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Cosima und das Phantom von London

hier erhältlich:

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Cosima löst jeden Fall!

London, 1900. Nach ihrem letzten erfolgreichen Coup hat Cosima endlich ihren verschollen geglaubten Vater wieder. Doch schon wartet das nächste Abenteuer: Das Spektakulum mit seinen vielen Attraktionen und Schaustellern ist in der Stadt. Als aus der Mitte des Jahrmarkts ein weltberühmtes Gemälde gestohlen wird, fällt der Verdacht auf Cos‘ Vater. Sie und ihre Freundinnen Diya, Mary und Pearl sind davon überzeugt, dass er zu Unrecht beschuldigt wird – und dass das Phantom, ein mysteriöser Meisterdieb, dahintersteckt. Cos darf ihren Vater nicht noch einmal verlieren, also begeben sich die Mädchen mit Cleverness, Mut und Witz auf gefährliche Verbrecherjagd.

Verbrecherjagd in London 1900: ein weiteres Abenteuer der genialen Mädchengang

Für Krimi-Fans ab 8 Jahren


  • Erscheinungstag: 25.03.2025
  • Aus der Serie: Cosima Unfortunate
  • Bandnummer: 2
  • Seitenanzahl: 272
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505152535

Leseprobe

Laura Noakes

Cosima und das Phantom von London

Aus dem britischen Englisch von
Jana Körner

Illustriert von Flavia Sorrentino

SCHNEIDERBUCH

Das hier ist für meinen Bruder Tom, meinen ersten und ewigen besten Freund, weil ich noch keinen Charakter geschrieben habe, der auf ihm basiert.
Ich hoffe, ein ganzes Buch, das dir gewidmet ist, macht dieses ungeheuerliche Versehen wieder gut!

DER LONDONER ANZEIGER

12. März 1900     Preis: 2 Pennys

WO SCHLÄGT DAS PHANTOM ALS NÄCHSTES ZU?
SORGE IN DER BEVÖLKERUNG WÄCHST

Während die Polizei nach dem gefürchteten Gauner sucht, rät sie der wohlhabenden Gesellschaft, alle Kostbarkeiten wegzuschließen und die Anwesen zu sichern. Das Phantom hat bereits in vielen Ländern zugeschlagen. Ihm sind etliche Diebstähle von Gegenständen öffentlicher Bedeutung gelungen, ohne dabei auch nur einen Hinweis zu hinterlassen – abgesehen von einer kleinen Karte mit seinem Namen. Letzten Frühling war es eine unbezahlbare Diamantkette aus dem Louvre in Paris, die einst Marie Antoinette gehörte. Im Sommer wurde eine Stradivari-Geige aus einem Privathaus in Berlin entwendet. Und Ende letzten Jahres hat der Langfinger während des Gladwell-Asher-Balls eine einzigartige Uhr gestohlen. Die Polizei scheint von dieser Angriffsserie überrumpelt und ist der Identität dieses Serienräubers noch keinen Schritt näher.

Der größte Jahrmarkt der Welt zum ersten Mal in London
KOMMEN SIE ZUM SPEKTAKULUM UND BESTAUNEN SIE DEN EINMALIGEN ILLUSARIO
Jetzt auf dem Earl’s Court, Süd-Kensington

Werden Sie ZEUGEN des Königs der Magie und seiner unvorstellbaren Illusionen.

Lassen Sie sich MITREIßEN von unseren rasanten Fahrgeschäften: Pferde-Karussell, Riesenrad und vieles mehr.

Tauchen Sie ein in die MAGIE von atemberaubender Akrobatik, gänsehautverdächtigen Séancen und den imposanten Heldentaten unseres Kraftprotzes, Gustavs des Starken.

Und bestaunen Sie ein
MEISTERWERK DER KUNSTGESCHICHTE,
das schon bald das wertvollste Gemälde der Welt sein wird:

DIE DAME IM BETT

EINTRITT: EIN SCHILLING & SECHS PENNYS

Täglich geöffnet von 11:30 Uhr bis 23:30 Uhr

Letzter Tag: 15. März

Nächster Halt: Prag

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Vorbereitungen für
DIE
Mitternachts-Maskerade
in vollem Gange

Die Modewelt ist in Ekstase, denn diesen Freitag, den 16. März, findet endlich die am sehnlichsten erwartete Veranstaltung des Jahres statt: die Mitternachts-Maskerade, exklusiv für geladene Gäste, organisiert von Sir Theodore Vincent. Um Punkt Mitternacht läutet dieser pompöse Kostümball das Ende des Spektakulum-Aufenthalts in London ein. An diesem Abend werden sich Englands vornehmste Bürgerinnen und Bürger auf dem Earl’s Court zusammenfinden und mit ihren Kostümen den Heldinnen und Helden aus Vergangenheit, Gegenwart und Fiktion den verdienten Tribut zollen. Alle Erlöse der Feier kommen den Armen der Stadt zugute.

