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Das unausweichliche Gesetz der Liebe

Als Buch hier erhältlich:

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Wenn man das perfekte Date für die Feiertage nicht findet, stellt man jemanden ein!

Die angesagte Anwältin Rebecca Madison fürchtet sich vorm alljährlichen Familienfest zu Thanks-giving, bei dem alle fragen werden: »Warum bist du noch Single?«. Wenn es um ihre Karriere geht, ist sie die Beste der Besten, eingestellt wegen ihrer kompromisslosen Einstellung und ihres scharfen Instinkts. Aber wenn es um ihr Liebesleben geht ... nun, sie hat noch nicht das Schlupfloch für ein glückliches Leben gefunden. Als sie also einen One-Night-Stand mit einem umwerfenden Fremden hat, den sie in einer Bar kennenlernt, beschließt Becca, das zu tun, was sie am besten kann: einen Deal mit Mr. One Night einzugehen, damit er ihr Mr. Right für die Feiertage wird. Mit einem eisernen Vertrag, der die Bedingungen ihrer Scheinbeziehung festlegt, hat Becca alles abgesichert: kein Küssen, kein Sex (so atemberaubend er auch war) und absolut keine emotionale Bindung!

Aber fünftausend Meilen von zu Hause entfernt und jeden wachen Moment in der Gesellschaft eines Mannes verbringend, der sie Dinge fühlen lässt, die sie noch nie zuvor gefühlt hat, machen es Becca nicht leicht, sich an ihre eigenen Regeln zu halten.


  • Erscheinungstag: 24.10.2023
  • Seitenanzahl: 352
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365004906

Leseprobe

Dieses Buch ist der unglaublichen Charlotte Ledger gewidmet;
ihre Leidenschaft und Begeisterung für ihre Autorinnen ist unübertroffen

1. Kapitel

»Verdammt noch mal!« Das rutscht mir einfach heraus, während ich mein Handy auf den Bartresen knalle. Ernsthaft? Ich kann es nicht fassen.

Wie durch einen kosmischen Zufall kommen exakt die gleichen Worte zur gleichen Zeit aus dem Mund des Mannes neben mir. »Verdammt noch mal!« Es handelt sich um den Typen, dessen Blick ich meide, obwohl unsere Hocker an der überfüllten Hotelbar praktisch aneinanderkleben.

Wir schauen uns verdutzt an.

»Hat Ihr Date Sie versetzt?«

Ich will ihn finster ansehen, weil er mir ein so kleines Problem unterstellt, aber leider hat er ein mitfühlendes Lächeln im Gesicht.

»Nein«, antworte ich seufzend. »Meine Schwester hat mir gerade geschrieben, dass sie verlobt ist.«

Er blickt skeptisch drein. »Und das ist nicht gut?«

»Nicht, wenn sie mit meinem Ex verlobt ist.«

»Autsch, das ist ziemlich übel …« Er hält kurz inne. »Das kann ich locker toppen.« Um seine faszinierenden Lippen spielt ein Lächeln. Ich brauche eine Sekunde, bis ich mich davon losreißen und den Blick auf das Handy richten kann, das er in der einen Hand hält.

»Wir spielen ›Wen hat es schlimmer getroffen?‹?«, frage ich.

»Jap.«

»Ich bezweifle doch sehr …« Ich mustere ihn von oben herab, denn Männern wie ihm muss man Kontra geben. »Aber nur zu.«

»Meine Geschäftspartnerin hat gerade den Stecker gezogen.«

Mein Blick gleitet über seine verwaschenen Jeans, die seine muskulösen Oberschenkel umspannt, und über sein weiches Henley-Shirt, das seine breite Brust betont. Die Knopfleiste ist offen, sodass dunkle Brusthaare herauslugen. In welcher Branche könnte er tätig sein? Er strahlt enorme Männlichkeit aus und hat diese flirtenden Ich-weiß-dass-ich-heiß-bin-also-los-Augen. Sie sind hellblau und funkeln unwiderstehlich.

Und er ist absolut nicht mein Typ. Noch während ich mir das sage, frage ich mich insgeheim, wie er wohl nackt aussieht, denn man müsste schon blind sein, um nicht zu bemerken, dass er Muskeln an all den richtigen Stellen hat und sie zu benutzen weiß. Ich reiße mich am Riemen und kneife die Augen zusammen. Solche Gedanken habe ich nicht.

Er grinst mich an, als wüsste er genau, was ich denke.

Ich schlucke. Bin ich so leicht zu durchschauen? Mein Männertyp trägt maßgeschneiderte Anzüge, ist rasiert, hat kurze Haare, besitzt gebügelte weiße Hemden, geschmackvolle Krawatten und bescheidene Manschettenknöpfe. Traue keinem Mann mit ausgefallenen Manschettenknöpfen. Die betrachte ich als Barometer für Arschlochhaftigkeit, wie Andrew bestens bewiesen hat.

In welcher Branche könnte er nur arbeiten? So wie er aussieht, würde ihn niemand für einen Geschäftsmann halten. Nicht mit diesen vollen, zu langen Haaren, die ihm bis auf die Schultern fallen, dem Fünftagebart und den großen starken Händen, die seltsam anmutig sind, aber auch nach harter Arbeit aussehen.

»Das ist arg«, sage ich, wobei ich versuche, ganz sachlich zu klingen und das lächerliche Kribbeln im Bauch zu ignorieren. Wenn das Schmetterlinge sind, können die gern verschwinden, denn so bin ich nicht. Ich hebe das Kinn. »In Ihrem Vertrag gibt es doch sicher Ausstiegs- und Kündigungsklauseln. Und eine Kündigungsfrist.«

Er hebt eine Braue, und prompt erscheint ein Grübchen, als er lächelt. Ah, nein, es ist auch noch süß.

»Sie müssen mit Ihrem Anwalt sprechen«, füge ich rasch und formell hinzu. Ich habe nichts übrig für schnuckelige junge Männer oder schnuckelige ältere Kerle.

Das Grübchen wird tiefer, als hätte ich etwas wirklich Amüsantes gesagt.

»Immerhin handelt es sich um einen Vertrag zwischen Geschäftsleuten.«

Er macht ein Gesicht, als wollte er sagen, dass er jetzt ohnehin nichts mehr tun könne.

»Sie meinen per Handschlag besiegelt?«

Er nickt und zuckt mit den Schultern. »So was in der Art. Wir hatten uns darauf geeinigt, uns gegenseitig zu helfen, und sie bot an, alles zu finanzieren.«

Wann werden die Leute es jemals lernen? Die wollen Anwaltsgebühren sparen, aber wenn es in die Hose geht, wird es viel teurer. Ein guter Vertrag ist wasserdicht, bombensicher, hieb- und stichfest und welches Klischee man sonst noch bemühen möchte. Ich muss es wissen; als Senior-Partnerin einer der größten Anwaltskanzleien in London setze ich Verträge auf und prüfe sie. Ich habe den Ruf, die Beste zu sein, und ich bin nicht zu bescheiden, das zuzugeben. Vor Kurzem habe ich im Vertrag eines Klienten ein Schlupfloch entdeckt und ihn vor dem Verlust von siebzig Millionen Pfund bewahrt. Ich bin teuer, aber jeden Penny wert.

»Das heißt, sie hat den Geldhahn zugedreht.«

»Ja, so ungefähr. Ich dachte, wir wären Freunde. Sie sah das anders.«

Ein Flackern in den Augen verrät ihn, und wie ein Hai, der Blut gerochen hat, stürze ich mich darauf. »Ah, Sie haben also mit ihr geschlafen?«

Er sieht mich einen Moment lang an, dann zuckt er mit den Schultern. »Ein- oder zweimal. Es war nichts Ernstes. Und in jüngster Zeit nicht mehr.«

»Sie wollte aber?«, hake ich nach, denn ich weiß, wie das läuft. Nicht umsonst heißt es, man solle Berufliches nicht mit Privatem vermischen. Dabei kommt nie etwas Gutes heraus. Die beiden hätten einen Vertrag aufsetzen sollen, bevor sie auch nur in die Nähe eines Schlafzimmers kommen.

