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Der Weisheit letzter Kuss

hier erhältlich:

Isabel ist überzeugt, dass ein Fluch auf ihr lastet. Schon ihre Jugendliebe Ford Hendrix hat all ihre Versuche ignoriert, mit ihm in Kontakt zu treten. Jetzt hat ihr Ehemann sie für einen anderen Mann (genau!) verlassen. Und anstatt eine gefeierte Star-Designerin bei der Fashion Week in New York zu werden, muss sie sich in ihrer Heimatstadt Fool's Gold um den Brautmodenladen ihrer Eltern kümmern. Doch danach, das schwört sie sich, wird sie die Provinz hinter sich lassen und ihre Träume wahr machen!
Unerwartet kehrt auch Ford nach Fool’s Gold zurück. Isabels Anblick trifft ihn mitten ins Herz. Nur ihre süßen Briefe hatten ihn in den schwersten Stunden seines Lebens aufrecht gehalten. Jetzt kann er sie endlich für sich gewinnen. Aber wird sie für ihn ihre Träume aufgeben - oder mit ihm die große Liebe leben?


  • Erscheinungstag: 01.09.2015
  • Aus der Serie: Fool's Gold
  • Bandnummer: 17
  • Seitenanzahl: 300
  • ISBN/Artikelnummer: 9783956494635
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Mallery

Der Weisheit letzter Kuss

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Ivonne Senn

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Three Little Words

Copyright © 2013 by Susan Macias Redmond

erschienen bei HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: pecher und soiron, Köln

Illustration: Matthias Kinner, Köln

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-463-5

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Tod durch Spitze und Tüll“, sagte Isabel Beebe und wedelte mit der Düse des Steamers herum.

„Es tut mir so leid“, erwiderte Madeline und zuckte zusammen, als sie die Vorderseite des Hochzeitskleides anschaute.

„Zukünftige Bräute sind sehr entschlossen.“ Isabel hob die obersten Lagen des weißen Kleids an und klemmte sie vorsichtig an die tragbare Kleiderstange im Hinterzimmer ihrer Boutique. Bei einem Kleid wie diesem, das aus mehreren Lagen fließendem Chiffon bestand, würde sie innen anfangen und sich langsam nach außen vorarbeiten müssen.

Isabel richtete den Dampfstrahl auf die Falten. Eine aufgeregte Braut hatte herausfinden wollen, ob sie in ihrem Kleid bequem sitzen konnte. Also hatte sie sich gesetzt. Und eine halbe Stunde mit ihrer Freundin telefoniert. Jetzt musste das Musterkleid für die nächste Interessentin wieder in Form gebracht werden.

„Soll ich sie nächstes Mal aufhalten?“, fragte Madeline.

Isabel schüttelte den Kopf. „Ich wünschte, das könnten wir, aber nein. Bräute sind sehr zerbrechlich und emotional. Solange sie keine Farbe auf die Kleider schmieren oder nach einer Schere greifen, dürfen sie sitzen und tanzen, so viel sie wollen. Wir sind hier, um ihnen zu helfen.“

Sie zeigte Madeline, wie man den Steamer halten musste, damit der Dampf sich gleichmäßig verteilte, und erklärte ihr dann, dass man das Kleid auskühlen lassen musste, bevor man es wieder zu den anderen hängte.

„Es hilft, wenn du jedes Brautkleid als sehr empfindliche Prinzessin betrachtest“, sagte Isabel grinsend. „Jede Sekunde kann eine Katastrophe geschehen, und wir sind hier, um das zu verhindern.“

Madeline arbeitete erst seit drei Wochen im Paper Moon, dem Brautmodengeschäft in Fool’s Gold, doch Isabel mochte sie bereits. Sie kam rechtzeitig zur Arbeit und hatte schier endlose Geduld – sowohl mit den Bräuten als auch mit deren Müttern.

Isabel reichte ihr die Dampfdüse. „Jetzt bist du dran.“

Sie schaute zu, bis sie sicher war, dass Madeline wusste, was sie tat. Dann kehrte sie nach vorne in den Laden zurück. Sie stellte die Probierschuhe wieder ins Regal, richtete ein paar Schleier … fügte sich dann ins Unvermeidliche und gab zu, dass sie nur versuchte, Zeit zu schinden. Was getan werden musste, musste getan werden. Es aufzuschieben würde nichts daran ändern. Aber, oh, wie sehr sie es sich wünschte …

Nachdem sie einen stärkenden Atemzug getan hatte, ging sie in ihr kleines Büro, schnappte sich ihre Handtasche und kehrte zu Madeline zurück. „Ich bin in einer Stunde wieder da.“

„Okay. Bis dann.“

Isabel verließ das Geschäft und ging entschlossen zu ihrem Auto. Fool’s Gold war eigentlich klein genug, um zu Fuß überallhin zu gelangen, aber ihr aktuelles Ziel lag gerade so weit weg, dass man ein Auto brauchte. Außerdem war sie auf diese Weise schneller da und wieder weg. Wenn es schlecht lief, wollte sich nicht weglaufen müssen wie ein verängstigtes Häschen. Was sie in ihren hohen Schuhen sowieso nicht gekonnt hätte, aber egal. Mit einem Auto konnte sie in einer beeindruckenden Wolke aus Staub und aufspritzendem Kies verschwinden – wie im Kino.

„Es wird schon nicht schiefgehen“, redete sie sich gut zu.

„Alles wird toll. Ich muss nur daran glauben.“ Beinahe hätte sie die Augen geschlossen, aber ihr fiel noch gerade rechtzeitig ein, dass sie hinter dem Steuer saß. „Ich trage heute meine Krone der Großartigkeit.“

Sie bog links auf die Eighth Street ab, dann nach rechts, und bevor sie wirklich bereit war, fuhr sie schon auf den Parkplatz von CDS.

Cerberus Defence Sector war die neue Sicherheitsfirma in der Stadt. Sie bildeten Bodyguards aus und boten Selbstverteidigungskurse und anderen Männerkram an. Genauere Einzelheiten wusste Isabel nicht. Sie hatte schon vor längerer Zeit festgestellt, dass sie und der Sport eine viel bessere Beziehung führten, wenn sie einander aus dem Weg gingen.

Nach kurzem Zögern parkte sie ihren Wagen zwischen einem großen schwarzen, mit Flammen bemalten Jeep und einer monströsen Harley. Ihr Prius wirkte hier völlig fehl am Platz. Und unglaublich klein.

Jetzt, da sie nicht mehr fuhr, konnte sie endlich die Augen schließen. Sie tat es und versuchte, ruhig zu atmen und an etwas Schönes zu denken. Doch ihr Magen war so zugeschnürt, dass all ihre Gedanken leider nur darum kreisten, sich bloß nicht hier auf dem Parkplatz zu übergeben.

„Das ist doch albern!“, schimpfte sie laut und öffnete die Augen. „Ich kann das. Ich kann eine vernünftige Unterhaltung mit einem alten Freund führen.“

Nur war Ford Hendrix eben kein alter Freund. Und das Gespräch, das sie mit ihm führen wollte, drehte sich darum, dass er – trotz der Briefe und der Liebesschwüre – keine Angst vor ihr haben musste. Denn die hatte er. Zumindest ein bisschen. Davon war sie überzeugt.

Natürlich würde er das nicht zugeben. Der Mann war immerhin ein ehemaliger SEAL. Außerdem, das wusste sie, hatte er zu einer Sondereinheit gehört, deren Aufträge ganz besonders gefährlich gewesen waren. Sie wusste ebenfalls, dass er vor drei Monaten nach Fool’s Gold zurückgekehrt war und sie sich seitdem aus dem Weg gingen. Doch das war jetzt nicht mehr möglich.

„Also, was ich dir sagen wollte: Ich bin keine Stalkerin“, erklärte sie und stöhnte auf. Ganz schlechter Einstieg für ein Gespräch. Und auch nicht wirklich dazu geeignet, ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen.

„Wie auch immer“, murmelte sie und stieg aus.

