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Fighting to be Free - Nie so geliebt

hier erhältlich:

Es ist Jamies letzte Chance auf ein normales Leben. Bisher war seine Existenz bestimmt von Armut und Gewalt. Frisch aus dem Gefängnis entlassen ist er voller guter Vorsätze. Doch so leicht entkommt man seiner Vergangenheit nicht. Dann begegnet er Ellie -- und sie verkörpert all das, wonach er sich sehnt. Die Anziehungskraft reißt sie beide mit. Jamie will alles tun, sich ihrer würdig zu erweisen, der Mensch zu werden, den Ellie lieben kann. Aber noch hat er ihr nicht die Wahrheit über seine dunklen Taten gestanden. Sind Ellies Gefühle stark genug, um bei ihm zu bleiben? Bei einem Mann, der das Leben eines anderen auslöschte …

"Packend, herzzereißend und ein umwerfender Held, der einen dahinschmelzen lässt."
Bestsellerautorin Sophie Jackson

Begeisterte Lesestimmen im Netz:

"Du wirst lachen, laut seufzen, dich vielleicht sogar aufregen … und bestimmt weinen. Sei drauf gefasst".
Leserstimme auf goodreads

"Wann kommt die Fortsetzung??? Ich kann nicht mehr länger warten."
Leserstimme auf Wattpad

"Diese Geschichte ist so anders als die anderen Geschichten, die ich bisher gelesen habe -- und das ist großartig! Ich liebe "Fighting to be Free"
Leserstimme auf Wattpad

"Er ist ein echter Beschützer. Ich will auch einen Jamie".
Leserstimme auf Wattpad


  • Erscheinungstag: 12.06.2017
  • Aus der Serie: Fighting To Be Free
  • Bandnummer: 1
  • Seitenanzahl: 528
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955766412
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Lee
Deine Unterstützung kennt keine Grenzen,
ich habe dich wirklich nicht verdient.

Prolog

Es gibt Momente im Leben, die den Blick auf das eigene Ich entscheidend prägen. Es ist wie eine Art Verschiebung der Balance, ein Abschütteln des Gleichgewichts. Bestimmte Momente, in denen sich alles zum Besseren oder Schlechteren wendet. Für mich war das hier ein solcher Moment. Alles hing in der Schwebe, alles war unsicher, unentschieden, ungeschrieben.

Dies hier war mein zweiter Versuch, meine Chance, aus dem Schatten ins Licht zu treten. Mit jeder Faser meines Körpers kämpfte ich darum, mich von diesem Leben zu befreien – und wenn es das Letzte wäre, das ich tat.

Das Problem war, dass es nicht in meiner Macht stand. Vielleicht würde ich mein Bestes geben, doch nicht akzeptiert werden. Vielleicht wäre ich niemals gut genug. In der Gesellschaft galten bestimmte Übereinkünfte, Regeln, Abmachungen, und ein Typ wie ich passte da nicht hinein.

Ab und zu widerfährt einem etwas, was in einem den Wunsch weckt, tatsächlich der Mensch zu sein, der man immer sein wollte. Ein besserer Mensch. Als ich alles andere abstreifte, all die dreckigen, rohen, kaputten Schichten abschälte, war nur noch Hoffnung übrig. Die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf eine leuchtende Zukunft. Einfach die Hoffnung auf eine Chance.

Mit diesem Feuer im Innersten wird aus einem „Was wäre, wenn …“ plötzlich eine echte Möglichkeit. Was wäre, wenn man alte Vorstellungen abwerfen würde? Was wäre, wenn man alles beiseiteschieben würde, was bisher als gesetzt galt? Was wäre, wenn der böse Junge ausnahmsweise einmal der Held der Geschichte sein könnte?

Worauf alles hinausläuft, ist vermutlich das hier: Mein Name ist Jamie Cole, und ich bin ein Mörder.

1. Kapitel

Ich holte tief Luft, trat zögerlich über die Schwelle und verließ den Ort, an den ich nie wieder zurückkehren wollte. Das hatte ich mir geschworen. Ich war frei. Endlich. Nachdem ich über vier Jahre im Jugendgefängnis verbracht hatte, war ich frei, ganz neu anzufangen. Tief in meiner Tasche vergraben, damit ich es nicht verlieren konnte, trug ich knapp zweitausend Dollar bei mir – es war mein Lohn für den Küchendienst, den ich während meiner Haftzeit übernommen hatte. In der Tasche war außerdem die Adresse des Wohnheims, in dem mir mein Bewährungshelfer einen Platz besorgt hatte. Wenn ich es richtig verstanden hatte, handelte es sich um irgendeinen beschissenen Wohnblock, in dem verurteilte Verbrecher untergebracht wurden, die in die Gesellschaft wiedereingegliedert werden sollten.

Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, kriegte ich für einen winzigen Moment Panik, weil ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt frei sein wollte. Doch im nächsten Augenblick wurde mir bewusst, dass ich draußen war. Nicht an dem Platz, auf dem der tägliche Hofgang stattfand und der das einzige „Draußen“ war, das ich in den letzten Jahren zu sehen bekommen hatte, sondern in der Freiheit. Die Januarsonne schien, und es gab keine Mauern, auf denen Stacheldraht gespannt war, sondern nur die offene, unverbaute Sicht auf eine Straße und ein Taxi, das ein paar Meter entfernt stand und offensichtlich darauf wartete, mich zu meiner neuen Unterkunft zu bringen. Nervöse Aufregung machte sich in mir breit.

Ich schlang mir die Tasche über die Schulter, in der sich meine gesamten Habseligkeiten befanden: ein paar Klamotten und ein Foto meiner kleinen Schwester Sophie. Während ich die ersten Schritte machte und das Tor hinter mir ließ, hämmerte mein Herz wie wild. Es fühlte sich komisch an, den Ort zu verlassen, der in den letzten Jahren mein Zuhause gewesen war. Ich wartete darauf, dass der Alarm ertönen und irgendjemand mich zu Boden werfen würde, um mich dann mit einem Schlagstock zu verprügeln. Aber es passierte nicht. Schnell ging ich zu dem wartenden Taxi. Ich blickte nicht zurück. Ich blickte nie zurück. Das hier war mein Neuanfang. Dieser Ort war meine Rettung gewesen, und ich hoffte, dass er mein Leben verändert hatte und mir nun zumindest eine Außenseiterchance ermöglichte. Ich wollte nicht zurück in das Leben, das ich geführt hatte, bevor das alles geschehen war. Ich konnte nicht länger so leben. Ich war fest entschlossen, alles zu ändern.

„Hey, Kid!“, rief jemand, als ich gerade die Tür des Taxis öffnen wollte.

Ich drehte mich um. Mir stockte der Atem beim Anblick der vertrauten Gestalt, die aus einem glänzenden schwarzen Mercedes stieg, der ein Stück entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand.

„Ed?“ Ich hatte den Mann nicht mehr gesehen, seit ich ins Gefängnis gekommen war. Und ich wollte ihn auch jetzt nicht sehen.

Ed lief herüber und umarmte mich. Schwungvoll haute er mir auf den Rücken. „Schön, dich wiederzusehen“, begrüßte er mich fröhlich.

Ed hatte sich nicht verändert. Er war noch immer ein schmieriger Idiot in einem total übertriebenen Outfit. „Was machst du denn hier?“, fragte ich und schaute mich nervös um. Ich wollte nicht dabei beobachtet werden, wie ich mich mit Leuten wie ihm unterhielt.

„Der Boss will dich sehen.“ Mit dem Kopf wies Ed zu dem Wagen, der ungefähr zehn Meter von dem Taxi entfernt parkte, in das ich so gern einsteigen wollte.

„Ich kann gerade nicht. Ich muss in meine neue Unterkunft fahren“, entgegnete ich ablehnend und dachte fieberhaft über eine bessere Ausrede nach. Doch im Grunde wusste ich, dass es keinen Unterschied machte. Wenn Brett Reyes mich sehen wollte, dann würde er mich sehen – ob ich nun bei Bewusstsein war oder nicht.

Ed lächelte. „Der Boss will dich sofort sehen, Kid. Deine neue Unterkunft kannst du dir auch später noch anschauen.“ Er drehte sich um und ging zu seinem Auto, ohne sich noch einmal umzusehen.

Mein Blick verfinsterte sich. Ich hasste es, Kid genannt zu werden. So hatten sie mich genannt, während ich für Brett gearbeitet hatte. Das lag vermutlich daran, dass ich noch ein Kind gewesen war, als ich damit angefangen hatte. Meinen ersten Job für ihn erledigte ich mit elf – damals hatte ich einen unauffälligen Umschlag mit Geld durch das Fenster eines parkenden Polizeiwagens werfen sollen. Bestechungsgeld. Die Cops schauten einfach weg, wenn es um Bretts Geschäfte ging, und kriegten im Gegenzug dafür eine nette Belohnung. Perfekt.

Ich schloss die Augen und seufzte niedergeschlagen, ehe ich mich hinunterbeugte, ins Taxi blickte und den Fahrer bedauernd anlächelte. „Tut mir leid, ich brauche Sie doch nicht.“ Ich wartete nicht auf seine Antwort, knallte einfach nur die Tür zu und folgte Ed. Dann stieg ich auf den Beifahrersitz des Mercedes.

Ich fühlte mich elend. Es gab keinen Ausweg. Wahrscheinlich würde ich den heutigen Tag nicht überleben. So viel zu dem Neuanfang, den ich mir so sehr gewünscht hatte. Ich würde nicht einmal den Sonnenuntergang betrachten können. Zu sagen, dass mein Leben im Moment scheiße war, war die Untertreibung des Jahrzehnts.

Ich lehnte den Kopf gegen den teuren Ledersitz und starrte aus dem Fenster. Die Landschaft veränderte sich und wurde immer städtischer, je weiter wir nach New York City hineinfuhren. Ich vermutete, dass wir nach Queens fuhren, wo Brett für gewöhnlich seine Geschäfte abwickelte. Ich seufzte stumm und fragte mich, warum ich überhaupt die Hoffnung zugelassen hatte, dass sich irgendetwas ändern könnte. Auf keinen Fall würde Brett mich lebend davonkommen lassen – dazu wusste ich viel zu viel über ihn. Doch obwohl mein Wissen ihn für Jahre hinter Gitter bringen konnte, hätte ich niemals etwas erzählt. Man hatte mir zahlreiche Deals angeboten, als ich in den Knast gegangen war: Strafminderung, ein erstklassiges Gefängnis statt des Lochs, in das ich gewandert war, und einen angenehm leichten Job während der Haftzeit. Aber ich hätte niemals als Kronzeuge ausgesagt und mich gegen Brett gestellt.

Ungefähr vierzig Minuten später hielten wir vor der Lagerhalle, in der ich als Heranwachsender so viel Zeit verbracht hatte. Hier hatte sich nichts verändert. Mein Magen zog sich zusammen, während ich darüber nachdachte, was wahrscheinlich im Inneren der Halle mit mir passieren würde. Ich konnte nur hoffen und beten, dass es schnell gehen und schmerzlos sein würde. So sehr respektierte Brett mich bestimmt.

„Komm, Kid, lass uns los“, forderte Ed mich auf und stieg aus dem Auto.

