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Space Cowboys - Unendliches Begehren (3in1)

hier erhältlich:

Diese Serie spielt auf der T-Bone Ranch, etwa 60 Meilen außerhalb von Houston, Texas. Hier gibt es eine Trainingsanlage für zukünftige Weltraummissionen. Doch bevor die Astronauten ins All starten, genießen sie noch die irdischen Freuden in vollen Zügen…

WELTRAUM, STERNE, LEIDENSCHAFT

Einfach überirdisch sind die heißen Küsse des sexy NASA-Astronauten Ace. Sie bringen Molly genauso zum Fliegen wie damals! Doch sie spürt, obwohl ihm jetzt die Hälfte ihrer Ranch gehört, zieht es ihn zurück ins All. Werden sie beide wirklich nie gemeinsam nach den Sternen greifen?

UNENDLICHE LUST AUF MEHR

Survival-Expertin Jessie hat ein sexy Problem: Sie soll angehende Astronauten für ihre Mars-Mission trainieren - und nicht mit einem von ihnen eine heiße Affäre beginnen! Aber die Lust zwischen ihr und Hemi "Thor" Barrett ist überwältigend wie das ewige All …

SCHWERELOS IN DEINEN ARMEN

Dass Isabelle das erregende Knistern zwischen ihnen ignoriert, fordert Astronaut Antonio Curzon erst recht heraus, sie zu frivolen Spielen zu verführen. Allerdings ist der Preis der Begierde hoch: Eine Affäre gefährdet Antonios Flug ins Weltall - und natürlich sein Herz!


  • Erscheinungstag: 07.01.2019
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955769727
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Katherine Garbera

Space Cowboys - Unendliches Begehren (3in1)

1. KAPITEL

Die Tür ging auf. Weil er noch ein Stück entfernt war und das Licht der untergehenden Sonne ihn blendete, konnte Ace McCoy die Gestalt, die auf der Veranda erschien, nicht erkennen. Aber etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass sie es war. Und wenn er eine Spielernatur gewesen wäre, hätte er eine Menge darauf verwettet, dass sie noch schöner war als mit sechzehn – als er sie verlassen hatte, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.

Langsam ging er auf das Haus zu. Ihr Vater hatte einmal gesagt, dass der einzige Weg nach vorne an der Angst vorbeiführte. Obwohl er nicht ernsthaft Angst vor Molly Tanner hatte, war sie doch die Frau, die ihn sein Leben lang nicht losgelassen hatte. Dass er sie jetzt nach dreizehn Jahren wiedersehen würde, verursachte ihm ein leichtes Unwohlsein in der Magengrube.

„Jason – ich meine Ace McCoy“, sagte sie, als hinterließe sein Spitzname einen fauligen Geschmack in ihrem Mund. „Hätte nicht gedacht, dass du je wieder einen Fuß auf diese Ranch setzt.“

Er hatte richtig vermutet. Sie war eine Frau geworden. Ihr Mund, der früher stets irgendwie zu groß gewesen war, wirkte jetzt voll und sinnlich. Ihre Augen unter den dichten Brauen waren noch immer tiefbraun wie Schokolade, und ihre Nase hätte man durchaus als süß bezeichnen können. Aber er kannte ihr Temperament und hätte sie niemals „süß“ genannt.

Ihre Brüste waren üppiger, als er es in Erinnerung hatte, ihre Taille schmaler und stärker ausgeprägt. Und ihre geschwungenen Hüften waren geradezu eine Aufforderung, sie zu umfassen und an sich zu ziehen. Er wusste noch genau, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte und wie ihre Lippen geschmeckt hatten, auch wenn sie sich nur einmal heimlich geküsst hatten.

„Ich bin wegen deines Vaters zurückgekehrt“, sagte er, während er seinen Cowboyhut abnahm und auf die hölzerne Veranda trat, die an der Vorderseite des Hauses entlanglief. Links und rechts von der Treppe stand jeweils ein großer Tonkrug, und vier Schaukelstühle luden zum Verweilen ein. Aber für ihn war die Zeit der Entspannung noch nicht gekommen.

Vielleicht würde sie niemals kommen.

In Houston hatte er alles unter Kontrolle gehabt, sein Schicksal, sein Leben. Aber bei der ärztlichen Untersuchung nach dem letzten Einsatz war ein Problem mit der Knochendichte festgestellt worden, weshalb er auf unbestimmte Zeit keinen Flug mehr antreten durfte. Und sein Mentor, der auch so etwas wie ein Vater für ihn gewesen war, hatte ihm die Hälfte seiner Ranch vermacht. Die Rückkehr nach Cole’s Hill fühlte sich wie eine Reise in eine Vergangenheit an, die er lieber hinter sich gelassen hätte.

Der Junge, der er gewesen war. Die Probleme, die er nicht losgeworden war. Der heimliche Kuss, der ihn all das hier gekostet hatte, das einzige Zuhause, das er jemals gehabt hatte.

„Er ist tot.“

„Ich weiß. Ich …“

„Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen“, sagte sie. „Er hat immer gehofft, dass du zurückkommen würdest. Sieht so aus, als hätte er einen Weg gefunden, dich zurückzuholen.“

„Indem er gestorben ist? Das ist selbst für ihn extrem.“

„Ja“, sagte sie. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie wandte sich ab und ließ den Kopf sinken. „Es kam so plötzlich.“

Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, um ihr und vielleicht auch sich selbst Trost zu spenden. Mick war erst fünfundsechzig gewesen, und Ace war noch immer nicht über den Schock hinweg, dass sein Mentor bei einem Unfall mit einem Geländewagen ums Leben gekommen war.

Molly wischte sich die Tränen aus den Augen und trat einen Schritt zurück. Ihre Stimme stockte, als sie etwas sagen wollte. Also räusperte sie sich und fing noch einmal an. „Er hat dich in seinem Testament bedacht.“

„Das hat mich überrascht. Wir hatten unseren Frieden miteinander gemacht. Aber sein Testament hat mich trotzdem völlig unvorbereitet getroffen.“

„Mich auch. Und ich kann immer noch nicht fassen, dass er nicht mehr da ist.“

„Ich wäre natürlich zur Beerdigung gekommen, aber zu der Zeit war ich auf der Raumstation.“ Ace war Kommandant bei der NASA. Sein Ziel war, einer der ersten Astronauten zu sein, die zu den Langzeitmissionen aufbrachen, mit denen Raumflüge zum Mars vorbereitet wurden. Nach dem letzten Einsatz hatte er sich in Houston einer intensiven Rehabilitation unterzogen, um wieder zu Kräften zu kommen und Muskelmasse aufzubauen, die man als Astronaut bei Aufenthalten in der Schwerelosigkeit verlor. Weil er eine Zeit lang noch Probleme beim Gehen gehabt hatte und nicht Auto fahren konnte, kam er erst jetzt auf die Ranch.

„Das weiß ich“, sagte Molly. „Dad war stolz auf dich … und auf das, was du erreicht hast. Aber jetzt komm rein.“

„Sicher?“

In diesem Moment hätte er lieber bei einem Raketenstart gegen die Gravitationskraft und die Übelkeit angekämpft, als hier vor Mollys Tür zu stehen. Es war ihm immer lieber gewesen, die Erde von oben zu betrachten, als auf dem Erdboden zu sein. Das war nichts Neues.

„Natürlich. Die Ranch gehört auch dir“, sagte Molly. Als sie sich umdrehte und ins Haus zurückging, hinterließ sie einen leichten Erdbeerduft und ein ausgeprägtes Gefühl des Bedauerns, das in der Luft fast spürbar war. Aber das Bedauern konnte auch aus ihm selbst kommen.

Er blieb noch ein paar Minuten stehen, betrachtete den hölzernen Türrahmen und dachte daran zurück, wie er als vierzehnjähriger Junge auf die Ranch gekommen war. Er war missmutig und hochnäsig gewesen, mit einem blauen Auge und einer aufgesprungenen Lippe. Molly hatte ihn auch damals begrüßt. Sie hatte mit ihren langen kastanienbraunen Zöpfen dagestanden und ihn angesehen. Er hatte irgendeine neunmalkluge Bemerkung gemacht, und Molly hatte ihn zurechtgewiesen und auf dem Absatz kehrt gemacht.

Seit diesem Augenblick war sie ihm nicht mehr aus dem Sinn gegangen, auch nicht, als er die Ranch verlassen hatte, zum Militär gegangen und Astronaut geworden war. Nur ein Mann, der zu den Sternen unterwegs war, würde Molly für sich gewinnen können. Jetzt wollte er ihr beweisen, dass er mehr war als der jugendliche Straftäter, als den sie ihn vor so vielen Jahren kennengelernt hatte. Der junge Mann, der nicht gut genug gewesen war, um sie zu küssen oder zu berühren.

„Kommst du jetzt oder nicht, Space Cowboy?“

Er schüttelte den Mantel der Vergangenheit ab, öffnete die Fliegengittertür und folgte Molly. Die Tür fiel zu, und das Geräusch seiner Stiefel hallte durch den Flur, während er in die Küche ging. Vor einem gerahmten Foto, das an der Wand hing, blieb er stehen. Es zeigte ihn in Uniform, und neben ihm Mick, dem man seinen Stolz deutlich ansehen konnte.

Ja, das Bedauern, das er vorhin gespürt hatte, kam tief aus seinem Inneren.

Er hätte schon vor Jahren zurückkommen sollen, als Mick ihn darum gebeten hatte. Aber er hatte Angst gehabt, Molly wieder zu begegnen. Angst davor, dass er sich nach mehr sehnen könnte als nur nach einem Kuss. Er hatte gewusst, dass es kein Zurück geben würde, wenn es einmal so weit käme. Dabei hatte er schon als Jugendlicher gewusst, dass seine Zukunft nicht auf dieser Ranch lag.

