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Echte Helden - Der Geisterzug

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Eine echt wahre Geschichte!

Simon hat ein Ziel: Er will abhauen! Denn in seinem neuen Zuhause läuft alles schief. Erst hat er die Mutprobe bei den Kojoten versaut, der coolsten Bande im Ort. Und dann hat er auch noch seine Oma reingeritten, nur weil er so gerne dazugehören wollte. Um so schnell wie möglich abzudampfen, springt Simon auf einen vorbeifahrenden Zug auf. Ganz schön riskant, doch das ist erst der Anfang. Denn zur selben Zeit ist ein Geisterzug unterwegs und steuert direkt auf den Ort zu. Jetzt muss Simon beweisen, wie viel Mut er wirklich hat!

Spannung pur von Bestsellerautorin Charlotte Habersack!

»Spannungslektüre für Leseratten ab 9 Jahren.«
(Hohenloher Tagblatt, 24.10.2020)


  • Erscheinungstag: 18.02.2020
  • Aus der Serie: Echte Helden
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 112
  • Altersempfehlung: 9
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783748850281

Leseprobe

Für Simon – natürlich!

Am Bahndamm

Tief geduckt saß Simon im Gebüsch am Bahndamm und wartete auf die blau-gelbe Diesel-Lok, die jeden Abend durch Kehlbach kam. Erst lieferte die Lokomotive ihre meist mehr als zwanzig Güterwaggons am großen Rangierbahnhof hinter dem Ort ab, dann fuhr sie gegen acht zurück nach Trauberg.

Vorsichtig reckte Simon seinen blonden Schopf ein wenig aus dem Gebüsch und sah sich um. Nicht weit von hier konnte er das Türmchen des ehemaligen Bahnhofsgebäudes sehen, in dem er seit Anfang des Jahres mit seinem Vater und seiner Großmutter wohnte. Kurz bevor sie eingezogen waren, war die Haltestelle des Ortes aufgelöst worden. Seither verlangsamten die Züge ihre Fahrt zwar, wenn sie am alten Bahnhof vorbeikamen, zuckelten dann aber durch, ohne anzuhalten.

Simon hatte sich ein Zimmer im ersten Stock ausgesucht – zu den Bahngleisen hinaus. Abends, wenn er noch wach im Bett lag und den langen Güterzügen lauschte, die schier endlos vorüberratterten, konnte man fast meinen, das Haus sei lebendig, so ächzte, stöhnte und zitterte das alte Gemäuer, um dessen Schönheit sich schon lange niemand mehr kümmerte. Simon stellte sich oft vor, der Geist seiner Mutter sei nach ihrem Tod mit in das Haus eingezogen und beschütze ihn, während die anderen Kinder es in dem heruntergekommenen Bahnhof eher unheimlich fanden und noch nie jemand bei ihm hatte übernachten wollen.

Simons Vater, der die einzige Tankstelle im Ort übernommen hatte und sich ganz alleine um seinen Sohn und seine verrückte alte Mutter kümmern musste, hatte einfach keine Zeit für große Reparaturen. Doch das würde sich ja jetzt bald ändern …

Das kleine Örtchen Kehlbach lag am Fuße eines bewaldeten Hügels und wurde eingerahmt von einem smaragdgrünen Fluss, in dem man noch Forellen fangen und baden konnte, und der alten Bahnstrecke.

An jenem verhängnisvollen Abend, an dem Simon im Gebüsch des Bahndamms kauerte und auf die Acht-Uhr-Lok wartete, tauchte die milde Abendsonne die Häuser zwischen Fluss und Hügel in ein goldgelbes Licht. Der Ort schien sich an den sanft aufsteigenden Hügel zu schmiegen wie eine Katze, die nicht ahnte, dass der bissige Hofhund bereits auf der Lauer lag, um sie mit seinen Reißzähnen zu packen und ihr mit einem kräftigen Happs das Genick zu brechen.

Nein, die kleine Stadt und ihre Bewohner ahnten nichts von dem drohenden Unheil, das auf sie zukam. Wie sollten sie auch? Wäre Kehlbach tatsächlich eine Katze gewesen, sie hätte sich an diesem Abend wahrscheinlich sogar noch die Pfoten geleckt und wohlig geschnurrt.

