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Die Wolkenstürmerin

Als Buch hier erhältlich:

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Eine Frau, die ein Flugzeug fliegen kann, kommt hoch hinaus …

1957: Marlene Lilienthal liebt das Fliegen. Nirgendwo sonst fühlt sie sich so frei wie im Cockpit ihrer Vega Gull hoch oben in der Luft. Im Grunde nicht überraschend, denn ihre Familie baut seit Generationen Flugzeuge. Seit dem Unfalltod der Eltern steckt das Unternehmen tief in den roten Zahlen. Marlene will die Firma retten und gleichzeitig ihren Traum verwirklichen: die Gründung eines Flugtaxiunternehmens mit ihr als Pilotin. Doch sie hat mit Widerstand aus der eigenen Familie zu kämpfen. Um den Kopf frei zu bekommen, fährt sie in ihr Ferienhaus an die Ostsee. Dort trifft sie bei einem Strandspaziergang auf einen Schwimmer, einen mysteriösen Fremden, der sie magisch anzieht.

Eine packende Geschichte von der grenzenlosen Freiheit über den Wolken, von einer mutigen jungen Erbin und einer großen Liebe zwischen West- und Ostdeutschland, die an den politischen Verhältnissen ihrer Zeit zu scheitern droht.


  • Erscheinungstag: 23.08.2022
  • Seitenanzahl: 368
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365000892

Leseprobe

FÜR MEINE TOCHTER

»DAS FLIEGEN ZEIGT UNS
DAS WAHRE GESICHT DER ERDE«

(Antoine de Saint-Exupéry,
Schriftsteller und Pilot, 19001944)

SONNTAG, 17. FEBRUAR 1957

Über dem Anwesen der Lilienthals schwebte die typische Sonntagsstimmung. Friedlich und schläfrig lag die dreistöckige Vorkriegsvilla aus rotem Klinker in der Sonne.

Marlene trat aus der Haustür, an der ein Messingklopfer in Form eines Flugzeugs hing – das Firmenlogo der Familie. Ein paar Augenblicke lang blieb sie stehen, horchte in die beschauliche Stille um sich herum und atmete die für Ende Februar ungewöhnlich milde Luft tief ein. Dabei wanderte ihr Blick über den Rasen. Er blieb an dem Springbrunnen neben der breiten Auffahrt zum Säulenportikus hängen. Für ein paar Momente drohte der Schmerz, Marlene wieder zu überwältigen. Diesen Brunnen hatte ihr Vater vor drei Jahren auf Wunsch ihrer Mutter bauen lassen. Leider hatten sich ihre Eltern nur noch kurze Zeit daran erfreuen können.

Energisch schüttelte sie den Kopf, als könne sie so die tiefe Trauer abschütteln, die in ihr aufstieg. Sie straffte sich, stieg die Sandsteintreppe hinunter und ging über den weißen Kiesweg entlang zur Rückseite des Hauses. Über Nacht hatte auch hier die Sonne Schneeglöckchen und blaue Traubenhyazinthen aus dem noch wintermüden Rasen hervorgelockt.

Marlene stutzte, als sie ihre Tante und ihren Onkel, die im Ostflügel der Villa wohnten, im Glaspavillon entdeckte. Sie saßen mit dem Rücken zu ihr mit Blick aufs Elbufer. Aus den geöffneten Fenstern der Laube kringelte sich Zigarettenrauch. Marlene lächelte. Das schöne Wetter hatte auch die beiden nach draußen gerufen, obwohl sie am Wochenende zu dieser Uhrzeit sonst immer ihren Mittagsschlaf hielten.

Langsam ging sie auf den Pavillon zu, froh darüber, ihrer sonntäglichen Einsamkeit für ein paar Minuten zu entrinnen.

»Wann willst du mit Marlene und Max darüber reden?«, fragte ihre Tante Änne gerade mit ihrer nicht gerade leisen Stimme im Eifler Tonfall.

»Über was?«, fragte ihr Mann erstaunt.

»Bärchen … über das Übernahmeangebot.«

Wie vom Blitz getroffen hielt Marlene im Schritt inne.

»Morgen«, hörte sie ihren Onkel Wilhelm antworten. »Ich musste mir selbst erst einmal in Ruhe Gedanken darüber machen. Aber ich tendiere im Moment zu der Übernahme.« Ihr Onkel seufzte so laut, dass Marlene es auf die Entfernung hören konnte. »Das Marlene beizubringen, wird allerdings nicht ganz einfach werden. Mein Bruder hätte sich auf mein kaufmännisches Urteil verlassen. Bei unserer Nichte bin ich mir da nicht so sicher.«

»Das Mädchen hängt an der Firma.« Ännes Stimme wurde weich, und Marlene ahnte, dass sie Tränen in den himmelblauen Augen hatte. »Vergiss nicht, vor einem Dreivierteljahr erst hat sie ihre Eltern verloren, und jetzt soll sie auch noch die Firma aufgeben?«

»Mit neunundzwanzig ist sie längst in dem Alter, sich einen Mann zu suchen und eine Familie zu gründen, für die sie sorgen kann«, erwiderte ihr Onkel in einem etwas barschen Ton, den er meist dann anschlug, wenn ihn Gefühle zu übermannen drohten. »Die Männer stehen doch bei ihr Schlange.«

»Da hast du recht, Bärchen«, stimmte Änne ihm zu.

»Mit ihren kupferroten Locken, dem schönen Gesicht und ihrer Figur könnte sie nach Petra Schürmann die nächste Miss World werden«, fuhr ihr Mann beherzt fort. »Außerdem ist sie klug und stammt aus einer der besten Familien Hamburgs. Sie wird bestimmt einen guten Ehemann finden. Ich habe nie verstanden, was sie mit der Firma will.«

Änne lachte ihr herzhaftes Lachen, mit dem sie anfangs in der feinen Hamburger Gesellschaft oft aufgefallen war. Doch das hatte die gebürtige Eiflerin nicht gestört – und ihren Mann, der ihr heute noch zu Füßen lag, ebenfalls nicht. »Seit ’45 haben wir aber eine andere Zeit«, wandte sie ein. »Viele junge Frauen geben sich nicht mehr damit zufrieden, ausschließlich für ihren Mann und ihre Kinder da zu sein.« Änne seufzte. »Was ich gar nicht verstehen kann. Frauen in meinem Alter, die im Krieg allein für die Familie gesorgt haben, haben doch aufgeatmet, als ihre Männer heimkehrten und sich dadurch ihre Doppelbelastung auf ein erträgliches Maß reduzierte.«

Marlene sah, wie ihr Onkel seine Frau auf die Wangen küsste. »Du bist eben noch vom alten Schlag, meine Liebe.«

Änne schnurrte und schmiegte ihren inzwischen blond gefärbten Lockenkopf an die Schulter ihres Mannes.

Marlene stand immer noch wie angewurzelt auf dem Rasen. Das Turteln der beiden nahm sie kaum wahr. Sie fühlte sich, als hätte sie einen Schlag gegen den Kopf bekommen. Ein Übernahmeangebot? Das konnte nur von Dornier kommen, ihr ehemals großer Konkurrent im Flugzeugbau, für den sie seit eineinhalb Jahren Leichtbauprofile herstellten.

Unwillkürlich griff sie nach ihrer Bernsteinkette – ein Erbstück von ihrer Mutter –, als könne sie ihr Halt geben. Ihr Herz hämmerte, das Blut rauschte durch ihre Adern. Sie begann zu zittern. Wut darüber, dass sie auf diese Weise davon erfuhr, obwohl ihr die Hälfte des Unternehmens gehörte, Angst um dessen Zukunft und das plötzliche Gefühl von Hilflosigkeit trieben ihr die Tränen in die Augen. Abrupt drehte sie sich um und marschierte zurück zum Haus. Niemals würde sie einer Übernahme zustimmen, sagte sie sich im Stillen – obwohl sie genau wusste, wie schlecht es um die Firma stand.

Ohne noch einmal in die Wohnung im Westflügel der Villa zurückzugehen, fuhr Marlene in dem Mercedes 220 ihrer Eltern auf direktem Weg nach Appen, das nördlich von Hamburg lag. Kaum eine halbe Stunde später schlüpfte sie in dem Büro ihres Vaters, wo sie immer noch den süßen, würzigen Duft seiner Bruyère-Pfeife zu riechen glaubte, in den grauen Fliegeroverall, verstaute ihr Haar unter der ledernen Kappe und stülpte die Fliegerbrille darüber. Bei all den ihr so vertrauten Handgriffen waren ihre Hände heute zittrig. An diesem Sonntag verzichtete sie auf die übliche Vorflugkontrolle. Sie konnte es nicht erwarten abzuheben.

Ihre Vega Gull aus dem Jahr 1939 wartete vor dem Hangar auf sie. Die Nachmittagssonne spiegelte sich auf der silbernen Karosserie, deren rote Initialen ML auf dem Heck verrieten, wem das kleine Sportflugzeug gehörte. Der Motor sprang gleich beim ersten Versuch an und gab sein typisches, sattes Tuckern von sich. Wenigstens auf dich ist Verlass, meine Schöne, dachte Marlene mit immer noch hämmerndem Herzen, während sie behände über den Seitenflügel in das kleine Cockpit sprang. Nachdem sie die gläserne Haube heruntergeklappt hatte, fuhr sie zum Ende der Rollbahn. Dort drehte sie die Maschine in den Wind. Ein paar Augenblicke zwang sie sich zu voller Konzentration. Mit angezogener Bremse gab sie Vollgas. Sie liebte diese Momente, wenn der Motor hochlief, die Maschine dröhnte und zitterte, dann der plötzliche Schub nach vorn, wenn sie die Bremsen löste, über die Startbahn sauste, schneller und schneller wurde, und schließlich das Gefühl der Schwerelosigkeit, sobald die Räder vom Boden abhoben und der Abstand zur Erde unter ihr immer größer wurde.