WAS MACHT AGATHA DE LA DULCE JETZT?
DAS WELTENBUMMELNDE REPORTERFRÄULEIN KEHRT NACH ENGLAND ZURÜCK

Nachdem ihre rekordverdächtige Weltreise letzte Woche zu Ende ging, wurde die Rückkehr unseres hauseigenen Reporterfräuleins mit einem herzlichen Sektempfang gefeiert. Miss de la Dulce erlangte Bekanntheit durch die Entlarvung krimineller Machenschaften unter Aristokraten, die Aufdeckung ungerechter Bedingungen für Arbeiterinnen in Streichholzfabriken und ihren Einsatz für beklagenswerte Kinder. Auf die Frage, in welche Ermittlungen sie sich als Nächstes stürzt, gibt die rasende Reporterin sich zurückhaltend …

KAPITEL EINS

Cosima grinste in den sternenbehangenen Abendhimmel. Die Titelseite des Londoner Anzeigers hatte sie seit heute Morgen bestimmt schon tausendmal gelesen. Inzwischen zierte die Zeitung ein gewaltiger Marmeladenklecks (vom köstlichen Nachmittagstee), und die Druckerschwärze war an vielen Stellen zu düstergrauen Wirbeln verschmiert (da Cosima sie einfach nicht aus der Hand legen konnte). Als sie den Artikel jetzt erneut überflog, lief ihr trotzdem ein ehrfurchtsvoller Schauer über den Rücken.

Das Phantom. Der größte Dieb seit … na ja, seit Cosima und die anderen letztes Jahr den Palast der Schätze ausgeraubt hatten. Bloß hatte ihnen niemand einen so grandiosen Spitznamen verpasst, als die fünf Juwelen plötzlich aus der Empire-Ausstellung verschwunden waren. Cosima kräuselte die Stirn und überlegte, welcher Name dem Phantom wohl Konkurrenz machen könnte. Die Legendären Langfinger? Die Sagenhaften Stibitzer?

Sie seufzte. Diya hätte bestimmt einen tollen Einfall. Doch die fragte sie wohl besser nicht. Immerhin war die Tatsache, dass vier Mädchen mit Behinderungen und ein eigensinniger Zauberer-Schrägstrich-Taschendieb verantwortlich waren für eins der verblüffendsten kriminellen Rätsel des letzten Jahres, ein Geheimnis, das niemals jemand erfahren durfte.

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Wer auch immer das Phantom war – er legte es definitiv darauf an, bemerkt zu werden. Im Augenblick war er der berühmteste Dieb der Welt. Das löste bei Cosima ein seltsames Ziehen in der Brust aus – eine Mischung aus Bewunderung und Neid. Sofort musste sie an die vielen Zeitungsartikel denken, die im Heim zerknittert zwischen ihrem Bett und der Wand steckten – mit reißerischen Überschriften wie DIADEM MIT STERNDIAMANT NOCH IMMER VERSCHOLLEN oder KOLONIALMINISTERIUM SUCHT VERSCHWUNDENE JUWELEN.

Von diesem kleinen Geheimnis ahnten nicht mal ihre Freunde etwas. Für die war die Gaunerei von letztem Jahr nämlich eine einmalige Sache gewesen.

»Kann ich die Funzel jetzt wegtun, Cos?«, fragte Dolly. »Meine Hand tut schon ganz weh, und ich hab doch nur eine …«

Cosima nickte und murmelte eine Entschuldigung, während Dolly die Flackerfunzel wieder an den Griff von Diyas Rollstuhl hängte.

Ganz vorsichtig faltete Cosima den Anzeiger zusammen und schob ihn zurück in ihre Tasche.

In der Ferne erklang ein Donnergrollen. Der kühle Wind frischte auf, der Himmel verdunkelte sich, und ein Wirbel aus grauen und violetten Sturmwolken kündigte die Dämmerung an. Schnell zog Cosima ihren Regenmantel enger zu. Hoffentlich würde der Nieselregen bald aufhören.

Die große Gruppe in den bunten Uniformen vom Heim zum Sterndiamanten, die so gar nicht zu diesem schrecklichen Frühlingswetter passen wollten, stand schon eine ganze Weile in der Warteschlange. Langsam kam allerdings das Ende in Sicht und damit auch der Eingang zu einem Jahrmarkt. Cosima stützte sich auf ihren treuen Gehstock und beobachtete die unzähligen eleganten Damen und Herren mit Hut, die um sie herum ebenfalls warteten. Sie alle rümpften die Nasen und flüsterten leise, wenn sie das Grüppchen von Kindern mit Rollstühlen, Gehstöcken und Hörtrichtern entdeckten.

Doch heute Abend war Cosima viel zu aufgeregt, um sich darüber zu ärgern.

Hoch über ihrem Kopf ragte ein schillerndes Schild mit der Aufschrift

DAS SPEKTAKULUM

in der diesigen Dunkelheit auf. Hinter dem Schild leuchteten Hunderte goldene Lichter über etlichen Fahrgeschäften und Schaubuden. In Cosimas Ohren surrte es.

