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Aufruhr in mittleren Jahren

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Ingrid und Jan sind seit 25 Jahren verheiratet und führen in Oslo, Norwegen, ein Leben in Wohlstand. Doch Ingrid kann nicht mehr – sie sieht alles schwarz. Die freudlose Ehe frustriert sie, das Engagement am Arbeitsplatz ist nur geheuchelt, und von den halbwüchsigen Söhnen ist kein Trost zu erwarten. Während Ingrid eine Therapie beginnt, schlittert Jan in eine Affäre mit seiner jungen Kollegin Hanne. Das dauert ein Jahr, dann zwingt Hanne den zaudernden Jan, Ingrid zu verlassen. Diese reagiert gelassen, zieht kurzerhand mit einer Matratze in ihr Auto und fühlt zum ersten Mal seit langem eine tiefe Zufriedenheit. Mitreißend und voll schwarzem Humor erzählt Nina Lykke vom Drama einer Familie – mit fast versöhnlichem Ausgang.


  • Erscheinungstag: 19.02.2018
  • Seitenanzahl: 272
  • ISBN/Artikelnummer: 9783312010608

Leseprobe

 

 

In jüngster Zeit verspürt Ingrid das rasende Verlangen, einfach auszusteigen. Sie wird aggressiv, wenn sie an das Desinteresse ihrer Kinder denkt, die sich vorn und hinten bedienen lassen, als wären sie noch in den Windeln. In der Schule wird den Lehrern immer mehr abverlangt, und der verständnisvolle Kollege, der sie immer im Pausenraum erwartet, ist mehr als unappetitlich. Und ihr Mann Jan? Für ihn scheint alles wunderbar.

 

Ingrid weiß nicht, dass auch für Jan das festgefahrene Leben eine drastische Wendung genommen hat. Und zwar wegen Hanne, der jüngeren Kollegin, die ihr Single-Dasein satt hat und endlich eine Familie gründen will. Warum nicht mit Jan, dem erfolgreichen, noch rüstigen Liebhaber?

 

Als sich Jans Affäre nicht länger geheimhalten lässt, ist es auch eine Erleichterung. Ingrid schläft neuerdings im Auto, und dabei überkommt sie zum ersten Mal seit langem eine tiefe Zufriedenheit. Erst reist sie nach Schweden, aber dann fährt sie immer weiter Richtung Süden.

 

Nina Lykkes Roman ist mitreißend und anschaulich, bitter-scharf und rabenschwarz, ein Familiendrama mit fast versöhnlichem Ausgang.

 

 

1

 

«Was hat es für einen Sinn, sich in der Schule zu quälen und abzumühen, nur um irgendwann einen Job, ein Haus und Kinder zu haben und sich dann weiterzuquälen, bis man stirbt?», fragte Jonas, als er dreizehn war. «Warum zieht man nicht einfach in einen Wohnwagen und lebt von Sozialhilfe?», fuhr er fort, und Ingrid wusste darauf keine Antwort. Warum zog man eigentlich nicht in einen Wohnwagen, dachte sie, warum lebte man nicht von Sozialhilfe, warum streckte man nicht einfach alle viere von sich, warum gab man nicht einfach auf? Das war ihr Erbe, hier trat ihre Krankheit zutage, das Nichtlebenstüchtige, das sie bei sich selbst möglicherweise mit Erfolg bekämpft hatte, siehe da, jetzt war es bei Jonas wiederaufgetaucht, und bald würde es auch bei Martin auftauchen, und die beiden würden depressiv und übergewichtig werden und rund um die Uhr am Computer sitzen und spielen.

Zum Glück kamen nicht noch mehr Bemerkungen dieser Art, aber etwa ein Jahr später stellten beide Söhne das Reden ein. Von einem Tag auf den anderen hörten sie auf, wie kleine Vögelchen zu zwitschern, stattdessen starrten sie stumm auf ihre Teller, und wenn ihre Eltern versuchten, sie am Esstisch in ein Gespräch einzubinden, gaben sie nur vereinzelte Grunzlaute von sich. Ingrid und Jan versuchten, wenigstens untereinander ein Gespräch am Laufen zu halten, aber in Gegenwart der stillen kauenden Gesichter war das nicht leicht, und außerdem schienen auch sie nach den vielen Jahren der ständigen Unterbrechungen die Fähigkeit zu einer Unterhaltung zu zweit eingebüßt zu haben.

Mit der Zeit fanden die Söhne ihre Stimmen wieder, aber es wurde nie mehr so wie in ihrer Kindheit. Das wäre auch komisch und nicht normal, dachte Ingrid. Sie war trotz allem zufrieden. Es könnte schlimmer sein. Solange sie denken konnte, hatte sie sich Katastrophen ausgemalt oder vielmehr Möglichkeiten, sie abzuwenden. Als Ingrid drei Jahre alt war, nahm ihre Mutter sich das Leben. Ingrid konnte damals laufen und sprechen, was ihr bewusst wurde, als ihr Vater es vier Jahre später endlich schaffte, sich zu Tode zu saufen. Sie wäre groß genug gewesen, um die Haustür zu öffnen und bei den Nachbarn zu klopfen, damit sie den Krankenwagen riefen, so wie sie als Siebenjährige mit der Straßenbahn zum Frognerpark hätte fahren können, um den stockbesoffenen Vater auf den Rücken zu drehen, weg von der Pfütze, in der er ertrunken war.

Stattdessen hatte sie im Bett gelegen und geschlafen. Erst am nächsten Morgen, lange nachdem die mehr als dreißig Schlaftabletten durch die Mutter hindurchgewandert waren und bereits alle Organe zerstört sowie alle Lebensfunktionen gestoppt hatten, waren die Nachbarn auf Ingrids Schreie aufmerksam geworden. Sie wurde zu den Großeltern nach Hovseter gebracht, wo sie hin und wieder Besuch vom Vater bekamen, der sich ins Gästezimmer legte, um seinen Rausch auszuschlafen. Dort lag er und schrie, phantasierte von kleinen grauen Männchen, die ihn in die Hölle zerren und am Spieß braten wollten. Dann verschwand er wieder, kam zurück und verschwand, und eines Morgens wurde er im Frognerpark gefunden, wo er mit dem Gesicht nach unten in einer Pfütze lag. In den paar Tagen, die er noch lebte, bevor er an einer chemischen Lungenentzündung starb, nachdem er das Wasser in der Pfütze eingeatmet hatte, besuchte Ingrid ihn mit ihren Großeltern im Krankenhaus. Als sie ihn dort liegen sah, an Kabel und Schläuche angeschlossen, erkannte Ingrid, dass sie ihn hätte retten können. Dieser winzige Gedanke nistete sich im Herbst 1972 im Ullevål-Krankenhaus in ihr ein, als sich ihr siebenjähriges Gehirn in einem Entwicklungsstadium befand, in dem es wohl besonders empfänglich für neuen Input war, denn der Gedanke wuchs und gedieh. Bald wurde Ingrid klar, dass sie auch ihre Mutter hätte retten können, und mit der Zeit dehnte sich der Gedanke in Raum und Zeit aus, so dass sie sich auch verantwortlich fühlte für Dinge, die auf der anderen Seite des Erdballs geschehen waren oder sogar im Zweiten Weltkrieg, 1941, also lange vor ihrer Geburt, als ihr Großvater nach Sachsenhausen deportiert worden war. Wenn die Rede auf den Zweiten Weltkrieg kam oder auf ein Thema, das theoretisch zum Zweiten Weltkrieg hinführen konnte, verließ ihr Großvater das Zimmer. Dass der Großvater mitten im Gespräch aufstand und ging, war für Ingrid so selbstverständlich wie die Tatsache, dass man im Regen nass wurde. Keiner stellte sein Verhalten in Frage, vielmehr war die restliche Familie der Ansicht, es gebe eine direkte Verbindung zwischen Großvaters Schweigen und dem Selbstmord der Mutter. Der Zweite Weltkrieg setzte sich in den Familien fort, von Generation zu Generation, Ingrid hätte ihren Großvater warnen sollen, bevor ihn die Gestapo schnappte, dann hätte ihre Mutter sich nicht das Leben genommen, und ihr Vater hätte nicht ständig zur Flasche gegriffen.