Sie hielt kurz inne, um ihr schwarzes Kleid glatt zu streichen. Es schmiegte sich an ihren Körper, ohne zu eng zu sein und all ihre Schwachstellen unnötig zu betonen. Bei ihrer Liebe für Mode sollte man glauben, dass sie wie eine Verrückte Sport trieb, um in die entsprechenden Designerkleider zu passen. Doch in Wahrheit fiel es ihr schwer, Kekse zu ignorieren. Deswegen war sie inzwischen sehr gut darin, ihre Kurven zu verhüllen und trotzdem stylish auszusehen – das fand sie zumindest.

Sie rückte ihre Ärmel zurecht, wischte sich ein Stäubchen von den Schuhen und wappnete sich für den Eintritt in die Höhle des Löwen. Oder die Höhle des Kriegers – in diesem speziellen Fall.

Nachdem sie das Gebäude betreten hatte, schaute sie sich um. Der Empfang war unbesetzt, also ging sie einfach den Flur hinunter in die Richtung, aus der Musik und seltsame stampfende Geräusche kamen. Sie sah eine offen stehende Doppeltür und betrat durch sie den größten Fitnessraum, den sie je gesehen hatte.

Die Decke war mindestens zehn Meter hoch. An einem Ende der Halle hingen Seile von irgendwelchen Balken. Überall standen Furcht einflößende Maschinen herum, dazu gab es Sandsäcke, Gewichte und andere Geräte, von denen sie keine Ahnung hatte, wozu sie gut waren. In der Mitte des Raumes kämpfte eine zierliche Frau mit Pferdeschwanz gegen einen wesentlich größeren Mann. Und es sah so aus, als würde sie gewinnen.

Beide trugen Kopfschutz und hatten ihre Hände getaped. Isabel brauchte eine Sekunde, um in der Frau ihre Freundin Consuelo Ly zu erkennen.

Sie beobachtete, wie Consuelo mit einem Bein ausholte. Der Mann bewegte sich, aber nicht schnell genug. Ihre Ferse traf seine Kniekehle, und er ging zu Boden. Isabel zuckte zusammen, doch der Mann stand schneller wieder auf, als sie es für möglich gehalten hätte, und nahm die Frau in den Schwitzkasten. Consuelo schlug mit den Armen um sich und versuchte, ihn zu treffen. Ihr Ellbogen knallte in seinen Magen. Er stöhnte, ließ sie aber nicht los.

„Ihr zwei wisst, was ihr da tut, oder?“, fragte Isabel. „Wird einer von euch verletzt? Soll ich den Notruf wählen?“

Der Mann drehte sich zu ihr um. Consuelo nicht. Und prompt lag der Mann eine Sekunde später flach auf dem Rücken – mit einem zierlichen Fuß auf seiner Kehle.

„Trottel“, sagte Consuelo und nahm den Kopfschutz ab. Dann funkelte sie ihr Opfer an. „Verhältst du dich im Einsatz auch so dumm?“

„Normalerweise nicht“, sagte er.

Sie streckte ihm ihre Hand hin, die er nahm, um sich von ihr auf die Füße ziehen zu lassen. Dann nahm Consuelo Isabel ins Visier.

„Danke. Ich bin dir was schuldig.“

„Ich … Also, ich wollte euch nicht ablenken“, murmelte Isabel. „Es ist nur, du bist so klein, und er ist so …“

Der Mann nahm den Kopfschutz ab und drehte sich zu ihr um. Isabels Mund wurde mit einem Mal ganz trocken, was ihr aber lieber war als das flaue Gefühl, das sich in ihrem Magen breitmachte. Sie wusste, sie würde gleich entweder ganz blass werden oder hochrot anlaufen. Hoffentlich Ersteres. Das wäre weniger peinlich.

Dieser Mann – ein Meter neunzig Muskeln in T-Shirt und Sporthose – war noch genauso attraktiv, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Seine Augen waren noch genauso dunkel, seine Haare genauso dicht. Vierzehn Jahre im Ausland hatten Ford Hendrix innerlich garantiert verändert, doch äußerlich war er ansehnlicher als je zuvor.

Sie sah noch vor sich, wie er im Wohnzimmer ihrer Eltern gestanden und ihre Schwester konfrontiert hatte. Isabel war auf ihr Zimmer geschickt worden, hatte sich jedoch rausgeschlichen, um zu lauschen. Sie erinnerte sich noch, im Flur gehockt und geweint zu haben, als der Mann, den sie mit aller Kraft ihres vierzehnjährigen Herzens geliebt hatte, Maeve gefragt hatte, warum sie ihn betrogen hatte und ob sie Leonard wirklich liebe.

Maeve hatte unter Tränen und gestammelten Entschuldigungen zugegeben, dass alles stimmte und sie die Beziehung mit Ford schon längst hätte beenden sollen. Da der Hochzeitstermin in zehn Tagen war, konnte Isabel ihr nur zustimmen. Aber an ihrer Meinung war ja niemand interessiert. Nicht einmal Ford. Als das Schreien und Heulen im unteren Stockwerk endlich vorbei war, hörte sie eine Tür knallen. Und dann rannte sie so schnell, wie sie nur konnte.

Sie holte Ford auf der Straße ein und flehte ihn an, nicht zu gehen. Doch das hätte sie sich genauso gut sparen können. Er hatte sie völlig ignoriert und war wortlos weitergegangen. Zwei Tage später war er in die Navy eingetreten und hatte Fool’s Gold verlassen.

Sie hatte ihm ihre Liebe in einem endlosen Strom an Briefen gestanden. Und er hatte keinen dieser Briefe beantwortet. Keinen einzigen.

„Hallo, Ford“, sagte sie.

„Isabel.“

Consuelo schaute zwischen den beiden hin und her. „Okay“, sagte sie schließlich. „Ich spüre eine gewisse Spannung und verabschiede mich.“

Isabel schüttelte leicht den Kopf, um wieder klar denken zu können. „Keine Spannung. Also zumindest bei mir nicht. Ich bin so spannungsfrei wie eine gekochte Nudel.“ Sie presste die Lippen zusammen. Hätte sie etwas noch Dümmeres sagen können? Eine Nudel?

Consuelo bedachte Isabel mit einem Blick, der ganz eindeutig sagte, dass ihre Freundin schnellstens Hilfe in einer psychiatrischen Einrichtung suchen sollte. Dann schnappte sie sich zwei Handtücher von einem Stapel bei den Matten, warf Ford eines davon zu und marschierte davon.

Ford wischte sich das Gesicht ab und schlang sich das Handtuch dann um die Schultern. „Was führt dich hierher?“

Eine ausgezeichnete Frage. „Ich dachte, wir sollten mal miteinander reden. Vor allem jetzt, mit unserer neuen Wohnsituation.“

Er hob eine dunkle Augenbraue. „Wohnsituation?“

„Ja. Seit letzter Woche hast du die Wohnung über der Garage meiner Eltern gemietet. Ich habe dich aber nie kommen oder gehen sehen und dachte, dass du mir vielleicht aus dem Weg gehst.“

Sie atmete tief ein. „Ich bin für ein paar Monate zurück in Fool’s Gold, um den Laden meiner Eltern zu führen, solange sie auf Weltreise sind. Sie wollen Paper Moon verkaufen, und ich helfe ihnen, alles auf Vordermann zu bringen. Da ich nur vorübergehend hier bin und sie unterwegs, war es irgendwie sinnvoll, dass ich solange in ihrem Haus wohne. Ich bin sozusagen ihr Haussitter.“

Haussitter klang wenigstens nicht so peinlich, wie eine achtundzwanzigjährige Frau zu sein, die zu ihren Eltern zurückgezogen war.

„Sie haben mir erzählt, dass sie die Wohnung vermietet haben, aber sie sagten nicht, an wen. Ich habe gerade erst herausgefunden, dass du der neue Mieter bist, was ich gut finde. Denn bei dir weiß ich, du bist kein Serienmörder – neben so einem wollte ich nämlich lieber nicht wohnen.“

Die andere Augenbraue schoss ebenfalls in die Höhe, und seine Miene wandelte sich von mildem Interesse zu totaler Verwirrung. Vermutlich, dachte Isabel, war es jetzt Zeit für sie, zum Punkt zu kommen.

