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Moonlight Beach Bachelors - Heiße Träume von der Liebe

hier erhältlich:

Was passiert, wenn sich vier wohlhabende Junggesellen Ferienhäuser am gleichen Strand außerhalb von Malibu kaufen?

VERBOTENE TRÄUME VON DEINER LIEBE

"Tröste mich!" Nach einer Enttäuschung flüchtet Jessica zu Zane, der immer wie ein großer Bruder für sie war. Aber diesmal ist seine Umarmung mehr als tröstlich … Und als sie im Bett landen, weiß Jess: Sie hat sich ausgerechnet in den Mann verliebt, den sie niemals haben darf!

HEIßE KÜSSE AM RAUSCHENDEN MEER

Schlank, groß und so wie er aus den Wellen des Pazifiks steigt, verwirrend sexy! Als Mia D’Angelo den weltberühmten Stararchitekten Adam Chase mit langen Schritten am Strand auf sich zukommen sieht, raubt sein Anblick ihr den Atem. Dabei hat sie Adam nicht aufgespürt, um heiß mit ihm zu flirten, sondern um zu klären, ob er ein guter Daddy für ihre kleine Nichte ist. Besonders heikel: Adam ahnt nichts von seinem Vaterglück! Was Mia daher braucht, ist Zeit … und ihren Verstand! Doch gerade der setzt nach einem verboten sinnlichen Kuss des Womanizers komplett aus …

NUR EINE HOLLYWOOD-AFFÄRE?

"Wir hatten Sex? Du bist schwanger?" Hollywoodstar Dylan McKay kann sich nach einem Unfall an nichts erinnern. Aber er vertraut Emma und macht ihr deshalb kurzerhand einen Antrag. Dann kehrt sein Gedächtnis zurück - und er kann sich immer noch nicht erinnern!


  • Erscheinungstag: 08.04.2019
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745750805
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Charlene Sands

Moonlight Beach Bachelors - Heiße Träume von der Liebe

1. KAPITEL

Die Absätze von Jessicas Stiefeln klapperten über die Holzdielen von Zane Williams’ Veranda, von der aus man weit über den Pazifischen Ozean hinausschaute. Zane lag halb verborgen im Schatten eines Sonnensegels auf seinem Liegestuhl und beobachtete jede Bewegung des neuen Hausgastes. Seine Schwägerin war eingetroffen.

Durfte er sie eigentlich immer noch so nennen?

Stürmische Windböen zerzausten ihr karamellfarbenes Haar, als sie von seiner Assistentin Mariah zu ihm geführt wurde. Sie trug eine weiße Bluse, ausgewaschene Jeans und einen breiten braunen Gürtel. Ihre große dunkle Hornbrille konnte den Schmerz in ihren Augen nicht verbergen.

Süße Jess. Das Eis in seinem Herzen begann, ein wenig zu schmelzen. Sie erinnerte ihn an … zu Hause.

Es tat weh, an Beckon zu denken, an seine Ranch in der kleinen texanischen Stadt und an das Leben, das er dort einmal gehabt hatte. Es tat weh, daran zu denken, wie er Jessicas Schwester Janie kennen- und lieben gelernt hatte. Manchmal war es, als hätte sich die Tragödie nicht vor zwei Jahren, sondern vor einer Ewigkeit ereignet. Dann wieder schien die Zeit stillzustehen. So oder so, seine Frau Janie und ihr ungeborenes Kind waren fort. Sie würden nie mehr wiederkommen. Und der Schmerz in seiner Seele brannte unvermindert.

Zane konzentrierte sich wieder auf Jessica. Sie trug einen großen grau-violett gemusterten Stoffkoffer. Vor drei Jahren hatte er Janie und Jess die gleichen Gepäckstücke zu ihrem Geburtstag geschenkt. Es war ein ungewöhnlicher Zufall, dass die beiden Schwestern, die einzigen Kinder von Mae und Harold Holcomb, am gleichen Tag geboren worden waren – auch wenn Janie sieben Jahre älter als ihre Schwester gewesen war.

Zane griff nach den Krücken, die neben seinem Liegestuhl lagen, und stand mühsam auf. Ganz vorsichtig, damit er nicht das Gleichgewicht verlor, stolperte und sich auch noch den anderen Fuß brach. Mariah würde ihm den Hals umdrehen, wenn er sich noch einmal verletzte. Sein geschientes Handgelenk schmerzte, aber er weigerte sich, seine Assistentin um Hilfe zu bitten. Es war schlimm genug, dass sie seit Wochen seine Krankenschwester spielen musste.