Die NASA hatte ihm nicht nur eine Karriere gegeben, sondern ein ganzes Leben, auf das er stolz war und das er liebte, und er wollte nicht Gefahr laufen, durch Gefühle oder Hoffnungen an den Erdboden gebunden zu sein.

Wenn er nicht im Weltraum war, wusste Ace nicht so recht, wer er eigentlich war. Angesichts der dreimonatigen Zwangspause, die jetzt vor ihm lag, empfand er diese Unsicherheit so stark wie noch nie. Sein Kommandant hatte ihm vor der nächsten ärztlichen Untersuchung eine Pause verordnet, und außerdem musste er ohnehin Urlaub nehmen. Um seine Knochendichte wieder zu erhöhen, absolvierte er ein striktes Trainingsprogramm. Aufenthalte im Weltraum wirkten sich nachteilig auf den menschlichen Körper aus, und die Ärzte verfolgten seine Genesung minutiös, um sicherzustellen, dass andere Astronauten, die auf Langzeitmissionen geschickt wurden, keine bleibenden Schäden davontrugen.

„Jason?“, fragte Molly.

Es war seltsam, wenn sie ihn so nannte. Er wusste nicht mehr, wer Jason war. Der verwirrte jugendliche Straftäter, der er gewesen war, bevor er zum Militär und zur NASA gegangen war? Der Junge, der von seiner Mutter verlassen worden war und sich allein hatte durchschlagen müssen? „Nenn mich Ace.“

Molly verdrehte die Augen. „Ich versuch’s, aber für mich bist du immer Jason geblieben. Und ich hatte dich irgendwie schneller in Erinnerung.“

„Vielleicht weißt du einfach noch nicht alles über mich.“

„Oh ja, das ist ganz bestimmt so.“

„Bist du wegen irgendetwas sauer auf mich?“, fragte er, als er ihr durch den Flur in die hell erleuchtete Küche folgte.

„Weshalb sollte ich denn sauer sein?“, fragte sie. „Wir haben uns nicht mehr gesehen, seit ich sechzehn war.“

„Vielleicht gerade deshalb.“

Molly antwortete nicht, sondern streckte sich, um das Schränkchen über der Spüle zu öffnen. Dabei rutschte ihre Bluse nach oben und gab den Blick auf ihren unteren Rücken und das kleine himbeerförmige Muttermal frei. Sie fluchte, stützte sich auf der Arbeitsplatte ab und griff nach der Whiskeyflasche, konnte sie jedoch nicht erreichen.

Ace trat hinter sie und legte ihr die Hand auf den Rücken. Er konnte nicht widerstehen und strich über das Muttermal, während er über ihrem Kopf die Flasche aus dem Schränkchen holte.

Mit einem Laut der Überraschung drehte Molly sich um.

Er sah sie an, blickte in ihre großen schokoladenbraunen Augen und wusste, dass all die Jahre und die Entfernungen, die zwischen ihnen gelegen hatten, jetzt bedeutungslos waren. Er wollte Molly noch immer so sehr wie damals. Er stellte die Flasche ab.

Sie senkte den Blick und schloss die Augen. Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Sanft strich er sie hinter das Ohr zurück. Eine Hand auf ihrem Rücken und die andere auf ihrer Wange, beugte er sich zu ihr hinab und spürte ihren nach Minze duftenden Atem auf seinen Lippen.

Ihre Lippen berührten sich flüchtig, dann schlug Molly die Augen auf.

„Sieh mal einer an! Hätte nicht gedacht, dass du bei deiner Rückkehr so einen Auftritt hinlegst, Ace“, ertönte eine Stimme hinter ihnen.

Er trat einen Schritt zurück, die Hand weiter auf Mollys Rücken, und drehte sich zu Rina Holmes um, der Haushälterin der Bar T Ranch.

„Tut mir leid, dass ich störe. Ich wusste nicht, dass ihr schon mit der Wiedersehensfeier angefangen habt“, sagte Rina.

„Das ist keine Wiedersehensfeier. Jas… Ich meine, Ace hat mir nur geholfen, Dads Whiskey zu holen. Wir wollen auf ihn anstoßen. Du kommst genau richtig“, entgegnete Molly und stopfte ihre Bluse wieder in die Hose.

„Das sah mir aber nach was ganz anderem aus.“

Rina war über fünfzig, wirkte aber weitaus jünger. Ihr offenes rotblondes Haar fiel ihr über die Schultern, ihr Lächeln war offenherzig, und sie war von eher rundlicher Figur. Sie war schon auf der Ranch gewesen, als Molly auf die Welt gekommen war. Sie begrüßte Jason mit einer kräftigen, herzlichen Umarmung.

„Du hast uns gefehlt, Ace.“

„Tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte“, sagte er. Über Rinas Schulter hinweg sah er, wie Mollys Hand beim Einschenken des Whiskeys leicht zitterte.

„Mick und ich waren so stolz auf das, was du bei der NASA erreicht hast. Damit hast du uns wirklich überrascht, mein Junge“, sagte Rina. „Wir hätten nie gedacht, dass aus dem aufrührerischen Bengel mal ein Nationalheld wird.“

„Dad hat immer an ihn geglaubt“, warf Molly ein. „Er war sicher, dass Ace es einmal richtig weit bringen würde.“

Rina drehte sich um und nahm sich eines der Gläser.

„Auf Mick“, sagte sie und hob ihr Glas.

„Auf Mick“, wiederholte Ace.

„Auf Dad“, sagte Molly und nahm einen großen Schluck. Ace konnte den Blick nicht von ihren Lippen wenden. Er wollte den Kuss, den sie kaum begonnen hatten, zu Ende bringen. Und er wollte noch viel mehr. Und er hatte sich noch immer geholt, was er wollte.

Immer, wenn Rina nicht hinsah, blickte Molly ihn durchdringend an, doch nachdem sie ein paar Gläser getrunken und sich Anekdoten aus Micks Leben erzählt hatten, ließ die Spannung ein wenig nach. Für einen Moment sah Ace eine andere Zukunft vor sich. Eine Zukunft, die nicht irgendwo zwischen den Sternen lag, sondern hier auf der Erde. Diese Vorstellung beunruhigte ihn. Denn nun schien eine solche Zukunft greifbarer als je zuvor.

Molly konnte nicht schlafen, und sie wusste auch, wo der Schuldige zu finden war. Ein Stück weiter den Flur hinab, in dem Zimmer, in dem er auch als Jugendlicher gewohnt hatte. Beim Abendessen mit Jeb, dem Vorarbeiter, und den andern Arbeitern der Ranch hatte Jason sich offensichtlich unwohl gefühlt. Er hatte alle Fragen nach seinem Astronautendasein beantwortet, aber nachdem die anderen sich verabschiedet hatten, wirkte er verloren und ratlos.

Jason „Ace“ McCoy.

Molly hätte sich gefreut, wenn er in den Jahren, in denen sie ihn nicht gesehen hatte, etwas weichherziger geworden wäre. Wenn er ein wenig lichteres Haar oder einen kleinen Bauch bekommen hätte. Aber sie wusste, dass das absurd war. Für Spezialmissionen wählte die NASA keine Männer aus, die sich selbst nicht im Griff hatten. Sie hatte Jason im Auge behalten, auch wenn sie nicht wie ihr Vater jeden Artikel über den Starastronauten Ace McCoy gelesen hatte.

Manchmal fragte Molly sich, ob ihr Vater etwas von ihrer Leidenschaft für Jason geahnt hatte. Vermutlich schon. Während des letzten Sommers, den Jason auf der Bar T Ranch verbracht hatte, hatte sie sich nicht gerade zurückgehalten.

Mit sechzehn war sie zu jung gewesen, um die starke erotische Ausstrahlung zu erfassen, die so sehr Teil seines Wesens war, doch jetzt, mit neunundzwanzig, spürte sie sie umso deutlicher. Damals hatte nur Jasons Angst zwischen ihnen gestanden, dass ihr Vater gegen eine Verbindung zwischen ihnen sein könnte. Und sie selbst war zu unsicher gewesen, um sich im Klaren darüber zu sein, was sie wollte.

Sie stand auf und zog den Morgenmantel ihres Vaters an. Der Flanell roch noch immer nach seinem Rasierwasser. Den Mantel zu tragen war fast so, als würde ihr Dad sie umarmen. Eine Weile stand sie mit verschlungenen Armen da, dann band sie den Gürtel zu und trat auf den Gang.

Die Tür quietschte in den Angeln, als sie sie hinter sich schloss. Die Ranch brauchte wirklich dringend eine Finanzspritze. Alles war alt und abgewirtschaftet.

Sie selbst etwa auch?

Um Gottes willen.

Sie hoffte, dass dem nicht so war, aber jetzt, wo Jason wieder zurück war und sie den Verlust ihres Vaters noch immer so schmerzlich spürte, wurde ihr alles zu viel. Sie war niedergeschlagen, aufgewühlt, verärgert.

Die Nacht war warm und das Licht des Vollmonds schien herein. Der Flur im ersten Stock, an dem die Schlafzimmer lagen, hatte Fenster, die von der Decke bis zum Boden reichten und den Blick freigaben auf die Hunderte Hektar Weideland, die sich Mollys Vorfahren einst gesichert hatten. Jede Generation hatte der Ranch ihren eigenen Stempel aufgedrückt, und so war aus dem traditionellen großen Farmgebäude ein ganz besonderes Haus mit modernen Zügen geworden. Einen Moment lang sah Molly hinaus auf das Land. Sie liebte Texas. Und dieses Land war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Sie würde alles Nötige tun, um die in finanzielle Schwierigkeiten geratene Ranch zu behalten, auch wenn sie dafür ihren Stolz hinunterschlucken und sich mit Jason arrangieren musste.