Das Geräusch der Trennschleifer und Schweißgeräte, das aus der Werkstatt der Lagerhalle an meine Ohren drang, war wie vertraute Musik für mich. Ich hatte in meiner Kindheit viel zu viele Stunden hier verbracht und gelernt, wie man Serien- und Fahrgestellnummern entfernte, damit wir die Wagen verkaufen konnten, die ich auftragsgemäß geklaut hatte. Ich war der beste Autodieb in Bretts Organisation gewesen. Es lief so: Die Leute gaben ihre Bestellung auf, Brett fand die passenden Wagen, und ich stahl sie. Ganz einfach. Ich war nie auch nur im Entferntesten in Gefahr gewesen, geschnappt zu werden. Brett ließ keine alten Schrottmühlen stehlen – sie mussten erstklassig sein. Es wurden auch keine Fahrzeuge gestohlen, die weniger wert waren als einhunderttausend Dollar.

„Hey, Kid. Lange nicht gesehen!“, rief jemand.

Ich blickte mich um und entdeckte Ray, der seine Schweißmaske abnahm. Er war derjenige, der mir alles beigebracht hatte, was ich über Autos wusste. Ich ging zu ihm und umarmte ihn unbeholfen, während er mir liebevoll auf den Rücken klopfte.

„Hey, Ray. Wie geht’s?“, erkundigte ich mich und betrachtete unauffällig den silbernen Porsche 911, der auf der Hebebühne stand.

„Es läuft toll. Ich habe eine Tochter“, antwortete er stolz, zog einen seiner dicken Lederhandschuhe aus und strich sich mit der Hand durch das verschwitzte braune Haar.

„Ohne Scheiß? Glückwunsch!“

„Danke. Wir haben sie Tia genannt. Sie ist mittlerweile zwei“, erzählte er und grinste.

Ich schlug ihm auf die Schulter. Er hatte sich immer um mich gekümmert und war mit Sicherheit ein toller Vater. „Das ist großartig, Mann. Echt schön.“ Ray hatte es verdient, glücklich zu sein. Er war einer der besten Menschen, die ich kannte.

„Danke. Wie ist es dir ergangen?“ Langsam glitt sein Blick über mich – wahrscheinlich suchte er nach Verletzungen oder blauen Flecken.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ganz okay. Ich treffe mich gleich mit Brett. Wir unterhalten uns später noch mal. Wie wäre es mit einem Drink oder so?“ Da ich in Zukunft sauber bleiben wollte, wollte ich eigentlich nichts mehr mit irgendjemandem aus dieser Welt zu tun haben, doch Ray war eine Ausnahme. In meinen Augen war er wie ein großer Bruder für mich, und ich würde gern in Kontakt mit ihm bleiben. Na ja, falls ich die nächsten Minuten überleben sollte – was leider sehr zweifelhaft war.

„Sehr gern. Hier, ich gebe dir meine Nummer. Ruf mich an, dann machen wir etwas aus. Weißt du schon, wo du unterkommst? Du könntest erst einmal bei Samantha und mir wohnen, das würde ihr nichts ausmachen. Dann könntest du auch gleich Tia kennenlernen“, bot er an, schrieb seine Telefonnummer auf ein Stückchen Papier und reichte es mir.

Ich steckte es ein und sagte: „Ist schon in Ordnung. Ich habe eine Bleibe. Aber trotzdem danke.“

„Kid, los jetzt. Der Boss wartet nicht gern!“, rief Ed hinter mir.

Tief seufzend umarmte ich Ray noch einmal. Ich hatte das Gefühl, mich auf meinen letzten Weg zu begeben.

Während ich die Treppe hinaufstieg, dachte ich über mein Leben nach. Mein achtzehn Jahre kurzes Leben. Vertan. Ein Haufen Dreck. Warum machte ich mir überhaupt Gedanken darüber? Um ehrlich zu sein, hatte ich mir fünfzehn der achtzehn Jahre lang sowieso gewünscht, tot zu sein, also war dieser Ausgang vielleicht doch nicht der schlechteste. Zumindest müsste ich so nicht mehr versuchen, mich zu ändern. Sich zu verändern würde schwer werden – wahrscheinlich schwerer als alles, was ich je getan hatte. Vielleicht sollte ich sogar dankbar dafür sein, dass ich gleich ins Gras beißen würde.

Ich blieb vor der Bürotür stehen und wartete, während Ed anklopfte.

„Herein!“, rief Brett von drinnen. Der Klang seiner tiefen, rauen Stimme ließ mich erstarren.

Ed lächelte und drehte den Türknauf. „Wir sehen uns später, Kid. Dann reden wir“, meinte er, öffnete die Tür und klopfte mir auf die Schulter.

„Klar, Ed, meinetwegen“, erwiderte ich und rollte mit den Augen. Ich hatte keine Ahnung, warum er sich anstrengte, so zu tun, als wüsste er nicht, was nun passieren würde.

Ich hielt die Luft an und zwang mich, ruhig zu bleiben. Ich schaute mich in dem riesigen Büro um. Es war noch immer so außergewöhnlich eingerichtet, wie ich es in Erinnerung hatte. Bretts sehr großer antiker Eichenschreibtisch befand sich noch immer mitten im Raum. Hinter ihm standen teure Vasen und Statuen, und selbst die Grünpflanze auf dem Schreibtisch wirkte exotisch. Brett Reyes liebte das Exklusive, das war schon immer so gewesen.

Brett erhob sich aus seinem Schreibtischsessel. Er trug einen teuren, maßgeschneiderten grauen Anzug und lächelte mich warmherzig an. „Hey, Kid! Schön, dich wiederzusehen“, sagte er, kam um den Schreibtisch herum und umarmte mich.

„Danke gleichfalls“, schwindelte ich und versuchte, das leichte Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. Mir war klar, wie die Sache hier enden würde. Ich betete nur, dass er mich genug mochte, um es schnell zu erledigen. Ein hübscher Schuss ins Gesicht wäre gut oder besser noch in den Hinterkopf, damit ich es nicht würde kommen sehen.

Brett trat einen Schritt zurück. Seine blauen Augen wirkten weich und freundlich. Während meiner Abwesenheit war er erheblich gealtert. Seine Stirn war faltig, und sein schmutzig-blondes Haar war schütter geworden. Dennoch sah er noch immer nicht so alt aus, wie er in Wirklichkeit war. Er war bestimmt Mitte fünfzig, doch die Leute hielten ihn oft erst für Anfang vierzig.

„Also, wie war es?“, fragte er und packte meine Schultern, während er auf meine Antwort wartete.

„Es war okay.“ Ich blickte mich um und bemerkte zwei Typen, die auf einem Sofa an der Wand saßen. Den älteren dunkelhaarigen Mann hatte ich noch nie gesehen. Den anderen Kerl kannte ich aus dem Jugendknast. Shaun. Er war ein Arschloch, und ich hatte in dem einen Jahr, das wir zusammen im Gefängnis verbracht hatten, oft miterlebt, wie er Leuten das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ich selbst war auch ein paarmal mit ihm aneinandergeraten. Die letzte Auseinandersetzung hatte damit geendet, dass ich ihn, kurz bevor er entlassen worden war, mit dem Gesicht auf einen Tisch geschlagen hatte. Ich unterdrückte ein Stöhnen. „Hey, Shaun“, grüßte ich ihn steif.

Brett grinste und schlug mir auf die Schulter, bevor er wieder hinter den Schreibtisch trat. „Ja, mir ist schon zu Ohren gekommen, dass ihr beide drinnen ein paar Probleme miteinander hattet“, sagte er und lachte noch immer. „Vielleicht solltet ihr euch einen Kuss geben und euch wieder vertragen.“

Verächtlich schnaubte ich. „Er kann mir mal den Hintern küssen, wenn er will“, erwiderte ich und schaute Shaun warnend an, als er mich anfunkelte und aufstand.

„Du kleiner Scheißer … Ich schwöre bei Gott, dass ich …“, begann er, doch Brett hob die Hand und bedeutete ihm, den Mund zu halten.

„Genug! Ich werde nicht zulassen, dass ihr beide euch streitet. Shaun, du bist seit drei Jahren hier, also weiß ich, wie du tickst. Aber glaube mir, dass du dich nicht mit Kid anlegen willst“, warnte er ihn.

Ich presste die Lippen aufeinander. Ich wollte keinen Streit, keine Auseinandersetzung, doch ich konnte mich verteidigen, wenn es nötig werden würde. Ich war immer gut darin gewesen, auf mich aufzupassen – wahrscheinlich, weil ich gelernt hatte, den Schmerz auszublenden. Natürlich spürte ich ihn, aber er machte mir einfach nichts aus. Durch Schmerz wurde ein Mensch nur stärker. Er bedeutete, dass man noch lebendig war. Schmerz konnte ein Freund sein, wenn man sich innerlich schon tot fühlte.

Ich lächelte Shaun herausfordernd an, wollte ihn provozieren, sich Bretts Befehlen zu widersetzen. Er grinste mich höhnisch an, setzte sich jedoch wieder hin. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Brett zu.

„Also, Kid, ich habe dir eine Wohnung besorgt. Ich dachte, du brauchst vielleicht ein paar Tage, um dich einzuleben, und kommst dann Freitagabend wieder her, um einen Job zu erledigen“, erklärte Brett und durchwühlte dabei die oberste Schublade seines Schreibtisches. Er holte einen Schlüsselbund hervor und warf ihn mir zu. „Hier. Es ist eine Zweizimmerwohnung. Das mit der Miete und so besprechen wir später noch.“

Ich legte den Schlüsselbund auf den Schreibtisch und schüttelte den Kopf. „Danke, Brett, dass du dir so viele Umstände machst, aber ich kann nicht. Ich will das nicht mehr. Von jetzt an halte ich mich aus allen kriminellen Machenschaften raus.“

Brett verspannte sich bei meinen Worten sichtlich. „Kid, ich brauche dich hier. Niemand kann Autos so stehlen wie du.“ Der zuckende Muskel in seinem Kiefer verriet mir, dass er allmählich wütend wurde.

„Es tut mir wirklich leid, Brett. Doch ich bin nicht mehr so motiviert wie früher. Ich bin fertig mit diesem Scheiß“, erwiderte ich mit Nachdruck. Mein Entschluss stand fest: Ich kehrte meiner kriminellen Laufbahn den Rücken, auch wenn er mich dafür töten würde. Ich brauchte das hier nicht mehr. Die Gründe, die mich dazu gezwungen hatten, hatten sich an dem Tag erledigt, als ich zum Mörder geworden war. An jenem Tag hatte sich alles verändert: meine Zukunftsperspektive, meine Prioritäten, einfach alles.

Mit der Faust schlug er krachend auf den Schreibtisch. Die Grünpflanze erzitterte, und ein Behälter mit Stiften fiel um. „Glaubst du, du könntest einfach so davonspazieren? Mehr als drei Jahre lang habe ich mich um dich gekümmert und dich in meine Geschäfte eingeweiht! Drei Jahre lang habe ich dich ausgebildet, und du glaubst, du könntest jetzt abhauen? Das kannst du nicht!“, brüllte er.

„Brett, ich will dieses Leben nicht mehr, ich will das alles hinter mir lassen. Ich will keine krummen Dinger mehr drehen. Ich werde es nicht machen. Tut mir leid.“ Ich schüttelte den Kopf und schaute ihn eindringlich an, um ihm zu zeigen, dass ich nicht nachgeben würde.

Er seufzte. Erneut zuckte der Muskel in seinem Kiefer. Er nickte den beiden Typen hinter mir zu. Ich schloss die Augen und wartete darauf, jetzt zu sterben. Zusammen packten sie meine Arme und hielten sie hinter meinem Rücken fest, während sie mich mit dem Kopf voran auf den Schreibtisch pressten. Einer von ihnen drückte mir den Unterarm in den Nacken, sodass ich kaum noch Luft kriegte.