Mariah blieb stehen. „Hier ist er, Jessica. Ich lasse euch dann mal allein.“ Ihr Blick war wie eine unausgesprochene Warnung für mehrere Sekunden auf seine Krücken gerichtet. Dann machte sie kehrt und ging davon.

„Danke, Mariah“, rief Zane ihr nach.

Jessica kam näher. „Immer noch der perfekte Gentleman“, sagte sie. „Sogar auf Krücken.“

Er hatte ganz vergessen, wie sehr ihre Stimme Janies ähnelte. Abgesehen davon hatten die Schwestern allerdings nie viel gemeinsam gehabt. Jess war nicht so groß wie Janie. Ihre Augen waren hellgrün, während Janies mehr in einem dunklen Smaragdton gefunkelt hatten. Jess war brünett, Janie blond. Der größte Unterschied der beiden lag jedoch in ihrem Charakter. Janie war eine starke, selbstbewusste Frau gewesen, die sich von Zanes Ruhm als populärer Countrysänger nicht einschüchtern ließ. Jess hingegen war viel ruhiger und zurückhaltender. Sie war Grundschullehrerin und ein wahrer Schatz.

„Das mit deinem Unfall tut mir leid.“

Zane zuckte die Schultern. „Eigentlich war es weniger ein Unfall als Dummheit. Bei meinem Auftritt in Los Angeles habe ich nicht aufgepasst und bin von der Bühne gefallen. Habe mir den Fuß und die rechte Hand gebrochen.“ Eine Videoaufnahme von seinem peinlichen Sturz hatte sich innerhalb weniger Stunden übers Internet verbreitete. „Meine Tournee ist bis auf Weiteres aufgeschoben. Mit einem gebrochenen Handgelenk kann ich nicht Gitarre spielen.“

„Nein, das kannst du wohl nicht.“ Sie stellte ihr Gepäck ab und blickte über das Geländer hinunter auf den Moonlight Beach und aufs Meer hinaus. Das Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser, und die Wellen trieben weißen Schaum an den Strand. „Ich nehme an, Mama hat dich gezwungen, mich einzuladen.“

„Deine Mutter würde nie jemanden zu irgendetwas zwingen.“

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Du weißt, was ich meine.“

Natürlich wusste er das. Tatsache war, dass er Mae Holcomb keinen Wunsch ausschlagen konnte. Und sie hatte ihn um diesen Gefallen gebeten.

Es ist furchtbar, Zane. Meine Jess leidet. Sie muss den Kopf frei bekommen. Könnte sie nicht ein, zwei Wochen bei dir wohnen? Bitte, Zane, pass auf sie auf.

Er hatte Mae sein Wort gegeben. Er würde sich um Jess kümmern und ihr Zeit geben, dass ihre Wunden heilen konnten.

„Du kannst so lange bleiben, wie du willst, Jess.“

„Danke.“ Ihre Unterlippe begann zu zittern. „Du hast gehört, was passiert ist?“

„Ja, habe ich.“

„Ich … ich konnte nicht in der Stadt bleiben. Ich musste fort aus Texas. Je weiter, desto besser.“

„Nun, weiter nach Westen hättest du jedenfalls nicht gehen können“, bemerkte er und deutete über den Ozean.

Sie ließ den Kopf sinken. „Ich komme mir so schrecklich dumm vor.“

Er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn an. Die verfluchte Krücke unter seinem Arm fiel gegen das Geländer. „Das musst du nicht.“

„Ich werde wohl keine gute Gesellschaft sein“, sagte sie leise.

Zane merkte, wie er das Gleichgewicht verlor. Schnell ließ er Jess los und bekam seine Krücke gerade noch rechtzeitig zu fassen. „Damit wären wir schon zwei.“

Jess musste lachen. Vermutlich ihr erster fröhlicher Moment seit Tagen. Er lächelte.

„Ich brauche nur eine Woche, Zane.“

„Wie ich schon sagte, nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst.“

„Danke.“ Ihr Blick fiel auf seine Verletzungen. „Hast du schlimme Schmerzen?“

„Es geht. Eigentlich hat Mariah mehr zu leiden als ich. Sie muss ganz allein meine schlechte Laune ertragen.“

„Dabei kann ich sie jetzt ja unterstützen.“ Sie lächelte ihm zu.