„Was ich versuche zu sagen, ist, dass ich nicht mehr vierzehn bin. Ich bin nicht mehr das verrückte Kind, das dir ewige Liebe geschworen hat. Ich habe mich weiterentwickelt, und du musst keine Angst vor mir haben.“

Seine Augenbrauen entspannten sich, und seine Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. „Ich habe keine Angst vor dir.“

Seine Stimme klang selbstbewusst, sein Lächeln war unglaublich sexy, und er sah besser aus als jeder andere Mann auf dieser Welt – das war einfach eine Tatsache. Schließlich vibrierten sämtliche Nervenenden in ihrem Körper gerade wie verrückt. Klar, Hormone konnten sich auch mal irren. Sie war ja schon immer der Meinung gewesen, dass sexueller Intimität ein geistiger Austausch vorausgehen sollte. Doch in diesem Fall war sie mehr als gewillt, mit dieser Regel zu brechen.

„Das ist gut“, sagte sie langsam. „Ich will nicht, dass du glaubst, ich wäre eine Stalkerin. Denn das bin ich nicht. Ich bin total über dich hinweg.“

„Verdammt.“

Sie riss die Augen auf. „Was?“

Aus dem schiefen Lächeln wurde ein Grinsen. „Ich war der Einzige in meiner Einheit, der eine Stalkerin hatte. Das hat mich berühmt gemacht.“

Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Nein.“ Sie schnappte nach Luft. „Du hast den anderen doch wohl nichts von meinen Briefen erzählt?“

Das Grinsen verschwand. „Nein. Habe ich nicht.“

Gott sei Dank! „Aber du hast sie bekommen?“

„Ja. Das habe ich.“

Und? Hast du sie gelesen? Haben sie dir gefallen? Haben sie dir irgendetwas bedeutet? Warum hast du nie geantwortet?

Sie wartete, doch er sagte nichts.

„Okay“, murmelte sie. „Dann sind wir uns ja einig. Du bist in meiner Nähe sicher und versuchst nicht, mir aus dem Weg zu gehen oder so.“

„Ja.“

„Ja, du gehst mir nicht aus dem Weg?“

„Ja.“

Lag es an ihr, oder war es generell schwierig, sich mit ihm zu unterhalten? „Gut, dass wir das geklärt haben. Ist die Wohnung in Ordnung? Ich habe sie überprüft, bevor du eingezogen bist, was irgendwie seltsam war. Obwohl, wenn ich jetzt darüber nachdenke, frage ich mich, ob meine Eltern es mir absichtlich nicht gesagt haben. Wegen … du weißt schon. Früher.“

„Du meinst, weil du mir ewige Liebe geschworen hast? Ein Schwur, an den du dich inzwischen ja nicht mehr gebunden fühlst …“ Den letzten Satz sagte er mit einem kleinen Lächeln.

„Das war kein echter Schwur“, protestierte sie.

„Für mich schon.“ Seine dunklen Augen funkelten amüsiert.

„Komm schon, Ford, du wusstest doch kaum, wer ich war. Du warst so sehr in meine Schwester verliebt, und sie …“ Isabel schlug sich die Hand vor den Mund. „Tut mir leid. Das wollte ich nicht erwähnen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Das ist schon lange her.“ Er machte einen Schritt auf sie zu. „Ich bin über Maeve viel schneller hinweg gewesen, als ich erwartet hatte. Sie hat sich damals zwar nicht toll verhalten, aber sie hat die richtige Entscheidung getroffen – und zwar für uns beide.“

„Du bist nicht mehr in sie verliebt?“

„Nein.“ Er zögerte, als wollte er mehr sagen, dann nahm er das Handtuch und zog es von seinen Schultern. „Gibt es sonst noch was? Ich muss nämlich dringend unter die Dusche.“

Soll ich dir den Rücken einseifen?

Sie war sich ziemlich sicher, die Frage nicht laut ausgesprochen zu haben, doch das machte die Vorstellung nicht weniger interessant. Bestimmt sah Ford unter der Dusche großartig aus. Nass und eingeseift. Und … nun ja, nackt.

Isabel holte tief Luft. Diese Gedanken waren wirklich seltsam. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal vom Körper eines Mannes geträumt hatte. Nackte Männer interessierten sie nicht sonderlich. Sie zog eine gepflegte Unterhaltung oder gemütliches Kuscheln jederzeit flammender Leidenschaft und wildem Herumgemache vor. Was auch erklärte, warum das zwischen ihr und ihrem Ex schiefgelaufen war.

„Interessanter Gedankengang“, sagte Ford.

„Wie bitte?“

„Du hast dir erst vorgestellt, wie ich nackt aussehe. Und dann bist du ganz woanders gelandet.“

Ihr Mund klappte auf – und nicht wieder zu. „Ich habe dich nicht … also, nicht so. Wie kommst du nur darauf. So etwas würde ich niemals tun.“ Ihre Wangen brannten. „Das wäre unhöflich.“

Sein umwerfendes Lächeln kehrte zurück. „Das ist Lügen auch. Aber mach dir keinen Kopf. Ich nehme es als Kompliment.“ Er zuckte mit einer Schulter. „Das ist eben die Gefahr, mit der ich leben muss. Frauen halten mich für einen düsteren, gefährlichen Typ. Und offenbar macht mich das einfach unwiderstehlich.“

Schweigend musterte ihn Isabel. Der Ford, an den sie sich erinnerte, war lustig und charmant gewesen, aber auch ein Junge aus einer Kleinstadt, der sich noch keiner größeren Herausforderung hatte stellen müssen.

Der Mann, der jetzt vor ihr stand, war vom Krieg geschliffen worden. Er war immer noch charmant, aber was seine Ausstrahlung anging, hatte er recht. Er hatte etwas Undefinierbares an sich, das in ihr sowohl den Wunsch weckte, ihn in die Dusche zu begleiten, als auch, sich auf dem Absatz umzudrehen und wegzulaufen.

Sie schluckte. „Du meinst, die Frauen stehen auf dich?“

„Definitiv.“

„Das muss ja ganz schön nervtötend sein.“

„Ich habe mich dran gewöhnt. Meistens sehe ich es als meine patriotische Pflicht an, mich um sie zu kümmern.“

Sie riss die Augen auf. „Deine Pflicht?“

„Meine patriotische Pflicht. Es wäre sehr unamerikanisch, einer Frau in Not nicht beizustehen.“

Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. So viel dazu, dass Ford sich in ihrer Gegenwart unbehaglich fühlen könnte. Oder dass ihre Briefe ihn gestört hatten. Ohne Zweifel hatte er sie als gottgegebenes Recht angesehen.

„Nur damit wir uns verstehen“, sagte sie. „Ich bin über dich hinweg.“

„Das hattest du schon erwähnt. Du wirst mich nicht bis in alle Ewigkeit lieben. Das ist sehr enttäuschend.“

„Du wirst es überleben.“

„Ich weiß nicht. Ich bin ziemlich empfindsam.“

„O bitte. Als wenn ich das glauben würde.“

Er zuckte sichtlich zusammen. „Du machst dich über einen Helden lustig?“

„Mit jeder Faser meines Herzens.“

„Lass das nicht meine Mutter hören. Sie versucht immer noch, mich davon zu überzeugen, dass die Stadt zu meinen Ehren eine Parade abhalten soll. Sie würde es gar nicht gut finden, dass du meine Opferbereitschaft nicht zu schätzen weißt.“

„Ist das die gleiche Mutter, die auf dem Stadtfest zum vierten Juli einen Stand gemietet hatte, um dir eine Frau zu suchen?“

Zum ersten Mal, seit sie das Studio betreten hatte, sah sie einen Anflug von Unbehagen in Fords Blick.

