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Blüten sammeln unter Feuer

Als Buch hier erhältlich:

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»Diese Tagebücher sind eine Offenbarung, ein Wegweiser und ein Geschenk für uns alle.« Tayari Jones

Von ihrer armutsgeprägten Kindheit im ländlichen Georgia bis hin zu ihrem Aufstieg zu einer feministischen Vordenkerin blieb die gefeierte Dichterin und Schriftstellerin Alice Walker eine gewissenhafte Aufzeichnerin. Ihr weitverzweigtes Leben hat sie über einen Zeitraum von rund 50 Jahren in mehr als 65 Tagebüchern und Notizbüchern festgehalten. Blüten sammeln unter Feuer zeichnet ihre Entwicklung als Künstlerin, Menschenrechtsaktivistin und Intellektuelle nach, erzählt von beeindruckenden Momenten afroamerikanischer Geschichte. Das Persönliche verwebt sich in dieser Chronik eines beeindruckenden Lebens auf so vielschichtige wie aufschlussreiche Weise mit dem Politischen.

Die Tagebücher öffnen uns die intimen Gedanken und Gefühle einer beeindruckenden Schriftstellerin – als Frau, Afroamerikanerin, Ehefrau, Liebhaberin, Schwester, Tochter, Mutter und Weltbürgerin.

Mit zahlreichen Bildern und aktuellem Postskriptum von Alice Walker.

»Die Lektüre von Walkers Tagebüchern – Jahrzehnte von ungefilterten Gedanken, die uns eine komplexe Person offenbaren, sie uns mit all ihren Sorgen, Triumphen, Fehlern und ihrer Schönheit zeigen – fühlt sich an wie ein Augenblick der Heilung.«Honorée Fanonne Jeffers (Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois)

»Alice Alker schreibt auf wunderbare Weise über die Abweisung und die Anziehung von Intimität. Man muss ihren Idealismus bewundern, ihre Gabe als Schriftstellerin und ihren unersättlichen Hunger auf das Leben.« Daily Telegraph


  • Erscheinungstag: 23.01.2024
  • Seitenanzahl: 736
  • ISBN/Artikelnummer: 9783753000985

Leseprobe

Für Belvie, Joan und Sue,

meine menschlichen Engel,

und für meinen Bruder Curtis,

der ein Kind war.

Alice Walker

SOLANGE LIEBE AUSSER MODE IST

Solange Liebe außer Mode ist

lass uns unmodern

leben.

Die Welt als

einen vielschichtigen Ball

in kleinen Händen

betrachten;

unsere schwärzeste Kleidung lieben.

Lass uns arm sein

an allem außer Wahrheit, und Mut

empfangen von

den alten Geistern.

Lass uns vertraut sein mit

den Geistern der Ahnen

und der Musik

der Untoten.

Solange Liebe gefährlich ist

lass uns barhäuptig am

Großen Fluss entlanggehen.

Lass uns Blüten sammeln

unter Feuer.

– Alice Walker1

VORWORT

von Valerie Boyd

»Ich staune über mich selbst. Ich bin wieder in der Aufwärmphase fürs Schreiben«, schrieb die Vierundzwanzigjährige in ihr Tagebuch. Das Datum war der 18. Juni 1968, der Ort Jackson, Mississippi. »In gewisser Weise ist es doch erstaunlich, dass man nach Stift und Papier dürsten kann, beides so nötig haben kann wie Wasser.«

Die junge Frau war Alice Walker. Und durch ihr außergewöhnliches Talent – im Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten, Gedichten und Essays – sollte sie eine der berühmtesten Autorinnen der jüngeren Zeit werden.