Er hatte ganz vergessen, wie es war, Jess um sich zu haben. Sie war zehn Jahre jünger als er, und er hatte sie immer als seine kleine Schwester betrachtet. Seit Janies Tod hatte er sie allerdings nicht allzu oft gesehen. Unter der schweren Last des Kummers und der Schuldgefühle hatte er sich weitgehend aus dem Leben der Familie Holcomb zurückgezogen.

„Gib mir dein Gepäck“, sagte er. Er klemmte seine Krücken unter die Achseln und versuchte, nach dem Koffer zu greifen.

Jessica verdrehte die Augen und nahm ihren Koffer selbst in die Hand. „Ich weiß deine Aufmerksamkeit sehr zu schätzen, Zane, aber das schaffe ich schon selbst. Ich habe nicht viel dabei. Nur ein paar Sommerkleider und Strandsachen.“

Natürlich hatte sie recht. Er hätte ihr gern geholfen, aber mit den verflixten Krücken fühlte er sich so unbeholfen wie ein betrunkener Seemann. „Na gut. Warum richtest du dich nicht erst mal ein und ruhst dich ein wenig aus? Ich wohne auf dieser Etage. Du hast also das gesamte obere Stockwerk für dich allein. Such dir ein Zimmer aus, und fühl dich wie zu Hause.“

Er folgte ihr durch die breiten Glasschiebetüren ins Wohnzimmer. Jess ließ ihren Blick durch den Raum wandern, über die riesige gewölbte Decke, die Stofftapeten, die Einrichtung im Art-déco-Stil und die modernen Designermöbel. Zane sah ihr ihre Verwirrung an und wusste, was sie dachte: Was hatte ein texanischer Countrymusiker in einer eleganten Strandvilla in Kalifornien verloren?

Er hatte das Haus gemietet, weil er geglaubt hatte, eine Veränderung zu brauchen. Und tatsächlich stapelten sich seit seiner Ankunft Rollenangebote für verschiedene Hollywoodfilme auf seinem Schreibtisch. Da er keine Ahnung hatte, ob ihm die Schauspielerei überhaupt lag, blieben diese auch vorerst dort liegen.

„Es … es ist ein sehr schönes Haus, Zane.“

Er trat neben sie. „Aber du findest, dass es nicht zu mir passt, oder?“

„Ich schätze, das kann ich nicht mehr beurteilen.“

„Mariah hat das Haus für mich ausfindig gemacht. Sie sagte, Kalifornien würde mir guttun.“ Er zuckte die Schultern. „Wenigstens ist die Luftfeuchtigkeit erträglich, und es regnet fast nie. Außerdem sind die Nachbarn sehr nett.“

„Ein guter Ort, um sich zu erholen.“

„Ist es das, was ich tue?“

„Etwa nicht?“

Zane schwieg. Er konnte schließlich nicht seine innersten Gedanken vor ihr ausbreiten. So nahe standen sie sich nicht mehr. Dennoch gab es zwischen ihnen eine tiefe, innige Verbindung.

„Ich bin ein wenig müde vom Flug“, rettete Jess ihn davor, antworten zu müssen. „Ich glaube, es wäre wirklich besser, wenn ich mich ein wenig ausruhe. Sonst schlafe ich noch im Stehen ein.“

„Natürlich, geh nur nach oben. Nur ein Vorschlag, aber das Zimmer ganz am Ende des Flurs rechts hat die schönste Aussicht über das Meer. Die Sonnenuntergänge hier sind ziemlich spektakulär.“

„Ich werde es mir merken. Danke, Zane … für alles.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. Bei der Berührung und dem süßen Duft ihres Haares zog sich etwas in seiner Brust zusammen. Ihr Lächeln sollte ihn vermutlich beruhigen, aber sie konnte ihm nichts vormachen. Die dunklen Schatten unter ihren Augen verrieten sie.

Zane wusste, wie es ihr ging. Er wusste, wie der Schmerz einem Menschen die Luft abschneiden konnte, bis ihm der Atem ausblieb. Er hatte das alles selbst durchlebt. Durchlebte es immer noch.

Und er kannte den Stolz der Familie Holcomb.

Was für ein Kerl ließ ein Holcomb-Mädchen vor dem Altar stehen?

Nur ein verdammter Idiot.