»Elektrizität ist wirklich wundervoll«, hauchte Diya.

Neben Cosima umklammerte Mary einen bebilderten Plan vom Gelände des Spektakulums, den man ihnen beim Einreihen in die Warteschlange ausgehändigt hatte. Mary liebte nichts mehr als einen perfekt ausgearbeiteten Plan. Sich für die verschiedensten Möglichkeiten zu wappnen, half ihr beim Durchstehen ihrer Panikbeben, einem Symptom, das Erwachsene gern ihrer sogenannten Hysterie zuschrieben. »Hier gibt es so viele Fahrgeschäfte!« Sie zog einen Stift aus der Tasche und fing an, sich auf der Karte Notizen zu machen. »Wenn wir alle Attraktionen sehen wollen, müssen wir unsere Zeit gut einteilen.«

Auf Cosimas anderer Seite malte Pearl sich gerade einen rot gestreiften Jahrmarktwaggon auf die Hand. Er passte bestens zu den schimmernden Fahrgeschäften, den flatternden Zeltbahnen und dem leuchtenden Riesenrad, die bereits ihren Unterarm zierten. Cosima wusste genau, wie vielschichtig Pearls Genialität war. Sie konnte zwar bestimmte Geräusche und Gerüche nur schwer ertragen und vermied direkten Augenkontakt, doch sie schuf auch die erstaunlichsten Kunstwerke, die Cosima je gesehen hatte. Und sie verließ das Heim niemals ohne einen Pinsel.

»Ich freue mich so auf das Gemälde«, murmelte sie nun verträumt und verpasste einem Akrobaten, der auf ihrem Handgelenk ein Rad schlug, den letzten Schliff. »Könnt ihr euch das vorstellen? Jemand wie wir, auf einem echten Gemälde?«

Vor zwei Wochen war Pearl in den Schlafsaal gestürmt, die Abendausgabe des Anzeigers fest an die Brust gepresst. Viel zu aufgeregt, um sich zu erklären, hatte sie nur die Titelseite hochgehalten:

SELTENES GEMÄLDE STEHT BALD ZUM VERKAUF

DAME IM BETT

BEGEISTERT DIE KUNSTWELT

Vincent & Söhne, Londons führende Kunsthändler, geben voller Freude bekannt, dass ihr neu erworbenes Gemälde von Ambrosius van Hackenboeck diesen Frühling bei einer Auktion angeboten wird. Für das Kunstwerk, das im Spektakulum ausgestellt ist, solange der Jahrmarkt in London residiert, wird ein astronomischer Verkaufserlös erwartet.

Van Hackenboeck ist einer der angesehensten niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts und bekannt für seine Porträts von Salondamen, Adeligen und Angehörigen des Königshauses. Die Dame im Bett, ein eindrucksvolles Porträt, zeigt eine magere Frau, ans Bett gebunden und auf Genesung hoffend. Wie bei da Vincis Mona Lisa ist auch die Identität dieser bemerkenswerten Porträtierten nicht bekannt.

Sir Theodore Vincent, Sohn des Firmengründers, hat als Schirmherr des Spektakulums dafür gesorgt, dass bei dieser Veranstaltung – neben dem ansonsten oberflächlicheren Unterhaltungsangebot – vor allem Kunst im Mittelpunkt steht. Denn es ist ihm schon immer ein Anliegen, auch den ungebildeten Massen Zugang zu wahrer Schönheit zu ermöglichen. Der Van Hackenboeck wird daher gemeinsam mit anderen prächtigen Kunstwerken in der eigens hierfür errichteten Gemäldegalerie zu bewundern sein.

Van Hackenboeck war zwar einer von Pearls Lieblingskünstlern, doch diesmal war der Grund für ihre Aufregung eher die Person auf dem Gemälde: eine Frau mit Behinderung. Seither hatte Pearl von nichts anderem mehr gesprochen und das gesamte Heim mit ihrer Vorfreude angesteckt.

»Uns steht ein unterhaltsamer und lehrreicher Abend bevor«, sagte Miss Gutmut jetzt und holte Cosima damit wieder in die Gegenwart zurück. »Die ideale Ablenkung von meinen Vorbereitungen für die Inspektion diese Woche.«

Miss Gutmut hatte erst vor Kurzem die Leitung des Heims zum Sterndiamanten übernommen, in dem Cosima und all ihre Freundinnen lebten. Davor hatten sie unter der mit Gin getränkten und knauserigen Fuchtel von Miss und Mr. Makel gestanden. Erst als Cosima und die anderen zusammen mit der unvergleichlichen Reporterin Agatha de la Dulce die Grausamkeit und das finanzielle Versagen der Geschwister aufgedeckt hatten, waren sie ins Gefängnis gewandert. Als die Makels schließlich weg waren, wollte die Aufsichtsbehörde für die Heimunterbringung Minderjähriger genauer untersuchen, in wessen Obhut die Kinder gut aufgehoben wären – zum ersten Mal in Cosimas Leben. Und zum ersten Mal machte Cosima sich keine Sorgen. Miss Gutmut war wie ein warmer Becher Kakao an einem trüben Tag. Ihre Verbesserungen im Heim waren unglaublich. Trotzdem hatte die Behörde ihr noch vor dem eigentlichen Kontrollbesuch einen ganzen Dokumentenstapel zum Ausfüllen zukommen lassen. Fast die gesamte letzte Woche hatte Miss Gutmut über ihrem Schreibtisch gebrütet, und die Ringe unter ihren Augen waren dunkel wie Gewitterwolken.