Sie wollte ihn zur Rede stellen. Das wollte sie seit dem Moment, in dem sie ihn wiedergesehen hatte. Die ersten fünf Jahre, nachdem er weggegangen war, hatte sie ihm jedes Jahr zum Geburtstag geschrieben, aber er hatte nie darauf reagiert. Sie war mehr als nur ein bisschen sauer. Sich auf diese Verärgerung zu stützen, war im Moment der sicherste Weg.

Der Tod ihres Vaters war noch immer ein großer Schock für sie, und sie wusste, dass ein Teil ihrer Wut daher rührte, dass sie zu seinen Lebzeiten nur wenige wirklich wertvolle Stunden mit ihm verbracht hatte. Sie hatten zusammengearbeitet, mit Jeb und den anderen Rancharbeitern gemeinsam gegessen oder schweigend beieinandergesessen, aber sie hatte ihren Vater nie wirklich kennengelernt. Sie hatte immer geglaubt, ihr blieben noch Jahrzehnte, um seine Geschichten zu hören und ihm Fragen zu stellen.

Die Tür zu Jasons Zimmer war geschlossen.

Sie rief sich in Erinnerung, dass er nicht mehr der Junge war, den sie so gut gekannt hatte … gut, aber nicht gut genug.

Der viel zu kurze Kuss in der Küche hatte sie auf den Geschmack gebracht und ein Verlangen in ihr geweckt, das nie wirklich erloschen war. Jason würde die Ranch schon bald wieder verlassen. Wahrscheinlich wäre ihr das ganz recht. Ihr fiel es schwer, die Macht zu teilen, und der Gedanke, Entscheidungen bezüglich der Ranch mit ihm gemeinsam treffen zu müssen, machte sie nervös.

„Molly?“

Sie sah auf. Jason stand in der Tür zu seinem Zimmer. Kein Hemd bedeckte seine muskulöse Brust, er trug nur eine tief sitzende Jeans, die seine Hüftknochen betonte. Sein Haar war zerzaust, als wäre er ein paar Mal mit den Fingern hindurchgefahren. Bei dem Gedanken daran, ihn zu berühren, überlief sie ein wohliger Schauer.

„Ich bin sauer auf dich“, sagte sie nach einer Weile.

Er rieb sich über die Brust, über den dünnen Haarflaum und die Narbe, die er sich zugezogen hatte, als er aus dem Fenster klettern wollte, kurz nachdem er damals auf die Ranch gekommen war. Die Bar T Ranch hatte ihre Spuren bei Jason hinterlassen, ebenso wie bei Molly.

„Ich bin damals gegangen, um die Beziehung zwischen dir und deinem Dad nicht zu stören“, sagte er.

„Das ist doch Unsinn, das weißt du ganz genau. Du bist gegangen, weil du Angst hattest.“

„Angst?“

„Ja. Vor mir. Davor, dich an diese Ranch zu binden und niemals die Welt jenseits ihrer Zäune zu sehen.“

Er machte einen Schritt auf sie zu. Molly schauderte. Jason war so männlich und zugleich so anmutig. Er bewegte sich, als gehöre ihm die Welt, und vielleicht stimmte das ja auch – immerhin hatte er sie vom Weltall aus gesehen.

Molly wollte die Beherrschung nicht verlieren. Aber trotzdem fragte sie sich, ob sie nicht, wenn sie sich jetzt ihren Gefühlen hingeben würde, die Antwort auf die Frage finden würde, die dreizehn lang Jahre an ihr genagt hatte. War Jason der Mann, von dem sie immer geträumt hatte? Die sechzehnjährige Molly hatte da keine Zweifel gehabt. Die neunundzwanzigjährige Molly dagegen war schon von Männern enttäuscht worden. Aber jetzt wollte sie Jason.

Sie hatte ihn immer gewollt.

„Also dann …“

„Du bist nicht viel gesprächiger als früher“, sagte sie und trat dicht an ihn heran. Denk nicht nach. Tu’s einfach.

Das war der Punkt. Denk nicht nach. Sie hatte viel zu viel nachgedacht, seit ihr Vater gestorben war und sie in seinem Testament zum ersten Mal Jasons Namen gelesen hatte. Sie hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, warum ihr Vater, den sie doch so gut zu kennen geglaubt hatte, nicht nur sie, sondern auch Jason bedacht hatte. Hatte er geglaubt, sie bräuchte die Hilfe eines Mannes?

Stopp.

Denk nicht nach.

Tu’s einfach.

Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. Er fühlte sich warm und kräftig an, und er roch betörend. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen.

Er zog die Augenbrauen hoch, bewegte sich aber nicht. Dies war der Moment der Entscheidung. Würde sie jetzt den Mut haben oder wie vorhin in der Küche zurückschrecken?

Jason beugte sich zu ihr herab. Sein Mund, der immer so hart und verschlossen gewirkt hatte, war überraschend weich. Langsam fing er an, sie zu küssen, als hätte er alle Zeit der Welt.

Sie hatten diese Nacht.

In diesem leeren Haus, durch dessen Fenster das Mondlicht fiel, schien alles unkompliziert zu sein. Sie hielt ihn weiter an den Schultern fest, als er seine Lippen öffnete und mit der Zunge in ihren Mund drang.

Er schmeckte nach Whiskey und nach Verführung. Zwei Dinge, denen sie jetzt hätte entsagen sollen. Doch sie konnte es nicht.

Sie war es leid, sich selbst anzulügen. Jason McCoy. Sie wollte ihn und hatte ihn immer gewollt, schon seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Und jetzt endlich, so schien es, konnte sie ihn sich holen.

Er legte die Hände auf ihre Hüften und zog sie dichter zu sich heran. Durch das seidene Nachthemd, das sie unter dem Morgenmantel trug, spürte sie die durchdringende Hitze seiner Umarmung. Als er mit der Zunge weiter in ihren Mund vordrang, loderte ein Feuer in ihrem Inneren auf und breitete sich in alle Richtungen aus.

Sie lehnte sich zurück und sah ihm in die Augen. Sein Blick schien bis in ihr Innerstes vorzudringen.

2. KAPITEL

Molly sah in Jasons Augen, die so blau waren wie der Morgenhimmel, und versuchte, sich nicht darin zu verlieren.

„Warum bist du wirklich hier?“, fragte sie. Ihre Stimme war belegt und klang flehend. Zu weiblich. Sie hätte sich einreden können, dass Jason sie kalt ließ. Aber das wäre gelogen gewesen. Ihr Vater hatte nie gelogen, und sie würde es genauso halten.

„Um mir die Ranch anzusehen und gemeinsam mit dir zu überlegen, wie wir sie weiterführen wollen.“ Er hatte sich von ihr abgewandt, stützte die Hände in die Hüften und sah durch das große Fenster hinaus in den tiefschwarzen Himmel. Molly fragte sich, ob dieser Anblick in ihm die Sehnsucht weckte, wieder dort oben zu sein.

„Und außerdem bin ich hier, weil ich … nach einem einjährigen Aufenthalt auf der Raumstation ISS gesundheitliche Probleme habe und mein Kommandant will, dass ich mir deshalb eine Auszeit nehme.“

„Oh. Danke für deine Offenheit. Bist du ernsthaft krank?“

„Es ist nichts, was nicht wieder in Ordnung kommen sollte, wenn ich mich eine Weile im Schwerkraftfeld der Erde aufhalte. Da sind sich alle Beteiligten sicher. Aber hauptsächlich bin ich aus dem anderen Grund hier: Wir beide müssen miteinander reden und uns überlegen, was wir mit der Ranch machen wollen.“

„Und dass du mich geküsst hast … wie ist das zu verstehen?“, fragte Molly. Um Gottes willen – war sie etwa schon wieder dabei, sich Jason an den Hals zu werfen? Warum verlor sie in seiner Gegenwart nur immer die Vernunft?

Abgesehen von seinem gestählten Körper, seinen wie in Marmor gemeißelten Gesichtszügen und seinen hellblauen strahlenden Augen. All das hätte jede Frau in den Bann geschlagen. Aber normalerweise warf Molly sich nicht einem Mann in die Arme, nur weil er gut aussah.

„Da ging es um uns beide. Ich glaube, zwischen uns war schon immer etwas, aber wir haben uns nie die Zeit genommen, dem weiter nachzugehen“, sagte er.

Sie runzelte die Stirn. „Dem weiter nachzugehen?“

Er zuckte die Schultern – die typische Geste von Männern, wenn sie einer Frau keine Antwort geben wollten.

„Du hast doch gerade selbst gesagt, dass du wieder verschwindest, sobald du das Okay von der NASA hast“, sagte Molly. „Wir gehen hier also keiner Sache weiter nach.“

„Vielleicht nicht, vielleicht aber doch“, sagte er und trat einen Schritt näher auf sie zu. Sie spürte die Hitze seines Körpers und konnte den Blick nicht von seiner nackten Brust wenden. „Für heute Nacht haben wir jedenfalls zwei Möglichkeiten.“

„Nur zwei?“

„Zwei, die uns nicht in Schwierigkeiten bringen.“

Er sah sie verschwörerisch an, und Molly stellte fest, dass sie schon viel zu lange niemand mehr auf den Arm genommen hatte. Seit dem Tod ihres Vaters hatten sie alle mit größter Vorsicht behandelt.