Die Vega Gull gewann schnell an Höhe. Marlene flog eine Schleife, sah über sich das grenzenlose Blau des Himmels und unter sich das weitläufige Firmengelände mit den Flugzeug- und Werkshallen und dem niedrigen Bürogebäude. Flugzeugbau Appen, gegründet 1910 von ihrem Großvater Anton Lilienthal, war eine der ersten Flugzeugbaufirmen in Deutschland gewesen, spezialisiert auf Wasserflugzeuge. Und diese Firma sollte jetzt nach siebenundvierzig Jahren von einem Konkurrenten übernommen werden?, fragte sie sich immer noch fassungslos.

Ziellos flog sie in Richtung Norden, über noch brachliegende Felder, gelbe Wiesen, dunkle Waldstücke und Ansammlungen von Häusern, die durch lange gerade Straßen, die wie graue Bänder aussahen, verbunden waren. Hier und da entdeckte sie kleine Spiegel – Seen. In beinahe absoluter Stille schwebte sie über das flache Land dahin. Sie hörte nur das gleichmäßige Dröhnen des Motors, gelegentlich ein Klappern der Türen und Fenster in ihren Rahmen und das leise Pfeifen des Windes, der über die Tragflächen glitt. Inzwischen hatte sie eine Höhe von tausendfünfhundert Metern erreicht. Und wie stets beim Fliegen stellte sich auch jetzt endlich wieder das Gefühl von Leichtigkeit und Losgelöstheit ein, das sie so liebte. Sie genoss die Weitsicht über die Erde, gewann Abstand von den Dingen dort unten – und neue Perspektiven.

Als sie nach zwei Stunden wieder landete, glaubte sie zu wissen, wie sie das Familienunternehmen vor einer Übernahme retten konnte.

MONTAG, 18. FEBRUAR 1957

Im Ostflügel der Villa in Blankenese war es noch dunkel, als Marlene Montagmorgen das Haus verließ. Über Nacht war das Wetter umgeschlagen. Nebel waberte über die Elbe. Gefrorene Feuchtigkeit flirrte wie silberner Staub durch die kalte Luft.

Marlene kam nur langsam voran. Die Luft war genauso verhangen wie die Zukunft der Firma. Normalerweise ging sie vor der Arbeit immer in die Werkshalle, um den alten Hannes zu begrüßen. Hannes Lüders war bei ihrem Großvater in die Lehre gegangen. Als kleines Mädchen hatte er sie ins Cockpit gehoben und ihr die Instrumente erklärt. Bei ihm hatte sie im Alter von zwölf Jahren das Fliegen erlernt. An diesem Montagmorgen jedoch ging sie sofort in ihr Büro, um sich vor der Unterredung mit ihrem Onkel noch einmal die Kontobücher anzusehen. Während sie in ihre Arbeit vertieft war, klopfte es. Ohne ihr »Herein« abzuwarten, stand ihr Vetter im Türrahmen.

»Dachte mir doch, dass du vor mir da sein würdest«, begrüßte Maximilian sie mit noch müder Miene.

»Wie meistens«, kam ihr ganz spontan über die Lippen, was sie gleich darauf bereute. Bei der Umsetzung ihrer Idee zur Rettung des Unternehmens brauchte sie auch seine Unterstützung. Max gehörten fünfzehn Prozent, genauso viel wie seinem Bruder Alexander.

Sie zwang sich zu einem Lächeln und fragte: »Aber warum bist du denn schon so früh hier?« Maximilian wohnte in der Innenstadt und traf normalerweise immer erst gegen zehn Uhr ein.

»Mein Vater hat mich gestern Abend angerufen. Er will mit uns heute früh schon um acht Uhr reden.« Seine blonden Brauen hoben sich. »Weißt du, worüber?«

Marlene zögerte. »Er hat mir nichts gesagt.« Was ja auch der Wahrheit entsprach.

Ihr Vetter zuckte mit den Schultern. »Dann warten wir mal ab.« Er schenkte ihr die Andeutung eines Lächelns. »Mach mir bitte einen Kaffee. Fräulein Piepenbrink ist noch nicht da.«

Sie sah ihn an. »Bin ich deine Sekretärin?«

»Nein, aber eine Frau und außerdem meine Cousine.«

Da sie sich an diesem Morgen nicht mit ihm anlegen wollte, stand sie auf, um Wasser zu holen. Sie bemerkte, wie Maximilian ihr nachblickte.

»Die Naht deines rechten Nylons sitzt schief«, hörte sie ihn sagen. Sie blieb stehen und sah an ihrer Wade hinunter.

»War nur ein Witz.« Ihr Vetter grinste sie an.

Ohne darauf etwas zu erwidern, verließ sie ihr Büro. Insgeheim schüttelte sie den Kopf. Maximilian war früher einmal ein liebenswürdiger junger Mann gewesen, sehr gut aussehend, groß, sportlich. Heute war er hager, hatte tiefe Augenringe und hohle Wangen – ausgezehrt von den Jahren in russischer Gefangenschaft und dem Alkohol, ohne den er die Kriegserlebnisse wahrscheinlich nicht hätte ertragen können. Erst nach ein paar Cognacs kamen sein jungenhafter Charme und sein Witz wieder leicht zutage.

Während sie Wasser in die Kanne füllte, hörte sie schwere Schritte auf dem Gang, unverkennbar die Schritte ihres Onkels, dessen Büro gegenüber dem lag, das sie von ihrem Vater übernommen hatte.

»Da bist du ja schon, Junge«, hörte sie Wilhelm mit seiner dröhnenden Bassstimme sagen. »Wo ist denn Marlene?«

»Die macht gerade Kaffee.«

»Kaffee können wir später trinken. Ich habe etwas mit euch zu besprechen. Komm bitte mit.«

Marlene musste lächeln. Typisch ihr Onkel. Ihm ging die Pflicht vor dem Vergnügen. So war auch ihr Vater gewesen. Und in diesem Sinne war auch sie erzogen worden.

Marlene ließ die Kanne auf dem Waschbecken stehen und folgte den beiden.

»Guten Morgen, Marlene«, begrüßte ihr Onkel sie. Er stand hinter seinem geschnitzten Schreibtisch, der allein schon – anders als das schnörkellose Stahlmodell ihres Vaters – Macht ausstrahlte. Dazu war ihr Onkel mit dem noch vollen, schlohweißen Haar, einem Gardemaß von eins neunzig und den stahlblauen Augen immer noch eine imposante Erscheinung. Er besaß eine Würde und Eleganz, die nach dem Krieg bei den Männern selten geworden waren. »Du bist heute Morgen ja ganz besonders früh gefahren«, fuhr er zwinkernd fort.

Sie lächelte ihn an. »Ich hatte eine schlechte Nacht.«

»Dafür siehst du aber sehr hübsch aus«, entgegnete er galant. Dann wurde er ernst. »Setz dich bitte. Ich habe euch etwas zu sagen.« Er zeigte auf die drei Ledersessel, die sich um einen niedrigen Rauchtisch scharten. Maximilian saß bereits mit übereinandergeschlagenen Beinen da und zog sein silbernes Zigarettenetui aus dem Tweedsakko. Mit aufforderndem Blick hielt er es seinem Vater entgegen. Marlene überging er, obwohl er wusste, dass auch sie hin und wieder rauchte.

»Jetzt nicht«, sagte Wilhelm kurz.

Maximilian zuckte mit den Schultern und ließ sein Feuerzeug aufschnappen. Marlene nahm ihm gegenüber Platz. Ihr Onkel blieb hinter seinem Sessel stehen und umfasste mit beiden Händen dessen Rückenlehne so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Dann sah er zuerst sie und danach seinen Sohn bedeutsam an. Sie schluckte schwer – wusste sie doch, was jetzt kommen würde.

»Wir alle wissen um die schwierige finanzielle Situation unserer Firma«, begann ihr Onkel nun mit getragener Stimme. »Während des Krieges hatten wir aufgrund unserer ländlichen Lage zwar das Glück, von den Bomben verschont zu bleiben, und konnten weiter produzieren. Unter den Briten aber, die fast alle Flugzeuge und – bis auf die eine letzte – alle Produktionsmaschinen konfisziert hatten, stellten wir mit dem Metall, das wir hatten retten können, lediglich Töpfe und Pfannen her. Den Bau von Flugzeugen und das Fliegen hatten die Alliierten ja verboten.«

Marlene fragte sich, weshalb er diesen Vortrag hielt. Sie wussten doch alle drei, wie die letzten Jahre gewesen waren. Aber scheinbar suchte ihr Onkel Rechtfertigungen für das, was er ihnen sagen wollte.

