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Sarah Morgan - Mit Liebe um die Welt

hier erhältlich:

VERWECHSLUNG MIT FOLGEN

Die bezaubernde Lauren glaubt nicht an Märchen - bis sie auf einem Ball in Monte Carlo als Wahrsagerin einspringt und ihr der unglaublich attraktive griechische Unternehmer Alexandros begegnet. Als er sie kurzerhand mit in seine Villa am Mittelmeer nimmt und sie dort mit Diamanten und Küssen überhäuft, fühlt sie sich wie in einem Traum - ohne zu ahnen, dass Alexandros sie für eine andere hält ...

MEIN ARGENTINISCHER MÄRCHENPRINZ

Diamanten bei Tag, Champagner in der Dämmerung, seidene Bettwäsche bei Nacht und immer ihr zärtlicher Traummann an ihrer Seite: Faith kommt sich wie in einem Märchen vor, in dem der Millionär Raul Vásquez ihr Prinz ist! Eigentlich ist sie nach Argentinien gekommen, um sich hier als Tierärztin um Rauls wertvolle Pferde zu kümmern. Stattdessen ist sie in den Armen eines aufregenden Liebhabers und mitten in einem glamourösen Leben gelandet! Bis Faith erfährt, unter welcher Bedingung Raul ihr seine Welt zu Füßen legt - eine Bedingung, die sie nicht erfüllen kann …

LIEBE MICH UNTER PALMEN!

Sanft wiegen die Palmen im Wind, weiß glitzert der Strand, tiefblau schillert das Meer. Vor der paradiesischen Kulisse von Kingfisher Kay empfindet Lindsay nur Kummer: Sie hat ihr Herz an den feurigen Milliardär Alessio Capelli verloren. Er aber will nicht mehr als eine Affäre …

VERSÖHNUNG UNTER PALMEN

Als Lauranne damals ihren Mann in Marinas Armen sah, brach die Welt für sie zusammen. Ohne sich jemals mit ihm auszusprechen, trennte sie sich von Alexander. Und jetzt, Jahre später, erliegt sie erneut seiner Faszination. Doch auch diesmal scheint ihre Liebe nicht von Dauer zu sein…

PARIS - STADT DER SEHNSUCHT

Als Damon Doukakis’ Blick sie trifft, fühlt Polly sich wie vom Blitz getroffen. Ihre Beine zittern, ihr Herz rast. Was hat der skrupellose Milliardär mit ihr vor? Wieso hat er die Werbeagentur ihres Vaters gekauft? Polly fürchtet schon um ihren Job. Aber statt entlassen zu werden, soll sie plötzlich mit Damon zusammenarbeiten - und ihn nach Paris begleiten! Polly ist verzweifelt. Mit Angst, sogar Wut, hat sie gerechnet, aber nicht mit dieser jähen wilden Sehnsucht, die sie gegen jede Vernunft in Damons Nähe verspürt. Wie kann sie ihm nur widerstehen?


  • Erscheinungstag: 09.03.2020
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 618
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749950263
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sarah Morgan

Sarah Morgan - Mit Liebe um die Welt

SARAH MORGAN

Verwechslung mit Folgen

1. KAPITEL

„Ich kann doch nicht den Platz der Wahrsagerin einnehmen!“ Lauren zitterten regelrecht die Knie unter dem lächerlich kurzen Rock der Kellnerinnenuniform. „Es tut mir leid, dass sie Sie im letzten Moment im Stich gelassen hat, aber ich flehe Sie an, bitten Sie mich nicht, für sie einzuspringen. Ich wäre völlig unbrauchbar.“

„Auch als Eventmanagerin sind Sie ja nicht gerade eine Leuchte, Lauren!“ Ihre Chefin Gillian fuchtelte wütend mit einer Handvoll Papiere vor deren Nase herum. „Die Liste, die Sie erstellt haben, stimmt hinten und vorn nicht - Sie haben die Namen ganz durcheinandergebracht!“

„Weil mich alle so bedrängten. Meine Rechtschreibschwäche habe ich Ihnen doch nicht verschwiegen“, verteidigte sich Lauren. „Und ich bat Sie ausdrücklich, jemanden die Liste überprüfen zu lassen.“

„Eben gerade habe ich einen Prinzen mit falschem Namen angesprochen“, ereiferte sich Gillian. „Wir sind in Monte Carlo, nicht in Manchester! Die Party ist das wichtigste Ereignis dieses Jahrzehnts. Mein Ruf steht hier auf dem Spiel! Können Sie das begreifen?“

„Alles wird gut gehen. Ich begrüße die Gäste und …“

„Wie können Sie denn jemanden begrüßen, wenn Sie gar nicht wissen, wer er ist? Diese Liste ist vollkommen nutzlos.“

„Gesichter kann ich mir sehr gut merken. Ich komme nur durcheinander, sobald ich etwas aufschreiben muss.“ Und wenn die Leute die Geduld mit ihr verloren und sie anschrien und alles nur noch schlimmer machten. Wie in der Schule, dachte Lauren schaudernd.

Gillian riss die Liste in der Mitte durch. „Ich will, dass Sie sich da hinbegeben, wo Sie am wenigsten Schaden anrichten können: ins Zelt der Wahrsagerin. Alles, was Sie dort tun müssen, ist, den Leuten zu versichern, dass sie glücklich und zufrieden sein werden bis an ihr seliges Lebensende. Selbst Sie werden das ja wohl hinbekommen.“

„Ich glaube nicht an Märchen“, erwiderte Lauren. „Das Leben ist hart, und ich halte nichts davon, den Menschen eine rosa Brille aufzusetzen.“

„Das Leben - Ihr Leben - wird noch härter werden, wenn Sie nicht tun, was ich Ihnen sage.“ Gillians Gesicht hatte eine ungesund rote Farbe angenommen. „Wollen Sie Ihren Job behalten?“

Lauren biss sich auf die Unterlippe. Sie hasste ihren Job. Selbst dieser einwöchige Aufenthalt in Monte Carlo, wo ihre Chefin dieses Event ausrichtete, entpuppte sich als wahrer Albtraum. Doch auch in London machte die Arbeit ihr keinen Spaß. Aber das Leben war eben kein Märchen, oder? Und es gab niemanden, an den sie sich um Beistand wenden konnte, wenn etwas schiefging - keine Verwandten oder Freunde. „Was soll ich tun?“, fragte sie also resigniert.

„Die echte Wahrsagerin nennt sich Madame Rostropov.“ Gillian zerrte Lauren regelrecht mit sich und schubste sie in ein kleines Zelt, das sich auf dem Grundstück des Hotels befand. Sie griff nach einem Kostüm auf einem Kleiderständer. „Hier. Ziehen Sie das an, während ich versuche, das heillose Durcheinander zu beheben, das Sie angerichtet haben. Und als hätte ich nicht schon genug um die Ohren, kommt heute Abend auch noch Alexandros Kozanitas her. Was bedeutet, dass es hier von Journalisten nur so wimmeln wird.“

„Wer kommt?“ Lauren hörte kaum zu, da sie entsetzt das Kostüm betrachtete. „Es fehlt die Hälfte des Stoffes.“

„Das Kostüm soll Ihnen helfen, einen geheimnisvollen Eindruck zu erwecken.“

„Es wird mir helfen, öffentliches Ärgernis zu erregen.“

„Tragen Sie es einfach, Lauren“, fuhr Gillian sie an. „Und die Tatsache, dass Sie noch nie etwas von Alexandros Kozanitas gehört haben, ist ein weiterer Grund für Sie, sich in diesem Zelt zu verstecken, bis die Party vorbei ist. Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie wieder ins Fettnäpfchen treten.“

„Ist er ein so wichtiger Mann?“

„Er ist ein eiskalter, rücksichtsloser Frauenheld, aber auch reich und mächtig. Und wenn er auf einer Party erscheint, ist das Glück der Gastgeberin gemacht.“

Lauren zwängte sich in das knappe Kostüm und stöhnte innerlich auf. „Ich glaube, die echte Madame Rostropov muss recht flachbrüstig sein.“ Bestürzt sah sie an sich herab. „Ich sehe völlig ordinär aus.“

„Gut. Dann werden die Männer bereitwilliger Schecks ausschreiben.“ Gillian rauschte majestätisch aus dem Zelt.

Niedergeschlagen ließ Lauren sich auf den Stuhl fallen und wünschte, die Wahrsagerin wäre nicht ausgerechnet heute krank geworden. Wie in aller Welt sollte sie irgendjemandem glaubhaft eine rosige Zukunft prophezeien, wenn sie ihrer eigenen so unbehaglich entgegensah?

„Sie ist keine Betrügerin, Andros. Sie ist meine Freundin. Deswegen wollen wir zusammen verreisen. Und da sie - im Gegensatz zu mir - kein Geld hat, möchte ich sie einladen. Was spricht dagegen?“

Alexandros hörte sich die naive Frage ungläubig an, schloss kurz die Augen und fragte sich, was er verbrochen hatte, um mit der Verantwortung für seine Schwester geschlagen zu werden. „Was dagegen spricht, dass du einer Frau vertraust, die sich ihr Geld mit Wahrsagen verdient? Ich bitte dich, Eleni. Deine sogenannte Freundin ist eine Schmarotzerin und benutzt dich nur, um einen kostenlosen Urlaub in New York zu genießen.“

„Das ist nicht wahr! Und überhaupt, misch dich nicht ein. Ich bin siebzehn und kein Kind mehr. Also hör auf, mich beschützen zu wollen!“

Flankiert von seinen Sicherheitsmännern, entfernte sich Alexandros mit langen Schritten vom Hubschrauber. Eleni war seine einzige Verwandte. Selbstverständlich hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, sie immer zu beschützen. Deswegen wusste sie auch nicht, wie grausam die Menschen sein konnten. „Sollte ich mich irren, wird sie mein Angebot ja nicht annehmen“, verkündete Alexandros.

„Was für ein Angebot?“

„Einen Abend mit mir. Wenn sie den Flug nach New York erreichen will, muss sie die Party vor Mitternacht verlassen. Nimmt sie mein Angebot jedoch an, verpasst sie den Flug, und das wird uns alles sagen, was wir über Madame Rostropov wissen müssen.“

„Du bist nach Monte Carlo geflogen, um sie zu verführen?“

„Ich hatte nicht vor, ganz so weit zu gehen.“

„Aber du willst sie zu einem Date einladen“, warf seine Schwester ihm empört vor. „Das ist nicht fair. Keine Frau weist dich zurück. Sie brauchen dich nur anzusehen und werden plötzlich ganz wirr und dumm und tun, was du willst. Wehe, du tust meiner Freundin weh, Andros! Dann spreche ich nie wieder ein Wort mit dir!“

Alexandros lächelte ungerührt. „Wenn sie wirklich deine Freundin ist, wird sie mich zum Teufel jagen. Sie wird den Urlaub mit dir nicht verpassen wollen.“

„Ich hasse dich!“

„Nein, tust du nicht.“ Er beendete das Gespräch und steckte das Handy in die Tasche seines maßgeschneiderten Jacketts. Während man ihm einen Weg durch die Menge mehr oder weniger berühmter Persönlichkeiten bahnte, wünschte er, es gäbe eine Bedienungsanleitung für kleine Schwestern.

„Alexandros!“ Seine Gastgeberin eilte auf ihn zu. „Welche Ehre.“

Wie Menschen sich doch ändern können, dachte er trocken. Vor zehn Jahren hätte diese bekannte Dame der besten Gesellschaft Monte Carlos ihn keines Blickes gewürdigt.

Wieder ein Beweis dafür, welche Macht mit Reichtum einherging.

Er sah sich flüchtig um. Die parkähnliche Anlage vor dem Hotel hatte man in ein Paradies aus exotischen Pflanzen und glitzernden Lichtern verwandelt. „Eindrucksvolle Party.“

„Feuerschlucker, Zauberer und sogar eine Wahrsagerin sollen für einen abwechslungsreichen Abend sorgen.“

Alexandros ließ sich zu einem schwachen Lächeln herab. Wohl alles andere als Wahrsagerin, dachte er sarkastisch. „Ich würde mich gern ein wenig mit Ihrer Wahrsagerin unterhalten.“

„Aber sicher kennen Sie doch bereits Ihre Zukunft.“ Seine Gastgeberin lachte kokett. „Die Weltherrschaft.“

„Heute dachte ich, mich mit weniger zu begnügen“, erwiderte er spöttisch.

„Sie ist im Zelt gleich hinter den Jongleuren.“ Sie wies in die Richtung. „Gehen Sie ruhig und erfahren Sie, was die Zukunft für Sie bereithält.“

Er wusste, was die Zukunft für ihn bereithielt. Er würde eine berechnende Frau kennenlernen, sie an seiner Seite halten, bis Flug 741 nach New York gestartet war, und seiner Schwester so beweisen, dass sie dieser Frau nicht vertrauen durfte.

Alexandros hob die Lasche an, bückte sich leicht und betrat das Zelt.

Das Innere war mit rotem Stoff drapiert, und es verging ein Moment, bis seine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten. Auch dann erkannte er im Schimmer einer Lavalampe, die auf einem kleinen Tisch stand, nur geisterhafte Umrisse.

Doch dann sah er sie.

„Willkommen.“ Über einem hauchdünnen Schleier blickten ihm die bemerkenswertesten, größten Augen entgegen, die Alexandros je gesehen hatte. Augen, die ihn verzauberten. Ein so heftiges Verlangen erfasste ihn, dass er sich selbst nicht wiedererkannte. Plötzlich schien die Atmosphäre von einer Spannung erfüllt, der er sich nicht entziehen konnte.

Von draußen drang das rhythmische Zischen eines Feuerwerks herein, dem die Gäste begeistert applaudierten. Gelächter vermischte sich mit Musik. Im Zelt herrschte angespannte Stille - etwas Magisches war geschehen, das beide in seinem Bann hielt.

Nur mit größter Selbstüberwindung gelang es Alexandros, die ungewohnt heftigen Gefühle, die ihn zu überwältigen drohten, in den Griff zu bekommen.

Sie war sehr viel jünger, als er erwartet hatte. Jetzt wurde ihm klar, warum seine Schwester sich so leicht von ihr hatte täuschen lassen. Diese Frau sah aus, als könnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun, geschweige denn dazu fähig sein, einen komplizierten Betrug zu planen und auszuführen.

Sein Blick fiel auf ihre vollen Brüste, die kaum vom Stoff des Kostüms mit dem tiefen Ausschnitt verdeckt wurden. Er rief sich in Erinnerung, dass unschuldige blaue Augen und ein hinreißender Körper schon immer die wirkungsvollsten Waffen einer Frau gewesen waren.

„Madame Rostropov?“

„Äh … ja, genau. Ich bin … Madame Rostropov.“ Ihre Stimme klang angenehm, doch Worte waren zögernd ausgesprochen worden. „Ich sehe Ihre Zukunft.“

Alexandros lächelte verächtlich. So wie er ihre Zukunft sehen konnte. Und besonders vielversprechend war die nicht.

2. KAPITEL

„Sie möchten wissen, wie Ihre Zukunft aussieht.“ Lauren betrachtete den Mann über den Rand ihres Schleiers hinweg und wünschte, sie hätte niemals den Platz der Wahrsagerin eingenommen. „Setzen Sie sich, und ich werde Ihnen sagen, was ich sehe.“ Unzählige Frauen, die sich gegenseitig über den Haufen rennen, um als Erste mit Ihnen schlafen zu können, dachte sie benommen, unzählige Herzen, die Sie brechen werden.