Ich hielt die Augen geschlossen, während ich etwas Hartes, Kaltes an meiner Schläfe spürte. Als der Hahn gespannt wurde und ich das Klicken hörte, wartete ich darauf, dass mein Leben vor meinem inneren Auge vorbeiziehen würde oder dass ich irgendeine Erleuchtung haben würde. Doch nichts dergleichen geschah, während mir die Waffe immer weiter gegen den Kopf gedrückt wurde, bis es wehtat.

„Kid, du kennst die Regeln. Wenn du die Organisation verlassen willst, kannst du es dir verdienen. Du schuldest mir noch immer etwas für all das, was ich in dich investiert habe“, stieß Brett wütend hervor.

Ich zwang mich, die Augen zu öffnen, und sah, dass er derjenige war, der die Waffe in der Hand hielt. Er hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und funkelte mich an. Ich versuchte erst gar nicht, mich zu wehren. Ich war sowieso schon tot – unter keinen Umständen würde ich dieses Büro lebend verlassen.

„Bring mich um, wenn es sein muss, denn ich werde es nicht tun“, entgegnete ich und probierte, den Kopf zu schütteln.

„Ich will dich nicht umbringen, Kid. Du bist großartig in dem, was du machst. Der Beste, den ich je gesehen habe. Es wäre die reinste Verschwendung“, sagte Brett und blickte mich hoffnungsvoll an.

Der Arm auf meinem Nacken drückte mich noch ein bisschen weiter nach unten. Ich stöhnte auf, als ich tief einatmen wollte. „Nein!“, brachte ich hervor.

Frustriert fluchte Brett. „Du musst einen Job für mich erledigen. Fünf Autos in einer Nacht. Noch diesen einen Job, dann kannst du gehen.“

Nur einen Job? Aber würde danach tatsächlich Schluss sein? Der Nervenkitzel beim Autodiebstahl war wie eine Droge. Könnte ich wieder damit aufhören, wenn ich jetzt noch einmal damit begann? Ich war mir nicht sicher.

„Ich kann es nicht“, erwiderte ich und ignorierte den Geschmack von Blut, der sich in meinem Mund ausbreitete, als ich mir von innen in die Wange biss. Ich wusste, was kommen würde, und es würde auf jeden Fall schmerzhaft sein.

Doch ich starb nicht den langsamen brutalen Tod, den ich erwartet hatte. Stattdessen wurde die Waffe weggenommen, und Brett trat einen Schritt zurück. „Du solltest an deine Mutter denken, Kid. Ihr geht es total dreckig. Zuerst wird ihre Tochter ermordet, und dann landet ihr Sohn im Gefängnis. Ihr Leben ist völlig aus der Bahn geraten. Ich habe mich an deiner Stelle um sie gekümmert. Es wäre eine Schande, wenn ihr etwas zustoßen würde, nachdem sie so vieles durchgemacht hat.“ Er zuckte lässig mit den Schultern, als würde er über das Wetter sprechen.

Der Arsch bedroht meine Mom? Ich wand mich, bis es mir gelang, einen Arm zu befreien, sodass ich mich hochdrücken konnte. Aber bevor ich etwas tun konnte, wurde ich brutal auf den Tisch zurückgeworfen.

„Wage es ja nicht!“, schrie ich zornig.

Brett lachte leise. „Kid, ich mag sie. Wirklich. Ich will ihr nicht wehtun. Nur noch diesen einen Job, und ich werde deine Mutter in Ruhe lassen“, bot er an.

Ich schloss die Augen. Sosehr ich meine Mom auch hasste, so war sie doch am Ende immer noch meine Mom, und ich wollte nicht, dass ihr etwas zustieß. Vor allem wollte ich nicht, dass sie Schmerzen erleiden musste, wie Brett sie schon so vielen anderen Menschen zugefügt hatte. Ich hatte es selbst gesehen.

Unbeholfen nickte ich. Meine Lunge füllte sich wieder mit Luft, da wurde ich an meinem T-Shirt hochgerissen. Shaun grinste mich böse an, als er meinen Kopf tätschelte. „Guter Junge“, zog er mich herablassend auf. Ich biss die Zähne zusammen und ließ mich nicht provozieren.

Brett klatschte in die Hände und rieb sie aufgeregt. „Toll! Der Job findet in drei Tagen statt. Nimm dieses Handy. Ich werde dich anrufen und dir die Details mitteilen. Ich habe alles für dich vorbereiten lassen. Und nimm auch die Wohnung.“ Er schob das Handy und die Schlüssel für die Wohnung über den Schreibtisch zu mir herüber.

Ich griff nach dem Telefon und schob es tief in meine Hosentasche. „Ich habe schon eine Unterkunft. Ein Job ist das, worauf wir uns geeinigt haben, also brauche ich die Wohnung nicht. Trotzdem danke“, meinte ich und bemühte mich, höflich zu sein, auch wenn ich ihn eigentlich zusammenschlagen wollte.

„Okay, Kid. Wie du willst.“

Ich wandte mich zum Gehen, aber dann entdeckte ich Shaun, der mich arrogant und höhnisch angrinste. Bevor ich überhaupt wusste, wie mir geschah, riss ich den Arm hoch und rammte ihm meine Faust mitten ins Gesicht. Das befriedigende Geräusch, das erklang, als sein Nasenbein brach, zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Blut spritzte aus seinen Nasenlöchern. Er schrie erschrocken auf und hob die Hand, um das Blut zu stoppen.

„Rühr mich nie mehr an. Dann hast du deinen guten Jungen“, stieß ich wütend hervor und benutzte seine Worte. Ich drehte mich um und marschierte zur Tür, ohne Brett zu beachten, der brüllend lachte.

2. Kapitel

„Hier ist es“, verkündete der Taxifahrer und verschloss mit dem Ellbogen von innen die Wagentür auf seiner Seite, als er vor dem heruntergekommenen Gebäudekomplex hielt.

Ich bemühte mich, nicht die Nase über den Ort zu rümpfen, den der Staat für mich ausgesucht hatte und an dem ich nun nach meiner Entlassung leben sollte, und reichte dem Taxifahrer das Geld. Danach stieg ich aus. Augenblicklich umwehte mich der süßliche Duft von Marihuana, der von einer Gruppe Leute herüberwaberte, die herumstanden und am helllichten Tag Joints rauchten. Das Taxi raste davon, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Ich stand inmitten dieser unangenehmen Leute, die mich ausnahmslos so anblickten, als wollten sie mich entweder verprügeln oder vergewaltigen.

Als ich den Weg zur Vorderseite des Gebäudes entlangging, stellte sich mir ein Mädchen in den Weg, das noch minderjährig zu sein schien, und legte die Hand auf meine Brust. Die Augen der jungen Frau waren blutunterlaufen, ihr Haar war zerzaust, und sie sah aus, als hätte sie sich seit einer Woche weder gewaschen noch ihre extrem knappe Bekleidung gewechselt. „Hey, Süßer, suchst du jemanden?“, fragte sie.

„Nein danke“, erwiderte ich schnell und ging zielstrebig weiter Richtung Eingangstür.

Als ich im Haus war, trat ich an den kleinen Empfangstresen. Bei jedem Schritt klebten meine Schuhe auf dem kaputten Fliesenfußboden. Ich musste lachen, als ich bemerkte, dass der Mann am Empfang hinter dicken Gitterstäben und einer Glasscheibe saß, die vermutlich schusssicher war. Er hatte sogar eine Handfeuerwaffe neben seinem Schreibtisch liegen.

Er grinste widerlich, als er mich näher kommen sah. „Ja?“, fragte er und stellte den Fernseher leise, in den er gestarrt hatte.

„Hallo. Ich bin Jamie Cole. Mir wurde gesagt, dass ich hier ein Zimmer beziehen kann.“

„Cole? Mal schauen …“ Er bewegte sich auf seinem Stuhl, der unter dem veränderten Druck quietschte, und durchsuchte einen Papierstapel.

Ich drehte mich kaum merklich um, sodass ich den Flur im Blick hatte. Ich wollte sichergehen, dass sich niemand von hinten anschlich. Inzwischen war ich ziemlich gut darin, mich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Solange man die Gefahr kommen sah, konnte man sich entscheiden, ob man sich ihr stellte oder sich umdrehte und ging.

„Ja, da sind Sie.“ Er hakte auf einer Art Liste meinen Namen ab. Er schniefte und rieb sich mit dem Handrücken über die Nase, als er sich dann schwerfällig von seinem Drehstuhl erhob und zu einem kleinen Schränkchen ging, das an der Wand hing. Er nahm einen Schlüsselbund heraus, schlurfte zurück und ließ sich ächzend auf den Stuhl fallen. Es sah aus, als wäre ihm einfach alles zu anstrengend. Der Kerl schleppte ungefähr fünfzig Pfund reines Fett am Bauch mit sich herum – kein Wunder also, dass das Leben ihn erschöpfte.

Er warf ein paar Formulare und einen Stift in eine kleine Metallschublade und schob sie aus seinem schützenden kleinen Kokon nach vorn, sodass sie auf meiner Seite wieder herauskam. „Unterschreiben Sie unten, das wär’s dann“, wies er mich an, als ich die Papiere aus der Schublade nahm.

Ich kritzelte meinen Namen darauf und gab sie ihm zurück.

Er beachtete sie kaum und warf sie zur Seite. „Okay. Es gibt nicht viele Regeln hier. Versuchen Sie einfach, sich aus allem Ärger herauszuhalten. Achten Sie darauf, Ihre Tür abzuschließen, auch wenn Sie im Zimmer sind. Behalten Sie Ihre Wertgegenstände immer bei sich, oder legen Sie sie in einen der Tresore hier im Büro“, riet er mir und wies mit seiner dicklichen Hand auf eine Reihe kleiner Safes, die in die Wand eingelassen waren. Ich nickte, und er fuhr fort: „Sie haben einen Schlüssel für die Eingangstür. Die Tür wird um zweiundzwanzig Uhr abgesperrt. Danach müssen Sie sich selbst reinlassen. Ihr Zimmer hat die Nummer 234.“ Er schob die Schublade wieder zu mir durch.

Ich nahm die Schlüssel heraus und schlang mir den Gurt meiner Tasche über die Schulter.

„Zweiter Stock, dann links ab. Und viel Glück.“ Er grinste belustigt.

„Alles klar“, murmelte ich. Auf dem Weg zu meinem Zimmer vermied ich es, das Treppengeländer oder die Wände zu berühren, an denen der Schmutz von Jahren klebte. Wenn Brett mich nicht tötete, würde ich wahrscheinlich an einer unheilbaren Infektionskrankheit zugrunde gehen, die ich mir hier einfing. Ich konnte die Bazillen praktisch in der Luft schmecken.

Mein Zimmer zu finden war nicht schwer. Ich entriegelte die Tür und stieß sie auf. Der Raum war bis auf wenige Möbelstücke leer. Auf den ersten Blick sah die Matratze sauber aus und das Bettzeug, das am Fußende des Bettes lag, wirkte neu, also musste ich zumindest nicht im Dreck anderer Leute schlafen.

In der Ecke neben einer Tür befand sich ein kleines Waschbecken. Ich ging zu der Tür, öffnete sie und fand dahinter die Toilette und die kleinste Dusche, die ich je gesehen hatte. Da könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und duschen, während ich auf dem Klo sitze. Wenn das keine Zeitersparnis bringt! Ich schnaubte, bevor ich angesichts meiner misslichen Lage in Lachen ausbrach. Hier war es so schrecklich, dass ich mir beinahe wünschte, wieder zurück im Jugendgefängnis zu sein – wenigstens war dort alles sauber und vertraut.