Jessica folgte Zanes Rat und entschied sich für das Gästezimmer am Ende des Flures. Jedoch nicht wegen der schönen Sonnenuntergänge, sondern um Zane so viel Privatsphäre wie möglich zu geben. Sie wusste, er legte viel Wert darauf – und sie tat es seit Neuestem auch.

Auf einmal überfiel sie ein überwältigender Drang, sich aufs Bett zu werfen und sich die Augen auszuheulen, doch sie kämpfte das Gefühl nieder. Jetzt war Schluss mit dem Selbstmitleid. Schließlich war sie nicht die erste Frau, die am Altar stehen gelassen worden war. Sie war von dem Mann, den sie geliebt hatte, betrogen worden. Sie war so blind gewesen und hatte alle Zeichen übersehen. Doch jetzt sah sie alles kristallklar.

Sie lenkte sich ab, indem sie ihren Koffer auspackte. Ihre mageren Mitbringsel gingen in dem riesigen begehbaren Kleiderschrank, der zum Zimmer gehörte, beinahe verloren. All dies war so anders als in ihrer Einzimmerwohnung zu Hause.

„Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“, riss eine Stimme sie aus ihren dunklen Gedanken. Erschrocken wirbelte sie herum und sah Mariah in der Tür stehen.

„Danke, aber alles was ich jetzt noch brauche, ist eine Dusche und etwas Schlaf.“

„Das verstehe ich. Ich bin für heute weg. Mrs. Lopez, Zanes Haushälterin, ist noch hier. Wenn du irgendetwas brauchst, kannst du sie gern fragen.“

„Danke. Ich komme schon zurecht.“

Mariah lächelte freundlich. „Du siehst ein bisschen wie Janie aus.“

Jess senkte den Blick. „Das bezweifle ich. Janie war wunderschön.“

„Du hast die gleichen warmen Augen und diegleichen wunderschöne zarte Haut.“

Jess selbst fand, dass sie blass wie ein Gespenst war, und Sommersprossen hatte sie auch auf der Nase. „Danke“, sagte sie trotzdem. „Ich … ich will dir und Zane keine Umstände machen. Eigentlich bin ich nur hier, weil meine Mutter es für eine gute Idee hielt.“

„Du machst uns keine Umstände. Im Gegenteil. Vielleicht bist du genau das, was Zane braucht, um endlich den Kopf aus dem Sand zu ziehen.“

Jess sah Mariah fragend an.

„Er ist schon eine ganze Weile nicht mehr er selbst“, erklärte Mariah.

„Verständlicherweise. Er hat schließlich viel verloren. Wie wir alle“, erwiderte Jess traurig. Sie vermisste Janie entsetzlich. Das Leben konnte wirklich grausam sein.

Mariah nickte. „Aber jemanden aus der Familie bei sich zu haben, könnte euch beiden ganz guttun.“

Das bezweifelte Jess. Sie fürchtete eher, Zane lästig zu fallen. Sie würde hier ein paar Tage verbringen, ein wenig frische Seeluft tanken und dann nach Hause zurückkehren. Demütigung und schmerzhafte Verzweiflung hatten sie aus Texas fliehen lassen. Doch irgendwann würde sie sich ihren Problemen stellen müssen. Sie spürte, wie sich ihre Muskeln verkrampften. Darüber wollte sie im Augenblick noch nicht nachdenken.

„Vielleicht“, antwortete sie zögernd.

Nachdem Mariah gegangen war, ging Jess ins Bad. Sie legte ihre Kleider ab und trat durch die Glastür in die geräumige Dusche. Das heiße Wasser prasselte auf ihren Körper. Minutenlang stand sie einfach nur da, eingehüllt in einer dichten Wolke aus Wasserdampf, und genoss das Gefühl, wie sich ihre angespannten Muskeln endlich zu lockern begannen. Mit einem wohligen Seufzen stellte sie das Wasser aus und trat aus der Dusche. Sie schlüpfte in Shorts und ein Top. Dann föhnte sie ihre Haare und band die langen Locken zum Pferdeschwanz hoch. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sich vor dem Essen noch kurz auszuruhen, aber sie war viel zu aufgedreht, um schlafen zu können, und der Strand vor ihrem Fenster war viel zu verlockend. Schnell lief sie nach unten.

Ein köstlicher Duft von südländischen Gewürzen wehte durchs Haus. Jess folgte dem Aroma bis in die Küche, wo eine ältere Frau mit einer Schürze um die stämmigen Hüften am Herd stand und leise vor sich hin summte.