„Und die wären?“

„Wir holen die Whiskeyflasche aus dem Schränkchen und leeren sie bis zum letzten Tropfen.“

„Und die andere Möglichkeit?“

„Oder wir satteln die Pferde und reiten dem Mond hinterher, der über den Himmel wandert. Ich weiß noch, dass du das immer gern gemacht hast.“

Molly musste schlucken. Das machte sie auch heute noch gern.

Wie konnte ein Mann, den sie dreizehn Jahre lang nicht gesehen hatte, sie so gut kennen?

„Dann lass uns ausreiten“, sagte sie.

„Eine gute Wahl. In zehn Minuten im Stall?“

Sie nickte und kehrte in ihr Zimmer zurück. Ohne weiter nachzudenken, zog sie ihre Lieblingsjeans und ihre Cowboystiefel an. Dann band sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging hinaus in die Nacht.

Die Stallungen hatten sich nicht verändert, seit Jason sie als Teenager zum ersten Mal betreten hatte. Der große Pferdestall, der wie eine Höhle wirkte, empfing ihn mit dem Geruch nach Heu und Mais.

„Ich habe dein Pferd gesattelt“, sagte er zu Molly, als sie kurze Zeit später ebenfalls den Stall betrat.

„Danke“, sagte sie, nahm die Zügel ihres Pferdes und führte es hinaus. Ace sah ihr nach. Bei jedem ihrer Schritte wiegte sie die Hüften. Als sie auf ihr Pferd stieg, spannte sich der Stoff ihrer Hose straff um ihre Schenkel. Sie sah über die Schulter zu ihm zurück.

„Kommst du, Jason?“

Er nickte ihr zu. Die NASA vertraute ihm Geräte an, die Millionen von Dollar wert waren, und bezahlte ihn für seine Meinungen und seine Gedanken, aber in diesem Moment wusste er, dass auch er nur ein Mann war. Der Anblick dieses Cowgirls, das ganz in seinem Element war, machte ihn sprachlos. Hier war sie zu Hause. Selbst wenn etwas Schlimmes geschehen und sie – was Gott verhüten mochte – die Ranch verlieren sollte, würde Molly noch immer wissen, wo sie hingehörte.

Er selbst hatte erst im Weltraum zu sich selbst gefunden, angesichts der beeindruckenden Aussicht auf den blauen Planeten und das restliche Universum, das sich vor ihm erstreckte. Wenn er aus gesundheitlichen Gründen nie wieder an einer Mission teilnehmen könnte – wer wäre er dann noch? Sein Ziel war immer gewesen, bei den Cronus-Testflügen, die als Vorbereitung für eine Mission zum Mars dienen sollten, mit dabei zu sein, aber nun war fraglich, ob das überhaupt möglich war.

Vor seinem einjährigen Aufenthalt auf der Raumstation ISS hatten Dennis Lock, stellvertretender Leiter des Cronus-Programms, und Dr. Lorelei Tomlin, die Teamärztin, ein Fitnessprogramm für ihn ausgearbeitet. Damit sollte getestet werden, ob sich die Auswirkungen, die ein so langer Aufenthalt in der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper hatte, abmildern ließen.

Wie alle gehofft hatten, hatte er nur sehr wenig Rückenmarksflüssigkeit verloren und sich relativ schnell von dem normalen Verlust an Muskelmasse erholt. Die niedrige Knochendichte jedoch – und die damit einhergehenden erhöhten Kalziumwerte im Blut – stellte nach wie vor ein Problem dar. Weil die Besserung ungewöhnlich langsam voranschritt, war Dr. Tomlin bei der letzten Untersuchung genauso beunruhigt gewesen wie er. Daraufhin hatte er sich eine Weile freigenommen. Vielleicht würde es ja helfen, wenn er sich nicht im Johnson Space Center aufhielt, sondern außerhalb ein anderes Trainingsprogramm durchführte.

Diese Knochenschwäche konnte dem Teil seines Berufs, den er am meisten liebte – den Einsätzen im Weltraum –, von heute auf morgen ein Ende bereiten. Doch so weit war er noch nicht. Er war fest entschlossen, mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen.

Er stieg auf sein Pferd. Molly gab ihrem Tier mit einem klickenden Geräusch die Sporen und ritt voraus.

Es war eine kühle, aber nicht kalte Nacht, und der Himmel war wolkenlos. Anfang Mai war es im Süden von Texas noch nicht heiß, jedenfalls nicht nachts. Für einen Augenblick vergaß er den Ausritt und betrachtete den Himmel. Er spürte einen Stich im Herzen, als hätte er Angst oder würde etwas verlieren. Er musste unbedingt die Erlaubnis bekommen, wieder an Missionen teilzunehmen.

„Alles in Ordnung?“, fragte Molly.

„Ja“, log er.

Sie ritt in leichtem Galopp die Felder entlang, vorbei an den Weiden, auf denen das Vieh gehalten wurde. Er hörte auf zu grübeln und folgte ihr.

Ihr Pferdeschwanz flog im Rhythmus ihres Rittes auf und ab, und er musste sich große Mühe geben, um mit ihr Schritt zu halten. Doch irgendwann wurde ihm klar, dass Molly nicht gemeinsam mit ihm einen Ausritt machte, sondern vor etwas davonrannte.

Vor ihrem Vater.

Er bemühte sich nicht mehr, mit ihr Schritt zu halten, und ließ sie davonsprengen. Auch wenn er wusste, dass es unmöglich war, vor den Geistern davonzulaufen, die einen heimsuchten.

Molly blieb schließlich etwa hundert Meter weiter stehen. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel. Ace fiel auf, wie schlank und elegant geschwungen ihr Hals war. Alles an ihrem Körper war schlank und elegant.

Als er neben ihr stehen blieb, sah er, dass ihre weit geöffneten Augen feucht waren.

„Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich es liebe, nachts auszureiten“, sagte sie.

„Mir gefällt es auch. Es macht einfach gute Laune.“

„Das macht es wirklich. Danke, dass du das vorgeschlagen hast. Und mir ist schon klar, dass du wegen der Ranch hier bist, und nicht, um dich an Micks verkorkste Tochter ranzuschmeißen.“

„Du bist nicht verkorkst“, entgegnete er. „Und ich bin sehr wohl auch wegen dir hier. Wir müssen gemeinsam entscheiden, was wir mit diesem vertrackten Erbe, das Mick uns hinterlassen hat, anfangen wollen.“

„Du hast recht. Aber heute nicht mehr.“

„Nein, heute ganz bestimmt nicht mehr.“

Sie stiegen von den Pferden ab, ließen sie grasen und gingen zu Fuß weiter. Molly lernte gerade eine Seite von Jason kennen, von der sie bisher nichts gewusst hatte. Sie wusste überhaupt nur sehr wenig von ihm. Als er die Ranch verlassen hatte, um zum Militär zu gehen und später Astronaut zu werden, war er noch ein Junge gewesen. Und obwohl sie mehrere Jahre unter einem Dach gelebt hatten, hatten sie nie besonders tiefschürfende Gespräche geführt.

Heute Abend hatte Molly zum ersten Mal das Gefühl, ein wenig zu erkennen, wie Jason wirklich war.

„Wie lange willst du eigentlich bleiben?“, fragte sie. Das musste sie wissen. Sie musste für die Zukunft planen. Und sie hätte lieber Pläne machen sollen, als mit Jason McCoy im Mondschein spazieren zu gehen. Aber jetzt war sie nun einmal hier gelandet.

„In drei Monaten findet die nächste Untersuchung statt. Bis dahin haben wir genug Zeit, uns zu überlegen, was wir mit der Ranch machen wollen.“

„Verkaufen will ich sie auf keinen Fall“, sagte Molly. „Und auszahlen kann ich dich auch nicht. Jedenfalls nicht jetzt.“

„Hmm. Ich hatte gehofft, dass ich dir meinen Anteil verkaufen kann. Ich sehe meine Zukunft nicht hier auf der Bar T Ranch.“

„Dad hat dich doch einmal gebeten, ihm Geld zu leihen. Also müsstest du wissen, dass die Ranch nicht mehr so viel abwirft wie früher.“

„Ich könnte dir meine Hälfte auch überschreiben. Bei der NASA verdiene ich genug, und ich finde, die Ranch gehört eigentlich dir.“

Dieser Vorschlag gefiel ihr nicht besonders. Immerhin hatte Jason schon Geld in die Ranch gesteckt und damit keinen Cent Gewinn gemacht. „Nein. Danke für das Angebot, aber Dad hat bestimmt einen Grund dafür gehabt, dir die Hälfte zu vermachen. Ich glaube, er hätte es nicht richtig gefunden, dir das Darlehen nicht zurückzuzahlen. Und auch wenn ich nicht verstehe, warum er uns als gleichberechtigte Partner eingesetzt hat, oder das gut finde, werde ich nichts tun, was seinem Willen widerspricht. Und vielleicht findest du ja Gefallen am Leben auf der Ranch.“ Hin und wieder trug ein Windhauch den Geruch seines Rasierwassers zu ihr herüber.

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Wieder blickte Ace zum Himmel auf. Er sah aus, als würde er am liebsten auf der Stelle wieder dort hinauffliegen und alles Irdische hinter sich lassen.

„Ich kann mich kaum noch an dich erinnern“, sagte er. „Eigentlich weiß ich nur noch, dass du immer die bessere Reiterin warst.“

„So war’s ja auch. Und das Einzige, was ich noch weiß, ist, dass ich nur ein Ziel hatte – nämlich dich zu küssen. Und dass du auf keinen Fall etwas mit mir anfangen wolltest.“

Er lachte, blieb stehen und sah sie an. In der Dunkelheit war sein Gesicht nicht genau auszumachen, aber sie spürte seinen Blick auf sich.