Ich ließ meine Tasche fallen, warf mich aufs Bett und starrte an die Decke. Alles, was ich von draußen hören konnte, waren Geschrei und Streitereien. Im Nebenzimmer trieben es welche miteinander. Ich schloss die Augen und dachte nach. Ich musste mir einen Job suchen, ein Fahrzeug besorgen, und dann könnte ich aus diesem Loch verschwinden. Ein letzter Job für Brett, der meine Mutter retten würde. Danach könnte ich dann weiterleben, wie ich es mir vorgenommen hatte.

Als im Nebenzimmer das Stöhnen einer Frau und das Rumpeln des Bettes lauter wurden, stand ich auf und beschloss, dass ich genauso gut auf der Stelle mit meiner Jobsuche beginnen könnte.

Voller Zuversicht verließ ich das Wohnheim und machte mich auf den Weg in die umliegenden Geschäfte, um dort nach Arbeit zu fragen. Ein paar Leute schienen interessiert zu sein – bis sie hörten, wo ich wohnte. Offensichtlich war allgemein bekannt, was für Menschen dort lebten: der Abschaum der Menschheit, mordende Loser, wie ich einer war. Schließlich log ich in einem Geschäft und erzählte, ich würde gerade umziehen. Aber es gelang mir trotzdem nicht, zu einem richtigen Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Ein Stück entfernt, erregte ein Schrottplatz meine Aufmerksamkeit. Ich beschloss, den zweiten Teil meines Plans in die Tat umzusetzen und mir ein Auto zu besorgen.

Ich ging zu dem kleinen weißen Wohnwagen, in dem sich das Büro befand, wurde jedoch unterwegs von einem Mann gestoppt. „Hallo, kann ich Ihnen helfen?“, fragte er freundlich und wischte sich die öligen Hände an einem Tuch ab. Er trug einen ölverschmierten grauen Overall und hatte eine Baseballkappe der Yankees auf dem Kopf. Sein schwarzes Haar schaute darunter hervor. Vermutlich war er nicht viel älter als ich.

„Oh, hi. Äh … Ich weiß nicht. Haben Sie auch Wagen, die repariert werden müssen und die Sie vielleicht für wenig Geld loswerden wollen?“, erkundigte ich mich.

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sie kennen sich mit Autos aus?“

„Ja, ich weiß ein paar Dinge darüber“, antwortete ich. Genau genommen gab es kaum etwas, was ich nicht über Autos wusste.

„Okay. Tja, ich werde Ihnen mal zeigen, was wir so haben. Allerdings läuft keiner der Wagen.“ Er zuckte die Achseln und ging hinter dem Trailer entlang. Ich folgte ihm und konnte meine Aufregung kaum zügeln. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte ich nicht mehr an einem Motor herumgeschraubt.

Hinter dem Büro blieb der Mann stehen. „Das hier sind die Fahrzeuge, die wir ausschlachten, um Ersatzteile zu bekommen. Die anderen kommen in die Schrottpresse. Bis auf den Umstand, dass sie nicht laufen, sind sie eigentlich in Ordnung. Aber mittlerweile ist keiner der Wagen mehr komplett. Sie könnten sich aus den Ersatzteilen anderer Wagen und dem Zeug, das hier noch auf dem Platz herumliegt, ein Auto zusammenbauen“, sagte er und wies mit einem Kopfnicken auf ungefähr zehn ramponierte, zerkratzte und rostige Wagen, die dort standen.

„Kann ich mal schauen?“, fragte ich und ging zu dem ersten Auto in der Reihe. Ein Blick genügte, um zu wissen, dass der Wagen ungeeignet war, da die Karosserie vollkommen durchgerostet war. Ich hasste Schweißarbeiten. Nachdem ich mir ein paar weitere Autos angesehen hatte, fiel meine Wahl auf einen alten Pick-up, der wahrscheinlich mal dunkelgrün gewesen war. Er hatte keine Reifen und keine Stoßstange, doch die fand man hier bestimmt irgendwo. „Der hier sieht gut aus. Kann ich ihn mal anlassen?“

Der Mann grinste und nickte. Offensichtlich dachte er, ich wäre verrückt, als ich nun aufgeregt hinter das Lenkrad kletterte.

Der Schlüssel steckte bereits. Ich ließ den Motor an, gab Gas und hörte ein Jaulen und dann ein kleines klickendes Geräusch. Es war perfekt. Es klang so, als wäre es nur ein Problem mit der Lichtmaschine, das ich ganz leicht beheben könnte, falls ich die entsprechenden Ersatzteile auf dem Hof finden würde. Ich öffnete die Motorhaube und sprang aus dem Wagen, um mir den Motor genauer anzusehen. Als ich die Motorhaube über meinem Kopf befestigte, lächelte ich. Der Motor sah nicht schlecht aus. Er musste ein bisschen gesäubert werden, und hier und da musste ein Teil ausgetauscht werden. Der Wagen brauchte nur ein wenig Liebe und Zuwendung. Ich schob die Hand in den Motorraum und zog das Kabel der Lichtmaschine hervor. „Haben Sie einen Lappen, den ich mir ausleihen könnte?“

Der Mann grinste noch etwas breiter, als er mir den Stofflappen zuwarf, an dem er sich die Hände abgewischt hatte. Ich machte das Kabel sauber, hob einen Stein vom Boden auf und schliff damit ganz leicht über die Spitze, um sie etwas anzurauen. Dann steckte ich das Kabel wieder an seinen Platz.

„Können Sie den Wagen mal für mich anlassen?“, bat ich den Mann.

Er brach in Lachen aus. „Hören Sie, der Wagen steht schon fast ein Jahr lang hier herum. Er ist vermutlich völlig eingerostet. Ich habe mal versucht, ihn anzulassen. Das Problem ist bestimmt nicht nur die Lichtmaschine.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist einen Versuch wert, oder? Ist nur eine Übergangslösung. Ich werde einiges an Arbeit hineinstecken müssen, aber es sollte funktionieren.“

Er rollte mit den Augen und stieg ein. Ganz offensichtlich rechnete er nicht damit, dass jetzt irgendetwas passieren würde. Ich konnte es ihm ansehen. Als er den Schlüssel umdrehte, sprang der Pick-up für eine Sekunde an, ehe er spotzend wieder ausging. Der Motor war laut wie die Hölle, doch der Wagen war perfekt. Der Mann stieg aus und sah mich mit offenem Mund an.

„Also, wie viel wollen Sie dafür haben? Ich werde auch Ersatzteile benötigen. Neue Reifen und eine Stoßstange. Und sämtliche Stecker, Klammern und Kabel müssen ersetzt werden“, erklärte ich und sah mir noch einmal den Motor an.

Nachdenklich schürzte er die Lippen. „Sagen wir … zweihundert Dollar?“

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Zweihundert ist ein stolzer Preis. Sie haben selbst gesagt, dass Sie den Wagen nicht zum Laufen bringen können. Ich nehme das Auto und die Teile für hundertfünfzig“, schlug ich vor, auch wenn ich wusste, dass ich selbst die zweihundert Dollar zahlen und damit noch gut wegkommen würde.

Er verdrehte wieder die Augen. „Hundertfünfundsiebzig?“

Ich nickte. „Dann hundertfünfundsiebzig. Meinen Sie, ich könnte den Wagen vielleicht hier bei Ihnen reparieren? Ich werde Ihnen auch bestimmt nicht zur Last fallen. Ich werde Ihnen nicht im Weg stehen, versprochen. Es gibt einfach keine andere Möglichkeit, um den Wagen umzubauen …“ Das war eine Lüge, denn ich hätte natürlich in Bretts Lagerhalle schrauben können, doch ich wollte Brett nichts schuldig bleiben.

„Klar, warum nicht“, stimmte der Mann zu.

„Super. Ich bin übrigens Jamie.“ Ich reichte ihm die Hand.

„Connor“, erwiderte er und schüttelte sie.

Nachdem ich den Pick-up bezahlt hatte, vereinbarte ich, am nächsten Tag wiederzukommen, um mit der Arbeit anzufangen. Auf dem Weg zurück in das Loch, das ich jetzt mein Zuhause nannte, holte ich mir ein Sandwich aus dem Laden an der Ecke. Als ich ins Haus ging, achtete ich darauf, dass ich einen großen Bogen um den Drogendealer und die beiden Prostituierten machte, die vor der Tür herumlungerten.

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Bis auf einen kurzen Besuch bei meinem Bewährungshelfer am Tag nach meiner Entlassung verbrachte ich meine Zeit auf dem Schrottplatz. Ich kam gut mit dem Auto voran. Connor war ein umgänglicher Typ. Mit einundzwanzig war er kaum älter als ich. Seinem Vater gehörte der Autohof, doch Connor kümmerte sich die meiste Zeit um das Geschäft. An dem Tag, als ich meinen Pick-up fertig repariert hatte, war ich mehr als nur ein bisschen stolz auf mich.

Connor kam aus dem Büro und hatte zwei Becher mit heißem Kaffee dabei. „Ich kann nicht glauben, dass du das geschafft hast. Ich habe es probiert. Eigentlich kenne ich mich mit Autos ziemlich gut aus, aber dieser Wagen war praktisch tot.“

Ich trank einen Schluck und zuckte zusammen, als ich mir ganz leicht die Zunge verbrannte. „Ich könnte mir die anderen Fahrzeuge auch mal ansehen, wenn du willst. Vielleicht könnte ich sie auch zum Laufen bringen, sodass ihr sie verkaufen könnt?“, schlug ich vor. In der letzten Zeit hatte ich viel über diese Möglichkeit nachgedacht.

Skeptisch runzelte er die Stirn. „Ja? Und was würdest du dafür verlangen?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Für wie viel würdet ihr sie im derzeitigen Zustand denn verkaufen?“

Er schürzte die Lippen, während er darüber nachdachte. „Ich weiß nicht. Für einen minimalen Betrag. Niemand ist so verrückt, ein Auto zu kaufen, das nicht fährt. Anwesende natürlich ausgenommen“, scherzte er lachend.

„Gut, wie wäre es damit: Ich repariere die Autos, ihr verkauft sie, und ich bekomme die Hälfte des Gewinns“, schlug ich vor.

„Die Hälfte?“, wiederholte er.

„Nur die Hälfte des Gewinns“, stellte ich klar. „Also, wenn ihr das Auto zum Beispiel für hundert Dollar gekauft habt und es dann für zweihundert wieder verkauft, bekomme ich fünfzig Dollar dafür. So verdient ihr immer noch mehr Geld damit, als ihr sonst bekommen hättet, und ich habe am Ende auch etwas davon. Außerdem sind die Wagen mehr als zweihundert Dollar wert, wenn ich damit fertig bin. Ihr werdet sie wahrscheinlich für vier- oder fünfhundert Dollar verkaufen können.“

„Äh … Ich bin mir nicht sicher, Jamie. Mir gefällt die Idee, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie realisierbar ist. Wir haben bisher nie funktionierende Wagen verkauft, sondern nur Ersatzteile.“

„Ich sag dir was: Wie wäre es mit einem Versuch?“ Ich sah mich um und wies auf das Auto, in das meiner Meinung nach am wenigsten Arbeit gesteckt werden musste, um es wieder fahrtüchtig zu machen. „Es wird ein paar Tage dauern, bis ich es repariert habe, aber wenn ich damit fertig bin, könntet ihr es doch bei der Auktion nächste Woche anbieten und mal schauen, was passiert, oder?“, schlug ich hoffnungsvoll vor.