»Sie wusste, dass es nichts Ernstes war. Da war ich ganz ehrlich. Letztes Jahr habe ich mich voll und ganz darauf konzentriert, mein Unternehmen aufzubauen. In dieser Anlaufphase hat die Arbeit einfach Vorrang.« Er schiebt das Kinn auf leicht störrische Weise vor, um seine Worte zu unterstreichen, und das fasziniert mich. Er scheint seinem Unternehmen leidenschaftlich verbunden zu sein.

Statt ihn auf den Sie-wusste-dass-es-nichts-Ernstes-ist-Bullshit anzusprechen – denn ich bin solchen Typen oft genug begegnet –, frage ich: »Was genau machen Sie nun eigentlich?«

Er richtet den Oberkörper auf, und in seinen blauen Augen flackert Inbrunst auf. Offenbar sitze ich zu nah bei ihm, denn ich spüre einen seltsamen Adrenalinrausch – das muss an der energiegeladenen Ausstrahlung liegen. »Ich entwerfe und baue Möbel.«

Damit habe ich nicht gerechnet. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber jetzt sehe ich es, die breite Brust, die muskulösen Arme unter dem weißen Shirt. Er ist also Tischler. »Sind Sie gut? Könnte ich von Ihnen gehört haben?« Ich trinke einen Schluck von meinem Wein.

»Noch nicht, aber das werden Sie. Mein Name ist Hudson Strong.«

Ich schnaube, allerdings nicht schweinchensüß, sondern mir läuft der Wein aus der Nase. Was für ein Name ist das denn?

»Den haben Sie sich ausgedacht«, werfe ich ihm hustend vor.

Er grinst. »Beschweren Sie sich bei meinen Eltern. Meine Mum und meine Grandma sind große Doris-Day- und Rock-Hudson-Fans. Meine älteste Schwester heißt Doris.«

»Im Ernst?«

Er zuckt erneut mit den Schultern, was seine Haare leicht in Bewegung bringt. Das sollte nicht attraktiv sein, aber sein Haar sieht so weich und seidig aus.

»Haben Sie denn auch einen Namen, Miss Vertragsanwältin?« Einer seiner Mundwinkel hebt sich zu einem etwas arroganten Grinsen.

»Gut geraten.«

»War nicht schwer, man sieht es Ihnen an.« Er mustert mein schwarzes Kostüm. Vernünftig ist es nicht, aber smart. Hugo Boss für Frauen. Ich bin die bestgekleidete Frau in meiner Kanzlei, und das ist wichtig in diesem Haifischbecken. Meine schwarzen Louboutins bringen meine Waden vorteilhaft zur Geltung, während meine blonden Haare zu einem klassischen Knoten zusammengebunden sind. Diese Frisur hebt meine Strähnchen hervor.

»Außerdem«, fährt er fort, »haben Sie Begriffe wie ›Ausstiegsklausel‹ und ›Kündigungsfrist‹ verwendet, und es klang sehr routiniert.«

»Rebecca Madison. Ich arbeite für Carter-Wright.«

Er stößt einen Pfiff aus. »Die Big Boys. Sorry«, setzt er rasch hinzu. »Die Big Girls.« Das bringt ihm einen Pluspunkt ein. Allerdings nur diesen einen, wegen seiner Miene, während er mein Kostüm mustert.

»Stimmt was nicht?«

»Ich glaube nicht. Das ist Ihre Uniform.«

»Was ist damit?«

»Sie sehen ein bisschen zugeknöpft aus.«

»Nun, das bin ich nicht«, sage ich auf sehr zugeknöpfte Weise. Dieser Typ hat etwas an sich, was mich auf die Palme bringt.

»Zurück zu Ihrer Schwester.« Er deutet auf mein Handy. »Was hat es mit dem Ex auf sich?«

Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt, davon zu erzählen, zögere ich, denn seine Stimme hat diesen sanften Unterton eines guten Zuhörers. Ach, was soll’s, er ist ein Fremder. Warum es ihm nicht anvertrauen? Allerdings brauche ich vorher einen weiteren Drink. Ich winke den Barkeeper herbei.

»Double Hendrick’s mit Tonic.« Den bestelle ich, weil Gin bei mir immer gut Wirkung zeigt, und ein wenig Betäubung käme mir gerade recht. Ich wende mich wieder Hudson zu. »Und Sie?«

»Ein Glas Merlot, danke.«

Nimmt er das so gelassen hin, weil er es gewohnt ist, dass Frauen ihm Drinks spendieren, oder stört es ihn tatsächlich nicht? Die meisten Männer, die ich kenne, bestehen ganz altmodisch darauf, die Drinks zu zahlen. Nicht wirklich gerecht, wenn man bedenkt, dass ich mindestens so viel verdiene wie sie, wenn nicht gar mehr. Manche scheinen das sogar als Freifahrtschein für Sex zu sehen. Ist es natürlich nicht.

»Ihre Schwester hat Ihnen also eine Nachricht geschrieben?« Er klingt ungläubig.

»Ja, wir stehen uns nicht sonderlich nah.« Was sehr untertrieben ist.

»Da können Sie sich glücklich schätzen. Ich habe drei Schwestern. Wenn sie mir doch bloß Textnachrichten schreiben würden.« Er schüttelt sich dramatisch, was mich zum Lächeln bringt, obwohl ich dazu eigentlich nicht in der Stimmung bin. »Doris, meine älteste Schwester, mir auf Instagram folgen zu lassen, war der größte Fehler meines Lebens. Sie tippt fleißig Kommentare und telefoniert … viel.« Trotz seiner Worte wirft er einen liebevollen Blick auf sein Smartphone.

Ich frage mich, wie das sein muss. Ich selbst habe keine Ahnung, was im Leben meiner Schwester vor sich geht. Ihr Instagram-Account ist wahrscheinlich voll mit Posts ihrer Designer-Handtaschen-Sammlung, ihrem neuesten Sportwagen (sie tauscht sie alle sechs Monate aus) und jeder Menge schmollmündiger Liebe-euch-Leute-Posts.

»Also«, lässt er nicht locker. »Ihr Verflossener, wie ist er so?«

»Sehr verflossen und ein komplettes Arschloch. Da ist nicht der Hauch eines Gefühls für ihn übrig. Das Ganze ist auch schon sehr lange her – vor drei Jahren hat er mit mir Schluss gemacht.« Dass er direkt nach der Trennung Interesse an Laura bekundet hat, behalte ich besser für mich.

»Aber so ganz sind Sie noch nicht über ihn hinweg?«

»O Gott, natürlich bin ich das«, sage ich verächtlich, denn Andrew gehört diesem Idioten-Club der ausgefallene Manschettenknöpfe tragenden Typen an. »Ich bin nur sauer, weil mir nahegelegt wurde, mich an Thanksgiving nächsten Monat gefälligst zu benehmen, wenn die beiden ihre Verlobung feiern.« Jetzt schüttele ich mich, und es ist nicht gespielt.

»Thanksgiving?«

Mehr fällt ihm dazu nicht ein?

»Mein Stiefvater ist Amerikaner, meine Mutter Engländerin. Sie verbringen viel Zeit in New York.«

»Sie fliegen also an Thanksgiving nach New York. Das ist cool.«

»Die werden jede meiner Reaktionen genaustens unter die Lupe nehmen, dabei ist es mir völlig schnuppe. Die haben einander verdient, aber es wird trotzdem ein Albtraum, egal was ich sage oder tue. Sie werden glauben, ich sei eifersüchtig, weil ich angeblich mit meiner Schwester im Wettstreit stehe. Warum glauben die Leute das immer?«

Er verzieht das Gesicht. »Echt blöd.«

Ich seufze. »Ist eben so.« Ich trinke meinen Gin aus und winke den Barkeeper herbei, um den nächsten Doppelten zu bestellen. »Wollen Sie auch noch was?«, frage ich.