„Ja, das ist sie wohl“, murmelte er. „Danke, dass du mich daran erinnerst.“

„Sie hat schriftliche Bewerbungen angenommen.“

„Ja, das hat sie erwähnt.“ Er verlagerte das Gewicht und drehte den Kopf, als suche er nach einem Fluchtweg.

Jetzt war es an ihr, zu lächeln. „Wenn es um deine Mutter geht, bist du auf einmal gar nicht mehr so groß und böse, oder?“

Er fluchte leise. „Tja, verklag mich doch. Ich kann es nicht ändern. Sie ist nun mal meine Mom. Kannst du dich gegen deine Mutter durchsetzen?“

„Nein“, gab sie zu. „Aber meine befindet sich gerade auf der anderen Seite der Erde. Also kann ich so tun, als ob.“

„Das könnte ich auch, wenn ich auf einem anderen Kontinent wäre. Aber jetzt bin ich zurück in Fool’s Gold.“

Er tat ihr beinahe leid. Aber nur beinahe. „Ich schlage dir einen Deal vor“, sagte sie aus einem Impuls heraus. „Du hörst auf, davon zu reden, wie du Frauen aus reinem Pflichtgefühl heraus verführst, und ich werde im Gegenzug deine Mom nicht mehr erwähnen.“

„Abgemacht.“

Sie schauten einander an. Isabel war sich seiner Stärke und seiner Attraktivität immer noch sehr bewusst. Trotzdem war sie inzwischen nicht mehr so nervös. Vielleicht, weil sie seine Schwäche herausgefunden hatte. Dieses Wissen hatte quasi zu einem Gleichstand zwischen ihnen geführt.

„Also ist zwischen uns jetzt alles wieder gut?“, fragte sie. „Die Briefe, meine Schwester, deine Mutter …?“

Er nickte. „Alles bestens.“ Sein Blick wurde misstrauisch. „Du hast dich nicht beworben, oder?“

Sie grinste. „Als deine Frau? Nein. Die Auswahlkriterien sind sehr streng. Und da ich ja nicht in Fool’s Gold wohnen bleiben werde, passe ich nicht ins Schema.“

„Du Glückliche.“

„Ach, Ford“, sagte sie gespielt besorgt. „Mach dir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, deine Mom findet jemanden für dich. Ein nettes Mädchen, das deine Freigiebigkeit zu schätzen weiß.“

„Sehr lustig.“ Er grinste. „Was die Dusche angeht …“

„Danke, lieber nicht.“

Sie winkte und machte sich auf den Weg zur Tür. Das Treffen war überhaupt nicht so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Trotzdem stand zu hoffen, dass Ford ihr in Zukunft nicht mehr aus dem Weg gehen würde. Falls er das je getan hatte. Und sie musste sich auch keine Sorgen machen, dass er glaubte, sie würde ihn stalken.

Sie trat in den Flur hinaus. Consuelo kam gerade aus dem Umkleideraum, in der einen Hand ihre Sporttasche, in der anderen den Autoschlüssel.

„Seid ihr zwei fertig?“, fragte sie ihre Freundin.

„Ja, die Ordnung ist wiederhergestellt.“

Consuelo gehörte zu den zierlichen Frauen, in deren Gegenwart Isabel immer das Gefühl hatte, nur aus Armen, Beinen und riesigen Füßen zu bestehen. Die Tatsache, dass ihre Freundin mit bloßen Händen einen Alligator bezwingen konnte, hätte eigentlich dafür sorgen sollen, dass Isabel sich in ihrer Nähe weiblicher vorkam – doch das war leider nicht so. Vielleicht, weil all diese Muskeln bei Consuelo so unglaublich sexy wirkten.

„Das soll ich dir glauben?“, fragte Consuelo. „Du bist Ford den ganzen Sommer über aus dem Weg gegangen.“

„Ich weiß, und das war dumm von mir. Ich hätte früher mit ihm sprechen sollen.“

„Oh, oh.“ Consuelo seufzte. „Du wirst doch nicht anfangen, ihn zu stalken, oder? Frauen neigen zu solchem Verhalten. Sie tauchen auch ungefragt in seinem Bett auf – und er macht sich dann normalerweise nicht die Mühe, sie zu verscheuchen.“ „Das habe ich schon gehört. Er behauptet, es wäre seine patriotische Pflicht, sie zu befriedigen.“

„Du klingst nicht sonderlich betrübt.“

„Das bin ich auch nicht. Ford ist nicht mehr der Junge, in den ich damals verliebt war. Der war süß und lustig und fürsorglich. Diese erwachsene Version ist all das – und zudem noch unglaublich sexy.“

Consuelo wartete.

„Aber nicht mein Typ“, sagte Isabel. „Ich steh nicht so auf Angeber. Ich mag eher die klugen, nachdenklichen Typen. Diese ganze Sache mit der sexuellen Anziehung wird meiner Meinung nach vollkommen überbewertet.“

Okay, Ford unter der Dusche hätte sie schon gerne mal gesehen. Das war bestimmt ein aufregender Anblick. Doch sie war sicher, dass ihr Interesse mehr auf Neugierde als auf echter Anziehung beruhte.

„Du hattest schon mal Sex, oder?“, fragte Consuelo. „Mehr als einmal?“

„Natürlich. Ich war immerhin verheiratet. Sex ist ganz nett.“ Na ja, ging so. „Aber ich sehe das eben nicht als treibende Kraft in meinem Leben. Ford ist eher der Typ für Affären, und das bin ich nicht. Außerdem hat er mich gar nicht gefragt.“

Consuelo musterte sie von Kopf bis Fuß. „Das wird er aber vermutlich noch. Vielleicht ist er nicht dein Typ, aber du bist definitiv seiner.“

„Er mag Blondinen?“

Um Consuelos Mundwinkel zuckte es. „Er mag Frauen.“

Isabel hatte Freunde in New York, die es liebten, Nacht für Nacht auf die Jagd zu gehen. Ihnen war Sex wichtig, was in Ordnung war. Aber sie war anders. Sie wollte jemanden, mit dem sie reden konnte. Mit dem sie gemeinsam etwas unternehmen konnte. Was vermutlich der Grund ist, warum ich bei Eric gelandet bin, dachte sie traurig. Sie hatten die gleichen Interessen geteilt und sich gut verstanden. Sie waren Freunde gewesen. Sehr gute Freunde. Doch dann hatten sie beide den Fehler begangen, das für mehr zu halten.

„Ich muss wieder an die Arbeit“, sagte Isabel. „Heute Nachmittag kommen zwei Bräute, um ihre Kleider anzuprobieren. Lass uns doch diese Woche mal zusammen Mittagessen gehen.“

„Ruf mich an.“

Ford Hendrix hatte kein Problem damit, monatelang in den Bergen Afghanistans unterzutauchen. Er konnte eine Meile entfernt vom nächsten Dorf wohnen, ohne dass jemand auch nur ahnte, dass er da war. Er hatte die Welt bereist, gekämpft, getötet und war verletzt worden. Mehr als einmal hatte er dem Tod ins Auge geblickt und ihn bezwungen. Doch nichts in seiner vierzehnjährigen Laufbahn beim Militär hatte ihn darauf vorbereitet, mit der sturen, entschlossenen Frau umzugehen, die er seine Mutter nannte.

„Gehst du mit einer Frau aus?“, fragte Denise Hendrix, während sie einen Becher Kaffee einschenkte und ihm reichte.

Es war kurz nach sechs Uhr am Morgen. Früher wäre Ford jetzt auf dem Weg zur Arbeit gewesen, aber nun war er Zivilist, und es war nicht länger nötig, vor Anbruch der Morgendämmerung loszuziehen. Er war verschlafen in die Küche geschlurft und hatte dort zu seiner großen Überraschung seine Mutter vorgefunden, die schon frischen Kaffee aufgesetzt hatte.

Er schaute sich in dem kleinen möblierten Apartment um, das er gemietet hatte, und versuchte, das alles zu verstehen.