Er griff in eine Tasche seiner Jacke und zog ein Scheckbuch heraus. „Wie viel zahlt man für das Privileg, in den Genuss Ihrer Künste zu kommen?“

Lauren hatte das Gefühl, dass er recht spöttisch klang. „Ich nehme kein Geld, jedenfalls nicht für mich“, improvisierte sie hastig. Warum musste die wahre Madame Rostropov ausgerechnet heute krank werden? Nichts war unangenehmer, als den ganzen Abend hier zu sitzen und Unsinn von sich zu geben. „Die Einnahmen sind als Spende für das Kinderkrankenhaus gedacht. Geben Sie, was Sie können. Nehmen Sie doch bitte Platz. Ich muss Ihnen in die Augen sehen.“ Allerdings glaubte sie nicht, dass das eine besonders gute Idee war. Sie hatte sich noch nicht einmal ganz von seinem ersten Blick erholt, mit dem er sie völlig aus der Fassung gebracht hatte. Was blieb ihr allerdings anderes übrig?

Als er sich bewegte, fiel das Licht der Lavalampe auf sein Gesicht, und Lauren erschauerte unwillkürlich. Oh ja, er sah wirklich gut aus, obwohl auf eine recht raue, kühle Art. Jeder Zug seines klassisch geschnittenen Gesichts, von der geraden Nase bis zu den sinnlichen Lippen, strahlte Kraft aus.

Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass blendend aussehende Männer sich niemals für sie interessierten, also konzentrierte sie sich auf ihre Aufgabe. „Ich sehe eine glänzende Zukunft für Sie voraus“, leierte sie herunter und versuchte sich daran zu erinnern, was ihre tyrannische Chefin Gillian ihr aufgetragen hatte zu sagen, für den Fall, dass ein Mann ins Zelt kommen sollte. „Sie werden reich und erfolgreich sein.“

Ein Lächeln erschien um seine Lippen, während er mit kühner Schrift einen Scheck ausstellte. „Ich bin bereits reich und erfolgreich, agape mou. Verraten Sie mir etwas, das ich noch nicht weiß.“

Lauren sah auf den Scheck, den er ihr reichte, und fiel fast in Ohnmacht. Das musste ein Irrtum sein. Sie zählte langsam die Nullen. Sechs. „Eine Million Dollar?“

„Sie sagten doch, ich solle geben, was ich kann.“

„Bei den meisten Menschen bedeutet das etwa zehn Dollar.“

„Ich bin nicht wie die meisten Menschen. Hören Sie, ich schlage Ihnen ein Geschäft vor, Madame Rostropov.“ Die Art, wie er den Namen aussprach, ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Was für ein Geschäft?“

„Wenn Sie erraten können, was die unmittelbare Zukunft für mich bereithält, stelle ich Ihnen einen zweiten Scheck über die gleiche Summe aus.“

„Ach, wirklich? Dann glaube ich, Ihre unmittelbare Zukunft wird von Ihnen verlangen, eine ohnmächtige Wahrsagerin wiederzubeleben.“ Lauren fächelte sich mit dem Scheck Luft zu und ließ ihn dann zur Sicherheit in ihrem Ausschnitt verschwinden. Falls sie ihn verlor, würde Gillian sie umbringen. „Ich danke Ihnen sehr. Das wird den Kindern eine große Hilfe sein.“

„Da wir nun also geklärt haben, dass ich reich bin, sagen Sie mir, was Sie sehen.“

Ich sehe einen Mann, der sich mit Frauen sehr gut auskennt, dachte Lauren seltsam erregt. In dem kleinen, engen Zelt spürte sie die Macht und Energie, die von diesem bemerkenswerten Mann ausgingen. „Sie werden eine schöne Frau kennenlernen.“

Verblüfft merkte sie, dass sie diese unbekannte Frau beneidete. Wie mochte es sein, mit einem solchen Mann ausgehen zu dürfen? „Und Sie werden eine wundervolle Nacht miteinander verbringen.“ Davon konnte sie wohl mit Sicherheit ausgehen. Auf keinen Fall würde dieser Mann sich mit einem Kuss an der Haustür abspeisen lassen.

„Erzählen Sie weiter.“

Sein verführerisches Lächeln ließ Lauren insgeheim erzittern. Wie schön es doch wäre, wenn sie in einer Welt lebten, in der es einer armen Eventmanagerin, die sich noch dazu als Wahrsagerin verkleidet hatte, möglich wäre, einen Milliardär für sich zu gewinnen.

Träum weiter, dachte sie bedrückt und rief sich streng zur Ordnung. „Ich vermute, diese Frau wird sich in Sie verlieben“, fuhr sie düster fort, „und Sie werden sie wahrscheinlich fallen lassen und ihr das Herz brechen.“

Er hob eine Augenbraue. „Geht es hier um Ihre Zukunft oder meine?“

Lauren zuckte erschrocken zusammen. „Das hatte ich nicht laut sagen wollen.“

„Vielleicht werde ich ihr ja nicht das Herz brechen, sondern ihr eine Nacht schenken, die sie nie vergessen wird.“ Ohne Vorwarnung beugte er sich vor und zupfte an ihrem Schleier. Der weiche, dünne Stoff fiel auf den Boden, ohne dass einer von beiden weiter darauf achtete.

Wie hypnotisiert von dem intensiven Blick seiner dunklen Augen, kam Lauren sich auf einmal sehr hilflos vor. Dieser Situation war sie nicht gewachsen, das wusste sie instinktiv. So zivilisiert dieser umwerfende Mann auch aussah in seinem maßgeschneiderten Anzug, so wenig konnte er die ungezähmte Kraft verbergen, die er nur mühsam im Zaum zu halten schien. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Das Atmen fiel ihr plötzlich schwer.

„Der Schleier war meine Verkleidung.“

„Sie geben also zu, dass Sie eine Betrügerin sind?“

Welchen Sinn hätte es, es zu leugnen? „Völlig“, brachte sie leise hervor. „Aber ich versuche nur, damit Geld für die Kinder aufzubringen.“ Außerdem werde ich gefeuert, wenn ich es nicht tue.

„Also haben Sie nicht die geringste Ahnung, wie meine Zukunft aussieht.“

Er konnte doch unmöglich das Gegenteil geglaubt haben, warum bestand er dann darauf, sie bloßzustellen? „Ich bin sicher, es erwartet Sie eine wunderbare Zukunft“, antwortete sie mit matter Stimme. „Sie sehen aus wie jene Menschen, die durchs Leben gehen, ohne einem einzigen Hindernis auf ihrem Weg zu begegnen.“

Sein Blick ruhte etwas länger auf ihrem Mund. „Und auf Ihrem Weg gibt es viele Hindernisse?“

„Mein Leben ist ein einziges Hindernisrennen.“

Er lächelte. „Und wie viele ahnungslose Opfer mussten sich heute Abend schon Ihre von Klischees triefenden Prophezeiungen anhören?“

„Nicht viele. In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise wollen offenbar selbst die Prominenten und Reichen nicht wissen, was ihnen die Zukunft bringt.“ Lauren zuckte die Schultern. „Oder vielleicht habe ich ihnen nicht gesagt, was sie hören wollten. Sehr wahrscheinlich.“

Ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine festen Lippen. „Was haben Sie ihnen denn gesagt, Madame Scharlatan?“

Nach kurzem Zögern antwortete sie: „Ich meinte zu der ersten Dame, dass sie einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann kennenlernen würde.“

„Und das gefiel ihr nicht?“

„Sie war begeistert. Nur schien leider ihr gedrungener blonder Freund, der vor dem Zelt wartete, nicht besonders entzückt zu sein. Er beschimpfte mich nicht gerade zimperlich.“ Lauren atmete tief durch. „Danach beschloss ich, weniger deutliche Antworten zu geben. Ein, zwei Leuten gegenüber erwähnte ich Diamanten.“ Schuldbewusst betrachtete sie ihre unlackierten Fingernägel. „Ein anderes Mal ließ ich mich dazu hinreißen, von Leidenschaft zu reden. Die üblichen Märchendummheiten eben.“

„Sie glauben nicht an Märchen?“

„Nein. Andererseits ist das Leben so anstrengend, dass ich manchmal denke, es wäre schön, sich in den Finger zu stechen und in einen friedlichen, hundert Jahre dauernden Schlummer zu versinken.“

Wieder lächelte er amüsiert. „Und dann würde Sie ein Prinz mit seinem Kuss aufwecken?“

„Bei mir würde sich der Prinz sehr wahrscheinlich als Homo herausstellen, weil hinreißende Männer entweder homosexuell oder verheiratet sind oder beides.“ Sie rief sich hastig zur Ordnung. „Entschuldigen Sie. Sie haben nicht dafür gezahlt, sich so etwas anzuhören. Doch um ehrlich zu sein, kommen Sie mir überhaupt nicht wie der Typ vor, der sich die Zukunft voraussagen lässt.“ Er strahlte Selbstvertrauen und Autorität aus. Lauren konnte sich nicht vorstellen, dass ihn die Meinung von irgendjemandem interessierte.

Er ließ sie nicht aus den Augen, während er sich gelassen in seinem Stuhl zurücklehnte. „Sie sind ganz und gar nicht das, was ich erwartet habe.“

„Nun, Sie sehen auch nicht gerade wie ein Mann aus, der Wahrsagerinnen konsultiert.“ Nicht dass sie wüsste, wie so einer aussah, da sie ja nicht die echte Wahrsagerin war. „Möchten Sie Ihren Scheck zurückhaben?“

„Nein, ich möchte zur Abwechslung Ihnen die Zukunft voraussagen.“

„Das ist leicht. Ich werd‘s vermasseln.“ Lautes Böllerknallen ließ Lauren zusammenzucken. Fast war es, als würde das Feuerwerk hier drinnen stattfinden und nicht draußen vor dem Zelt.

Die Art, wie dieser Mann sie ansah, nahm ihr den Atem und machte es ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich bin leider sehr gut darin, in alle möglichen Fettnäpfchen zu treten.“

„Heute Abend nicht. Heute Abend lernen Sie einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen … und reichen Mann kennen.“ Der Blick aus seinen faszinierenden Augen war durchdringend. Ein sinnliches Prickeln überlief ihre Haut. „Sie werden den Abend mit ihm verbringen, und er wird Ihnen jeden nur denkbaren Wunsch erfüllen. Träume, Diamanten und Leidenschaft - alles an einem einzigen Abend. Willkommen in der Zukunft, Madame Rostropov.“

3. KAPITEL

Alexandros betrachtete die Wahrsagerin nachdenklich. Seine anfängliche Wut war verschwunden und hatte einem seltsam intensiven, knisternden Gefühl Platz gemacht. Zu allem Überfluss hatte sie auch noch ein Kostüm gewählt, das ihr zu eng war, was auch nicht gerade dazu beitrug, ihm die Sache zu erleichtern.

Was für ein Körper, dachte er bewundernd. Schade, dass es mit der Moral hapert.

Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass ihre plötzliche Freundschaft mit seiner kleinen Schwester sich nur mit Geldgier erklären ließ. Und um seine Theorie zu beweisen, war er entschlossen, diese Schwindlerin in Versuchung zu führen. Sollte sie Eleni wirklich ehrlich zugetan sein, würde sie ihn abweisen und noch vor Mitternacht das Fest verlassen, um ihren Flug nach New York und ein Wochenende unter Freundinnen nicht zu verpassen.

Allerdings wusste Alexandros aus bitterer Erfahrung, wie leicht die Menschen sich von der Macht des Geldes verderben ließen. Noch war er keiner Frau begegnet, die der Verlockung hätte widerstehen können.

„Nun?“ Er ging um den kleinen Tisch herum und half der jungen Frau auf. „Wie klingt ein Abend voller Leidenschaft in Ihren Ohren? Ganz zu schweigen von dem einen oder anderen Diamanten?“

„Völlig lächerlich.“ Ihre Stimme klang aufregend, doch zu seinem Erstaunen auch ein wenig amüsiert. „Abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht einmal Ihren Namen kenne, bin ich die Wahrsagerin auf dieser Party. Man erwartet von mir, Mittel für einen guten Zweck zu sammeln. Ich muss bis Mitternacht bleiben.“

Anschließend würde sie nach New York fliegen, um seine Schwester auszunehmen. „Wie viel, glauben Sie, werden Sie einnehmen?“

„Nun … so viel wie möglich. Zweck der Party ist es, die Mittel für einen neuen Seitenflügel für das Kinderkrankenhaus aufzubringen. Wir sind für jeden Betrag dankbar.“

„Wie viel kostet der Anbau?“

Sie starrte ihn einen Moment verblüfft an. „Ich … ich weiß es nicht. Mehr Millionen, als ich mir vorstellen kann.“

„Aber nicht mehr, als ich mir vorstellen kann“, bemerkte Alexandros gelassen. „Ich spende den Seitenflügel. Dann können Sie das Zelt schließen. Von jetzt an ist die Wahrsagerin nicht mehr im Dienst. Sie gehört ganz mir.“

Lauren war fassungslos. „Sie finanzieren die Erweiterung der Klinik? Das soll ein Witz sein.“

„Warum? Besser kann man sein Geld doch gar nicht ausgeben.“

„Das stimmt, aber … Ich meine, wow! Das ist so großzügig von Ihnen.“

„Jetzt haben Sie auch keinen Grund mehr, den Abend nicht mit mir zu verbringen. Nur einige Stunden“, lockte er sie mit schmeichelnder Stimme und rechnete insgeheim aus, bis wann er sie beschäftigen musste, damit sie den Flug verpasste. „Es kommt mir so unfair vor, dass Sie die ganze Zeit hier im Zelt gefangen sein sollen, während draußen so viel passiert.“

Sie betrachtete ihn aufmerksam. „Haben Sie von dem Champagner getrunken?“

„Keinen Tropfen. Warum?“

„Weil Männer, die ohne mit der Wimper zu zucken einen Klinikanbau verschenken können, normalerweise kein Interesse an Mädchen wie mir zeigen.“

Alexandros blickte unwillkürlich zu ihren Brüsten, die von ihrem Kostüm eher betont als verhüllt wurden. „Sie sind atemberaubend.“

Sekundenlang brachte sie kein Wort heraus, dann schaute sie über die Schulter zurück, als könnte dort die atemberaubende Frau stehen, von der er sprach. „Wer … ich?“, fragte sie dann leise.

„Wir beide sind allein in diesem Zelt, meine Liebe.“

„Versuchen Sie, jemanden eifersüchtig zu machen oder so etwas?“, fragte sie, als wäre das die einzig logische Erklärung.

Er seufzte. „Nein. Ich will nur meine Bewunderung zum Ausdruck bringen. Mir war nicht bewusst, wie schwierig das sein würde.“

„Na ja, reiche, gut aussehende Männer machen es sich sonst eigentlich nicht zur Regel, mir mitzuteilen, wie umwerfend schön ich bin, also müssen Sie mir schon verzeihen, wenn ich misstrauisch reagiere.“

Alexandros lächelte. Wie interessant, eine Frau kennenzulernen, die genauso auf der Hut war vor der Unehrlichkeit anderer Menschen wie er. „Vielleicht brauchen Sie nur einen Spiegel.“

„Vielleicht brauchen Sie etwas mehr Licht.“ Sie schob sich achtlos eine Haarsträhne aus der Stirn, was ihm deutlich zeigte, wie wenig es sie kümmerte, ob jedes Härchen an seinem Platz war. Ganz im Gegensatz zu seiner letzten Freundin, die sich geweigert hatte, sich ohne ihren Friseur auf eine Reise zu begeben. Wäre da nicht die traurige Tatsache, dass die Wahrsagerin seine Schwester ausnahm, würde er sie richtig sympathisch finden.