»Die Runde geht aber auf mich. Das kann ich mir gerade noch leisten.«

»Ist schon in Ordnung. Meine Drinks gehen aufs Spesenkonto.« Ich habe in den letzten zwei Tagen an einer Konferenz teilgenommen, und dann hat die Personalabteilung dieses Meeting anberaumt, daher einigten wir uns darauf, dass ich das Hotelzimmer für eine weitere Nacht behalte, obwohl ich in Chelsea wohne.

Er lacht. »Natürlich, was sonst? Wenn die Firma zahlt, lasse ich mich gern einladen. Bei mir ist das Geld in nächster Zeit ohnehin knapp.«

»Was werden Sie machen?«

»Ach, ist alles nicht so schlimm. Im Januar habe ich eine große Ausstellung. Ich muss nur ein paar Stücke verkaufen, um das Geschäft wieder in Gang zu bringen.«

»Das klingt nicht schlecht.«

»Ist es auch nicht, eher das, was sie gesagt hat.« Er grinst. »Ich sei ein Taugenichts mit einer Beziehungsphobie, der sie reingelegt und ausgenutzt hat.«

»Und? Haben Sie?«

Er zuckt mit den Schultern. »Ich habe nie irgendwelche Versprechungen gemacht.«

Ich kenne diesen Typ Mann. Ihm steht ›beziehungsunfähig‹ auf die Stirn geschrieben. Einige Frauen glauben jedoch immer, sie könnten einen solchen Mann ändern. Arme Dummchen.

»Im Grunde haben Sie es aber doch getan. Sie haben ihr etwas vorgemacht und sie ausgenutzt.«

Er mustert mich abschätzig, und nun bin ich es, die die Schultern zuckt.

In dem folgenden verlegenen Schweigen trinken wir beide von unseren Drinks, als wäre uns gerade wieder eingefallen, dass wir uns ja überhaupt nicht kennen und die Unterhaltung deshalb beendet ist.

Glücklicherweise summt mein Handy, und ich schnappe es mir.

»Jetzt bin ich versetzt worden«, sage ich, als Hudson Strong mich ansieht. »Der Kerl, mit dem ich verabredet war, hat gerade abgesagt.« Was echt ärgerlich ist, denn ich hätte heute Abend nach Hause gekonnt, statt das Hotelzimmer eine weitere Nacht zu behalten.

Der einzige Grund, warum ich an einem Freitagabend auf diesem Viehmarkt bin, ist meine Freundin aus der Personalabteilung, die mich gebeten hat (nein, sie bestand darauf, und ich schulde ihr etwas – ich scheine Mitzie immer etwas zu schulden), mit einem Ex-Kollegen über die Unternehmensstrategie zur Förderung des Wohlbefindens zu sprechen. Und man weiß eben nie, wann ein Kontakt einem mal nützlich sein kann. Dabei bin ich ganz sicher die Falsche, um über Wohlbefinden zu reden. Wenn ich höre, jede Firma brauche eine tägliche Yoga-Session von acht bis neun, verdrehe ich die Augen. Wie viel Arbeit man erledigt bekommt, bevor das Telefon ab neun Uhr heißläuft! Ganz zu schweigen davon, wie lange es dauert, bis alle wieder an ihren Schreibtischen sitzen. Und dann sind alle dermaßen entspannt, dass sie aus ihren Sesseln rutschen, und zwar nachdem sie bei dem hübschen Barista Tony waren. Den gibt es erst seit Kurzem am Empfang, mit seiner eleganten Gaggia-Kaffeemaschine für Mocha Latte, Hafermilch-Cappuccinos und doppelte Espressos. Anscheinend ist kostenloser Qualitätskaffee unabdingbar für die geistige Gesundheit. Ich gebe zu, er hält mich wach, tut jedoch meinen Schlafgewohnheiten nicht besonders gut.

»Was für ein Armleuchter.«

Ich schaue mich in der überfüllten Bar um. »Sind Sie mit jemandem verabredet?«

»Ja, mit meiner Ex-Geschäftspartnerin. Solche Bars sind eigentlich nicht mein Ding.« Er zieht ein Gesicht. »Lauter Bürospießer«

»Wie ich?«

Er sieht mich an, dann erscheint ein Lächeln, und er raunt mir zu: »Ja, aber ich wette, Sie sind nicht immer und überall so zugeknöpft.«

Er betrachtet meine Bluse. Die Knopfleiste.

Ich verspüre ein elektrisierendes Kribbeln. Er sieht mir in die Augen, die eine Braue ganz leicht gehoben. Er hat mich gerade herausgefordert.

Niemand hat mich je aufgeknöpft. Nicht richtig. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das überhaupt möglich ist.

Ich schlucke und hebe das Kinn, kann den Blick nicht abwenden. Es knistert zwischen uns, und wie. Plötzlich wird mir klar: Ich will, dass dieser Mann mir die Bluse aufknöpft. Dieser Fremde. Ich will herausfinden, ob ich mich bei ihm fallen lassen kann.

Nachdem ich meinen Gin ausgetrunken habe, flüstere ich, den Blick auf seine sinnliche Unterlippe gerichtet: »Dann probieren Sie es doch aus.«

2. Kapitel

Ich habe ihn kalt erwischt. Seine Pupillen weiten sich. Ich habe die Herausforderung angenommen, und mich durchströmt ein Gefühl der Macht. Er sieht mich bestimmt eine volle Minute nur an. Keiner von uns sagt ein Wort, und mein Herz pocht vor Aufregung angesichts meiner Worte von eben. Jeden Moment wird er aufstehen und gehen. Natürlich wird er das. Aber dann betrachtet er meine Lippen, und auf seinen erscheint ein amüsiertes Lächeln.

Er lehnt sich herüber, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, und mir stockt der Atem. Ich kann mich nicht bewegen. Zuerst sind seine Lippen weich und streifen meine nur. Man kann es kaum einen Kuss nennen, und halb rechne ich damit, dass er sich wieder von mir löst, mit einem spöttischen Grinsen, weil ich so leicht zu haben bin. Doch dann berührt er meine Wange so zärtlich, was einen Kontrast darstellt zu dem jetzt sinnlichen Kuss, der immer leidenschaftlicher wird. Flammen lodern. Es ist wie ein Erdbeben zwischen uns, und ich erwidere den Kuss mit der gleichen Leidenschaft, während er die Finger in meine Haare schiebt und meinen Hinterkopf hart umfasst, als wollte er nie wieder loslassen.

Die Geräusche der Bar, das Stimmengewirr und das Lachen treten weit in den Hintergrund, bis es nur noch ihn und mich gibt. Ich erwidere den Kuss, weil ich es will. Er ist süß, flirtend und absolut nicht mein Typ. Es ist schon eine Weile her, seit ich etwas so Unbesonnenes getan habe. Was rede ich? Ich habe noch nie etwas Unbesonnenes getan, und plötzlich will ich es. Scheiß drauf, die vernünftige, brave Schwester zu sein. Ich will auch mal ein Abenteuer erleben und ausbrechen – besonders an dem Tag, an dem ich erfahren habe, dass meine Schwester den Typen heiratet, der mir das Herz gebrochen hat.

Ich bin von meinem Hocker gerutscht und nun zwischen Hudsons Schenkel gepresst, die ich gepackt halte, während er mit beiden Händen meinen Po massiert. Seine Zunge gleitet über meine Lippen, und ich öffne den Mund für ihn. Der erste Kontakt seiner Zunge mit meiner sendet ein Feuerwerk abwärts und weckt prickelnde Lust, die ich seit meiner Teenagerzeit nicht mehr verspürt habe. Ich bin heiß, und statt zurückzuweichen, wie mein Verstand es mir rät – er kreischt geradezu –, mache ich weiter. Jede Vernunft ist ausgeschaltet. Ich drücke mich an ihn, während er mein leises Stöhnen verschluckt.