Etwas in ihrem Inneren hatte sich grundlegend verändert, und sie war so ehrlich mit sich selbst, dass sie sich eingestand, nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollte. Sie hätte Jason niemals küssen sollen. Sie hätte ihn weiter in der Vergangenheit und ihren Teenagerträumen ruhen lassen sollen.

Aber jetzt war er hier, und den Kuss hatte sie noch gut in Erinnerung. Es kitzelte sie in den Lippen, und sie bemerkte, dass seine Nähe etwas in ihr auslöste, das sie normalerweise erfolgreich verdrängte. Die Leidenschaft und das Begehren, die zu beherrschen sie sich sonst gerne einredete. Die sie unter Kontrolle gehabt hatte, bis Jason wieder aufgetaucht war.

„Jason …“

„Ja?“

„Warum bist du stehen geblieben?“

„Weil ich dir das hier zeigen wollte“, sagte er und nahm sie in die Arme. Sie sah zu ihm auf und schloss langsam die Augen. Aber er drehte sie herum, sodass sie vor ihm stand, legte ihr die Hand unter das Kinn, hob ihren Kopf sanft an und lenkte ihren Blick in den Himmel.

In ihr flammte das Begehren auf. Aber Jason behandelte sie, als wären sie Freunde.

Sie waren ja auch Freunde.

Einfach nur Freunde.

Sie sagte sich das immer wieder vor, während er zu den Sternen hinaufdeutete. War die Leidenschaft, die sie empfand, nur einseitig?

3. KAPITEL

„Was ist da zu sehen?“, fragte Molly. Ihre Stimme war so sanft wie der leichte Windhauch, der sie umspielte, und ihr Haar duftete nach Erdbeeren. Jason dachte daran, wie es vorhin über ihre Schultern geflossen war, und hätte jetzt am liebsten den Haargummi gelöst, der es zusammenhielt.

„Die Venus“, sagte er. „Sie braucht nicht so lange wie die Erde, um die Sonne zu umrunden – genau gesagt 225 Tage. Deshalb steht sie oft am Nachthimmel. Manchmal sind auch Jupiter und Mars in ihrer Nähe zu sehen. Das kommt zwar selten vor, aber wenn es passiert, dann bilden sie zusammen ein Dreieck.“

„Ist das jetzt gerade so?“

„Nein. Wenn, dann eher kurz vor Sonnenaufgang.“

„Wie ist es, den Sonnenaufgang von dort oben zu sehen?“

Er war sich nicht sicher, ob er dieses Gefühl beschreiben konnte. Er war keiner von den poetisch veranlagten Typen, die über ihre Erfahrungen auf der Raumstation Bücher schrieben. Obwohl er nun schon lange bei der NASA war, fühlte er sich noch immer eher wie ein Cowboy, auch wenn er sich nicht an die Erde binden wollte.

„Es ist überwältigend“, sagte er schließlich, drehte Molly zu sich um, legte ihr eine Hand auf den Hinterkopf und beugte sich zu ihr hinab. Langsam, falls sie zurückweichen würde. Doch das tat sie nicht.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte die Hände auf seine Schultern. Sie stützte sich leicht auf ihm ab, und er spürte ihren Atem auf seinen Lippen, bevor im nächsten Augenblick sein Mund den ihren fand. Er drückte seine Lippen auf ihre und schloss die Augen.

Er wusste, dass er nicht lange hierbleiben konnte und dass sie nie mehr als ein paar Küsse im Mondlicht tauschen würden, aber dennoch fühlte sich in diesem Moment alles perfekt an.

Molly seufzte. Fast hätten ihre Gedanken sie aus der Bahn geworfen, doch dann schüttelte sie den Kopf und besann sich. Nicht heute Nacht. Sie blieb bei dem, was sie sich vorhin vorgenommen hatte, als sie ihr Zimmer verlassen hatte: nichts bereuen.

Sie löste sich von Jasons Lippen.

„Was ist los?“, fragte er.

„Ich wäre nur gern ein einziges Mal so wie diese unbekümmerten Frauen im Fernsehen, die sich nehmen, was sie wollen, und dann mit einem Lächeln ganz normal ihr Leben weiterleben.“

„Ach, Molly“, entgegnete Jason und gab ihr einen Schmetterlingskuss auf die Nasenspitze. „So bist du einfach nicht.“

„Leider Gottes.“

Er strich ihr mit dem Daumen über das Kinn. Seine Hände waren kräftig, aber nicht rau. Nicht so wie ihre, die von der jahrelangen Arbeit mit dem Vieh und auf den Feldern schwielig geworden waren. Als er sie berührte, loderte tief in ihrem Innersten eine kleine Flamme auf. Ein Schauer lief ihr vom Kinn über den Hals und weiter über die Schultern bis in die Arme. Sie öffnete die Lippen und seufzte leicht.

Er zog sie an sich, sodass ihre Brüste sanft gegen seinen Oberkörper drückten und ihre Hüften sich leicht berührten. Sachte strich er mit seinen Lippen über ihre. Weil sie jetzt nur seinen Geschmack und seine Berührung spürte, fühlte sie sich ihm näher als je zuvor. Sie ließ sich von seiner Wärme umfangen, während er sie mit seinen kräftigen Armen umschloss.

Sie gab sich ihm und seinem Kuss ganz hin; seiner Zunge, die langsam über ihre glitt und sich wieder zurückzog, seiner Hand, die sanft auf ihrer Schulter lag, und seinen Fingern, die über ihren Hals und ihre Schulter strichen. Sein Kuss entfaltete sich, ohne Hast und ohne einem bestimmten Ablauf zu folgen.

Molly fühlte sich geborgen.

Ihr schien, sie könnten die ganze Nacht so stehen bleiben und nicht nur einander wiederentdecken, sondern auch die Leidenschaft, die sie damals nicht begriffen hatte, weil sie noch so jung gewesen war.

Als sie mit ihrer Zunge über seine strich, stöhnte er leicht auf, legte eine Hand auf ihren Rücken und zog sie noch näher an sich, sodass ihre Hüften sich gegen seine drückten. Dann umfasste er ihren Po mit beiden Händen, und als er sie durch ihre Jeans hindurch streichelte, überkam sie ein Schauder und ihre Empfindungen trugen sie mit sich davon.

Sie legte die Hände auf seine Hüften, um sich Halt zu verschaffen, aber auch um ihn zu spüren. Jason war muskulös und stand fest wie ein Fels vor ihr. Zum ersten Mal, seit er zurück auf der Bar T Ranch war, gestand Molly sich ein, dass sie ihn begehrte und dass sie wollte, dass er hier bei ihr blieb. Aber sie wusste, dass er das nie tun würde.

Molly fühlte sich unbeschreiblich gut an. In seinem Leben war sonst nicht viel Platz für amouröse Abenteuer. Hin und wieder hatte Ace ein Date – wenn man bei One-Night-Stands und Urlaubsaffären von Dates sprechen konnte –, aber gegen seine Träume vom Weltall kam keine Frau an. Das war schon immer so gewesen.

Doch Molly zog ihn auf besondere Weise an. Sie war nicht einfach nur eine unverbindliche Affäre, auch wenn er sich das noch so sehr einzureden versuchte. Außerdem war er an sie und das Land hier gebunden, bis sie eine Lösung gefunden hatten, mit der sie beide zufrieden waren.

Und dann waren da noch seine gesundheitlichen Probleme. Er sah wieder zum sternenübersäten Himmel auf, fluchte und schloss die Augen. Aber er konnte nicht vor der Wirklichkeit davonlaufen.

In diesem Moment war Molly das Einzige auf der Welt, das sich wirklich anfühlte.

Er legte die Hände auf ihre Wangen und spürte, wie weich ihre Haut war. Der Duft ihres Parfüms umwehte ihn, und jetzt ließ er alle Gedanken los und gab sich Molly ganz hin.

Ihre weichen Lippen gaben nach, als er sie berührte. Als sie ihn mit ihrer Zunge suchte, zog er sie sanft in seinen Mund. Mit einer Hand strich er ihren Rücken hinab und drückte sie an sich.

Gemeinsam sanken sie ins Gras. Molly streckte sich auf dem Rücken aus, und er beugte sich über sie. Sie drehte den Kopf zur Seite.

„Der Pferdeschwanz stört“, sagte sie.

Er griff unter ihren Kopf und löste den Haargummi, vergrub die Finger in ihrem dichten Haar und breitete es wie einen Fächer auf der Erde aus.

Dann legte er sich neben sie, und sie drehte sich ihm zu, sodass sie einander in die Augen sahen.

„Ich wollte dein Haar offen sehen“, sagte er.

„Warum?“, fragte sie leise, fast schüchtern.

Das war nicht die Molly, die wilde Pferde zähmte oder einen unwilligen Rancharbeiter mit einem einzigen Blick zurechtwies. Das hier war die Frau, die ihm immer wieder Rätsel aufgegeben und sich manchmal in seine Träume geschlichen hatte, bevor er sie aus seinem Leben gestrichen hatte.

„Es ist wunderschön.“ Er nahm ein paar Strähnen zwischen die Finger.

„Von wegen. Meine Haare sind überhaupt nichts Besonderes. Absolut durchschnittlich.“

„Du weißt genau, dass du nicht durchschnittlich bist.“

Die Nacht, die sie umgab, wurde dunkler und dunkler. Sie blieben im Gras liegen, küssten und streichelten sich, bis irgendwann Jasons Pferd zu ihnen kam und ihm mit der Schnauze gegen den Rücken stupste. Die beiden setzten sich auf.

