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Blutige Vergangenheit

hier erhältlich:

Die Schönen und Reichen haben sich in London versammelt, um das spektakulärste Luxushotel der Welt in Augenschein zu nehmen. Doch statt einer ausgelassenen Feier erwartet sie ein grausamer Mord. Und das Schlimmste: Der Mörder ist noch unter ihnen. Sicherheitschef Jon Roscoe setzt alles daran, ihn so schnell wie möglich zu finden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt …


  • Erscheinungstag: 06.07.2017
  • Aus der Serie: James Patterson Bookshots
  • Bandnummer: 8
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783959677059
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Kensington, London, 2000

Alles war genau so, wie er gesagt hatte.

Leise stieg er die prunkvolle Treppe hinauf. Auf dem oberen Absatz angekommen, wandte er sich nach rechts.

Blickte den breiten, eleganten Flur hinab.

Vor dem Zimmer des Jungen brannte das Nachtlicht, wie angekündigt. Er schlich den Flur hinunter und blieb vor dem schwach beleuchteten Zimmer stehen. An der Tür hingen Papierblätter mit den bunten Zeichnungen des Jungen.

Von drinnen vernahm er das leise Atmen des Kindes. Seine Erwartung wuchs, sein Herz pochte schneller. Einen Augenblick lang verharrte er wie versteinert, bis das Adrenalin wieder zu strömen begann. Er trat ins Zimmer.

Es gab kein Zurück mehr.

Mit einer einzigen schnellen Bewegung hob er den Jungen aus dem Bett, zusammen mit der weichen, warmen Zudecke. Eine Sekunde darauf befand er sich wieder im Flur. Den Jungen im Arm, eilte er zur prunkvollen Treppe zurück.

Da. War da nicht ein Geräusch gewesen? Er beschleunigte seine Schritte.

Drei Stufen vom unteren Treppenabsatz entfernt regte sich der Junge.

Er blieb stehen. Der Junge streckte den Arm aus, drehte sich, und sank fast augenblicklich wieder in tiefen Schlaf.

Die Stimme unten an der Treppe trieb ihn zur Eile. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe wies ihm den Weg, durch den Flur in die Küche. Die beiden Männer hasteten voran. Er folgte dem Lichtstrahl durch die Küche und die Hintertür nach draußen in die schwarze Nacht.

Die spätwinterliche Eiseskälte packte ihn, als er in den Garten trat. Instinktiv wickelte er die Decke fester um den schmächtigen, verletzlichen Körper des Jungen. Die Sicherheitsbeleuchtung war ausgeschaltet, genau wie versprochen.

Der Lichtstrahl führte ihn über die Wiese, durch das Gebüsch und auf den Schotterweg, der hinter dem Haus verlief. Sobald er ihn erreicht hatte, öffnete sich die Kofferraumklappe des wartetenden BMW, und er legte den Jungen hinein.

Der Junge war wach.

Zum ersten Mal in dieser Nacht geriet er in Panik und bettete das Kind unbeholfen in den dunklen Kofferraum. Der Junge fing an, nach seiner Mutter zu schreien, und er schlug die Klappe zu.

Die Männer rutschten auf die Rückbank. Der Fahrer startete den Motor, trat hart aufs Gas, und im nächsten Moment verschwand der Wagen in der finsteren Londoner Nacht.

1. KAPITEL

Mayfair, London, 2016

Ehrenwerte Freunde, verehrte Gäste, ich begrüße Sie herzlich im neuen Tribeca Luxury Hotel im Herzen unseres weltberühmten Londoner Stadtteils Mayfair. Dreißig Jahre ist es her, dass ich gemeinsam mit meinem geschätzten Geschäftspartner Oscar Miller das erste Tribeca Luxury Hotel in New York City eröffnet habe. Mein gegenwärtiges Ziel ist bis heute dasselbe geblieben wie jenes, das ich vor dreißig Jahren verfolgte – ein Optimum an Komfort und Service in Kombination mit dem luxuriösesten und entspannendsten Interieur.

