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California Beach - Am Strand der Träume

Als Buch hier erhältlich:

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Wenn es um die Liebe geht, hilft es immer, mit den besten Freundinnen zu sprechen!

Der Zufall hat die drei Frauen Bree, Mikki und Ashley zusammengeführt, als sie sich um dieselbe Ladenfläche in der Nähe des kalifornischen Strands bemüht haben. Nach einem gemeinsamen Getränk wurden sich die drei schnell einig – deshalb liegen jetzt Brees Buchhandlung, Ashleys Muffin-Café und Mikkis Geschenkladen in einem Gebäude nebeneinander. Und die Frauen verstehen sich so gut, dass sie jeden Freitag mit einem Glas Champagner am Strand ausklingen lassen. Dabei sprechen sie über alles, was sie bewegt – und über Männer. Ob die drei Freundinnen auch die Liebe finden?

»Ein Buch, das dazu einlädt, es am Strand zu lesen, wenn die Sonne den Sand wärmt und Salz in der Luft liegt: Eskapismus pur.«Kirkus Reviews


  • Erscheinungstag: 22.08.2023
  • Seitenanzahl: 448
  • ISBN/Artikelnummer: 9783365004180

Leseprobe

Für Dr. Angela I.,

die einen deutlich beeindruckenderen Lebenslauf

vorweisen kann als ich!

Ich hoffe, du findest Gefallen an Mikki, Ashley und Bree

und daran, wie sie mit dem Unerwarteten umgehen

und dabei erkennen, wie stark sie tatsächlich sind.

Manchmal ist Liebe wirklich die Antwort –

in all ihren Ausprägungen.

1. Kapitel

»Ich dachte, da käme mehr Sex vor.«

Bree Larton starrte die Mittsiebzigerin an, die vor ihr stand, und wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. Laut loszulachen wäre unangemessen, und das würde Ruth ihr auch übelnehmen. »Sie müssen mir sagen, was Sie möchten. Dann kann ich Ihnen das passende Buch empfehlen«, antwortete Bree daher lächelnd. »Sie hatten von einem Politthriller gesprochen. Die kommen in der Regel ohne Sex aus.«

Ruth – nur knapp eins fünfzig groß, aber streitlustig wie ein Dachs – schürzte die Lippen. »Falsch. James Bond hat dauernd Sex und rettet gleichzeitig die Welt. So ein Buch möchte ich. Tickende Bomben, Finanzkollaps, Entführungen – und am Ende landen alle im Bett.« Sie zwinkerte. »Das wäre mal ein gutes Buch.«

»Wie wär’s mit einem sexy Thriller? International?« Bree machte sich auf den Weg zur entsprechenden Regalreihe. »Da fallen mir gleich mehrere Optionen ein. Was das Thema Sex betrifft, soll es eher monogam sein oder sind wechselnde Partner erlaubt?«

Ruths Augen begannen zu leuchten. »Wechselnde Partner sind gut, aber nichts zu Ausgefallenes. Und kein Gruppensex. Da blicke ich sonst nicht durch.«

Bree unterdrückte ein Kichern. »Alles klar. Dann also weniger Körperteile und mehr europäisches Flair.« Sie hielt der älteren Dame ein Buch hin, auf dessen Cover ein gut gebauter Mann prangte. »Wenn Ihnen das gefällt, hätte ich noch fünf weitere Bücher von dieser Autorin für Sie.«

Ruth trug unnatürlich gelb-blond gefärbtes Haar und kirschroten Lippenstift. Sie drückte sich das Buch an die schmale Brust. »Nehm ich.«

Bree schlug ihr einige andere Autoren vor. Ruth stöberte daraufhin noch eine Weile im Laden und tauchte schließlich mit einem Stapel Bücher an der Kasse auf.

»Ich glaube, ich hätte mich als Sidekick für James Bond gut gemacht.« Ruth schob Bree ihre Kreditkarte rüber. »Früher sah ich echt scharf aus.«

»Tun Sie doch immer noch«, behauptete Bree.

Ruth wischte ihren Kommentar weg. »Fürs Agentenleben bin ich mittlerweile zu alt, aber ein schönes Abendessen mit einem charmanten Mann würde ich durchaus nicht ausschlagen.« Sie grinste verschmitzt. »Ich müsste einfach heimlich Ihr Leben leben.«

»Leider hab ich auch gerade keinen Mann.«

Die ältere Dame beugte sich zu ihr. »Was ich an Ihnen bewundere, Bree, ist die Tatsache, dass Sie nicht krampfhaft nach der Liebe suchen. Sie machen, was Sie wollen. Als ich in Ihrem Alter war, hatten wir keine Wahl, zumindest nicht in der besseren Gesellschaft. Ich wurde einfach zur falschen Zeit geboren.«

Bree wusste beim besten Willen nicht, was sie darauf antworten sollte. »Wir müssen wohl beide mit dem auskommen, was wir haben.« Sie steckte einen Flyer mit in die Tüte. »Demnächst haben wir Harding Burton für eine Signierstunde hier.«

Ruth betrachtete das Poster, das neben dem Kassenbereich hing, und grinste. »Ein gut aussehender Mann.«

Bree zuckte im Geist die Achseln. »Scheint so.«

»Finden Sie ihn nicht auch außergewöhnlich attraktiv? Diese Augen, dieses Lächeln … Wie war das noch mal? Hatte er nicht als Teenager einen Unfall, bei dem er angefahren und dann einfach auf der Straße liegen gelassen wurde?« Ruth schnalzte mit der Zunge. »Sehr tragisch. Aber er hat es überstanden und sich wieder hochgekämpft, und jetzt sieh sich einer diesen Mann an.« Sie warf Bree einen Blick zu. »Sie sollten ihn sich schnappen und mir hinterher erzählen, wie’s war.«

»Erstens würde ich Ihnen das nie erzählen und zweitens date ich keine Autoren.«

Dank ihres verstorbenen Mannes und ihrer Eltern wusste Bree sehr genau, dass man von dieser Spezies dringend die Finger lassen sollte. Zumindest, was den persönlichen Kontakt anging. Beruflich waren Autoren für sie natürlich unausweichlich – immerhin führte sie eine Buchhandlung.

»Bei diesem Harding könnten Sie ja vielleicht eine Ausnahme machen«, meinte Ruth. »Vielleicht hat er ein paar interessante Narben, die Sie mit dem Finger …«

Bree machte ihr ein Zeichen, damit aufzuhören. »Schluss jetzt. Wenn Sie Interesse an Hardings Narben haben, schlage ich vor, Sie erforschen sie selbst. Ihnen kann er bestimmt nicht widerstehen.«

»Ich könnte seine Mutter sein.«

Großmutter, korrigierte Bree stumm. Irgendwie hatte sie die alte Frau mit ihrer unverblümten Art gern. »Vielleicht steht er ja auf reifere Frauen«, erwiderte sie.

»Das wär ja was.«

Ruth lachte noch, als Bree sie zur Tür begleitete. Anson, Ruths Fahrer, stand mit dem Wagen in der Halteverbotszone. Er half Ruth beim Einsteigen, und kurz darauf fuhr der Mercedes davon.

Am Strand von Los Angeles war es am frühen Abend eigentlich immer magisch schön. Im Juni jedoch, wenn der Himmel ganz klar war, war es einfach nur traumhaft. Das Licht, die warme Luft, die Palmen, der Sand und das Meer … Bree fand, in ihrem Leben gab es nichts, was man ernsthaft als Problem bezeichnen konnte. Selbst Ruths unmögliche Buchwünsche gerieten in Vergessenheit, wenn sie vor ihrem Laden stand und aufs Wasser blickte.

Bis vor sechs Monaten hatte sich ihre Buchhandlung Driftaway Books noch drei Kilometer weiter nördlich und drei Blocks vom Strand entfernt befunden, doch als im letzten Herbst dieses Ladengeschäft frei geworden war, hatte sie kurzerhand einen Blick hineingeworfen und sich erlaubt zu träumen. Aber natürlich war diese Lage teuer, und die Verkaufsfläche war zweimal so groß wie die, die sie benötigte.

Dann hatte sich einer dieser seltenen Momente eingestellt, in denen das Schicksal seine Hand im Spiel hat. Denn just am selben Tag sahen sich auch zwei andere Geschäftsfrauen die Räumlichkeiten an. Alle waren sich einig, dass die Location unschlagbar war, so nah am Strand. Aber keine von ihnen konnte sich die Miete leisten.

Aus einem Impuls heraus hatte Bree vorgeschlagen, einen Kaffee trinken zu gehen, und dann überlegten sie eine Stunde lang, ob sie die Kosten nicht gemeinsam aufbringen könnten und das Geschäft zusammen mieten sollten. Normalerweise war Bree niemand, die Fremden leichtfertig vertraute, aber bei Mikki und Ashley hatte sie instinktiv ein gutes Gefühl gehabt.