Die Frau drehte sich zu ihr um. „Hola. Miss Holcomb?“

„Ja, aber nennen Sie mich bitte Jessica.“

„Ich bin Mrs. Lopez. Mögen Sie Enchiladas, Jessica?“

„Und wie!“ Als Texanerin liebte sie mexikanisches Essen über alles. „Das duftet ja wundervoll.“

„Das Essen ist in einer halben Stunde fertig. Möchten Sie schon etwas trinken?“

„Nein, vielen Dank. Ich wollte noch …“

Ein lauter Knall war zu hören. „Verdammter Mist!“, tönte Zanes Fluchen durchs Haus.

Jessica hielt erschrocken inne.

„Mr. Zane hat sich aus Versehen Eistee aufs Hemd geschüttet.“ Mrs. Lopez schüttelte lächelnd den Kopf. „Er kann sich nicht besonders gut allein umziehen, aber er lässt sich von niemandem helfen. Mr. Zane ist kein einfacher Patient.“

„Das kann ich mir denken.“ Jess lächelte. „Ich mache noch einen kurzen Spaziergang am Strand, aber ich werde rechtzeitig zum Essen zurück sein.“

Mrs. Lopez richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Töpfe und Pfannen, und Jess ließ die verführerischen Düfte der Küche hinter sich, um durch die breite Flügeltür hinaus auf die Veranda zu treten. Von dort aus stieg sie die Stufen der Außentreppe hinunter, bis sie den warmen Sand zwischen ihren Zehen spürte.

Jess genoss die milde Meeresbrise, die ihr Haar zerzauste, den salzigen Geschmack auf ihren Lippen und die goldenen Farbtupfen, die auf der Wasseroberfläche glitzerten. Ihre Schritte fühlten sich leicht an. Sie hinterließ Abdrücke im nassen Sand, die schon von der nächsten Welle wieder fortgespült wurden. Obwohl die Sonne schon recht tief am Horizont stand, wärmte sie ihre Haut. Jess schlenderte am Strand entlang und bewunderte die prächtigen Anwesen, die zu ihrer Rechten den Küstenstreifen säumten. Alle unterschiedlich in Design und Stil. Sie war so fasziniert von dem Anblick, dass sie den Jogger, der ihr entgegenkam, erst bemerkte, als er direkt vor ihr stehen blieb.

„Hi“, keuchte er atemlos.

Jess erstarrte. Der Mann war atemberaubend … und niemand anders als Dylan McKay, einer der berühmtesten Filmstars der Welt. „Hallo.“

Er beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und schnappte nach Luft. „Geben Sie mir eine Sekunde.“

Wozu? wollte sie fragen, aber sie blieb dennoch stehen, als seien ihre Füße im Sand festgewachsen. Er sah verdammt gut aus, und sie versuchte nicht allzu offensichtlich auf seinen nackten Oberkörper und den Bund seiner Jogginghose zu starren, der tief auf seinen schlanken Hüften saß.

Er richtete sich wieder auf, und ihr schoss das Blut in die Wangen, als er ihr ein strahlendes Lächeln schenkte. „Danke.“

Sie sah ihn irritiert an. „Wofür?“

„Dafür, dass Sie hier sind. Dass sie mir einen Vorwand bieten, kurz stehen zu bleiben.“ Er lachte, und seine weißen Zähne blitzten auf. Die Sonne ließ seine Augen funkeln. War dieser Kerl wirklich echt? Könnte sein. Er verkörperte wohl das Bild des perfekten Mannes aller Frauen auf dem Planten – aller außer ihr. Sie wusste inzwischen, dass es den nicht gab.

„Sie hätten doch auch einfach so stehen bleiben können, oder etwa nicht?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich muss jeden Tag zehn Meilen laufen. Als Vorbereitung auf meine nächste Rolle. Ich soll einen Marinesoldaten in einer Eliteeinheit spielen.“

Sie würde nicht so tun, als wüsste sie nicht, wer er war. Oder als ob sein gebräunter Körper nicht jetzt schon ausgesprochen muskulös und durchtrainiert aussah. „Verstehe. Und wie viele haben Sie schon geschafft?“

„Acht.“ Seinem missmutigen Gesicht nach zu urteilen, war er ein Mann, der von sich selbst nicht weniger als Perfektion erwartete.