Noch war es zu früh, sich weiter vorzuwagen. Sie waren Geschäftspartner, vielleicht auch Freunde, und Sex war nicht das Mittel der Wahl, um Komplikationen zu vermeiden.

„Ich glaube, wir sollten uns allmählich auf den Rückweg machen“, sagte sie.

„Ja, das sollten wir. Wir wollen uns hier ja nicht von den Arbeitern erwischen lassen, wenn sie morgens ihren Kontrollritt machen und das Vieh hinaustreiben.“

„Ganz sicher nicht.“

Er half ihr auf, und sie klopften sich die Erde von der Kleidung. Molly betrachtete ihn, an ihrer Unterlippe nagend. Ihr Blick verriet, dass sie Fragen über Fragen hatte.

„Danke für den Ausritt“, sagte er, um sie abzulenken.

Als sie eine Weile nicht antwortete, glaubte er, sie würde sich nicht beirren lassen. Doch dann nickte sie und sagte: „Gern geschehen.“

Schweigend ritten sie zu den Stallungen zurück und stellten dort die Pferde ein, ohne ein Wort zu wechseln. Er hatte nicht so viel Übung wie Molly, und als er aufsah, während er Sattel und Zaumzeug wegräumte, war sie bereits verschwunden.

Verschwunden.

Wahrscheinlich war das besser so. Auch wenn er sie jetzt schon vermisste.

4. KAPITEL

Der Tag war für Molly nicht gut verlaufen. Jason hatte Jeb gesagt, er würde diese Nacht im Freien verbringen und Molly am nächsten Tag in der Kanzlei des Anwalts treffen. Ein Pferd im Stall hatte ausgeschlagen, als sie es satteln wollte, und sie mit seinem Huf durch den Stiefel hindurch empfindlich getroffen. Wahrscheinlich hatte sie dort jetzt einen riesigen blauen Fleck, und sie konnte nur hoffen, dass nichts gebrochen war.

Als sie in dieser Stimmung zum Haupthaus zurückkehrte und den großen Ford Bronco in der Auffahrt sah, hätte sie beinahe kehrt gemacht und wäre zurück zu den Stallungen gegangen.

Wil Abernathy war so ziemlich der letzte Mensch, mit dem sie jetzt reden wollte.

Aber noch bevor sie umdrehen konnte, ging die Fahrertür auf. Auf keinen Fall wollte Molly den Eindruck machen, als liefe sie vor Wil davon.

„Hallo, Molly“, sagte er, als sie auf ihn zuging.

Wil war fünf Jahre älter als Molly und etwa so groß wie Jason. Er hatte sein ganzes Leben auf der Ranch seiner Familie verbracht und war mittlerweile ziemlich erfolgreich. Die Bohrtürme förderten weiterhin Öl aus dem Boden und die Abernathys betrieben eines der größten und ertragreichsten Gestüte des Landes.

Wil war in Ordnung, wenn auch für Mollys Geschmack etwas zu glatt. Die Mädchen, mit denen sie in Cole’s Hill zur Schule gegangen war, hatten gesagt, mit seinem dichten blonden Haar und seinen blauen Augen sähe er aus wie Brad Pitt. Er trug elegante dunkelblaue Jeans, handgearbeitete Schuhe und einen teuren Stetson-Cowboyhut. Bei den Abernathys trugen alle Männer Stetsons.

„Hallo, Wil. Was kann ich für dich tun?“

„Ich bin gekommen, um das Angebot zu erneuern, das ich deinem Vater gemacht habe“, sagte er. „Wollen wir hineingehen, um darüber zu sprechen?“

„Ich bleibe lieber hier draußen.“

„Du bist genauso eigensinnig, wie dein Vater es war. Es tut mir leid, dass er gestorben ist.“

„Danke. Und vielen Dank auch für die Blumen, die du geschickt hast. Und dass ihr bei der Beerdigung wart, du und deine Schwester.“

„Mick war ein guter Kerl. Auch wenn er mit meinem Vater nicht ausgekommen ist – ich hatte nie ein Problem mit ihm.“

„Ja, er war wirklich in Ordnung“, sagte Molly. „Aber ich verkaufe nicht.“

„Du kennst meinen Vorschlag noch nicht.“

„Dann lass mal hören“, sagte Molly. Der Schweiß lief ihr den Nacken hinab, und sie fühlte sich ganz in ihrem Element: das hart arbeitende Cowgirl, das Wil Abernathy entgegentrat. Hätte sie ihn nicht um jeden Preis von ihrem Haus fernhalten wollen, hätte sie jetzt drinnen sitzen und in der klimatisierten Luft Eistee trinken können. Aber ihr Vater hatte immer gesagt, dass kein Abernathy je sein Haus betreten würde, und Molly respektierte das.

„Ich würde gern einen Teil deines Landes pachten, um dort Vieh weiden zu lassen“, sagte Wil. „Mann, ist das heiß. Wollen wir uns in meinen Wagen setzen, wenn wir schon nicht ins Haus gehen können?“

Molly schüttelte den Kopf. „Weißt du, warum Dad so unnachgiebig war und keinen aus eurer Familie im Haus haben wollte?“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, es hat etwas mit deiner Mutter zu tun. Mein Vater sagte immer, die Tanners seien arrogante Angeber.“

Auch von dieser Geschichte wusste Molly kaum etwas, weil sie ihren Vater nie danach gefragt hatte, ihn nie dazu gedrängt hatte, ihr zu erzählen, was passiert war. Aber jetzt war ihr heiß, sie war erschöpft, und Wil machte ihr ein Friedensangebot.

„Geh schon mal voraus auf die Ostseite der Veranda. Da gibt es Deckenventilatoren, und vom Bach kommt meistens ein bisschen Wind herüber. Ich hole uns inzwischen etwas Kühles zu trinken.“

„Das klingt doch schon besser“, sagte Wil.

Als sie die Treppe zur Veranda hochstiegen, wies Molly nach rechts, um Wil den Weg zu zeigen. „Macht es dir etwas aus, wenn ich mich rasch umziehe?“

„Lass dir Zeit. Ich habe mir den ganzen Nachmittag frei gehalten.“

„Danke dir.“

Sie ging durch den Vordereingang ins Haus, schloss die Tür hinter sich, legte den Kopf in den Nacken und genoss die klimatisierte Luft. „Rina!“

„Was gibt’s?“

„Wil ist da, er sitzt auf der Ostseite der Veranda. Bringst du ihm bitte etwas Eistee?“

Rina steckte den Kopf aus der Küche am anderen Ende des Flurs und sah Molly an. „Wil Abernathy?“

„Ganz genau. Sei nett zu ihm. Er will Land von mir pachten und mir ein Angebot machen. Damit könnten wir vielleicht zu Geld kommen und uns so aus diesem ganzen Schlamassel befreien.“

„Und was ist mit Ace?“, fragte Rina und wischte sich die Hände an der Schürze ab, als sie auf Molly zukam.

„Mit Ace? Er ist nicht da. Aber Wil ist da. Ich dusche noch schnell und bin gleich wieder hier.“

Rina klopfte ihr auf die Schulter, als sie an ihr vorüberging. „Alles klar, Schätzchen. Ich kümmere mich solange um ihn.“

„Danke dir“, sagte Molly und lief hinauf in den ersten Stock. Wieder spürte sie, wie ihr die Tränen kamen. Nicht wegen der Schmerzen im Fuß oder der Ranch, sondern weil ihr Vater nicht mehr da war. Sie wollte wissen, was genau zwischen ihm und Wils Vater passiert war. Wäre es Verrat, wenn sie sich jetzt bereit erklärte, Wils Vorschlag auch nur anzuhören?

Aber er war nicht mehr da.

Nachdem sie unter der Dusche die Lasten des Tages abgewaschen hatte, fühlte sie sich besser. Sie zog einen Jeansrock und ein ärmelloses Top an, und als sie in ihre Flip-Flops schlüpfte, untersuchte sie noch einmal den blauen Fleck über ihrem linken Fuß. Dann band sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz und ging hinunter auf die Veranda.

Rina hatte Will mit Zitronenkuchen und Eistee versorgt.

„Also dann, Abernathy: Was hast du da für eine Idee?“, fragte Molly, als sie sich setzte.

Er lehnte sich in seinem Schaukelstuhl zurück. „Meine Schwester plant, schottische Hochlandrinder zu züchten. Sie hat eine kleine Herde, die ich getrennt vom anderen Vieh und den Bullen halten möchte. Wenn du mir das Gebiet, das an unsere Ranch grenzt, verpachten würdest, dann könnten wir das machen.“

Er erzählte ihr, wie er sich das Vorhaben im Einzelnen vorstellte und wie viel Pacht er ihr zahlen wollte. Sie nahm die Unterlagen entgegen, in denen er sein Angebot schriftlich festgehalten hatte, und versprach, ihm in ein paar Tagen Bescheid zu geben, wie sie sich entschieden hätte. Die Kaution, die er zahlen wollte, würde zwar nicht ausreichen, um alle Schulden zu tilgen, aber zumindest eine spürbare Entlastung ermöglichen.

Sie nahm sich vor, diese Option ernsthaft in Betracht zu ziehen. Vermutlich war diese Lösung in der aktuellen Situation sogar die beste.

Wären ihre Familien nicht verfeindet gewesen, hätte sie Wil wahrscheinlich sogar gemocht. Er war ein netter Kerl. Bodenständig. Ein Mann, der wusste, worauf es ankam, wenn man eine Ranch führte, und der mit dieser Art zu leben glücklich war.

Anders als Jason. Ace, rief sie sich in Erinnerung.