Noch in derselben Woche unterzeichneten die Inhaberinnen von Driftaway Books, The Gift Shop und Muffins to the Max einen Zehnjahresmietvertrag und engagierten ein Unternehmen für die Renovierung und Umgestaltung der Räumlichkeiten. Bree benannte Driftaway Books in The Boardwalk Bookshop um. Die Namensänderung war längst fällig gewesen, weil sie inzwischen die alleinige Inhaberin der Buchhandlung war. Am ersten Montag nach den Ferien zogen sie alle drei mit ihren Geschäften ein.

Bree betrachtete das lang gezogene, niedrige Gebäude. Die großen Schaufenster wurden von blau-weiß gestreiften Markisen vor der Sonne geschützt, und die Glasschiebetüren ließen sich komplett öffnen, sodass die Grenze zwischen Strand und Geschäft fließend war. Der Buchladen und der Geschenkeshop beanspruchten eine Seite des Verkaufsraums, während Ashleys Muffinladen die gegenüberliegende Seite einnahm.

In den großen Schaufensterauslagen präsentierten sie gemeinsam Bücher, Geschenke und Muffins. Urlaubslektüre lag neben einer Auswahl von Sonnenmilch, Flip-Flops und breitkrempigen Sonnenhüten, die Touristen zum Kauf verführen sollten.

Bald würde die Sonne untergehen. Bree ging wieder hinein, holte Decken und Champagnergläser und hängte rasch noch ein Plakat gerade, auf dem die Signierstunde von Jairus Sternberg angekündigt war, dem Autor der beliebten Kinderbuchreihe »Der kleine Drache Brad«. Jairus lebte nebenan in Mischief Bay. Seine Signierstunden waren immer eine Freude. Er war einer der wenigen Autoren, die Bree tatsächlich mochte. Er kam pünktlich, meist mit etwas Vorlauf, blieb lange und brauchte für seine Lesungen nichts außer einem Schreibtisch und einer Flasche Wasser. Er brachte sogar seine eigenen Stifte mit.

Am anderen Ende des Spektrums gab es den – nicht namentlich zu erwähnenden – berühmten Mystery-Autor, der ein absoluter Albtraum war. Immer fordernd, immer leicht angetrunken und übergriffig. Bei seiner letzten Lesung hatte er sie plump an den Hintern gefasst, seitdem hatte er Hausverbot. Trotz allen Flehens seines Verlags und einer schriftlichen Entschuldigung des Autors blieb Bree hart. Sie war jetzt die Besitzerin des Boardwalk Bookshop, und sie machte die Regeln.

Keine literarischen Werke, kein Existenzialistengeschwafel und keine Typen, die Frauen ohne deren Einverständnis anfassten. Das waren sie, ihre Regeln für die kleine Welt ihres Buchladens. Nicht weltbewegend, aber immerhin.

Mikki sah zu ihr rüber und lächelte.

»Wir müssen mal wieder auf Ashley warten. Ist dir das auch schon aufgefallen?«

»Diese jungen Leute von heute«, stichelte Bree.

Mikki war jemand, die immer gute Laune hatte. Sie hatte dichtes blondes Haar und üppigere Kurven als Bree und Ashley zusammen. Nun lachte sie. »Das gefällt mir. Ich bin nur zehn Jahre älter als Ashley. Wenn sie also zu den jungen Leuten gehört, bin ich gar nicht so alt, wie ich dachte. Dann macht es mir fast gar nichts aus, dass ich im Herbst vierzig werde.«

»Das macht es doch wohl hoffentlich sowieso nicht, oder?«

Mikki rümpfte die Nase. »Ich weiß nicht. Manchmal schon. Vierzig klingt halt längst nicht so cool wie Mitte dreißig.«

»Vierzig ist das neue fünfundzwanzig.«

Mikki musste lachen. »Wenn ich fünfundzwanzig bin, ist Ashley gerade mal fünfzehn. Das dürfte problematisch für unseren Mietvertrag sein.« Sie winkte mit einer Champagnerflasche. »Komm, das Ding hier begehrt unsere volle Aufmerksamkeit. Wenn Ashley irgendwann damit fertig ist, Seth Liebesnachrichten zu schicken, weiß sie ja, wo sie uns findet.«

Sie verließen das Geschäft und stapften durch den Sand. Kurz vor Sonnenuntergang war es nicht mehr ganz so warm, und die Freitagsmassen hatten den Strand verlassen. Es wurde langsam dunkel, nur in der Ferne am Horizont glühte noch ein Streifen Blau mit einem Hauch von Gelb.

Links von ihnen befanden sich eine Palmengruppe, ein paar Strandbuden und die Uferpromenade, die bis nach Redondo Beach führte. Zur Rechten gab es weitere Geschäfte und Restaurants, Sitzbänke, Parkplätze und Hotels. Und davor erstreckte sich der Pazifik. Endlos, blau und heute Abend unerwartet still.

Etwa zehn Meter vom Ufer entfernt setzten sie sich auf die Decke. Mikki hielt die Champagnerflasche hoch.

»Perrier-Jouët Blason Rosé«, sagte sie stolz. »Von ›Ladies Know Wine‹ mit 93 Punkten bewertet. Ich zitiere: köstliche Noten von erdiger Süße, die die Fruchtaromen von Erdbeere und Pfirsich mit einem Hauch von Gewürzen in diesem rundum ausgewogenen Rosé-Champagner ergänzen.«

Bree grinste. »Ich weiß gar nicht, was mich mehr beeindruckt – dass du keinen traditionellen Champagner ausgesucht hast oder dass du die Bewertung so perfekt zitieren kannst.«

»Ich liebe ›Ladies Know Wine‹. Ich hebe alle Hefte auf. Wenn das ein Mann wäre, würde ich dafür sorgen, dass er sich in mich verliebt und wir wilden, hemmungslosen Sex haben.«

»Earl wäre am Boden zerstört.«

Mikki entfernte die violette Folie und steckte sie in ihre Hosentasche. »Er würde drüber wegkommen.« Wieder hob sie die Flasche. »Sieh dir diese Form an. Superschön, oder? Und erst das Etikett. Vor den Grafikern kann man sich nur verbeugen.«

Sie legte die linke Hand auf den Korken und hielt mit der rechten den Flaschenboden. Statt den Korken herauszuziehen, wie man es oft in Filmen sah, drehte sie geschickt ein paarmal die Flasche, und schon hatte sie den Korken in der Hand. Es machte kaum ein Geräusch.

An einem Freitagabend im letzten Herbst hatten sie zu dritt ihren gemeinsamen Mietvertrag unterschrieben. Aufgeregt waren sie danach zur neuen Location gefahren. Es war ein sonniger warmer Tag gewesen, und es versprach, ein traumhaft schöner Sonnenuntergang zu werden. Bree hatte zufällig eine Flasche Champagner im Auto und schlug vor, auf ihr neues, gemeinsames Projekt anzustoßen. Am Freitag darauf wiederholten sie das, und inzwischen war eine Tradition daraus geworden.

Als Bree zum ersten Mal eine Flasche Schampus mit ihren neuen Geschäftspartnerinnen geköpft hatte, war die sprudelnde Flüssigkeit ihr entgegengeschossen. Das völlig entgeisterte Gesicht, das Mikki gemacht hatte, war zum Schießen gewesen.

»Hey! Wenn die ganze Kohlensäure flöten geht, ändert sich das Wesen des Champagners und ruiniert das Geschmackserlebnis«, protestierte sie damals.

»Ruinieren finde ich ein bisschen zu heftig«, widersprach Ashley. »Es bleibt ja ein hochwertiger Champagner. Und um Längen besser als der, den ich sonst trinke. Wobei man sagen muss, dass ich Champagner überwiegend auf Hochzeiten zu mir nehme, wo er gleich in Mengen für zweihundert Personen gekauft wird. Der Preis spielt eben doch eine Rolle.«

»Deswegen muss man das Getränk ja auch mit Ehrfurcht behandeln«, hatte Mikki gesagt. »Schlechten Champagner sollte man nicht trinken.«

Und von da an brachten sie reihum an jedem Freitag für ihr Sonnenuntergangstreffen eine neue Champagnermarke mit. Ashley sprach sich meistens mit Mikki ab, aber Bree nutzte die Gelegenheit, selbst auf die Suche zu gehen.

Mikki schenkte ihnen je ein Glas ein und stellte die Flasche dann so geschickt in den Sand, dass sie sicheren Halt hatte.

»Auf uns«, sagte sie und berührte Brees Glas mit ihrem. »Und auf perfekte Sonnenuntergänge.«

Bree lächelte und nahm einen Schluck. Sie schloss die Augen und ließ die prickelnde Flüssigkeit einen Moment auf der Zunge wirken, bevor sie schluckte. Gleich würde Mikki sie fragen, wie sie den Champagner fand, und mit einem schlichten »gut« gab sie sich nie zufrieden.

»Ausgezeichnet«, sagte Bree deshalb. »Sehr beerig mit einem Hauch von Zitrus. Überraschend sanft am Gaumen.«

Mikki warf ihr einen anerkennenden Blick zu. »Das schmecke ich auch. Äußerst trinkbar. Ich mag ihn.«

»Neeeeeein! Ihr habt ohne mich angefangen!«, ertönte ein Schrei hinter ihnen.