„Ich verfüge über ausgezeichnete Nachtsichtigkeit“, erwiderte er ungerührt.

Sie verdrehte die Augen. „Das möchte ich wetten. Ich bin sicher, Sie sind sehr geübt darin, im Dunkeln zu sehen.“

„Ich benutze alle meine Sinne im Dunkeln. Wie ist es nun? Wollen Sie den Rest des Abends allein in einem Zelt verbringen, oder kommen Sie mit und genießen Ihr Leben in vollen Zügen?“

Ihre Blicke trafen sich, und Alexandros fiel bei ihr das gleiche gesunde Misstrauen auf, das auch er sich im Umgang mit allen Menschen angewöhnt hatte. Wer war wohl verantwortlich so viel Argwohn, fragte er sich. Welche Ironie, dass er ausgerechnet eine Frau entlarven wollte, die seine Ansicht über die menschliche Natur zu teilen schien.

Sie benetzte die Lippen mit der Zungenspitze. „Sie fragen mich wirklich, ob ich den Abend mit Ihnen verbringen will? Das ist kein Scherz?“

Ein wenig aus der Fassung gebracht, da er noch nie in die Verlegenheit geraten war, eine Frau überreden zu müssen, mit ihm auszugehen, antwortete Alexandros ungeduldig: „Es ist kein Scherz.“

Nach kurzem Zögern sah sie ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein. Tut mir leid. Sie sind bestimmt mit einem Date hier. Männer wie Sie befinden sich immer in der Gesellschaft einer hinreißenden, superschlanken Frau.“

„Ich bin mit keiner Frau hier, aber ich hoffe, dass sich das gleich ändern wird.“

Statt sich ihm glücklich an den Hals zu werfen, wich sie einen Schritt zurück. „Sie sind sehr gewandt mit Worten, und ich vertraue Schmeichlern nicht.“

Jemand musste sie sehr verletzt haben.

„Ich bin kein Schmeichler.“ Alexandros dachte an die Jahre, in denen er es mit fast übermenschlicher Anstrengung geschafft hatte, seine jetzige Position zu erreichen. Und das war ihm vor allem auch deswegen gelungen, weil er nie ein Blatt vor den Mund genommen hatte. „Ich bin alles andere als das.“

„Aber Sie sind skrupellos.“

„Nur wenn die Situation es verlangt.“ Er lächelte. „Sonst bin ich anschmiegsam wie ein Miezekätzchen.“

„Streng genommen könnte man das auch von einem Tiger behaupten“, wandte sie spöttisch ein. „Sie sind genauso wenig ein Miezekätzchen wie ich eine Wahrsagerin bin.“

Amüsiert lachend nahm Alexandros ihre Hand und zog Lauren an sich. „Verbringen Sie den Abend mit mir.“

„Warum?“

„Weil ich Sie besser kennenlernen möchte.“ Und das nicht nur wegen seiner Schwester. Er wollte wissen, was ihr in ihrem Leben zugestoßen war, um sie so misstrauisch zu machen. Und wie sie seine Schwester kennengelernt hatte und ob sie aus einem bestimmten Grund Geld brauchte. Steckte sie in Schwierigkeiten? Oder war sie einfach nur habgierig?

Plötzlich neigte sie den Kopf leicht zur Seite, überlegte kurz und sagte: „Also gut.“

Wenn sie damit nicht ohne nennenswerte Anzeichen von Bedauern seine Schwester im Stich ließe, würde er diese reizende kleine Betrügerin sehr sympathisch finden.

Bei dem Gedanken an die Enttäuschung, die Eleni bevorstand, entschied sich Alexandros dafür, der Wahrsagerin noch eine letzte Chance zu geben, sich anständig zu verhalten. „Falls Sie allerdings heute Abend eine andere Verabredung haben sollten, möchte ich Ihnen nicht im Weg stehen.“

Sie zögerte nur einen Augenblick. „Nun, ich sollte eigentlich arbeiten, aber immerhin haben Sie gerade ein Vermögen gespendet …“

„Und nach Ihrer Arbeit?“

„Da habe ich nichts Wichtiges vor.“

So achtlos verwarf sie also die Verabredung mit seiner Schwester. Alexandros presste einen Moment wütend die Lippen zusammen.

„Gute Entscheidung“, sagte er gelassen und kritzelte etwas auf ein Blatt Papier, das auf ihrem Tisch lag. Was auch immer in ihrem Leben geschehen war, es ging ihn nichts an. Und es interessierte ihn auch nicht mehr. Seine Loyalität galt nur seiner Schwester, nicht dieser Frau.

Sie las die Notiz. „‚Die Wahrsagerin ist dabei, ihr Glück zu finden‘?“

„Heften Sie das ans Zelt, dann wird niemand nach Ihnen suchen.“

Lachend folgte sie seiner Anweisung. „Das ist so verrückt. Ich weiß nicht, warum ich Ihnen nachgegeben habe. Ich kenne doch nicht einmal Ihren Namen.“

„Sie können mich Andros nennen“, bemerkte er leichthin. „Und ich verspreche Ihnen einen Abend, den Sie nie vergessen werden.“

4. KAPITEL

„Ich bin noch nie als Gast auf einer solchen Party gewesen.“

Lauren hatte das Gefühl zu träumen. Es war wie im Märchen. Die Hotelanlage mutete wie ein verzaubertes Paradies an. Unzählige Lichterketten funkelten in den Bäumen, und ein traumhaftes Feuerwerk ließ den Himmel in allen Farben erstrahlen.

Es war so verwirrend. Eben noch war sie in ihrem engen kleinen Zelt gewesen und hatte die Wahrsagerin gespielt, und dann ging sie plötzlich am Arm eines aufregenden, gut aussehenden Mannes spazieren, der ihre Sinne in Aufruhr versetzte.

Es musste ein Traum sein, weil es zu schön war, um wahr zu sein.

„Lauren! Was erlauben Sie sich?“ Die scharfe Stimme ihrer Chefin drang zu ihr durch, und Lauren zuckte ahnungsvoll zusammen. Tatsächlich zu schön, um wahr zu sein, dachte sie kläglich.

„Ich bin …“ Sie würde gefeuert werden. Sie hatte alles riskiert für einige Stunden an der Seite dieses Mannes. Wie hatte sie nur so unglaublich dumm sein können? Bedrückt wollte Lauren sich entfernen, doch ihr Begleiter zog sie mit starker Hand fest an sich.

„Sie ist mit mir zusammen“, sagte er ohne einen Hauch von Schuldbewusstsein. Der Gedanke an eine Auseinandersetzung schien ihn nicht besonders zu bekümmern.

Etwas atemlos versuchte Lauren, sich aus seinem Griff zu befreien. Seine breite Schulter, sein harter Schenkel an ihrem waren ihr bewusster, als ihr im Moment lieb war. Obwohl sie Gillians finsteren Blick deutlich spürte, konnte sie nichts gegen die Erregung machen, die sie erfasste und ihr Herz wild zum Klopfen brachte.

Er fluchte leise. „Hören Sie schon auf, sich zu winden.“

Heiße Röte stieg ihr in die Wangen, und sie ergab sich in ihr Schicksal. „Gillian, ich kann Ihnen erklären …“

„Mr. Kozanitas?“, rief Gillian mit erstickter Stimme. „Ich habe Sie im Dunkeln nicht sofort erkannt. Es … verzeihen Sie mir bitte, wenn ich störe.“

Kozanitas? Lauren sah erschrocken zu dem Mann auf, der sie noch immer fest an sich gepresst hielt. Jetzt verstand sie gut, warum Gillian so verlegen war.

„Ich habe Ihre Wahrsagerin gekidnappt.“ Plötzlich war er wieder ganz der höfliche Mann von Welt, doch Lauren war der harte Kern unter der charmanten Schale nicht entgangen. „Ist das ein Problem?“

„Aber nein, selbstverständlich nicht“, versicherte Gillian hastig. „Ich bin entzückt, dass Sie sich … gut unterhalten.“ Sie wich zurück und stieß in ihrer Hast mit zwei Sicherheitsbeamten zusammen.

„Im Vergleich zu ihr ist ein Rottweiler ein niedliches Kuscheltier.“ Lauren sah ihr benommen nach. „Am besten mache ich mich auf die Suche nach einem neuen Job.“

„Wenn sie Sie feuern will, lassen Sie es mich wissen.“ Sein eisiger Ton deutete an, dass er es nicht zulassen würde. Obwohl Lauren wusste, wie unwahrscheinlich es war, dass sie ihren Job behalten konnte, rührte sie seine Anteilnahme. Er wollte sich für sie einsetzen. Das hatte noch nie jemand für sie getan. Vielmehr war sie es ihr ganzes Leben lang gewohnt, sich nur auf sich selbst zu verlassen.

„Danke“, sagte sie mit rauer Stimme, und er zog sie wieder fest in seine beunruhigend aufregende Umarmung.

„Warum lassen Sie sich von ihr schikanieren?“

„Weil sie mein Gehalt bezahlt.“

„Sie sollten sich einen anderen Job suchen.“

Wäre das nur so einfach. „Das sagt sich leicht, wenn man Milliardär ist.“ Lauren lächelte schwach. „Ihr Name ist Andros?“

„Abkürzung für Alexandros.“

„Oh. Sie sind also der Furcht einflößende Alexandros Kozanitas.“

Er hob die Brauen. „Bin ich Furcht einflößend?“

„Ihren Namen richtig zu schreiben, war Furcht einflößend“, erwiderte sie und dachte an ihre Schwierigkeiten mit der Gästeliste. „Alle sind völlig aus dem Häuschen, weil Sie heute Abend hier sind. Meine Chefin ist ganz durchgedreht.“ Und du selbst bist auch nicht ganz bei dir, wenn du zustimmst, den Abend mit einem Mann wie Alexandros Kozanitas zu verbringen, fügte sie insgeheim hinzu. „Ich kann nicht einfach kündigen, ohne vorher einen anderen Job gefunden zu haben. Aber das wird jemand wie Sie nicht verstehen können.“

„Das verstehe ich sogar sehr gut.“ Das amüsierte Glitzern seiner Augen war verschwunden, und an seine Stelle war ein hartes, kaltes Funkeln getreten.

Lauren lief ein Schauder über den Rücken. Erschrocken über seinen plötzlichen Stimmungsumschwung, wandte sie den Blick ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie je arm gewesen sind.“

„Und dennoch war es so. Ich habe nur alles getan, um sicherzugehen, dass mir das nie wieder passiert.“

Und jetzt besaß er ein riesiges Vermögen. Während sie weitergingen und die verschiedenen Attraktionen bestaunten, entging Lauren nicht, dass jede Frau ihr heute eifersüchtige Blicke zuwarf.

„Was in aller Welt wollen Sie mit mir?“, fragte sie unwillkürlich und zuckte zusammen, als eine Feuerwerksrakete eine Million winzige Sterne in den Himmel schoss. „Sie sollten mit einer eleganten, mit Diamanten behängten Frau zusammen sein.“

„Ganz Ihrer Meinung“, sagte er lächelnd. „Also erlauben Sie mir, Sie mit Diamanten zu behängen.“ Er nahm ihre Hand und führte sie zu einem schwer bewachten Zelt, das eine Auswahl exquisiter Stücke der berühmtesten Schmuckdesigner der Welt beherbergte.

„Seien Sie nicht albern.“ Lauren blieb abrupt stehen. Sie sah ihm in die Augen und musste schlucken. Obwohl es um sie herum von Menschen nur so wimmelte, nahm sie nur diesen einen faszinierenden Mann wahr. Als er sie an sich zog, sodass seine Schenkel ihre streiften, durchfuhr sie heißes Verlangen. Noch nie hatte ein Mann so stark auf sie gewirkt, dass ihr Herz wild pochte und sie kaum atmen konnte.

Wie gegen ihren Willen glitt ihr Blick zu seinem sinnlichen Mund, und plötzlich begehrte sie etwas anderes sehr viel mehr als Diamanten. Sie wollte, dass Andros sie küsste. Zwar war ihr schleierhaft woher sie es wusste, aber sie war trotzdem sicher: Ein Mann wie er beherrschte die Kunst, eine Frau zu küssen und sie alles um sich herum vergessen zu lassen. Und sie wollte diese Frau sein.

Als er den Kopf leicht senkte, begann sie zu zittern.

„Sind Sie bereit, mit Diamanten behängt zu werden?“ Seine Stimme klang heiser, als wäre er genauso erregt und atemlos wie sie.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

„Ich bin bereit.“

Das ist viel zu einfach, dachte Alexandros, während er ihr das Diamantcollier umlegte und das Leuchten in ihren Augen sah. Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Wahrsagerin einen inneren moralischen Konflikt zu bewältigen versuchte. Sie schien vielmehr nur allzu froh zu sein, den Einkaufsbummel mit seiner Schwester zu streichen, um einen sehr viel lukrativeren Abend mit ihm zu verbringen.

Beim Gedanken an den Kummer, den die Habsucht dieser Frau verursachen würde, packte Alexandros heiße Wut. Es war eine harte Lektion, die Eleni dieses Mal lernen musste, aber je eher sie ihre Blauäugigkeit verlor, was den Charakter der Menschen anging, desto früher konnte er damit aufhören, sie ständig zu beschützen.

„Das kann ich nicht annehmen.“ Sie versuchte, den Verschluss des Colliers zu öffnen. „Es ist nicht richtig.“

Von einem Moment zum nächsten hatte sie seine Vorurteile zerschlagen. „Gefällt es Ihnen nicht?“

„Ich meine nicht die Kette. Ich meine die Tatsache, dass Sie mir etwas so Kostbares schenken wollen. Geschenke wie dieses haben immer einen Preis“, fügte sie mit rauer Stimme hinzu. „Und zwar einen, den ich nicht zahlen kann.“

„Behalten Sie es.“ Sanft drehte er sie zu sich herum. „Es steht Ihnen.“

„Ich kann das unmöglich annehmen. Und selbst wenn ich es täte, wüsste ich überhaupt nicht, wann und wo ich es tragen sollte.“

Bei mir im Bett, dachte Alexandros unwillkürlich und hielt einen Augenblick verblüfft inne. Ursprünglich hatte er nicht die Absicht gehabt, den Abend dort mit dieser Frau zu beenden.

„Ich bringe Sie an einen Ort, wo Sie es tragen können.“ Und plötzlich wurde ihm bewusst, dass er genau das wirklich tun wollte. Er wollte sie von dieser lächerlichen Party entführen und ganz für sich allein haben.

Eine Weile sah sie ihn nur an, hob dann die Hand und strich ihm leicht mit den Fingern über die Wange. „Was wollen Sie von mir?“

Sekundenlang konnte Alexandros, von seinem Gewissen geplagt, nur stumm in ihre schönen blauen Augen sehen. Er hatte seiner Schwester beweisen wollen, dass ihre beste Freundin eine habgierige Betrügerin war. Doch inzwischen stand das nicht mehr an erster Stelle. Im Gegenteil, er wünschte sich etwas ganz anderes.

„Was ich von Ihnen will?“ Ohne länger zu zögern, schob er die Hände in ihr Haar, gab ihr einen verlangenden Kuss und wurde sofort von einer Welle heißer Leidenschaft mitgerissen.