Es kam darauf an, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Das hatte sich an einer Stelle in ihr festgesetzt, auf die Vernunft und Logik keinen Zugriff hatten, auch Hypnose und Psychotherapie nicht, Methoden, die sie ebenfalls ausprobiert hatte. Und genau wie ihre Eltern umgekommen waren, während sie im Bett gelegen hatte, kamen weiterhin Menschen um, während sie im Bett lag, und jeden Morgen las sie von Katastrophen, die sich in der Nacht ereignet hatten, ohne dass sie einen Finger gerührt hätte, um diese zu verhindern.

Kam sie an einer leeren Galerie oder einem leeren Restaurant vorbei, musste Ingrid gegen den Drang ankämpfen, die Galerie zu betreten und Interesse an den Bildern an der Wand zu heucheln oder in das Restaurant hineinzugehen und sich an einen Tisch zu setzen. Es kostete sie viel Kraft, diesen Impulsen zu widerstehen, die sich nicht selten für etwas anderes ausgaben. Ging sie an einem leeren Café vorbei, in dem ein einsamer Kellner stand und nach draußen sah, kamen ihr alle möglichen Gründe in den Sinn, weshalb sie unbedingt einen Kaffee brauchte, obwohl sie gerade erst einen getrunken hatte, nur um vor sich zu rechtfertigen, dass sie das Café betrat und Ordnung herstellte. Nichts war gewonnen, wenn sie irgendwo eintrat und sich ein paar Bilder anschaute oder einen Kaffee bestellte, das war ihr klar, und wenn sich jemand in den Kopf gesetzt hatte, in einer schwach frequentierten Gegend Galerien oder Cafés zu eröffnen, war das nicht ihr Problem. Doch hier sprachen Logik und Vernunft, und ihre geschwätzigen, aber dünnen Stimmchen konnten gegen den starken Drang, dennoch einzutreten, nichts ausrichten, ganz so, als würde sie mit diesen zwecklosen Handlungen ein allgegenwärtiges Wesen nähren, das sagte: Tu es, dann nehme ich dir einen Teil deiner riesigen Schuld ab, versprochen. Das Wesen hielt seine Versprechen nicht, trotzdem ließ sie sich immer wieder verführen.

Sollte ihren beiden Söhnen etwas zustoßen, wäre ihr Leben vorbei. Dann wäre sie am Ende, nichts ginge mehr. Trotzdem wollte sie nicht mehr Zeit als nötig mit ihnen verbringen. Kam einer von ihnen ins Zimmer, stieg ihr Puls, als wäre sie eine Angestellte, die sich vor der Arbeit drückte, und als wären Jonas mit seinen zwanzig Jahren sowie Martin mit seinen achtzehn ihre autoritären Chefs. Ingrid wusste immer, wann sie Geld haben wollten: Dann waren ihre Gesichter offen und freundlich, fast so wie früher. Anfangs war sie darüber traurig gewesen. Wie bei einem Liebesverhältnis, das zu Ende war, dachte sie, wenn die beiden durchs Haus trampelten und nur lächelten oder ihr in die Augen sahen, sobald sie Geld brauchten.

Kommst du heute zum Essen?, fragte sie manchmal per SMS, und wenn die Antwort, falls eine kam, nein lautete, ohne großen Anfangsbuchstaben, Erklärung oder Entschuldigung, schrieb sie zurück: Okay. Dann hebe ich dir eine Portion auf :-) An mir soll es nicht liegen, dachte Ingrid, während sie auf Senden drückte.

Ein Jahr nach dem Abitur wohnte Jonas immer noch zu Hause, und während er überlegte, was er studieren wollte und ob er überhaupt studieren wollte, jobbte er in einer Bäckerei in Holtet und investierte alles Geld, das er verdiente, in Aktien.

«Sollte er nicht etwas Geld zu Hause abgeben?», hatte Ingrid Jan gefragt.

«Schon … aber wir brauchen das Geld ja nicht», hatte Jan geantwortet. «Es ginge also nur ums Prinzip. Und das ist sinnlos.»

«Ja, vielleicht», hatte Ingrid erwidert. «Aber wenn er etwas Geld abgeben müsste, wäre es weniger attraktiv für ihn, hier zu wohnen.»

«Er zieht schon früh genug aus. Ich finde es schön, dass er noch hier wohnt, dass wir zusammen fernsehen oder Sushi essen. Ist doch toll, dass er überhaupt am Freitagabend mit uns zusammensitzen, Sushi essen und Weißwein trinken will, das machen bestimmt nicht viele Zwanzigjährige.»

«Doch, das machen viele Zwanzigjährige. Bei der Arbeit reden sie ganz oft über dieses neue Phänomen, dass die erwachsenen Kinder am Wochenende lieber mit ihren Eltern vorm Fernseher sitzen, als auszugehen. Aber es geht ganz schön ins Geld, wenn man für vier Leute Sushi und Weißwein kaufen muss anstatt für zwei. Erwachsene Menschen sind viel teurer im Unterhalt als Kinder. Es ist wie das Leben in einer WG, nur dass du für alle zahlst. Und auch noch hinter ihnen aufräumst und putzt.»

Ingrid wusste, dass ihre Söhne nur aus einem einzigen Grund am Freitagabend mit ihnen zusammensaßen, weil es nämlich Wein und Sushi umsonst gab und Ingrid und Jan, die sich geehrt fühlten, dass die beiden überhaupt da sitzen wollten, ihnen die Entscheidung über das Fernsehprogramm überließen, und so endeten diese Freitagabende mit Filmen und Serien, die Ingrid veranlassten, sich in die Küche zu setzen und auf ihrem Handy in Onlinezeitungen zu lesen, während Pistolenschüsse und Schreie durchs Haus gellten.

«Sie ziehen schon früh genug aus», sagte Jan.