»So haben wir uns in den Nachkriegsjahren mithilfe unseres noch vorhandenen Vermögens einigermaßen über Wasser halten können. Und seit die Alliierten auf Einwirken Adenauers das Verbot aufgehoben haben, haben wir alles versucht, um mit den Leichtbauprofilen und zumindest als Zulieferer für andere Flugzeugbauunternehmen zurück ins Geschäft zu kommen. Doch ich muss euch ja nicht sagen, wie schwierig sich das gestaltet hat. Inzwischen ist unser Firmenvermögen aufgebraucht. Ja, wir sind sogar verschuldet – was der Grund dafür ist, dass wir keine Kredite bekommen, um selbst wieder in den Flugzeugbau einzusteigen.« Hier legte Wilhelm eine Kunstpause ein.

Marlene kostete es viel Mühe, ihn nicht zu unterbrechen. Sie kannte die Firmengeschichte. Und Max auch. Viel wichtiger war doch, wie es weitergehen sollte.

»Wie ihr wisst, hatte mein Bruder immer die Vision, ab 1955 wieder Flugzeuge zu bauen. Bereits 1953 hatte er ein ganz modernes Motorflugzeug konstruiert. Es sollte unser erstes Landflugzeug werden. Parallel zu der Fertigung der Leichtbauprofile haben wir dann sogar von unserem Privatvermögen den Prototyp gebaut, mit dem wir vergangenes Jahr hätten in Serie gehen wollen. Dein Vater, Marlene …«, Wilhelm sah sie an, »… war fest davon überzeugt, dass die Fliegerei in Deutschland nach 1955 eine große Zukunft haben würde.« Er seufzte, bevor er mit bewegter Stimme fortfuhr: »Ja, und dann …« Er schluckte. »Nach dem tragischen Absturz von Friedrich und Viola hat uns die Stadt die Fördergelder verweigert, die mir die Stadtväter persönlich zuvor zugesichert hatten. Dadurch hatte das Projekt keine Chance mehr. Ich will es auf den Punkt bringen …« Wieder hielt er kurz inne, um dann umso schneller fortzufahren: »Wir haben keine Zukunft im Flugzeugbau und stehen kurz vor dem Konkurs.« Sein Gesicht hatte eine Röte angenommen, die verriet, wie viel Anstrengung ihn seine Ausführungen gekostet hatten. Er war eher ein Mann sparsamer Worte. »Deshalb war ich auch erleichtert, als ich vergangene Woche überraschenderweise ein Übernahmeangebot der Dornier-Werke am Bodensee erhielt. Ein sehr großzügiges Angebot mit den besten Konditionen für uns. Claude Dornier ist ein geschickter Geschäftsmann. Er hat das Verbot der Alliierten umgangen und schon bald nach dem Krieg in Spanien entwickelt und produziert. Der technische Vorsprung gegenüber anderen deutschen Flugzeugbauern ist sehr groß. Dornier bietet uns an, alle Beschäftigten zu übernehmen. Das heißt, auch euch beide in bisherigen Positionen sowie Fräulein Piepenbrink, Piet Fischer, unseren guten alten Hannes und die anderen beiden Mechaniker wie auch von Treskow als leitenden Ingenieur. Ja, das war es, was ich euch mitteilen wollte.« Wilhelm Lilienthal verstummte, griff in die Tasche seines dunkelblauen Jacketts und wischte sich mit einem Taschentuch über die feuchte Stirn. Dann erst setzte er sich und sah seine beiden Zuhörer abwartend an.

Maximilian stand auf und ging zum Bartisch. Ohne zu fragen, schenkte er sich einen Cognac ein. Den rügenden Blick seines Vaters ignorierend, stürzte er die bernsteinfarbene Flüssigkeit in einem Zug hinunter. »Wie viel will die Dornier-Werke GmbH uns denn für die Firma zahlen?«

Sein Vater nannte einen Preis, der Marlene die Sprache verschlug.

»Ja, das ist tatsächlich ein sehr großzügiges Angebot.« Wilhelm nickte bekräftigend. Dabei sah er Marlene beschwörend an.

»Ich stimme dafür«, meldete sich sein Sohn zu Wort. »Aber ich werde nicht für Dornier arbeiten. Mal sehen, was ich mit meinem Anteil machen werde. Zurzeit scheint ja alles möglich.« Er lachte kurz auf. »Und ich kann euch jetzt schon sagen, dass mein kleiner Bruder in Paris auch dafür sein wird. Der hat sich doch sowieso nie für die Firma interessiert. Mit so einem Batzen Geld kann er bei Chanel kündigen und sich mit einem eigenen Modeatelier selbstständig machen.«

Marlene rückte auf die Sesselkante vor. Mit durchgedrücktem Rücken und erhobener Stimme sagte sie: »Ich bin entschieden dagegen.«

»Wieso denn das?« Ihr Vetter sah sie gleichermaßen verdutzt als auch empört an. Er wusste nur zu gut, dass ihr Stimmrecht mit fünfzig Prozent höher war als seins.

»Marlene«, begann ihr Onkel in eindringlichem Ton, »als Prokuristin weißt du doch genau, wie es um uns steht. Und wir beide haben schon öfter in der letzten Zeit darüber gesprochen. Wenn Dornier uns den Betrieb jetzt zu einem solch guten Preis abkaufen will, sollten wir zuschlagen.«

Marlene spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Onkel Wilhelm«, es kostete sie Kraft, ruhig zu bleiben, »dein Vater, mein Großvater, hat gesagt, wer Lilienthal heißt, muss fliegen und Flugzeuge bauen. Der Krieg und die Besatzungszeit haben vielen Firmen geschadet, aber deshalb kann man nicht gleich aufgeben. Wir sind ein Traditionsunternehmen. Unser Name gilt etwas in Hamburg sowie im Flugzeugbau. Wir können uns doch nicht so einfach von der Konkurrenz schlucken lassen. Gib uns noch etwas Zeit, wieder Fuß zu fassen. Erst seit zwei Jahren darf Deutschland überhaupt wieder Flugzeuge bauen!«

»Möchtest du lieber Konkurs anmelden, und wir gehen alle leer aus?«, fragte Maximilian mit spöttischem Lächeln. »Dann gilt unser Name nämlich gar nichts mehr in der Stadt.«

Marlene beachtete ihn gar nicht, sondern sprach weiter: »Vater hat daran geglaubt, dass die Fliegerei Zukunft haben wird. Deutschland ist fast wieder aufgebaut. Wir haben Vollbeschäftigung. Es werden sogar Arbeiter aus Italien geholt. Überall wachsen neue Geschäftszweige, neue Unternehmen aus dem Boden. Die Wege werden länger, Entfernungen weiter. Geschäftsleute müssen schnell von A nach B. Dafür brauchen sie Flugzeuge.«

Wilhelm seufzte. »Mein liebes Kind, das stimmt ja alles, aber wir haben weder einen äquivalenten Nachfolger für deinen Vater noch das Geld, Flugzeuge zu bauen. Von Treskow ist zwar ein guter Ingenieur, aber er ist kein Konstrukteur. Außerdem müssten wir, wenn wir weitermachen würden, einen großen Entwicklungsrückstand gegenüber den anderen, auch ausländischen Flugzeugbauern aufholen, um uns auf dem Markt wieder positionieren zu können. Wie sollen wir das schaffen?« Wieder wischte er sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Außerdem werde ich dieses Jahr sechzig. Eigentlich möchte ich bald in Ruhestand gehen.«

»Unsere gegenwärtige finanzielle Lage ist mir sehr wohl bewusst«, lenkte Marlene ein. »Deshalb möchte ich euch eine Alternative zu dem Übernahmeangebot vorschlagen. Ich habe alles genau durchdacht, und es könnte klappen – sofern wir uns für diesen neuen Geschäftszweig eine gewisse Anlaufzeit geben.«

Ihr Vetter zündete sich eine neue Zigarette an. Durch den Rauch sah er sie mit hochgezogenen Brauen an. »Neuer Geschäftszweig? Dann erzähl doch mal, Cousinchen, was du dir da in deinem hübschen Köpfchen ausgedacht hast.«

Ungeachtet der skeptischen Blicke beider Männer begann sie mit erhobenem Kinn: »Wir gründen als zweites Standbein eine Lufttaxifirma, um Menschen oder kleinere Waren ganz individuell und schnell von A nach B zu befördern. Geschäftsleute, Politiker, Künstler … Dafür müssen wir nichts investieren. Ich mache die Flüge erst mal mit meiner Vega Gull. Vater hat vor seinem Tod noch Funk einbauen lassen. Sie ist viersitzig, und wenn man die hinteren Sitze herausnimmt, passen sogar ein paar Kisten rein. Damit hat sie alles, was ein Flugzeug für ein solches Unternehmen braucht.«

In dem Schweigen, das nun folgte, hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können. Maximilians Lacher ein paar Sekunden später klang in der Stille des Raumes so laut, dass Marlene zusammenzuckte. »Du glaubst doch nicht etwa ernsthaft, dass sich irgendein vernünftiger Mann von einer Frau durch die Gegend fliegen lässt?«

Marlene hielt seinem belustigten Blick stand. »Doch, das glaube ich ganz ernsthaft. Du bist da eventuell nicht so bewandert. Doch schon seit Beginn dieses Jahrhunderts hat es Fliegerinnen gegeben. Da bin ich nicht die Erste. Élise Deroche war die erste Frau der Welt, die 1910 den Pilotenschein gemacht hat. Es folgten so bekannte Namen wie Amelia Earhart, Thea Rasche, Elly Beinhorn und viele mehr. Im Krieg flogen Frauen bei der Air Transport Auxiliary in England. Und ich, lieber Maximilian …«, sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein, in der sie ihn ironisch anlächelte, »ich habe den Flugschein bereits mit vierzehn gemacht. Und de facto fliege ich bereits seit meinem zwölften Lebensjahr. Ich denke, das sind Argumente genug.« Sie hatte sich so sehr in Rage geredet, dass sie jetzt husten musste, weil sie sich zuletzt verschluckt hatte.