Sie drehten sich nicht um. Bree hielt nur stumm das dritte Glas hoch, das Mikki sofort füllte. Ashley, eine große schlanke Rothaarige mit großen blauen Augen und vollen Lippen, ließ sich neben Mikki fallen. Sie zog eine Schnute.

»Ihr habt nicht auf mich gewartet.« Sie schmollte. »Das war anders ausgemacht.«

»Es war auch ausgemacht, dass du pünktlich kommst«, erinnerte Mikki sie. »Jeden Freitag dasselbe – du chattest mit Seth, und dann kommst du zu spät. Du warst einverstanden damit, dass wir ohne dich anfangen, wenn du nicht rechtzeitig hier bist.«

Ashley zog den Kopf ein. »Ich hatte gehofft, diese Regelung würde mich bekehren. Aber jetzt hab ich einfach wieder nur ein schlechtes Gewissen.«

Mikki schlürfte ihren Champagner. »Ich wette, dein chronisches Zuspätkommen hat deine Mutter zu verantworten.«

Ashley lachte. »Meine Mutter kann es jedenfalls jederzeit mit deiner aufnehmen.«

Mikki grinste. »Ich weiß nicht. Rita ist der Typ, der sein geringes Selbstwertgefühl mit auf jede Party schleppt und dann jedem auf die Nase bindet, wie sehr es sie deprimiert, dass alle anderen Spaß haben.«

»Ja, das kann ich mir gut vorstellen«, pflichtete Ashley ihr bei. »Dann trinke ich auf unsere Mütter. Und auf Seth, der wirklich wunderbar ist. Ich bereue nicht, dass ich noch ein bisschen länger mit ihm gechattet habe. Er liebt mich, und ich liebe ihn.«

Bree verkniff sich ein Stöhnen. »Ja, wir wissen’s. Alles ist ganz, ganz wunderbar mit Seth.«

Mikki rempelte Ashley an. »Merkst du was? Sie ist eifersüchtig.«

»Nein, überhaupt nicht.« Bree erhob ihr Glas. »Ich gönne dir deine gluckenhafte Beziehung wirklich.«

»Wir glucken nicht. Was soll das eigentlich heißen?«

»Keine Ahnung«, meinte Mikki. »Bree?«

»Das sagt man doch so.«

»Seit wann?«

Bree lachte und wandte den Blick der untergehenden Sonne zu. Das Licht wurde vom Wasser reflektiert. Eine Familie spazierte am Strand entlang, nahe den Wellen. Der ältere Junge rannte vorneweg, das kleinere Kind hatten die Eltern an der Hand.

Sie sehen glücklich aus, dachte Bree und beobachtete die Familie, als wären sie eine bisher unbekannte Art. Man sah, dass die Eltern ihre Kinder liebten und sich gut um sie kümmerten – so wie Mikki sich gut um ihre beiden Kinder kümmerte. Auch Ashleys Eltern waren super. Das war etwas, was man leider nicht von allen Eltern sagen konnte.

Mikki füllte die Gläser noch einmal. »Ashley, so viele Kunden reden von der Signierstunde deines Bruders. Wann werden wir ihn denn endlich kennenlernen?«

»Am Montag«, antwortete Ashley. »Er zieht gerade in seine neue Wohnung.«

Harding war Ashleys Bruder. Nach einer mehrmonatigen Lesetour und einer Recherchereise für sein neues Buch war er inzwischen nach Los Angeles zurückgekehrt. Er hatte ein Haus gemietet und mutmaßlich schon mit seinem dritten Roman begonnen. Aber er fand noch Zeit, um im Boardwalk Bookshop sein aktuelles Werk zu signieren. Zweifellos würden die Leute ihnen die Bude einrennen.

Autoren, dachte Bree und seufzte stumm. Eine lästige, jedoch notwendige Spezies. Nur weil die Kunden Autogrammstunden liebten, lud sie immer wieder Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein.

»Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen«, sagte Mikki. »Er hat wirklich eine superinteressante Geschichte. Bree, bist du nicht auch schon aufgeregt?«

»Ich finde keine Worte dafür, wie sehr.«

Mikki sah sie an. »Das war jetzt sarkastisch gemeint, oder?«

Bree lachte. »Gut erkannt.«

»Wie kann man einen Buchladen führen, Bücher lieben und Schriftsteller hassen?«

»Ich hasse sie nicht. Ich will sie nur nicht um mich haben.«

»Du bist so schräg.« Mikki wandte sich an Ashley. »Hilf mir doch mal. Sag ihr, wie schräg sie ist.«

Anstatt in den Chor mit einzustimmen, wandte Ashley den Blick ab. »Lasst uns lieber mal über Harding reden. Oder besser gesagt, über ihn und dich.«

Bree setzte sich so hin, dass sie Ashley ansehen konnte. »Ich kenne ihn ja gar nicht.« Es sollte also kein Problem geben. Es sei denn … »Er braucht doch hoffentlich keine Spezialbehandlung, oder?«, fragte sie seufzend. »Nur gelbe M&Ms oder französische Ziegenmilch in Kristallgläsern von Waterford?«

»Quatsch«, sagte Ashley. Sie klang besorgt. »Harding ist super, und ich weiß, dass du ihn mögen wirst.« Sie umklammerte ihr Glas. »Aber ich hab ein bisschen Angst vor dem, was passieren wird.«

Bree sah Mikki an, die die Achseln zuckte.

»Ich hab keine Ahnung, wovon sie redet«, gestand Mikki.

»Ich auch nicht.« Was Ashley da sagte, ergab keinen Sinn.

Ashley atmete vernehmlich aus. »Ich habe Angst, dass du ihm wehtun wirst.«

»Mit meinen legendären Kampfsportkünsten?«

Mikki hob erstaunt die Augenbrauen. »Kannst du Taekwondo, oder was?«

Plötzlich sprang Ashley auf. »Ich meine es ernst. Harding ist mein Bruder, und ich liebe ihn. Er hat schon genug durchgemacht. Wenn ihr ihn nach dem Unfall gesehen hättet, würdet ihr euch auch Sorgen um ihn machen.«

Bree erhob sich ebenfalls. »Ashley, es tut mir leid. Wir wollten uns nicht über ihn lustig machen. Ich habe den Eindruck, dass du sehr aufgewühlt bist, aber ganz ehrlich – ich weiß überhaupt nicht, wieso.«

»Weil du ihm das Herz brechen wirst.« Ashley blinzelte, als müsste sie Tränen zurückhalten. »Weil du wunderschön und lustig und sexy bist und jeder Mann auf diesem Planeten dich will.«

»Bis auf Seth natürlich«, warf Mikki ein. »Der hat nur Augen für dich.«

»Ja, schon klar. Aber jeder andere Kerl will sie, und für Harding wird es ein böses Erwachen geben. Du wirst mit ihm ins Bett gehen und ihn danach fallen lassen. Das wird er nicht verkraften. Nach außen wirkt er immer so stark, doch in Wirklichkeit ist er sehr verletzlich.« Sie schluckte. »Du bist meine Freundin, und ich mag dich wirklich, aber er ist mein Bruder. Also bitte tu ihm nicht weh.«

Bree starrte sie fassungslos an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Oder denken oder fühlen. Das mit dem sexy und wunderschön hatte ihr geschmeichelt, aber wie kam Ashley auf die Idee, dass sie mit Harding im Bett landen würde? Nur um ihn danach fallen zu lassen? Als wäre sie ein männerkonsumierendes Monster, das eine Schneise der Zerstörung hinterließ.

Sie wollte protestieren, Ashley sagen, dass ihre Beziehungen ihre Angelegenheit seien, dass sie von Anfang an ihre Erwartungen klar machte, wenn sie sich mit einem Mann einließ. Wenn die Männer ihr nicht glaubten, war das doch nicht ihre Schuld. Sie versprach ihnen nie mehr, als sie zu geben bereit war. Beziehungen hatten ein eindeutiges Ablaufdatum, und wenn ein Mann damit nicht umgehen konnte, fing sie gar nicht erst was mit ihm an.

Das war jedoch nicht der Punkt. Ashley ging es explizit um ihren Bruder. Nur komisch, dass sich nie jemand Gedanken um ihre Gefühle zu machen schien. Aber das kannte sie im Prinzip nicht anders. Sie war von klein auf auf sich gestellt gewesen und musste sich selbst schützen, denn es gab niemanden sonst, der das tat.

»Wenn du mich ein bisschen besser kennen würdest, wüsstest du, dass ich niemandem absichtlich wehtue«, sagte sie leise.

Ashley wich einen Schritt zurück. »Ich wollte dich nicht kränken. Es ist halt wegen Harding. Er ist so normal. Und du … bist du.«

»Nicht jeder Mann, mit dem ich ins Bett gehe, verliebt sich in mich«, erklärte Bree.

»Aber die meisten.« Ashley deutete mit dem Kopf in Richtung des Surfshops am Ende des Blocks. »Du hast im Januar zweimal mit Sad Guy geschlafen, und er jammert dir immer noch hinterher. Das ist erbärmlich.«

»Und sehr traurig«, fügte Mikki leise hinzu. »Armer Sad Guy.«

Bree warf ihr einen mahnenden Blick zu, aber Mikki zwinkerte nur. Also wandte sie sich wieder an Ashley.