 

Ingrid hatte oft bereut, dass sie Kinder bekommen hatte. Was ihnen nicht alles zustoßen konnte, was sie nicht alles bedrohte, es war ein neuer Abgrund, der sich am Tag von Jonas’ Geburt aufgetan hatte und sich erst wieder schließen würde, wenn sie selbst nicht mehr lebte. Jonas’ kleiner Babykörper hatte ihren alten Katastrophenphantasien neues Leben eingehaucht, daher wusste Ingrid, dass weder sie noch Jan es jemals übers Herz bringen würde, die Söhne hinauszuwerfen und sie damit zu zwingen, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie würden es nicht einmal fertigbringen, sie freundlich zum Ausziehen aufzufordern. Denn was wäre, wenn etwas passierte? Wenn sie Jonas zwangen, sich ein Zimmer zu suchen, von einem Job oder einem Studienkredit zu leben, und er zum Beispiel nach einer Party von der Veranda stürzte und künftig gelähmt war oder wenn er in einer Taxischlange erschlagen wurde oder sich bis zur Besinnungslosigkeit besoff und in einer Schneewehe einschlief und erfror, und keiner würde es merken, weil er nicht länger in einem Haus lebte, in dem jemand aufblieb und auf ihn wartete, so wie Ingrid, die, auch wenn sie nicht im wörtlichen Sinne aufblieb, so doch wach lag, bis er wieder zu Hause war?

Ingrid erinnerte sich an die Nachmittage ihrer eigenen Kindheit, wenn ihre Großeltern Ruhe einforderten, weil sie Mittagsschlaf halten wollten. Die Vorstellung, dass Jan oder sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt in der Kindheit ihrer Söhne nach dem Essen aufs Sofa gelegt und Ruhe im Haus verlangt hätten, war vollkommen abwegig. Nach dem Essen ging es laut und hektisch zu, bis sie endlich mit den ganzen Sportsachen zur Tür herauskamen, sich in ein kaltes Auto setzten und zu einem erleuchteten Sportgelände oder Stadion fuhren, wo man zähneklappernd herumstand, weil der Weg nach Hause so weit war, dass man, kaum angekommen, gleich wieder losfahren müsste, um die Kinder abzuholen, und so weiter.

Heute sah sie ein, dass die ganze Mühe umsonst gewesen war. Vielleicht nicht für Jan und sie, die sie eine gewisse Befriedigung darin gefunden hatten, ihre Pflicht im Einklang mit dem Zeitgeist zu erfüllen. Für die Jungen schien es aber keinen Unterschied gemacht zu haben, sie waren weder besonders gut in der Schule noch besonders umgänglich oder freundlich, alles an ihnen war durchschnittlich und gewöhnlich, und wenn Ingrid sie irgendwie hätte charakterisieren sollen, hätte sie gesagt, dass sie gut für sich selbst sorgen konnten. Aber hatten Jan und sie die beiden nicht genau dazu erzogen: für sich selbst zu sorgen, damit ihnen nichts zustieß?

Für die Zukunft sah sie vor sich, wie ihre Söhne sie im Altersheim besuchten, sah sie vor sich in mittlerem Alter mit Teenagern und Ehefrauen im Schlepptau, es wäre Sonntag, der allmonatliche Sonntag, sie würden ihre Jacken nicht ausziehen und sich im Aufenthaltsraum neben sie setzen. Den Kopf seitlich angelehnt, würde Ingrid dort sitzen und im Halbschlaf vor sich hin dämmern, um den Hals hätte sie vielleicht noch ein Lätzchen mit eingetrockneten Essensflecken, das ihr das Pflegepersonal aus Zeitgründen noch nicht hatte abnehmen können. Neben ihr säßen die mittelalten Söhne in ihren Jacken und starrten in die Luft oder auf ihre Smartphones oder welche Geräte dann üblich wären, während ihre Frauen versuchten, ein Gespräch zu führen, vielleicht würden sie Ingrid fragen, was es zum Nachtisch gegeben habe, in neckischem Ton, als wäre Ingrid ein unartiges Kind, das nur Nachtisch und Süßigkeiten haben wollte. Die Teenager würden in regelmäßigen Abständen stöhnen, und nach einer halben Stunde würden alle aufbrechen, und bis zum nächsten Besuch würde wieder ein Monat vergehen.

Sie würden sich keine Gedanken und Sorgen machen, so wie Ingrid sich Gedanken und Sorgen um ihre Eltern und Großeltern gemacht hatte, und Ingrid erkannte das Paradox an diesem Phänomen, das sie in ihrer eigenen Familie wie auch in der Gesellschaft allgemein beobachten konnte: Eltern, die ihren Aufgaben nicht gerecht geworden waren, wurden häufig mehr Interesse und Zuwendung zuteil als Eltern, die ihre sogenannte Pflicht getan hatten. Es kam nicht selten vor, dass sich Kinder alkoholkranker Mütter um den Haushalt kümmerten, sich in Erwachsene verwandelten, die Flaschen versteckten und die Mütter vor Elternabenden ankleideten, damit das Jugendamt nicht eingeschaltet wurde. Je nachdem, wie man es sah, ging es für diese Söhne und Töchter später gut oder schlecht aus, aber allen gemeinsam war, dass die Eltern den Mittelpunkt ihres Lebens bildeten: Die alkoholkranken oder drogensüchtigen Eltern waren eine schwarze Sonne, um die die Kinder unablässig kreisten, ein Rätsel, das zu lösen sie nie aufgaben. Ingrid hatte Dokumentarfilme über solche Kinder gesehen, und das Gesicht eines Sohnes hatte sich besonders intensiv in ihr Gedächtnis eingebrannt, das offene, hoffnungsfrohe Gesicht, als er seine alkoholkranke Mutter in ihrer Sozialwohnung besuchte. Die Mutter brauchte einige Zeit, um die Tür zu öffnen, sie ging an Krücken, und der Sohn umarmte sie, fragte, wie es ihr gehe: «Wie geht’s dir, Mama, wie fühlst du dich, isst du vernünftig?», woraufhin die Mutter nur etwas vor sich hin murmelte und in die Wohnung humpelte. Der Sohn ging hinter ihr her, aber zuvor drehte er sich zur Kamera und sagte: «Ich glaube, heute hat sie einen ziemlich guten Tag.»

Ingrid war zu folgendem Schluss gelangt: Eltern sind wichtig, wie Luft und Wasser wichtig sind, die man erst wahrnimmt, wenn sie nicht mehr da sind oder vergiftet. So ist es auch mit den Eltern, dachte Ingrid: Es fällt einem erst auf – beziehungsweise wirkt sich erst aus, und dann stets negativ –, wenn sie verschwinden, giftig oder schädlich sind oder wenn sie sich das Leben nehmen, alkoholsüchtig, drogenabhängig oder kriminell werden. Mit anderen Worten: Man kann als Eltern seine Kinder nicht besser machen, als sie sind, man kann sie aber sehr wohl kaputtmachen.