5. KAPITEL

Lauren stöhnte leise auf und war sich nur allzu sehr der gaffenden Leute bewusst, die Zeuge dieses Kusses wurden. Doch im Moment kümmerte sie nichts außer der Tatsache, dass Andros sie auf meisterhafte Weise küsste und sie förmlich dahinschmolz vor Sehnsucht. Sie spürte seinen durchtrainierten, muskulösen Körper dicht an ihrem und erzitterte bei dem Gedanken an die sinnlichen Freuden, die dieser wilde Kuss versprach.

Ganz benommen vor Verlangen hörte sie wie aus weiter Ferne eine Uhr schlagen, und gleich darauf hob Andros langsam den Kopf.

„Mitternacht.“

Die Art, wie er das sagte, schien anzudeuten, dass die Stunde eine besondere Bedeutung hatte. Lauren fragte sich, ob sie etwas verpasst hatte.

„Was ist denn um Mitternacht?“

Es folgte eine ganze Weile nur Stille. Alexandros blieb seltsam regungslos, bis er tonlos antwortete: „Wir gehen.“

Um sie herum gab es einen allgemeinen Aufruhr unter den Damen, die Alexandros Kozanitas sehnsüchtig beobachteten, während er Lauren an die Hand nahm und mit ihr das Zelt mit der Schmuckausstellung verließ.

„Wo gehen wir hin? Ich trage immer noch die Diamanten.“ Lauren wäre fast gestolpert beim Versuch, mit ihm Schritt zu halten. „Ich möchte nicht wegen Diebstahls festgenommen werden.“

„Das Collier gehört dir.“

„Das geht nicht. Ich habe nicht dafür bezahlt.“ Es war völlig verrückt. Lauren lachte, während sie weiterliefen, ohne auf die neugierigen Blicke zu achten, die ihnen folgten.

„Ich bin ein guter Kunde.“

Plötzlich ernüchtert, hörte Lauren auf zu laufen. „Was tue ich hier bloß? Man wird mich feuern. Ich muss den Verstand verloren haben.“

Andros sah sie auf eine Weise an, dass Lauren ganz heiß wurde. „Noch nicht, aber bald schon, agape mou. Sobald wir erst einmal bei mir sind und endlich allein, werde ich dich völlig um den Verstand bringen. Das verspreche ich dir.“

Sofort wurde Lauren klar, dass sie in großen Schwierigkeiten steckte. Ihr Mund wurde ganz trocken, und ihr Puls begann zu rasen. „Wir fahren zu Ihnen nach Hause?“ Hier vor dem teuren Luxushotel und umgeben von den vielen Partygästen, hatte sie sich sicher gefühlt. Alles war ihr wie ein großartiger Spaß erschienen. Doch der Gedanke, allein mit Andros in seinem Haus zu sein, machte sie mehr als nur nervös. Das ist nicht klug, sagte sie sich. Kein Spaß, sondern vielmehr todernst.

Alexandros Kozanitas war kein gutmütiger Junge, der bereit wäre, ein wenig zu flirten und den netten Abend mit einem harmlosen Gutenachtkuss enden zu lassen. Dazu war er zu sehr Mann, zu stark und kraftvoll. Er wusste, was er wollte, und hatte sicher keine Skrupel, seine Ziele mit allen Mitteln zu erreichen. Was er begehrte, würde er sich nehmen. „Wenn ich recht verstehe, befindet sich Ihr Haus nicht in Griechenland.“

Er lächelte. „Dein Haus. Meinst du nicht, wir könnten aufhören, uns zu siezen? Ich besitze auch eine Villa auf Cap Ferrat an der Côte d‘Azur. Die liegt ein wenig näher als mein Haus in Griechenland.“

Er besaß nicht nur ein Haus. Selbstverständlich nicht. Lauren hätte fast gelacht, so absurd kam ihr ihre Situation vor. Sie selbst wohnte in London in einem Apartment, das aus einem einzigen Raum bestand. „Ich werde bestimmt jeden Moment aufwachen und feststellen, dass ich wieder mein gewohnt langweiliges Leben führe.“

„Um aufwachen zu können, musst du erst einmal einschlafen. Und wenn ich dir eins versprechen kann, dann, dass wir heute Nacht nicht schlafen werden.“

Alles an ihm verströmte gefährliche Sinnlichkeit - der sinnliche, glutvolle Blick, der verführerische Mund. Lauren stellte hilflos fest, dass es um sie geschehen war.

„Vielleicht bleiben wir besser hier.“

„Feigling.“

„Ja.“ Lauren stockte der Atem, als er sie auf den Hals küsste. Sein Atem strich warm über ihre Haut, und Lauren schloss sehnsüchtig die Augen. „Wenn ich keine Angst hätte, wäre ich ein Dummkopf.“ Und vielleicht war sie auch ein Dummkopf, denn sie trug die Diamanten dieses Mannes, obwohl die ganze Geschichte nur auf eine Weise enden konnte. Erschrocken zuckte sie in ihrer Überreiztheit zusammen, als wieder eine Feuerwerksrakete über ihnen explodierte.

Alexandros lachte leise, nahm ihre Hand und bahnte sich und Lauren einen Weg durch die Menge.

„Lass uns von hier verschwinden. Ich möchte nicht, dass du die Nerven verlierst, bevor das Beste kommt.“

Lauren fühlte sich hin und her gerissen zwischen Panik und freudiger Erwartung. „Meine Sachen sind noch im Hotel. Ich habe nichts anderes zum Anziehen als dieses alberne Wahrsagerkostüm.“

„Du hast doch die Diamanten, agape mou“, sagte er charmant und half ihr auch schon in den dunklen Hubschrauber, auf dem sein Firmenlogo prankte. „Mehr als das wirst du zunächst einmal nicht brauchen.“

Lauren klammerte sich hilflos an ihren Sitz, als der Hubschrauber sich wenig später mit Getöse in die Lüfte erhob. Kurz darauf war die Hotelanlage unter ihnen nur noch ein kleiner, glitzernder Punkt.

Diamanten und Leidenschaft, dachte sie benommen. Aber zu welchem Preis?

Sein Anwesen lag an den Hügel geschmiegt, der die Meeresbucht überblickte. Immer noch hielt Alexandros sie bei der Hand, während er sie durch den duftenden Garten führte, vorbei an einem sprudelnden Springbrunnen und einem sanft beleuchteten Überlaufpool, durch geöffnete Glastüren in ein elegantes Schlafzimmer. Ein großes Himmelbett, um das sich zarte weiße Vorhänge bauschten, mit Seidenkissen bedeckt, beherrschte den Raum.

Lauren lauschte dem besänftigenden Geräusch der Wellen, die an den Strand rollten. Unwillkürlich spannte sie sich an bei dem Gedanken, wie es sein mochte, in einem solchen Bett geliebt zu werden. Und von einem Mann wie Andros.

Die Sekunden verstrichen, die Erwartung wurde fast unerträglich.

„Andros …“

Er legte ihr den Arm um die Taille, zog sie hart an sich und küsste sie ungeduldig. „Leg dich hin, Dornröschen“, sagte er heiser, „und ich werde dich hundert Jahre lang küssen, bis dich eine Spindel in den Finger sticht.“

Lauren hielt erregt den Atem an. „Du bringst da etwas durcheinander.“

„Das spielt keine Rolle. Du glaubst sowieso nicht an Märchen.“

Allmählich fing sie aber an, doch daran zu glauben - an Märchen und ewiges Glück und die wahre Liebe. In seinen Armen konnte sie an alles glauben. Sie fühlte sich sexy, unwiderstehlich und sinnlich wie noch nie in ihrem Leben. Wie gebannt von dem Blick seiner faszinierenden dunklen Augen, ließ sie sich von Andros in die weichen Kissen drücken. Sofort schob er sich über sie, um keinen Zweifel an seinen Absichten aufkommen zu lassen.

„Du hast eindeutig zu viel an“, sagte er mit rauer Stimme. Im nächsten Moment drückte er die Lippen dort auf ihre Brüste, wo sie nicht von dem dünnen Stoff des Kostüms bedeckt wurden. „Du wirst mir hoffentlich verzeihen …“ Ohne Vorwarnung zerriss er das Kleid von oben bis unten, streifte ihr Slip und BH ab und schloss die Hand um eine Brust. „So ist es schon besser.“

Im Zimmer schien plötzlich unerträgliche Hitze zu herrschen. Heiße Schauer überliefen sie, während Andros mit der Hand über ihre Brüste und ihren Bauch fuhr und langsam immer tiefer glitt. Lauren erstarrte sekundenlang und stöhnte leise, als er zwischen ihre Schenkel glitt und sie geschickt zu streicheln begann.

Fieberhaft zerrte sie an seinem Hemd und strich sehnsüchtig über die harten Muskeln seiner Arme. Feine Härchen kitzelten ihre Brüste, und Lauren bog sich ihm verlangend entgegen. Noch nie hatte sie eine solche Leidenschaft für einen Mann empfunden.

Als könnte sie so ihre Sehnsucht nach ihm stillen, strich sie über seinen Rücken, die Schultern, den festen Bauch und wagte sich schließlich immer weiter vor, bis sie ihn mit der Hand umfasste. Seine Größe ließ sie einen Moment erschrocken den Atem anhalten.

„Entspann dich, erota mou.“ Er küsste sie sanft. „Vertraue mir.“ Der Kuss wurde intensiver und schürte ein Verlangen in ihr, das sie am ganzen Körper erzittern ließ.

Nur undeutlich nahm sie wahr, dass er ein Kondom hervorholte, dann spürte sie ihn groß und hart an ihren Schenkeln.

„Jetzt“, flüsterte sie drängend und presste die Fingerspitzen in seine breiten Schultern. „Bitte, jetzt …“

6. KAPITEL

Lauren sah ihm tief in die Augen. Ihr Herz klopfte wild. Jetzt würde es passieren. Mit diesem Mann. Eigentlich sollte sie sich fragen, warum gerade mit diesem Mann. Stattdessen küsste sie ihn auf die glatte, sonnengebräunte Haut seiner Schulter und dachte: ja, nur mit ihm.

Sie sehnte sich auf eine Art nach ihm, wie sie sich nie zuvor nach irgendeinem anderen Mann gesehnt hatte, und jeder sinnliche Kuss, jede aufregende Liebkosung von ihm schürten ihr Verlangen nach mehr.

Unwillkürlich bog sie sich ihm wieder entgegen, bis sie seine harte Männlichkeit spürte. Flüchtig fragte sie sich, ob sie erwähnen sollte, dass sie noch mit keinem Mann so intim gewesen war. Besser nicht, sagte sie sich und dachte dann nichts mehr.

Mit einem leisen Stöhnen schloss sie die Augen und gab sich seinen Küssen hin. Wenn sie gewusst hätte, wie wundervoll es sich anfühlte, hätte sie es schon vorher gewagt. Aber sie war zu ängstlich gewesen, um jemanden so nahe an sich heranzulassen. Sie hatte sich immer schützen wollen. So gut es ihr in ihrer Erregung gelingen wollte, versuchte sie zu verstehen, was bei diesem Mann anders war. Doch ihre Gedanken ließen sich nicht ordnen. Als sie den Mund öffnen wollte, um ihn zu bitten, er möge nicht aufhören, war er schon mit einem langsamen, geschmeidigen Stoß tief in ihr. Er fühlte sich hart und heiß an. Lauren glaubte den süßen Druck seines Körpers überall zu spüren.

Die Empfindungen, die er in ihr erweckte, überwältigten sie so sehr, dass sie in Panik zu geraten drohte, doch dann küsste er sie wieder, und ihre plötzliche Anspannung nahm ab, während noch heißere Erregung sie packte. Verlangend schlang sie die Beine um seine schmalen Hüften.

Statt jedoch auf ihre fieberhafte Herausforderung einzugehen, hielt er inne und sah sie fragend an.

„Andros“, flüsterte sie atemlos. „Ich will nicht, dass du aufhörst. Ich will dich.“ Sie presste sich an ihn, und er stöhnte auf, umfasste ihren Po mit beiden Händen und verlor sich wieder tief in ihr. Dieses Mal waren seine Stöße unendlich viel sanfter, und er zeigte ihr eine ganz andere Art der Leidenschaft. Mit jedem weiteren Moment, jeder weiteren Liebkosung steigerte er ihre Lust. Ihr Atem kam immer schneller. Gefühle überwältigten sie, die sie nicht für möglich gehalten hätte.

Alexandros verflocht die Finger mit ihren und küsste sie im selben Rhythmus, mit dem er sie liebte. Immer heftiger und schneller wurden seine Bewegungen. Lauren öffnete flüchtig die Augen und glaubte, der ganze Raum sei in das blau schimmernde Licht vom Pool auf der Terrasse getaucht.

„Du bist so schön“, stöhnte Andros, als sie sich ihm erneut entgegenbog und ihn noch tiefer in sich aufnahm.

Lauren spürte nur ihn, seine Kraft, seinen männlichen Körper. Es war die sinnlichste, erotischste, überwältigendste Erfahrung ihres Lebens. Mit jedem Stoß kam sie dem Paradies auf Erden näher, bis sie nach einer kleinen Ewigkeit, wie ihr schien, gemeinsam mit ihm den Gipfel der Leidenschaft erreichte.

Wellen unglaublicher Sinnenlust erfassten sie. Sie grub die Fingerspitzen in die festen Muskeln seiner Schultern und klammerte sich an ihn, bis der Strudel lustvoller Ekstase, der für immer ihr Leben veränderte, sie wieder freigab.

Noch ganz benommen von ihren Gefühlen, dachte Lauren unwillkürlich, dass sie jetzt ihm gehörte. Er hatte ihren Körper erobert und ihre Sinne.

Und auch ihr Herz.

Das Klingeln des Telefons weckte ihn.

Nur mühsam erwachte Alexandros aus tiefem Schlaf. Er rieb sich die Augen und schaute auf das Display seines Handys. Die Nummer seiner Schwester.

Leise auf Griechisch fluchend, ließ er sich in die Kissen sinken. Nicht ausgerechnet jetzt. Er war noch nicht in der Verfassung, ein Gespräch zu führen, das - im besten Fall - heikel verlaufen würde. Eleni wartete ohne Zweifel am New Yorker Flughafen auf die Ankunft ihrer „neuen besten Freundin“, die allerdings nur allzu bereit gewesen war, ein besseres Angebot von ihm anzunehmen.

Etwas in ihm sträubte sich dagegen, sie als habgierig zu entlarven. Er betrachtete die schlafende Frau in seinem Bett und erkannte erst jetzt, dass er es geschafft hatte, die Situation noch tausendmal komplizierter zu machen.

„Hallo Eleni“, meldete er sich zögernd.

„Du musst dich bei mir entschuldigen.“

Alexandros schüttelte den Kopf, als fiele es ihm dann leichter, sich trotz seiner Müdigkeit zu konzentrieren. „Ich entschuldige mich“, sagte er mit leiser Stimme, um die schlafende Frau in seinem Bett nicht aufzuwecken. „Du hast recht, es war nicht richtig von mir.“

„Doch, das war es. Ich bin froh, dass du es getan hast.“

Das ergab keinen Sinn. Alexandros runzelte die Stirn. „Du bist froh? Du bist nicht wütend?“

„Warum denn das? Ich hatte recht, und du hast dich geirrt.“ Seine Schwester klang eindeutig selbstgefällig. „Es ist das erste Mal, seit ich denken kann, dass du dich einmal in etwas geirrt hast. Also werde ich den Triumph entsprechend auskosten.“

„Eleni …“

„Das muss dir ganz schön den Abend verdorben haben, als meine Freundin nicht auf deiner dummen Party aufgetaucht ist. Sie hatte Angst, die Zeit könnte zu knapp werden, also hat sie den Job hingeschmissen. Und noch bevor du mit deinem Hubschrauber auf der Party in Monte Carlo gelandet warst, war sie schon längst am Flughafen.“

Alexandros erstarrte. „Das kann nicht sein.“ Um Mitternacht war Madame Rostropov mit ihm zusammen gewesen.