Cosima seufzte. »Ich wünschte, Aggie wäre mit uns hier. Sie würde es lieben.«

Die Augen der Heimleiterin funkelten verschmitzt, als sie Cosima sanft den Arm drückte. Miss Gutmut und Aggie waren beste Freundinnen, und wenn Aggie nicht gerade bis zum Hals in einer Ermittlung steckte, verbrachten die beiden jede freie Minute miteinander. »Bei ihr weiß man nie, vielleicht wartet sie ja schon hinter der nächsten Ecke.«

Das Spektakulum kam also genau zur richtigen Zeit: Die Weihnachtsdekoration war schon eine ganze Weile wieder auf dem Dachboden, und der triste März konnte ein bisschen Magie gut gebrauchen. An jedem Laternenpfahl und Schaufenster hingen Plakate, um den Jahrmarkt und seinen berühmten Illusionisten anzukündigen, den Einmaligen Illusario. Über Nacht waren unzählige rot-weiß gestreifte Zelte aufgetaucht, schon bald war aufgeregtes Flüstern in Kensington laut geworden, und inzwischen machten die Leute sogar eine Art Sport daraus, die neusten Attraktionen zu sichten, die zum Earl’s Court transportiert wurden.

Das hier war mehr als ein gewöhnlicher Jahrmarkt. Natürlich gab es Karussells, Walzerbahnen und Schaubuden, soweit das Auge reichte. Noch dazu gab es allerdings ein prachtvolles Theaterzelt, eine atemberaubende Achterbahn und die Gemäldegalerie, in der unbezahlbare Kunstwerke ausgestellt wurden, unter anderem die Dame im Bett. Und endlich durften die Mädchen aus dem Heim zum Sterndiamanten am Spaß teilhaben, anstatt eingesperrt im Schlafsaal zu hocken.

Diya war als außergewöhnliche Erfinderin und Ingenieurin natürlich ganz besonders aufgeregt, all die neuen Gerätschaften vom Spektakulum zu Gesicht zu bekommen. Cosima war sich fast sicher, dass Diyas Hirn selbst eine Art hochmoderne Maschine voller Zahnräder und Nieten war, angetrieben von ihrer geliebten Elektrizität. Bei ihrer neusten Idee zum Beispiel hatte sie sich von Pearl inspirieren lassen. Die liebte zwar Feuerwerk, hasste jedoch das laute, unvermittelte Knallen. Also hatte Diya sich mit Miles zusammengetan, um stilles Feuerwerk herzustellen. Allerdings schien das bisher nicht ganz nach Plan zu laufen, wenn man die unzähligen kleinen Brände bedachte, die die Erfinderin in den letzten paar Wochen schon hatte löschen müssen.

Jetzt drehte Diya ihren Rollstuhl, um die schicken mechanischen Tore zu bewundern, die am Jahrmarktseingang standen. Sie ließen immer nur eine einzelne Person hindurch, nachdem die Eintrittskarten in einem hell gestrichenen Häuschen vom Personal kontrolliert worden waren.

»Die nennt man Drehkreuze«, rief Diya aufgeregt, als die starren, waagerechten Metallarme surrten, um eine junge Dame mit Federhut hindurchzulassen. »Eine wirklich revolutionäre Erfindung.« Ihre Augen funkelten, das Gesicht leuchtete, und dann – ganz plötzlich – wurde sie aschfahl. Abrupt wirbelte sie herum.

»AAAAAAAAUA!«, kreischte Miles und umklammerte seinen Fuß. »Wofür war das denn?«

Cosima stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte zum Eingang. Der Blick des breitschultrigen Einlassers war auf Diyas Rollstuhl fixiert, auf seiner Stirn prangten tiefe Furchen. Cosima wusste wie jeder andere Mensch mit Behinderung auf Anhieb, was dieser Blick bedeutete.

Doch bevor sie Miss Gutmut auch nur am Ärmel zupfen konnte, hatte der Einlasser schon die Gruppe vor ihnen durch das Drehkreuz gescheucht und war aus seinem Häuschen herausgekommen. Jetzt stapfte er zielsicher auf die Heimleiterin zu und versperrte ihnen den Weg ins Spektakulum. »Ich fürchte, solchen Kindern können wir hier keinen Einlass gewähren«, polterte er und bedachte die Mädchen mit einem kalten Blick.

In der Schlange hinter ihnen wurde Kichern und Flüstern laut, das Cosima in den Ohren widerhallte.