Hätte Ingrid diese Erkenntnis früher gehabt, wäre ihr vieles erspart geblieben. Denn Jan und sie hatten sich bei der Erziehung ihrer Kinder selbstverständlich am Zeitgeist orientiert, sie hatten ihnen eine Kindheit mit Liebeserklärungen und Körperkontakt geschenkt, mit Familienfrühstücken, Anfeuerungsrufen bei Fußballspielen, Geburtstagsfeiern, gesunden Pausenbroten, die die gesamte Ernährungspyramide berücksichtigten, mit Vorlesen und Aufmerksamkeit – also einem interessierten Ohr für ihre Phantasien und Träume sowie geduldigen Antworten auf alle Fragen. Mindestens eine halbe Stunde pro Kind hatten Jan und sie ein Jahrzehnt lang jeden Abend bei ihnen am Bett gesessen und sich dabei abgewechselt. Sie hatten frisches Essen gekocht und keine Fertiggerichte serviert, hatten bei der kleinsten Kleinigkeit den Arzt aufgesucht, hatten die Söhne getröstet und beklatscht, sie begleitet, gefahren und abgeholt. Sie waren bei allen Sprechstunden, Elternabenden und Arbeitseinsätzen dabei gewesen, hatten beiden Jungen erlaubt, in der Blaskapelle mitzumachen, obwohl sich keiner der beiden besonders für Musik interessierte, sondern nur wegen der Reisen dabei sein wollte, die über zwei Flohmärkte im Jahr finanziert wurden, was Ingrid und Jan jedes Frühjahr und jeden Herbst vier, fünf Nachmittage und Abende kostete, an denen sie durch die Stadt fuhren, um Möbel, Vorhänge, Spiele, Kleidung, Nippes und Elektrogeräte abzuholen, und woraufhin sie ein weiteres Wochenende opfern mussten, um das ganze Zeug zu verkaufen, und alles nur, damit die Jungen zitternde, unbeholfene Versionen von «Yesterday» und «Just a gigolo» spielen lernten, der eine auf der Trompete, der andere auf dem Saxophon.

Warum?, dachte Ingrid jede Nacht, wenn sie gegen halb zwei aufwachte und so gut wie immer erst am frühen Morgen wieder einschlief. Wach genug zum Grübeln, aber für fast alles andere zu müde, lag sie da, während die Nacht langsam hell wurde und dem Ende entgegenging, ohne Versteckmöglichkeiten zu bieten, und in dieser Zeit drängte sich ihr eine bestimmte Erinnerung auf. Jahrelang hatten Jan und sie die Jungen zum Fußballplatz hoch nach Ekeberg gefahren, und nicht nur die Jungen, sondern auch ihre Fahrräder, und als wäre das noch nicht genug: Ingrid kniff die Augen zu, um sich vor der glasklaren Erinnerung an sich selbst zu schützen, wie sie die Fahrräder der Jungen ins Auto hievte, einen VW Caravelle, während die Jungen darin saßen und auf ihre Handys starrten. Da läuft sie, verschwitzt und erschöpft, in mittlerem Alter und hievt die Räder in den Caravelle, während zwei große männliche Wesen darin sitzen und darauf warten, dass sie endlich losfahren können.

Die beiden männlichen Wesen, die sie hervorgebracht hatte, waren mittlerweile größer als sie, überragten sie, aber sie waren nicht in der Lage, sich den Hintern abzuwischen. Ihre Unterhosen zeigten Bremsspuren, die Ingrid mit Fleckentferner einsprühte und dann im Kochwaschgang wusch. Mit anderen Worten, sie wechselte ihnen noch immer die Windeln. Mochten sie für sich sprechen und gut argumentieren, mochten sie ihr kleines Aktienportfolio im Blick haben – denn mittlerweile hatte auch Martin einen Job in der Bäckerei und hatte ebenfalls angefangen zu investieren –, sie konnte sich die beiden trotzdem schwerlich vorstellen, wie sie wahren Herausforderungen begegneten, Langeweile aushielten, Schmerzen.

Ingrid würde es begrüßen, wenn es noch den obligatorischen Wehrdienst gäbe. Doch nur ein Teil von ihr verspürte diesen Wunsch. Der andere Teil wollte auf die Söhne aufpassen, wollte sie nicht in einen möglichen Krieg schicken. Natürlich nicht. Und doch. Manchmal lag sonntagmorgens eine verkohlte Pizza im Backofen, der immer noch an war, während Martin im Badezimmer auf dem Boden schlief und schnarchte, noch besoffen vom Abend vorher. Jeden Nachmittag kam Ingrid in eine unordentliche, schmutzige Küche, egal wie sauber und aufgeräumt sie sie verlassen hatte, und nachts lag sie wach und stritt und argumentierte sich durch Dialoge, Telefongespräche und E-Mails, die in der Realität niemals geführt oder abgeschickt würden. Das kriegte sie hin, aber sie schaffte es nicht, ihre Söhne dazu zu bringen, dass sie sich den Hintern richtig abwischten oder ihre Unterhosen wuschen oder die Küche hinter sich aufräumten oder auch nur ein normales Gespräch mit ihren Eltern führten, in dem es nicht um Geld oder sonstige Dienste ging.

Ingrid würde am liebsten die Zeit zurückdrehen und alles anders machen. Aber der Zug war abgefahren, die Söhne waren groß, sie waren geformt, daran gewöhnt, dass im Namen der Liebe alles für sie geregelt wurde. In Ingrids Tagträumen zogen die beiden nach Australien, zugleich wünschte sie sich eine Garantie dafür, dass sie in Australien zu hundert Prozent sicher waren. Sie träumte davon, dass die beiden wieder Kinder wären und sie einen anderen Kurs einschlagen könnte. Welchen Kurs, wusste sie nicht, und Ingrid stellte sich vor, wie sie mit zunehmend krummerem Rücken durch die Gegend lief und Fleckentferner auf Unterhosen sprühte, bis sie umfiel.

 

Aus der engen dunklen Wohnung der Großeltern in Hovseter war Ingrid zu Jans solider, traditionsreicher Familie in das große Haus im Solveien gezogen. Im zugehörigen Garten unten an der Straße hatten Jan und sie ihr eigenes Haus gebaut, eine moderne Ausgabe des alten Hauses, im gleichen Braunton gehalten, mit den gleichen blauen Fensterrahmen.

Im Sommer saßen Ingrid und Jan – und die beiden Jungen, als sie noch jünger waren – gern zusammen mit Ulla und Jørgen, Jans Eltern, unter dem alten Birnbaum und aßen Waffeln mit selbstgemachter Birnenmarmelade, tranken Kaffee aus Ullas altem, ziemlich verblichenem Rörstrand-Service. Die Nachmittagssonne fiel durch das Laub auf sie und übersäte sie mit hellen Flecken. An dem schmiedeeisernen Tisch, an dem sie saßen und an dem die Farbe abblätterte, hatte Jan schon als Kind gesessen, genau wie sein Vater und dessen Vater vor ihm. Das war auf alten Schwarzweißfotos in Jørgens Familienalbum zu sehen, denn das Grundstück war schon seit über hundert Jahren in Familienbesitz. Eine Generation folgt auf die andere, dachte Ingrid und betrachtete die dunkelvioletten Fliederbüsche, die die Außentreppe zu beiden Seiten säumten, auch sie mehr als hundert Jahre alt. Wenn sie sich nur anständig benahm und ihre Pflicht erfüllte, würde alles unverändert weiterlaufen. Ohne jemals innezuhalten. An ihr sollte es jedenfalls nicht scheitern.

