalien, meine Damen und Herren!«

Andrea erwartet wütenden Protest von Seiten der Damen, aber weit gefehlt. Die beiden sind recht schüchtern, als sie ihr schließlich in Decken gehüllt gegenübersitzen.

Andrea lächelt aufmunternd. »Mich interessiert nicht, wie Sie in Abwesenheit Ihrer Männer den Abend gestalten, aber ich rate Ihnen, kooperativ zu sein. Was läuft hier, Prostitution? Nehmen diese Männer Geld für Ihre Dienste?«

Die Augen der Frauen weiten sich vor Angst. Sie sehen zu den beiden Männern hinüber, die lammfromm auf dem Sofa sitzen. »Sie, Sie werden doch nicht, ich meine …«, fängt die eine Dame an und deutet zu Marlies. »Also, die Fotos …«

Andrea lächelt. »Wir sind sehr diskret. Wenn Sie uns jetzt weiterhelfen.«

Die beiden Damen nicken eifrig und erzählen, dass sie die beiden Männer bei einem Begleitservice »gemietet« hätten, bei Exclusive Men – Begleiter für besondere Ansprüche.

Die Männer bestätigen die Aussage, nicht ohne auf die korrekte Bezeichnung »gebucht« hinzuweisen.

»Ja, das gibt der Sache einen touristischen Touch«, meint Andrea. »Sie sind Callboys, nicht wahr?«

Der eine Herr schüttelt den Kopf und sagt: »Wir arbeiten für einen Begleitservice, solides, eingetragenes Geschäft, Rechnungen mit Mehrwertsteuer. Wir werden gebucht für Feste, Empfänge oder fürs Oktoberfest, um Frauen zu begleiten und zu unterhalten, mehr nicht.«

»Und da haben Sie immer Ihre Lederslips dabei?«

»Wollen Sie uns vorschreiben, welche Unterhosen wir tragen? Sehen wir aus, als wären wir nicht freiwillig hier? Unsere Gastgeberinnen haben Ihnen doch unsere Geschäftsgrundlage genannt. Wir sind Begleitung auf der Wiesn. Und was Sie hier sehen, ist privat. Selbst wenn die Damen uns für ein bisschen Spaß ein Taschengeld zustecken, geht Sie das nichts an. Mal so generell: Ihr Eindringen ohne konkreten Anlass – das ist schon Hausfriedensbruch, oder? So seh ich das zumindest.«

»Wir haben Fotos, die Sie beide am Biertisch mit zwei Frauen zeigen, die nach einer ausschweifenden Liebesnacht nicht mehr aufgewacht sind. Was sagen Sie dazu?«

Jetzt sehen die beiden Männer sie geschockt an. Aus den Gesichtern der Damen ist die Restfarbe verschwunden. Plötzlich sind die Männer sehr kooperativ. Sie leugnen nicht, an den besagten zwei Abenden auf dem Oktoberfest gewesen zu sein, aber sie bestreiten, nach Schankende noch eine der besagten Damen begleitet zu haben. Sie hätten Anschluss-Engagements in einer Münchner Nobeldisco gehabt.

Andrea lässt sich Adresse und Telefonnummer ihrer Agentur geben, um die Alibis zu prüfen, und sagt schließlich: »Wir checken das. Und ich warne Sie – wenn das nicht bestätigt wird, sprechen wir nochmal ausführlich! Auf dem Präsidium. Und da bin ich dann nicht so nett. Ich melde mich morgen bei Ihnen. Und jetzt hauen Sie ab, aber schnell!«

Bedürfnisse

»Du lässt sie einfach laufen?«, fragt Marlies, als sie im Auto sitzen.

»Wir haben nicht wirklich etwas gegen sie in der Hand. Exclusive Men – kennst du diese Agentur?«

»Nein. Klingt eigentlich wie ein Schwulenclub.«

»Ich weiß nicht, was die alles im Angebot haben.«

Marlies grinst. »Die Ladys haben gar nichts mehr gesagt wegen der Fotos.«

»Tja. Haben sie in ihrer Panik wohl vergessen.«

»Vielleicht dachten sie zuerst, der Herrgott schickt Blitze auf den Ort der Sünde hernieder. Dabei war’s nur der Fotoblitz, der das frivole Treiben ins rechte Licht rückte.«