Stirnrunzelnd betrachtete er den Wagen. „Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Dad die Idee auch so gut finden wird.“

Ich zuckte die Achseln. „Was habt ihr zu verlieren? Wenn es sich nicht verkauft, dann verkauft es sich eben nicht.“

Er nagte an seiner Unterlippe und dachte offensichtlich über meine Worte nach, bevor er schließlich nickte und mir die Hand reichte. „Also gut. Deal.“

Ich grinste und schlug ein. „Deal!“ Ich hoffte inständig, dass es funktionieren würde. Denn dann könnte ich an Autos schrauben und gleichzeitig Geld verdienen.

„Willst du heute vielleicht was trinken gehen?“, fragte Connor und nippte an seinem Kaffee.

„Klar, das wäre toll.“ Es war schön, mit jemandem reden zu können, und ich konnte einen Kumpel zum Trinken gebrauchen.

Als ich gerade die Details mit Connor klären wollte, klingelte mein Handy. Bis auf ihn kannten nur zwei weitere Menschen die Nummer: Brett und Ray. Ich zog das Handy aus meiner Tasche und hoffte, dass Rays Name auf dem Display erscheinen würde. Leider hoffte ich vergeblich.

„Hey, Brett.“ Ich nahm das Gespräch an und zwang mich, freundlich zu klingen.

„Hey, Kid. Ich werde dir gleich die Liste für morgen Abend schicken. Sei um neun Uhr an der Lagerhalle. Ich habe die Sache ausgekundschaftet, also sollte alles glattgehen.“

„Klar. Bis dann“, antwortete ich, beendete das Gespräch und fluchte unterdrückt.

„Gibt es ein Problem?“, erkundigte sich Connor.

Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nichts, womit ich nicht zurechtkommen würde.“ Ich versuchte, mich nicht auf den kommenden Abend zu freuen, doch ich konnte nicht anders. Der Gedanke, wieder einen Autodiebstahl zu begehen, wurde von Tag zu Tag reizvoller. Das Hochgefühl, das ich beim Klauen empfand, war das einzig Schöne, das ich in meinem Leben je erfahren hatte, und ich hatte dieses Gefühl vermisst.

Mein Handy piepste und zeigte an, dass ich eine neue Nachricht bekommen hatte. Ich öffnete sie und brannte darauf, die Liste der Wagen zu sehen, die ich stehlen sollte. Ich starrte auf das Display und konnte meine Aufregung kaum zügeln, als ich das letzte Auto auf der Liste sah.

1. Audi R8 Spyder

2. Alfa Romeo 8C Competizione

3. BMW Z4

4. Porsche Carrera GT

5. Bugatti Veyron

Ich lachte ungläubig. Ich steckte in echten Schwierigkeiten. Ein Bugatti Veyron war ein unglaublicher Wagen, und der Preis allein ließ meine Knie zittern. Ein solches Auto kostete locker 1,7 Millionen Dollar. Selbst der Alfa Romeo war recht selten. Dieser Diebstahl würde etwas ganz Besonderes werden. Ich spürte, wie mich meine Emotionen überwältigten bei dem Gedanken daran, diese Wagen zu fahren.

Am Abend traf ich mich mit Connor auf ein paar Drinks. Es tat gut, kurz loszulassen und sich zu entspannen. Doch als er ein paar seiner Bekannten erblickte und versuchte, mich mit einer Freundin zu verkuppeln, suchte ich nach einer Ausrede und verließ die Bar. Ich ging zurück in meine leere Wohnung. Es lag nicht daran, dass ich kein Interesse an Mädchen gehabt hätte. Ich wollte mich nur auf keine Beziehung mit einer Frau einlassen. Nicht schon wieder.

Ich hatte meine nicht unbeträchtlichen Erfahrungen gemacht, bevor ich ins Gefängnis gesteckt worden war. Obwohl ich erst vierzehn Jahre alt gewesen war, war ich einer Frau namens Star ins Auge gefallen – es war bestimmt nicht ihr richtiger Name gewesen, doch sie hatte sich nun einmal so genannt. Sie war älter als ich gewesen, hatte gern in der Nähe der Werkstatt herumgehangen und mit Bretts Leuten geflirtet. Einige Mädchen fühlten sich einfach zu Bad Boys hingezogen – so hatte sie es mir zumindest einmal erklärt. Mit ihren siebzehn hatte sie mich an die Hand genommen und mir die Ge- und Verbote beim Sex gezeigt. Bei ihr hatte es deutlich mehr Gebote als Verbote gegeben. Da ich damals erst vierzehn gewesen war, voller Hormone und beglückender Hochgefühle vom Autodiebstahl, hatte ich mich ihr zwanglos angeschlossen. Und wir hatten viel zusammen abgehangen. Eine Zeit lang hatte es Spaß gemacht – bis ich irgendwann mitbekommen hatte, wie sie mit ein paar Freundinnen über meinen Körper gesprochen hatte. Sie hatten alle zusammen überlegt, was mir wohl zugestoßen sein mochte. Mädchen können manchmal extrem grausam sein. Dank Star und ihrer gehässigen Freundinnen war mein ohnehin schon schwaches Selbstbewusstsein vollends eingebrochen. Damals hatte ich beschlossen, nie wieder eine so demütigende Erfahrung machen zu wollen.

Das war es also für mich gewesen. Ich hatte für mich entschieden, mich nie mehr zu binden. Punkt.

Von da an war ich auf die Annäherungsversuche des anderen Geschlechts nicht mehr eingegangen und hatte geschworen, daran auch niemals wieder etwas zu ändern. Ich trug meine Vergangenheit auf der Haut, und ich wollte nicht, dass irgendjemand es sah und mich danach fragte. Niemand kannte die Wahrheit, und so sollte es auch künftig bleiben.

3. Kapitel

Als ich am folgenden Abend zur Lagerhalle kam, hatte sich bereits eine ziemliche Aufregung in mir breitgemacht. Gleich nach dem Betreten des Gebäudes erblickte ich Shaun, der mit einem anderen Typ zusammensaß, den ich noch aus der Zeit kannte, als ich für Brett gearbeitet hatte.

„Hey, Enzo“, begrüßte ich ihn freundlich. Enzo hatte in der Vergangenheit oft mit mir gemeinsam Autos gestohlen.

„Hey, Kid“, erwiderte er, stand auf und klopfte mir freundschaftlich auf den Rücken. Es war unglaublich leicht, wieder mit diesen Jungs zurechtzukommen, weil es ihnen egal war, wo ich gesteckt oder was ich getan hatte. Sie akzeptierten mich einfach so, wie ich war.

„Arbeiten wir heute Abend zusammen?“, fragte ich und sah mich nach den anderen um.

„Ja. Ich fahre, und Shaun, José, Aaron und Steve sind an deiner Seite“, antwortete er und rieb sich aufgeregt die Hände.

Shaun ist bei mir? Toll, das wird ja superlustig heute Abend …

Ich blickte Shaun an. Er hatte nach unserer kleinen Auseinandersetzung eine Platzwunde auf der Nase und zwei Veilchen, die allmählich wieder abklangen. „Super. Was ist mit deinem Gesicht passiert, Shaun? Sieht übel aus“, zog ich ihn auf und grinste spöttisch.

Er erhob sich und funkelte mich warnend an. „Das waren zwei, Kid. Beim dritten Mal ist Schluss.“

„Glaub mir, ein drittes Mal willst du gar nicht.“ Ich schnaubte verächtlich, zuckte die Schultern und wandte mich von ihm ab. Wenn Shaun mich angreifen wollte, würde er es nicht von hinten tun – das war ein Kodex, an den sich alle hier hielten. Wenn man etwas klären wollte, musste man Manns genug sein, um es von Angesicht zu Angesicht zu tun. „Hey, wo ist mein Kuvert?“, rief ich Ray zu. Er wies auf seinen Schreibtisch. Ich ging hinüber, nahm mir den Umschlag, riss ihn auf und setzte mich, um die Papiere durchzulesen.

In dem Umschlag steckten alle Details des Diebstahls: die Orte, an denen sich die Fahrzeuge befanden, die tägliche Routine des Besitzers und die sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen am Wagen, die man schon im Vorbeigehen erkennen konnte, wie zum Beispiel Alarmanlagen oder Wegfahrsperren. Es gab außerdem ein Foto von jedem Auto. Beim Bugatti blieb ich hängen. Das Fahrzeug war einfach unglaublich, und beim bloßen Gedanken daran fingen meine Hände an zu schwitzen. Dieser Bugatti sah noch dazu gut aus, war schwarz mit roten Türen. Er war kein Allerweltswagen aus dem Autosalon, sondern eine Sonderanfertigung. Selbst der Porsche war schnittig, rassig und kostete wahrscheinlich mehr als vierhunderttausend Dollar.

„Hast du die Liste gesehen?“, fragte ich Ray.

Er grinste. „Verdammt, ja. Ich habe sie gesehen. Ich kann es verflucht noch mal kaum erwarten. Zerkratz den Bugatti nicht, Kid. Ich möchte ihn in all seiner Pracht und Perfektion sehen. Ich habe noch nie einen echten Bugatti gesehen“, platzte er heraus.

„Ich werde ihn nicht zerkratzen. Für wen hältst du mich? Für einen dämlichen unerfahrenen Idioten wie Shaun?“, fragte ich grinsend, und Ray lachte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Shaun mich anstarrte, als wollte er mir den Kopf abreißen.

Um neun Uhr kam Brett herunter und legte den Arm um meine Schultern. „Ich weiß es zu schätzen, dass du den Job erledigen willst, Kid. Seit du weg warst, ist es uns nicht mehr gelungen, solche Wagen zu besorgen. Das hier ist eine extrem wichtige Sache, wie du anhand der Liste wahrscheinlich sehen kannst.“ Er drückte liebevoll meine Schultern.

„Klar, Brett. Aber das ist es dann auch, oder?“, wollte ich mich noch einmal vergewissern. Doch bevor er etwas erwidern konnte, klingelte sein Handy, und er wandte sich ab, um das Gespräch anzunehmen. Er sprach schnell. Ich runzelte die Stirn und hoffte, dass er sein Wort halten und mich nach diesem Coup gehen lassen würde.

Kurz darauf wandte er sich mir wieder zu. „Also gut, Jungs, macht euch an die Arbeit. In welcher Reihenfolge ihr die Wagen holt, bleibt euch überlassen. Es ist mir egal, solange heute Abend alle Autos hier sind. Um sechs Uhr kommen einige Transporter, um sie abzuholen“, erklärte er und schlug mir auf die Schulter, ehe er die Treppe hinaufging und verschwand.

„Hast du meine alten Sachen, Ray?“, fragte ich.

Er nickte und ging zu seinem Schreibtisch, wo er einen grauen Seesack hervorholte, in dem sich mein „Autodiebstahl-Set“ befand – so konnte man es wohl nennen. Ich durchwühlte die Tasche, überprüfte alles, was darin war, und nickte dann Enzo zu, der uns zu seinem Auto brachte. Ich stieg auf den Beifahrersitz, sodass Shaun, José, Aaron und Steve sich auf den Rücksitz quetschen mussten.

„Also, in welcher Reihenfolge holen wir die Wagen?“, fragte Enzo und ließ den Motor an.

Ich zuckte die Achseln. „Lasst uns einfach mit der Adresse beginnen, die am nächsten gelegen ist. Solange der Bugatti als Letzter an der Reihe ist, ist es mir egal.“ Ich hasste es, dass ich angesichts der Vorstellung, wieder auf Beutezug zu gehen, so aufgeregt war.