Der Einlasser räusperte sich, als wäre er ein Schauspieler auf einer Bühne, und sprach so laut, dass seine Worte auf der ganzen Straße zu hören waren: »Geschöpfen wie diesen ist der Zugang zum Spektakulum verboten.«

KAPITEL ZWEI

Cosima zog sich der Magen zusammen. Offenbar sah dieser Mann in ihr und ihren Freundinnen eher Dinge als Menschen – und nutzlose noch dazu.

Miss Gutmut hielt mit zusammengezogenen Brauen einen Umschlag hoch. »Aber wir haben unsere Eintrittskarten mit der Post bekommen …«

Cosima kannte die Handschrift auf dem Umschlag nur zu gut. Ihretwegen waren sie hier. Ihr Vater Edmund hatte gerade eine Stelle als Schneider im Spektakulum ergattert und durfte jetzt die eleganten Kostüme für die täglichen Tanz-Darbietungen und anderen Aufführungen flicken und anpassen. Und irgendwie hatte er es geschafft, Cosima und ihren Freunden ein paar Eintrittskarten zu organisieren.

Der Mann schnaubte nur. »Das denke ich nicht, Miss. Die, die normal aussehen, dürfen rein, aber Ihre … auffallenderen Schützlinge sollten lieber Platz machen für unsere echten Gäste.«

Diese Anspielung verstand Cosima auf Anhieb. Die Behinderungen von manchen Heimmädchen – wie Mary und Pearl – waren im Prinzip unsichtbar, während die anderer – wie Diya mit ihrem Rollstuhl – auf den ersten Blick zu erkennen waren. Cosima bewegte sich irgendwo dazwischen: An manchen Tagen waren ihre Schmerzen so schwach, dass sie unbemerkt blieb, doch sobald sie den Gehstock oder Gelenkstützen brauchte, war ihre Behinderung nicht zu übersehen.

Miss Gutmuts Wangen liefen dunkelrot an. »Sie können uns den Einlass nicht grundlos verweigern. Das ist eine öffentliche Veranstaltung! Das nennt man … Benachteiligung.«

Die beiden diskutierten im Flüsterton, bis Miss Gutmut die Hand um den Umschlag zur Faust ballte, der vor ein paar Tagen in ihr Heim geflattert war. Dann schob sie die Kinder aus der Schlange. »Ihr Lieben, lasst mich dieses Missverständnis schnell klären. Wartet bitte hier, bis ich wieder da bin.« Damit folgte sie dem Einlasser durch eins der Drehkreuze auf den Jahrmarkt, wo sie ihre angespannte Diskussion fortsetzten.

»Ich wusste, das war eine grässliche Idee«, grummelte Diya. »So läuft es doch immer.«

»Ach, das stimmt doch gar nicht.« Auf Miles’ Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. »Wenn du mich fragst, war der Ausflug zum Zoo ein voller Erfolg. Und der Zirkus? Absolut großartig.« Er zwinkerte Cosima zu. Sie sah ihn bloß an und zog eine Augenbraue hoch.

Miles war noch nicht lange Teil ihres Lebens. Er hatte sich früher als anständiger Dieb und hervorragender Straßenzauberer durchs Leben geschlagen. Seit er beim Schatzpalastraub einen wichtigen Part übernommen hatte, waren er und Cosima dicke Freunde. Und als Miss Gutmut Heimleiterin geworden war, hatte sie ihn sofort als persönlichen Handwerkerlehrling eingestellt. Und seit sie vom Spektakulum erfahren hatten, übte Miles fieberhaft seine Tricks. Vermutlich hoffte er insgeheim, sein Idol, den weltberühmten Einmaligen Illusario, treffen und beeindrucken zu können.

Mary stieß ein entgeistertes Schnauben aus, das ziemlich genau klang wie ein pfeifender Wasserkessel. Cosima würde sich nicht wundern, wenn ihrer Freundin auch Dampf aus den Ohren stob. »Zu diesen Vorfällen habe ich die Berichte geschrieben, und meinen Erkenntnissen zufolge waren wir in beiden Fällen unschuldig. Das waren bloß unglückliche Ereignisse, bei denen wir zufällig anwesend waren. Ehrlich gesagt hätte der Clown sich eigentlich sogar bei Diya bedanken müssen, weil sie das Feuer so schnell gelöscht hat.«

»Es war wirklich die perfekte Gelegenheit, meinen Lebensretter-Löschschlauch zu testen«, gab Diya zu.

»Und der Orang-Utan, der im Zoo entkommen ist?«

Miles’ Frage hing schwer in der feuchten Abendluft. Mary verfiel auf der Suche nach einer Antwort in empörtes Stottern.