Maximilians Augen wurden schmal. Er legte den Kopf leicht schief und sah sie mit amüsiertem Lächeln an. »Das mag ja sein. Aber jetzt will ich dir mal etwas erzählen, Cousinchen. Kennst du Paul Julius Möbius? Er war Neurologe. Ein kluger Mann. 1900 hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel ›Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes‹.« Sein Lächeln wurde breiter. »Er hatte herausgefunden, dass der Instinkt bei der Frau eine größere Rolle spielt als beim Mann. Das hat den Mangel eines eigenen Urteils zur Folge. Kannst du alles nachlesen. Aber man muss sicher kein Neurologe sein, um zu wissen, dass eine Frau gewerblich ganz bestimmt nicht an den Steuerknüppel eines Flugzeuges gehört. Ihr seid ja schon als private Fliegerinnen eine Gefahr am Himmel.«

Marlene schnappte nach Luft. »Dieser Möbius spinnt doch! Und du auch, wenn du dir seine Meinung zu eigen machst«, stieß sie wütend hervor.

»Bitte, streitet doch nicht«, mischte sich ihr Onkel ein. Er sah seinen Sohn mahnend an. »Und was dich angeht, Maximilian, Beleidigungen sind keine Argumente.« Dann wandte er sich wieder an seine Nichte. »Marlene, nun zu deiner Idee. Ich glaube nicht, dass ein solches, wie du sagst, zweites Standbein unserer Firma tatsächlich etwas einbringen wird, zumindest nicht so viel, dass es uns finanziell retten kann.« Sein Blick wurde weich, liebevoll. »Glaube mir, Kind, ich weiß, was der Verlust der Firma für dich bedeutet, aber bitte vertrau meinem Urteil, dass die Übernahme die einzige Möglichkeit ist, mit wenigstens unserem restlichen Privatvermögen aus der Sache herauszukommen. Dein Vater hätte hinter meiner Meinung gestanden. Das weiß ich genau.«

»Vater hätte alles versucht, eine solche Übernahme zu verhindern«, wandte sie heftig ein. »Das weiß ich genau. Und was meine Idee angeht: Wir müssten gar nichts investieren, würden überhaupt kein Risiko eingehen. Ich würde mich um alles kümmern. Werbung, Abwicklung und Rechnungslegung, natürlich zusätzlich zu meiner Büroarbeit. Ich würde versuchen, lukrative Verträge mit ortsansässigen Unternehmen abzuschließen, vielleicht würde die Stadt uns ja sogar subventionieren.«

»Verstehe ich das richtig? Du willst also der Lufthansa Konkurrenz machen?«, fragte Maximilian sichtlich belustigt.

»Natürlich nicht. Die Lufthansa fliegt mit großen Maschinen über weite Distanzen und nach Übersee. Wir wären viel flexibler und individueller. Wenn jemand schnell von Hamburg nach Frankfurt oder München muss zum Beispiel. Der Kunde lässt sein Auto hier stehen, und es geht sofort ab in die Luft. Hier gibt es keine Wartezeiten wie auf einem großen Flughafen wie Fuhlsbüttel, außerdem sind die Kunden in privater Atmosphäre und keinem Publikum ausgesetzt, sicher nicht ganz unwesentlich für jemanden mit gewisser Berühmtheit, und wir …«

»Das klingt ja alles ganz gut, aber ich glaube nicht, dass deine Idee umsetzbar ist«, schaltete sich ihr Onkel erneut ein. »Die Zeit ist noch nicht reif dafür.« Er wirkte plötzlich erschöpft. Sein Atem ging viel zu schnell, und Marlene bekam Angst, dass er wieder Herzbeschwerden haben könnte. Nach dem Tod ihres Vaters hatte er einen Herzinfarkt erlitten. Dennoch wollte sie noch nicht aufgeben.

»Gerade in diesen Zeiten, Onkel Wilhelm«, fuhr sie mit ruhigerer Stimme fort. »Das hat auch Vater gesagt.«

»Warum machst du das nicht auf eigene Kappe, wenn du vom Erfolg deiner Idee so überzeugt bist?« Maximilian sah sie herausfordernd an. »Nach der Übernahme hast du doch genügend Geld, um zu investieren. Im großen Stil, meine ich. Dann kannst du dir gleich ein paar Lockheed Super Constellation kaufen, mit der auch die Lufthansa durch die Welt fliegt und …«

»Schluss jetzt, Maximilian«, ging Wilhelm energisch dazwischen. »Ich fühle mich meinem Bruder gegenüber verpflichtet, Marlenes Idee nicht so einfach abzuschmettern, wie du es gerade tust. Ich möchte darüber nachdenken. Wir alle sollten darüber nachdenken: Übernahme oder zweites Standbein, wie Marlene es vorschlägt. Außerdem ist da ja auch noch Alexander, der das gleiche Mitspracherecht hat wie du, Max. Ich werde Alexander bitten, für eine Abstimmung nach Hause zu kommen. Heute in einer Woche sollten wir uns noch einmal zusammensetzen. Das wäre im Sinne meines Bruders.«

Maximilian lachte hart auf. »Ich werde auch noch in einer Woche für die Übernahme sein. Und Alex mit Sicherheit auch.« Er beugte sich nach vorn und sah seinen Vater beschwörend an. »Und du, Vater, kannst doch nicht im Ernst erwägen, diese idiotische Idee zu unterstützen.«

Marlene erlebte ihren Onkel zum ersten Mal verunsichert. »Nun«, Wilhelm räusperte sich und wischte sich über die Stirn, »vielleicht kommt Marlene in dieser Woche ja auch zu einer anderen Sichtweise und entschließt sich für die Übernahme. Wir sollten ein paar Nächte darüber schlafen. So hat es mein Bruder bei wichtigen Entscheidungen auch immer gehalten.«

Marlene biss sich auf die Lippe. Mit einem Mal fühlte sie sich leer und ausgebrannt. »Und was ist, wenn es bei dieser Abstimmung zu einem Fünfzig-fünfzig-Verhältnis kommt?«, fragte sie matt.

Maximilian lehnte sich mit siegessicherem Lächeln zurück. »Das wird es.«

Ohne auf seinen Einwurf einzugehen, sah sie ihren Onkel an.

Wilhelm holte tief Luft. »Für diesen Fall schlage ich vor, dass …«

»Dass dann wir Männer das letzte Wort haben«, unterbrach Maximilian seinen Vater ganz selbstverständlich.

»Ihr Männer?« Marlene wäre ihm am liebsten ins Gesicht gesprungen.

Maximilian grinste und hob beide Hände.

»In diesem Fall schlage ich vor, dass du dich, mein Kind, dann doch meinem Urteil anschließt – wie es auch dein Vater in kaufmännischen Dingen stets getan hat«, sagte Wilhelm mit liebevollem Lächeln. »Ich könnte mit Dornier reden, ob sie dir nach der Übernahme die Möglichkeit einräumen, deine Idee auf diesem Firmengelände zu verwirklichen. Das ist vielleicht verhandelbar.«

Marlene stand auf. Plötzlich glaubte sie, die Holzdielen würden unter ihren schwarzen Pumps schwanken. Sie musste sich am Sessel festhalten. »Gut, stimmen wir nächsten Montag ab«, sagte sie leise. Ihr war zumute, als wäre alles Blut aus ihren Adern geflossen. Dennoch straffte sie sich und wandte sich zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte. »Du weißt, dass ich morgen an die Ostsee fahre, um mich endlich mal ums Haus zu kümmern?«, sagte sie zu ihrem Onkel.

»Willst du das wirklich? Bei diesem schlechten Wetter?«, fragte er besorgt.

Sie nickte stumm.

»Soll Änne dich begleiten? Damit du nicht so allein bist.«

Marlene schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

Wilhelm Lilienthal sah alles andere als glücklich aus. Er wirkte plötzlich um Jahre gealtert. Marlene wusste, dass ihr Onkel ein gerechter und versöhnlicher Mensch war – ein Mann der Kompromisse. Aber in dieser Frage – Übernahme oder nicht – gab es keine Kompromisse. Zumindest einer würde der Verlierer sein. Entweder sie oder Maximilian.

DIENSTAG, 19. FEBRUAR 1957

Der Dienstagvormittag zeigte sich wieder kalt und nass. Über Hamburg hing eine dichte, graue Wolkendecke.

»Willst du wirklich fahren?«, fragte Änne Lilienthal, die ihre Nichte in der Eingangshalle abfing.

Marlene lächelte sie beruhigend an. »Ich muss doch mal nach dem Rechten sehen.«

»Aber die Petersens aus Rettin kümmern sich doch.«

»Trotzdem.« Marlene umarmte sie, und für einen Moment gab ihr die warme Körperfülle ihrer Tante das Gefühl von Geborgenheit.

»Hast du denn genug warme Sache dabei?«, erkundigte sich Änne besorgt.