Auf ihrem unglaublichen Weg von der armen Pachtfarmerstochter im ländlichen Georgia zur Kulturikone führte Alice Walker gewissenhaft Tagebuch und dokumentierte so ihr breit gefächertes, komplexes Leben in über fünfundsechzig Notizbüchern, die einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren abdecken. Im Jahr 2007 übergab sie diese Tagebücher – sowie Hunderte anderer Dokumente und Unterlagen aus ihrem persönlichen Archiv – der Stuart A. Rose Manuscript, Archives, and Rare Book Library der Emory University in Atlanta. Die Tagebücher sowie bestimmte Geschäfts- und Finanzunterlagen sind bis 2040 für neugierige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Journalistinnen und Journalisten und Fans gesperrt.

Jetzt jedoch hat Alice Walker beschlossen, einen Band mit ausgewählten Tagebucheinträgen zu veröffentlichen. In Blüten sammeln unter Feuer liefert sie eine leidenschaftliche, intime Chronik ihrer Entwicklung als Künstlerin, Menschenrechtsaktivistin und Intellektuelle. Und sie erkundet zugleich auf intime Weise – in Echtzeit – ihr Denken und Fühlen als Frau, Schriftstellerin, Afroamerikanerin, Ehefrau, Tochter, Mutter, Liebende, Schwester, Freundin und Weltbürgerin. Die Tagebucheinträge führen durch eine erstaunliche Reihe von Geschehnissen: Protestmärsche in Mississippi mit anderen Fußsoldatinnen und -soldaten der Bürgerrechtsbewegung, angeführt von Martin Luther King jr. oder, wie sie ihn nannte, »dem King«; ihre Eheschließung mit einem jüdischen Anwalt, auch um den Gesetzen zu trotzen, die in den Südstaaten der 1960er-Jahre »gemischtrassige« Ehen untersagten; eine frühe Fehlgeburt; die Geburt ihrer Tochter; das Schreiben ihres ersten Romans; die Kämpfe und Siege der Frauenbewegung; erotische Begegnungen und längere Beziehungen; die Besuche der Vorfahren, aus denen Die Farbe Lila hervorging, das Buch, für das sie den Pulitzer-Preis erhielt; die Bewunderung und die Schmähungen, die ihr, manchmal zu gleichen Teilen, für ihre schriftstellerische Arbeit und ihren Aktivismus zuteilwurden; den Tod ihrer Mutter und das schwierige Verhältnis zu ihrer eigenen Tochter. Das Persönliche, das Politische und das Spirituelle überlagern und verflechten sich in dem aufschlussreichen Narrativ, das sich aus Alice Walkers Tagebüchern ergibt.

Blüten sammeln unter Feuer ist nach Jahrzehnten unterteilt und reicht von den 1960er-Jahren bis in die Anfangszeit des 21. Jahrhunderts. Es zeigt den Weg einer Frau, sie selbst zu werden. Viele Leserinnen – und Lesende jeden Geschlechts – werden auf diesen Seiten etwas von sich wiederfinden, denn Walker hält so ziemlich alle wichtigen Lebensereignisse fest. In ihrem Fall: Heirat und Scheidung, Mutterschaft, die Entwicklung zur Romanschriftstellerin, den Weg zu finanzieller Sicherheit, die Entwicklung und das Ende von Freundschaften und Liebesbeziehungen und schließlich ihr Verhältnis zu Gott – oder dem »Großen Geist«, wie sie das Göttliche nennt, das sie in sich selbst und in der Natur findet.

Als Herausgeberin dieses Bands habe ich Alice Walkers Schreibung von Wörtern und Namen, ihre Interpunktion und ihre Datierungsmethode trotz gelegentlicher Inkonsistenz beibehalten, um die Tagebucheinträge originalgetreu wiederzugeben. Ich habe außerdem versucht, so unauffällig wie möglich zu bleiben, eine unsichtbare Freundin, die nur ab und zu flüsternd eine wichtige Information, Erklärung oder Erinnerung beisteuert: Hey, diesen Herrn kennen Sie schon, der war Alice’ Boyfriend auf der Highschool. Ah ja, dieser Film kam 1976 heraus und erhielt viel Kritikerlob. Oh, Sie wissen schon, Langston Hughes, der legendäre Poet der Harlem Renaissance. Und, ja, die Person, die hier um einen Gefallen bittet, ist eben jene, die sich vor fünfzig Seiten so schofel verhalten hat. Diese kontextbezogenen Anmerkungen stehen im Dienst des Gesamtnarrativs, sie sollen es auf dezente Weise erleichtern, der Geschichte zu folgen.