„Mom, habe ich dir einen Schlüssel gegeben?“

Seine Mutter lächelte und schenkte sich ebenfalls einen Becher ein, mit dem in der Hand sie sich dann an den kleinen Ecktisch setzte. „Marian hat mir die Schlüssel zu der Wohnung gegeben, bevor sie und John zu ihrer Reise aufgebrochen sind. Nur für den Notfall.“

„Und jetzt ist der Notfall eingetreten? Weil du befürchtest, ich könne mir keinen Kaffee kochen?“

„Ich mache mir Sorgen um dich.“

Die machte er sich auch. Besonders um seinen geistigen Zustand. Er musste wahnsinnig gewesen sein, als er beschlossen hatte, hierher zurückzukommen.

Bei seiner Ankunft war er zunächst in sein Elternhaus gezogen, weil das am einfachsten erschien. Doch dann war er mehrmals nachts aufgewacht und hatte seine Mutter auf dem Stuhl neben seinem Bett sitzen sehen. Okay, vermutlich war ihr nicht ganz klar, dass er dank seiner Ausbildung nicht sonderlich gut darauf reagierte, nachts andere Menschen an seinem Bett vorzufinden. Sich so anzuschleichen, war der sichere Weg in den Tod.

Also war er ausgezogen und hatte sich ein Haus mit Consuelo und Angelo geteilt. Leider waren er und Angelo zu wettbewerbsorientiert für dieses Arrangement, und so war er gezwungen gewesen, erneut umzuziehen. Genau genommen hatte Consuelo gedroht, ihn in Hackfleisch zu verwandeln, wenn er nicht endlich mit den Spielchen aufhörte. Aber diese Drohung würde er ignorieren. In einem fairen Kampf konnte er sie jederzeit besiegen. Das Problem war nur, Consuelo kämpfte niemals fair.

Jetzt hatte er endlich die perfekte Wohnung gefunden. Nah an der Firma, ruhig gelegen und weit weg von seiner Mutter. Doch offenbar nicht weit genug.

Er setzte sich der Frau gegenüber, die ihm das Leben geschenkt hatte, und streckte eine Hand aus.

Sie blinzelte ihn an. „Was?“

„Die Schlüssel.“

Denise war Mitte fünfzig und sehr hübsch, mit hellen Strähnen in den Haaren und strahlenden Augen. Sie hatte sechs Kinder großgezogen, darunter Drillingsmädchen, und den Tod ihres Ehemannes überlebt. Vor ein paar Jahren hatte sie sich in einen Mann verliebt, den sie seit der Highschool kannte. Seine Schwestern hatten Ford von der Romanze erzählt. Soweit es ihn betraf, war seine Mutter über zehn Jahre eine treue Witwe gewesen. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben noch einmal jemanden fand, freute er sich für sie.

„Du meinst, die Schlüssel zu …“

„Zu der Wohnung, genau“, ergänzte er den Satz für sie. „Gib sie mir.“

„Aber Ford, ich bin deine Mutter.“

„Ich kenne dich jetzt schon eine ganze Weile, Mom. Aber so geht das nicht weiter. Du kannst nicht einfach bei mir auftauchen. Außerdem hast du jetzt Enkelkinder. Geh doch und jag denen einen Heidenschreck ein.“

In ihren dunklen Augen wallten Gefühle auf. „Aber du warst so lange fort. Nie bist du nach Hause gekommen. Ich musste an fremde Orte reisen, um dich zu sehen, und selbst das hast du nicht allzu oft gestattet.“

Er wollte sagen, dass sie der Grund dafür war. Sie erstickte ihn. Er war zwar von den drei Brüdern der jüngste, aber trotzdem war er schon vor langer Zeit erwachsen geworden.

„Mom, ich war ein SEAL. Ich kann mich gut allein um mich kümmern. Gib mir jetzt den Schlüssel, bitte.“

„Was, wenn du dich aussperrst? Was, wenn es einen Notfall gibt?“

Er sagte nichts, sondern schaute sie weiter ruhig und entschlossen an. Sie war keine größere Bedrohung als eine Kalaschnikow – und von denen waren in seinem Leben schon so einige auf ihn gerichtet gewesen.

„Na gut“, sagte sie mit leiser Stimme. Dann zog sie einen Schlüssel aus der Hosentasche und ließ ihn in Fords Hand fallen. Er schloss die Finger darum.

Ein Teil von ihm wollte fragen, ob sie eine Kopie davon gemacht hatte. Dann aber beschloss er, abzuwarten. Für den Moment reichte es aus, zu wissen, dass sie nicht einfach hereinschneien würde, wenn er es am wenigsten erwartete.

„Du möchtest vermutlich, dass ich gehe“, flüsterte sie.

„Mom, hör auf, dich wie eine Märtyrerin zu benehmen. Ich liebe dich. Ich bin wieder zu Hause. Kann das nicht für den Augenblick genügen?“

Sie schniefte und nickte. „Du hast recht. Ich bin froh, dass zu zurück bist und in Fool’s Gold bleibst. Ich werde dir ein paar Tage Zeit geben, um dich einzuleben, und dich dann anrufen. Wir können gemeinsam zu Mittag essen oder du kommst zum Abendessen vorbei. Was hältst du davon?“

„Perfekt.“

Sie erhoben sich. Er legte einen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. Gemeinsam gingen sie zur Tür. Er öffnete sie, und seine Mutter trat hinaus. Gerade wollte er tief durchatmen, da drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

„Hattest du schon Gelegenheit, dir die Bewerbungen anzusehen, die ich dir geschickt habe?“, fragte sie. „Es sind ein paar ganz entzückende Mädchen darunter.“

„Mom“, sagte er mit warnendem Unterton.

Sie schaute ihn an. „Nein, mein Lieber. Du bist schon viel zu lange allein. Du musst heiraten und eine Familie gründen. Du wirst auch nicht jünger, weißt du?“

„Ich liebe dich auch“, sagte er nur und schob sie sanft von der Tür weg, die er dann fest ins Schloss drückte, bevor seine Mutter noch etwas sagen konnte.

„Ich will, dass du heiratest, Ford“, rief sie von draußen. „Die Bewerbungen sind alle in meinem Computer gespeichert, wenn du sie durchsehen willst. Sie sind übersichtlich in einer Tabelle angeordnet, sodass du sie nach verschiedenen Kriterien sortieren kannst.“

Er hörte sie immer noch, als er schon längst im Schlafzimmer war und auch diese Tür hinter sich zumachte.

2. KAPITEL

Isabel schob den Einkaufswagen den Gang hinunter. Sie musste sich dringend etwas einfallen lassen, sonst würde ihre mangelnde Inspiration noch zum Problem werden. Denn wenn sie sich nichts kochte, würde sie spätestens in ein paar Stunden mit knurrendem Magen die Nummer des Pizzadienstes wählen und natürlich alles bis zum letzten Krümel aufessen. Und das war nicht gut – weder für ihre Hüften noch für ihre Oberschenkel. Der Gedanke an die birnenförmigen Körper, zu der die Frauen in ihrer Familie mit steigendem Alter leider neigten, ließ sie eilig die Gemüseabteilung ansteuern und sich einen Salat holen. Super. In ihrem Wagen befanden sich jetzt ein paar grüne Blätter, eine Flasche Rotwein und eine Packung Eiscreme – nicht gerade Zutaten für ein vernünftiges Abendessen.

Also machte sie noch einen Abstecher in die Fleischabteilung, obwohl sie nicht wusste, was sie dort kaufen wollte. Als sie um die Ecke bog, wäre sie beinahe mit einem anderen Kunden zusammengestoßen.

„Sorry“, sagte sie automatisch und starrte in ein Paar dunkle Augen. „Ford.“

Er lächelte. Das gleiche träge, sexy Lächeln, das sie heute Mittag schon in den Bann gezogen hatte. Das Lächeln, bei dem ihr der Atem stockte. Das Wissen, dass er dieses Lächeln so freigiebig verteilte wie Pusteblumen ihre Samen, half auch nicht, das enge Gefühl in ihrer Brust zu lösen. Was wirklich seltsam war. Noch nie hatte sie sich in Gegenwart eines Mannes so zittrig gefühlt.