»Er war ganz schrecklich traurig«, schaltete Dolly sich energisch ein. Sie war eins der jüngeren Heimmädchen und vollkommen fasziniert von den Wundern der Natur. »Orang-Utans sind Wildtiere, die sollten nicht in Gehegen leben. Das hat Miss Gutmut uns in Erdkunde beigebracht. Außerdem …« Sie zuckte mit den Schultern. »… hat er richtig glücklich ausgesehen, als er durch den Regent’s Park gerannt ist.«

Das Geschnatter der Mädchen verwandelte sich in einen regelrechten Wirbelwind aus Rufen und Hüpfern, als alle ihren Senf zum Unfug ihrer früheren Ausflüge dazugeben wollten. Doch in Cosimas Kopf überschlugen sich die Gedanken, und sie konnte sich nicht auf die Mädchen konzentrieren.

Sie hatte sich genauso auf den Spektakulum-Besuch gefreut wie die anderen, vor allem weil sie so die Chance hatte, ihren Vater auch außerhalb der Besuchstage zu treffen. Miss Gutmut war zwar um einiges großzügiger als die Makels und ließ die Mädchen ihre Familien viel öfter sehen, doch für Cosima war es nie genug. Schließlich hatte sie zwölf Jahre verlorene Papazeit aufzuholen. Genau wie einige andere Heimmädchen träumte sie tief im Inneren davon, eines Tages mit ihrem Vater zusammenzuleben wie eine richtige Familie. Tatsächlich hatte er sie genau danach bei ihrer ersten Begegnung sogar fast als Erstes gefragt. Kurz vor Weihnachten war Edmund Deans in einem Tornado aus Umarmungen in Cosimas Leben gewirbelt, mit braunen Wuschelhaaren und Grübchen, die zu ihren eigenen passten – und mit der Aussicht auf ein Zuhause nur für sie beide, sobald er wieder auf eigenen Füßen stand.

Miss Gutmut hatte ihm geduldig erklärt, dass Cosima, wie alle anderen Heimmädchen auch, aufgrund ihrer Behinderung in den Augen der Behörden in einer Einrichtung aufwachsen musste. Darüber dachte Edmund lange nach, während Cosima das Herz fast aus der Brust sprang. Würde er zu dem Schluss kommen, dass das behinderte Mädchen, das er nicht selbst aufziehen konnte, es nicht wert war? Würde er jetzt genauso schnell wieder aus ihrem Leben verschwinden, wie er aufgetaucht war? Würde sie ihm bloß zur Last fallen?

Doch Edmund schien ihre Sorgen zu spüren, denn er lächelte sie aufmunternd an und öffnete ein Messingmedaillon, das er um den Hals trug. Darin befand sich eine winzige Blechfotografie, kaum größer als eine Fingerspitze. Sie keuchte auf: ein Bild, auf dem ihre Mutter Willamina Fitzroy in die Kamera lächelte, eine Augenbraue vorwitzig hochgezogen. Ihre Kleidung war skandalös (in Cosimas Augen eher umwerfend): eine voluminöse Knickerbocker-Hose und dazu die passende Jacke, in den kupferroten Haaren eine Sternspange.

»Du strahlst hell wie ein Stern, genau wie deine Mutter«, sagte Edmund sanft. »Der Name, den sie dir gegeben hat, passt perfekt.«

Cosimas Wangen wurden heiß. »Ihr habt ihn gar nicht zusammen ausgesucht?«

Edmund lächelte sie zerknirscht an. »Ich wusste nicht mal, dass Mina und ich ein Kind erwarten. Ich durfte sie nicht besuchen, weißt du, und als ihr Zustand sich verschlechtert hat, wurde es für sie auch immer schwieriger, sich rauszuschleichen. Als ich von ihrem Tod erfahren habe …« Seine Stimme brach, und er stockte. »Ich hatte zwar kein Geld, aber irgendwas wollte ich tun, um mich angemessen von ihr zu verabschieden. Also habe ich einen Blumenstrauß gestohlen, den ich auf ihr Grab legen wollte. Natürlich wurde ich erwischt. Seitdem war ich immer wieder im Gefängnis. Erst vor einem Jahr wurde ich endgültig entlassen.«

Cosima schluckte schwer. Also hatte Mina das alles allein durchgemacht. Sie hatte allein von der Schwangerschaft erfahren, hatte allein entbunden und war allein gestorben. Sie hatte Cosima der Gnade ihres Onkels, Lord Fitzroy, überlassen müssen, mit nichts als ihrem Namen und einem schlecht bestickten Taschentuch als Hinweis auf ihre Eltern.

Edmund ließ das Medaillon wieder zuschnappen und strich sich über die Stelle auf der Brust, an der es hing. »Ich hätte mir denken können, dass sie so einen außergewöhnlichen Namen wählt. Sie hat den Nachthimmel geliebt. Es gibt da diesen Spruch, den sie immer gesagt hat, wenn es schwierig wurde: ›Behalt die Füße fest auf dem Boden, aber vergiss nie den Blick zu den Sternen.‹«

Auf einmal schien in Cosimas Herz eine ganze Galaxie voller Sternbilder zu funkeln und jedes Fünkchen Dunkelheit zu vertreiben, das sie vorher erfüllt hatte. Noch im selben Augenblick machte sie den Spruch zu ihrem persönlichen Leitsatz. Ein goldener Faden, der sie und Mina durch die Zeit auf ewig miteinander verwob.