Sie brachte die Unterlagen in ihr Büro und blickte immer wieder aus dem Fenster, in der Hoffnung, Jason zurückkehren zu sehen, aber vergebens. Nach der Nähe von letzter Nacht wollte er nun offenbar ausdrücklich Distanz zwischen ihnen schaffen. Sie wusste, dass sie sich von der Vorstellung verabschieden musste, er könne ihre Rettung sein. Sie war auf sich allein gestellt.

Das Abendessen war turbulent gewesen. Alle Arbeiter hatten Molly Vorschläge gemacht, wie sie mit der Ranch verfahren sollte. Weil sie alle davon betroffen waren, fand Molly, dass sie wissen sollten, dass die Ranch in finanziellen Schwierigkeiten war. Sie wollte auf jeden Fall alle Jobs erhalten, aber dafür würden Veränderungen unumgänglich sein. Jeb war die Ruhe selbst, und während der Diskussion hatte er einfach nur zugehört. Die meisten der Helfer wollten nicht, dass aus der Ranch ein Ferienresort wurde, und wenn Molly ehrlich mit sich selbst war, wollte sie das auch nicht. Sie hatte keine Lust darauf, Leute zu bewirten, die in ihrem Haus die Ferien verbrachten.

„Ich habe einfach keine Ideen mehr“, sagte sie schließlich.

„Dir wird schon noch das Richtige einfallen“, sagte Jeb. „Das ist immer so. Bis dahin schicke ich ein paar Leute raus, damit sie Ordnung schaffen. Die Gegend am Rand des Geländes haben wir ziemlich lange vernachlässigt, und wir sollten sie ein bisschen herrichten, was auch immer du später damit machst.“

„Danke, Jeb.“

Er nickte.

„Dann ist da noch etwas“, sagte Molly. „Dad hat die Ranch zu gleichen Teilen mir und Jason McCoy vermacht. Jason wird also in den nächsten Monaten immer mal wieder hier sein, und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir vorgehen wollen.“ Es wäre zwecklos gewesen, so zu tun, als könnte sie allein entscheiden, auch wenn es sich für sie so anfühlte. Sie hatte vor dem Abendessen mit Rupert, ihrem Anwalt, telefoniert, und er hatte ganz klar gesagt, dass Mick in seinem Testament unmissverständlich verfügt hatte, dass jede Entscheidung über einen Verkauf der Ranch oder über eine Nutzungsänderung des Anwesens von ihr und Jason gemeinsam getroffen werden musste.

„Er wirkt zwar ein bisschen eingerostet, aber ich glaube, nach einer Weile wird er uns schon eine Hilfe sein“, sagte einer der Arbeiter.

Schallendes Gelächter erhob sich rund um den Tisch.

„Das könnte gut sein“, sagte Molly, als es wieder ruhiger geworden war. „Er hat als Teenager schon einmal hier gelebt. Damals gab es hier ein Programm für Jungen, die in Schwierigkeiten geraten waren. Für viele war die Ranch die letzte Chance. Die meisten kamen aus Houston, ein paar aber auch aus Dallas. Dad und Jeb haben das Programm geleitet.“

„Mick und ich dachten, wir würden bei der Wiedereingliederung dieser Jungs ein gutes Beispiel abgeben – wenn man bedenkt, was wir beide alles angestellt hatten“, sagte Jeb.

„Ihr wart wirklich ein gutes Beispiel“, warf Rina ein. „Jeder Einzelne von ihnen hat die Kurve noch gekriegt.“

„Wäre das eine Möglichkeit?“, fragte Jeb, als die Helfer nach dem Essen wieder an die Arbeit gegangen waren. „Wieder Jungen aufzunehmen?“

„Nein. Ich bin nicht so wie Dad. Dafür habe ich einfach nicht die Kraft“, sagte Molly, stand auf und half Rina, den Tisch abzuräumen.

„Da hast du wohl recht. Sobald du dich entschieden hast, sag mir einfach, was ich tun soll.“

„Das werde ich. Danke dir.“

„Du weißt, dass du für mich wie eine Tochter bist. Und deshalb brauchst du dich auch nicht dafür zu bedanken, wenn ich für dich das tue, was man in einer Familie füreinander tut“, sagte Jeb, umarmte sie rasch und ging hinaus.

Familie.

Dieses Wort war in dem Haus nie gefallen. Außer zwischen Molly und ihrem Vater bestanden zwischen niemandem auf der Bar T Ranch familiäre Beziehungen, aber ihr Zusammenleben hatte sich immer wie das einer Familie angefühlt. Auch mit Jason war es so gewesen, als er hier gelebt hatte.

„Was ist denn los mit dir?“, fragte Rina.

„Nichts.“

„Ach komm schon, tu nicht so. Ich hab noch eine Flasche Spätburgunder, die mir meine Schwester zum Geburtstag geschickt hat. Wir sehen uns auf der Veranda.“

„Rina …“

„Keine Widerrede. Wenn du nicht reden willst – von mir aus. Aber du warst heute schon lange genug allein und hast noch immer nicht die Antworten gefunden, die du suchst.“

„Da hast du recht.“

„Klar, hab ich recht“, sagte Rina und zwinkerte.

Molly schüttelte den Kopf und ging hinaus auf die Veranda, die sie und ihr Dad Anfang des letzten Sommers wetterfest gemacht hatten. Vor dem leicht erhöhten Holzvorbau lag der nierenförmige Pool. Molly ging vor bis zu dem wuchtigen Geländer aus Pinienholz und ließ den Blick über das Anwesen schweifen.

Die Tanners hatten das mehr als 300 Hektar große Grundstück im 19. Jahrhundert vom spanischen König zugeteilt bekommen. Das Land gehörte Molly, soweit ihr Auge reichte. Ihre Familie hatte von Anfang an Rinder gezüchtet, und in den 1960er Jahren hatten sie Öl entdeckt. Zu Lebzeiten ihrer Großeltern hatten die Quellen für beträchtliche Erträge gesorgt, doch als Molly zur Welt kam, waren sie größtenteils wieder versiegt. Ihr Reich war nicht mehr das von früher. Genauer gesagt: das Reich, das ihr und Jason gehörte. Sie mochte den Ausblick, den sie von der Veranda aus hatte. Sie genoss die Sicht über die Weideflächen, auf denen das Vieh stand, und auf die Stallungen, in denen die Pferde untergebracht waren. Sie mochte die Vorstellung, dass jenseits der Weiden und Gebäude noch Land lag, das nicht erschlossen oder je für etwas anderes genutzt worden war als für Viehzucht oder Ölförderung.

Bei dem Gedanken an die Aufgaben, die ihr bevorstanden, wurde sie traurig. Sie wünschte sich ihren Vater zurück, nur für ein paar Minuten, um ihn zu fragen, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte, als er Jason die Hälfte der Ranch vermacht hatte. Warum hatte er das getan? Sie wusste, dass er einen Grund gehabt hatte, aber so viel sie auch grübelte, sie kam einfach nicht darauf. Der Wert des Landes überstieg bei Weitem die Summe, die Jason ihnen geliehen hatte.

Die Sonne versank hinter dem Horizont, und die Beleuchtung schaltete sich automatisch ein, als Rina auf die Veranda heraustrat, die Weinflasche, zwei Gläser und einen Teller mit Käse in der Hand. Sie stellte alles auf dem kleinen Beistelltisch ab, der vor zwei gemütlichen Klubsesseln stand. Elektrofallen, die unter der Veranda angebracht waren, sorgten dafür, dass die Insekten fernblieben.

„Das war eine gute Idee“, sagte Molly und nahm den ersten Schluck.

„Ja. Genau das brauche ich jetzt.“

Molly wurde klar, dass sie in letzter Zeit nicht besonders freundlich zu Rina gewesen war. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, trotz des Todes ihres Vaters weiterzumachen, um nicht zusammenzubrechen. Sie streckte die Hand aus und fasste ihre Freundin am Arm. „Tut mir leid, wenn ich in letzter Zeit eher kurz angebunden war.“

„Schon in Ordnung. Du hast Zeit gebraucht, um dich an die neue Situation zu gewöhnen. Das war bei mir genauso, allerdings habe ich mich auch ein bisschen einsam gefühlt. Wir hatten schon seit Ewigkeiten keinen Mädelsabend mehr. Und wenn ich mich einsam gefühlt habe, dann ist es dir bestimmt genauso gegangen, oder?“

„So ist es. Hier sind einfach zu viele Männer“, sagte Molly, „wenn du weißt, was ich meine.“

„Ich glaube nicht, dass da das Problem liegt. Ich glaube, dich bringt eher der eine Mann durcheinander, der nicht beim Abendessen war.“

„Stimmt“, bestätigte Molly und nahm noch einen Schluck Wein.

„Was ist gestern mit euch beiden passiert?“

„Nichts. Wir haben uns geküsst, mehr nicht.“

„Geküsst. Willst du darüber reden?“

„Nein“, sagte Molly und drehte ihr Glas in der Hand unruhig hin und her. „Oder vielleicht doch. Da war nichts. Am Anfang jedenfalls. Aber dann hat es sich angefühlt, als wäre es irgendwie mehr. Mein Gott, ich klinge wie eine Idiotin!“

„Das ist so mit Männern.“

„Echt? Ich habe mit einem Mann noch nie so etwas erlebt.“

„Manche lösen eben so etwas in uns aus“, sagte Rina. „Oder besser gesagt: der eine, der uns von Grund auf verändert.“

„Wer hat denn bei dir so etwas ausgelöst?“, fragte Molly. Sie wollte nicht wahrhaben, dass Jason sie verändern könnte. Sie mochte sich so, wie sie war.