Neben Simon auf dem Geröll der Bahngleise lag der Kissenbezug seines Bettes, in den er alles gestopft hatte, was ihm zum Überleben wichtig schien: die Taschenlampe von der Toilette, die Papa dort an einer Schnur aufgehängt hatte, weil das Licht nicht mehr ging. Eine Packung Pflaster und eine Rolle Klopier für den Notfall. Die ungarische Salami aus der Speisekammer und natürlich die Trix Express – seine Lieblings-Lok der Modelleisenbahn. Er hatte sie in den Pulli gewickelt, den er von Mama geerbt hatte und der noch immer ein wenig nach ihr roch.

Simon dachte daran, wie er mit seinem Bündel aus dem Haus geschlichen war. Er hatte keine große Angst gehabt, entdeckt zu werden. Papa war nach dem Abendessen noch einmal zur Tankstelle hinübergeradelt, und Oma saß, wie jeden Abend, vor ihrem Lieblingssender – dem Einkaufskanal. Er aber war schnurstracks die Gleise entlang Richtung Tankstelle gelaufen und hatte sich am Bahndamm im hohen Gras versteckt.

Plötzlich zuckte Simon zusammen. Ein seltsames Rascheln riss ihn aus seinen Gedanken.

Die Mutprobe

Es war nur eine kleine Eidechse, die hastig an Simon vorbeischwänzelte und Schutz im hohen Gras der Böschung suchte. Sie hatte wohl den Abend auf den aufgeheizten Steinen zwischen den Eisenbahnschwellen genossen und war sicherlich mehr vor Simon erschrocken als er vor ihr.

Simon warf einen Blick auf seine Uhr. Noch acht Minuten, dann müsste die Lok wie immer pünktlich durch Kehlbach zuckeln. An dieser Stelle machten die Gleise einen scharfen Knick, bevor sie in engen Kurven den Hügel hinauf nach Trauberg führten. Darum durften die schweren Güterzüge und Loks hier nur sehr langsam fahren.

Eine gute Stelle, um aufzuspringen, dachte Simon. Und diesmal würde er nicht versagen wie heute Nachmittag bei dieser blöden Mutprobe.

„Wenn du zu den Kojoten gehören willst, musst du über diesen Graben springen“, hatte Henry ihm die Aufnahmebedingungen erklärt und auf einen tiefen Graben voller Schlamm und Unrat gedeutet, der den Spielplatz begrenzte.

„Wenn du es nicht schaffst, bist du kein Kojot’, sondern ein Idiot!“, hatte Leonie scherzhaft gedroht und damit alle zum Lachen gebracht.

„Und einen Feigling können wir hier in Kehlbach nicht gebrauchen!“, hatte Henry hinzugesetzt.

Simon hatte es versucht. Natürlich wollte er zu den Kojoten gehören! Seit sie hierhergezogen waren, suchte er Anschluss.

„Spiel doch mal mit anderen Jungs!“, drängte ihn sein Vater fast täglich. „Oder lad jemanden zu uns ein.“

Aber das war leichter gesagt als getan, wenn man so schüchtern war wie Simon und den Mund nicht aufbekam. So oder so kannten sich alle Kinder in Kehlbach, schon seit sie gemeinsam in die Windeln gemacht hatten. Sie klebten zusammen wie gebrannte Mandeln, die man zu heiß in eine Tüte gefüllt hatte und die zu einem dicken Klumpen verschmolzen waren. Die Mütter gingen zusammen zum Walken in den Wald. Die Väter angelten sonntags gemeinsam am Fluss. Und die Kojoten trafen sich bereits seit dem Kindergarten auf dem Spielplatz auf der anderen Seite der Gleise. Keiner hier brauchte unbedingt einen neuen Freund. Schon gar nicht so einen wie Simon: einen, der noch mit Eisenbahnen spielte und keine Mutter mehr hatte, sondern nur einen Vater, der nach Benzin roch, und eine Großmutter, die sich zuweilen einbildete, sie sei die Queen, und sich ein Diadem aus dem Einkaufskanal bestellte.

Doch dann gab es da plötzlich diese Chance, zu den Kojoten zu gehören. Simon musste nur die Mutprobe bestehen. Alles schien ganz einfach. Aber er hatte es versaut. Erst war er zu langsam angelaufen, dann hatte er den richtigen Moment für den Absprung verpasst. Vor lauter Panik war er über seine eigenen Füße gestolpert und schließlich bis zu den Knien im Matsch gelandet. Die anderen hatten ihn ausgelacht. Am lautesten Henry – diese fiese Kröte. Das würde ihm nicht noch einmal passieren!