Unbewusst griff Cosima nach dem alten Taschentuch, das sie immer um den Hals trug. Inzwischen war es kaum noch mehr als ein Wirrwarr aus Stickgarn und Stofffetzen, aber trennen konnte sie sich davon trotzdem nicht.

Edmund zog die Brauen zusammen. »Was ist das?«

Cosima holte tief Luft. »Das hat meine Mutter für mich gemacht. Es war das Einzige, was ich bei mir hatte, als ich als Baby ins Heim gekommen bin. Ich glaube, es war ihr Taschentuch – ihre Initialen stehen in einer Ecke. Aber dann hat sie wahrscheinlich in Eile eine Karte in den Stoff gestickt, mit Hinweisen, die ich entschlüsseln sollte: ein Herz, Gitterstäbe von einer Gefängniszelle, ein Stern und ein X für den Zielpunkt.«

»Eine Schatzkarte«, hauchte Edmund.

»Genau, eine Schatzkarte, die mich zu ihr und dir geführt hat. Aber dann hat Fitzroy sie in die Hände bekommen«, murmelte Cosima frustriert und fuhr mit den Fingern durch das Fadenwirrwarr.

»Das kann ich reparieren«, meinte Edmund mit einem Lächeln. »Es wird zwar nicht so gut wie neu, aber wenn du willst, kann ich es wieder zusammenflicken. Mina war nie ein großes Sticktalent, aber ich mache das immerhin beruflich.«

Natürlich! Cosima erinnerte sich an die wunderschön bestickten Liebesnachrichten, die sie und Miles in Minas altem Schlafzimmer gefunden hatten. So hatten ihre Eltern sich schließlich kennengelernt: Mina war Mitglied einer Damengesellschaft für die Gefängnisreform gewesen und Edmund ein ehemaliger Häftling. Ein Schneiderlehrling, der ins Gefängnis musste, nachdem er Essen für seine Familie gestohlen hatte.

Wie um seine Fähigkeiten zu demonstrieren, schob Edmund die freie Hand in die Tasche seines abgenutzten Mantels und zog ein kleines sichelförmiges Messingkästchen heraus. Es war an vielen Stellen verbeult, die Oberfläche schon ganz stumpf, doch als Edmund es umdrehte, entfuhr Cosima ein Keuchen. Dort, eingraviert in den Boden, stand eine Nachricht:

Ein Grinsen schlich sich auf Cosimas Gesicht.

»Das ist Minas letztes Geschenk an mich«, wisperte Edmund sanft. Er drehte das Kästchen wieder um und öffnete es. Im Inneren befanden sich eine Reihe Nadeln, eine Schere, ein Fingerhut und Garnrollen.

»Ein Nähkästchen!« Die Worte sprudelten nur so aus Pearl heraus. Bei all der Aufregung über die Ankunft von Cosimas Vater hatte sie völlig vergessen, dass die Eingangshalle mit ihren Freundinnen und deren Familien beinahe überquoll. »Was für ein schönes Kästchen – es ist bestimmt ein Unikat.«

Cosima machte große Augen. Normalerweise brauchte Pearl viel Zeit, um sich neuen Menschen zu öffnen, doch dass Edmund – genau wie sie auch – kreativ arbeitete, schien seine Beliebtheit bei ihr auf Anhieb zu steigern.

Edmund lächelte wehmütig. »Bei unserem letzten Treffen habe ich Mina erzählt, dass ich davon träume, meine eigene Schneiderei zu eröffnen. Kurz darauf kam dieses Kästchen mit der Post. Als ich endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, habe ich genau das getan. Darum würde ich liebend gerne das Taschentuch für dich flicken, wenn du mich lässt, Cosima.«

Also hatte sie das Taschentuch von ihrem Hals gelöst und es Edmund gegeben.

Ein paar Wochen später hatte er es ihr zurückgebracht, liebevoll zusammengeflickt. Und jetzt arbeitete er hier, auf dem Spektakulum. Cosima platzte fast vor Stolz.

Miss Gutmuts frustriertes Schimpfen auf dem Spektakulum riss sie nun aus ihren Gedanken: »Das ist doch absurd. Wir haben das Recht, diese Veranstaltung zu besuchen, genau wie alle anderen auch.«

Auf einmal kochte Wut in Cosima hoch. Denn sie war zwar enttäuscht, aber leider nicht im Geringsten überrascht, dass sich nichts geändert hatte. Und das, obwohl sie Fitzroy und seinen heimtückischen Plan vereiteln konnten und endlich eine liebevolle, kluge Heimleiterin hatten, die sich offensichtlich wirklich um sie sorgte. Doch hier draußen, in der echten Welt, wurden Kinder mit Behinderungen immer noch anders behandelt.

Allerdings würde Cosima das nicht länger hinnehmen.