Walker benutzte für ihre Tagebucheinträge oft mehrere Notizbücher gleichzeitig, und so entstanden parallele Versionen derselben Geschehnisse, eine Version etwa sehr detailliert, eine andere eine kursorische Zusammenfassung. Manchmal griff sie auch nach Jahren auf ein halb volles Notizbuch zurück, nahm einen Gedankenfaden wieder auf und führte ihn von da aus weiter. Aus Gründen der Klarheit und leichteren Lesbarkeit habe ich in diesem Band die Tagebucheinträge chronologisch zusammengestellt, ungeachtet des Notizbuchs, in dem sie sich jeweils befanden.

Blüten sammeln unter Feuer ist ein Arbeitsbuch für Künstlerinnen und Künstler, Aktivistinnen und Aktivisten und Intellektuelle. Es ist ein Lehrbuch für Menschen jeden Alters, die ein freies Leben führen wollen. Es ist eine zutiefst persönliche Reise und zugleich eine sehr persönliche Geschichte unserer Zeit. Und für uns alle, deren Leben Alice Walkers Werke im Lauf der letzten fünf Jahrzehnte berührt – und oft verändert – haben, ist dieses Buch ein Geschenk.

Tatsächlich war der Ausgangspunkt der hier vorliegenden, so viel Leben umspannenden Seiten ein Geschenk. Den Deckel des braunen Kunstledertagebuchs zierte eine goldene Bordüre, und die Aufschrift in Goldfolienprägung verkündete seinen Zweck: MEINE REISE, lautete sie.

Alice Walker war dankbar für das Reisetagebuch, das ihr ihre Freundin Cecile Ganpatsingh, eine Mitstudentin aus Britisch-Guyana, überreichte. Alice hatte gerade ihr erstes Studienjahr am Spelman College in Atlanta beendet, wohin sie 1961 aus ihrer kleinen, segregierten Heimatstadt Eatonton, Georgia, gekommen war. Mitgebracht hatte sie »drei magische Gaben« ihrer Mutter: einen Koffer, eine Nähmaschine und eine Schreibmaschine. Am Spelman waren Alice und Cecile Aktivistinnen geworden, hatten mit einigen Mitstudentinnen – und den Geschichtsprofessoren Howard Zinn und Staughton Lynd – an Demonstrationen und Mahnwachen für Frieden und Bürgerrechte teilgenommen. Jetzt war Alice auf dem Weg zu den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Finnland.

Mit ihren achtzehn Jahren hatte Alice den Bundesstaat Georgia erst einmal verlassen – für einen Weihnachtsbesuch bei einer Tante und einem Onkel in Cleveland, Ohio. Für jene Reise hatte sie einen Greyhoundbus genommen. Diesmal – mit Stationen in Helsinki, Glasgow, Amsterdam und Hamburg – würde sie zum ersten Mal ein Flugzeug besteigen. Zur Feier dieses Anlasses wollte Cecile ihrer Freundin etwas schenken. Auf den Innendeckel des Tagebuchs schrieb sie das Datum – Juli 1962 – und die Worte:

Für dich, liebe Alice,

mit dem Wunsch, dass deine Reise unvergesslich sein möge.