»Ja, habe ich.«

Ihre Tante trat einen Schritt zurück, nahm die schwarze Keilhose, den schwarzen Pullover, die pelzgefütterten Stiefelletten und das Pelzpaletot in Augenschein. Dann nickte sie zufrieden. »Schön siehst du aus, wenn auch ein bisschen traurig und sehr müde.« Mit hilfloser Miene fingerte sie an ihrer dreireihigen Perlenkette, die ihre cremeweiße Seidenbluse mit der Schluppe dekorierte. »Es tut mir alles so leid, Marlene. Das mit der Firma.«

»Lass uns jetzt bitte nicht darüber reden, Tante Änne«, erwiderte Marlene leise und bemühte sich um ein tapferes Lächeln.

»Wann kommst du zurück?«

»Wahrscheinlich am Sonntag.«

»Rufst du an, wenn du angekommen bist?«

Marlene musste lachen. »Das sind doch nur knapp hundert Kilometer. Aber ja, ich werde mich in den Tagen mal melden. Ich wollte sowieso Hannes’ Schwester besuchen. Die hat in der Gaststätte einen öffentlichen Fernsprecher.«

Änne seufzte und schüttelte den Kopf. »Ach, Kind, bei dem Wetter …«

»Vielleicht ist es ja am Meer besser«, beruhigte Marlene sie. »Da weht der Wind die Wolken weiter und den Kopf frei«, fügte sie mit fragilem Lächeln hinzu.

Je weiter Marlene auf der Autobahn in Richtung Lübeck fuhr, desto größer wurden tatsächlich die Wolkenlücken. Nach der Abfahrt kam sie an braunen Äckern und Wiesen vorbei. Über den verstreut liegenden Ortschaften mit ihren roten Backsteinhäusern zogen weiße Wolkenschiffe. An der großen Kreuzung, wo es geradeaus zum Ostseebad Grömitz weiterging, bog Marlene rechts ab in südöstliche Richtung und kam in ein Waldgebiet. Nach ein paar Kilometern wandte sie sich nach links auf eine unbefestigte Straße. Hier machten die mächtigen Buchen schon bald knorrigen, windschiefen Kiefern Platz, die verrieten, dass es zur Ostsee nicht mehr weit war. Der Weg führte schließlich auf eine Klippe, auf der – einsam und verlassen – das weiße, reetgedeckte Haus mit den Sprossenfenstern stand. Sein Anblick nach fast einem Jahr war für Marlene wie ein Stich ins Herz. Das letzte Mal war sie zusammen mit ihren Eltern hier gewesen. Ein paar Augenblicke blieb sie im Auto sitzen und fragte sich, ob sie sich mit dieser Reise nicht doch zu viel zugemutet hatte. Schließlich stieg sie aus und ging um das Haus herum zur Meerseite.

Das Steilufer mit seinen überhängenden Bäumen und Luftwurzeln bot einen unverstellten Blick auf die Brandung und den Horizont, der in der Ferne mit dem grauen Meer verschwamm. Während sie fröstelnd den breiten Kragen ihres Pelzes am Hals zusammenhielt, hob sie ihr Gesicht der noch schwachen Februarsonne entgegen und atmete die nach Salz und Jod riechende Luft wie ein Lebenselixier tief ein. Dann stieg sie entschlossen die Holzstufen zur Loggia hinauf. Ihre Hand zitterte, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte. Ein paar hämmernde Herzschläge lang blieb ihr Blick an der Haustür hängen. Sie trug die für die Region typischen Schnitzereien – eine Sonne und zwei stilisierte Möwenköpfe. Dann überwand sich Marlene und schloss auf.

Überrascht blieb sie in dem kleinen Flur stehen. Anders als erwartet strömte ihr wie ein Willkommensgruß eine angenehme Wärme entgegen. Die Bauersleute, denen sie ihr Kommen angekündigt hatte, hatten die Elektroheizung angestellt. Noch im Mantel ging sie durchs Haus. Alles wirkte sauber und vertraut – das Geschirr im blau-weißen Zwiebelmuster in den weißen Küchenregalen, die Fensterbänke mit den Grünpflanzen, der Holzboden aus alten Schiffsplanken. Bevor die Erinnerungen an die vielen Urlaube hier sie überfallen konnten, machte sie sich daran, ihr Gepäck ins Haus zu bringen, räumte die mitgebrachten Lebensmittel in die Speisekammer, bezog ihr Bett im Obergeschoss, zündete den Kamin an und zog sich dann um für ihren ersten Strandspaziergang. Sie musste sich noch etwas Zeit geben, um mit dem Haus, in dem sie – trotz des Krieges – die schönste Zeit ihrer Jugend verbracht hatte, wieder eins zu werden.

In einer Hose aus schwerem Harris-Tweed, einem Fischerpullover, gelben Gummistiefeln und dem alten Trenchcoat ihrer Mutter brach Marlene zum Strand auf. Begleitet von einer steifen Brise und den Schreien der Seeschwalben, die in der Steilwand nisteten, stieg sie die Holztreppe hinunter, die an den Strand führte. Wie meistens war er menschenleer. An diesen Teil der Steilküste verirrten sich kaum Urlauber, und schon gar nicht zu dieser Jahreszeit.

Rechter Hand, südöstlich von ihr, lag der kleine Fischer- und Bauernort Rettin mit seinem Puderzuckersandstrand. Dahinter Pelzerhaken mit dem alten Leuchtturm, der den Schiffen den Weg in die Neustädter Bucht wies. Marlene wandte sich nach links in Richtung Grömitz. Hinter Brodau folgte der Steilküste ein breiter Sandstrand. Während sie am Meeressaum entlanglief, begleitete sie eine Zeit lang ein Möwenpärchen, deren Schreie sich mit dem Tosen der Wellen mischten. Die Bewegung tat ihr gut. Sie wünschte sich, sie könnte ewig so laufen, weg von der Vergangenheit – und weg vor der Zukunft, die so unsicher vor ihr lag.

Kurz vor dem Hafen von Grömitz, wo sie auf immer mehr Strandwanderer traf, kehrte sie um. Sie wollte allein sein mit der unberührten Landschaft. Sosehr sie einerseits beim Fliegen die Losgelöstheit von der Erde liebte, so sehr genoss sie es, sich ihr nah zu fühlen. Der weiche Sand, das Wasser, die Gischt, der Wind, der ihr durchs offene Haar blies. Und über ihr die weißen Federwolken, die wie ein Omen etwas Geheimnisvolles in das helle Blau schrieben.

Ein paar Augenblicke blieb sie stehen, vertiefte sich in die Musik des Meeres, die alle Zeiten überdauerte, sich nie veränderte – ganz gleich, wie das Leben verlief. Sie versetzte sie in einen unwirklichen Zustand, in dem sie nichts mehr dachte und die Welt um sie herum in den Hintergrund rückte. Ganz von allein setzte sie einen Fuß vor den anderen. Inzwischen hatte der Wind aufgefrischt. Weit hinten am Horizont ballten sich dunkle Wolken zusammen. Bald setzte ein leichter Nieselregen ein. Marlene bemerkte ihn erst, als sie kurz vor der Holztreppe zu ihrem Haus angekommen war. Plötzlich spürte sie, wie erschöpft sie war, glaubte, die Stufen nicht mehr hinaufsteigen zu können.

Da entdeckte sie die Kleidung. Auf der untersten Stufe lag fein säuberlich gefaltet ein schwarzer Mantel, darauf eine graue Hose, ein anthrazitfarbener Pullover, weiße Unterwäsche und ein blaues Handtuch. Neben der Kleidung standen akkurat nebeneinander ein paar schwarze Lederstiefel. Sie blinzelte verwirrt. Im Sommer hätten ihr die Kleidungsstücke erzählt, dass jemand sie hier zum Schwimmen abgelegt hatte. Aber zu dieser Jahreszeit? Doch dann fiel ihr das Wort Eisschwimmer ein. Ihre Freundin Cleo hatte vor einiger Zeit einen Artikel über diesen Sport für die Hörzu geschrieben.

Marlene drehte sich um und blickte zum Meer, über das jetzt dunkle Wolken landeinwärts zogen. Tatsächlich! Obwohl es gerade zu dämmern begann, entdeckte sie im Wasser einen Kopf, der immer wieder untertauchte. Mit kraftvollen Kraulbewegungen näherte sich der Schwimmer dem Ufer. Dort, wo er wieder Grund unter den Füßen hatte, richtete er sich auf und watete auf den Strand zu, wo er schließlich stehen blieb. Er schien sie noch nicht entdeckt zu haben und fühlte sich offenbar unbeobachtet. Mit beiden Händen strich er sich das schwarze Haar aus der Stirn. Dabei legte er den Kopf in den Nacken. Ganz in den Augenblick versunken, bot er ihr Gelegenheit, ihn zu betrachten. Seine breiten Schultern, seine wohldefinierten Brustmuskeln, schmalen Hüften, muskulösen langen Beine. Obwohl sie sich schämte, ihn so unverhohlen zu beobachten, konnte sie doch nicht den Blick abwenden. Er erinnerte sie an eine antike Statue. Sie schluckte. Nun kam er geradewegs auf sie zu, den Blick auf den Sand gerichtet. Wenige Meter vor ihr hob er den Kopf – und blieb abrupt stehen.