Etwa einmal pro Woche schlief sie mit Jan und hakte es anschließend auf einer imaginären Liste ab. So, dachte sie, das wäre erledigt. Eine Woche war der Rhythmus, der sich in all den Jahren etabliert hatte, so wie alles seinen Rhythmus hatte: Rasen mähen, Schnee fegen, Glühbirnen auswechseln, zum Sport gehen, Ölwechsel machen, Sex haben, und wenn mehr als eine Woche verstrich, dann staute sich etwas in ihr an, eine Unruhe, ein Gefühl mangelnden Gleichgewichts. Aber nun war das schon mal erledigt, und bald schnarchte Jan, und Ingrid lag wach und dachte an den nächsten Tag, das Essen, die Gefriertruhe, den Kühlschrank, die Garderobe, die Schüler, die Kollegen, die Konferenzen. Noch zu erledigende Aufgaben strömten nur so auf sie ein, und so wie sich eine Turnerin den Salto auf dem Schwebebalken vorstellt, bevor sie überhaupt auf den Schwebebalken steigt, so stellte Ingrid sich vor, wie sie in nur wenigen Stunden zu einem neuen Tag aufstehen würde, einem neuen Tag, den sie als Hindernislauf vor sich sah. Der Tag bestand im Überwinden von Hindernissen, und sie hakte jedes Hindernis auf ihrer imaginären Liste ab. Und dann?, flüsterte sie vor sich hin. Wenn alle Hindernisse überwunden sind, was dann? Dann kommt der Tod, antwortete sie und empfand Erleichterung, denn in letzter Zeit hatte sie beim Gedanken daran, dass es für alles ein endgültiges Ende gab, Erleichterung empfunden. Diese Erleichterung beim Gedanken an den Tod rief ihr wieder das Erbe ins Bewusstsein, das sie mit sich herumschleppte. Schlug es jetzt durch und bedeutete das dann, dass etwas in ihrem Leben nicht stimmte, dass sie etwas ändern, sich anders ernähren, den Job wechseln sollte? Aber sie ernährte sich schon gesund. Sie trank wenig Alkohol und kochte nahrhaftes Essen. Sie bezahlte pünktlich ihre Rechnungen, sortierte den Müll und putzte selbst im Gegensatz zu vielen Leuten in ihrem Freundeskreis und in der Nachbarschaft, von denen die meisten eine Putzfrau aus Polen, der Ukraine oder von den Philippinen hatten. Und auch wenn sie ihre Arbeit nicht länger liebte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass es ihr anderswo besser gefallen würde. Außerdem war sie fünfzig. Es gab keinen Grund, alles hinter sich zu lassen, keinen Grund zu klagen, alles war in Ordnung, und es gab keinen Ort, wohin sie gehen könnte, wohin sie flüchten könnte, und weshalb sollte sie auch flüchten?

Die Welle aus zu erledigenden Aufgaben baute sich vor ihr auf, Ingrid wäre am liebsten aufgestanden und hätte einiges davon abgearbeitet, gern wäre sie aufgestanden und hätte alles Essen, Aufräumen, Arbeiten hinter sich gebracht, hätte gern ein für alle Mal die Arbeit hinter sich gebracht, ein für alle Mal das Essen hinter sich gebracht, ein für alle Mal den Toilettengang hinter sich gebracht, hätte gern ein für alle Mal ihre Söhne gefragt, wohin sie wollten und wann sie zurück wären, und somit jede einzelne Aufgabe ein für alle Mal abgehakt.

Und damit verbunden war das Bedürfnis nach Vereinfachung. Das Bedürfnis, nicht so viel Auswahl zu haben. Im Laden stand sie manchmal vor den Regalen mit Zahnpasta und versuchte, die unterschiedlichen Angebote auseinanderzuhalten. Wollte sie weiße Zähne haben, wollte sie Fluor, wollte sie die Kälteempfindlichkeit ihrer Zähne verringern, und was war mit Zahnstein? Schließlich nahm sie aufs Geratewohl eine Tube aus dem Regal, und auf dem Weg zur Kasse: Hätte sie besser eine andere nehmen sollen, hätte sie Verbrauchertests studieren, sich für eine Zahnpastasorte entscheiden und diese beibehalten sollen? So, damit war das Thema Zahnpasta abgeschlossen, darüber brauchte sie nicht mehr nachzudenken, und so würde sie alles in ihrem Leben durchgehen und dem Ökonomieprinzip unterwerfen, vereinfachen, bis es nichts mehr gab, worüber sie sich noch Gedanken machen musste.

Der Tod, dachte sie wieder, und erneut empfand sie Erleichterung, und möglicherweise bestand eben darin ihr Erbe, in dieser Erleichterung, sobald sie an den Tod dachte, jedenfalls an ihren eigenen, denn ihr ganzes Leben lang hatte sie darauf gewartet, dass das Erbgut, das sie in sich trug, alles einreißen würde, was sie aufgebaut hatte. Ingrid gefiel die Vorstellung, sie stünde mit dem Rücken zu einem Kugelhagel, von dem die beiden Söhne verschont geblieben waren, weil sie keine Alkoholikerin und nicht verrückt geworden war, sondern vielmehr alles, was ihre Eltern zerschlagen hatten, repariert hatte oder zumindest versucht hatte, es zu reparieren. Backstein für Backstein, Planke für Planke hatte Ingrid eingesammelt und wieder aufgebaut, so wie Jan und sie das Haus gebaut hatten, in dem sie wohnten.

Ingrid verglich ihr Leben gern mit den Flickenteppichen, die Ulla auf dem großen Webstuhl im Keller webte. Da saß ihre Schwiegermutter, die in einem Arbeiterviertel in Göteborg aufgewachsen war, in einem Berg aus Lumpen, die sie auf dem Flohmarkt und in Secondhandläden aufgestöbert oder von Freunden und Bekannten bekommen hatte, denn alle wussten, dass sie Lumpen sammelte, dass sie eine «Lumpensammlerin» war, wie Ulla sich gern nannte, und langsam, aber sicher verwandelte sie die Lumpen in schöne strapazierfähige Teppiche. Das Haus der Schwiegereltern war voll von Ullas Flickenteppichen, von denen jeder sein eigenes Farbthema hatte: Gelb, Grün, Rot oder Blau, und so wie die Lumpen dank Ullas unermüdlicher Arbeit zusammengefunden hatten, um sich zu etwas Solidem und Schönem zu fügen, so hatte Ingrid aus ihrem eigenen lumpigen Ausgangspunkt eine dichte, strapazierfähige Decke gewebt. Solche Gedanken gehörten zu dem, was sie früher ihre Tage hatte überstehen lassen. Aber in letzter Zeit schienen die alten Kniffe nicht länger zu wirken, als hätte das Leben den einen oder anderen Misston angenommen. Früher hatte sie gern geredet, Geschichten erzählt, telefoniert, gelacht, diskutiert, getratscht, Reisen und Hüttenwanderungen geplant. Sie war sogar gern zur Arbeit gegangen. Aber heute graute ihr vor allem, was Sozialkontakt mit sich brachte, und sie war erleichtert, wenn es vorbei war. Nach der Arbeit lag sie auf dem Sofa und lauschte dem Piepen eingehender SMS oder E-Mails. Früher konnte man behaupten, man hätte das Telefon nicht gehört, heute gab es kein Entrinnen, heute hatten alle ein Smartphone, auf dem klar und deutlich zu lesen stand, wer angerufen hatte und wann. Und erreichte man jemanden auf dem einen Medium nicht, gab es tausend andere. Jedes einzelne Medium und jeder einzelne Kommunikationskanal waren ein Nadelstich in die Haut, ein Zupfen am Ärmel, eine winkende Hand, ein Gesicht, das sich mit überdeutlicher Mimik bemerkbar machte und das Entsprechendes zurückerwartete. Bestimmte Gesichtsausdrücke, bestimmte Töne.