Herzlich,

Cecile Ganpatsingh

Als Alice Walker Ende August von ihrer Reise zurückkehrte, war das Tagebuch ziemlich zerfleddert. Sie schrieb fast täglich hinein, kommentierte alles, was ihr begegnete, mit Begeisterung und Staunen – die hübschen, charmanten Kellner, die freundlich neugierigen Blicke von Fremden, die Idee des Kommunismus. In einem Eintrag hielt sie fest, wie ihr üblicher Tagesablauf auf dieser lebensverändernden Reise aussah:

EIN TYPISCHER TAG:

Um 7 Uhr continental breakfast

Um 7:30 mit dem Bus in die Stadt

Besuch von Vormittagscolloquien und Seminaren (hauptsächlich über Abrüstung, den US-Imperialismus und den russischen Kommunismus)

Mittagessen mit einer der 120 Delegationen

Ich habe meistens mit den Bulgaren, Kubanern oder Finnen gegessen

Nach dem Mittagessen Besuch einer Outdoor-Sportveranstaltung oder eines kulturellen Events. (Ich habe zum Beispiel das Russische Ballett und die Pekingoper gesehen.)

Um 15 Uhr Teilnahme an tollen delegationsübergreifenden Treffen.

Um 17 Uhr entweder Essen mit einer anderen Delegation oder Streifzüge durch die Stadt und Umgebung. Ich habe Moped fahren gelernt (auf einem Jauwa-Moped [sic]2), weil das in Finnland sehr populär ist.

Um 18 Uhr mit dem Bus zurück in unser Quartier und umziehen für eine delegationsübergreifende oder eine Inselparty. (Finnl. hat viele kleine Inseln, und auf jeder gibt es einen Park mit einer Freilufttanzfläche – wir konnten Feuerwerk gucken oder einfach nur relaxen und finnische Musik hören.)

Um 23 Uhr wieder im Quartier. ES WAR DRAUSSEN IMMER NOCH SEHR HELL, deshalb fiel es schwer, schlafen zu gehen. Also redeten wir noch mindestens eine Stunde. (Einige aus der amerikanischen Delegation waren sehr links, andere etwas weniger links, und der Rest war einfach nur neugierig.)

Um diesen großartigen Tagesablauf perfekt zu machen, bekam ich praktisch rund um die Uhr Blumensträuße. Hauptsächlich, weil die Finnen dachten, ich sei Kubanerin oder zumindest Freedom Rider. (Ich schämte mich, dass ich nicht im Gefängnis gewesen war.)

TANZT DU, SINGST DU? HEY, DU BIST DOCH SICHER FREEDOM RIDER?

WE SHALL OVERCOME. Für die Freiheitskämpfer der Südstaaten. (Hörte es in vielen Sprachen gesungen.) Immer wieder der Liedwunsch an uns.

AWs Reisepass, erster Stempel 1962. Alice Walker Collection, Stuart A. Rose Manuscript, Archives & Rare Book Library, Emory University.

Gegen Ende ihres Reiseberichts, in einem Eintrag vom späten August 1962, schrieb die angehende Schriftstellerin und Aktivistin: »Obwohl ich nur etwa einen Monat in Europa war, weiß ich, dass mein Leben dadurch anders sein wird.«

Später setzte sie hinzu: »Nie wieder werden irgendwelche Russen oder Kubaner oder Menschen irgendeiner anderen Nationalität meine Feinde sein, nur weil sie sind, was sie sind. Seltsamerweise hatte ich in dieser Krise [der Kubakrise im Oktober 1962] mehr Angst um die Kubaner und die Russen als um mich selbst. Als Allerwichtigstes habe ich gelernt, dass zwischen den Menschen und ihren Regierungen ein so großer Unterschied besteht, dass man nicht länger pauschal hassen kann.«

Nach ihrer Europareise kehrte Alice Walker ans Spelman zurück, hatte aber, wie sie in einem Tagebucheintrag vermerkte, bald schon genug von »schlechten Lehrveranstaltungen, bourgeoisen Dozentinnen und Dozenten und Mitstudentinnen«. Sie wechselte ans Sarah Lawrence College in Bronxville, New York. Das Tagebuchschreiben nahm sie ernsthaft wieder auf, als sie im Sommer 1965, vor ihrem letzten Semester am Sarah Lawrence, in den Südstaaten und dann in Kenia war.