»Wir müssen von hier verschwinden«, murmelt er an meinem Mund.

Benommen sehe ich ihn an. Ich bin nicht betrunken, aber auch nicht nüchtern. Nur ein bisschen mehr als beschwipst, und das gefällt mir, denn dadurch verliere ich meine Hemmungen.

Ich nicke, nehme seine Hand und führe ihn aus der Bar in die Lobby. Ohne etwas zu sagen oder mich zu ihm umzudrehen, ziehe ich ihn praktisch hinter mir her zum Lift. Er scheint sich allerdings auch nicht beklagen zu wollen.

Noch ehe die Fahrstuhltüren sich schließen, küssen wir uns schon wieder. Inzwischen hat er mir die Bluse aus dem Rock gezerrt, und nun schiebt er seine Hände hinauf zu meinen Brüsten. Ich stöhne in lustvoller Erwartung. Es ist eine Weile her, das ist alles. Angestaute Begierde.

Er weicht ein wenig zurück, aber ich küsse ihn erneut. Ich will nicht, dass er aufhört oder seine Meinung ändert. Ich glaube, ich bin momentan ein bisschen verrückt. Die Nachricht meiner Schwester hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich habe genug davon, immer das Richtige zu tun. Zumindest für diese Nacht. Morgen werde ich wieder auf dem Pfad der Tugend wandeln und welches Klischee mein langweiliges Leben sonst noch am besten beschreibt. Heute Nacht werde ich aufregend sein. Das scheint dieser Mann jedenfalls zu glauben.

Wir erreichen den dritten Stock, und die Türen öffnen sich. Keiner von uns beiden macht Anstalten, sich in Bewegung zu setzen, weshalb sie sich wieder schließen. Hastig drücke ich auf den Türknopf.

Wir stolpern aus dem Lift und stoßen dabei eine Vase von einem Konsolentisch. Entsetzt und amüsiert zugleich starren wir uns an, aber das beendet den Zauber nicht. Er drängt mich gegen die Wand, um mich erneut zu küssen. Ich kann seine Erektion hart unter dem Jeansstoff spüren. Er streichelt auf sehr sinnliche Weise meine Haut. Mein Hirn schaltet sich aus, sodass ich nur noch seinen Mund spüre, seine aufregenden Lippen, mit denen er an meinen saugt, dann an meinem Hals. Ein unerträgliches Sehnen erwacht zwischen meinen Schenkeln, ich bin kribbelig und aufgewühlt, fast als müsste ich aus meiner Haut. Ich bin getrieben von Begierde, will seine Hände auf mir spüren, überall. Ich will, dass er seine Kleidung loswird. Unter der weichen Baumwolle seines T-Shirts kann ich seinen Bizeps fühlen.

»Verdammt, ich will dich«, murmelt er an meinen Lippen, und statt geschockt zu sein, wie ich es üblicherweise wäre, erregen mich seine Worte. Er will mich. Ich begehre ihn ebenso sehr wie er mich. Wir lösen uns schwer atmend voneinander. »Verdammt«, sagt er wieder, diesmal mit einem Lächeln, und streicht mir mit einer rührend zärtlichen Geste die Haare aus dem Gesicht. Ich sehe ihn an. Bin ich verrückt? Aber die Begierde hat mich noch nie so überwältigt. Etwas wie das hier habe ich noch nie gemacht, ganz zu schweigen von dem, was als Nächstes passieren wird. Denn es wird geschehen, andernfalls sterbe ich vor Frustration.

Ich krame nach der Zimmerkarte in meiner Handtasche, die glücklicherweise zum Umhängen ist, sonst hätte ich sie längst irgendwo liegen gelassen oder verloren. »Zimmer 306«, sage ich, als ich die Karte gefunden habe, und senke den Blick, da mich plötzlich Verlegenheit überkommt. Ich will es so sehr, aber was tun wir hier eigentlich? Ich kenne ihn nicht einmal. Vernunft und Verlangen kämpfen in mir miteinander, doch das Verlangen siegt mit Abstand.

Zum Glück ist weit und breit niemand zu sehen, denn es ist ziemlich offensichtlich, was wir vorhaben. In einem Cartoon würde ein Neonschild über unseren Köpfen aufpoppen, das mit Leuchtschrift darauf hinweist, dass irgendwer hier irgendwen abschleppt. Vor Zimmer 306 bleiben wir stehen, doch als ich die Karte in das elektronische Schloss stecken will, legt er seine Hand auf meine. O nein, er hat seine Meinung geändert. Natürlich, was sonst?

»Bist du dir sicher?«, fragt er, und ich sehe ihn überrascht an.

Die Frage steht zwischen uns, und für einen Moment bringe ich kein Wort heraus, da mir bewusst wird, dass er es ernst meint.

»Wir haben viel getrunken.«

Ich runzle die Stirn. »So viel nun auch wieder nicht.« Stimmt, der Drink hat mir die Hemmungen genommen, aber es ist mehr als das. Meine Libido hat das Kommando übernommen. Ich will seinen Körper, seine Haut unter meinen Händen spüren und das Gewicht seines muskulösen Körpers an meinem.

Ich streiche über die nackte Haut im V-Ausschnitt seines Henley-Shirts und lasse die Hand an seiner Brust hinabgleiten; streife mit dem Daumen seine Rippen. Der menschliche Körper ist wunderbar, lebendig, atmend, all diese Zellen und das zirkulierende Blut. Ich atme scharf ein. Durch den Stoff spüre ich die Hitze seiner Haut.

Ich suche seinen Blick. Seine Züge verraten Anspannung, als erwartete er mit jeder Faser seines Körpers meine Antwort.

»Ja, ich bin mir sicher«, flüstere ich und lasse die Tür aufklicken.

Im nächsten Moment sind wir in meinem Zimmer, und ich lehne mit dem Rücken an der Tür, während er mich erneut stürmisch küsst. Jetzt, da wir sicher und ungestört sind, können wir es langsamer angehen, denn die Sache ist besiegelt, und es besteht keine Eile mehr. Wir wechseln zu einem gemächlicheren Tempo, und ich frage mich, ob ich wohl dahinschmelzen werde angesichts seiner langsamen, sinnlichen Küsse. Sein Mund ist zielstrebig, als wollte er jeden einzelnen Zentimeter meines Körpers gründlich erkunden. Ich habe ihm meine Hände in den Nacken gelegt und lasse die Finger durch sein seidiges Haar gleiten, während meine Brüste gegen seine harte Brust gepresst werden. In diesem Augenblick halte ich es für möglich, als glückliche Frau zu sterben. Der Mann versteht es, zu küssen, und wenn ich ehrlich bin, habe ich das stets für ein überschätztes Vergnügen gehalten. Aber das hier ist etwas Außergewöhnliches. Es ist, als führe man in einem kleinen Boot durch rauschende Stromschnellen. Das erotische Spiel seiner Lippen und Zunge befeuern meine Lust.

Er umfasst mein Gesicht und streichelt meine Wangenknochen, ehe seine Hand den obersten Knopf meiner Bluse findet. In seinen blauen Augen liegt ein Funkeln, als er mit der Handfläche über meine Brust gleitet.

Tu es, denke ich, und er schiebt einen Finger unter den Knopf, dann zwischen den Stoff. Er küsst meinen Hals und berührt zärtlich meinen Nippel. Ich schließe die Augen, werfe den Kopf in den Nacken und gebe ein leises Wimmern von mir, während ich mein Becken an ihn presse. Meine Erregung nimmt zu, als er den zweiten Knopf öffnet, und ich stöhne leise, als ich seinen warmen Mund an meinem Ausschnitt spüre, das harte Holz der Tür noch im Rücken. Ich bin gefangen zwischen der Tür und seinem Körper, und das fühlt sich verdammt gut an. Er presst seine Schenkel an meine und hält mich auf diese Weise zusätzlich fest.