»Es tut mir leid, dass du dir meinetwegen Sorgen um deinen Bruder machst«, sagte sie. »Ich will dir nicht das Leben schwer machen, und ganz sicher will ich deinem Bruder nicht wehtun. Ich verspreche dir, dass ich mich von ihm fernhalten werde. In Ordnung?«

Ashley schüttelte den Kopf. »Ich will gar nicht, dass du mir etwas versprichst. Es ist sowieso nicht realistisch, dass du das Versprechen hältst. Er wird dir vermutlich öfter über den Weg laufen – jetzt, wo er wieder in Los Angeles wohnt. Wir beide sind Geschäftspartnerinnen, und wenn er …« Sie seufzte. »Brich ihm einfach nicht das Herz.«

»Mach ich nicht. Wie käme ich auch dazu?«

Mikki stand auf. »Wäre es zur Abwechslung nicht mal lustig, wenn er ihres bräche?« Sie lachte. »Ich weiß, das wird nie passieren, aber ulkig wäre es schon.«

»Weniger ulkig, als du denkst«, sagte Bree.

»Für dich vermutlich nicht, stimmt. Okay, war’s das jetzt? Wie wär’s dann mit einer Gruppenumarmung?«

Mikki streckte die Arme aus. Ashley machte sofort mit, aber Bree zögerte. Sie umarmte von Natur aus nicht gerne. Mikki war eine große Umarmerin, und damit musste Bree erst mal klarkommen. Sie holte tief Luft, bevor sie sich überwand.

So standen sie für ein paar Sekunden in ihrer Umarmung, dann ließen sie sich auf die Decke fallen. Ashley erhob das Glas.

»Das ist echt ein gutes Tröpfchen. Seth und ich sind morgen wieder auf einer Hochzeit. Sein Cousin heiratet.« Ohne dass das Glas überschwappte, ließ sie sich auf den Rücken gleiten. »Bis zum ersten Mai sind wir in jedem Monat auf mindestens drei Hochzeiten.«

»Das ist so in eurem Alter«, meinte Mikki. »Dann werden Jahre vergehen, ohne dass ihr zu irgendeiner Hochzeit eingeladen werdet. Und dann geht es irgendwann in die nächste Runde, wenn die eigenen Kinder und deren Freunde heiraten.«

»So habe ich das noch gar nicht gesehen«, gestand Bree. »Aber es stimmt, Hochzeiten haben vor allem in einer bestimmten Lebensphase Hochsaison.«

Bree war schon seit langer Zeit auf keiner Hochzeit mehr gewesen. Nicht, dass sie das vermissen würde. Sie glaubte ohnehin nicht an die Schwüre von ewiger Liebe und Treue. Nicht mehr. Obwohl ihre Eltern immer noch so verliebt zu sein schienen wie am ersten Tag – damals, als sie zusammen ausgerissen waren. Aber ihre eigene Ehe hatte sämtliche Illusionen zerstört, die sie sich von der Liebe gemacht hatte.

»Ich bin morgen nur vormittags im Geschäft«, verkündete Mikki und überprüfte, wie viel noch in der Flasche war. »Danach bin ich den ganzen Tag unterwegs, um Besorgungen zu machen. Am Donnerstagnachmittag geben Perry und ich ein Barbecue, zu dem ihr ja bekanntlich eingeladen seid. Ein Grillfest für die Kinder und ihre Freunde zum Schulabschluss und zum Start der Sommerferien.«

Ashley setzte sich auf. »Du und Perry? Ich dachte, ihr seid geschieden?«

»Ja, aber wir haben gemeinsame Kinder, und deswegen gibt es kein Entkommen. Außerdem hassen wir uns ja nicht, nur weil wir geschieden sind. Wir hatten einfach nur unterschiedliche Vorstellungen vom Leben.«

Bree hielt Mikki ihr Glas hin, damit sie ihr noch mal einschenkte. »Weiß Perry eigentlich von Earl?«

Mikki lachte. »Nein. Darüber würde ich nie mit einem Mann reden. So was geht maximal die besten Freundinnen was an. Bei denen man sicher ist, dass sie einen nicht verurteilen.«

Ashley lächelte. »Mittlerweile habe ich mich an die Geschichten von Earl gewöhnt, aber als ich erfahren habe, dass es sich bei ihm um einen Vibrator handelt, war ich schon ganz schön schockiert.«

»Ich fand es vollkommen okay«, sagte Bree. Jedem das Seine. Sie zog einen echten Mann vor, aber Mikki war eben nicht der Typ für eine schnelle Nummer. Bree hatte durchaus Verständnis dafür, dass man als Frau einen Earl brauchte.

»Probier doch selbst erst mal einen Earl aus, bevor du dir eine Meinung bildest«, sagte Mikki leicht von oben herab. »Mit ihm führe ich meine bisher sexuell befriedigendste Beziehung. Verlässlich, selbstlos. Und er kriegt nie genug.«

»Ich hab lieber einen Seth«, murmelte Ashley.

Bree nickte. »Ich ziehe auch einen echten Penis einem mechanischen vor, aber das sage ich ganz ohne Wertung.«

»Vielen Dank«, erwiderte Mikki. »Earl und ich sind glücklich zusammen, und das ist es, was zählt.«

Ashley lachte verkrampft. »Okay, ich gebe mich geschlagen.« Auch sie hielt jetzt ihr Glas hin. »Auf Earl. Mögen seine Batterien niemals leer werden.«

2. Kapitel

»Oh, oh. Du verziehst das Gesicht. So schlecht?«

Ashley Burton bemühte sich, nicht zu lachen. »Ich will ja nicht überkritisch sein«, flüsterte sie Seth zu. »Ich weiß, dass sie nicht viel Kohle haben, aber vermutlich hat Mikki einen ungeahnten Einfluss auf meinen Geschmack.« Sie probierte ein weiteres Schlückchen vom Schaumwein und versuchte, angesichts der süßen Plörre nicht das Gesicht zu verziehen. »Ja. Sehr schlecht.«

»Wir müssen ja nur damit anstoßen.«

»Zum Glück.«

Noch vor ein paar Monaten hätte Ashley einen guten Sekt nicht von einem minderwertigen unterscheiden können, aber seit sie sich mit Bree und Mikki zusammengetan hatte, hatte sie sozusagen einen Crashkurs in Sachen Sekt- und Champagner-Bewertungskriterien durchlaufen.

Den anderen Gästen waren ihre geschmacklichen Befindlichkeiten ziemlich egal, wie sie lächelnd feststellte. Sie freuten sich einfach, dass ihre Freunde heirateten, und genossen das gute Essen und die nette Gesellschaft. In ihrem Fall war das natürlich Seth. Es gab Männer, die sich weigerten, auf Hochzeiten mitzukommen, Seth dagegen feierte immer gerne mit.

Das heutige Fest fand in Redondo Beach statt, in einem großen Anwesen gleich am Pacific Coast Highway. Keine Aussicht aufs Meer, aber das Grundstück war wunderschön und sehr weitläufig. Der DJ war auch gut, das Buffet sah vielversprechend aus, und Ashley wollte mit Seth unbedingt die Nacht durchtanzen.

Ihre Freunde Krissy und Karl gesellten sich zu ihnen. Karl warf einen Blick auf die Feiernden und zog eine Grimasse.

»Ich hab die Nase voll von Hochzeiten«, brummte er. »Das ist jetzt schon die dritte Hochzeit, zu der wir eingeladen sind, und es ist erst Juni. Und so geht das den ganzen Sommer über weiter – jedes zweite Wochenende heiratet jemand.«

»Ich liebe Hochzeiten«, sagte Krissy. »Und du liebst mich.«

»Und nur deshalb bin ich hier«, ergänzte Karl augenrollend. »Es wäre doch zur Abwechslung mal ganz schön, wenn ihr Frauen auf Baseball genauso abfahren würdet wie auf Hochzeitsfeiern.«

Seth legte einen Arm um Ashley. »Hochzeiten sind einfach eine sichtbare Demonstration der Liebe, die Braut und Bräutigam füreinander empfinden.«

Karl lachte. »Und die nächste Demonstration erfolgt dann heute Nacht.«

Krissy versetzte ihm einen Stoß. »Karl, benimm dich. Wir sind hier nicht unter uns.«

»Sonst gefällt es dir, wenn ich so was sage.«

Seth schüttelte den Kopf. »Okay. Ich gehe jetzt mit meiner wunderschönen Freundin zu unserem Tisch, um dort mit ihr anzugeben.«

»Karl hat schlechte Laune«, stellte Ashley fest, als sie außer Hörweite waren. »Er kann Hochzeiten anscheinend wirklich nicht ausstehen. Und was ist mit dir? Reicht’s dir auch schon?«

Seth schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn ich bei dir sein kann.«

Sie grinste. »Das war die politisch korrekte Antwort.«

Er küsste sie rasch. »Hey, du bist meine Freundin. Ich möchte dich glücklich machen.«

»Das gelingt dir.«

Sie sahen einander an, und in seinen Augen las sie, dass er es ernst meinte. Doch da rempelte jemand sie an, und der Moment war vorüber. Trotzdem strahlte Ashley vor Glück, als sie sich auf den Weg zu ihrem Tisch machten.