Walker fürchtete sich vor dieser Rückkehr in die Südstaaten 1965, aber sie war auch fest entschlossen, sich am Freiheitskampf der Schwarzen zu beteiligen. Nach einem kurzen Aufenthalt verließ sie die USA, um eine mehrmonatige, ereignisreiche Afrikareise zu unternehmen. Im Herbst nahm sie ihr Studium am Sarah Lawrence wieder auf. Dort verspürte sie, inzwischen einundzwanzig, immer stärker den Drang, es mit den Herausforderungen der realen Welt aufzunehmen. »Manchmal fühle ich mich zu alt, um unter den Studentinnen hier am Sarah Lawrence zu sein«, vertraute sie ihrem Tagebuch an. »Ich kann nicht länger Vietnam-Diskussionen mit ›gescheiten‹ Mädchen führen, die ihre Haltung zum Krieg mit ihrem Geigenspiel unter einen Hut bringen wollen. Dazu lastet der Tod der vietnamesischen Kinder zu schwer auf mir.«

Im Juni 1966 war sie dann so weit, sich in der Bürgerrechtsbewegung zu engagieren, obwohl es ihr schwerfiel, ihre Arbeit als werdende Schriftstellerin hintanzustellen. »Ich bin noch nicht nach Mississippi aufgebrochen, und der Gedanke, meine Arbeit zurückzulassen, ist so beunruhigend, dass es mir schon fast absurd erscheint, überhaupt hinzugehen«, klagte sie im Juni 1966. »Aber etwas zieht mich dorthin, obwohl ich mir keine Illusionen mache, was ich bewirken kann.«

Inmitten der Bürgerrechtsproteste im Süden fand Alice etwas, wonach sie gar nicht gesucht hatte: die Liebe. Und sie fand sie an einem sehr unwahrscheinlichen Ort – in Stevens Kitchen, einem Soulfood-Restaurant in der Farish Street in Jackson, Mississippi.

Sie war gerade in Jackson angekommen, erinnert sie sich fünfzig Jahre später, und wurde »am Flughafen abgeholt von einem jungen Mann in einem blauen Cabriolet« – Henry Aronson, einem Mitarbeiter des Rechtshilfefonds der NAACP, damals geleitet von Marian Wright, der ersten Schwarzen Rechtsanwältin des Bundesstaats. Das Restaurant lag neben dem Büro des Rechtshilfefonds, und viele von dessen Mitarbeitern – darunter auch ein junger jüdischer Jurastudent namens Melvyn Leventhal – nahmen dort regelmäßig ihre Mahlzeiten ein. »Ich blickte finster auf die Weißen, die da in ›unserem‹ Restaurant aßen«, erinnert sich Walker, »und mein Blick begegnete dem eines sehr nett aussehenden jungen Mannes. Oy vey.«

Obwohl sich die Tagebücher darüber ausschweigen, wie genau sie zusammenkamen, waren Alice und Mel bald unzertrennlich. »Unsere Beziehung begann nach ein paar Fahrten ins Delta, wo wir Hotels und Restaurants zu Orten der ›Rassenintegration‹ machten, was oft hieß, die ganze Nacht wach zu bleiben, weil wir damit rechnen mussten, vom Ku-Klux-Klan terrorisiert zu werden«, erinnert sich Walker ein halbes Jahrhundert später. »Wir lasen uns aus der Bibel vor, und ich mochte sein Hohelied Salomos.«

Die Beziehung dauerte über jenen heißen Mississippisommer hinaus. »Wir hatten Dates, während wir unsere Arbeit machten, aber viel ›Dating‹ war da nicht (zu gefährlich), bis wir nach NYC zurückkehrten und Mel sein letztes Studienjahr an der NYU absolvierte. Ich hatte ein Zimmer am St. Marks Place, wohnte aber die meiste Zeit bei ihm in seinem Wohnheimzimmer, das wir als Erstes mit einem Schreibtisch für mich ausstatteten.«