„So ist es aber nun mal. Ich freute mich so sehr, als sie rechtzeitig in New York ankam. Andros? Bist du noch da? Was ist denn los mit dir?“

Alexandros fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. „Sie kam rechtzeitig an? Sie hat den Flug nicht verpasst?“

„Nein. Sie ist hier bei mir. Du wirst sicher wieder behaupten, sie ist nur an meinem Geld interessiert, aber das ist nicht wahr. Willst du mit ihr sprechen?“

Alexandros schloss die Augen und stöhnte innerlich. „Nein. Du hast recht. Es wird Zeit, dass du lernst, dich auf dein Urteil zu verlassen, Eleni.“

Seine eigenen Probleme machten ihm schon genug zu schaffen, ohne dass er sich auch noch die seiner Schwester aufzuhalsen brauchte.

Wenn die Wahrsagerin sich in New York befand, mit wem hatte er dann die Nacht verbracht?

Wer lag in seinem Bett?

7. KAPITEL

Die Tage darauf vergingen wie in einem Nebel sinnlicher Glückseligkeit. Sie standen spät auf, frühstückten auf der Terrasse und erkundeten dann die Strände und kleinen Mittelmeerorte entlang der Küste der Halbinsel Cap Ferrat.

Ihr Lieblingsplatz war der Privatstrand direkt unterhalb seiner Villa. „Ich kann es nicht fassen, dass du das ganz für dich allein hast.“ Lauren bückte sich und hob eine Muschel auf. Ein Summton aus seiner Tasche ließ sie aufblicken. „Willst du den Anruf nicht annehmen?“

„Nein.“ Er umfasste ihre Taille und zog Lauren an sich. „Weil ich mit dir zusammen bin und nicht gestört werden möchte.“

Es war ein berauschendes Gefühl, so sehr von einem Mann wie ihm begehrt zu werden. „Du hast das Glück, dein eigener Boss zu sein. Niemand kann dich feuern. Was tust du überhaupt?“

„Ich entwerfe Computer-Software.“

Lauren verzog das Gesicht. „Du musst wirklich schlau sein. Computer hassen mich.“

Lächelnd drückte er ihr die Hand. „Lauren, Computer haben keine Gefühle.“

„Da irrst du dich aber gewaltig. Sie sind rachsüchtige Monster. Sie warten darauf, dass du etwas wirklich sehr, sehr Wichtiges machst, und dann schlucken sie es einfach und du findest es nie wieder.“

„Es ist immer möglich, verlorene Dateien wiederherzustellen.“

„Nicht für mich“, widersprach Lauren düster. „Ich bin absolut hoffnungslos, wenn es um Computer geht.“

Er zog sie lachend an sich und küsste sie. „Aber du hast dich an den Namen aller Leute erinnert, die wir in den vergangenen Tagen getroffen haben. Und du hast jeden mit deinem Charme erobert. Mein Personal hält dich für einen Engel, und mein Steuerberater wollte dich schon nach einem kurzen Telefongespräch heiraten. Du bist eine ganz besondere Frau und weißt es nicht einmal.“

„Ach was, ich bin ganz durchschnittlich“, sagte sie verlegen.

Er lächelte. „Das sehe ich ganz anders. Dieser Bikini steht dir sehr gut. Du siehst umwerfend aus in Pink.“

„Die Kleider sind alle wunderschön.“ Noch immer verlegen, sah Lauren an sich herab. „Du hättest mir nicht so viel kaufen sollen.“

„Du konntest schließlich nicht eine ganze Woche in deinem Wahrsagerkostüm herumlaufen.“

„Das Kostüm gehört mir ja auch nicht! Die wirkliche Wahrsagerin ist viel schmaler als ich. Und ich bin sicher, sie versteht ihr Handwerk sehr viel besser als ich, weil ich all das bestimmt nicht auf mich zukommen sah.“ Nicht einmal in meinen wildesten Träumen, fügte sie im Stillen hinzu. Sie legte Andros die Arme um den Nacken und zog die Stirn kraus. „Ist alles in Ordnung? Du wirkst auf einmal so angespannt.“

„Nein, nein, alles in Ordnung“, versicherte er gelassen. „Und es ist Mittag. Lass uns essen gehen.“

Lauren überlegte, ob sie ihn daran erinnern sollte, dass in weniger als vierundzwanzig Stunden ihr Flug ab Nizza zurück nach London ging. Aber auch er verriet ihr nichts von seinen Plänen, oder? Trotzdem wusste sie natürlich, dass er nicht ewig jeden Anruf ignorieren und sich in diesem Mittelmeerparadies vergraben konnte. Er musste sein normales Leben weiterführen und sie selbst auch.

Und im normalen Lauf der Dinge würden sie sich nie wiedersehen.

Während sie den Strand entlang spazierten, warf Lauren einen Blick über die Schulter und betrachtete ihre Fußabdrücke im Sand, die das Meer fortspülte. Der Anblick bedrückte sie, und ein Schauder lief ihr über den Rücken. Es war fast, als wären sie nie hier vorbeigekommen. Ihr kurzes Abenteuer würde bald schon nur noch eine Erinnerung sein.

Die Wirklichkeit verlangte wieder die ihr zustehende Aufmerksamkeit und zerstörte ihre Träume. Hieß es nicht, dass etwas zu schön war, um wahr zu sein? Genau das traf auf diese Situation zu. Für Menschen wie sie wurden solche Träume nicht wahr.

„Kennst du die Geschichte von Ikarus?“

Er sah sie verwundert an, während sie den Weg zur Villa einschlugen. „Natürlich. Ich bin Grieche. Er kam auf seinem Flug der Sonne zu nahe, seine Flügel schmolzen, und er stürzte ins Meer.“

Je höher man hinaufsteigt, desto tiefer fällt man.

Andros schien ihre bedrückte Stimmung zu spüren und nahm behutsam ihr Gesicht zwischen beide Hände. „Mit dir hat das nicht das Geringste zu tun, Lauren. Ich werde nicht zulassen, dass du fällst.“

„Morgen geht mein Flugzeug.“

„Ich lasse dich nicht gehen“, sagte er leise. „Du bleibst bei mir.“

Ihr Herz machte einen Sprung. Sie konnte nicht bleiben, oder? Sie hatte doch einen festen Job in London - falls Gillian sie noch weiterbeschäftigte, nachdem sie die Woche in Monte Carlo einfach mit Andros verbracht hatte. Aber vielleicht würde sie ihr das nicht verübeln, da sie die Zeit mit dem mächtigen, einflussreichen Mr.Kozanitas verbracht hatte. Andererseits, wollte - konnte - sie Andros wirklich aufgeben?

Alexandros und Lauren aßen auf der Terrasse zu Mittag, als plötzlich Geräusche aus der Villa drangen und im nächsten Moment ein hübsches, dunkelhaariges junges Mädchen auf sie zukam.

„Andros?“

Die Art, wie er zusammenzuckte, ließ Lauren sofort vermuten, dass es sich um eine alte Freundin handeln musste. Betroffen stellte sie ihr Glas ab und erhob sich.

„Setz dich bitte, Lauren“, sagte Alexandros leise. „Darf ich dir meine Schwester Eleni vorstellen.“

„Deine Schwester?“, wiederholte sie verblüfft. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er eine Schwester hatte. Warum hatte er sie nicht erwähnt?

Eleni blieb vor Alexandros stehen. Ohne weiter auf Lauren zu achten, verkündete sie in triumphierendem Ton: „Dein kleiner Plan ist also nach hinten losgegangen. Du hast den langen Weg gemacht, um eine Wahrsagerin zu verführen, und dann war sie nicht einmal da.“

Lauren fasste sich an die Kehle. „Eine W…wahrsagerin verführen?“

„Meine Freundin ist Wahrsagerin. Ich hatte sie zu einem Einkaufsbummel nach New York eingeladen.“ Ohne zu merken, welche Wirkung ihre Worte ausübten, fuhr Eleni zufrieden fort: „Aber Andros war sicher, sie hätte es nur auf mein Geld abgesehen, und um mir das zu beweisen, beschloss er, ihr ein besseres Angebot zu machen. Zu seinem Pech bekam er keine Gelegenheit dazu, weil sie an dem Abend gar nicht auf der Party erschien. Sie wartete bereits am Flughafen auf mich. Mein übervorsichtiger großer Bruder verschwendete seine Zeit für nichts und wieder nichts und verbrachte einen langweiligen Abend.“

Alexandros räusperte sich. „Mein Abend wurde alles andere als langweilig.“

Lauren musste gegen ein plötzliches Schwindelgefühl ankämpfen. Ohne sich bewusst zu sein, was sie tat, stand sie abrupt auf und brachte dabei die Teller auf dem Tisch zum Klappern. Trotz der heißen Temperaturen spürte sie eine Eiseskälte in sich. Der Schmerz, der sie ohne Vorwarnung erfasste, war so schneidend, dass sie fast nach Luft geschnappt hätte.

„Entschuldigung“, brachte sie mühsam hervor. „Ich werde mir ein Taxi rufen. Ich fliege zurück nach London.“ Womit sie auch den Rest ihres Honorars für den Job auf dem Event in Monte Carlo, ausgeben würde.

Geschieht dir nur recht, sagte sie sich. Was fing sie in ihrem Alter auch an, an Märchen zu glauben.

„Ich wollte nicht stören“, warf Eleni schuldbewusst ein, doch Lauren eilte bereits ins Haus.

Alexandros fuhr seine Schwester wütend auf Griechisch an und ließ sie einfach stehen.

„Lauren, hör mir zu“, rief er und war im nächsten Moment bei ihr. „Ich weiß, es klingt wie aus einem billigen Drehbuch, aber bitte glaube mir. Es ist nicht so, wie du denkst.“

„Heißt das, du hast mich nicht gebeten, den Abend mit dir zu verbringen, weil du beweisen wolltest, was für eine habgierige Person ich bin?“ Sie zitterte so sehr, dass ihr Handy, das sie aus der Handtasche genommen hatte, ihr aus der Hand glitt und auf den Boden fiel.

„Doch. Das war der Grund, weswegen ich dich ursprünglich eingeladen habe.“ Die ehrliche Antwort traf Lauren wie eine Ohrfeige. Sie bückte sich nach dem Handy und fragte sich, wie es sein konnte, dass es nicht kaputtgegangen war, während ihr Herz, das sie nicht hatte fallen lassen, so sehr schmerzte, als wäre es in tausend Stücke zerbrochen.

„Verrate mir nur eins. Wann hast du herausgefunden, dass ich nicht die richtige Wahrsagerin bin?“

„Am ersten Morgen.“

„Und du hast nichts gesagt?“

„Es war nicht wichtig. Weil es auch nicht der Grund war, weswegen ich dich hierher brachte.“

Lauren wollte ihm nicht zuhören. Gegen ihn konnte sie sich nicht wehren. Sie hatte ihm erlaubt, ihr etwas vorzumachen, und sogar angefangen zu hoffen. Noch schlimmer, sie war dumm genug gewesen, sich zu verlieben. Wie hatte er das nach so kurzer Zeit geschafft? „Manchmal, wenn man fürchtet, etwas sei zu schön, um wahr zu sein, dann ist es auch so. Man kann sein Schicksal nicht kaufen. Man kann sich keine Beziehung erkaufen.“ Zutiefst verletzt, nahm sie das Diamantcollier ab und drückte es ihm in die Hand. „Das war kein Märchen aus Diamanten oder Leidenschaft, Andros. Das war einfach nur verachtenswert.“

8. KAPITEL

Alexandros schlug mit der Faust gegen die Tür und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Die selbstbewusste Ruhe, die ihn sonst auszeichnete, hatte ihn endgültig verlassen. Wenn sie nun nicht mehr hier wohnte? Wenn …

Lauren öffnete und starrte ihn ungläubig an. „W…was tust du hier? Ich dachte, es ist der Taxifahrer.“

Andros bemerkte die Schatten unter ihren Augen. Sie war genauso unglücklich wie er. „Du hast mir die Diamanten zurückgegeben.“ Das hatte noch keine Frau getan.

„Mir gefiel nicht, wofür sie stehen. Mein Taxi ist da …“

„Es kann warten.“ Alexandros hielt sie am Arm fest. Der Duft ihres Haars wurde von der sanften Brise zu ihm geweht. Er musste gegen die fast übermächtige Versuchung ankämpfen, Lauren einfach an sich zu reißen und mit einem heißen Kuss alle Probleme aus der Welt zu schaffen. „Es ist wahr. Ich habe dich auf der Party aufgehalten, damit du deinen Flug nach New York verpasst“, gestand er widerstrebend. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, weil ich meine Schwester beschützen wollte. Aber alles, was danach geschah, hatte nur mit uns beiden zu tun. Nichts anderes spielte eine Rolle, Lauren.“

„Allerdings glaubtest du doch, ich sei eine prinzipienlose Frau, die nur auf dein Geld aus ist. Trotzdem hast du mit mir geschlafen. Was sagt das über dich aus, Andros?“

Der Schmerz, der in ihrer Stimme mitschwang, traf ihn bis ins Mark. „Es sagt nur aus, dass ich ein misstrauischer Mensch bin“, antwortete er rau. „Ich kann nichts dagegen tun. Und soweit ich sehen konnte, ähneln wir uns in dieser Hinsicht, also solltest du eigentlich Verständnis für mich haben. Wenn du mir etwas mehr vertrauen würdest, wärst du nicht so schnell davongelaufen.“

Sie blieb einen Moment still. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte sie dann leise.