Mit der Zunge fährt er über meine Brust, und am liebsten würde ich mir die Bluse vom Leib reißen. Doch zunächst nimmt er sich Zeit. Die Barriere aus Bluse und BH zwischen seiner Handfläche und meiner Haut wird mir unerträglich. Ich verzehre mich nach seiner Berührung und spüre ein Prickeln in den Nippeln. Er öffnet einen weiteren Knopf, und seine Finger gleiten an meinem Brustbein abwärts zum nächsten Knopf. Er knöpft meine Bluse ganz auf und teilt den Stoff. Ich schlucke, während er mich betrachtet und dann mit einem lüsternen Grinsen aufschaut. Er streift mir die Bluse von den Schultern und die BH-Träger gleich mit, schiebt sie meine Arme hinunter, sodass die Körbchen heruntergezogen werden. Sein Lächeln geht mir durch und durch, als er den Kopf senkt und eine meiner Brustwarzen in den Mund nimmt. Das Spiel seiner heißen Zunge verursacht mir weiche Knie, und ich gebe ein atemloses, beinah panisches Stöhnen von mir. Es ist fast nicht mehr auszuhalten. Mein Atem ist gepresst, und ich stöhne erneut, jetzt definitiv in Panik. Es ist zu viel.

»Verdammt.« Ich muss mich an seiner Taille festhalten, um aufrecht stehen zu bleiben. Ein Mix aus Lust, Erregung und Furcht durchflutet meinen Körper, bis in die feinsten Nervenenden hinein.

»Ja«, sagt er und widmet sich der anderen Brust, was meine Begierde weiter anfacht. Er leckt und saugt, als gäbe es so viel zu erforschen. Ich bin vollkommen darauf fokussiert und reibe mich an ihm, bewege das Becken ruhelos, Erlösung herbeisehnend. Er hakt meinen BH auf, und dann sind seine beiden Hände an meinen Brüsten, umfassen und massieren sie. Ich will ihm sagen, dass er aufhören soll. Ich will die Kontrolle zurückgewinnen, aber er macht solch wunderbare Dinge mit mir. Sein Mund liegt wieder auf meinem, und sicher werde ich gleich vor Lust sterben.

Jetzt liegen seine Hände auf meinem Rockbund, was meinen Brüsten gnädigerweise eine Pause verschafft. Er zieht den hinten befindlichen Reißverschluss herunter und schiebt die Hände in meinen Slip, um meinen Po zu massieren und mich fester an seine lange, harte, drängende Erektion zu pressen. Sein Stöhnen gibt mir den Rest. Ich war nie der passive Typ, daher schockiert es mich geradezu, dass ich ihm einfach die Initiative überlassen habe. Ich habe ihn Dinge mit mir tun lassen, die er, das muss ich fairerweise zugeben, sehr gekonnt getan hat. Bei Andrew habe ich mich nie so gefühlt. Als könnte ich explodieren. Ein Orgasmus braut sich zusammen, er baut sich auf und naht wie eine Welle, die sich jeden Moment brechen wird. Alles krampft sich in mir zusammen wegen der unausweichlichen Frustration, meiner Unfähigkeit zu kommen. Wie oft habe ich vergeblich darauf gewartet, dass die Welle sich bricht und mich überspült. Stattdessen verflachte sie stets und lief ans Ufer, zu nichts verplätschernd. Vielleicht, wer weiß, wird es diesmal ja anders.

Zögerlich schiebe ich meine Hand zwischen unsere Körper, hebe sein T-Shirt an und berühre seine gebräunte Haut. Ich umfasse seinen breiten Oberkörper, und er saugt scharf die Luft ein, als ich mit einem Finger am Bund seiner Hose entlangfahre. Das verschafft mir das Selbstbewusstsein, den Finger zu seinem flachen Bauch zu bewegen, wo ich ihn spielerisch durch den schmalen weichen Haarstreifen gleiten lasse, direkt oberhalb des Jeansknopfes. Er spannt sich merklich an, und ich umfasse ihn durch seine Jeans hindurch. Während ich mit der Hand über seine Länge streiche, schießt ein lustvolles Pulsieren zwischen meine Schenkel.

»Wow«, stöhnt er voll männlicher Ehrfurcht, was ich mit weiblicher Zufriedenheit registriere. Dass ich diese Wirkung auf ihn habe und ihm derartige Laute entlocken kann, fühlt sich unglaublich gut an. Er nimmt meine Hand, sieht mir erneut in die Augen und schiebt meinen Rock herunter. Seine Hand gleitet in meinen Slip. Ich bin so feucht, und er kann es fühlen. Er dringt mit einem Finger in mich ein.

»Ahh«, quietsche ich, da der lustvolle Schock meine Stimme einige Oktaven höher steigen lässt. Er dringt mit einem zweiten Finger in mich ein und fängt an, mich zu liebkosen. Sein Mund liegt auf meinem, während ich keuche und stöhne und allmählich die Kontrolle verliere.

Er bewegt seine Finger schneller. »Das ist es«, flüstert er an meinen Lippen. »Das ist es.«

Mein Becken zuckt angesichts dieser sündigen, entschlossenen Finger, die geschickt hinein- und wieder herausgleiten und dabei immer wieder über meinen Kitzler streichen. Ich fühle, wie die Welle größer und höher wird, und gebe unzusammenhängende Laute von mir. »Komm für mich«, flüstert er.

Ich ziehe scharf die Luft ein, und dann komme ich tatsächlich. Die Welle bricht, überwältigende Lust entlädt sich. Ich bekomme weiche Knie und stoße einen heiseren Schrei aus und bin für eine ganze Weile wie benommen.

Ich bin schlaff wie eine Nudel, und Hudson hält mich. Ich spüre seinen Blick und lächle. Es muss am Alkohol liegen. Nie zuvor habe ich mich so sehr gehen lassen. Ich spüre die sexy Nachwirkungen zwischen meinen Beinen und hätte sie am liebsten fest zusammengepresst.

»Tut mir leid«, sage ich und wende den Blick ab.

Mit der einen Hand umfasst er meine Taille, mit der anderen hebt er mein Kinn und küsst mich sanft auf den Mund.

»Was tut dir leid?«, fragt er aufrichtig verwirrt.

»Du weißt schon …« Ich schaffe es nicht zu sagen: »Weil ich gekommen bin«, deshalb zucke ich nur mit den Schultern und sage stattdessen: »Dass ich nichts für dich getan habe.«

Er hebt eine Braue und grinst schief. »Nichts für mich getan?« Er lacht. »Ich glaube, ich habe mein Ego gerade für die nächsten tausend Monate aufgebaut. Es ist toll zu wissen, dass ich das bei dir auslösen kann.« Seine Miene drückt neben dem Selbstbewusstsein auch eine Ehrfurcht aus, die mich beflügelt. Es verleiht mir den Mut, den obersten Knopf seiner Jeans zu öffnen, doch als ich seinen Reißverschluss herunterziehen will, schüttelt er den Kopf. »Nein.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe.

»Wenn du das machst, ist es vorbei, ehe es überhaupt angefangen hat.«

Ich werfe ihm einen aufreizenden Blick zu. »Dann musst du eben einfach an Backsteinmauern denken.«

Er lacht leise, schmiegt das Gesicht an meinen Hals und bugsiert mich zum Bett. Ich steige aus dem Rock, der um meine Füße liegt, trage aber noch meine Pumps.

»Mmm, sexy«, bemerkt er und mustert mich schamlos. Ich bin nackt bis auf Slip und High Heels, doch der Anblick scheint ihm zu gefallen, denn er reibt sich, während er mich betrachtet. Das ist unerwartet erotisch, und ein neues Verlangen beginnt in mir zu pulsieren.