Ein paar Monate bevor Mel sein Juraexamen machte, erklärte er Alice, er wolle zurück nach Mississippi, um die Arbeit für soziale Gerechtigkeit fortzusetzen, derentwegen sie sich überhaupt in ihn verliebt hatte. »Ich liebte Mel wegen seiner Leidenschaft für die Gerechtigkeit und wegen seiner aufrichtigen Leidenschaft für mich«, resümiert sie.

»Wenn wir nach Mississippi zurückgehen würden, dann als Ehemann und Ehefrau«, beschloss Alice. »Es gab in den Südstaaten eine lange Tradition von weißen Männern, die sich eine Schwarze Geliebte hielten. Darauf würde ich mich nicht einlassen. Also machte ich Mel einen Antrag, und er nahm ihn nur allzu gern an. Von unserer Liebe mal abgesehen, war es politisch wichtig, dass wir offiziell verheiratet waren.«

Für den 17. März 1967 gewann das Paar zwei Verbündete als Trauzeugen – Carole Darden, Alice’ beste Freundin vom Sarah Lawrence, und Mike Rudell, Mels besten Freund aus dem Jurastudium. Sie wurden von der Richterin am Familiengericht von New York City, Justine Polier, getraut. »Sie hat eine ganze Reihe von Leuten aus der Bewegung verheiratet«, erinnerte sich Walker. »Wir bezahlten sie mit einem Strauß rosa Tulpen.«

Nicht alle unterstützten diese Heirat. Entsetzt über die Verbindung ihres Sohns mit einer »Schvartze« (so die abfällige jiddische Bezeichnung), vollzog Miriam Leventhal das Schiwa-Sitzen – das jüdische Trauerritual, da Mel für sie gestorben war. Doch davon unbeeindruckt unternahm das junge Ehepaar in jenem Sommer noch einen weiteren kühnen Schritt. Alice erklärt: »Wir zogen nach Mississippi, wo ›gemischtrassige‹ Ehen verboten waren.«

In ihren Tagebüchern aus den 1960er-Jahren – zumeist spiralgebundene Kladden in Primärfarben – hielt Alice Walker ihre Gedanken und Gefühle in jener stürmischen Dekade fest. In den ausgewählten Einträgen in Teil Eins dieses Buchs: Ehe, Bürgerrechtsbewegung und Mississippi, legt die junge Studentin, Aktivistin und Schriftstellerin geografisch weite Wege zurück, vom Campus des Sarah Lawrence in New York nach Atlanta und in andere Teile ihres Herkunftsstaats Georgia, wo sie mit einer Studentenorganisation der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) Schwarze Wähler registriert; nach Kenia und Uganda im Rahmen eines Auslandsstudienprogramms; dann nach Mississippi, wo sie sich weiter in der Bürgerrechtsbewegung engagiert und Mel kennenlernt. Wo auch immer sie ist, blüht die junge Schriftstellerin auf: Sie beginnt ihre lebenslange Praxis, erste Entwürfe von Gedichten, Kurzgeschichten und schließlich ganzen Romanen in ihren Tagebüchern niederzuschreiben. Und genau hier beginnt unsere Geschichte.

ERSTER TEIL

EHE, BÜRGERRECHTSBEWEGUNG UND MISSISSIPPI

Die 1960er

AW am Sarah Lawrence College, 1964. Alice Walker Collection, a. a. O.

ZWEITER TEIL

DIE BESTIMMUNG DIESER BLUME IST ZU BLÜHEN

Die 1970er

AW mit ihrem Mann Mel und der kleinen gemeinsamen Tochter Rebecca, 1970. Alice Walker Collection, a. a. O.

DRITTER TEIL

SEI NIEMANDS LIEBLING

Autor