»Wirst du jetzt moralisch, Marlies?«

»Da wär ich die Letzte.«

Andrea grinst. »Mit den Bildern machst du aber nix!«

»Niemals. Bei meiner Großmutter. War’s das für heute?«

Andrea schüttelt den Kopf und zieht den Notizzettel mit den Kontaktdaten von Exclusive Men aus der Hosentasche. »Die Agentur besuchen wir gleich.«

»Na, ob da noch einer da ist?«

»Ach, das sind doch Nachtarbeiter. Je später der Abend, desto dringlicher die Bedürfnisse.« Andrea wählt die Nummer. Am anderen Ende der Leitung meldet sich tatsächlich noch jemand. Andrea vereinbart einen Termin und legt auf. »Wir fahren gleich hin. Die Agentur wird von einer Frau geführt. Sabine Kramberg.«

»Ja, Frauen wissen, was Frauen wollen. Wo geht’s hin?«

»Maximilianstraße.«

»Wo sonst? Edelboutiquen, Herrenausstatter, Anti-Aging-Ärzte.«

»Und Männer für gewisse Stunden.«

Der Porsche röhrt durch das mitternächtliche München. Andrea sieht auf das Display von Marlies’ Handy. Vier Nachrichten. Sie kennt die Nummer. Hört die Nachrichten ab. Josef. Verärgert. Sehr verärgert. Wird sie morgen in Stücke reißen. Kündigt er zumindest an. 

Sie wählt seine Nummer, erreicht aber nur den AB. Sie setzt schon an zu erklären, was sich ereignet hat, lässt es dann aber bleiben. Sie hat nichts Konkretes, außer dass sie zwei lebenslustige ältere Damen bei ihren Sexspielchen aufgeschreckt hat. Der Besuch bei der Agenturfrau wird zeigen, ob die beiden Männer wirklich ein Alibi haben. Wobei das mit ziemlicher Sicherheit bestätigt wird. Aber vielleicht erfahren sie ein bisschen mehr zu den Damenkränzchen auf der Wiesn.

Sie biegen in die Maximilianstraße. Die Agentur befindet sich an der Kreuzung zum Altstadtring in einem repräsentativen Bürokomplex, zusammen mit Rechtsanwaltskanzleien und Arztpraxen. Alle Vorurteile bestätigt.

Zu dieser späten Stunde findet Marlies sogar einen Parkplatz. Sie quetscht ihren alten Porsche zwischen einen Hummer-Geländewagen und ein Jaguar-Cabrio. »Gute Gesellschaft«, murmelt sie und folgt Andrea, die bereits die Klingelschilder an der Eingangstür des Bürohauses studiert.

Andrea sagt ihr Sprüchlein auf, der Summer ertönt.

Im Treppenhaus spiegelnder Marmor, mit gebürstetem Messing eingefasste Stufen.

Andrea deutet auf den Fotoapparat in Marlies’ Hand. »Nie ohne, oder?«

»Du gehst ja auch nicht ohne Pistole zur Arbeit. Ohne meine Nikon fühl ich mich nackt.«

Sie steigen in den Lift.

Im vierten Stock steht am Ende des Ganges eine Tür halb offen. Auf einen großzügigen Vorraum mit verwaistem Empfangstresen folgt ein weitläufiges, geschmackvoll eingerichtetes Büro. Teure Designermöbel, cremefarbener Teppich mit Mondrian-Muster.

Eine Frau mittleren Alters in elegantem, dunklem Kostüm sitzt hinter einem riesigen Glastisch, spricht in ihr Headset: »P1, Schuhmann’s, ja, alles klar. – Nein, Pacha machen wir nicht. – Und vergiss nicht, Toni hat morgen früh den Termin im Bayerischen Hof. – Alles klar, Helen?«

Wie ein Taxiunternehmen, denkt Andrea.

Jetzt ist die Dame fertig und nimmt das Headset ab. Kommt um den Tisch und reicht ihnen die Hand. »Sabine Kramberg, tut mir leid, um diese Zeit herrscht bei mir Hochbetrieb. Sie sind von der Polizei?«

»Frau Kramberg, wir sind nicht hier, um uns über die Seriosität Ihres Betriebs zu unterhalten …« Völlig falscher Einstieg, wie Andrea sofort merkt.