„Durch deine Chefin.“

„Exchefin.“

„Sie hat dich gefeuert?“ Er ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Darum werde ich mich sofort kümmern.“

„Nein, ich wurde nicht gefeuert. Ich habe gekündigt. Du hast mir gesagt, ich soll keine Angst haben, und du hattest recht. Wäre ich noch länger bei ihr geblieben, besäße ich bald überhaupt kein Selbstvertrauen mehr.“

„Keine Sorge, ich nehme das in die Hand.“ Alexandros sah sich flüchtig in ihrer kleinen Wohnung um. Er hasste die Vorstellung, dass Lauren ihr Leben ganz allein verbringen musste. „Du kannst wunderbar mit Menschen umgehen. Ich werde dir einen Job geben.“

„Ich habe schon einen Job“, sagte sie stolz. „Erinnerst du dich an die Frau mit dem dicklichen blonden Freund? Wie sich herausstellte, war er nicht besonders nett zu ihr. Als sie mein Zelt verließ, nahm sie sich ein Herz und machte mit ihm Schluss. Und später hat sie mir einen Job angeboten. Sie ist Gillians größte Konkurrentin.“

Erst jetzt bemerkte Alexandros den Koffer, der hinter ihr auf dem Boden stand. „Du arbeitest schon?“

„Ob du es glaubst oder nicht, sie will ebenfalls eine Party in Monte Carlo geben.“ Sehr begeistert klang sie nicht. Wahrscheinlich war Monte Carlo der letzte Ort, an dem sie sich jetzt aufhalten wollte. „Warum bist du hier, Alexandros?“

Dieselbe Frage hatte er sich selbst schon gestellt. „Weil ich dir erklären wollte, warum ich so gehandelt habe.“

„Das brauchst du nicht.“

„Gleich nach dem Tod unserer Mutter ließ Vater sich dazu überreden, seine ganzen Ersparnisse in ein Projekt zu investieren, das sich schließlich als Betrug herausstellte. Er verlor alles und begann zu trinken.“ Alexandros atmete tief ein. „Eleni war erst ein Jahr alt, als er an Herzversagen starb.“

Einen Moment sagte Lauren nichts, dann nahm sie seine Hand. „Das tut mir sehr leid.“

„Ich war damals sechzehn und fest entschlossen, mich nicht von Eleni trennen zu lassen. Aber es war sehr hart.“ Er hatte noch mit niemandem darüber gesprochen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr. Schon bald verdiente ich sehr gut, und alles wurde anders. Allerdings lernte ich damals die Menschen von ihrer fürchterlichsten Seite kennen.“

„Deine Schwester hat großes Glück, dich an ihrer Seite zu haben. Nutzte die echte Wahrsagerin sie wirklich aus?“

„Ich habe keine Ahnung.“ Alexandros stellte fest, dass es ihm eigentlich sogar egal war. „Das muss Eleni allein herausfinden. Es wird höchste Zeit für mich aufzuhören, sie vor der ganzen Welt beschützen zu wollen. Ich muss mich bei dir entschuldigen.“

„Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du deine Schwester beschützen wolltest.“

„Du hast keine Familie.“ Während seiner Suche nach ihr hatte er erfahren, dass Lauren in einem Waisenhaus aufgewachsen war. Als Kind hatte man sie ausgesetzt.

„Nein.“ Ein einziges Wort, doch es verriet ihm so viel über ihr Leben. Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, aber er weigerte sich, sie freizugeben.

„Ich liebe dich, Lauren.“ Diese Worte hatte er noch zu niemandem gesagt, und doch fiel es ihm jetzt so leicht, sie auszusprechen. „Heirate mich.“

Sekundenlang blieb sie stumm. Dann holte sie tief Luft und schüttelte den Kopf. „Sei nicht albern.“

„Ich liebe dich …“

Sie schüttelte den Kopf nur noch heftiger. „Das ist unmöglich.“

„… und ich weiß, du liebst mich.“

„Vielleicht ja nicht“, erwiderte sie mit einem traurigen Lächeln. „Vielleicht bin ich nur an deinem Geld interessiert.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Wenn ich dich heiraten würde, würdest du es nie ganz sicher wissen, nicht wahr? Du führst ein Leben wie im Märchen, Andros, aber ich muss mit der düsteren, harten Wirklichkeit zurechtkommen. Entschuldige mich also bitte, ich bin spät dran.“ Ohne ihn noch einmal anzusehen, entriss sie ihm ihre Hand und lief zum wartenden Taxi.

Lauren mischte sich unter die Gäste und wünschte sich, ihr neuer Job hätte sie nicht an diesen Ort zurückgeführt. Es war eine grausame Laune des Schicksals. Jedes Mal, wenn sie einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann sah, zuckte sie zusammen, und bei jedem Feuerwerkskörper, der am Himmel explodierte, glaubte sie, auch ihr Herz würde zerspringen.

„Sie sind großartig, Lauren.“ Ihre neue Chefin Daisy gesellte sich später am Abend zu ihr. „Können Sie mir noch einen Gefallen tun? Schauen Sie kurz in das Zelt der Wahrsagerin und vergewissern Sie sich, dass bei ihr alles in Ordnung ist, ja?“

Lauren wurde blass. „Nein, ich …“

Aber Daisy war schon auf dem Weg zu einer Serviererin, die gerade ein Tablett mit Erfrischungen fallen gelassen hatte.

Seufzend ergab Lauren sich in ihr Schicksal und betrat das Zelt der Wahrsagerin. „Hallo. Wie läuft es bei Ihnen? Alles in Ordnung?“

Das Mädchen sah sie über den Rand ihres Schleiers an. „Sie werden einem großen, dunkelhaarigen Mann begegnen, der sehr reich …“

„Halt.“ Lauren hielt abwehrend die Hand hoch. „Ich bin nur gekommen, um nach Ihnen zu sehen. Sie sollen mir nicht die Zukunft voraussagen.“

„… ist und Ihnen einen Diamantring schenken wird.“

Lauren stieß gereizt die Luft aus. „Und wie können Sie das wissen?“

„Weil ich genau hinter dir stehe und nur darauf warte, ihn dir an den Finger zu stecken.“ Die tiefe Stimme ließ Lauren zusammenfahren.

Andros.

Während sie sich langsam zu ihm umdrehte, verließ die lächelnde Wahrsagerin schon diskret das Zelt.

„Alexandros.“

Umwerfend attraktiv wie immer, dachte sie sehnsüchtig, als er ihre Hand nahm.

„Der gehört dir.“ Er streifte ihr den Ring über den Finger, und Lauren sah den funkelnden Diamanten fassungslos an. „Und das auch.“ Behutsam legte er ihr das Diamanthalsband um. „Du kannst beides verkaufen und bist dann eine reiche Frau. Jetzt ist also Geld kein Thema mehr, und du hast keinen Grund, mich nicht zu heiraten.“

Lauren fiel es plötzlich schwer, ruhig zu atmen. „Aber …“

„Ich liebe dich, und ich weiß, dass du meine Liebe erwiderst.“

Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Das kann nicht wirklich geschehen. Es fühlt sich nicht wirklich an.“

Er zog sie an sich und küsste sie, bis sie nicht mehr wusste, was eigentlich das Problem war. „Und wie fühlt es sich jetzt an?“, fragte er leise.

„Wie ein Märchen“, flüsterte sie. „Und ich glaube doch nicht an Märchen.“

„Es ist kein Märchen, agape mou.“ Alexandros legte die Hände an ihre Wangen. „Es ist das wahre Leben.“

„Nicht mein Leben.“ Lauren schüttelte den Kopf und zwang sich, die Tatsachen zu akzeptieren. Alexandros und sie passten nicht zusammen. Sie stammten aus völlig verschiedenen Welten. „Ich kann dich nicht heiraten, Andros. Ich bin eine ganz gewöhnliche Frau.“ Sie suchte verzweifelt nach einem Argument, das ihn Vernunft annehmen lassen würde. „Und ich kann nicht einmal deinen Namen richtig schreiben.“

„Nichts könnte mir gleichgültiger sein.“

Lauren wagte noch immer nicht, ihr Glück zu glauben. „Ich kann dir nicht geben, was du möchtest.“

„Du hast mich doch gar nicht gefragt, was ich möchte.“ Er lehnte die Stirn an ihre. „Ich möchte dich verwöhnen, dich beschützen und lieben, wie dich noch niemand geliebt hat. Das ist mein größter Wunsch. Du hast gesagt, dir gefällt nicht, wofür die Diamanten stehen, aber sie stehen für Liebe.“

Lauren sah ihm in die Augen, und ganz zaghaft begann sie zu hoffen. Liebe, dachte sie. Das schönste aller Märchen. „Vielleicht sollten wir die Wahrsagerin bitten, uns die Zukunft zu verraten.“

„Ich kann dir auch sagen, was die Zukunft für uns bereithält. Diamanten und Leidenschaft, agape mou.“ Er lächelte zärtlich. „Diamanten und Leidenschaft bis an unser Lebensende.“

- ENDE -

Sarah Morgan

Mein argentinischer Märchenprinz

1. KAPITEL

Anmutig wie eine Kriegerin saß sie auf ihrem Pferd. In der glühenden Sonne Argentiniens schimmerte ihr Haar wie flüssiges Gold.

Zuerst hatte ihn ihr Anblick verärgert, zum einen, weil sie das Pferd in wildem Galopp durch die sengende Hitze trieb, vor allem aber, weil er Einsamkeit gesucht hatte, nicht Gesellschaft. Und wenn es etwas gab, das die argentinische Pampa im Überfluss zu bieten hatte, dann war es Einsamkeit.

Endloses Weideland erstreckte sich bis zum Horizont, der so eben und gerade war, als hätte ihn jemand mit einem Lineal gezogen.

Als Pferd und Reiterin näher kamen und er das Tier erkannte, wandelte sich sein Ärger in Sorge, und augenblicklich flammte Wut über denjenigen in ihm auf, der ihr erlaubt hatte, ausgerechnet mit diesem Pferd allein auszureiten. Er nahm sich vor, den dafür Verantwortlichen später ausfindig zu machen. Schließlich verflog sein Ärger, denn mit typisch männlichem Wohlwollen nahm er die feinen Gesichtszüge der Frau anerkennend wahr.

Er war sein Leben lang von wunderschönen Frauen umgeben gewesen, jede einzelne weitaus aufwendiger hergerichtet als sie, und dennoch konnte er den Blick nicht von ihrem Gesicht wenden. Sie hatte helle Haut, und ihr zierlicher Körper war eine verführerische Kombination aus langen, schlanken Gliedern und wohlgeformten Rundungen. Es schien, als hätten die Götter sie einzig geschaffen, um Männern den Kopf zu verdrehen.

Ihre zarte Haut und ihre geröteten Wangen verliehen ihr einen Hauch von Unschuld. Ein Gedanke, den er mit einem schiefen Lächeln quittierte, denn so selten, wie er mit dieser Eigenschaft in Berührung gekommen war, staunte er, dass es ihm überhaupt auffiel.

Sein Zynismus saß so tief, dass er zunächst der Überzeugung gewesen war, sie müsse ihn gesehen und absichtlich verfolgt haben, aber da sie genauso gut nur rein zufällig hier aufgetaucht sein konnte, verwarf er diese Unterstellung gleich wieder.

Ein glücklicher Zufall, dachte er beiläufig, während sein Blick auf ihren Lippen ruhte. Ein wirklich sehr glücklicher Zufall.

Mit angelegten Ohren krümmte das Pferd den Rücken und machte einen gewaltigen Bocksprung, der sie direkt aus dem Sattel hätte werfen sollen.

Faith biss jedoch bloß verärgert die Zähne zusammen und blieb wie angewachsen im Sattel. „Deine Laune ist heute wirklich grässlich, Fuego, kein Wunder, dass jeder Angst vor dir hat“, murrte sie. „Du wirst mich nicht abwerfen, wir sind meilenweit weg von zu Hause, also bleibe ich sitzen, wo du auch hinrennst. Es wäre besser, du würdest das allmählich begreifen.“

Die Hitze war erdrückend, und Faith wollte eben nach ihrer Wasserflasche greifen, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Sie wandte den Kopf und erstarrte im Sattel. Jemand beobachtete sie.

Sie war so sehr damit beschäftigt gewesen, sich auf dem Pferd zu halten, dass sie den Mann gar nicht bemerkt hatte.

Jetzt allerdings bemerkte sie ihn.

Er war tatsächlich der attraktivste Mann, der ihr jemals begegnet war, und seit ihrer Ankunft in Argentinien hatte sie viele Männer getroffen. Er war schlank, muskulös und hatte breite, kräftige Schultern. Doch was ihren Herzschlag aus dem Takt brachte, war die sexuelle Aura, die ihn umgab.

„Sie starren mich an, Signorina.“ Seine tiefe, männliche Stimme jagte ihr einen prickelnden Schauer über den Rücken.

Natürlich entging ihrem Pferd die mangelnde Aufmerksamkeit nicht. Es nutzte den Augenblick zu einem weiteren gewaltigen Bocksprung, der Faith durch die Luft fliegen und rücklings im Staub landen ließ.

„Verflixt noch mal!“ Der Schmerz schoss durch ihren ganzen Körper, und für einen Moment blieb sie einfach liegen, um herauszufinden, ob sie sich irgendetwas gebrochen hatte. „Das Pferd braucht einen Psychiater.“

Zwei starke Hände umfassten ihre Taille und stellten sie auf die Füße, als wäre sie federleicht. „Er braucht einen männlichen Reiter.“ Als sie seinem Blick begegnete, begann ihr Herz zu rasen.

„Das hat nichts mit meinem Reitstil zu tun. Es war Ihre Schuld, weil Sie ohne jede Vorwarnung plötzlich vor mir standen …“ Verwirrt brach sie ab, denn sein sinnlicher Blick raubte ihr jeden weiteren Gedanken.

„Ich bin davon ausgegangen, dass Sie mich gesehen haben. Die argentinische Pampa bietet nicht allzu viele Möglichkeiten, sich zu verstecken.“

„Ich musste mich auf mein Pferd konzentrieren.“

„Sie sind viel zu schnell geritten.“

„Sagen Sie das dem Pferd, nicht mir. Ich nehme an, es wurde nicht umsonst Fuego getauft – mein Spanisch ist nicht das beste, aber ich weiß, dass es ‚Feuer‘ bedeutet.“ Faith zwang sich, den Blick von seinem schönen Gesicht zu wenden, in der Hoffnung, ihr wild schlagendes Herz würde sich beruhigen, wenn sie ihn nicht mehr ansah. „Ich habe das Tempo nicht gewählt. Bei Pferden mit diesem Charakter kriegt man immer mehr als erwartet.“ Was ist nur los mit mir? Plötzlich fühlte sie sich so benommen, ihr Kopf war wie leergefegt, und eine besorgniserregende Trägheit hatte sie erfasst.

Das muss die Hitze sein, sagte sie sich selbst. Nur die unbarmherzige, sengende Hitze, die die gesamte Landschaft in eine drückend schwüle Sauna verwandelte.

„Wohnen Sie auf der Estancia La Lucia?“ Er sah sich um, obwohl das elegante Kolonialhaus über eine Stunde entfernt lag. „Sie sollten nicht allein ausreiten. Was ist denn mit dem Rest Ihrer Truppe passiert? Sie sollten einen der Reitknechte dabeihaben.“

„Oh bitte!“ Von der glühenden Sonne schon halb geröstet und mit immer noch schmerzenden Gliedern, warf Faith ihm einen warnenden Blick zu. „Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für dieses machomäßige argentinische Männergehabe. Nicht gerade jetzt.“

Ironisch zog er eine Augenbraue hoch. „Argentinisches Männergehabe?“

„Sie wissen, was ich meine.“ Sie versuchte, den Schmutz von ihrem Hosenboden zu klopfen. „Diese mega Macho-Anmache. Diese Wirf-dir-die-Frau-über-die-Schulter-Art der Kommunikation.“

„Interessante Beschreibung.“ Sichtlich amüsiert betrachtete er sie. „Wir sind hier in Südamerika, Cariño. Hier wissen die Männer, was es bedeutet, ein Mann zu sein.“

„Ist mir nicht entgangen. Seit ich das Flugzeug verlassen habe, fühle ich mich von so viel Testosteron umgeben, dass es mich ganz wahnsinnig macht.“

„Willkommen in Argentinien.“ Ein Anflug von Spott schwang in seinen aufreizend langsam betonten Worten mit, und mit einem Mal fühlte sie sich völlig unbeholfen und schüchtern. Dass sie so auf ihn reagierte, machte sie wütend, denn bisher hatte sie sich immer für sehr selbstbewusst gehalten.

„Arbeiten Sie hier?“, fragte sie.