Enzo fuhr los und zur nächstgelegenen Adresse. Dort befand sich der BMW Z4. Enzo parkte ein Stückchen entfernt, und ich drehte mich um, um die Jungs auf dem Rücksitz anzusehen. „Ich werde mich mit dem Wagen ein wenig vom Ort des Geschehens entfernen. Shaun, du kannst ihn dann zurück zu Brett fahren“, wies ich ihn an.

Shauns Blick verfinsterte sich. Es gefiel ihm offensichtlich nicht, Anweisungen zu bekommen. „Ich will den Alfa Romeo“, erwiderte er wütend.

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Es ist mir egal, was du willst. Ich will dich nicht länger in meiner Nähe haben. Ich kann spüren, wie deine Dummheit meinen IQ von Sekunde zu Sekunde um einige Punkte senkt. Du musst also so schnell wie möglich verschwinden, ehe ich noch vergesse, wie man Schnürsenkel bindet.“ Ich grinste ihn spöttisch an, und Enzo und Aaron lachten.

„Eingebildeter Arsch“, presste Shaun hervor.

Ich beachtete ihn nicht weiter und sprang aus dem Wagen. Aufmerksam sah ich mich auf der schwach beleuchteten menschenleeren Straße um. So leise wie möglich ging ich zu dem Auto, das gestohlen werden sollte, und holte mein Werkzeug zum Öffnen des Türschlosses heraus. Als ich neben dem Z4 stand, schob ich einen flachen Haken seitlich zwischen Gummidichtung und Fenster und öffnete die Türverriegelung. Schnell zog ich den Haken wieder heraus. Mein Herz hämmerte wie wild, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich sprang in den Wagen und schaltete die Wegfahrsperre aus. Am Lenker befand sich ein zusätzliches Lenkradschloss. Ich nahm meinen Schlagabzieher, schob ihn hinein und schlug mit der Hand auf das Ende, um die Verriegelung zu lösen. Als es aufging, nahm ich das Lenkradschloss ab und warf es auf den Beifahrersitz. Dann zog ich die Verkleidung der Lenksäule ab. Mit einem Seitenschneider löste ich die Plastikummantelung der Kabel, sodass ich die Metalladern aneinanderhalten konnte. Ich grinste, als der Motor kurz darauf mit einem sexy Knurren ansprang.

Sobald der Motor lief, steigerte sich meine Aufregung noch. Ich hatte es so vermisst – dieses Hochgefühl, den Rausch, die Gewissheit, dass ich etwas so gut beherrschte, dass man mich nicht schnappen würde. Dieser Wagen war wunderschön, doch auf der Rangliste der Autos, die ich heute Nacht noch stehlen würde, rangierte er auf Platz fünf. Deshalb gab ich ihn auch Shaun. Ich wusste, dass er lieber in einem der besseren Wagen gefahren wäre, und ich wollte ihn noch ein bisschen ärgern.

Ich raste die Straße entlang und schaltete, als ich ein Stück entfernt war, die Scheinwerfer ein. Ein paar Minuten später fuhr ich rechts ran. Ich ließ den Motor laufen, sprang aus dem Auto und beobachtete, wie Shaun aus Enzos Fahrzeug stieg.

„Versuch bitte, keine Beule in den Wagen zu fahren“, zog ich Shaun auf und lief zurück zu Enzos Auto.

José grinste mich an, als ich mich auf den Beifahrersitz setzte. „Kid, ich hatte ganz vergessen, wie geil du in dem Job bist. Das war unglaublich. Eine Wegfahrsperre und ein Lenkradschloss in weniger als einer Minute“, plapperte er begeistert drauflos und sah mich voller Bewunderung an.

Ich zuckte mit den Schultern und ignorierte den Kick, den ich verspürte. „Lasst uns zum nächsten Objekt fahren.“

Beim zweiten und dritten Wagen lief es genau wie beim ersten. Keine Überraschungen. Es war ganz leicht. Steve und José brachten die beiden Wagen zurück zur Lagerhalle. Das vierte Auto war das reinste Kinderspiel, denn Bretts Leute hatten im Vorfeld die Fahrzeugidentifikationsnummer herausgefunden und bei einem ihrer Kontaktleute von Porsche in der Stadt einen neuen Schlüssel angefordert. Für mich war die Sache fast schon Zeitverschwendung, denn das hätte auch einer der anderen Jungs geschafft.

Der fünfte Wagen war der, auf den ich gewartet hatte. Mein Traumauto.

Enzo hielt neben dem Lagergebäude, in dem der Bugatti stand, und wandte sich mir zu. Er schaltete den Motor aus. „Wir sehen uns dann später. Viel Glück.“

Ich zog ein Paar Latexhandschuhe an und setzte die Kapuze meiner Jacke auf, um meinen Kopf zu bedecken. Es gab Überwachungskameras auf dem Grundstück und im Lagergebäude, die ich zuerst ausschalten musste. Dieses Auto zu knacken würde viel aufwendiger sein als bei den anderen Wagen, doch es war nichts, was ich nicht schon unzählige Male getan hatte. „Ich brauche kein Glück“, erwiderte ich zuversichtlich. „Warte, bis ich wieder draußen bin. Danach treffen wir uns in Bretts Lagerhalle.“

Ich schlang mir den Gurt meiner Tasche über die Schulter, stieg aus dem Wagen und rannte zum Schaltschrank auf der anderen Seite der Straße. Als ich dort angekommen war, nahm ich meinen Schlagabzieher heraus, steckte ihn in das Schloss des Schranks, schlug zu und öffnete das Schloss. Nachdem ich den Metalldeckel abgenommen hatte, der zum Schutz über der Verteilung angebracht war, sah ich in den Schaltschrank. Zahllose Kabel zogen sich kreuz und quer durch den Schrank und verschwanden in diversen Anschlusssteckern. Dieser Schaltschrank allein beinhaltete die elektrische Verteilung für die umliegenden vier Blocks.

Ich ließ meine Tasche auf den Boden fallen und holte eine detaillierte Zeichnung über das Innere des Schaltschranks hervor. Brett hatte überall seine Kontakte, also war es keine Herausforderung für ihn gewesen, den Plan für das Stromnetz zu besorgen. Nachdem ich mir diesen genau angesehen hatte, dauerte es nicht lange, bis ich die Kabel gefunden hatte, die die elektrische Versorgung des Lagergebäudes gegenüber sicherstellten. Ganz sauber schnitt ich sie durch. Ich blickte gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie sämtliche Lichter auf dem Parkplatz erloschen und die Kameras aufhörten, sich hin- und herzubewegen. Mir blieben schätzungsweise zweieinhalb Minuten, bevor das Notstromaggregat anspringen würde. Ich steckte den Metalldeckel wieder auf den Schrank, rammte einen Schraubenzieher unter die Seiten und bog das Metall ein wenig auseinander, damit der Deckel nicht gleich wieder abfallen würde.

Ich rannte zum Zaun, sah zur Überwachungskamera hinauf und betete, dass sie nicht mehr lief. Sie schwenkte nicht mehr langsam hin und her, wie sie es sonst immer tat, und auch das rote Licht blinkte nicht. Ich wusste also, dass es sicher war. Triumphierend lächelte ich. Es ist fast schon zu einfach. Ich lief zur Tür des Lagergebäudes und benutzte wieder meinen Schlagabzieher, um das Schloss zu öffnen, das auf den Betonfußboden fiel. Hier musste man nun nicht mehr besonders vorsichtig sein, und ich hatte auch nicht viel Zeit. Sobald ich in der Halle war, leuchtete ich mit der Taschenlampe auf die Alarmanlage, die an der Wand montiert war. Eilig schnitt ich die Drähte durch, die unten aus dem Kasten kamen, und schloss das Gerät an, mit dem man den Code für die Anlage knacken konnte. Ungeduldig tippte ich mit der Fußspitze auf den Boden und zählte die Sekunden, während ich darauf wartete, dass die kleine Maschine die unzähligen Kombinationen durchging, um den sechsstelligen Code herauszufinden. Ich brauchte die Zahlenkombination, um das Tor zur Garage zu öffnen. Ohne den Code würde beim Aufmachen ein Höllenlärm losbrechen, und der Alarm würde die gesamte Nachbarschaft aufwecken.

Während ich wartete, sah ich mich im Gebäude um und schwenkte die Taschenlampe hin und her, um alles erkennen zu können. Überall standen brandneue Wagen herum. Doch ich konnte den Blick nicht von dem Bugatti wenden. Das Licht wurde von der schwarz-roten Lackierung zurückgeworfen. Der Strahl brach sich im Glas der Fensterscheiben. Es sah wunderschön aus. Meine Hände in den Latexhandschuhen begannen zu schwitzen. Ich wollte den Wagen so gern berühren, den Duft des neuen Autos einatmen und mich endlich auf den luxuriösen Ledersitz setzen.

Endlich war der Code gefunden. Ich tippte ihn ein, und das Licht wurde grün. Ich rannte zum Rolltor und schob es hoch, damit ich später mit dem Wagen hinausfahren konnte. Unwillkürlich hielt ich die Luft an, als ich nun zum Bugatti lief. Ich war so aufgeregt, dass mein Magen sich vor lauter Nervosität zusammenzog. Ich konnte nicht widerstehen – ich musste ihn berühren. Also zog ich einen der Handschuhe aus und strich liebevoll über die Motorhaube. Ich spürte die glatte Lackierung unter meinen Fingerspitzen. Dieses Auto war einfach perfekt.

Ich zwang mich dazu, den Wagen nicht länger zu bewundern, sondern mich an die Arbeit zu machen. Wieder schob ich den Haken zum Öffnen der Türverrieglung seitlich zwischen Gummidichtung und Fenster und konnte das Auto vollkommen problemlos entriegeln. Dann stieg ich ein. Nachdem ich die Alarmanlage entschärft hatte, nahm ich die Plastikverkleidung vom Armaturenbrett und benutzte den Seitenschneider, um die freiliegenden Kabel zu durchtrennen. Mit einem Griff in die Tasche zog ich das Gerät hervor, mit dem ich Codes knacken konnte, und schloss es an die Kabel an. Der Bugatti ließ sich mit einem Knopf starten, der nur aktiviert wurde, wenn man die Tür mit einer speziell gechipten Schlüsselkarte öffnete – die ich natürlich nicht hatte. Solange die Zündung nicht aktiviert wurde, war dieses Auto nur ein nutzloser Haufen Metall im Wert von 1,7 Millionen Dollar. Während ich also darauf wartete, dass der kleine Apparat seine Arbeit erledigte, suchte ich alles nach einem Notausschalter ab. Nervös warf ich einen Blick auf meine Uhr. Meiner Schätzung nach blieben mir noch dreißig Sekunden, ehe das Notstromaggregat anspringen würde und die Überwachungskameras wieder funktionierten. Als ich den Code endlich hatte, betätigte ich den Anlasser und hörte, wie der Motor mit einem satten Geräusch zum Leben erwachte.

Wie ein kleines Kind jubelte ich auf und glitt auf den Fahrersitz. Ich stöhnte zufrieden, als ich die Hände um das Lenkrad aus Leder schloss. Zaghaft legte ich den Fuß aufs Gas. Der Wagen setzte sich unglaublich kraftvoll in Bewegung. Die Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, als ich durch die Beschleunigung in den weichen Sitz gedrückt wurde. Sobald ich draußen war, hielt ich an, sprang aus dem Wagen und rannte zum Rolltor, um es wieder zu schließen. Wenn die Kameras wieder funktionieren würden, bestand die Chance, dass die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, die sich die Videoüberwachung ansahen, nichts Außergewöhnliches feststellen und vielleicht sogar erst am nächsten Morgen bemerken würden, dass der Wagen weg war.