Die Agenturchefin kneift die Augen zusammen. »Mein Begleitservice ist hoch angesehen. Zu meinen Klientinnen gehören Richterinnen, Professorinnen und Politikerinnen!«

Andrea nickt kühl, gibt Marlies ein Zeichen. Marlies hält der Agenturchefin die Rückseite ihrer Kamera hin. Auf dem Display ist das Wohnzimmer der Villa in Pasing zu sehen. Als die Agenturchefin die Personen erkennt, zeigt sich Verblüffung in ihrem Gesicht, dann lacht sie laut und herzhaft.

»Was ist so komisch?«, fragt Andrea.

»Na ja, wenn ich sehe, was meine Jungs nach Dienstschluss so alles treiben. Oh, là, là!«

»Aha, nach Dienstschluss?«

»Von wann ist das Foto?«

»Taufrisch. Gerade erst gemacht.«

»Die beiden hatten nur Dienst auf dem Oktoberfest. So ist der Deal. Was sie hinterher treiben, ist nicht mein Bier.«

»Ja. Ein bisschen Taschengeld. So weit waren wir schon. Aber vorher, das war dienstlich? Wir brauchen die Termine der beiden Herren.«

»Sie dürfen sich gerne meine Dispo ansehen. Wenn es dafür einen guten Grund gibt.«

»Den gibt es. Die beiden Herren waren bei zwei Wiesn-Gesellschaften dabei, bei denen anschließend zwei Damen zu Tode kamen.«

»Wie, wer ist tot?!«

»Die Gräfin von Dalheim und Martina Wismar, die Ehefrau des bekannten Notars Wismar. Jeweils eine Überdosis K.-o.-Tropfen. Verabreicht bei einem Après-Wiesn-Rendezvous. Waren die Damen Kundinnen von Ihnen?«

Die Agenturchefin schluckt. »Ja, beide. Warum erfahre ich nichts davon, warum steht nichts in der Zeitung?«

»Wir halten die Presse vorerst raus. Um den Täter nicht aufzuschrecken. Wir denken, dass er nochmal zuschlägt.«

Die Agenturchefin nickt verwirrt. »Das ist ja furchtbar! Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann?«

»Können Sie. Gehen wir gemeinsam Ihren Terminkalender durch. Ich muss wissen, was die zwei Herren an den letzten beiden Abenden gemacht haben. Und ob die zwei verstorbenen Damen für diese Abende Verabredungen mit diesen Herren oder mit anderen Männern aus dieser Agentur hatten. Wir haben den Verdacht, dass die Person, mit der die Damen heimgegangen sind, für ihren Tod verantwortlich ist.«

»Es geht in beiden Fällen um dieselbe Person?«

»Ja, so sieht es aus. Und offenbar wollte diese Person mehr als nur ein bisschen Taschengeld.«

»Sparen Sie sich Ihre Anspielungen. Für meine Jungs lege ich die Hand ins Feuer! Das sind Gentlemen!«

Andrea sieht noch einmal auf den Bildschirm von Marlies’ Fotoapparat und kratzt sich am Kopf. »Gut, Frau Kramberg, Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn sich auch nur der Hauch eines Gerüchts über die Umstände des Todes zweier Ihrer Kundinnen herumspricht. Also, was haben Ihre Herren die letzten zwei Abende gemacht?«

Frau Kramberg nickt resigniert und schaut konzentriert in ihren Kalender.

»Beide hatten an diesen Abenden noch Spättermine. Die sie auch wahrgenommen haben.«

»Was für Spättermine?«

»Anschlusstermine. Mit jüngeren Kundinnen. Die älteren gehen ja lieber etwas früher aus, Empfänge, Oper oder ein Restaurantbesuch – gesellschaftliche Termine, bei denen man sich nicht so gern alleine zeigt. Jüngere Damen bevorzugen Bars oder Discos und ersparen sich dort lästige Anmachversuche.«

»Gut, die beiden Herren hatten also noch Spättermine. Können Sie das präzisieren?«

Die Agenturchefin dreht den Laptop zu ihren Besucherinnen und deutet auf das Display: »Hinter jedem Termin stehen zwei Personen. Dienstleister und Kundin. Auch wenn ich keinen gesteigerten Wert darauf lege, dass Sie sich bei den betreffenden Damen melden, die Termine sind überprüfbar – also, theoretisch.«

Andrea liest die Namen und muss grinsen. Bestens bekannt in München.