„Hey“, sagte er und hob seinen Einkaufskorb ein wenig an. „Ich besorg mir gerade ein paar Lebensmittel.“

„Ich auch.“ Sie warf einen Blick auf die Steaks und das Sixpack Bier in seinem Korb. „Ist das deine Vorstellung von einem Abendessen?“

„Du hast Eis und Rotwein.“

„Und Salat“, sagte sie spitz. „Das macht mich zur Könnerin.“

„Das macht dich zum Kaninchen. Und zwar zu einem hungrigen.“ Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ich habe gesehen, dass ihr einen Grill auf der Veranda stehen habt. Warum schmeißen wir unsere Einkäufe nicht einfach zusammen?“

Ein verlockendes Angebot. „Du bist doch nur scharf auf den Wein und das Eis.“

„Stimmt, aber ich würde aus Höflichkeit auch den Salat essen.“

„Typisch Mann. Kannst du den Grill überhaupt bedienen? Der ist ziemlich groß und wirkt unglaublich kompliziert.“

Er hob eine Augenbraue. „Ich wurde mit dem Wissen geboren, wie man einen Grill bedient. Das ist Bestandteil meiner DNA.“

„Was eine ziemliche Verschwendung von genetischem Material ist.“

Irgendwie hatten sie während ihres Gesprächs angefangen, sich gemeinsam in Richtung Kasse zu begeben. Wie es dazu gekommen war, wusste Isabel selbst nicht so genau. Sie hatte sich nicht bewusst entschieden, Fords Angebot anzunehmen. Trotzdem standen sie jetzt hier zusammen in der Schlange, und fünf Minuten später waren sie auf dem Parkplatz und gingen zu ihren Autos.

An seinem kamen sie zuerst an.

„Ist das dein Ernst?“, fragte sie und starrte den schwarzen Jeep an.

„Das ist ein Klassiker.“

Sie deutete auf die goldene Farbe an den Seiten. „Da sind Flammen drauf gemalt. Jeeps sind seit vielen Jahrzehnten für ihre treuen Dienste bekannt. Warum folterst du diesen armen Wagen so?“

„Was? Das gefällt dir nicht? Die Flammen sind doch cool.“

„Nein. Consuelos Auto ist cool. Deins ist peinlich.“

„Ich habe es gekauft, gleich nachdem mich deine Schwester mit meinem besten Freund betrogen hat. Ich war nicht ganz ich selbst.“

„Das ist inzwischen vierzehn Jahre her. Warum hast du ihn nicht verkauft?“

„Ich bin ihn nie gefahren, und er befindet sich in einem Top-Zustand. Nachdem ich beschlossen hatte, zurückzukommen, hat Ethan ihn für mich in Schuss gebracht.“

„In der Nähe dieses Scheusals gesehen zu werden, muss für ihn sehr demütigend gewesen sein“, neckte sie ihn, obwohl sie wusste, dass Fords Bruder ihm bestimmt nur zu gerne geholfen hatte. „Fährt Angel nicht eine Harley?“

Ford runzelte die Stirn. „Woher weißt du das?“

„Es ist schwer, in Fool’s Gold einen Kerl wie ihn in schwarzer Ledermontur auf einem Motorrad zu übersehen.“

„Du fährst einen Prius“, gab er zurück. „Du dürftest dich zu solchen Themen eigentlich gar nicht äußern.“

„Du meinst, weil ich ein sicheres, praktisches, umweltfreundliches Auto fahre?“

„Logik“, murmelte er. „Typisch Frau.“

Er half ihr, die Einkäufe zu verstauen – die genau aus einer Tüte bestanden. Das hätte sie auch alleine geschafft. Trotzdem war es ein nettes Gefühl. Und ziemlich ungewohnt. Eric hatte ihren Wunsch nach Gleichberechtigung stets unterstützt und sie ihren Teil der Lebensmittel schleppen lassen, wenn sie gemeinsam einkaufen gingen. Was nur fair ist, ermahnte sie sich. Wenn auch nicht sonderlich romantisch.

Ford folgte ihr nach Hause. Jedes Mal, wenn sie in den Rückspiegel schaute, erblickte sie seinen fürchterlich bemalten Jeep. Selbst ein gebrochenes Herz war keine Entschuldigung, ein so treues Auto dermaßen zu verunstalten.

Sie bog in die Auffahrt. Er parkte neben ihr und stieg aus.

„Ich packe schnell das Bier in meinen Kühlschrank“, sagte er.

„Dann komme ich runter und kümmere mich um die Steaks.“

„Klingt gut.“

Sie ging ins Haus und stellte alles auf den Tresen in der Küche. Die Sonne ging auf der anderen Seite des Hauses unter, sodass der Raum im Schatten lag. Isabel schaltete das Deckenlicht an. Die Eichenschränke waren erst wenige Jahre alt, und die gelben Mosaikfliesen ihrer Kindheit waren durch eine Arbeitsplatte aus Granit ersetzt worden. Kurz überlegte sie, ins Badezimmer zu huschen und sich ein wenig zurechtzumachen. Nach einem langen Tag im Laden war ihre Wimperntusche bestimmt verschmiert, und ihre Haare hingen platt herunter. Außerdem trug sie ein so schlichtes Kleid. Sie hatte nicht nur in New York gewohnt, wo es quasi Gesetz war, Schwarz zu tragen. Nein, jetzt arbeitete sie auch noch in einem Brautladen. Da war es sehr wichtig, professionell auszusehen und die Bräute nicht zu überstrahlen. Also bestand ihre Garderobe hauptsächlich aus schlichten schwarzen Kleidern.

Sie zog ihre Pumps aus und rollte die langen Ärmel ihres Kleides hoch. Schon besser. Schließlich ging es nur um ein Abendessen mit ihrem Nachbarn. Kein Grund, sich schick zu machen. Außerdem hatte er sie bis vor wenigen Tagen noch als vierzehnjähriges Mädchen in Erinnerung gehabt, das ihm schluchzend die Straße hinunter nachgelaufen war und ihn angefleht hatte, nicht zu gehen. Im Vergleich dazu war alles besser.

Sie packte die Tüte aus und stellte die Eiscreme ins Gefrierfach. Den Tisch auf der Terrasse zu decken, dauerte keine drei Minuten. Sie wollte sich gerade an die Zubereitung des Salats machen, als Ford kam.

„Ich habe drei Nachrichten von meiner Mutter“, knurrte er und ging an den Tresen, wo er eine Schublade öffnete. Nachdem er eine Weile zwischen Pfannenwendern, Löffeln und Dosenöffnern herumgewühlt hatte, fand er schließlich den Korkenzieher. Er nahm zwei Weingläser aus einem der Oberschränke. „Sie möchte mit mir über die Bewerberinnen sprechen.“

Isabel war weitaus interessierter daran, wieso er sich in der Küche so verdammt gut auskannte. Hatte er sich umgeschaut, während sie weg gewesen war? War er …

Maeve, dachte sie. Er war drei Jahre lang mit ihrer Schwester ausgegangen und hatte in diesem Haus viele Stunden verbracht. Oft war er zum Abendessen geblieben und hatte ihrer Schwester geholfen, den Tisch zu decken. Obwohl eine neue Küche eingebaut worden war, hatte sich die Aufteilung insgesamt nicht verändert. Das Besteck befand sich immer noch in der obersten Schublade bei der Spüle und die Gläser in dem Schrank über der Geschirrspülmaschine.

„Bewerberinnen für das Amt als deine zukünftige Gattin?“, fragte sie.

„Genau die.“

„Hast du dir je Zeit genommen, dich mit einer von ihnen zu treffen? Sie könnten doch ganz nett sein.“

Er bedachte sie mit einem Blick, der besagte, dass er den Korkenzieher für intelligenter hielt als sie.