Sein Zögern war so kurz, dass sie glaubte, es sich nur eingebildet zu haben. „Ja.“

„Sie Glückspilz.“ Sie ging davon aus, er wäre einer der Gauchos, die die mehrhundertköpfige Rinderherde hüteten, die auf diesen Ländereien weidete. Während sie sich erneut zwang, den Blick von ihm zu lösen, fragte sie sich, weshalb gerade dieser Mann eine derartige Wirkung auf sie hatte. Ja, er sah gut aus, aber das hatte er mit einigen der Männer gemein, denen sie hier in Südamerika begegnet war.

Doch irgendetwas hatte er an sich …

Er war ein überwältigender, selbstbewusster Mann, der sich ganz selbstverständlich in diese Umgebung einfügte. „Ihr Englisch ist beeindruckend“, stellte sie fest. „Das kommt, weil ich manchmal mit den Frauen rede, bevor ich sie mir über die Schulter werfe.“ Er musterte sie irritierend lange. Dann ließ er den Blick zu ihrem Mund gleiten und dort verweilen, als würde er über etwas nachdenken.

Allmählich wurde Faith die drückende Hitze unerträglich. Gleichzeitig fühlte sie sich von diesem Mann so angezogen, dass sie sich schon in seinen Armen liegen sah.

Sie sehnte sich förmlich nach seinem Kuss, und die Stärke dieses Verlangens entsetzte sie, weil sie seit ihrer Ankunft in Buenos Aires jeden Mann auf Distanz gehalten hatte. Schließlich war sie hier, um zu arbeiten, zu forschen und zu lernen, und nicht, um einen Mann zu finden. Stattdessen fühlte sie sich gefangen von dem sinnlichen Blick dieses Fremden. Es war, als würde er den Moment auskosten und ihre Gedanken lesen.

Sie ahnte, dass ihr etwas sündhaft Erregendes bevorstand, und wartete mit angehaltenem Atem auf das, was nun unweigerlich kommen würde: etwas, das ihr Leben für immer veränderte.

Doch anstatt sie zu küssen, lächelte er sie nur vielsagend an, bevor er sich Fuego zuwandte. „Ihr Pferd braucht Wasser.“

Aus dem Bann seines Blickes entlassen, spürte Faith, wie die Spannung aus ihrem Körper wich. Tiefe Röte schoss ihr ins Gesicht. „Mein Pferd braucht so einiges.“

Was ist eben passiert?

Hatte sie sich dieses Band zwischen ihnen nur eingebildet?

Während er das Pferd zum Fluss führte, betrachtete sie ihn ausgiebig – seine breiten Schultern, die schmalen Hüften, die langen Beine …

Nein, sie hatte sich nichts eingebildet. Aber er war kein Teenager mehr, der auf ein schnelles Abenteuer und rasche Befriedigung aus war. Sie hatte es hier mit einer ganz anderen Sorte zu tun. Er war durch und durch ein richtiger Mann, von dem glänzenden schwarzen Haar und dem dunklen Bartschatten bis hin zu den stählernen Muskeln, die seiner so männlichen Erscheinung weitere Härte verliehen. Gelassen, weltgewandt und erfahren, verhielt er sich ihr gegenüber derart überlegen, dass sie nicht im Geringsten daran zweifelte: Er spielte mit ihr.

Wütend auf sich selbst und auf ihn, hob sie das Kinn und schlenderte zu ihm hinüber, darauf bedacht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie in seinen Bann gezogen hatte.

„Ich muss zurück.“ Sie nahm Fuegos Zügel und schwang sich in den Sattel, wobei sie mit einiger Befriedigung bemerkte, wie der Blick des Mannes auf ihren schlanken Schenkeln verweilte.

Sie hatte sich die Anziehungskraft zwischen ihnen nicht eingebildet. Nicht nur ich spüre dieses brennende Verlangen. „Warten Sie.“ Er hielt das Pferd an den Zügeln fest. „Sie sagten, Sie arbeiten auf der Estancia. Wo denn eigentlich? Sind Sie in den Gästequartieren angestellt?“

„Da sind ja wieder Ihre Vorurteile.“ Um sich nicht erneut von ihm ablenken zu lassen, strich sie Fuego über den Hals. „Alle argentinischen Männer, die ich bisher kennengelernt habe, glauben anscheinend, eine Frau gehöre in …“ Sie unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, doch er zog eine Braue hoch, und seine Augen blitzten teuflisch amüsiert.

„Ja, und weiter? Wir argentinischen Männer glauben, eine Frau gehöre in …?“

Sein Charme und seine maskuline Ausstrahlung irritierten sie so sehr, dass sie im Moment kein Wort herausbrachte. Und eigentlich wollte sie ihren Satz ja auch gar nicht beenden. Es würde ihrem Gespräch nur eine äußerst gefährliche Richtung geben, die sie besser vermied. „In die Küche“, schloss sie lahm, „in die Küche.“

Sein leicht spöttisches Lächeln vertiefte sich. „In die Küche? Wenn Sie das glauben, haben Sie den durchschnittlichen argentinischen Mann bis jetzt noch nicht durchschaut.“

„Der durchschnittliche argentinische Mann interessiert mich absolut nicht“, erwiderte sie zuckersüß. „Weshalb sind Sie nach Argentinien gekommen? Wegen unserer Pferde?“

Faith sah sich in der endlosen Weite der Grasebene um, die sie wie ein wogendes grünes Meer umgab. „Ich bin hergekommen, weil ich etwas über Raul Vásquez gelesen habe.“

Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: „Sie sind Tausende von Meilen gereist, um Raul Vásquez zu treffen?“ Es lag eine Kälte in seinen Worten, die sie zuvor nicht bemerkt hatte. „Sie hoffen nicht zufällig darauf, sich einen Milliardär zu angeln?“

Erst starrte Faith ihn verwundert an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Nein, natürlich nicht, seien Sie nicht albern. Abgesehen davon, dass ich diesen Mann noch nie getroffen habe, sind milliardenschwere Schirmherren des Polospiels auch nicht ganz mein Stil. Er ist im Moment in den Staaten, wegen irgendwelcher großartiger Geschäfte. Da er eine Vielzahl von Leuten beschäftigt, gehe ich nicht davon aus, dass sich unsere Wege jemals kreuzen werden.“

Er musterte sie unangenehm eindringlich. „Und würde Sie das enttäuschen?“

„Sie haben mich falsch verstanden. Der Mann selbst interessiert mich nicht, nur seine Poloranch. Deshalb bin ich hier. Wahrscheinlich wissen Sie, dass Raul Vásquez Poloponys züchtet und trainiert. Seine tierärztlichen Institute zählen zu den besten der Welt. In einer Fachzeitschrift las ich einen Artikel von Eduardo, dem leitenden Arzt dieser Einrichtung, und bewarb mich daraufhin um eine Stelle. Dass ich den Job wirklich bekommen habe, ist die Erfüllung eines Traums.“

„Eduardo hat Sie eingestellt?“ Es folgte ein kurzes, ungläubiges Schweigen. „Sie sind Tierärztin?“

„Ja, ich bin Tierärztin.“ Verärgert über das sichtliche Erstaunen in seinen Augen, biss sie die Zähne zusammen. Schließlich sagte sie: „Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert. Wissen Sie, auch Frauen können Tierarzt werden, auch wenn diese Neuigkeit noch nicht in Südamerika angekommen ist.“

„Ich bin mir bewusst, dass auch Frauen Tierarzt werden“, sagte er ruhig, „aber wir reden hier von einem großen kommerziellen Gestüt, nicht von einer Kleintierpraxis in der Stadt.“

„Für Kleintierpraxen habe ich mich noch nie interessiert. Ich wollte schon immer mit Pferden arbeiten.“ Er ließ den Blick zu ihren Armen gleiten. „Ich zweifele nicht an Ihrem Engagement oder Enthusiasmus, aber manchmal ist auch körperliche Kraft nötig, besonders hier draußen in der Pampa, wo wir mit starken Hengsten und Zuchtstuten umgehen müssen.“

„Da haben wir es wieder! Sie glauben, es gehe immer nur um Muskeln, Aggression und Dominanz. Dabei sollten Sie wissen, dass es vielmehr um das Verständnis für das Verhalten des Pferdes geht. Raul Vásquez hat das eingesehen und einige revolutionäre Trainingsmethoden entwickelt.“

„Ich kenne seine Trainingsmethoden. Aber beantworten Sie mir eine Frage …“ Er sah ihr wieder ins Gesicht und fuhr in leisem, vernichtendem Ton fort: „Wer hatte die Gewalt, als Sie durch die Pampa galoppierten, den Wind in ihrem Haar? Sie oder das Pferd?“

„Oh, das Pferd“, gab Faith heiter, mit funkelnden Augen zu. „Aber Gewalt meinerseits hätte daran nichts geändert.“

„Fuego muss von einem Mann geritten werden. Einem Mann mit genug reiterlichem Können und genügend Kraft, um ihn zu kontrollieren.“

„Nein, verstehen muss man ihn. Will man ein Verhalten ändern, muss man zuerst verstehen, was diesem Verhalten zugrunde liegt. Das gilt für Pferde ebenso wie für Menschen.“

Ihr Leben lang hatte sie nur studiert und ihre gesamte Freizeit mit Pferden verbracht. Kein Mann hatte es jemals geschafft, ihr Interesse auf sich zu lenken.

Bis jetzt.

Dieser Fremde brachte sie völlig aus der Fassung, machte sie unsicher und verwirrte sie über alle Maßen.

Normalerweise hätte sie sich niemals als schüchtern bezeichnet, doch jetzt wurde sie sich ihrer Naivität in Bezug auf Männer wie ihn schrecklich bewusst.

„Ich sollte jetzt los. Ich muss zurück und …“ Sie brach ab. Ob er mich wohl aufhalten wird? Doch er machte keine Anstalten.

Er ließ Fuegos Zügel los und trat einen Schritt zurück. „Seien Sie vorsichtig“, sagte er sanft, was ihr nur ein ratloses Lächeln entlockte, da sie sich absolut sicher gewesen war, dass er sie aufhalten würde oder zumindest vorschlagen, sich bald wieder zu treffen.

Und das wollte sie.

Ich will es wirklich.

Der Vásquez Polo Cup, ein wichtiges Turnier des Argentinischen Polovereins, war die großartigste Veranstaltung, die Faith je besucht hatte.

Zwar war sie nur in ihrer Rolle als amtierende Tierärztin zugegen, aber sie kam nicht umhin, die Zuschauer zu mustern, die sich auf der Tribüne versammelt hatten. „Warum sehen diese Frauen nur alle so fantastisch aus?“, wunderte sie sich laut. „Und wie kriegen sie es hin, dass ihre Haare so glatt sind? Meine locken sich bei dieser Hitze immer sofort.“

„Das da oben ist die Elite von Buenos Aires“, meinte Eduardo. „Vermutlich haben sie den ganzen Tag damit verbracht, sich aufzudonnern, in der Hoffnung, dem Boss aufzufallen.“

„Dem Boss?“ Faith sah sich um. „Raul Vásquez? Er spielt heute aber nicht, oder? Ist er hier?“

„Noch nicht.“

„Aber das Spiel fängt in ein paar Minuten an.“ Sie konnte den Blick einfach nicht von den in Seide gehüllten und mit Diamanten geschmückten Frauen auf der Tribüne wenden. Sie wirkten wie ein Schwarm exotischer Vögel. „Die sind alle ziemlich schick angezogen, wenn man bedenkt, dass sie den Nachmittag mitten unter Pferden verbringen.“

„Das ist nun mal Polo“, erwiderte Eduardo gedehnt. „Das großartigste Spiel der Welt. Da werfen sich alle in Schale.“

Jetzt donnerten die Männer auf ihren geschmeidigen Pferden auf das Spielfeld, und Faith versuchte, sich von dem Glanz dieses Spektakels nicht zu sehr hinreißen zu lassen.

Sie untersuchte eben das Fesselgelenk eines Hengstes, als sie das lärmende Rotorgeräusch eines Hubschraubers über sich hörte.

„Da kommt er“, murmelte Eduardo und warf einen Blick nach oben. „Das Spiel fängt in zwei Minuten an. Er ist mal wieder pünktlich auf die Minute.“

Faith war zu sehr mit dem Tier beschäftigt, um die Landung des Helikopters zu verfolgen. „Er ist nicht ganz fit.“

Eduardo runzelte die Stirn. „Er ist fitter als jeder andere Mann, den ich kenne.“

„Nicht der Boss, das Pferd hier!“ Faith sah Eduardo verärgert an. „Denkt hier denn jeder nur an Raul Vásquez?“

Das plötzliche Kreischen der Menge sagte Faith, dass das Spiel begonnen hatte, und sie warf einen Blick über ihre Schulter, um zuzusehen, wie Pferde und Reiter das Feld hinabpreschten.

Bevor sie nach Argentinien gekommen war, hatte sie nie ein Polospiel gesehen. Auch jetzt ließ die Geschwindigkeit und Gefährlichkeit dieses Spiels sie immer noch ehrfürchtig erstarren.

Sie wandte sich einem der Pferdepfleger zu. „Welcher der Reiter ist Raul Vásquez?“

„Derjenige, der auf ganzes Risiko geht.“

Die Augen gegen das grelle Sonnenlicht zusammengekniffen, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Spielfeld.

Aus dieser Entfernung war es unmöglich, die Gesichter der Spieler unter den Schutzhelmen zu erkennen, doch einer der Männer stach zwischen ihnen allen hervor. Er war geschmeidig und muskulös, und während er sein Pferd einhändig lenkte, lehnte er sich weit aus dem Sattel, um in einem gefährlichen Manöver den Ball zu schlagen.

Ungläubig schaute Faith zu und bereitete sich schon darauf vor, ihn mit verheerender Wucht zu Boden stürzen zu sehen. Er musste einfach fallen! Doch mit einer Kombination aus reiner Muskelkraft und athletischer Gewandtheit hielt er sich auf dem Pferd, schwang seinen Schläger mit treffsicherer Genauigkeit und schlug den Ball ins Tor.

Beifall brandete im Publikum auf, und Faith bemerkte plötzlich, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte.

Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, untersuchte ein Pferd nach dem anderen, sprach mit deren Pflegern und war eben erst zur Hälfte fertig, als einer der Männer ihr auf die Schulter tippte. „Sie treten die Löcher zu. Das ist Tradition, jeder macht mit.“

Zuschauer und Spieler spazierten über das Spielfeld und traten die Erdklumpen wieder fest, die von den Hufen der Pferde aufgeworfen worden waren. Dabei wurde viel gelacht und geredet, und es bot den Zuschauern die Gelegenheit, sich unter die Spieler zu mischen.

Gerade wollte Faith eines der Grasbüschel mit dem Fuß festdrücken, da kam ihr ein großer schwarzer Stiefel zuvor, und als sie aufsah, blickte sie direkt in die strahlenden Augen des Mannes, den sie auf dem Polofeld beobachtet hatte.

Raul Vásquez.

Der Mann vom Fluss.

Sekundenlang starrte sie ihn sprachlos an und schluckte trocken. „Das wusste ich nicht. Sie haben sich nicht vorgestellt.“

„Das wollte ich auch gar nicht“, sagte er langsam und bedächtig. Bei seinem umwerfenden Anblick wurde ihr ganz heiß, denn obwohl sie von wunderschönen, glamourösen Frauen umgeben waren, hatte er nur Augen für sie.

„Sie hätten sich vorstellen müssen!“ „Warum? Dann hätten Sie sich vielleicht ganz anders verhalten, und das hätte ich nicht gewollt.“ Sein Lächeln war so verwirrend und unglaublich vertraut.