Seth war ein toller Mann, und vor allem fiel es ihm nicht schwer, ihr zu sagen, wie viel sie ihm bedeutete. Sie wohnten jetzt seit drei Monaten zusammen, und ihre Beziehung wurde immer intensiver. Bald, dachte sie, wird er mir auch einen Antrag machen, und dann würden sie in die nächste Phase ihres Lebens eintreten.

Sie fanden ihre Plätze und stellten sich ihren Tischnachbarn vor. Nach ein bisschen Small Talk wandte sich Seth ihr zu.

»Du hast auf dem Schirm, dass ich Montag und Dienstag nicht in der Stadt bin, oder?«, fragte er, griff nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren.

»Ja, du hast mir doch deine Flug- und Hotelinfos geschickt. Sogar zweimal.«

»Ich möchte halt, dass du weißt, wo ich bin.«

Sie tätschelte beruhigend seinen Arm. »Schätzchen, ich hab schon vor Monaten einen GPS-Tracker in deinen Arm implantiert. Ich weiß immer, wo du bist.«

Er lachte. »Ach so. Hab ich gar nichts von mitbekommen.«

»Du hast geschlafen.«

»Dann viel Spaß. Ich habe nichts zu verbergen.«

Vermutlich stimmt das sogar, dachte sie. Seth arbeitete für eine große Filmproduktionsfirma, Too Many Names Productions. Er war Produktionsleiter und somit für die Budgetierung der verschiedenen Filmprojekte verantwortlich. Er erklärte seinen Job immer damit, dass er derjenige war, der den Regisseuren erklären musste, dass sie keine drei Löwen und einen Gorilla für eine Dreißig-Sekunden-Szene haben konnten, selbst wenn es »cool aussehen würde«. Das bedeutete mitunter auch, dass er vor Ort am Set sein musste, um die Arbeitsabläufe zu organisieren und die Produktion finanziell zu überwachen. Normalerweise machten das die Leute aus seinem Team, aber bei Filmen mit großem Budget übernahm er diese Aufgabe lieber selbst.

»Und das ist auch wirklich okay für dich?«, hakte er nach.

»Ja. Harding zieht am Montag in sein neues Haus, und ich werde ihm beim Einzug zur Seite stehen. Und am Dienstag hab ich meinen Ehrenamtsjob bei OAR. Alles gut also.«

»Wirst du mich vermissen?«

Sie lächelte ihn an. »Mit jedem Atemzug.« Sie beugte sich zu ihm. »Sollen wir später zu Hause auch ein bisschen üben, was es mit dieser sichtbaren Demonstration der Liebe auf sich hat?«

Er lachte und zog sie an sich. »Das hoffe ich doch.«

Mikki Bartholomew war bereit zuzugeben, dass der neue Haarschnitt vielleicht ein Fehler gewesen war. Ihr Termin am Tag zuvor, bei dem sie sich wie üblich eigentlich nur Strähnchen machen und die Haare schneiden lassen wollte, war ein bisschen aus dem Ruder gelaufen – weil sie den berühmten Satz, wir können ja mal was Neues ausprobieren, ausgesprochen hatte. Ein Satz, den die meisten Menschen hinterher bereuen.

Neunzig Minuten später war sie immer noch blond, doch ihre Haare waren nicht mal mehr schulterlang. Sie redete sich ein, dass der Kurzhaarschnitt sie jünger und verwegener aussehen ließ, aber wirklich überzeugt war sie nicht.

»Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass eine Veränderung in meinem derzeitigen Gemütszustand keine gute Idee ist«, murmelte sie und pikste in die Kartoffeln, die vor ihr auf dem Herd blubberten. Ihren Kindern propagierte sie stets, von kopflosen Aktionen abzusehen. Vor allem, wenn es um Dinge ging, die nicht leicht rückgängig gemacht werden konnten. Okay – natürlich würden ihre Haare wieder wachsen, aber bis es so weit war, wurde sie von ihrem Spiegelbild permanent daran erinnert, dass sie ihre eigene Regel gebrochen hatte.

Sie warf einen Blick auf die Uhr der Mikrowelle. Eine Minute durften die Kartoffeln noch garen. Den Speck hatte sie schon ausgelassen. Ihr herzhafter Kartoffelsalat war zwar nicht besonders gesund, aber er schmeckte und war ein Lieblingsessen der ganzen Familie. Nun bereitete sie die Burger vor. Die Veggie-Variante konnte man direkt auf den Grill legen, das war praktisch.

Sobald die Kartoffeln im Kühlschrank standen, wollte sie sich an den Maissalat machen und kurz vor Eintreffen der ersten Gäste den grünen Salat anrichten. Das Hühnchen musste auch noch mariniert werden, aber das war ruckzuck erledigt. Perry brachte Bier und Limonade mit, Eiswürfel hatte sie vorrätig, und Ashley brachte Cupcakes als Dessert mit. Außerdem war in der Tiefkühltruhe in der Garage Eiscreme.

»Das sollte alles sein«, murmelte sie, schnappte sich zwei Topflappen und goss das Kochwasser ab.

Für die Grillparty am Nachmittag rechnete sie mit ungefähr dreißig Gästen. Ihre Schwiegereltern, ihre Mutter, ihre beiden Kinder plus Freunde, Perry natürlich sowie Bree, Ashley und Seth. Eine kleine Party zum Sommeranfang.

Die abgegossenen Kartoffeln füllte sie in eine Schüssel und verteilte das ausgelassene Fett darüber, rührte um, bis alle Kartoffeln bedeckt waren, und stellte die Schüssel in den Kühlschrank in der Garage. Als sie zurückkam, saß Sydney, ihre Älteste, mit einer Tasse in der Hand in der Küche.

Mikki lächelte sie an. »Hey. Es ist noch nicht mal neun. Wieso bist du denn schon so früh auf?«

Ihre Tochter lachte. »Sehr lustig. Ich wollte eigentlich noch früher aufstehen, um dir zu helfen.« Sie unterdrückte ein Gähnen. »Lass mich nur erst meinen Kaffee trinken, dann bin ich bereit für sämtliche Aufgaben, die du mir zuteilst.«

Sydney war achtzehn und die klügste Person, die Mikki kannte. Sie hatte gerade ihre ersten zwei Semester an der Stanford University hinter sich. Sie hatte die Highschool ein Jahr früher abgeschlossen als üblich – obwohl Mikki sie angefleht hatte, das Jahr noch abzuwarten, damit sie sich nicht um Homecoming und den Abschlussball brachte. Aber Sydney legte nicht viel Wert auf diese Art von Traditionen. Sie hatte einen Plan für ihr Leben, und den wollte sie so schnell wie möglich in die Tat umsetzen.

Sydney hielt einen Platzkartenhalter aus Keramik hoch. »Echt jetzt, Mom?«, fragte sie und drehte das Ding so, dass Mikki die Aufschrift lesen konnte.

Enthält Speck. Nicht vegetarisch.

»Ich will nur für Klarheit sorgen«, sagte Mikki. »Mindestens zwei deiner Freundinnen sind Vegetarierinnen.«

»Die können Salat essen. Außerdem hast du extra für sie Veggie-Burger besorgt.«

»Ja, die beiden sollen nicht nur Salat bekommen. Unterstütz sie doch lieber.«

»Dafür hab ich ja dich. Die Welt ist voller Fleischfresser.«

»Wenn schon, dann sind wir Allesfresser. Ich hätte gedacht, an einer Uni wie Stanford lernt man so was. Ich will mein Geld zurück.«

»Zu spät.« Sydney lachte. »Ist alles für Bücher und Kaffee draufgegangen.«

Mikki deutete zur Treppe. »Und jetzt ab unter die Dusche und fertig machen. Nach dem Frühstücken kannst du mir dann helfen, aber es eilt nicht. Ich hab alles unter Kontrolle.«

»Wie immer.« Sydney stand auf und streckte sich. »Bin gleich wieder da.«

Mikki sah ihr hinterher und war einen Moment lang neidisch auf die schmalen Hüften und die Wespentaille ihrer Tochter. Sie war dem Fluch der Familie offensichtlich entgangen und hatte weder mit großen Brüsten noch mit Gewichtsproblemen zu kämpfen. Auch ihr Sohn Will hatte den schlanken Wuchs und die breiten Schultern seines Vaters geerbt. Bei ihr dagegen fühlten die Pfunde sich wohl. Ich werde mir heute nur eine winzige Portion Kartoffelsalat gönnen, dachte sie, als sie rüber in ihr Arbeitszimmer ging.

Sie musste warten, bis ihr Laptop hochgefahren war. Dann checkte sie ihre Mails – und wünschte sich im selben Moment, sie hätte es gelassen. Gleich die dritte Nachricht erinnerte sie daran, dass die Zahlung für ihre Paris-Reise Ende September anstand.