„Nein“, knurrte er. „Ich bin an niemandem interessiert, der eine Bewerbung ausfüllt.“

„Du bist ziemlich kritisch, und deine Mom versucht nur, dir zu helfen.“

„Interessant, dass du das so siehst. Vielleicht steckst du ja in der ganzen Sache mit drin?“, erwiderte er. „Habt ihr einen Plan ausgeheckt, mich zu quälen?“

„Nein. Das ist nur ein angenehmer Nebeneffekt.“

„Sehr lustig. Ich erinnere mich nicht, dass du vor vierzehn Jahren schon so warst. Damals hast du mir besser gefallen.“ Er schenkte den Rotwein ein, den sie gekauft hatte, und reichte ihr ein Glas.

„Du hast mich damals doch gar nicht gekannt“, erwiderte sie.

„Ich war die kleine Schwester deiner Freundin. Du hast kaum ein Wort mit mir gewechselt.“

„Wir hatten eine besondere Beziehung, die keiner Worte bedurfte.“

Sie lachte. „Du bist so ein Spinner.“

Seine dunklen Augen funkelten amüsiert. „Und du bist nicht die erste Frau, die das sagt.“ Er stieß mit ihr an. „Darauf, dass ich verrückt genug war, in meine Heimatstadt zurückzukehren.“

„Du wirst dich hier einleben, und deine Mom wird sich beruhigen.“

„Das hoffe ich sehr. Ich weiß, sie freut sich, dass ich zurück bin, aber ihre Aktion ist einfach lächerlich.“

Isabel dachte an die Zeit, nachdem Ford gegangen war. Als sie gewusst hatte, dass ihr Herz brechen würde. „Du bist fast nie zu Besuch gekommen. Lag das an Maeve?“

Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme. „Anfangs ja“, gab er zu. „Aber hauptsächlich habe ich mich ferngehalten, weil das mit meiner Familie zu kompliziert war. Sie wollten in alles einbezogen werden – vor allem meine Mom. In meinem dritten Jahr wurde ich SEAL, und das war ziemlich intensiv. Ich konnte nicht darüber reden, was ich tat oder wohin ich ging. Also habe ich den einfachen Weg gewählt und bin erst gar nicht mehr hierhergekommen.“

Er nippte an seinem Wein. „Maeve hatte recht, mit mir Schluss zu machen. Als es passiert ist, dachte ich, ich würde sie für immer vermissen. Aber innerhalb weniger Wochen wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Wir waren Kinder, die so taten, als wären sie verliebt. Ich schätze, mit Leonard hat sie jetzt die echte Liebe gefunden.“

Isabel versuchte, Gefühle in seinen Worten zu entdecken. Doch sie konnte nicht sagen, ob es Ford wirklich nichts ausmachte, dass seine Exfreundin ausgerechnet den Mann geheiratet hatte, der damals ihre Beziehung zerstört hatte.

„Sie sind jetzt seit zwölf Jahren verheiratet“, sagte sie.

„Die Anzahl der Kinder finde ich beeindruckender. Wie viele sind es inzwischen?“

„Vier, und ein weiteres ist unterwegs.“

Er stieß einen anerkennenden Fluch aus. „So viele? Das hätte ich Leonard gar nicht zugetraut.“

„Ich auch nicht. Er ist jetzt Steuerberater mit einer eigenen Kanzlei und einigen beeindruckenden Kunden. Er verdient ziemlich gut.“

„Das sollte er mit einer so großen Familie auch. Wie ist das für dich, Tante von so vielen Kindern zu sein?“

„Manchmal ziemlich überwältigend“, gab sie zu. Das stimmte zumindest teilweise, denn in den letzten sechs Jahren hatte sie in New York gelebt und ihre Familie nicht allzu oft gesehen. Ob Maeves Jüngste sie bei einer Gegenüberstellung erkennen würde, war höchst zweifelhaft. Sie und ihre Schwester hatten nicht viel miteinander zu tun. Sie waren beide mit ihrem eigenen Leben beschäftigt und hatten sowieso nicht allzu viele Gemeinsamkeiten.

Ein leichtes Schuldgefühl regte sich in ihr. Vielleicht sollte sie ihre Schwester mal anrufen und sich mit ihr treffen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Ford und musterte sie aufmerksam.

„Ja, alles okay. Du bist vermutlich nicht der Einzige mit familiären Problemen.“

„Vermutlich nicht. Aber ich bin der Einzige, dessen Mutter auf einem Stadtfest einen Stand gemietet hat, nur um die passenden Frauen für meinen Bruder und mich zu finden.“

Sie lachte. „Das stimmt.“

Es dauerte nicht lange, das Essen zuzubereiten. Zu den Steaks hatte Ford noch zwei Kartoffeln mitgebracht, die Isabel schnell in der Mikrowelle kochte. Dann machte sie den Salat und brachte die beiden Weingläser nach draußen, während Ford den Grill anheizte und sich um die Steaks kümmerte.

„Du darfst den Grill gerne jederzeit benutzen“, sagte sie.

Ford legte die Steaks auf den Rost und schloss den Deckel.

„Danke. Das Angebot nehme ich gerne an.“ Er grinste. „Fleisch, Feuer und Bier, was braucht der Mensch mehr.“ Er griff nach seinem Glas. „Oder Wein.“

Sie musterte ihn, nahm die breiten Schultern in sich auf, das entspannte Lächeln. Sie suchte nach einem Hinweis darauf, dass er immer noch dabei war, seine Zeit in der Army zu verarbeiten. Doch sie konnte nichts entdecken. Wenn er von Geistern heimgesucht wurde, so konnte nur er sie sehen.

„Hat es dir gefallen, ein SEAL zu sein?“, fragte sie.

„Ja. Ich mochte es, Teil eines Teams zu sein. Und nicht zu wissen, was als Nächstes passieren würde.“

„Sicherheit und Abwechslung. Zwei Schlüsselkomponenten zum Glück.“

Er sah sie fragend an.

„Ich habe einen Abschluss in Marketing, aber im Nebenfach auch Psychologie studiert. Die meisten Menschen brauchen ein gewisses Maß an Sicherheit. Es ist schwer, Spaß zu haben, wenn man hungert oder obdachlos ist. Aber wir mögen auch Abwechslung. Positive Veränderungen stimulieren das Gehirn.“

„Hübsch und klug. Ich bin beeindruckt.“

Sie sagte sich, dass mit Frauen zu flirten für ihn ganz natürlich war, und wenn sie irgendetwas von dem glaubte, was er sagte, war sie ein Dummkopf. Doch das half nicht, das Kribbeln in ihrem Magen zu beruhigen.

„Warum bist du ausgetreten?“, fragte sie.

„In den letzten fünf Jahren habe ich in einer internationalen Sondereinheit gedient. Unsere Arbeit war wichtig, aber auch sehr anstrengend.“

„Waren die Einsätze gefährlich?“

Er grinste. „Gefahr ist mein zweiter Vorname.“

Sie lächelte. „Ich bin sicher, das stimmt nicht, und es wäre mir ein Leichtes, mir das von deinen Schwestern bestätigen zu lassen.“

„Verdammte Kleinstadt.“ Er nippte an seinem Wein. „Die Arbeit war sehr intensiv, und ich musste viel herumreisen. Die Zusammensetzung des Teams hat ständig gewechselt. Nach einer Weile hat mir das zugesetzt. Dann rief Justice an und schlug mir die Sache mit CDS vor, und ich habe Ja gesagt.“

„War es schwierig für dich, wieder nach Fool’s Gold zu ziehen?“

„Hauptsächlich habe ich mir Sorgen wegen meiner Mutter gemacht.“ Er verzog das Gesicht. „Und wie sich herausstellte, aus gutem Grund.“

Wahrscheinlich hätte Ford sich leichter eingelebt, wenn seine Familie nicht da gewesen wäre. Denn es war schwer, jemandem etwas abzuschlagen, der so liebevoll und fürsorglich war wie Denise.