Sie blickte in ein offenes Gesicht mit kantigem Kinn, fein geschnittenem Mund und tiefbraunen Augen, die sie überrascht ansahen. Sie schätzte den Mann auf Anfang bis Mitte dreißig. Er passte in diese urwüchsige Natur und strahlte etwas Wildes, Unbezähmbares aus. Während er die letzten Schritte auf sie zu machte, zeigte sich auf seinem Gesicht ein schiefes, verlegen wirkendes Lächeln, das sich auch in seinen nahezu schwarzen, dicht bewimperten Augen spiegelte.

»Winterschwimmen«, erklärte er ihr mit einer etwas heiser klingenden Stimme.

Marlene musste ebenfalls lächeln. »Ich weiß.«

Die schwarzen Brauen schnellten hoch. »Sie auch?«

Sie lachte. »Nein, ich bevorzuge Sommerschwimmen.«

Sein Lachen klang warm und weich. Sie sahen sich an – wobei ihr Herzschlag in einen ungesunden Rhythmus verfiel. Er war zweifelsohne der faszinierendste Mann, dem sie je begegnet war.

»Frieren Sie nicht?«, fragte sie schließlich mit belegter Stimme. Der intensive Blickkontakt ließ ihr die Röte in die Wangen schießen.

»Ich bin gut trainiert. Aber dennoch …« Wieder dieses schiefe Lächeln, während er auf seine Kleidung deutete.

»Ja, natürlich.« Sie schickte sich an, die Treppe hinaufzusteigen, blieb aber dann auf der zweiten Stufe stehen und drehte sich um. Sie wollte ihn noch nicht gehen lassen, hätte gerne noch etwas mit ihm geplaudert. Für einen Sekundenbruchteil kam ihr sogar in den Sinn, ihm eine heiße Tasse Tee anzubieten. Nein. Unmöglich. Sie konnte keinen ihr wildfremden Mann zu sich in das einsame Haus einladen.

Während ihr diese Gedanken durch den Kopf rasten, wurde ihr Blick von seinem festgehalten. Die samtschwarzen Männeraugen, die bis tief in sie hineinzutauchen schienen, brachten in ihr etwas zum Schwingen. Der Wind zerrte an ihren Haaren. Die kalte Luft schien plötzlich elektrisch aufgeladen. »Sie müssen sich anziehen«, brachte sie schließlich nur schwer über die Lippen, als sie die Gänsehaut auf seinem Körper bemerkte.

»Ja«, erwiderte er, ohne ihren Blick loszulassen, und rieb sich kräftig die Arme. Dabei bemerkte sie den Ring an seiner linken Hand – ein großer, funkelnder Bernstein, massiv in Silber gefasst. Unwillkürlich legte sie die Hand auf ihr Dekolleté, auf dem unter dem Fischerpullover ihre Bernsteinkette lag. Sie wollte ihn gerne fragen, ob er auch Bernsteine liebe, doch als sie sah, wie er unter dem scharfen Wind erschauderte, nickte sie entschlossen und hob zum Abschied die Hand. »Tschüss.«

Dann drehte sie sich um und eilte die Holztreppe hinauf. Mit einem Mal fühlte sie eine berauschende Leichtigkeit in sich, die sie sonst nur beim Fliegen empfand. Ihr war zumute, als hätte dieser Mann ihr in den wenigen Augenblicken etwas von seiner urwüchsigen Kraft abgegeben. Lange schon nicht mehr hatte sie sich so lebendig gefühlt.

Oben auf der Klippe angekommen, lugte sie – hinter einem Sanddornbusch verborgen – noch einmal hinunter zum Strand. Da entdeckte sie ihn, wie er in seinem langen schwarzen Mantel gegen den Wind ankämpfend in Richtung Pelzerhaken stapfte – jedoch ohne zu ihr hochzusehen.

Die lange Wanderung hatte Marlene hungrig gemacht. Sie briet sich zwei Spiegeleier und Bratkartoffeln und gönnte sich dazu ein Glas Bier. Während sie aß, blätterte sie im Rettiner Heftchen, das wöchentlich kostenlos an die Haushalte verteilt wurde und die Neuigkeiten der Region enthielt. Inzwischen klopften dicke Regentropfen an die Küchenscheiben. Windböen fauchten ums Haus. Draußen war es bereits stockfinster, obwohl die Zeiger der Uhr über dem Gasherd erst siebzehn Uhr anzeigten. Wo mochte der Winterschwimmer jetzt sein? Er konnte nicht aus der Gegend stammen. Seine Kleidung war eher die eines Städters gewesen. Vielleicht ein Urlauber? Oder ein Handlungsreisender?

Marlene lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Wieder sah sie das attraktive Männergesicht und den gestählten Körper vor sich. Dann fiel ihr sein Ring ein, der eigentlich viel zu auffällig für einen Mann war. Ob er auch eine Affinität zu Bernstein hatte? Vielleicht verband der Ring ihn mit einem für ihn wichtigen Menschen. Einer Frau …

Mit dem Bierglas in der Hand ging Marlene ins Wohnzimmer, in dem der Kamin eine heimelige Wärme verbreitete. An den weißen Holzwänden hingen Bilder mit Seemotiven, Muscheln und Fischen. Die großen Blätter des Gummibaumes glänzten im Licht der Stehlampe. Ein paar Augenblicke blieb sie vor dem Vertiko stehen und betrachtete die Ferienfotos. Sie als Kind mit Affenschaukeln im Sand spielend, ihr Vater in Gummihose mit einem langen Köcher in der Hand am Strand von Dahme beim Bernsteinfischen, ihre Mutter am Tisch auf der Loggia, wo sie die Fundstücke bei schönem Wetter immer bearbeitet hatte. Zwischen den Bilderrahmen lag einer der Steine, den ihre Mutter besonders geliebt hatte. Sie nahm ihn in die Hand. Er fühlte sich glatt und warm an und besaß die Form eines ovalen Amuletts. Ungefähr in der Mitte war für alle Ewigkeit ein vierblättriges Kleeblatt eingeschlossen, völlig unversehrt. Dieses seltene Stück hatten sie kurz vor Kriegsbeginn am Strand von Ribnitz-Damgarten gefunden, das gut fünfzig Kilometer Luftlinie östlich auf dem Gebiet der heutigen DDR lag. Dort war das Bernsteinaufkommen sehr viel höher als in ihrer Gegend. Nach dem Krieg hatte sich ihr Vater jedoch geweigert, wieder dorthin zu fahren. Wir sind Unternehmer, Kind, hatte er gesagt. Die DDR ist ein kommunistischer Staat. Mit einem solchen Land, in dem die Menschen ihrer Freiheit und ihres Geldes beraubt werden, will ich nichts zu tun haben. Marlene interessierte sich kaum für diesen neuen Staat, der sich seinerseits von der BRD abschottete. Schade eigentlich, wenn man an die vielen Bernsteinfundstätten dort dachte …

Spätestens jetzt wären Marlene bei all diesen Erinnerungen die Tränen gekommen. Doch da schlich sich wieder der Winterschwimmer in ihre Gedanken. In Erinnerung an diese ungewöhnliche Begegnung ging sie schließlich schlafen.

MITTWOCH, 20. FEBRUAR 1957

Als Marlene am nächsten Morgen aufwachte, nahm sie als Erstes die kalte, kristallklare Meeresluft wahr, die durch das auf Kipp stehende Fenster ins Zimmer drang. Noch gefangen zwischen Traum und Wirklichkeit, kuschelte sie sich unter die Daunendecke und lauschte eine Zeit lang dem Gesang des Windes und der Wellen. Dabei sah sie unwillkürlich wieder das Bild des Winterschwimmers vor sich, den Moment, als er der Ostsee entstiegen war. Groß, breit, muskulös – wie der Gott des Meeres höchstpersönlich. Bei der Erinnerung an diese Begegnung fuhr ihr ein Stich ins Herz. Und plötzlich verspürte sie die Sehnsucht, von diesem Mann in die Arme genommen zu werden. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Und mit einem Mal war sie hellwach. Mit einem Lächeln auf den Lippen sprang sie aus dem Bett und trat ans Dachfenster.

Bleigrau lag die Ostsee vor ihr. Seeschwalben zogen über das Wasser hinweg, auf der Suche nach ihrem Frühstück. Jetzt zerriss der schrille Schrei einer Möwe die morgendliche Stille, die den Eindruck vermittelte, der Tag wäre noch nicht bereit, sich den Ereignissen, die er bringen würde, zu stellen. Während sie zusah, wie es immer heller wurde, horchte sie in sich hinein: Sie fühlte sich so frisch und kraftvoll wie lange nicht mehr. Für sie konnte der Tag beginnen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück mit frisch aufgebrühtem Bohnenkaffee, Sanddornmarmelade, Katenrauchwurst und Seeschinken brach sie zur Strandwanderung auf. Merkwürdig, dachte sie erstaunt über sich selbst, die Begegnung mit dem Fremden hatte ihre Probleme bezüglich der Firma, ihre Angst vor der Abstimmung in der nächsten Woche und ihre Trauer um ihre Eltern in den Hintergrund gedrängt. Diesem Mann war gelungen, was bisher noch keiner geschafft hatte: ihren Kopf vollständig zu besetzen.