Mikki verzog das Gesicht, klickte auf die Mail und las, welche großartigen Erlebnisse und Sehenswürdigkeiten sie dort erwarteten.

»Oh Mann. Wie kam ich nur darauf, dass diese Reise eine gute Idee wäre?«

Diese Frage hätte sie sich besser mal gestellt, bevor sie die Reise gebucht und die erste Anzahlung geleistet hatte. Nicht, dass sie nicht nach Paris wollte. Sie wollte sogar sehr gerne nach Paris. Nur eben nicht alleine.

Zwei Jahre zuvor war sie in London gewesen und hatte dabei festgestellt, dass ihr das Alleinreisen keinen Spaß machte. Natürlich wäre sie gern eine dieser mutigen, selbstverwirklichten Frauen, die selbstbewusst in jedem x-beliebigen fremden Land in ein Restaurant marschierten und ohne Probleme um einen Platz für nur eine Person baten. Aber das lag ihr nicht. Sie hatte sich einsam gefühlt und die Tage bis zur Abreise gezählt. Dazu kam großes Selbstmitleid, weil sie es allein anscheinend nicht hinkriegte.

Diesmal hatte sie zumindest bei einem Reiseveranstalter gebucht, der sich auf allein reisende Frauen spezialisiert hatte. Sie und weitere neunzehn einsame Herzen würden gemeinsam die Schönheiten von Paris entdecken.

Nie hätte sie gedacht, dass sie eine dieser Frauen werden würde, als sie sich vor drei Jahren von Perry scheiden ließ. Sie wollte mehr. Vor allem aber wollte sie nicht länger nebeneinanderher leben, und Perry ertrug es nicht, dass sie ihn nervte, endlich etwas mit ihr zu unternehmen. Sie wollte reisen und neue Hobbys ausprobieren und sich persönlich weiterentwickeln, wohingegen er lieber mit seinen Kumpels an alten Autos rumschrauben und Sport gucken wollte.

Sein Desinteresse und seine Eigenbrötlerei waren jedoch nicht der einzige Scheidungsgrund gewesen. Sie selbst hatte sich zu sehr auf die Kinder und auf ihr neues Geschäft konzentriert, war zu ungeduldig mit ihm gewesen und hatte nicht zugehört. Die Schuld traf sie beide. Nur war Mikki davon ausgegangen – offensichtlich zu Unrecht –, dass sie sich drei Jahre später mit ihrem neuen Leben arrangiert haben würde.

»Ich will nicht allein nach Paris«, flüsterte sie. »Und auch nicht mit diesen Frauen.« Bestimmt würde sie sich mit einigen von ihnen anfreunden, trotzdem fühlte sich diese ganze Reise irgendwie falsch an. Es war einfach nicht das, was sie wollte.

Genau dieselbe Unentschlossenheit hatte zu ihrer verunglückten Frisur geführt.

Mikki klickte auf den Link mit den Stornierungsbedingungen und las sich das Kleingedruckte durch. Wenn sie innerhalb der kommenden zwei Tage die Reise absagte, erhielt sie neunzig Prozent der Anzahlung zurück. Das hieß, sie würde nur fünfzig Dollar verlieren.

Sie markierte alle Mails als ungelesen, klappte den Laptop zu und ging wieder in die Küche. Keine impulsiven Entscheidungen mehr, sagte sie sich. Sie sollte noch mal darüber nachdenken, ob sie tatsächlich nach Paris fahren wollte und ob es genügend Gründe gab, um die Reise anzutreten. Wenn nicht, würde sie stornieren. Es ging ihr nicht um die fünfzig Dollar. Das eigentliche Problem bestand darin, dass sie herausfinden musste, was mit ihr los war. Sonst beging sie am Ende eine größere Dummheit als einen Haarschnitt.

Gegen elf fand Mikki, die Gäste könnten langsam eintrudeln. Ihr Sohn Will war kurz vor zehn in der Küche aufgetaucht und hatte dann fleißig Teller, Gläser und Besteck verteilt und die beiden Sonnenschirme neben den Klapptischen aufgebaut.

»Gibt’s sonst noch was zu tun, Mom?«, fragte er im Türrahmen lehnend, als wäre er nicht in der Lage, sein Gewicht eigenständig zu halten.

Er war jetzt sechzehn und groß und schlaksig, im Grunde bestand er nur aus Armen und Beinen. Und er verdrückte Essensmengen, von denen eine vierköpfige Familie satt geworden wäre. Seine Vorstellung von »Zimmer aufräumen« war, alles unter dem Bett verschwinden zu lassen. Trotzdem war er ein guter Junge. Er gab sich Mühe in der Schule, war freundlich und rücksichtsvoll – was seine Freunde nicht wissen durften – und immer bereit, mit anzupacken.

Mikki lächelte ihn an und sah seinen hoffnungsvollen Blick. »Was steht denn an?«

»Dad hat gesagt, wir könnten uns nach neuen Reifen für mein Auto umsehen. Du weißt schon, zum Geburtstag. Und bevor er gleich kommt, würde ich mich gern ein bisschen im Internet schlaumachen.«

»Dein Auto hat doch bereits vier Räder. Wieso brauchst du noch mehr?« Es war lustig gemeint, Wills Miene verriet ihr jedoch, dass ihr Gag nicht ankam.

»Och Mom, du weißt genau, was ich meine.«

Natürlich wusste sie das. Reifen waren nicht dasselbe wie Räder. Es machte trotzdem Spaß, Will mit ihrer vermeintlichen Trotteligkeit zu nerven. »Bitte. Wenn du meinst. Aber als ich das letzte Mal mit deinem Vater gesprochen habe, meinte er, er wollte dir zum Geburtstag einen Pulli schenken.«

»Mir schenkt garantiert niemand einen Pulli.« Will kam zu ihr rüber und nahm sie in den Arm.

Obwohl er noch mitten in der Wachstumsphase war, überragte ihr Sohn sie schon um Längen. Sein Dad war nur eins fünfundsiebzig groß. Will musste die Gene eines früheren Ahnen mitbekommen haben.

»Dann guck dir mal Räder an«, sagte sie, als er die Umarmung löste. »Aber komm runter, wenn die anderen ankommen.« Sie lächelte. »Oder ich schicke deine Großmütter nach oben, damit sie dir helfen, dein Zimmer aufzuräumen.«

»Das würdest du niemals tun.«

»Vielleicht kann ich dich noch überraschen.«

»Mütter sind immer auf der Seite ihrer Kinder. Ist so.«

Und damit verschwand er. Mikki lächelte und widmete sich wieder ihrer Küche.

Zwanzig Minuten später hörte sie die Haustür.

»Ich bin’s«, verkündete ihr Ex-Mann, der mit Tüten bepackt in die Küche kam. »Ich hab noch eine zweite Ladung im Wagen«, kündigte er an, stellte alles auf der Arbeitsplatte ab und verschwand wieder.

»Dir auch einen guten Tag«, rief Mikki ihm kopfschüttelnd hinterher. Dann füllte sie Eis in die große Isolierschüssel, die immer bei ihren Partys zum Einsatz kam. Sie hatten sie vor ein paar Jahren angeschafft, und Perry hatte extra einen fahrbaren Untersatz gebaut, damit man das Teil leichter bewegen konnte.

Sie schichtete das Eis und die Getränke darin auf, als Perry mit weiteren Tüten zurückkam.

»Du rechnest ja mit dreißig Leuten, hast du gesagt«, erkundigte er sich.

»Vermutlich.«

»Gut. Dann sollte das reichen. Falls Bier übrig bleibt, nehme ich das wieder mit, und die Kids können die Limo behalten.«

Er wusste, dass Mikki sich nichts aus Limonade machte. Wenn sie zunehmen wollte, dann lieber mit einem schönen Glas Chardonnay und einem köstlichen Stück Brie.

Perry reichte ihr die Getränke an, bis die Schüssel voll war, den Rest packte er in den Kühlschrank. Er hatte lange genug hier gewohnt, um mit allem vertraut zu sein.

Sie hatten das Haus damals gekauft, als sie mit Sydney schwanger gewesen war. Nach der Scheidung hatte Mikki das Haus behalten und Perry ausbezahlt. Kurz darauf hatten seine Eltern beschlossen, sich zu verkleinern, und so war er in deren Haus gezogen, das nur drei Blocks entfernt war. Jetzt teilten sie und Perry sich die Kinder im Wochenrhythmus, daher war diese Lösung perfekt. Will hatte dort das alte Kinderzimmer seines Vaters übernommen, und Mikki hatte geholfen, das ehemalige Nähzimmer ihrer Schwiegermutter für Sydney herzurichten.

Darauf, dass ihre Ehe nicht funktioniert hatte, war Mikki weniger stolz. Aber sie fand, sie konnte stolz darauf sein, wie Perry und sie die Scheidung gehändelt hatten. Sie waren nach wie vor Freunde, kümmerten sich gemeinsam um die Kinder, und es war ihnen auch gelungen, dass die Familien sich nicht verkracht hatten. Perrys Vater sprach von ihr immer noch als von seiner Tochter. Feiertage und Geburtstage feierte man nach wie vor zusammen. Am Weihnachtsmorgen trafen sich traditionell alle bei ihr zur Bescherung. Sie waren das, was man eine moderne Familie nannte, und glücklich dabei.