„Du solltest deine Mom auf eine Kreuzfahrt um die Welt schicken“, schlug Isabel vor. „Bei mir hat das geklappt.“

„Wenn sie so etwas nur mitmachen würde.“ Sein dunkler Blick hielt sie fest. „Wie steht es mit dir? Du bist wegen deiner Scheidung zurückgekommen?“

„Ja. Die Papiere sind endlich durch, ich bin also offiziell wieder eine freie Frau.“

„Geht es dir damit gut?“

„Eigentlich schon. Eric und ich haben uns gütlich getrennt. Unsere Wohnung gehörte uns beiden, also hat er mich ausgezahlt, sodass ich jetzt ein wenig Geld habe, um meine eigene Firma zu gründen.“

„Und damit fängst du an, sobald Paper Moon verkauft ist?“

„Genau. Du siehst also, alles ist bestens.“

„Keine negativen Gefühle?“, wollte er wissen.

Sie hatte die beinahe wahre Variante der Geschichte so oft erzählt, dass die Worte automatisch über ihre Lippen kamen.

„Nein. Eric ist ein toller Mann, aber wir haben uns auseinandergelebt. Als Freunde verstehen wir uns besser als je zuvor.“

Ford wandte sich erneut dem Grill zu und überprüfte die Steaks, dann schloss er den Deckel wieder.

„Das klingt alles so zivilisiert“, sagte er. „Obwohl es natürlich besser ist, als wenn man einander am Ende nur noch hasst.“

Einander zu hassen hätte mehr Energie bedurft, als wir beide am Ende noch übrig hatten, dachte Isabel traurig.

„Ich bewundere, wie du mit der Situation umgehst“, sagte Ford.

Ein Lob, das sie nicht verdient hatte. Sie öffnete den Mund, um sein Kompliment zurückzuweisen, doch was sie stattdessen sagte, war: „Ich dachte, alles wäre gut. Ich dachte, wir führen eine tolle Ehe. Wir waren beste Freunde, sind zusammen essen und in Ausstellungen gegangen. Haben uns am Wochenende auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden herumgetrieben. Er hat meine Träume unterstützt und ich seine.“

Ihr Sexleben hatte nicht existiert, aber da Sex für sie nicht wichtig war, hatte es ihr nichts ausgemacht. Irgendwie war es sogar befreiend gewesen, bei einem Mann einfach sie selbst sein zu können.

„Ich war gerne mit ihm zusammen“, fuhr sie fort. „Es war so leicht.“ Sie hielt inne. „Aber es war keine Liebe.“

„Nein, so klingt es tatsächlich nicht“, sagte Ford leise.

Sie schaute ihn an und wandte dann schnell den Blick ab, bevor sie ihr Weinglas behutsam auf dem Tisch abstellte. Sie hatte es so fest gehalten, dass es beinahe zerbrochen wäre.

„Er hat sich in jemand anderen verliebt“, gestand sie leise. Noch immer konnte sie den Schock spüren, wenn sie sich an seine Worte erinnerte. Er hatte gewartet, bis sie sich gesetzt hatte, ihre Hände in seine genommen und ihr gestanden, dass er sein Herz verloren hatte.

„Er war so aufgeregt, so glücklich. Diese übersprudelnde Energie hatte ich nie zuvor an ihm gesehen. Ich denke, das hat mich mehr schockiert als seine Untreue. Dieser Enthusiasmus. So hat er sich mir gegenüber nie verhalten.“

„Er ist schwul.“

Mit offenem Mund starrte sie Ford an. „Woher weißt du das?“

„Kein Hetero-Mann geht auf Flohmärkte.“

Sie brachte ein ersticktes Lachen zustande. „Natürlich tun sie das. Aber du hast recht. Eric hatte sich in einen Mann verliebt. Er schwor, dass ihm das nie zuvor passiert wäre. Aber ich wusste nicht, ob ich ihm glauben sollte.“

Wie konnte er es nicht gewusst haben? Wie konnte er sie all die Jahre angelogen haben? Sie hatte nicht nur mit dem Ende ihrer Ehe klarkommen müssen, sondern sich auch um ihre Gesundheit gesorgt. Wenn Eric sie mit einem Menschen betrogen hatte, wer sagte dann, dass es nicht vorher schon andere gegeben hatte?

Alle Testergebnisse beim Arzt waren gut gewesen, und sie hatte sich wieder beruhigen können. Trotzdem hatte das Ende ihrer Ehe einen bitteren Geschmack hinterlassen. Und eine große Traurigkeit.

„Ich habe ihn vermisst“, gab sie zu. „Wir waren so lange Freunde, und dann auf einmal war er fort. Ich musste mir darüber klar werden, was ich als Nächstes tun wollte. Sonia und ich haben immer davon gesprochen, gemeinsam einen Laden aufzumachen. Und auf einmal saßen wir da und schmiedeten echte Pläne. Ich bin hergekommen, um meinen Eltern zu helfen und um etwas Geld zu verdienen. Aber vor allem wollte ich mit meinem alten Leben abschließen.“

Sie atmete tief ein. „Ich habe es nicht kommen sehen, weißt du? Das hat mich am meisten fertiggemacht. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung. Ich meine, wir haben nur selten miteinander geschlafen, aber ich dachte einfach, jeder Mensch ist anders. Er war nicht sonderlich an Sex interessiert, und mir war das recht.

Nur – was, wenn es an mir lag?“

„Wenn er schwul ist, liegt es nicht an dir. Das wäre mit allen Frauen so gewesen.“

Ford musterte sie mit freundschaftlicher Besorgnis. Wenn er sie heimlich doch verurteilen sollte, so behielt er das für sich, was sie sehr zu schätzen wusste.

„Du hast nichts falsch gemacht“, sagte er. „Er war nicht ehrlich zu dir – oder zu sich. Daran trägst du keine Schuld.“

„Ich schätze, du hast recht.“

Er berührte ihr Kinn leicht mit einem Finger und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. „Da gibt es nichts zu schätzen.“ „Was, wenn ich ihn schwul gemacht habe?“

Ford lächelte. „Das hast du nicht.“

„Das kannst du doch gar nicht wissen. Vielleicht war ich im Bett so schlimm, dass er sich zu einem Mann geflüchtet hat.“

„Ich denke nicht, dass das so funktioniert. Sind sexuelle Vorlieben nicht biologisch bedingt? Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber so viel Macht hast du nicht.“

Er ist so nett, dachte sie. Sanft und freundlich. Seine unerwartete Unterstützung weckte in ihr den Drang, sich an ihn zu lehnen. „Ich fühle mich einfach unglaublich dumm. So etwas hätte ich doch wissen müssen.“

„Du hast ihm vertraut, Isabel. Du hast an ihn geglaubt, und er hat dich benutzt.“

„Bei dir klingt das so einfach.“

„Weil es das ist.“ Sein Lächeln kehrte zurück. „Ich habe immer recht.“

„O bitte.“ Sie spürte, dass auch sie langsam wieder lächeln konnte.

„Schon besser.“ Er beugte sich vor und berührte ihre Lippen sanft mit seinen.

Der Kuss war kurz. Mehr Trost als Verführung. Trotzdem spürte sie die Berührung bis in ihren Unterleib. Sie redete sich ein, dass es eine Mischung aus dem Wein war – obwohl sie kaum einen Schluck getrunken hatte – und der Scham, die sie wegen ihrer Ehe empfand. Noch nie zuvor hatte sie jemand die Wahrheit über Eric erzählt. Es wäre zu demütigend gewesen. Jedenfalls hatte sie das immer gedacht. Jetzt fragte sie sich allerdings, warum sie sich nicht getraut hatte, mit den Menschen zu sprechen, die sie liebten.

„Danke“, sagte sie, als er sich wieder aufrichtete. „Dafür, dass du zugehört und nicht gelacht hast.“

„Die Geschichte war doch auch nicht lustig.“

„Ich meinte eher, dass du mich nicht ausgelacht hast.“

„Das ist nicht mein Stil“, erklärte er.

Was war wohl sein Stil? Wer war dieser Mann, der ein so lächerliches Auto fuhr und behauptete, Gottes Geschenk an die Damenwelt zu sein, und der dennoch die genau richtigen, tröstenden Worte fand?

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