Da ist es wieder, dieses sexy verwegene Grinsen, das mir das Gefühl gibt, eine Göttin zu sein. Meine Nippel richten sich auf, meine Brüste sehnen sich danach, erneut berührt zu werden.

»Das war nur zum Aufwärmen.« Er zieht seine Jeans aus, nimmt ein kleines quadratisches Folienpäckchen aus der Brieftasche und steht, meine Hand haltend, vor dem Bett, nur noch mit seinen engen Boxershorts bekleidet, die nichts der Fantasie überlassen. Sanft drängt er mich, mich aufs Bett zu setzen. Dann beugt er sich herunter, legt eine Hand in meine Kniekehle und lässt sie an meiner Wade hinuntergleiten, um mir den Schuh auszuziehen. Das wiederholt er am anderen Bein und schaut zu mir hoch. Ich verspüre den Drang, die Knie zusammenzupressen, denn ich fühle mich ausgeliefert und verletzlich. Dafür bin ich eigentlich nicht der Typ, aber ausnahmsweise macht es mir nichts aus. Normalerweise ergreife ich die Initiative und habe die Oberhand, doch angesichts der Empfindungen, die er in mir auslöst, überlasse ich ihm gern die Führung. Er spreizt meine Knie und beugt sich vor, um meine Oberschenkel mit Küssen zu bedecken, jedes Mal ein Stückchen weiter aufwärts. Besonders viel Aufmerksamkeit schenkt er dem großen Muttermal an der Innenseite meines Oberschenkels, das aussieht wie die Umrisse Australiens.

Ich erstarre. Ich kann das nicht. Ich hatte noch nie Oralsex. So eine bin ich nicht. Männer machen das nicht mit mir. Dafür bin ich viel zu zugeknöpft, und trotz des überwältigenden Orgasmus glaube ich nicht, dass ich das jetzt tun kann oder, besser gesagt, es zulassen kann. Ich versuche die Beine zusammenzupressen, und er schaut wieder auf zu mir. O Gott, wird er mich dazu bringen? Aber er berührt mein Gesicht, steht auf und zieht mich hoch. Er schiebt seine Boxershorts herunter, und ich spüre seinen Schwanz an meinem Bauch, als er mir mit der anderen Hand den Slip auszieht.

»Wir müssen nichts tun, was du nicht tun willst«, flüstert er und küsst mich zärtlich. Ich bin überhaupt nicht ich selbst. Ich bin schwach und willenlos, beinah unterwürfig, was mir absolut nicht ähnlich sieht. Kaum zu glauben, dass es mir tatsächlich gefällt, ihm die Initiative zu überlassen. Normalerweise würde das nicht passieren, nie und nimmer, aber er ist ein Fremder. Nach dieser Nacht werde ich ihn nie wiedersehen. Es ist ein bisschen schade, dass wir uns in meinem Hotelzimmer befinden. Ich frage mich, wie er sich fühlen wird, wenn ich ihn bitte zu gehen. Wahrscheinlich wird er einschlafen, und ich werde stundenlang wach liegen und grübeln, wie ich mich ihm gegenüber am nächsten Morgen verhalten soll. Allerdings könnte ich mich davonstehlen und auschecken. Duschen kann ich auch heute Abend noch.

»Hey, bist du noch da?«

Ich merke, dass mein Verstand wieder übernommen hat und ich wie üblich alles Mögliche vorausplane.

In Panik umfasse ich ungeschickt seine Härte.

»Woah«, sagt er.

»Sorry.«

»Nein, aber deine Hände sind kalt.«

»Oh.« Ich bin fasziniert von der samtweichen Haut über der harten Länge und vom Kontrast meiner etwas dunkleren Haut zu seiner helleren. Er zieht scharf die Luft ein. Sein Gesicht hat einen seltsam verzerrten Ausdruck angenommen. Ich streichle ihn erneut, und er schließt die Augen, während seine Miene sich entspannt.

»Ja«, murmelt er stöhnend. Ich bin im Einklang mit jedem Laut, den er von sich gibt, und reagiere darauf, als würde ich ein Instrument stimmen. Es beflügelt mich, zu wissen, dass ich diese Wirkung auf ihn habe. Mein Selbstbewusstsein kehrt allmählich zurück. Ich fange an, ihn zu erforschen, das Tempo zu variieren, meine Hand mit sicherem Griff auf und ab zu bewegen und seinem begleitenden lang gezogenen Stöhnen zu lauschen. Es erregt mich ebenfalls.

Plötzlich legt er entschlossen seine Hand auf meine. »Wenn du so weitermachst, ist es gleich vorbei.«

»Das macht nichts«, sage ich und schlucke. Wie kann ich zweimal kommen, wenn ich zuvor nie richtig gekommen bin?

Er nimmt das quadratische Folienpäckchen, reißt es auf und streift sich das Kondom über. Ich bereite mich innerlich vor, denn seien wir ehrlich, so großartig ist Sex nicht. Sicher gibt es Leute, die tollen Sex haben, aber ich bin mir ebenso sicher, dass das nicht die Norm ist. Ich rechne damit, dass er sich gleich auf mich wirft.

Hudson lacht leise. »Anscheinend habe ich es nicht mehr richtig drauf. Du bist mit den Gedanken schon wieder woanders.«

»Tut mir leid.« Ich frage mich, was er sagen würde, wenn ich ihm erzähle, dass ich an meinen Ex gedacht habe. Wahrscheinlich nicht viel.

»Du entschuldigst dich zu oft.«

»Ha, normalerweise nicht«, erwidere ich; ein Teil meiner üblichen Persönlichkeit behauptet sich. Außerhalb des Schlafzimmers weiß ich immer, was ich mache. Ich bin diejenige, die anderen sagt, was sie tun sollen und wann und wie. Manche nennen mich Kontrollfreak, was ich nicht unbedingt für etwas Schlechtes halte. Zumindest nicht, wenn man es mit Millionen Pfund schweren Verträgen zu tun hat. Da ist es wichtig, sich auf jedes Detail konzentrieren zu können. Ich würde sagen, Hudsons Aufmerksamkeit für Details ist in diesem Augenblick verdammt gut. Seine Finger spielen mit mir, und die Begierde ist schon wieder voll erwacht. »Nimm mich«, flüstere ich und sage es gleich noch mal, diesmal lauter. »Nimm mich, jetzt sofort.«

Ich zerre an seinen Handgelenken, damit er zu mir kommt. Er lacht und presst seine Lippen für einen sinnlichen Kuss auf meine, mit geöffnetem Mund, und das Verlangen nach ihm kehrt mit voller Wucht zurück. Unsere Küsse werden wilder, und er spreizt meine Schenkel. Dann gleitet er sehr langsam in mich; sein Gesicht über mir entspannt sich.

»Verdammt, bist du eng«, sagt er stöhnend. »So eng.« Er bewegt sich, und ich schließe die Augen, während wir den besten Sex meines Lebens haben.

3. Kapitel

Mein Verstand ist benebelt, als ich aufwache. Tageslicht fällt durch die Vorhänge in meinem Hotelzimmer. Tageslicht! Wie spät ist es, um Himmels willen? Dann kommt die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. Mist, ich bin immer noch hier. Und ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen. Ich weiß gar nicht, wann ich das zuletzt geschafft habe.

Hudson Strong liegt neben mir auf dem Rücken, ein Arm über seinem Kopf, die Decke ist bis zu seiner Taille heruntergerutscht, das frische Bettzeug hebt seine gebräunte Haut hervor. Ich betrachte ihn und erinnere mich mit lebhafter Klarheit an sein Gewicht und wie er sich anfühlte. Ich schlucke, denn ich hatte nicht vor, an diesem Morgen noch hier zu sein und mit postkoitaler Verlegenheit konfrontiert zu werden.