Ich setzte mich wieder hinter das Lenkrad und raste die Straße entlang. Auf Enzo wartete ich nicht – wir würden uns ja in Bretts Lagerhalle wiedersehen. „Verdammt, ja!“, schrie ich aufgeregt.

Das Innere des Wagens war aus rotem Leder. Der Duft berauschte meine Sinne. Beinahe zärtlich strich ich mit den Händen über den Lenker, während ich die Straßen entlangfuhr. Die vierzigminütige Fahrt war viel zu kurz, und ich war traurig, als ich schließlich an der Lagerhalle anhalten musste.

Ray hüpfte praktisch auf der Stelle in die Luft, als er mit feuchten Augen das Auto betrachtete. Mit der Hand strich er über das Dach. „Oh, Baby. Daddy hat dich so lieb“, meinte er. Der Rest von uns musste lachen. Ray war fast genauso autoverrückt wie ich.

Brett schlug mir auf den Rücken und strahlte zufrieden. „Du hast es immer noch drauf, Kid.“

„Ja, ich habe es immer noch drauf“, gab ich zu. Ich wusste, dass ich gut darin war. Das musste man mir nicht sagen. Ich hatte ein Talent zum Stehlen von Autos. Ray hatte einmal im Scherz gemeint, ich wäre ein Autoflüsterer, der einen Wagen, den sonst niemand zum Laufen brachte, dazu überreden konnte, anzuspringen. Es machte mich stolz zu wissen, dass ich irgendetwas richtig gut konnte – daraus zog ich meine Erfolgserlebnisse und Hochgefühle. In anderen Dingen war ich nie gut gewesen, aber Autos zu stehlen war etwas, für das ich offenbar geschaffen war.

„Hier.“ Brett reichte mir einen dicken Umschlag, in dem, wie ich wusste, fünftausend Dollar waren. Das war mein Lohn für die Nacht.

„Danke.“ Ich nickte ihm zu, drehte den Umschlag in meinen Händen und genoss es, das Gewicht zu spüren.

„Kann das Geld dich vielleicht doch zurück ins Team locken?“, fragte er und grinste aufmunternd.

Ich schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Es ist nur Geld. Es bedeutet mir nichts mehr.“

Er packte mich an den Schultern und sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Hör mal, Kid, du weißt, dass du im Augenblick keinen Job bekommen wirst, oder? Das hier ist dein Leben, und du bist verdammt gut darin. Bist du dir sicher, dass du das alles hinter dir lassen willst?“

Nein, das hier war nicht mein Leben. Mein altes Leben hatte vor vier Jahren geendet. Das hier war meine neue Chance. Ich musste nur stark und standhaft bleiben.

„Ich bin mir sicher.“ Ich trat zurück und hoffte, dass er, nachdem der Job nun erledigt war, Wort halten und mich gehen lassen würde.

Er seufzte schwer. „Tja, falls du deine Meinung doch noch ändern solltest, weißt du ja, wo du mich findest. Vielleicht könntest du ja gelegentlich einen Job übernehmen?“

Eigentlich hätte ich das liebend gern getan, doch ich wusste, dass ich nicht würde aufhören können, wenn ich jetzt weitermachte. Ich spürte den Reiz, die Verlockung schon jetzt. „Ich glaube nicht.“ Ich nahm das Handy, das er mir gegeben hatte, aus der Tasche und reichte es ihm.

Er schüttelte den Kopf. „Das kannst du behalten. Ich habe viele davon. So kann ich dich von Zeit zu Zeit erreichen und sehen, wie du so zurechtkommst. Du könntest ja morgen Abend in den Club kommen und ihn dir mal ansehen – die erste Runde geht aufs Haus.“

„Klar, das wäre toll“, stimmte ich zu.

Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, machte ich mich auf den Weg zurück nach Hause. Es war bereits vier Uhr morgens. Mein Bett sah so unglaublich einladend aus, dass ich mich, so wie ich war, hineinfallen ließ. Die Erschöpfung gewann die Oberhand. Ich machte mir nicht einmal mehr die Mühe, mich auszuziehen oder meine Schuhe abzustreifen. Der Auftrag war erledigt, meine Schuld bezahlt, also war ich nun frei für meinen Neuanfang – und ich hatte Bretts Segen dafür. Kurz bevor ich einschlief, fragte ich mich allerdings, ob ich jemals wirklich frei sein würde. Würde ich mich nicht immer nach dem Adrenalinkick sehnen, den ich bei einem Autodiebstahl verspürte? Konnte irgendwer sich seinem Schicksal entziehen? Ich war mir nicht sicher, aber ich würde es verdammt noch mal versuchen.

Am nächsten Abend nahm ich Brett beim Wort und ging in den Club. Dort traf ich mich mit Ray. Ich hatte mit Brett schon eine Runde durch den Club gedreht, und er hatte mir alles gezeigt. Zufrieden stürzte ich gerade meinen fünften Drink hinunter, als Ray mir freundschaftlich in die Rippen stieß.

„Heilige Scheiße, sieh dir das an!“, meinte er und starrte auf etwas, was sich hinter mir befand. Ich drehte mich um und erblickte eine hübsche Blondine mit endlos langen Beinen und einem kurzen Rock.

Ich lachte. „Sie ist zu jung für dich, und außerdem bist du verheiratet.“

Er verdrehte die Augen. „Ja, aber sie ist perfekt für dich“, schwärmte er.

„Nein, sie ist überhaupt nicht mein Typ“, erwiderte ich und zuckte mit den Achseln. Um ehrlich zu sein, bemühte ich mich, Frauen nicht weiter zu beachten. Ich wollte gar nicht erst anfangen, darüber nachzudenken, was mir entging.

„Kid, du musst echt was mit ihr anfangen. Sie ist verdammt … wow.“ Er glotzte sie noch immer an und schien sie mit seinen Blicken praktisch auszuziehen.

„So heiß ist sie nun auch wieder nicht.“ Ich sah noch einmal zu ihr hinüber und nahm einen weiteren Schluck von meinem Drink.

Die Blondine stand inzwischen mit einem anderen Mädchen zusammen und lachte. Ich hätte mich beinahe verschluckt, als ich das andere Mädchen betrachtete. Die Kleine hatte langes, lockiges rotes Haar, das ihr makelloses Gesicht umrahmte. Sie kräuselte die Nase, als sie nun mit den Augen rollte und ihre Freundin spielerisch anstieß, während sie gemeinsam über irgendetwas lachten. Diese Frau war unglaublich schön. Das kleine schwarze Kleid, das sie trug, schmiegte sich an ihren perfekt geformten Körper und unterstrich ihre Kurven. Dennoch hatte es Stil. Unwillkürlich lief mir das Wasser im Mund zusammen, und es juckte mich in den Fingern, über ihr Bein zu streicheln.

Die ist heiß!

Ich konnte die Augen nicht eine Sekunde von ihr abwenden. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich ein Mädchen so sehr begehrt.

4. Kapitel

ELLIE

Ich betrachtete mein Spiegelbild und versuchte, durch den Nebel zu blicken, in den der Alkohol mein Gehirn gehüllt hatte. Das Mädchen, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte, sah furchtbar aus – das konnte selbst ich erkennen. Ich bückte mich, ließ mir kaltes Wasser über die Hände laufen und legte die kühlen Finger dann an meine Wangen, um mich zu beruhigen. In meinem Kopf war alles unklar und verschwommen, und mein Magen rebellierte noch immer, obwohl ich seinen gesamten Inhalt gerade in die Toilette hinter mir entleert hatte.

Als sich mein Herzschlag normalisiert hatte, schaute ich mich wieder im Spiegel an. Mit den Fingern rieb ich unter meinen grauen Augen entlang und entfernte die verschmierte Wimperntusche. Im schummrigen Licht der Club-Toilette wirkte meine ohnehin schon blasse Haut noch fahler. Das einzig Annehmbare, das ich im Moment an mir selbst entdecken konnte, war mein Haar. Obwohl ich eine Stunde lang draußen in der Kälte gestanden hatte, bis ich in den Club reingekommen war, und dann meine Haare stundenlang durch die Luft geschleudert hatte, waren noch einige der Locken zu erkennen, die ich zu Hause mit dem Lockenstab fabriziert hatte.

Ich hickste und hielt schnell die Luft an. Ob ich mich wieder würde übergeben müssen? Ich war alles andere als trinkfest, und obwohl ich nicht alt genug für einen Clubbesuch war, hatten Stacey und ein paar Freundinnen mich heute Abend mitgeschleppt. Sie hatten es für eine tolle Idee gehalten, dabei die gefälschten Ausweise auszuprobieren, die wir uns kürzlich besorgt hatten. Laut meiner Freundinnen war es der perfekte Zeitpunkt, weil ich ihrer Meinung nach anscheinend einen Mädelsabend dringend nötig hatte, um mein gebrochenes Herz auszukurieren. Tja, zumindest glaubten sie, dass mein Herz gebrochen wäre – meinen Freundinnen ging meine Trennung näher als mir selbst.

Ich bemühte mich, nicht an Miles zu denken, doch es gelang mir nicht. Kaum dass mein Blick auf das kurze, hautenge Kleid fiel, das Stacey mir ausgeliehen hatte und das ich tragen sollte – ob ich nun wollte oder nicht –, fragte ich mich unwillkürlich, was er dazu sagen würde, wenn ich so vor ihm stünde. Ohne Zweifel hätte er ein paar passende unfreundliche Bemerkungen für mich parat. Wahrscheinlich würde er sogar darauf bestehen, dass ich mich umziehe, und mir an den Kopf werfen, dass ich wie eine Schlampe aussähe.

Zwischen uns war es nicht immer so gewesen. Zu Beginn unserer zweieinhalbjährigen Beziehung war er supersüß gewesen und hatte alles getan, um mich zum Lachen zu bringen. Leider hatte sich das nach einer Weile geändert. Ihm war es nach und nach immer mehr um Status und Image gegangen. Keine Spur mehr von dem netten Jungen, in den ich mich verliebt hatte. Am Ende hatte ich das Gefühl gehabt, nicht mehr als eine Trophäe für ihn zu sein, ein Mädchen, das an seiner Seite stand und ihn gut aussehen ließ. Ich war alles, was er in den Augen der Gesellschaft – und seiner Eltern – brauchte, um perfekt zu erscheinen. Nach außen hin hatte unsere Beziehung vollkommen gewirkt. Der Traum einer jungen Liebe. In Wahrheit hatte sich jedoch schon bald ein ganz anderes Bild abgezeichnet.

Ehrlich gesagt konnte Miles ein echter Idiot sein, wenn sonst niemand dabei war. Im Laufe eines Jahres hatte er sich vom süßen, aufmerksamen, etwas schlaksigen Jungen in den überheblichen, besitzergreifenden Kapitän des Footballteams und Traum jeden Mädchens verwandelt. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er mich kontrolliert hatte oder dass er mir gegenüber übermäßig besitzergreifend gewesen war. Wenn er mich schlecht gemacht hatte, war das nicht mit böser Absicht geschehen. So war er nun mal. Er wollte respektiert werden, wollte, dass alle zu ihm aufschauten – und das hieß, dass alles so laufen musste, wie er es sich vorstellte. Seine Idee von Perfektion.