Ingrid verhielt sich wie ihr altes Ich, sie telefonierte und antwortete mit demselben Enthusiasmus auf Einladungen und Vorschläge, weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte, und außerdem war sie noch Teil desselben Netzwerks, es hatte sich nicht verändert und bestand aus Jan und ihren beiden Söhnen, aus Ulla und Jørgen im Nachbarhaus, aus ihren Freunden und der Schule, in der alle Korridore und Klassenzimmer jederzeit mit mal mehr, mal weniger Menschen gefüllt waren und wo erwartet wurde, dass man aufmerksam war, grüßte, Türen aufhielt, redete, zuhörte, erklärte, verstand, sich verständlich machte.

In der Schule war sie nur auf der Behindertentoilette allein. Und es gab Grenzen, wie oft sie auf die Behindertentoilette gehen und den Kopf hängen lassen konnte, wie lang sie dort sitzen und Trost in der Tatsache finden konnte, dass sich zwischen ihr und jedem anderen Lebewesen vier Wände und eine verschlossene Tür befanden.

Es war, als hätte sie etwas verloren, das sie früher den Tag hatte überstehen lassen, einen Stoff, etwas, das ihre Handlungen mit Sinn erfüllt hatte und das ihr erst auffiel, als es nicht mehr da war.

Na ja, dachte Ingrid. Hätte sie vor hundert Jahren gelebt oder an einem anderen Flecken auf diesem Globus, wäre sie längst schon tot.

 

Ingrid fand es unangenehm, betrunken zu sein, sie erkannte sich selbst nicht im Verlangen nach Alkohol, das ihr bei Freunden und Kollegen auffiel, aber dann waren da noch andere Symptome: Sie hatte keine Lust, sich mit Leuten zu unterhalten, und verspürte diese Sehnsucht nach Schlichtheit, diese Sehnsucht, zum Ende zu kommen, fertig zu werden. Waren das die ersten Anzeichen einer klinischen Depression, ja, war das ihr Erbe und war es jetzt doch im Begriff, sich wie eine Krebsgeschwulst oder eine fleischfressende Bakterie in ihr auszubreiten? So lag sie nachts wach und grübelte, während sie Jans leichtem Schnarchen lauschte, das kam und ging.

«Vielleicht solltest du mal zum Arzt gehen», hatte Jan gesagt.

In jüngeren Jahren war sie zu einem Psychologen gegangen, der ihr zu der Erkenntnis verhelfen wollte, dass der Tod ihrer Eltern nichts mit ihr zu tun hatte, und zwischendurch schien es, als hätte es funktioniert. Aber dann war alles zurückgekommen, stärker denn je, und als Ingrid schließlich nach vielen Jahren die Therapie beendete, hatte sich nichts geändert, und doch sagte sie sich, es hätte geholfen, denn alles andere wäre unerträglich, wenn man alle Stunden zusammenrechnete, die sie dort verbracht hatte, alle Tränen, die sie vergossen hatte, und alles, was sie erzählt, erinnert und durchgeackert hatte. Es konnte nicht sein, dass all diese Arbeit vergeblich gewesen war.

Dennoch besorgte sie sich einen Termin, damit Jan nicht behaupten konnte, sie weigere sich, zum Arzt zu gehen. Die meisten Menschen gingen zum Arzt, wenn sie Probleme hatten, sie gingen zum Arzt und legten ihre Probleme in seine Hände, und dann taten sie das, was der Arzt ihnen empfahl.

Ingrid hatte beim Hausarzt gesessen und gesagt, sie erkenne sich selbst nicht wieder.

«Ich laufe durch die Straße und würde am liebsten andere Menschen zusammenschlagen. Gestern stand ein Mann vor der Straßenbahntür und weigerte sich, zur Seite zu gehen, um denen, die aussteigen wollten, Platz zu machen, so dass sich alle an ihm vorbeizwängen mussten. Ich hätte ihn am liebsten umgestoßen. Ich habe es nicht getan, aber der Drang war sehr stark. Es wäre mir leichter gefallen, es zu tun, als es zu unterlassen.»

Der Arzt nickte. «Es ist sehr verständlich, dass Sie sich über so etwas ärgern. Das ginge mir genauso.»

«Aber die Wut wird immer größer, und ich kann sie nirgendwo ausleben. Ich rege mich unheimlich auf über einen übergewichtigen Menschen, der die Straße entlangwatschelt oder neben mir in der Straßenbahn sitzt, wie viel Platz dieser Mensch beansprucht, mit wie vielen Beschwerden dieser Mensch das Gesundheitssystem belastet, einfach nur, weil er oder sie darauf beharrt, sich mit Essen vollzustopfen. Jetzt schreiben sie in der Zeitung auch noch, man solle die Leute nicht diskriminieren, man solle ihnen mit Rücksicht begegnen, weil sie ansonsten Komplexe bekommen und noch mehr in sich hineinstopfen könnten. Menschen, die den ganzen Bürgersteig einnehmen und so fett sind, dass sie sich kaum bewegen können, die in der Straßenbahn zwei Plätze belegen, und dann soll man auf ihre Gefühle Rücksicht nehmen? Was ist mit meinen Gefühlen? Was ist, wenn ich irgendwann Hilfe brauche oder finanzielle Unterstützung, aber die Kassen leer sind, weil diese Typen alles aufgebraucht haben? Und in der Schule haben wir Anorektiker, die essen überhaupt nichts, beanspruchen dann aber alle möglichen Spezialbehandlungen, obwohl sie sonst nur wenig Platz einnehmen.»

Ingrid saß ganz vorne auf der Stuhlkante und fuchtelte mit den Armen. Der Arzt schaute auf den Bildschirm vor sich.

«Aha. Und Ihr Schlaf?»

«Welcher Schlaf?»

Ingrid versuchte zu lachen, aber der Arzt tippte nur auf seiner Tastatur herum und starrte unverwandt auf den Bildschirm.