Irgendwo im Zimmer klingelt mein Handy. Shit. Erneut werfe ich einen Blick auf den Mann neben mir, den ich nicht aufwecken will. Was sollte ich zu ihm sagen? Ich steige aus dem Bett und gehe zu meinem Rock, meinem BH und meiner Handtasche, ehe ich mich buchstäblich auf mein Handy stürze. Noch mal Shit. Es ist meine Mutter. Warum ruft sie mich um diese Uhrzeit an? In New York muss es drei Uhr morgens sein. Ist jemand gestorben? Ich habe keine Ahnung.

»Mum«, flüstere ich ins Telefon und verschwinde mit einem letzten Blick auf den Mann im Bett ins Badezimmer.

»Rebecca, warum flüsterst du?« Anspannung erfasst mich bei ihrem forschen Ton.

»Bin gerade erst aufgewacht«, sage ich, was ja auch stimmt. »Ist alles okay?«

»Warum denn nicht?«

»Du rufst mich um drei Uhr nachts nach eurer Zeit an.«

»Das ist mir durchaus bewusst.« Das ist die Art von Unterhaltung, wie ich sie meistens mit meiner Mutter führe. Wir bewegen uns auf verschiedenen Frequenzen. Ich halte meine für gemäßigt, während die meiner Mutter hoch ist – viele Wellen, viel mühsam beherrschtes Zickendrama. »Ich rufe wegen der Verlobungsfeier deiner Schwester an.«

Großartig, genau das, was ich jetzt brauche.

»Du kommst doch, oder?«

»Ich weiß nicht recht«, erwidere ich.

»Rebecca, du hast gesagt, du würdest zu Thanksgiving kommen.«

Das war vor der Verlobung meiner Schwester.

»Du musst kommen. Wie würde es aussehen, wenn du dich nicht blicken lässt?«

Es wird so aussehen, als wäre ich nicht da. »Ich habe wirklich viel zu tun.«

»Natürlich, aber es ist Thanksgiving. Jonathon findet doch sicher jemanden, der für dich einspringt. Ich könnte mit ihm reden.«

O ja, das würde gut funktionieren. Ich schließe die Augen bei der Vorstellung, dass mein sturer Stiefvater den Managing Director Marcus Carter-Wheeler anruft oder den Finance Director Geoffrey Wright-Davies oder irgendeinen anderen Kanzleipartner. Gar nicht auszudenken, was das mit meinem Ruf als knallharte Vertragsanwältin machen würde.

»Ich werde da sein.«

»Ausgezeichnet. Gib mir deine Flugdaten durch, dann lasse ich dich abholen.«

Und damit legt meine Mutter auf. Gott, ich bin eine dreiunddreißigjährige Frau, doch meine Mutter besitzt nach wie vor die Fähigkeit, mir den Tag zu vermiesen. Jetzt bleibt mir keine andere Wahl mehr, ich werde die traurige Single-Schwester bei der Feier sein. Alle werden mich ansehen und denken, dass er mich für Laura verlassen hat. Hat er aber gar nicht. Er hat Schluss gemacht, weil ich den Job bekommen habe, für den er sich beworben hatte. Nur brachte er das nie zur Sprache. Es ärgert mich immer noch, dass er darauf bestand, ich solle mich nicht für den Job bewerben. Zu der Zeit wohnten wir zusammen, und er erwartete, dass ich ihm die Beförderung überlasse – obwohl wir beide wussten, dass ich mit Abstand die bessere Kandidatin war. Als er mir von seinem Misserfolg berichtete, wollte er, dass ich die Position ablehne. Und als ich Nein sagte, packte er seine Sachen und verschwand zurück in die Staaten. Da hätte mir klar werden müssen, dass Männer und Karriere für eine Frau nicht zusammenpassen.

Was für ein toller Start in den Samstagmorgen. Ob ich mich hier drin einschließen kann, bis Hudson Strong gegangen ist? Auf keinen Fall werde ich mich wieder zu ihm ins Bett legen, sonst glaubt er noch, ich möchte eine Wiederholung. Was auch stimmt – trotzdem nein. Nee, mach ich nicht. Jetzt, bei Tageslicht, will ich bloß zurück in meine Normalität. Die vergangene Nacht war zwar kein Fehler – der Sex war gigantisch –, hat mir aber dennoch Angst gemacht. Derartig die Kontrolle zu verlieren und sich jemandem gegenüber so verwundbar zu machen. Andererseits hat es mein Selbstbewusstsein enorm gestärkt. Er stand wirklich auf mich, und wir hatten jede Menge Spaß. Und wow, ist er heiß.

Wenn ich mir vorstelle, ich könnte ihn mit zu meiner Familie nehmen. Ha! Da würden Andrew und Laura Augen machen. Ich gebe mich der wundervollen Fantasie hin, an Hudson Strongs Arm das Wohnzimmer meiner Eltern zu betreten. Ich muss ihn unbedingt weiter mit diesem albernen Namen ansprechen, unabhängig von dem, was letzte Nacht passiert ist, denn ihn einfach Hudson zu nennen, käme mir zu intim vor. Vor- und Nachname wahren die Distanz, als hätte ich es mit einem Klienten oder einem Kollegen zu tun. Nicht dass ich wilden Sex mit Klienten oder Kollegen hätte.

Ich male mir das verblüffte Gesicht meiner Schwester aus. Schöne Fantasie, aber mehr auch nicht.

Seufzend stelle ich die Dusche an, um die Rückkehr ins Zimmer hinauszuzögern. Ich überlege, den riesigen Jacuzzi zu benutzen, und stelle mir kurz, aber wundervollerweise vor, wie Hudson zu mir in den Whirlpool steigt. Stattdessen gehe ich unter die Dusche, die beinah die Größe meiner Küche hat. Ich benutze das teure Jo-Malone-Duschgel vom Hotel, das nach Orangenblüten duftet, und lasse mir Zeit. Ich wasche sogar meine Haare, obwohl ich kein Glätteisen dabeihabe. Frisieren kann ich mich auch noch, wenn ich wieder in meiner Wohnung bin, bevor ich zur Arbeit aufbreche. Allerdings wird mich wohl kaum jemand sehen, da ich niemanden sonst heute bei der Arbeit erwarte. Ich rede mir ein, niemand sei ebenso engagiert wie ich, um mir nicht eingestehen zu müssen, dass die vielleicht alle etwas Besseres zu tun haben.

Irgendwann verlasse ich das mit Dampf gefüllte Badezimmer doch und kehre in das kühle riesige Schlafzimmer zurück. Es ist eine Junior Suite mit einem super Kingsize-Bett, graublauen Samtsofas, interessanter Kunst an den Wänden und einem tollen hohen Teppich, in dem die Zehen angenehm versinken. Und auf dem man gut vögeln könnte. Der Gedanke bringt mich zum Lächeln.

Jemand – nun, es gibt nur eine Person, die das gewesen sein kann – hat die Tür zum verglasten Balkon geöffnet. Der Voile-Vorhang weht sanft im Wind und gibt den Blick frei auf die unten vorbeifließende Themse sowie die berühmte Tower Bridge. Dieses Zimmer hat wirklich eine besondere Aussicht – und was für eine, denn vor dem Fenster steht Hudson Strong, nackt. Obwohl mein Mut ein wenig sinkt, weil er noch da ist, komme ich nicht umhin, seinen Po zu bewundern. Trotz meiner halb amerikanischen Erziehung bringe ich es nicht fertig, das Wort »Arsch« zu benutzen. Es handelt sich um etwas Schönes, wie Gemeißeltes oberhalb der muskulösen Schenkel. Meine Hormone reagieren für meine Begriffe einen Tick zu entzückt. Sogar meine Nippel richten sich in der Morgenbrise unter dem Handtuch auf, das ich fest um mich gewickelt habe.

Er dreht sich um. »Guten Morgen.« Seine sinnlich heisere Stimme lässt prompt Schmetterlinge in meinem Bauch flattern.