»Brauchst du noch Hilfe?«, fragte Perry.

Mikki lachte. »Nein, alles gut. Du kannst dich später um den Grill kümmern.«

»Ich kann mehr als nur das.«

Das stimmte. Perry kochte seit drei Jahren selbst. Anfangs hatte Lorraine, seine Mutter, ihm wohl noch unter die Arme gegriffen, doch nach ein paar Monaten kam er dann alleine klar.

Mikki betrachtete ihren Ex-Mann. Er war ein eher schlaksiger Typ, mit dichtem blonden Haar und braunen Augen. Sicher war er nicht der hübscheste Vertreter seiner Art, aber er war solide und verlässlich. Und sein Lächeln war umwerfend, früher war ihr davon schwindelig geworden.

Sie hörte einen Wagen in der Einfahrt. Perry ging zur Haustür und kam mit Lorraine und seinem Vater Chet zurück und mit Rita, ihrer Mutter.

Mikki setzte ein breites Lächeln auf und rief: »Hallo zusammen! Ist das nicht ein schöner Tag für ein Barbecue?«

Ihr Schwiegervater nahm sie fest in den Arm und küsste sie auf die Wange, aber ihre Mutter starrte sie nur mit offenem Mund an.

»Was ist denn mit deinen Haaren passiert, um Gottes willen?«

Mikki unterdrückte ein Seufzen. »Ich war beim Friseur. Die perfekte Sommerfrisur.«

»Sieht ja scheußlich aus. Was hast du dir nur dabei gedacht?«

Lorraine tätschelte Ritas Arm. »Sag das nicht. Veränderung ist immer gut.« Sie lächelte warmherzig. »Wenn es dir gefällt, gefällt es mir auch.«

Etwas diplomatischer als ihre eigene Mutter, aber trotzdem nicht die Reaktion, die Mikki sich erhofft hatte.

»Ich finde es gut«, sagte Perry und zwinkerte ihr zu. »Dieselbe Frisur hattest du, als wir uns kennengelernt haben.«

»Bis gerade ist dir meine neue Frisur doch gar nicht aufgefallen.«

»Na klar!«

Und wieso hatte er dann nichts gesagt? Na, egal. Im selben Moment kamen Sydney und Will die Treppe heruntergestürmt.

»Grammy, Grandma, Grandpa!«, rief Sydney.

Alle fielen sich in die Arme und küssten sich, als hätte man sich monatelang nicht gesehen. Dass man sich in der vergangenen Woche gleich mehrfach getroffen hatte, war egal. Mikki fand es schön, dass alle sich so gernhatten.

Jetzt war die Familie vollzählig, und sie begannen damit, Essen und Getränke zu verteilen. Will lenkte mit seinem Vater den Getränkekarren nach draußen, während Lorraine und Rita sich um die Salate kümmerten. Chet feuerte die beiden Grills an und rief, dass er den großen Spatel bräuchte. Mikki war in Habachtstellung, aber eigentlich wusste jeder, was er zu tun hatte, und sie war nun überflüssig. Die Burgerpatties waren gerade aus dem Kühlschrank geholt worden, da trafen die ersten Gäste ein.

Schon bald herrschte ein wildes Durcheinander an Begrüßungen und Sich-auf-den-neuesten-Stand-Bringen. Wills und Sydneys Freundinnen und Freunde trudelten nach und nach ein, die meisten waren Pärchen. Viele von ihnen schafften es kaum, die Finger voneinander zu lassen, um die anderen zu begrüßen, und dann verschwanden sie alle in den Garten.

Sydney hatte sich immer mehr für die Schule und für ihre Freundinnen interessiert als für Jungs, und Will hatte bisher ebenfalls keine feste Beziehung. Aber sicher dauerte es nicht mehr lange, bis er seiner ersten großen Liebe begegnen würde – das war ja klar.

Perry war nicht ihre erste große Liebe gewesen, doch er war der Erste, mit dem sie sich eine gemeinsame Zukunft hatte vorstellen können. Was wäre es schön, so etwas noch mal zu erleben, dachte sie wehmütig. Der Nervenkitzel des ersten Dates, der erste Kuss, der erste Orgasmus, das erste Mal »ich liebe dich«. Das mit dem Orgasmus bekam Earl spielend hin. Aber an sonstigen Fähigkeiten mangelte es. Liebeserklärungen und Kuscheln nach dem Sex waren von ihm eher nicht zu erwarten.

Ashley und Seth trafen ein. Beide trugen Konditoreikartons, die mit sommerlich bunten Cupcakes gefüllt waren.

»Du warst beim Friseur«, sagte Ashley zur Begrüßung. »Ganz schön kurz.« Ihre Freundin begutachtete sie. »Gefällt mir.«

»Danke für die charmante Lüge, aber ich weiß selbst, dass die Frisur eine Katastrophe ist. Sag nur bitte meiner Mutter nicht, dass ich das gesagt habe. Sie würde sich an meinem Bedauern laben.«

»Ich finde es toll«, sagte Seth und küsste sie auf die Wange. »Sieht flott aus.«

»Das wollte ich hören.« Mikki grinste.

Sie führte die beiden in den Garten. Die Musik war laut genug, um die Nachbarn zu erzürnen, aber Mikki wusste, dass niemand sich beschweren würde. Sie hatten in ihrem Viertel eine ungeschriebene Party-Regel: vorher Bescheid sagen und nicht länger machen als einundzwanzig Uhr. Deswegen hatte sie vor zwei Tagen eine Mail an alle Nachbarn geschickt und versprochen, dass um neunzehn Uhr Schluss sein würde. Während sich Ashley und Seth unter die Leute mischten, richtete Mikki die Cupcakes auf einer Kuchenplatte an.

»Ich schätze, es wird jede Menge übrig bleiben«, meinte Perry, der ihr dabei half, die Küchlein aus den Kartons zu nehmen.

»Von Ashleys Cupcakes? Sehr unwahrscheinlich. Will und seine Kumpel wissen, dass sie jeder erst mal nur einen nehmen dürfen. Erst wenn Schluss ist, dürfen sie sich auf die Reste stürzen. Ich wette mit dir, dass nachher kein Krümelchen mehr übrig ist. Wenn du dir ein paar mitnehmen willst, schlage ich vor, du packst dir jetzt besser schon mal welche weg und bringst sie in der Küche in Sicherheit.«

»Gute Idee.« Er schnappte sich die leeren Kartons. »Heute keine Weinprobe?«

Mikki veranstaltete oft Blindverkostungen, wenn sie eine Party gab. Die verschiedenen Weine wurden in braunen Papiertüten auf den Tisch gestellt, und alle mussten raten, aus welchem Land der jeweilige Wein kam und wie teuer er war. Noch nie hatte jemand richtig geraten, auch sie selbst nicht, aber es war eine lustige Methode, um mehr über Wein zu erfahren und neue Lieblingssorten kennenzulernen.

»Zu viele Teenager«, antwortete sie. »Ich will sie nicht auf den Geschmack bringen.«

»Ist auch besser so«, sagte ihre Mutter, die gerade zu ihnen rübergekommen war. »Du trinkst sowieso zu viel. Dauernd diese Weinproben und Champagnerabende am Strand.« Ritas Mundwinkel zuckten. »Du nimmst ja sogar Unterricht zum Thema Wein!«

Mikki lachte. »In der Tat, Mom. Ich habe letztens außerdem ein Seminar über Champagner besucht. Da lernt man nicht nur was, sondern trifft nette Menschen. Vielleicht solltest du mich mal begleiten.«

Zur Sicherheit kreuzte sie bei dieser Ansage zwei Finger, denn eins wollte sie auf keinen Fall, nämlich dass ihre Mutter mitkam und ihr eins ihrer liebsten Hobbys vermieste.

»Ich werde mich garantiert nicht mit einer Horde Fremder volllaufen lassen«, sagte ihre Mutter sauertöpfisch.

Perry legte einen Arm um seine Ex-Schwiegermutter. »Ist wahrscheinlich besser so. Du bist eine gut aussehende Frau, Rita. Alle Männer würden nach ein paar Gläsern Wein über dich herfallen wollen, und das könnte ziemlich peinlich enden.«

Rita schnalzte mit der Zunge, wagte aber nicht, zu protestieren. Perry hatte recht – ihre Mutter sah immer noch gut aus. Sie war vollschlank wie ihre Tochter, und sie hatte strahlend blaue Augen und eine tolle Haut. Sie war eigentlich sehr attraktiv – wäre da nicht ihr permanentes Gemecker.

Mikki entschuldigte sich und ging einmal quer durch den Garten. Dabei trällerte sie »Surfin’ USA« von den Beach Boys mit. Sie begrüßte ein paar von Wills Freunden, erkundigte sich bei Bethany, wie es mit ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin lief, und setzte sich dann zu Sydney und Bree, die an einem Tisch im Schatten hockten.