Sie verengte die Augen zu Schlitzen und sah hoch zu den hellen Lichtern und funkelnden Wundern des Spektakulums. Von der anderen Seite der Drehkreuze waberten das Surren der Fahrgeschäfte, das Dröhnen der Musik und der köstliche Duft von frisch gebackenem Kuchen zu ihr herüber. Mehr zu sich selbst murmelte sie: »Behalt die Füße fest auf dem Boden, aber vergiss nie den Blick zu den Sternen.«

Sie sah sich um. Die Grenze zwischen dem Spektakulum und dem Rest von London war nicht durch Zäune markiert, sondern durch eine Reihe von Jahrmarktwaggons. Sie alle waren in einem glänzenden Weinrot gestrichen und mit goldenen Sternen verziert. Auf der Rückseite aller Waggons stand in verschnörkelter Schönschrift DAS SPEKTAKULUM. Und versteckt vor den Augen aller gab es eine rollstuhlgroße Lücke zwischen zwei der Waggons, die ihnen am nächsten waren.

Aha! Cosima grinste und drehte sich wieder zu den anderen um.

»Nein!«, platzte Diya heraus, bevor Cosima auch nur den Mund aufmachen konnte.

»Ich hab doch noch gar nichts gesagt.«

»Aber deine Augen funkeln«, brummte Diya. »Und das bedeutet immer Chaos.«

Nur mit Mühe konnte Cosima sich ein Augenrollen verkneifen. »Wer von euch will aufs Spektakulum?«, fragte sie in die Gruppe.

Pearls Hand schoss in die Höhe. Genau wie die Hände fast aller anderen Mädchen auch.

»Warum sollten wir irgendwohin gehen, wo man uns nicht haben will?«, grummelte Dolly und kickte eine zerknüllte Spektakulum-Karte in eine Pfütze.

Cosima schluckte das gleiche Gefühl hinunter, das sicher auch Dolly empfand: das Gefühl von Ablehnung, das sie wieder und wieder aufs Neue erfuhren. Es schmerzte ihr in der Brust. »Um es ihnen heimzuzahlen«, antwortete sie trotzig. »Wir brechen ein, gucken uns die Attraktionen an, verdrücken uns wieder mit ein paar köstlichen Leckereien im Gepäck und machen uns auf den Heimweg. Wenn das Spektakulum uns ausschließen will, dann verdient es auch, das Geld zu verlieren, das wir ausgegeben hätten, wenn man uns behandelt hätte wie alle anderen.« Cosima hielt inne, ihr Herz hämmerte so stark wie schon sehr lange nicht mehr. »Also, wer will bei einem klassischen Ablenkungsmanöver helfen?« Sie streckte einen Finger hoch. »Wenn wir das durchziehen, gibt es Kuchen für alle, versprochen.«

Neunzehn Arme, Gehstöcke, Hörtrichter und andere Hilfsmittel schossen in die Höhe.

»Aber diesmal müssen wir wirklich Kuchen kriegen, Cos«, verlangte Dolly.

Eigentlich sogar zwei Stücke, gebärdete ein Mädchen namens Ida, weil wir beim letzten Mal keins bekommen haben.

Darauf reagierten die Mädchen mit Nicken und zustimmendem Gemurmel.

»Abgemacht.« Cosima wandte sich zu ihren Freunden um, die verschiedene Phasen von Enttäuschung, Panik und Kapitulation durchlebten.

»Mary, hierfür brauche ich dein Planungsgeschick. Ich weiß, das kommt jetzt ziemlich spontan, aber wenn du ein paar Einfälle hast, damit wir nicht erwischt werden, wäre das großartig.« Wie bei vielen der Heimmädchen hatte Cosimas Behinderung keinen offiziellen Namen. Sie hatte chronische Schmerzen, und ihre Gelenke sprangen häufig heraus, sodass sie oft einen Gehstock zur Unterstützung brauchte. Doch jetzt ignorierte sie die Schmerzen, die ihr durch die Knie schossen, und marschierte wie eine Feldherrin auf und ab. »Und wir müssen an einer der Essensbuden anhalten – für die Kuchenbeschaffung.«

Mary wischte sich Schweißperlen von der Stirn und fing sofort an, sich hektisch Notizen zu machen.

»Miles, wir stoßen bestimmt auf ein paar verschlossene Türen. Können wir auf dich zählen?«

Als Antwort drehte Miles sein Schlossknack-Werkzeug zwischen den Fingern.

»Pearly, deine einzige Aufgabe ist es, den Anblick vom Gemälde zu genießen.«

Das breite Grinsen, mit dem Pearl Cosima ansah, funkelte heller als jeder Stern am Nachthimmel.

Cosima holte tief Luft, bevor sie sich nervös zu Diya umwandte, die noch immer so unbeeindruckt dreinblickte wie vor dem Planungsstart. Den Mund hatte sie zu einer grimmigen Linie verzogen, die Augen zusammengekniffen und die Stirn wütend gerunzelt. »Diya, ohne dich und deine fabelhaften Erfindungen schaffen wir es nicht. Du bist der Dreh- und Angelpunkt unserer Gruppe.«

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