Dieses Mal wanderte sie in Richtung Pelzerhaken. Vom wolkenlosen Himmel strahlte die Sonne auf sie herab. Gerade und klar lag der Horizont auf dem Rand der Welt. Während sie am Meeressaum entlangging, zu ihren Füßen Muscheln, Hölzer und einiges mehr an Strandgut, malte sie sich aus, wie der Fremde ihr gleich entgegenkommen und in die Augen sehen würde, ihr seinen Namen verraten und sie fragen würde, ob sie nicht ein Stück gemeinsam gehen möchten …

Doch an diesem Vormittag begegnete sie überhaupt niemandem. Kurz vor dem Leuchtturm kehrte sie um. Verrückt. Ich bin verrückt, schalt sie sich, während sie ihren Schritt beschleunigte, als wolle sie vor ihrer irrigen Hoffnung, den Schwimmer wiederzusehen, davonlaufen.

Am Nachmittag ging sie noch einmal zum Strand, um Ausschau nach einem schwarzhaarigen Kopf im Wasser oder einem Wanderer in langem schwarzem Mantel zu halten. Enttäuscht stieg sie schließlich die Treppe hinauf zu ihrem Haus.

Um nicht wieder in trübe Gedanken zu verfallen, fuhr Marlene am frühen Abend nach Rettin zum Treibsand, der Gaststätte von Hannes Lüders’ Schwester. Vorher zog sie sich um. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie sich nur in Schwarz gekleidet. Doch anders als ihre Freundin Cleo, die mit den französischen Existenzialisten Sartre, Camus und de Beauvoir und deren Idee der absoluten, persönlichen Freiheit auch deren Kleidungsstil für sich entdeckt hatte, empfand Marlene die Farbe als deprimierend.

Bevor sie das Haus verließ, betrachtete sie sich im Spiegel. Endlich gefiel sie sich wieder. Der moosgrüne Rock, die dazu farblich passende Strickjacke, die weiße Bluse. Sie schenkte sich ein Lächeln. Grün war ihre Lieblingsfarbe. Sie ließ ihr rotes Haar leuchten und spiegelte sich in ihren Augen wider.

Marlene parkte unweit des Treibsands im Ortskern und ging die letzten Meter zu Fuß. Sie freute sich auf Lieselotte, von der sie immer alle Neuigkeiten aus der Umgebung erfuhr.

Als sie den Gastraum betrat, schlugen ihr laute Stimmen, Lachen, warme Luft und Zigarettenrauch entgegen. An einer langen Tafel gleich neben der Theke feierten etwa zwanzig Leute – Einheimische, wie sie unschwer an den wettergegerbten Gesichtern und der Kleidung erkennen konnte. Sie kannte von ihnen jedoch niemanden. Aus der Musikbox schmetterte Hans Albers gerade aus voller Kehle »Auf der Reeperbahn nachts um halb eins«. Dazu tanzten drei Paare ausgelassen zwischen den Tischen. Lieselotte kam mit einem Tablett voller Schnapsgläser hinter dem Tresen hervor, als sie Marlene entdeckte.

»Mensch, Deern!« Die dralle Fünfzigerin, eine kinderlose Kriegswitwe, stellte das Tablett ab, eilte auf Marlene zu und drückte sie an ihren ausladenden Busen. »Dass du dich mal wieder bei mir blicken lässt!« Fast andächtig berührte sie Marlenes Haare. »Hast ja immer noch die schönen langen, roten Locken«, stellte sie bewundernd fest. Lieselotte trug inzwischen – gemäß der aktuellen Mode – einen Kurzhaarschnitt in hellem Blond. »Das mit deinen Eltern … Das hat mir so leidgetan«, fuhr sie in ihrer lebendigen Art fort. »Wie geht es dir denn? Bist du ganz allein hier? Hast du Hunger?«

Marlene musste lachen. Sie wusste gar nicht, welche Frage sie zuerst beantworten sollte. »Ja, ich habe Hunger.«

»So schade, dass ich heute den siebzigsten Geburtstag hier habe, sonst hätten wir ausgiebig schnacken können«, entschuldigte sich Lieselotte mit bedauernder Miene.

»Das macht nichts«, beruhigte Marlene sie. »Ich komme in den nächsten Tagen noch mal. Ich bin noch bis Sonntag hier.«

»Setz dich dort hinten an den Tisch, da ist mehr Ruhe«, schlug Lieselotte vor. »Wie immer frische Meerforelle mit Kartoffelsalat?«, fragte sie mit verschwörerischem Zwinkern. »Die haben gerade Beißzeit.«

»Genau. Dazu hätte ich noch gerne eine Ansichtskarte und einen Stift. Und ein Bier.«

»Wird sofort erledigt.«

Marlene setzte sich ans andere Ende des Gastraums an den Vierertisch und sah sich um. In dem Lokal hatte sich seit ihrer Kindheit nichts verändert. Es hatte immer noch den nostalgischen Charme einer Seemannsspelunke. An den dunklen Holzwänden hingen Schiffsglocken, Steuerräder und Seemannsknoten, von der niedrigen Decke Netze mit bunten Plastikfischen. Die Kerben und Brandflecken in den hölzernen Tischen hätten bestimmt manch Seemannsgarn, das hier gesponnen worden war, wiedergeben können. Denn das Treibsand hatten schon Lieselottes und Hannes’ Eltern betrieben.

Eine der beiden Bedienungen, die mit weißen Schürzen volle Teller aus der Küche trugen, riss Marlene aus ihren Betrachtungen heraus.

»Bitte schön. Die Ansichtskarte – wir haben zurzeit leider nur das eine Motiv von der Steilküste –, einen Kugelschreiber und das Bier. Und das hier geht aufs Haus, sagte die Wirtin.« Mit diesen Worten stellte die junge Frau noch zusätzlich einen Klaren auf den Tisch.

Marlene musste lächeln. Ja, so ging es hier zu – und wenn sie den Schnaps nicht trinken würde, wäre das für Lieselotte eine Beleidigung. Also hielt sie Ausschau nach ihr, prostete ihr auf die Entfernung hinweg zu und trank den Kurzen in einem Zug aus – woraufhin Lieselotte ihr zufrieden zunickte.

Noch während sich Marlene den Wortlaut der Ansichtskarte überlegte, die sie an Cleo schreiben wollte, wurde ihr die Meerforelle serviert. Ihr würziger Geschmack ließ Erinnerungen in ihr aufkommen. Gebackene Meerforelle war auch das Lieblingsessen ihrer Mutter hier gewesen. Ihr Vater hatte gerne geräucherten Aal mit Rührei gegessen. Bevor die Bilder aus den gemeinsamen Zeiten sie wieder in eine sentimentale Stimmung hätten versetzen können, klang gerade rechtzeitig aus der Musikbox das schwungvolle Lied »Rock Around The Clock« von Bill Haley. Während sie es sich schmecken ließ, sah sie den jüngeren Geburtstagsgästen zu, wie sie auf der provisorischen Tanzfläche einen wilden Rock ’n’ Roll hinlegten. Rock ’n’ Roll war zurzeit in Mode – und auch ihr Lieblingstanz. Die drei Halbstarken mit Schmalztolle, weißem Hemd, Krawatte und aufgekrempelten Ärmeln warfen ihre Mädchen so wild durch die Luft, dass man den Petticoat unter den Röcken und sogar die Strumpfbänder sehen konnte. Marlene wippte mit den Füßen und lächelte in sich hinein. Die drei Pärchen waren bestimmt zehn Jahre jünger als sie. So wild tanzte sie mit fast dreißig natürlich nicht mehr.

Nach dem Essen widmete sie sich dem Schreiben der Karte. Sie hatte Cleo vor ihrer Abfahrt in der Redaktion telefonisch nicht mehr erreicht und wollte sie darüber informieren, wo sie zurzeit war, dass sie am Sonntag zurückkommen würde und unbedingt noch vor Montag mit ihr reden müsse. Mehrmals hielt sie inne, überlegte, ob sie auch die bevorstehende Abstimmung erwähnen sollte. Und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Instinktiv sah sie hinüber zur Theke – und geradewegs in ein paar samtschwarze Männeraugen, die ihren Blick festhielten. Ihr stockte der Atem.

Da hatte sie den ganzen Tag nach ihm Ausschau gehalten, und jetzt, als sie schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte, ihn wiederzusehen, saß ihr Winterschwimmer hier in derselben Gaststätte wie sie, auf einem der Hocker am Tresen und blickte zu ihr hinüber – abwartend und ruhig, als würde er ausloten, wie sie auf das unerwartete Wiedersehen reagieren würde. Aufs Neue war sie selbst über die Entfernung hinweg von seiner männlichen Ausstrahlung fasziniert. Anthrazitfarbener Rollkragenpullover, graue Hose, schwarze Schuhe … Das schwarze Haar hatte er mit Frisiercreme streng zurückgekämmt, was sein Gesicht noch markanter machte. Da konnte sie nicht anders. Sie lächelte zu ihm hinüber und hob spontan die Hand. Er lächelte und winkte zurück. Während ihre Blicke miteinander zu tanzen begannen, spürte sie ein Flattern im Bauch. Würde er gleich an ihren Tisch kommen? Wie schön wäre es, den Abend mit ihm zu verbringen, mehr über ihn zu erfahren und vielleicht sogar ein bisschen mit ihm zu flirten, dachte sie sehnsüchtig – und wunderte sich über diesen Wunsch. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie dieses Bedürfnis nicht mehr verspürt.

Während ihr all diese Gedanken durch den Kopf jagten, wunderte sie sich, dass er nicht aufstand und zu ihr herüberkam. Immerhin hatten sie doch schon einmal kurz miteinander gesprochen.