Als wir unser erstes Hotel eröffneten, stellten wir die Gäste und die ihnen angebotenen Dienstleistungen in den Mittelpunkt all unserer Bemühungen. Mit großem Stolz kann ich sagen, dass dieser persönliche Service in unseren siebenundzwanzig Luxushotels, die heutzutage auf der ganzen Welt täglich ihre Pforten öffnen, nach wie vor gewährleistet ist – und das gilt selbstverständlich auch für dieses, unser achtundzwanzigstes Hotel. Wir gehen ganz individuell auf die Wünsche eines jeden Gastes ein und heißen ihn jedes Mal neu willkommen, wie bei seiner Heimkehr in ein vielversprechendes Zuhause – das luxuriöseste Zuhause der Welt.

In drei Tagen erfülle ich mir einen lebenslangen Traum, indem ich ein Luxushotel in Mayfair eröffne. Zum allerersten Mal bieten wir unsere einzigartigen Standards in exklusiver Unterbringung, Luxus und unverfälschtem Genuss den Bewohnern von London und seinen zahlreichen internationalen Gästen dar. Unseren Gästen diese unvergleichliche Klasse an Komfort, Aufmerksamkeit und Sicherheit zur Verfügung zu stellen, bereitet uns große Freude. Und ich bin sicher, dass die prächtigen Unterkünfte mit ihrer modernsten Einrichtung auf vierzig Stockwerken den bisher überzeugendsten Beweis dafür liefern.

So ist es mir eine große Ehre, Sie heute bei der exklusiven Vorführung dieses wie ich finde exzellentesten Hotels der Welt begrüßen zu dürfen. Ich werde jeden von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, als meinen ganz persönlichen Gast begrüßen. Meine Freude, Sie in der neuen Londoner Residenz von Tribeca Luxury Hotels – dem Inbegriff des Luxus – zu empfangen, könnte nicht größer sein.

Jackson Harlington

Vorstand, Tribeca Luxury Hotels

Von der weitläufigen Marmorlobby aus sah Stanley Samson zu, wie jedem VIP-Gast ein Werbemagazin überreicht wurde, darin das Begrüßungsschreiben von Jackson Harlington. Es handelte sich nicht um eine Veranstaltung für gewöhnliche Reisejournalisten. Es war nicht einmal eine Veranstaltung für die Bosse von Reisejournalisten. Es war das Event für die Bosse von Bossen. Bei der Eröffnung eines Tribeca Luxury Hotels wollte jeder dabei sein, wusste Stanley, und niemand wollte außen vor bleiben.

Auf den Hochglanzseiten des Magazins fanden die Gäste einen Bericht über jedes Luxushotel, das die Kette auf der Welt besaß, von New York über Paris, von Singapur bis Peking. Es verstand sich allerdings von selbst, dass das größte Augenmerk dem hiesigen, nagelneuen Bau hier in London galt. Mehrseitige Fotos zum Aufklappen stellten die ganze Schönheit der Innenausstattung zur Schau, den opulenten Einrichtungsstil, der nur den Reichsten und Mächtigsten der Welt vorbehalten war.

Stanley wusste, dass dieser Tag jahrelang vorbereitet worden war. Jede Luxussuite war individuell entworfen, jedes Zimmer mit eigenem, einzigartigem Mobiliar ausgestattet worden. Die weltbekanntesten Dekorateure und Innenarchitekten hatten dafür gesorgt, dass alles perfekt war. Blumen zierten das Hotel von innen wie außen. In den Zimmern erstrahlten frische Bouquets. Für jede Suite war ein Privatkoch angestellt worden, und jeder einzelne Gast verfügte über seinen persönlichen Butler. Im vierzigsten Stockwerk gab es eine Oase der Ruhe und Entspannung, einen sogenannten Infinity Pool mit verborgener Wasserkante. Von dort hatte man einen atemberaubenden Blick über London und die benachbarten Gärten des Buckingham Palace. Kurz, man hatte keine Kosten gescheut, was diese Eröffnung anging. Ganz London sprach seit Tagen von nichts anderem, und ganz sicher gab es niemanden in dieser riesigen Stadt, der dieses Ereignis versäumen wollte.

Das Hotel hatte seine Pforten noch nicht einmal geöffnet und war bereits für zwei Jahre im Voraus ausgebucht. Komplett! Es sei denn, man konnte für sich in Anspruch nehmen, der Präsident der Vereinigten Staaten zu sein, ein Mitglied der Königsfamilie oder ein international bekannter Superstar. Für jene verehrten Herrschaften rühmte sich das Tribeca Luxury Hotel, immer eine Suite zur Verfügung zu halten.