„Wie habe ich mich denn verhalten?“

Wie zufällig stieß er mit seinem Bein gegen ihres. „Sie waren erfrischend natürlich.“

Sie warf einen Blick zu den stolzen, selbstbewussten Frauen ringsum. „Sie meinen, ich verbringe nicht den ganzen Tag damit, mich verwöhnen zu lassen. Weshalb unterhalten Sie sich ausgerechnet mit mir?“

„Weil Sie mich faszinieren.“ „Sie bevorzugen Frauen, die ungeschminkt, dafür aber von oben bis unten mit Staub bedeckt sind?“ Er lachte. „Mich interessiert die Person, nicht deren Hülle.“

„Oh bitte!“ Sie betrachtete sein schönes Gesicht. „Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, Sie würden einer Frau, die nicht umwerfend aussieht, mehr als einen Blick gönnen?“

„Nein, das will ich Ihnen nicht erzählen.“

Dass er ihr unablässig in die Augen sah, raubte ihr förmlich den Atem. „Also meinen Sie, dass … Sie wollen sagen …“

„Ja“, erwiderte er amüsiert. „Genau das. Normalerweise sind Sie aber etwas schlagfertiger. Was ist los? Hat Ihnen noch nie jemand ein Kompliment gemacht?“

Die Luft um sie herum schien wie elektrisch geladen, und Faith war sich der unzähligen, auf sie gerichteten Augenpaare bewusst. „Alle Leute schauen zu uns her.“

„Und, kümmert Sie das?“

„Na ja, Sie sind es vielleicht gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen, ich bin es nicht.“ Wütend darüber, dass sie sich so linkisch benahm und nicht wusste, was sie sagen sollte, funkelte sie ihn an. „Aber es ist egal, wer Sie sind, ich halte Sie immer noch für einen Macho und Sexisten.“

Lachend warf er den Kopf zurück. „Sie haben absolut recht, Cariño. Ich bin ein Macho und Sexist. Und ich will Sie einladen. Kommen Sie mit zu meinem Strandhaus.“

Das Strandhaus war sein privater Wohnsitz, eine herrliche, exklusiv für ihn entworfene Villa, gelegen an einer sandigen Bucht mit Blick auf den Atlantik.

Was hatte er vor?

Ein Blick in seine dunklen Augen reichte aus, ihr diese Frage zu beantworten. Erneut schoss ihr flammende Hitze in die Wangen.

Entsetzt darüber, wie gern sie Ja gesagt hätte, trat sie einen Schritt zurück, und einmal mehr wurde ihr bewusst, dass alle Frauen auf dem Spielfeld sie neidisch musterten. Wie konnte sie einem Mann wie ihm überhaupt etwas abschlagen? Ehe sie sich jedoch in etwas verrannte, das sie mit Sicherheit später bereuen würde, beeilte sie sich, ihm zu antworten: „Nein, vielen Dank.“

„Ich hatte Ihnen keine Frage gestellt.“

„Dann war es ein Befehl?“

Er sah sie amüsiert an. „Eher eine sehr entschiedene Bitte.“ „Ich muss bis zehn arbeiten.“ „Ich sorge dafür, dass Sie den Abend frei bekommen.“ Einfach so. Das ist die Macht eines Milliardärs, dachte Faith hilflos.

„Nein, das wäre den andern gegenüber nicht fair.“ Was hätte sie wohl gesagt, wenn sie nicht arbeiten müsste. Hätte sie sich einverstanden erklärt? „Ich fürchte, wir müssen Ihre Einladung verschieben. Eduardo hat heute Abend frei, und eine der Stuten könnte jede Minute fohlen. Ich kann hier nicht weg.“

Das Lächeln verschwand, und eine angespannte Stille folgte. „Eine der Stuten wird fohlen?“, fragte er schließlich. „Welche?“

„Velocity.“ Er zog scharf die Luft ein. „Eduardo sollte hier sein, wenn sie fohlt.“ „Danke für Ihr Vertrauen.“

„Das ist nicht persönlich gemeint.“

Sie lachte auf. „Soll das heißen, Sie trauen generell keiner Frau eigenständige Arbeit zu?“

Er kniff die Augen zusammen. „Velocity ist meine wertvollste Stute und bedeutet somit eine riesige Verantwortung.“

Sie hob das Kinn und begegnete seinem herausfordernden Blick. „Ich bin durchaus in der Lage, Verantwortung zu tragen. Ich verbringe meine Tage nicht damit, mein Haar zu glätten und mich zu schminken. Ich habe sieben Jahre lang studiert, damit ich mit solcher Verantwortung umgehen kann.“ Mit einem Mal war sie nur noch wütend und enttäuscht. Vielleicht war es falsch gewesen, zu glauben, sie könnte ihre Karriere in diesem Teil Südamerikas vorantreiben. Hier von irgendjemandem ernst genommen zu werden war ein mühseliger Kampf. „Mit der Arbeit komme ich klar. Womit ich nicht klarkomme, das sind Männer, die glauben, Frauen seien gar nicht fähig, hart zu arbeiten.“ Sie war so wütend, dass sie fürchtete, gleich in Tränen auszubrechen. Und das würde meine Glaubwürdigkeit nur noch mehr untergraben. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich habe zu tun.“

Faith versuchte während der Arbeit in den Stallungen, nicht an Raul Vásquez zu denken. Bevor sie um zehn zurück in ihr Quartier wollte, sah sie noch einmal nach Velocity, und ein einziger Blick genügte, um zu erkennen, dass die Stute Probleme hatte.

Einer der Pfleger war in der Box und fingerte mit zitternden Händen an seinem Handy herum. „Ich kann Eduardo nicht erreichen. Er geht nicht ran.“

„Sie hätten mich rufen sollen, nicht Eduardo.“ Faith ließ sich neben dem Pferd auf die Knie sinken und griff nach ihrem Stethoskop. Warum hatte sie bloß darauf vertraut, dass man ihr Bescheid geben würde, wenn irgendetwas nicht stimmte!

Der Pferdepfleger geriet ins Schwitzen. „Sie fassen das Pferd besser nicht an. Sie ist die Lieblingsstute vom Boss. Wenn ihr irgendetwas passiert …“ Er sprach nicht weiter, sondern sah sie voller Panik an. „Wir müssen Eduardo irgendwie erreichen. Wenn dem Tier etwas passiert, wird Raul Vásquez ausrasten. Ich werde meinen Job verlieren.“

Faith biss die Zähne zusammen. Keiner dieser argentinischen Kerle vertraut mir.

„Im Augenblick interessieren mich weder die Launen des Chefs noch Ihre Aussicht auf Beförderung. Mich interessiert nur eins: das Pferd hier. Und Sie tun jetzt am besten, was ich Ihnen sage.“ Sie sprach leise, um das Tier nicht zu beunruhigen, und gab dem Mann eine Reihe von Anweisungen, doch er stand nur da und starrte verzweifelt die Stute an.

„Wenn sie stirbt …“

„Dann bin ich verantwortlich“, erwiderte Faith kalt und seufzte. „Du meine Güte, dann gehen Sie los. Wenn Sie nicht mit mir arbeiten können, gut, aber sehen Sie zu, dass Sie jemanden finden, der es kann. Ich brauche Hilfe, und zwar sofort.“

„Ich helfe Ihnen.“ An der Boxentür war Raul Vásquez aufgetaucht, und hastig verzog sich der Pfleger in den Hintergrund, viel zu eingeschüchtert, um sich auch nur mit einem Wort zu verteidigen.

Faith dagegen war zu besorgt, um eingeschüchtert zu sein. Sie sah Raul Vásquez kaum an, während sie ihm erklärte, was er zu tun hatte, und er kniete sich neben sie und begann, leise in Spanisch auf die Stute einzureden.

Faith hatte keine Ahnung, was er sagte, aber es beruhigte das Pferd sofort, sodass sie sich endlich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Und das war gut so, denn noch nie hatte sie eine so schwierige Geburt erlebt.

Schließlich gab die Stute einen letzten schweren Seufzer von sich, dann glitt das Fohlen vor ihnen ins Stroh.

„Kluges Mädchen.“ Erleichtert atmete Faith auf, dann hob sie den Blick, sich plötzlich bewusst, dass Raul sie beinahe andächtig anschaute.

„Ich finde, Sie sind das kluge Mädchen“, sagte er leise. Nachdenklich und eindringlich musterte er sie mit seinen dunklen Augen. „Ich habe Sie unterschätzt, dafür muss ich mich entschuldigen.“ Unversehens lag eine fast mit Händen greifbare Spannung in der Luft, und eine Weile sahen sie sich nur an. Jetzt erst bemerkte sie, dass er einen Smoking trug.

„Tut mir leid, dass ich Ihnen den Abend vermasselt habe“, sagte sie steif und fand sich selbst unausstehlich, weil es sie überhaupt interessierte, dass er für den Abend offensichtlich eine andere Frau gefunden hatte.

Die Frau hätte ich sein können.

Sie dachte an die eleganten Damen, die bei dem Polospiel um seine Aufmerksamkeit gewetteifert hatten, und fragte sich, welche von ihnen er wohl ausgewählt haben mochte. Energisch riss sie sich von diesem Gedanken los. Sie hätte es niemals sein können. Männer, so reich, erfolgreich und gut aussehend wie Raul Vásquez, wollten Vorzeigefrauen, keine Karrierefrauen.

Sie lächelte müde. „Ihre Stute wird schon wieder, Raul, aber um ganz sicherzugehen, bleibe ich heute Nacht bei ihr. Danke für Ihre Hilfe. Ohne Sie hätte es schlecht ausgesehen.“

„Sie wollen in der Box hier übernachten?“ Irgendwann musste er den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet haben, und ihr Blick fiel auf bronzefarbene Haut und eine Spur dunklen krausen Haares.

„Ja.“ Faith sah rasch beiseite. Er ist unglaublich männlich. „Nur damit ich hier bin, falls irgendetwas passiert.“ Er runzelte die Stirn. „Sie sind seit sechs Uhr heute früh auf den Beinen.“

„Ich nehme mir morgen frei. Aber ich will Velocity nicht allein lassen, solange ich nicht absolut sicher bin, dass alles in Ordnung ist.“ Jetzt gehörte ihre Aufmerksamkeit wieder ganz der Stute und dem Fohlen. „Sie müssen das doch verstehen. Nach allem, was ich gehört habe, sind Sie ein echter Workaholic.“

„Das ist etwas anderes.“

„Weil Sie ein Mann sind und ich eine Frau bin? Fangen Sie nicht wieder damit an, Raul.“ Unvermittelt fühlte sie sich erschöpft, und eigentlich wollte sie nur noch, dass er ging, damit sie aufhören konnte zu träumen. „Ich mache keine halben Sachen. Und Sie waren doch offenbar auf dem Weg zu einem Dinner oder was auch immer, also gehen Sie besser zurück zu ihrer Verabredung, sonst läuft Ihnen die Dame noch davon.“

Wieder trat ein langes Schweigen ein. „Sie verstecken sich hinter Ihrem Job“, behauptete Raul dann. „Warum?“

„Ich verstecke mich nicht. Aber wenn Sie es genau wissen wollen, ich liebe meinen Beruf.“ Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und schaute gleich wieder weg, während ihr Herz raste und ihr Kopf die wildesten Geschichten ersann.

„Was da zwischen uns vorgeht …“, sagte Raul mit warmer Stimme, „… macht Ihnen Angst, nicht wahr?“

Sie war zu ehrlich, um so zu tun, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. „Ja, es macht mir Angst. Weil es unrealistisch ist. Der bloße Gedanke, dass Sie und ich …“ Sie winkte ab. „Das ist verrückt. Ich meine, wir könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie sind an Frauen gewöhnt, die sich den ganzen Tag ihrer Schönheit widmen. Ich will nur arbeiten. Ich liebe meine Arbeit, ich will vorankommen, und ich will absolut keine Beziehung.“

„Wenn Sie keine Beziehung wollen, dann sind Sie die perfekte Frau für mich“, erwiderte er sanft. „Wie sieht es mit Spaß aus, Cariño? Haben Sie etwas gegen Spaß einzuwenden?“

Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. „Raul …“

„Warum werden Sie denn rot? Wenn es um Ihre Arbeit geht, sind Sie immer überaus selbstsicher, aber immer wenn wir allein sind …“ Sacht ließ er einen Finger über ihre Wange gleiten. „Warum bist du so selbstsicher, wenn es um die Pferde geht, und bei mir so schüchtern?“ Unverhofft war er auf das vertraute Du übergegangen.

„Schieben Sie es einfach wieder auf das Testosteron. Ich bin nicht an Machos gewöhnt.“ Es sollte nur ein Scherz sein, aber er lachte nicht. Stattdessen sah er sie seltsam eindringlich an.

„Du bist ziemlich unerfahren, wie?“

„Ich hatte schon Freunde“, sagte sie lahm und sah ein leises Lächeln seine Mundwinkel umspielen. „Was ist mit Männern, cariño?“ Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und ihr Herz raste. „Was bedeutet Cariño?“

Sein Lächeln vertiefte sich. Er drehte sich um, und während er zur Tür schlenderte, antwortete er leise und verheißungsvoll: „Das erkläre ich dir morgen. Zusammen mit den Tatsachen des Lebens. Bring deinen Job zu Ende und ruh dich aus, du wirst es brauchen.“

2. KAPITEL

Faith hatte die ganze Nacht bei der Stute verbracht. Als sie am nächsten Morgen aus der Box kam, fand sie Raul Vásquez im Gespräch mit Eduardo vor.

Raul sah sich zu ihr um, und der offenkundig bewundernde Blick, den er ihr aus seinen dunklen Augen zuwarf, löste ein Kribbeln in ihrer Magengegend aus. „Du hast jetzt ganz offiziell frei und kannst mit mir kommen.“ Entschlossen griff er nach ihrer Hand, sagte noch etwas auf Spanisch zu Eduardo und führte sie zu dem Hubschrauberlandeplatz, der sich am Ende des Polofeldes befand.

„Eigentlich wollte ich gerade ins Bett“, murmelte sie, geradezu geblendet von dem verheerend attraktiven Lächeln, das er ihr schenkte.

„Das können wir arrangieren.“ Sie wusste nicht, ob sie jetzt lachen oder doch eher entsetzt sein sollte. „Ich bin nicht der Typ für solche Dinge …“

„Welche Dinge?“ Schmunzelnd betrachtete er sie, als sie erst den schnittigen schwarzen Helikopter musterte und dann die Sicherheit verheißende Estancia.

„Ich fliege nicht mit Männern, die ich gar nicht richtig kenne, in den Sonnenuntergang.“

„Wenn du lieber in deinem Zimmer schlafen und später mit den Stallburschen zu Mittag essen möchtest, bitte.“ Er machte eine kleine Pause und ließ den Blick zu ihrem Mund gleiten. „Oder du isst mit mir.“

Flüchtig befeuchtete sie sich die Lippen. „Wo?“

„Dort, wo wir uns ungestört unterhalten können.“ Er öffnete die Tür des Hubschraubers, und während Faith hineinkletterte, fragte sie sich, was, um alles in der Welt, sie hier eigentlich tat.

Das war doch nicht ihr Leben.

Sie pflegte nicht mit Milliardären, die ihr gefährlich werden könnten, in Hubschrauber zu steigen.

Immer noch kämpfte sie mit sich und ihren Zweifeln, als sie plötzlich sah, wie Raul sich auf den Platz neben sie setzte und mit gekonnten Griffen diverse Schalter und Hebel betätigte.

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