Jetzt wandte er sich von ihr ab und sagte etwas zu der Wirtin. Marlene beobachtete, wie Lieselotte zwei Bier zapfte und sie auf die Theke stellte. Und dann glitt ihr Winterschwimmer lässig vom Hocker, nahm die beiden Biergläser und bahnte sich den Weg zwischen den Tischen und Tanzenden hindurch zu ihr. Als er schließlich vor ihr stand, mit diesem leicht schiefen, bezwingenden Lächeln, klopfte ihr Herz so laut, dass sie befürchtete, er könne es hören.

»Guten Abend«, begrüßte er sie mit seiner leicht heiseren, eher leisen als lauten Stimme. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Da öffnete sich ihr das Herz. »Ja, gerne«, antwortete sie strahlend.

Er setzte sich ihr gegenüber, stellte das eine Bierglas an ihren, das andere an seinen Platz. »Ich habe gesehen, dass Sie Bier trinken. Darf ich Sie zu diesem einladen?«

»Dürfen Sie. Vielen Dank.« Sie hob ihr Glas. »Zum Wohl.«

Während sie einen Schluck trank, nahm sie den Geruch seines Rasierwassers nach frisch geschlagenem Holz und Zitronenverbene wahr. Dieser natürliche Duft passte zu ihm.

»Darf ich mich vorstellen?« Er hob die schwarzen Brauen, und sein Blick tauchte in ihren. Dabei deutete er eine leichte Verbeugung an. »Södermann.«

»Lilienthal. Aus Hamburg«, fügte sie hinzu, was ihr im nächsten Moment unsinnig vorkam, aber nun hatte sie es gesagt. »Waren Sie heute wieder im Meer schwimmen?«, wechselte sie rasch das Thema.

»Nein, heute nicht«, antwortete er.

»Ich kann mir das gar nicht vorstellen, zu dieser Jahreszeit in die kalte Ostsee zu springen«, plauderte sie weiter, um die Unterhaltung in Gang zu bringen.

Er lachte. Es klang kehlig – irgendwie sinnlich. »Ohne Übung sollte man das auch nicht tun.«

»Wie lange machen Sie das denn schon?«, erkundigte sie sich.

Mit einem amüsierten Ausdruck in den dunklen Augen sah er sie an. »Ich schwimme schon seit meiner Kindheit. Wenn man aus Lübeck stammt, ist das auch kein Wunder, da die Ostsee ja vor der Tür liegt. Schon als Jugendlicher habe ich bei Wettkämpfen mitgemacht und war schon früh bei den Rettungsschwimmern. Zum Winterschwimmen kam ich aber erst später.«

»Ich weiß, dass dieser Sport besonders in den skandinavischen und östlichen Ländern wie Russland, Polen oder der Tschechoslowakei sehr beliebt ist.«

»Stimmt. Da gehört das Eisbaden zum Winter wie anderswo das Rodeln.«

»Und das soll tatsächlich gesund sein?«

Er nickte. »Regelmäßiges Schwimmtraining in kaltem Wasser wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem und sogar auf die Seele aus.«

»Wenn ich mir vorstelle …« Sie schauderte. »Brrr.«

Er lachte. »Wenn man die Kälte erst einmal überwunden hat, fühlt man sich ganz frei.«

»Frei?«, wiederholte sie erstaunt.

Er griff nach seinem Glas und trank einen Schluck. Dann sah er sie an, mit einem Ausdruck in den schwarzen Augen, den sie nicht deuten konnte. »Ja, frei. Wobei fühlen Sie sich denn so richtig frei?«

Im ersten Moment war sie viel zu verblüfft, um darauf etwas erwidern zu können. Das hatte sie noch niemand gefragt. Freiheit schien für diesen Mann ein wichtiges Thema zu sein.

»Beim Fliegen«, antwortete sie schließlich zögerlich.

Er wirkte weit weniger erstaunt als all die anderen Menschen, denen sie bisher von ihrer Leidenschaft erzählt hatte.

Sein Blick glitt über sie hinweg und verlor sich mit träumerischem Ausdruck in einer Ecke des Raums. »Fliegen, ja, das kann ich mir gut vorstellen«, meinte er dann mit diesem Lächeln, das sie so sehr anzog.

Durch seine Reaktion bestärkt, beugte sie sich vor und begann voller Leidenschaft zu erzählen: »Das Gefühl, den Himmel, die Unendlichkeit, zu erobern, dieses Losgelöstsein von der Erde, ist mit nichts zu vergleichen. Diese Schwerelosigkeit. Ja, eben diese Freiheit, von der Sie gerade sprachen.« Sie lehnte sich wieder zurück, bevor sie weiterredete: »Ich fliege schon, seit ich groß genug bin, um an die Steuerung zu kommen. Und vorher habe ich bei meinem Vater auf dem Schoß gesessen und mit Steuerknüppel und Gas gespielt. Das Fliegen schärft die Sinne, man fühlt sich innerlich lebendig.« Ein wenig atemlos hielt sie inne, wunderte sich über sich selbst, wie sie sich gerade einem ihr völlig fremden Menschen derart offenbart hatte. Und dann kam ihr spontan über die Lippen: »Wollen wir uns duzen? Ich bin Marlene.« Mit diesem Vorschlag reichte sie ihm entschlossen die Hand über den Tisch, in die er mit einem festen Händedruck einschlug.

»Bernhard.«

Ihre Hände lagen ein paar Augenblicke ineinander. Bernhards fühlten sich warm und trocken an. Vertrauenerweckend. Während sie die Wärme seiner Hand spürte, wünschte sie sich, er würde ihre niemals mehr loslassen. Ihr war zumute, als würde sie gerade ein Bündnis mit ihm schließen, das ihrem Leben eine völlig neue Richtung geben würde. Aber dann ließ Bernhard ihre Hand los. Sie errötete. War sie vielleicht gerade zu aufdringlich gewesen?

»Segel- oder Motorfliegen?«, erkundigte er sich mit intensivem Blick, der ihr das Gefühl gab, dass er aufmerksam und interessiert an diesem Thema war. Das beflügelte sie weiterzuerzählen.

»Motorfliegen. Ich fliege eine Vega Gull Baujahr 1936 des englischen Flugzeugherstellers Percival Aircraft Co. Mein Vater hat sie mir geschenkt. Sie ist einmotorig, viersitzig und hat einen 200-PS-Motor.« Und da sie – wie immer, wenn sie von ihrer Maschine sprach – ins Schwärmen gekommen war, beschrieb sie ihre Maschine in allen Einzelheiten. »Mit diesem Typ hat Beryl Markham 1936 von England aus die erste Allein-Nonstop-Atlantiküberquerung gemacht.« Dann hielt sie abrupt inne. Plötzlich unsicher, sah sie ihn an. »Interessiert dich das überhaupt?« Sie wusste ja, wie Männer übers Fliegen von Frauen dachten – nicht nur ihr Vetter Max. Da waren die männliche Skepsis und die Vorurteile, eine große Portion Missgunst und Platzhirschgehabe.

Er lachte. »Das interessiert mich sogar sehr. Du weißt doch: Schon kleine Jungen interessieren sich für Autos, Eisenbahnen und Flugzeuge. Und besonders spannend finde ich, dass sich inzwischen auch Frauen fürs Fliegen interessieren – wie ich jetzt gerade höre«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu. »Kannst du dein Flugzeug auch selbst reparieren?«, erkundigte er sich dann wieder ernst.

»Ich habe natürlich keine Ausbildung als Mechaniker, aber Ölstand, Treibstoffvorrat, den Rumpf und die Magnete kann ich schon checken.«

»Fliegst du beruflich?«

Seine Frage klang so selbstverständlich, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass eine Frau von Beruf Pilotin war, statt für Mann, Kinder und Haushalt zu sorgen.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin in unserer Flugzeugbaufirma Prokuristin. Aber ich würde gerne beruflich fliegen. Und falls …« Sie wollte ihm gerade von ihrer Idee des Lufttaxis erzählen, zögerte dann jedoch. Was war bloß in sie gefahren, dass sie vor diesem Mann ihr Leben ausbreitete? Von ihm wusste sie bisher nur, dass er aus Lübeck stammte und eisbadete. Jetzt ist er aber mal dran, sagte sie sich entschlossen.

Sie straffte sich und lächelte ihn an. Doch bevor sie ihn fragen konnte, was er beruflich machte, zeigte er auf ihre Bernsteinkette. »Das ist ein sehr schönes Stück.«

Überrascht sah sie ihn an. »Danke. Ich liebe Bernstein. Aber du trägst auch einen sehr schönen Ring.«

»Ich liebe Bernstein ebenfalls. Mir gefällt seine Farbe – von Honiggelb bis zum tiefen Rotbraun.« Während er sprach, wanderte sein Blick zu ihrem Haar, so als wollte er einen Vergleich zu ihren roten Locken ziehen. Was er dann aber nicht tat. War ihm das zu persönlich? »Meine Mutter sagt, dass im Bernstein alles für immer sicher aufgehoben ist und er uns in dunklen Stunden leuchten kann. Sie hat ein Gespür für Bernstein und glaubt auch an seine Heilwirkung.«

»Meine Mutter auch«, sagte sie, überrascht von dieser weiteren Gemeinsamkeit zwischen ihnen. »Von ihr weiß ich auch, dass Bernstein bereits in der Antike und im Mittelalter als Heilmittel gegen Fieber und Gicht galt.«

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