In seiner Funktion als Assistent des internationalen Sicherheitschefs der Luxury-Hotelkette stand Stanley am gläsernen Expressaufzug und wartete. Er würde Jackson Harlington persönlich durch die Marmorlobby zum Haupteingang geleiten, zusammen mit dessen Familie und dem Geschäftspartner Oscar Miller. Harlington und Miller würden die Türen aufstoßen und die internationale Presse hereinbitten, wie sie es bislang bei allen Eröffnungen der Tribeca Luxury Hotels in den letzten dreißig Jahren getan hatten.

Stanley war jedes Mal verblüfft, wenn er eines der Tribeca Luxery Hotels rings auf der Welt besuchte. Von ihnen war eines prunkvoller und luxuriöser als das andere. Diese Hotels überstiegen seine wildesten Fantasien, und er war dankbar für jede Nacht, die er in einem jener Zimmer schlafen durfte – auch wenn es bloß zu denen gehörte, die für Mitarbeiter gedacht waren.

Bei der Eröffnung dieses Hotels in seiner Heimatstadt London dabei zu sein, erfüllte Stanley mit einem Stolz ganz besonderer Art. Das Londoner Haus würde ohne Zweifel ein Riesenerfolg werden, und es erfüllte ihn mit Freude, dass er inmitten dieses ganzen Prunks seinen kleinen Teil dazu beitragen konnte.

Er blickte durch die Glasfassade der Lobby nach draußen, wo sich die Menschenmenge auf dem Rasen des Vorgartens versammelte. Er sah zu, wie die Gäste, untermalt von den Klängen eines Streichquartetts, nach Gläsern mit erlesenem Champagner griffen und sich an Gänseleber-Canapés gütlich taten. Da verspürte er, ganz blitzartig, einen Stich Eifersucht. Er unterdrückte das Gefühl, indem er an die frisch gebackenenen Schokomuffins dachte, die später an diesem Morgen aus der Küche geschickt werden würden.

Abgelenkt von den Geschehnissen im Vorgarten, bemerkte Stanley nicht, dass sich der Expressaufzug in Bewegung setzte und vom 25. in den 38. Stock hinauffuhr.

Der nicht geladene Gast trug eine Skimaske über dem Gesicht und schleifte einen reglosen Mann – seine Geisel – den Flur im 38. Stock hinunter auf die Präsidentensuite zu. Der Mann war von dem Geiselnehmer mit einer geladenen Waffe bewusstlos geschlagen worden. Zwischendurch dämmerte er immer wieder in die Bewusstlosigkeit ab. Als der Geiselnehmer die Tür zu der verschwenderischen Suite öffnete, regte sich die Geisel und nahm zum ersten Mal wieder ihre Umgebung wahr.

Der Geiselnehmer hatte den Mann an Händen und Füßen gefesselt und stieß ihn nun mit dem Gesicht nach unten auf das Super-Kingsize-Bett. Auf dem mit feinster ägyptischer Baumwolle bezogenen Bettzeug um sich strampelnd, versuchte sich der Mann auf den Rücken zu drehen. Als es endlich geschafft war, wurde er mit dem Anblick seines Geiselnehmers belohnt. Drohend stand der Mann über ihm. Er hob ein Schwerlastseil auf, das neben dem Bett lag, und knotete es zu einer Henkersschlinge.

Panik durchflutete den Körper des Mannes auf dem Bett. Er war gefesselt, gefangen, und damit dem Geiselnehmer hilflos ausgeliefert. Physisch zumindest. Seine einzige Hoffnung lag darin, ein Gespräch anzufangen.

„Sagen Sie mir, was Sie wollen. Geht es um Geld? Ich kann Ihnen so viel Geld geben, wie Sie wollen. Ich bin reich. Es gibt nichts, was ich Ihnen nicht beschaffen könnte. Absolut nichts. Sagen Sie mir nur, was.“

Der Geiselnehmer knüpfte schweigend das Seil.

Die Geisel setzte sich im Bett auf.

„Ich kann Ihnen hier und jetzt riesige Mengen Bargeld bereitstellen. Oder ein Flugzeug, das Sie irgendwohin bringt, egal wohin. Überall auf die Welt. Hören Sie? Ich habe mehr Geld, als Sie sich in Ihren kühnsten Träumen vorstellen können!“

Der Kidnapper knüpfte das Seil.