„Nicht so wichtig“, sagte Rina. „Das war noch, bevor ich hierhergekommen bin. Aber sein Platz war in Houston.“

„Der Weg nach Houston steht dir jederzeit offen.“

„Wir sind doch beide viel zu sturköpfig, um uns auf Veränderungen einzulassen.“

Molly hoffte, sie wäre nicht so, aber sie ahnte, dass Rina recht hatte.

An diesem Abend sprachen sie nicht mehr über Männer, sondern genossen einfach den Wein und betrachteten den Sonnenuntergang. Aber Jason ging Molly nicht mehr aus dem Kopf, und Rina dachte vermutlich an den Mann in Houston. Beziehungen waren niemals einfach. Und dieser Gedanke war alles andere als beruhigend für Molly.

5. KAPITEL

„Dieses Testament ist wirklich sehr außergewöhnlich“, sagte Rupert. „Wenn ihr es anfechten würdet, hättet ihr gute Chancen, dass der Richter Micks Wünsche außer Kraft setzt. Aber Mick war dein Vater, Molly, und du, Jason, hattest eine sehr enge Beziehung zu ihm. Es geht hier darum, dass ihr seinen Willen respektiert, und nicht darum, dem Gesetz Genüge zu tun. Und wenn ihr das Testament anfechtet, wird es sehr lange dauern, bevor jeder von euch frei über seinen Anteil verfügen kann.“

Molly schlug die Beine übereinander. Sie trug ein ärmelloses Kleid, das ihr locker über die Schultern fiel und ihre kräftigen Arme und ihre langen Beine betonte. Ihre Lederstiefel waren von Hand gefertigt und mit türkisfarbenen Verzierungen besetzt. Ihr Haar trug sie offen, sodass es über ihre Schultern fiel.

„Verstanden“, sagte Molly. „Was müssen wir denn tun, wenn wir etwas unternehmen wollen? Ich meine, in rechtlicher Hinsicht.“

„Wenn an der Ranch irgendetwas verändert werden soll oder ihr sie auf andere Weise nutzen wollt, müsst ihr beide eine entsprechende Erklärung unterschreiben. Das gilt auch, wenn ihr sie verkaufen oder Teile davon verpachten wollt. Ich habe die Formulare vorbereitet. Wenn ihr wollt, könnt ihr sie gleich ausfüllen und unterschreiben, und ich beglaubige sie.“

„Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, was wir mit der Ranch machen wollen“, sagte Ace.

Die Bar T Ranch zu betreiben, gehörte nicht zu seinen Zukunftsplänen. Er hatte vorgehabt, dort wieder zu Kräften zu kommen, sein Trainingsprogramm zu absolvieren, vielleicht das Feuer zwischen ihm und Molly wieder anzufachen und dann nach der dreimonatigen Dienstpause wieder abzuhauen. Aber irgendwie war die Sache kompliziert geworden.

„Das dachte ich mir schon“, sagte Rupert. „Wenn ihr wollt, könnt ihr euch hier ins Besprechungszimmer zurückziehen und beratschlagen. Sollte das länger als ein paar Stunden dauern, können wir einen neuen Termin vereinbaren.“

„Ich hätte das gern heute geklärt“, sagte Molly und nahm die Dokumente entgegen, die Rupert ihnen reichte. „Die Ranch kann nicht länger warten. Wir müssen etwas unternehmen, damit die Finanzierung der Bar T auch in Zukunft gesichert ist.“

„Das sehe ich genauso. Wir sollten keine Zeit verlieren“, sagte Jason. „Wo ist das Besprechungszimmer?“

„Letzte Tür auf der rechten Seite. Sagt Shirley Bescheid, wenn ihr fertig seid. Dann werde ich die Unterlagen beurkunden und beglaubigen.“

„Vielen Dank“, sagte Molly.

Sie standen im selben Moment auf. Molly hängte sich ihre Ledertasche über die Schulter und wandte sich zum Gehen. Jason legte ihr die Hand auf den unteren Rücken, griff mit der anderen nach der Klinke und öffnete die Tür.

Dann führte er sie den Flur entlang, und als sie den Besprechungsraum betreten hatten, löste sie sich von ihm und stellte ihre Tasche auf den Tisch.

Sie setzte sich nicht, sondern trat vor das Fenster am Ende des Raumes, das auf die Straße hinausging, eine ruhige Geschäftsstraße, die am Stadtpark entlangführte. Jason blieb dort stehen, wo er war. Er fragte sich, was in ihr vorging.

„Die Lage ist wirklich ziemlich düster. Ich habe ein paar Hundert Rinder, die auch Profit abwerfen, aber das wird niemals ausreichen, um das Geld zurückzuzahlen, das du uns damals geliehen hast, oder den Kredit, den Dad aufgenommen hat, um Verluste aus Investitionen auszugleichen. Ich weiß nicht, ob er irgendeine Strategie hatte, um da wieder herauszukommen … aber ich habe inzwischen die eine oder andere Idee“, sagte Molly und drehte sich zu ihm um.

Sie war jetzt ganz ernsthaft bei der Sache. Sie sah noch immer aus wie ein Mädchen vom Land, aber ihr Blick war der einer Geschäftsfrau, die wusste, welche Verantwortung sie trug. „Gestern beim Abendessen habe ich mit den Arbeitern gesprochen, um zu erfahren, was sie von den Ideen halten, die ich für die Ranch habe. Du weißt, dass ich lieber sterben würde, als mir von Wil Abernathy helfen zu lassen, aber er hat mir ein sehr gutes Angebot gemacht. Er will einen Teil des Landes pachten, um dort Vieh weiden zu lassen.“

„Und darüber hast du mit den Arbeitern gesprochen?“

„Ja. Sie leben ja auch auf der Ranch, und es geht genauso um ihren Lebensunterhalt wie um meinen. Wir können uns nicht alle aus dem Staub machen und Astronauten werden.“

Sie war verärgert, das war nicht zu übersehen, aber er machte ihr daraus keinen Vorwurf. Er hatte eine Alternative zur Ranch, und sie nicht.

Er betrachtete sie, und lange Zeit sah er in ihr nur die Frau, die er am ersten Abend nach seiner Rückkehr in den Armen gehalten hatte, deren Haut im Mondlicht schimmerte und deren Haar ungestüm über ihre Schultern floss. Er wollte sie. Er musste sie gut behandeln.

Aber er wusste nicht, wie ihm das gelingen sollte.

„Wenn wir uns mit Abernathy einlassen, kommt Mick als Geist zurück und macht uns die Hölle heiß“, sagte er langsam. Er wusste von dem Streit zwischen den Familien. Auch wenn er Wils Angebot für eine gute Möglichkeit hielt, wollte er nicht, dass Molly dadurch in einen Zwiespalt geriet. Sie trauerte noch immer um ihren Vater und versuchte, sich mit seinem Testament abzufinden. Und er wusste, sie würde sich schuldig fühlen, wenn sie Abernathy Land verpachten würde. Jetzt musste er Micks Erwartungen erfüllen und der Mann sein, der seine Tochter beschützte.

Verdammt, dann mach das doch einfach. Sei dieser Mann. Bring die Sachen hier in Ordnung.

Tu es für Molly.

Sie nickte ihm zu. „Schön, dass wir uns da einig sind. Wir werden also mehr tun müssen, als nur Viehzucht zu betreiben. Das ist einfach nicht mehr so rentabel wie früher. Wir haben noch die Ölquellen, aber aus denen ist viel weniger zu holen als noch in den Siebzigerjahren.“

Jason fiel wieder ein, was Dennis ihm erzählt hatte, bevor er Houston verlassen hatte. Er hatte von einer Ausschreibung für ein neues Trainingszentrum gesprochen und davon, dass er es in der Nähe haben wollte und dass es enger an die NASA angebunden sein sollte als die zivilen Abteilungen.

Könnte das neue Zentrum nicht auf dem Gelände der Bar T errichtet werden? Das war vielleicht eine verrückte Idee, aber warum sollten sie es nicht versuchen?

Jason ging zu Molly ans Fenster und nahm ihre Hand. „Ich habe eine Idee. Sie ist allerdings ein bisschen ungewöhnlich.“

„Und die wäre? Das Einzige, was mir bis jetzt eingefallen ist, wäre eine Art Bed and Breakfast mit Wellnessbereich, und das will nun wirklich niemand von uns.“

„Die NASA. Mein Team bereitet die Langzeitmissionen vor, die die Vorläufer der Flüge zum Mars sein sollen, die hoffentlich irgendwann stattfinden werden. So ähnlich wie das Mercury Programm, mit dem damals die Mondlandung vorbereitet wurde. Diese Vorbereitungsmissionen sollen eine Art Haltestelle für die Reise von der Erde zum Mars aufbauen. Und dafür will die NASA ein eigenes Trainingszentrum bauen.“

„Und was wäre unsere Rolle dabei?“

„Wir würden eine Kooperation mit einer Firma eingehen, die das Zentrum auf dem Gelände der Ranch errichtet und auch für die Kosten aufkommt. Die Ranch liegt nicht weit von Houston entfernt, das ist ein großer Pluspunkt. Was hältst du davon?“

Molly war von seiner Idee begeistert. Wie Jason es schilderte, würde dieses Projekt Geld in die Kasse der Ranch spülen, ohne den Betrieb dort zu sehr einzuschränken. Die Finanzierung wäre durch die Regierung und private Gesellschaften gesichert. Nach Jasons Plan würden sie das Zentrum gemeinsam leiten. Er würde als erfahrener Astronaut der NASA seine Fachkenntnisse zur Verfügung stellen, und Molly, die schon Managementkenntnisse besaß, hätte mit etwas zusätzlicher Fortbildung das ideale Profil, um die Organisation des Tagesgeschäfts zu übernehmen.

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