«Und die Libido? Das Sexualleben?»

«Na ja, einmal die Woche, aber ich empfinde keine Lust mehr. Ich mache es trotzdem, weil es mir Spaß macht, wenn wir erst mal dabei sind, und nicht zuletzt gefällt es mir, es hinter mich gebracht zu haben, das Gefühl danach, die Nähe zu Jan. Aber ich habe es satt, so wütend zu sein, wütend zu werden, sobald ich nur in die Straßenbahn steige oder auf die Straße gehe, als hätte sich etwas aufgelöst, irgendeine Art mildernder Umstand, ein Schleier oder ein Vorhang, der zur Seite gezogen wurde, so dass ich die Welt sehe, wie sie wirklich ist und immer war. Ich hoffe natürlich, dass das nicht stimmt. Ich hoffe, dass es umgekehrt ist und ich jetzt unter Zwangsvorstellungen leide.»

«Sie sind bestimmt in den Wechseljahren», sagte der Arzt, und Ingrid wurde ins Labor geschickt, wo man ihr ein Röhrchen Blut nach dem anderen abzapfte. Sie bekam ein Rezept für Schlaftabletten und ein Hormonpflaster, das sie sich auf den Bauch kleben und jeden dritten Tag wechseln sollte, und in den ersten Wochen hatte sie besser geschlafen, und die Lust war ganz allmählich zurückgekehrt, aber dann schien sich der Körper auf die neuen Chemikalien einzustellen, und so lag sie wieder die halbe Nacht wach, wollte wieder alle anschreien, die in die Straßenbahn drängten oder langsam über den Bürgersteig liefen, und so setzte sie die Schlaftabletten und das Pflaster ab, da beides Nebenwirkungen hatte: Sie wachte mit trockenem Mund auf und lief mit Dauerkopfschmerzen durch die Gegend, sie wurde etwas wirr im Kopf und vergesslich. Sie setzte die Medikamente ab, die Nebenwirkungen verschwanden, und sie lag wieder schlaflos da.

Jan hörte auf zu schnarchen, dann fing er wieder an. Ingrid strich ihm über den Arm, es wurde still, zu guter Letzt schlief sie wieder ein, um wenige Stunden später erneut aufzuwachen und es in jeder Körperzelle zu spüren: dass es dringend etwas zu erledigen gab, dass sie irgendwo sein müsste, etwas vergessen haben musste, übersehen, und das, was sie vergessen oder übersehen hatte, hätte etwas Schreckliches zur Folge. Gegen halb fünf gab sie auf, setzte die Füße auf den Boden, schlüpfte in den Bademantel und ging hinunter in die Küche. Dabei kam es ihr die ganze Zeit so vor, als würde ihr die Situation entgleiten. Sie holte sich etwas zu essen aus dem Kühlschrank, und die Situation entglitt ihr. Sie kochte Kaffee, und die Situation entglitt ihr. Warum war sie hier, warum tat sie, was sie tat? Wo vorher alles geflutscht hatte, kam es jetzt zum Stillstand, und sie musste sich gut zureden, um weiterzukommen, denn wenn sie in dieses Träge, quasi Zähflüssige eintauchte, musste sie die Küche aufräumen, duschen oder etwas erledigen, sie musste sich zur nächsten Station schleppen und zur übernächsten.

 

Nachdem sie gegessen, die Küche aufgeräumt, ein paar Klassenarbeiten korrigiert, sich fertiggemacht und die Tasche gepackt hatte, war es gerade mal halb sieben. Als wäre sie in eine Zeitschleife geraten, in der alles festzusitzen schien. Gleichzeitig war es ihr unbegreiflich, wo die Zeit geblieben war. Es musste das Alter sein, das die Zeit so kommen und gehen ließ: schwerfällig und fordernd, solange sie da war, und so leer, nichtssagend und zusammengepresst wie ein Stapel leerer Blätter, wenn sie vorüber war.

Bevor sonst jemand aus der Familie aufwachte, war sie aus dem Haus, und schon bald saß sie mit Kopfhörer und geschlossenen Augen in der aus Ljabru kommenden Straßenbahn. Den Kopfhörer hatte sie von Jan zu Weihnachten bekommen, es war einer von denen, die keine Geräusche durchließen, sie hörte nichts anderes als das entfernte Rumpeln der Straßenbahn und das Rauschen in ihren Gehörgängen. Und obwohl so früh morgens nicht viele Fahrgäste unterwegs waren, war angesichts der vielen Schüler, die sie im Laufe der Zeit unterrichtet hatte, und der zwei Kinder, die sie in dieser Gegend großgezogen hatte, die Chance groß, dass sie Bekannte traf, weshalb sie die Augen geschlossen hielt, um sich vor Smalltalk zu schützen – den sie früher gern gemocht hatte, der ihr jetzt aber so vorkam, als schnitte ihr ein stumpfes, rostiges Sägeblatt ins Gehirn – wie auch vor anderen denkbaren Reizquellen. Kleinkinder, die ohne Grund wimmerten, während sie in ihren gutgepolsterten Fortbewegungsmitteln saßen, daneben eine Mutter oder ein Vater, die sich über sie beugten, um herauszufinden, was nicht stimmte, die die Decke und das Kopfkissen in dem weichen Wagen zurechtzogen, dem Kind die Mütze abnahmen oder ihm einen Keks gaben, den das Kind ihnen aus der Hand schlug, und so weiter, und Ingrid dachte: Du weißt nicht, wie gut du es hast, keiner weiß, wie gut er es hat, die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet du geboren wurdest, geht gegen null. Wie verwöhnt wir doch alle sind. Es ist nicht nachhaltig. Nichts davon ist nachhaltig.

Aber sie war selbst verwöhnt, wie sie hier mit einem Kopfhörer für mehr als dreitausend Kronen in der Straßenbahn saß, um ihre überempfindlichen Ohren zu schützen, auf dem Weg zu einem guten Job an einem attraktiven Arbeitsplatz, gut verheiratet war sie auch, sie wohnte in einem großen Haus mit allen Annehmlichkeiten, sie war Mitglied in einem Lesekreis, im Lehrerverband und in einem Fitnessstudio, und trotzdem saß sie hier in der Straßenbahn und ärgerte sich über kleine Kinder, diese unproduktiven Menschen, diese kleinen Psychopathen. Zwanzig Jahre lang würden sie umsorgt, gehegt und beaufsichtigt werden, sie würden vier Mahlzeiten am Tag bekommen sowie Aufmerksamkeit und Anregung und Unterricht, bevor man überhaupt irgendetwas von ihnen erwarten durfte. Und selbst dann war es nicht selbstverständlich, dass sie sich auch nur den Hintern abwischen konnten, dachte Ingrid.