„Hören Sie denn nicht?“, schrie die Geisel. „Mehr Geld, als Sie sich in Ihren kühnsten Träumen vorstellen können!“

Der Geiselnehmer kam ans Bett und schlug der Geisel seitlich gegen den Kopf. Der Mann fiel zurück aufs Bett.

„Irgendetwas müssen Sie doch wollen. Stellen Sie Forderungen. Das ist Ihre Chance. Ich kann Sie bezahlen. Ich bezahle, so viel Sie wollen!“

Da hatte der Geiselnehmer ihm die fertig geknüpfte Schlinge bereits über den Kopf gezogen und um den Hals gelegt. Er zerrte ihn auf die Füße. Der Mann schrie um Hilfe, doch es war aussichtslos. Niemand würde ihn hier oben hören.

Wie ein Hund an der Leine, während ihm die Schlinge um den Hals die Luftröhre zudrückte, folgte der Mann seinem Kidnapper auf den Balkon der noblen Präsidentensuite.

Auf dem gehegten Rasen 38 Stockwerke tiefer wurde den versammelten VIPs in diesem Moment allerbester russischer Kaviar kredenzt. Man hatte diese Köstlichkeit am selben Morgen aus Russland einfliegen lassen. Während die Gäste jeden Happen auskosteten, unterbrach plötzlich ein ohrenbetäubendes Splittern die Ruhe. Die Versammelten blickten hoch. Glassplitter prasselten auf sie nieder wie Bruchstücke von Eis.

Am Rand des Balkons stand ein maskierter Mann, der an einem Strick jemanden bei sich hielt, seine Geisel. Er hatte ein Messer, und er hob es langsam. Mit der Klinge zerfetzte er dem Gefangenen das Hemd. Im Garten wurden erste Schreie laut.

Der Geiselnehmer zwang den Mann auf die Knie. Er bog ihm die Arme über den Kopf und fesselte ihn mit den Handgelenken an den eisernen Rahmen – dem Äußersten Zipfel des Balkons der herrschaftlichen Präsidentensuite.

Er zog die Schlinge fest.

Im nächsten Moment beförderte er seine Geisel mit einem Tritt über die Brüstung. Der Mann baumelte 38 Stockwerke über dem Erdboden in der Luft.

2. KAPITEL

Im Vorgarten des Hotels richteten sich Fernsehkameras und Smartphones in den Himmel auf die Gestalt, die dort hin und her schwang. Mit nacktem Oberkörper, den fettbehangenen Körper entblößt, war die Geisel ihren Zuschauern schutzlos ausgeliefert. Jeder Fluchtversuch kam dem Mann nun sinnlos vor. Er schrie der Menge unter sich seine Verzweiflung entgegen.

Der Maskierte wollte das Publikum unter keinen Umständen warten lassen. Er trat vor, kniete sich neben den Mann.

Bereit, mit der Darbietung fortzufahren.

Er hob sein Messer. Die Klinge funkelte in der Frühlingssonne. Die Menge hielt den Atem an, als er die Schneide gegen die Wange des Mannes presste und ihm genüsslich die Haut aufschlitzte. Dabei ließ er die Klinge langsam hinab zur Kehle gleiten.

„Tun Sie das nicht, bitte“, flehte die Geisel. „Es ist noch nicht zu spät. Was immer Sie auch verlangen, ich beschaffe es Ihnen. Einfach alles. Sie müssen es nur sagen. Haben Sie mich verstanden? Alles.“

Der Geiselnehmer übte Druck auf das Messer aus, dass an der Wange seiner Geisel lag. Er beugte sich hinunter und hielt den Mund, von der Maske verborgen, ans Ohr des Mannes.

Es war nur ein kaum hörbares Flüstern, eine Stimme, erfüllt von Hass.

„Einen gefräßigen Wanst haben wir da, nicht wahr?“

Er drehte das Messer, führte es nach unten und stach in die pralle Haut, die sich über dem fetten Bauch seines Opfers spannte.

Der Mann schrie unter Schmerzen. Der Geiselnehmer richtete sich auf den Knien auf, reckte den Arm nach oben und bot der schreienden Menge unter sich das blutverschmierte Messer dar.

Zeit für den finalen Akt.

Der Geiselnehmer legte das Messer an das Seil, mit dem er die Handgelenke der Geisel an den Balkonrahmen gefesselt hatte. Ein Hieb, und der Mann würde nur noch von der Schlinge um seinen Hals gehalten werden, 38 Stockwerke über dem Boden.

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