Bree sah sie amüsiert an. »Wusstest du, dass deine Tochter demnächst an die Ostküste umsiedeln wird?«

»Ich habe so was läuten hören.«

Sydney trank einen Schluck Limonade. »Komm schon, Bree. Kalifornien ist cool, und ich liebe Stanford, aber jetzt mal im Ernst – die Action ist an der Ostküste. Georgetown macht mehr Sinn für mich, dort haben sie die besten Kurse.«

Sie setzte die Dose ab und zählte ihre Pläne auf. »Erst werde ich meinen Abschluss machen – natürlich mit Auszeichnung –, dann gehe ich nach Georgetown. Dort mache ich meine erste juristische Prüfung, meinen JD, und dann einen MA in Eurasischen, Russischen und Osteuropäischen Studien.«

Bree riss die Augen auf. »Klingt nach einem strammen Programm.«

»Ich bin eine ernsthafte Frau.«

»Wir waren damals Mädchen«, sagte Mikki. »Jetzt sind wir Frauen.«

Bree grinste. »Du kannst immer noch ein Mädchen sein, wenn du willst.«

»Danke.«

Bree wandte sich wieder Sydney zu. »Und dann was? Ein Job bei einem Think Tank? Oder bei der Regierung?«

»Das habe ich noch nicht entschieden. Ich kann bisher nur die nächsten sieben Jahre planen, mehr nicht.« Sie stand auf. »Und jetzt gehe ich Dad und Grandpa mit den Burgern helfen.«

Bree sah ihr hinterher. »Mein lieber Mann. Sie will einen Jura-Abschluss machen und gleichzeitig einen MA in Osteuropa-Studien? Stimmt das?«

»Anscheinend ja. Ich war dabei, als sie geboren wurde, daher weiß ich, dass es sich um meine Tochter handelt. Aber wann ist sie so schlau geworden? Perry und ich sind ja nicht ganz doof und ihr Bruder auch nicht, aber Sydney ist der totale Überflieger. Zum Glück benutzt sie ihre Intelligenz für die gute Sache.«

»Zumindest in naher Zukunft. In zwanzig Jahren übernimmt sie vielleicht die Weltherrschaft.« Bree hielt inne. »Bei dir alles okay?«

»Wieso fragst du?«

»Du runzelst die Stirn so. Das machst du sonst nie.«

Mikki rieb sich sofort die Stirn. »Oh nein! Ich weigere mich, mich in meine Mutter zu verwandeln.«

»Tust du doch gar nicht.«

»Meine Mutter runzelt auch immer die Stirn.«

»Tut mir leid, dass ich was gesagt habe.«

Mikki griff nach ihrer Diät-Limo und stellte sie gleich wieder ab. »Meinst du, ich soll wirklich nach Paris fahren?«

»Du wolltest doch so gern.«

»Aber inzwischen hab ich meine Meinung geändert. Es klingt alles irgendwie so doof. Zwanzig Single-Frauen in einem …« Sie machte in der Luft Anführungszeichen. »… ›bestimmten Alter‹ reisen gemeinsam. Das ist erbärmlich.«

»Wegen ihres Alters oder weil sie Singles sind?«

Mikki warf einen Blick auf die Teenies, die auf dem Rasen saßen. Sie sind glücklich, dachte sie. Noch voller Hoffnung. Jared küsste gerade Mattie, dann lächelten sich die beiden an, und als Mikki das sah, empfand sie ein Gefühl von … Sie wusste es selbst nicht. Verlust? Neid? Verwirrung?

»Ich dachte, ich hätte mein Leben inzwischen im Griff«, erklärte sie. »Meine Scheidung von Perry ist immerhin schon drei Jahre her. Ich dachte, ich wäre irgendwie mehr …«

»Mehr was?«

»Mehr irgendwas. Ich weiß nicht. Ich liebe unseren Laden. Ich bin glücklich mit meiner Arbeit, und den Kindern geht es auch gut. Ich will nur einfach nicht mit einem Haufen fremder Frauen nach Paris fahren.«

Bree trank einen Schluck Bier. Sie war nur ein paar Jahre jünger als Mikki, aber manchmal kam ihre Freundin ihr unendlich viel älter vor. Vielleicht lag es daran, dass Bree ein ganz anderes Leben führte als sie. Sie, Mikki, hatte Kinder und machte sich dauernd Sorgen, während Bree einfach ihr Leben lebte. Sie fühlte sich wohl in ihrer Haut. Nichts konnte ihr etwas anhaben, nichts brachte sie aus der Ruhe.

Wahrscheinlich hilft es, wenn man gut aussieht, dachte Mikki und versuchte, nicht verbittert zu sein. Bree hatte große braune Augen und langes, lockiges Haar. Sie war schlank und athletisch und strahlte ein Selbstbewusstsein aus, von dem Mikki nur träumen konnte. Wenn Bree in eine Bar ging, brauchte sie sich nur umzusehen und konnte sich einen Mann aussuchen. Zehn Minuten später war sie dann in ein inniges Gespräch mit dem Kerl vertieft, und nach einer Stunde landeten die beiden im Bett.

Mikki kapierte einfach nicht, wie das so funktionierte. Sie würde niemals einen fremden Mann ansprechen. Was sollte sie denn sagen? Außerdem wäre es ihr peinlich. Allein beim Gedanken daran verkrampfte sie sich.

»Du bist eben eine Traditionalistin«, sagte Bree. »Das meine ich ganz wertfrei, nur als Beobachtung. Du willst nicht mit diesen Frauen nach Paris fahren, weil du dir diese Reise von Anfang an anders vorgestellt hast. Du möchtest mit einem Mann nach Paris, mit einem Mann, mit dem du eine romantische Beziehung hast, als Paar. Du bist einsam, das ist es. Und darüber kann dir Earl leider nicht hinweghelfen.« Bree grinste. »Trotz seiner sonstigen Vorzüge.«

Mikki starrte ihre Freundin an. »Ist das das Bild, das du von mir hast?«

»Nein. Das ist das Bild, das du von dir hast. Du kannst noch so sehr versuchen, die Wahrheit zu ignorieren, aber es bleibt die Wahrheit. Die meisten Menschen sind Traditionalisten. Sieh dir doch Ashley und Seth an. Wie lange wird es dauern, bis sie sich verloben? Die meisten Menschen wünschen sich eine feste Beziehung. Du hast eine Weile gebraucht, um herauszufinden, wie es sich anfühlt, geschieden zu sein. Jetzt weißt du es, und jetzt bist du bereit für Neues. Und deswegen willst du nicht mit einem Haufen Weiber nach Paris fahren.«

Mikki fühlte sich durchschaut. Hatte Bree etwa recht? Wünschte sie sich eine Beziehung?

»Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ein neuer Mann? Glaubst du wirklich?«

Bree beugte sich zu ihr und flüsterte: »Keine Sorge. Wenn du den Richtigen findest, wird er dir Earl trotzdem gönnen. Freu dich auf einen flotten Dreier.«

3. Kapitel

Bree spannte den Rumpf an und ging in den Stütz, während ihre Pilates-Trainerin Nicole ohne Eile von acht rückwärts zählte. Bei drei fing ihr Bauch an zu zittern. Bei eins bekam sie fast keine Luft mehr. Sie schaffte es jedoch, durchzuhalten, bis Nicole sagte: »Und jetzt lass dich langsam wieder runter.«

Das Training auf dem Pilates-Chair war immer eine Herausforderung, aber genau das gefiel Bree. Körperliche Aktivität musste anstrengend sein. Sie erfreute sich am Fortschritt, den sie nach jeder Stunde feststellen konnte, ganz egal, in welchem Kurs.

»Danke für deine Hilfe«, sagte die ältere Frau neben ihr und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Den umgekehrten Klimmzug habe ich vorher noch nie geschafft.« Sie lachte. »Mein Hintern trotzt nicht gern der Schwerkraft.«

»Meiner auch nicht«, sagte Mikki, die auf der anderen Seite neben Bree trainierte, und warf ihr einen neidischen Blick zu. »Bei dir sieht alles immer so leicht aus. Ich hasse das.«

»Dann komm doch öfter zum Training«, mischte Nicole sich ein. »Zweimal in der Woche trainieren macht was aus.«

»Mir macht das einfach keinen Spaß«, sagte Mikki fröhlich. »Ich dachte, das hätte ich schon gesagt.«

Auf dem Weg zur Umkleide wandte Nicole sich an sie: »Danke für deine Hilfe mit der neuen Kundin, Bree. Du bist eine von unseren Stammkundinnen, auf die man sich verlassen kann, wenn Neue Unterstützung brauchen.«

Dass Nicole sie als Stammkundin bezeichnete, überraschte Bree. Sie wurde nicht gern für berechenbar gehalten. »Kein Problem.«

»Jairus hat erzählt, dass die Signierstunde am Samstag gut lief.«

»Es war super.« Bree schlüpfte in ihre Flipflops. »Dein Mann kommt beim jungen Publikum gut an.«

Über zweihundert Kinder waren bei der Buchvorstellung gewesen. Jairus hatte aus Brad der Drache gelesen, und die anschließende Autogra...

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