Sein Ruf ging Miles über alles. Aber der gestrige Tag war einfach zu viel gewesen. Miles hatte mir vorgeworfen, auf der Party nach dem Footballspiel mit einem seiner Teamkollegen geflirtet zu haben. Vor allen Anwesenden hatte er mich angebrüllt und dabei seine eigene makellose Fassade gehörig angekratzt. Ich hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt und vor allen Leuten mit ihm Schluss gemacht. Mir war klar, dass sich die Geschichte in der Schule wie ein Lauffeuer verbreiten würde. Gut so, denn auf diese Weise würde ich wenigstens nicht gezwungen sein, mich wieder mit ihm zu versöhnen.

Es war eine Erleichterung. Es war echt anstrengend gewesen, sich wie auf rohen Eiern zu bewegen, ihn ja nicht zu verärgern und stets zu versuchen, das perfekte Mädchen zu sein, das er sich wünschte. Ich war froh über die Trennung. Seit ich fünfzehn war, war ich Teil von „Miles und Ellie, dem Superpaar“ gewesen, und ich konnte es kaum erwarten, wie es sich anfühlte, einfach nur Ellie zu sein.

Plötzlich öffnete sich hinter mir die Tür zum Waschraum. Einen Moment lang wurde die Musik lauter, ehe die Tür wieder ins Schloss fiel. Ich warf im Spiegel einen Blick über meine Schulter und grinste, als ich Stacey sah, die mich stirnrunzelnd anstarrte. „Ellie Pearce! Ich habe dich schon überall gesucht“, nuschelte sie vorwurfsvoll.

Ich lachte und wandte mich um, ohne das Waschbecken loszulassen – nur für den Fall, dass mein Magen sich wieder umdrehen sollte. „Ach, tatsächlich? Und im Mund von diesem Typ konntest du mich nicht finden?“

Verlegen grinste sie. „Überraschenderweise nicht, obwohl ich echt intensiv nachgeschaut habe.“ Sie zwinkerte mir zu. Liebevoll schüttelte ich den Kopf. Stacey knutschte gern mit Jungs rum, wenn sie Single war. Ich dagegen war bisher nur mit Miles zusammen gewesen und hatte nie einen anderen Jungen geküsst.

„Ich habe gerade gekotzt“, gestand ich und schluckte bei der Erinnerung daran ein paarmal.

„Igitt! Hier, nimm ein Pfefferminzbonbon.“ Lächelnd reichte sie mir ein Döschen mit Minzdrops. Dankbar nahm ich ein Bonbon heraus, um damit den grauenvollen Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben. „Komm tanzen. Vielleicht solltest du heute Abend auch mit jemandem rumknutschen, um dich von Miles abzulenken. Das wird dir helfen, über ihn hinwegzukommen“, sagte sie mitfühlend.

Ich seufzte. Ich hatte niemandem je erzählt, wie Miles wirklich war, also glaubten alle, wir wären tatsächlich das absolute Traumpaar gewesen. Stacey war davon überzeugt, dass ich wegen der Trennung am Boden zerstört war. „Okay, ich werde tanzen, doch ich knutsche mit niemandem rum.“

„Wie auch immer. Ich hab Durst. Lass uns was trinken und dann zu den anderen zurückgehen.“ Sie fasste mich an der Hand, als wir den Waschraum verließen.

Sobald die Tür aufschwang, war die Musik im Club so dröhnend laut zu hören, dass mir der Schädel brummte. Im Club war es dunkel, heiß und extrem voll. Ich konnte nicht erkennen, wohin ich eigentlich lief, und es schien nur noch eine Masse von Körpern zu geben, die sich aneinander rieben. Ich ließ mich von Stacey führen und hoffte, dass sie sich im Club auskannte und wusste, wo es langging – denn ich wusste es ganz sicher nicht. Nachdem mir zweimal in den Hintern gekniffen worden war und ich mir einen eindeutig zweideutigen Kommentar hatte anhören müssen, ließen wir die Menge schließlich hinter uns und stellten uns an die Bar. Ich hatte das Gefühl, endlich wieder atmen zu können.

Stacey grinste mich finster-entschlossen an, ehe sie sich zum Tresen umwandte. „Hi, kann ich bitte vier Wodka-Shots kriegen?“, brüllte sie dem Barkeeper zu, der die Augen nicht von ihr lassen konnte. Stacey war heiß, daran bestand kein Zweifel. Sie hatte lange naturblonde Haare, blaue Augen und endlose Beine. Sie modelte nebenbei und verdiente damit ganz anständig.

„Du kannst alles von mir haben, was du willst“, erwiderte er grinsend. Sie lehnte sich leicht vor und fing an, mit ihm zu flirten.

Da ich ihr nicht unbedingt dabei zugucken wollte, drehte ich mich um und schaute mich im vollen Club um. Sie hatte mich heute schon dreimal stehen lassen, um mit unterschiedlichen Typen rumzumachen. Ich wusste also, wie sich die Sache weiterentwickeln würde. Es störte mich nicht. Sie war eine tolle Freundin, und ich würde sie um nichts auf der Welt ändern wollen. Sie steckte in einer On-off-Beziehung, und sobald gerade mal wieder Schluss war, flirtete sie, was das Zeug hielt.

Ich spürte einen Stoß an meinem Oberarm und wandte mich wieder um. Stacey reichte mir zwei Shot-Gläser. Da ich keine zwei Drinks in der Hand halten wollte, stürzte ich einen Wodka direkt hinunter und zuckte zusammen. Der Alkohol brannte in meinem Hals. Ich schüttelte mich und verzog angesichts des abscheulichen Geschmacks angewidert das Gesicht.

„Ich hoffe, das ist nicht das Gesicht, das du beim Sex machst“, säuselte mir jemand ins Ohr. Ich drehte den Kopf und fand mich einem Typ gegenüber, der wahrscheinlich Ende zwanzig war. Er sah ziemlich gut aus – falls man auf ältere Kerle stand.

„Tja, du wirst es nie erfahren“, entgegnete ich, wandte mich um und griff nach Staceys Hand. Ich wollte meine Freundin von der Theke wegziehen, aber sie war zu beschäftigt damit, mit dem Barkeeper zu flirten.

„Mein Name ist Sam. Vergiss ihn nicht – du wirst ihn später noch schreien.“ Der Kerl grinste anzüglich und zwinkerte mir siegessicher zu, während er die Hand auf meinen Rücken legte und sich zu mir beugte. Ich konnte den Alkohol in seinem Atem riechen, der über mein Gesicht strich.

Bäh, im Leben nicht! „Das glaube ich kaum.“ Ich wich vor seinen Fingern zurück und versuchte, etwas Abstand von ihm zu gewinnen.

Er lachte, und seine blauen Augen funkelten. „Wie ist dein Name?“ Er grinste mich schief an. Offensichtlich gehörte es nicht zu seinen Stärken, einen Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen.

„Hör mal, ich bin nicht interessiert, also warum suchst du dir nicht eine andere, mit der du flirten kannst?“, schlug ich vor und blickte ihn finster an. Solche Sprüche konnte ich im Moment gar nicht gebrauchen. Ich wollte nur noch in ein gemütliches Bett hüpfen und vielleicht die Pizza verdrücken, die Stacey mir für später versprochen hatte.

Mr. Begriffsstutzig lachte erneut und rückte noch näher an mich heran. Ich musste einen Schritt zurücktreten, damit sich unsere Körper nicht berührten. „Sei nicht so. Ich könnte dafür sorgen, dass es dir besser geht“, meinte er und starrte ungeniert auf meine Brüste. Ich schaute mich um und dachte fieberhaft über einen Fluchtplan nach, doch Stacey lehnte noch immer an der Bar und unterhielt sich angeregt mit dem Barkeeper.

Plötzlich spürte ich einen Arm auf meiner Schulter. „Hey, Baby. Da bist du ja. Tut mir leid, dass ich zu spät bin.“ Es war eine männliche Stimme – und sexy noch dazu.

Erschrocken blickte ich hoch, denn ich wurde nun an einen Fremden gedrückt. Sobald ich ihn erblickte, schlug mein Herz ungefähr doppelt so schnell wie sonst. Der Unbekannte war der umwerfendste Mann, den ich je im echten Leben gesehen hatte. Ich schätzte ihn auf einundzwanzig. Er hatte kurze braune Haare, ein markantes Kinn, perfekte Lippen zum Küssen und dunkelbraune Augen, die geheimnisvoll funkelten. Dort, wo unsere Körper sich berührten, spürte ich harte, angespannte Muskeln. Das alles nahm ich innerhalb von Sekunden in mich auf und konnte nur eines denken: Wow.

Mein Mund war trocken, während ich mich daran zu erinnern versuchte, wie man einen vollständigen Satz bildete. „Äh … ja … Kein Problem. Jetzt bist du ja da“, murmelte ich und ging auf sein Spielchen ein.

Ich konnte den Blick nicht von ihm wenden, als er nun den Kopf zur Seite drehte und dem Typ, der mich gerade eben noch angemacht hatte, die rechte Hand entgegenstreckte. „Hey. Ich bin Jamie. Bist du ein Freund meiner Freundin?“, fragte er.

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Sam zurückwich und den Kopf schüttelte. Doch ich konnte den Blick immer noch nicht von dem sexy Fremden abwenden, der mich auch jetzt noch an sich drückte. „Nein, Mann. Wir haben uns nur kurz unterhalten. Ich gehe jetzt besser zurück zu meinen Leuten“, stieß er hervor, ehe er sich davonschlich und in der Menge verschwand.

Noch im selben Moment ließ der Unbekannte mich los. Er lächelte mich an, wobei eine Reihe von geraden weißen Zähnen sichtbar wurde. Sein Lächeln war unglaublich sexy. In seiner rechten Wange hatte sich ein Grübchen gebildet, das mir nun auffiel. Ich musste mich schwer zusammenreißen, um nicht mit der Fingerspitze darüber zu streichen.

Ich erwiderte sein Lächeln erleichtert. „Danke.“

„Kein Ding. Du sahst aus, als hättest du Schwierigkeiten, ihn loszuwerden“, meinte er locker. „Ich bin übrigens Jamie.“ Er beugte sich beim Sprechen leicht zu mir herunter. Erst jetzt fiel mir auf, wie groß er war. Er war locker eins fünfundachtzig, also viel größer als ich mit meinen eins fünfundsechzig. Ich trug High Heels, und doch überragte er mich um einiges. Mir gefiel es, mich in seiner Gegenwart so klein und zierlich zu fühlen.

„Ellie“, nuschelte ich und versuchte, ihn nicht länger anzustarren.

„Was trinkst du da, Ellie?“, wollte er wissen.

„Äh … Ich glaube, das ist Wodka.“ Angewidert beäugte ich das Glas. Erneut erschien dieses Grübchenlächeln auf seinem Gesicht, und er nahm meinen Ellbogen. Sanft zog er mich zur Bar, wo er zwei weitere Wodka-Shots bestellte. Ich zuckte zusammen. Mit angehaltenem Atem stürzte ich den Shot von Stacey hinunter, bevor ich das leere Glas auf die Theke stellte.

Jamie drehte sich um und reichte mir das Schnapsglas mit der durchsichtigen Flüssigkeit. Er hob wortlos sein eigenes Glas, prostete mir zu und trank es aus. Ich schluckte und tat es ihm gleich. Eigentlich wollte ich wirklich nichts mehr trinken. Ich fühlte mich jetzt schon irgendwie schwerelos – und das hieß, dass ich genug getrunken hatte, damit mein Schädel morgen früh ordentlich brummen würde. Ich betete stumm, dass ich mich nicht noch einmal übergeben müsste.

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