Nervös sah Simon auf seine Uhr. Noch vier Minuten. Die Zeit schien zu schleichen wie eine Schnecke. Vorsichtig spähte er über die rechte Schulter hinüber zur Tankstelle. Das Wichtigste war, dass Papa ihn nicht entdeckte – was leicht passieren könnte, denn die Tankstelle lag genau in Simons Rücken, zwischen den Gleisen und der Hauptstraße, die ins Dorf hineinführte. Papa wartete heute Abend dort auf Tom, der ab und zu mit seinem Tanklaster vorbeikam, um die Tankstelle mit Benzin und Diesel zu versorgen. Simon stellte sich vor, was Papa wohl für Augen machen würde, wenn er plötzlich seinen zehnjährigen Jungen wie einen Grashüpfer aus dem Gebüsch springen und sich auf die vorbeiratternde Diesel-Lok hieven sah.

Bei dem Gedanken an seinen Vater seufzte Simon wehmütig. Wären die anderen nicht so verdammt fies und ich nicht so verdammt feige, dachte er, würde ich jetzt nicht hier sitzen und auf Nimmerwiedersehen aus Kehlbach verschwinden.

Das Geheimlager

Simon zog einen alten Kanister heran und setzte sich darauf, damit ihm die Beine nicht einschliefen. Er liebte den Bahndamm. Hier gab es so viele Geheimnisse. Das ganze Gelände zwischen Haus, Tankstelle und Gleisen lag voller Gerümpel, das Papa in der Werkstatt oder im Haus nicht mehr gebrauchen konnte, und verwandelte es in ein wahres Paradies.

Simon stöberte oft stundenlang nach Herzenslust hier herum. Die wertvollsten Dinge packte er in seinen Fahrradanhänger und schaffte sie den Berg hinauf, in sein Geheimlager, das langsam zu einer richtigen Festung heranwuchs.

Wenn alles glattlief, war er schon in weniger als einer halben Stunde dort. Er brauchte bloß rechtzeitig wieder von der Lok abzuspringen, sich die Böschung hinunterkullern zu lassen und auf das verlassene Nebengleis zu laufen, auf dem er sich im Laufe der Zeit aus all dem zusammengetragenen Schrott eine ganz passable Behausung zusammengenagelt hatte.

Dort konnte er erst einmal die Nacht verbringen und in Ruhe überlegen, wie es weitergehen sollte. Sicher würde dort keiner nach ihm suchen. Außer ihm und Oma kannte ja niemand das Lager, zu dem nur eine alte Buckelpiste führte. Und Oma hatte den Weg dorthin bestimmt nicht behalten, wo ihr Gedächtnis doch genauso löchrig war wie Simons Hosen. Wusste der Teufel, warum sie überhaupt plötzlich dort aufgetaucht war.

Eines Tages war sie einfach da gewesen. Mal wieder von zu Hause abgehauen. Saß in Simons Campingstuhl auf dem Dach der Hütte, von dem aus er oft die Züge beobachtete. Hatte sein Fernglas in der Hand und betrachtete nicht wie er die vorbeiratternden Waggons, sondern die Vögel und Pflanzen der wild wuchernden Umgebung. Und so vergesslich Oma sonst auch war, manches vergaß sie nie.

„Schau mal! Ein Purpur-Storchschnabel“, hatte sie begeistert gerufen und aufgeregt auf ein seltenes Gewächs am Bahndamm gedeutet. „Und dort drüben gibt es sogar einen Dreifinger-Steinbrech und Knäuel-Hornkraut!“

Anfangs hatte Simon geglaubt, Oma dächte sich die komischen Namen nur aus. Aber später hatte er zu Hause nachgeschlagen und alles im Pflanzen-Lexikon wiedergefunden. Und weil es Frühsommer war, hatten sie ein paar Holunderblüten mit nach Hause gebracht. Während Papa und Lara, die Polizistin des Ortes, noch auf der Suche nach Oma gewesen waren, hatte sie Hollerküchle gebacken – die besten der ganzen Welt! Goldgelb hatte die dünne, knusprige Teigschicht die zarten weißen Blüten überzogen, und Simon hatte noch kräftig Puderzucker darübergestreut. Als Papa und die Polizistin dann heimgekommen waren, hatten sie alle zusammen gegessen, bis der Schreck und die Sorge um Oma verflogen waren.

„W…wo hast du sie d…denn gefunden?“, hatte sich Lara erkundigt, die in Gegenwart von Papa immer stotterte. Simon hatte schon lange den leisen Verdacht, dass die Polizistin eigentlich ganz gerne mit Papa auf der Suche war.

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