Sie wurde überwältigt von etwas, das sie Trägheit nannte: von der fehlenden – oder unsichtbaren – Produktivität, der Tatsache, dass Menschen sich von Punkt A nach Punkt B bewegten, aber warum taten sie das und was wollten sie an Punkt B, was wurde durch diese riesige, krabbelnde Massenbewegung erreicht, der sie selbst Tag für Tag angehörte, was genau wurde erreicht und welchen Platz nahm das Ganze im Bruttonationaleinkommen ein und wie hing alles miteinander zusammen? Was geschah mit der ganzen Arbeit, von all denen, die hier in der Straßenbahn saßen oder standen und in die Stadt wollten, um sich dort in die verschiedenen Gebäude zu verteilen, sich hinter ein leuchtendes Fenster zu begeben und ihre Energie wegzugeben? Was geschah mit der Energie und wie viele Ressourcen waren nötig, damit sich Schüler und Lehrer aller Schulen morgens einfinden konnten: all die Mahlzeiten und Straßenbahnfahrten und Mieten und Kreditraten, aber wo blieben die handfesten Produkte, was leisteten die müden Gesichter der Schüler über den Pulten, ihre Laptops, auf denen Hunderte von Tabs mit Facebook, Instagram, Twitter und weiß der Kuckuck was nicht allem ständig geöffnet waren, diese ständigen Schulkonferenzen – alles hatte seinen Inhalt eingebüßt und somit seine Existenzberechtigung, deshalb suchte Ingrid in diesem Nebel nach handfesten Resultaten, nach dem Beitrag der Schule zur Volkswirtschaft, doch sie sah nichts anderes als Pausen, Zwischenräume, Trägheit, Transportetappen.

Ingrid schlug die Augen auf, sie waren jetzt in Gamlebyen. Die Straßenbahn ratterte über die Eisenbahnbrücke, und sie kühlte ihren heißen Kopf an der kalten Scheibe.

Sie stieg am Stortorvet aus und holte sich einen Kaffee bei Seven Eleven. Sie hatte reichlich Zeit, aber das war nicht der Grund, weshalb sie sich für den längsten Weg zur Schule entschied. Ingrid nahm den längsten Weg zur Schule, weil der kürzeste Weg durch ein Sträßchen führte, in dem vor einem alten Gründerzeithaus fünf Messingtafeln in den Bürgersteig eingelassen waren. Auf jeder Tafel war der Name des Angehörigen einer jüdischen Familie eingraviert. 1942 war die ganze Familie nach Deutschland deportiert worden, keiner hatte überlebt, und jedes Mal, wenn Ingrid in die unglückliche Situation kam, die Abkürzung durch diese Straße nehmen zu müssen – und es nicht rechtzeitig auf die andere Straßenseite schaffte, weshalb sie schließlich auf die Messingvierecke trat –, stellte sie sich vor, wie sie an die Tür der Familie klopfte, um sie zur Flucht zu bewegen, bevor die Gestapo eintraf. Am Ende war sie sogar in den 1930er Jahren angekommen und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, durch Europa zu reisen und alle Juden Europas zur Emigration zu überreden. Um das alles zu verhindern, nahm sie den längsten Weg, und um fünf nach halb acht trat sie durch die Tür der Zentrumsschule, in der sie als Studienrätin arbeitete. Vor fünfzehn Jahren war die alte Schule renoviert worden, und mit ihren offenen Lernlandschaften, den verschiebbaren Wänden, der modernen Kunst und den ergonomischen Möbeln hatte die Schule einst dafür gesorgt, dass Ingrid sich als Teil von etwas Modernem und Progressivem, etwas Dynamischem, etwas Richtigem gefühlt hatte. Aber mittlerweile war das alles – von den ergonomischen Möbeln bis zu den abstrakten Skulpturen auf jedem Treppenabsatz – nichts anderes als ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der man glaubte, für alle Probleme gebe es eine Lösung und eine richtige Antwort in Form von Möblierungen und Raumaufteilungen, Kunst oder Kultur, neuen Ordnungen, Strategien, Schlagworten und Evaluationen über Evaluationen.

Ingrid warf den leeren Kaffeebecher in einen Papierkorb und stieg die vier Etagen hoch zu ihrem Büro, das zum Glück leer war. Dort hängte sie ihre Jacke auf, setzte sich an den Schreibtisch und holte den Laptop aus der Tasche.

Sieh nur, wie leicht er ist, dachte sie mit dem äußeren, offiziellen Teil ihrer Persönlichkeit. Wenn du bedenkst, wie schwer der alte war. Wie toll, dass man sein Büro überallhin mitnehmen kann. Man kann sogar im Café sitzen und Arbeiten korrigieren. Es geht wahrhaftig aufwärts im Leben.

Die Tür ging auf, und Ingrid spürte ein Unbehagen, das ihr über den Rücken lief.

«Na so was, Ingrid. Sitzt du hier ganz allein?»

«Hallo, Leif.»

Leif hängte die Jacke auf und ging zu seinem Pult. Er war in Ingrids Alter und zum dritten Mal verheiratet, mit einer zwanzig Jahre jüngeren Frau, die als Referendarin an die Schule gekommen war, als er noch mit seiner zweiten Frau verheiratet war. Die Referendarin hatte kürzlich ihr erstes gemeinsames Kind zur Welt gebracht, Leifs fünftes. Sag jetzt nichts mehr, dachte Ingrid, konnte aber erkennen, wie er sich auf einen Plausch vorbereitete, bald würde er Laute von sich geben, die eine Reaktion erforderten. Das alles machte die Luft kompakter, erschwerte das Atmen im Büro.

Auf dem letztjährigen Sommerfest waren Leif und sie irgendwie ineinandergestolpert. Anschließend konnte sie sich nur noch daran erinnern, dass sie irgendwann zu dem alten Sommerhit «Lambada» getanzt hatten, und wie alle auf der Tanzfläche hatten sie die vulgären Bewegungen aus dem Video nachgemacht. Aber im Alkoholrausch hatten ihre Körper die Ironie darin nicht erfasst und deshalb die Prozesse in Gang gesetzt, die sie mit derlei Bewegungen in Verbindung brachten. Das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie sich zu den Tönen von Lionel Richies «Hello» eng an Leif geschmiegt hatte. Sie hatten sich gegenseitig ins Ohr gestöhnt, die Hände ineinandergeflochten, Ingrid hatte seine Erektion an ihrem Oberschenkel gespürt. Schon standen sie auf dem Korridor, und er wollte sie – ausgerechnet – auf die Behindertentoilette entführen, und erst in dem Moment war es ihr gelungen, sich loszureißen. Ihre letzte Erinnerung von Leif an diesem Abend waren seine geröteten Augen und seine Alkoholfahne, die in Kombination mit dem Wort Behindertentoilette den Zauber aufgehoben hatten, so dass sie das Weite suchte und sogar noch die letzte Straßenbahn nach Hause erwischte. In der Straßenbahn stellte sie es sich dann in allen Details vor. Sie stellte sich vor, wie sie sich am Haltegriff um die Toilette festhielt. Anschließend musste sie daran denken, wie viele Lehrerinnen und Referendarinnen – und nach allem, was sie gehört hatte, auch einzelne Schülerinnen – Leif im Laufe der Jahre herumgekriegt hatte. Mich allerdings nicht, dachte sie. Und jetzt will ich nach Hause.

«Bist du heute bei der Konferenz dabei?»

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