»Hi«, sage ich in sachlichem Ton, damit er gleich begreift, dass unser kleines Intermezzo vorbei ist. Leider sieht er so umwerfend aus, dass ich einen trockenen Mund bekomme. »Willst du das Bad benutzen?« Ich halte den Blick tapfer auf sein Gesicht gerichtet. Bloß nicht nach unten schauen. Natürlich tue ich es doch, und prompt erscheint dieses sexy Grinsen in seinem Gesicht, als durchschaue er mich.

»Hast du gut geschlafen?«, erkundigt er sich mit seinem Grübchenlächeln, während er genau weiß, dass ich nicht hinzuschauen versuche.

»Ja, danke.« Ich bin verlegen. Warum geht er nicht einfach ins Badezimmer?

Endlich bewegt er sich an mir vorbei und schließt die Tür hinter sich. Ich seufze erleichtert, hebe meinen Slip vom Fußboden neben dem Bett auf und ziehe ihn hastig meine noch nassen Beine hinauf. Wo zum Geier befindet sich mein BH?

Er liegt auf dem Sessel auf seiner Seite des Zimmers.

Ich habe gerade beide Arme in meine Seidenbluse geschoben, die an meiner noch feuchten Haut klebt, als sein Handy klingelt. Ich winde mich in meinen Rock, und mein Herz pocht ein wenig. Vielleicht hört er es nicht? Vielleicht wird er es ignorieren? Ich könnte das nicht. Anrufe müssen entgegengenommen werden, obwohl ich nicht denke, dass er am Wochenende von einem Kunden behelligt wird.

Das Klingeln verstummt, und ich atme auf. Dann schnappe ich mir meine Handtasche und suche nach meinen Schuhen.

Die Tür zum Bad geht in dem Moment auf, als ich sie unter dem Frisiertisch entdecke, wo ich sie letzte Nacht hingekickt habe.

»War das mein Handy?«

Er ist in ein Handtuch gewickelt, wodurch ich mich besser fühlen sollte, nur tue ich das nicht. Der weiße, fest um seine Hüften gewickelte Stoff bildet einen Kontrast zu seiner goldbraunen Haut, und der Anblick seiner dunklen seidigen Haare, die von seinem Bauchnabel abwärts führen, verfehlt seine Wirkung auf mich nicht. Wow, er ist so sexy, dass es mich heiß durchläuft.

Natürlich merkt er das. Was sonst? Ein weiteres wissendes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, ehe er sich seinem Handy widmet. Er wirft mir einen entschuldigenden Blick zu. »Sorry, aber ich muss mit diesem Typen sprechen.«

Ich zucke mit den Schultern.

»Hey, Dave.«

Während er mir den Rücken zukehrt, schnappe ich mir meine Schuhe und schlüpfe hinein.

Als würde ich Stopp-Tanz spielen, schleiche ich auf Zehenspitzen zur Tür des Hotelzimmers und bleibe zwischendurch stehen, um ihn vorsichtig zu beobachten. Bitte dreh dich nicht um.

»Ja, sie ist nicht mehr beteiligt, aber du musst dir keine Sorgen machen … Was? Das kannst du nicht tun.« Es folgt eine längere Pause, da der Teilnehmer auf der anderen Seite offenbar spricht. Ich mache einen weiteren Schritt auf den Ausgang zu.

»Sobald die Ausstellung vorbei ist, kann ich die ganze Miete bezahlen.«

Er hebt aufgebracht die Stimme. »Kumpel, das kannst du nicht machen.« Er fährt sich durch die Haare, nach wie vor in gebeugter Haltung und mit dem Rücken zu mir. »Ich brauche meine Werkzeuge, meine Vorräte. Ich kann nicht arbeiten, wenn du mich ausschließt. Gib mir wenigstens noch Zeit bis Januar.«

Er klingt jetzt wirklich verärgert, und von dem unbeschwerten Mann, mit dem ich die Nacht verbracht habe, ist nichts mehr da. Ich mache zwei weitere Schritte und drehe mich noch einmal um, bevor ich verschwinde. Sein ganzer Körper wirkt angespannt. »Sieben Riesen! Das soll wohl ein Witz sein. So viel Geld kann ich momentan nicht auftreiben.«

Ich fühle angesichts seiner Verzweiflung und dem Flehen in seiner Stimme mit ihm, aber inzwischen bin ich der Tür so nah, dass ich meine Hand auf die Klinke legen kann.

»Du musst mir zwei Monate Zeit geben.«

Die Tür geht mit einem Klicken auf.

»Dave? Dave!«

Anscheinend hat Dave aufgelegt.

Das Letzte, was ich höre, ist das Aufprallen des Handys und Hudsons Worte: »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«

Ich eile den Gang entlang. Es war ein One-Night-Stand. Was auch immer sein Problem ist, ich habe nichts damit zu tun.

4. Kapitel

Ich erwarte von meinen Sekretärinnen nicht, dass sie mir Kaffee kochen oder mir mein Mittagessen besorgen oder Geburtstagsgeschenke in meinem Namen, aber ich erwarte Pünktlichkeit und Sorgfalt. Sie sollen zu ihren Fehlern stehen und nicht alle fünf Minuten in Tränen ausbrechen. Wir sind alle nur Menschen, Fehler passieren, doch dies ist das zweite Mal, dass meine neueste Sekretärin (die bleiben alle nicht lange, weil der Druck zu hoch ist) Terminüberschneidungen zu verantworten hat. Und in dieser Woche saß sie noch nicht einmal vor neun an ihrem Schreibtisch – na schön, es ist erst Dienstag, aber hey, ich werde sie dafür tadeln und in der Personalabteilung antanzen lassen. Mal wieder.

Mitzie Wilson, die stellvertretende Leiterin dieser Abteilung bei Carter-Wright, versucht kummervoll und ernst dreinzuschauen. »Rebecca, so kannst du nicht weitermachen.«

»Womit denn?« Ich spitze den Mund.

»Leute anzuschreien.«

»Wie schwer kann es sein, einen Terminkalender vernünftig zu führen? Oder pünktlich hier zu sein? Ehrlich, das ist peinlich.«

»Da sind Arbeitsabläufe einzuhalten. Du musst ein Meeting anberaumen, um angemessenes Feedback zu geben, und dazu gehört konstruktive Kritik, die Stärken und Schwächen einschließt.«

Ich verschränke die Arme und sehe sie finster an. Wir hatten diese Unterhaltung schon.

»Im Augenblick ist sie eine wandelnde Katastrophe.«

»Rebecca«, sagt sie in warnendem Ton. »Du weißt, dass sie gerade eine Trennung nach einer langjährigen Beziehung mit ihrem Freund hinter sich hat. Sie hat ihn mit ihrer besten Freundin im Bett überrascht.«

»Ups, das ist nicht schön. Ich hatte ja keine Ahnung. Armes Mädchen.«

Mitzie beobachtet mich misstrauisch. »Du meine Güte, war das gerade echtes Mitgefühl bei dir?«

Ich zucke mit den Schultern und ignoriere die Frage. »Warum weiß ich das nicht?«

»Wahrscheinlich, weil sie wusste, dass sie von dir kein Mitgefühl erwarten kann.«

»So schlimm bin ich nun auch wieder nicht. Ich habe lediglich hohe Ansprüche.«

Sie seufzt dramatisch. »Schon klar, du hältst diese Generation für verwöhnt.« Sie macht eine Pause und setzt ihr Tollwütiges-Eichhörnchen-Gesicht auf. »Das tue ich auch, aber wenn du in diesem Fall wenigstens ein paar tröstende Worte finden und eine empathische Seite zeigen könntest … du weißt schon, Solidarität unter Frauen.« Ihr durchdringender Blick soll mir signalisieren, dass wir jetzt ernst reden, auf der Ebene der Führungskräfte, die wir sind.

»Ich werde ihr Schokolade kaufen«, verspreche ich.

Sie stutzt. »Wie bitte?«

»Was?«

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