»Ich verlasse mich auf Ihre Diskretion.«

Andrea nickt und zieht die Fotos mit den Tischgesellschaften der verstorbenen Damen aus der Tasche. »Schauen Sie bitte mal auf die Bilder. Vielleicht ist da etwas, was wir übersehen haben.«

Frau Kramberg betrachtet die Fotos. »Die Damen kenn ich, auch wenn nicht alle Kundinnen bei mir sind.« Sie legt die Fotos nebeneinander, konzentriert sich.

»Stimmt was nicht?«, fragt Andrea.

»Ich weiß nicht. Hier sitzt noch jemand am Tisch, man sieht nur den Hinterkopf, sehen Sie, der blonde Haarschopf. Der kommt mir bekannt vor. Und hier derselbe Mann im Hintergrund. Man sieht nur den Arm, aber es ist derselbe blaue Janker. Mit den großen Knöpfen. Sehen Sie?«

Jetzt sehen es auch Marlies und Andrea. Da ist an beiden Abenden noch jemand mit am Biertisch. Jemand, dem sie noch keine Beachtung geschenkt haben. Wie auch. Man sieht kaum etwas von ihm. Ein geheimnisvoller Dritter!

Marlies drückt hektisch auf ihrer Kamera herum. »Ich hatte heute so einen Blondschopf vor der Linse. So ein Schönling. Kurze wasserstoffblonde Haare. Das war im Käfer-Zelt.« Sie klickt sich weiter durch die Bilder. Schließlich stoppt sie. »Hier, auch nicht komplett, etwas unscharf, ganz links außen.«

Andrea und die Agenturchefin starren auf das Bild. Der blaue Janker. Marlies zoomt den Bildausschnitt heran. Das leicht verschwommene Gesicht eines Mannes um die Dreißig.

Frau Kramberg nickt. »Das ist Mike, also Michael Kramer, er hat früher für mich gearbeitet. Dann gab es Stress mit einer meiner besten Kundinnen. Es ging um Geld. Ich hab ihn gefeuert.«

»Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«, fragt Andrea.

»Nein, er ist damals einfach verschwunden, nach Zürich angeblich. Das muss vor fünf Jahren gewesen sein. Ich hab nie wieder von ihm gehört. Sieht aus, als wär er wieder da.«

»Und reaktiviert alte Kontakte. Offenbar braucht er Geld. Und benutzt dazu K.-o.-Tropfen. Leider überdosiert. Adresse haben Sie nicht?«

»Nein. Wir haben uns im Streit getrennt.«

»Okay, das kriegen wir raus. Michael Kramer.«

Marlies deutet auf das Bild. »Viel wichtiger ist im Moment: Wer ist die Frau, die sich hier an ihn lehnt? Das Foto ist von heute Abend!«

Die Agenturchefin wird blass. »Das ist Else.«

»Wer?«, fragt Andrea.

»Elisabeth von Geiersfeld.«

»Können Sie sie anrufen und warnen?«

Frau Kramberg greift zum Telefon, wählt, wartet, schüttelt den Kopf. »Ans Handy geht sie nicht.« Sie probiert noch eine Nummer, wieder erfolglos. »Zu Hause geht auch keiner dran!«

»Wo wohnt sie?«

»Auf Schloss Geiersfeld bei Dachau.«

»Nichts wie los!«, meint Andrea und dreht sich zum Gehen.

Marlies hält sie fest. »Willst du nicht lieber deine Kollegen anrufen? Die können doch von Dachau aus jemanden schicken.«

»Bislang ist es nur ein Verdacht. Wie spät ist es jetzt?«

»Kurz vor eins.«

»Das Bild ist aus dem Käfer-Zelt?«

»Ja, wieso?«

»Die haben länger offen. Bis halb eins.«

»Else ist immer bei den Letzten, wenn’s ums Heimgehen geht«, sagt die Agenturchefin.

»Wir fahren zu ihr nach Hause!«, sagt Andrea.

»Aber wenn sie einfach in ein Hotel gehen?«, meint Marlies.

»Da gibt es doch nichts zu holen für ihn. Los jetzt!«

»Kann ich mitkommen?«, fragt Frau Kramberg. »Else ist eine gute Freundin von mir.«

»Sie wissen bestimmt, wie wir unbemerkt ins Schloss kommen, oder?«

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