„Das ist nicht schlecht“, bemerkte sie anerkennend. „Es gibt nicht viele Menschen, die acht Meilen laufen können.“

Seine Miene hellte sich auf. Er schien ihre Aufmunterung zu schätzen. „Ich bin übrigens Dylan.“ Er hielt ihr seine Hand hin.

„Jessica.“ Es war ein kurzer, kräftiger Händedruck.

„Sind wir Nachbarn?“, fragte er. „Ich wohne da drüben.“ Er deutete auf eine dreistöckige Villa ein Stückchen weiter den Strand hinunter.

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Ich wohne für eine Weile bei Zane Williams – er gehört zur Familie“, fügte sie hinzu, als Dylans Augenbraue nach oben schoss.

Er nickte. „Ich kenne Zane. Netter Kerl.“

„Ja, das ist er. Meine Schwester … er war mit Janie verheiratet.“

Es dauerte einen kurzen Moment, bevor Dylan begriff. „Tut mit wirklich leid, was passiert ist.“

„Danke.“

„So, ich denke, ich habe genug Pause gemacht. Nur noch zwei Meilen. Nochmals vielen Dank. Es war nett, Sie kennenzulernen, Jessica. Grüßen Sie Zane von mir!“

Er verfiel in einen Laufschritt und lief kurz darauf wieder in vollem Tempo über den Strand davon.

Jess kehrte mit einem Lächeln auf den Lippen zum Haus zurück. Vielleicht war es doch gar keine so schlechte Idee gewesen, hierherzukommen?

Sie sah Zane am Geländer der Veranda stehen und winkte ihm zu. Hatte er sie beobachtet? Jess fühlte sich auf einmal etwas verlegen.

„Hattest du einen schönen Spaziergang?“, fragte er.

„Auf jeden Fall aufregender als ein Ausflug zu Beckons Kinopalast.“

Zane lachte. „Da hast du wohl recht. Es ist lange her, dass ich an den Kinopalast gedacht habe.“ Seine Stimme klang ein wenig wehmütig, als ob er am liebsten sofort zu jener Zeit zurückkehren würde.

In Beckon gab es nicht allzu viel, was man in seiner Freizeit unternehmen konnte. Daher war der Parkplatz vor dem Kino am Samstagabend ein beliebter Treffpunkt für Teenager. Dort hatte Jess ihren ersten Kuss bekommen. Und dort hatten sich Janie und Zane ineinander verliebt.

„Ich habe einen deiner Nachbarn kennengelernt.“

„So, wie du strahlst, muss es Dylan gewesen sein. Er läuft um diese Zeit immer.“

„Ich strahle überhaupt nicht“, widersprach sie empört.

„Mach dir nichts draus. Das passiert allen Frauen andauernd.“

„Ich bin keine Frau … Ich meine, ich himmle keine Filmstars an!“

Er musste gerade reden. Exschwager hin oder her, mit seinen dunklen Haaren, den markanten Gesichtszügen und fast ein Meter neunzig Körpergröße war auch Zane unglaublich attraktiv. Zane Williams war ein Superstar der Countrymusik und vielfacher Grammygewinner. Die Klatschpresse stellte ihn als begehrten Witwer dar, der dringend eine neue Liebe in seinem Leben brauchte.

Zane deutete auf einen Tisch, an dem zwei Plätze gedeckt waren. Ein paar Kerzen flackerten in der sanften Meeresbrise. „Ist das okay für dich?“

„Es ist sehr hübsch, Zane. Aber du musst dir wirklich keine so großen Umstände für mich machen. Du musst nicht für meine Unterhaltung sorgen.“

„Du machst mir überhaupt keine Umstände, Jess. Ich esse immer hier draußen. Im Haus fühle ich mich eingesperrt. Wenigstens werde ich in einer Woche diese verdammte Fessel wieder los.“ Er hob sein geschientes Handgelenk.

„Das sind gute Neuigkeiten. Was hast du dann vor?“

Er zuckte die Schultern. „Ich werde wohl noch mehrere Wochen Reha einplanen müssen. Die Tournee soll nicht vor September fortgesetzt werden.“ Sein Blick verdunkelte sich. „Frühestens.“

Jess beschloss, lieber nicht nachzuhaken, was er damit meinte.

Zane stützte sich am Tisch ab und schob ihr einen Stuhl zurecht – ganz der Gentleman –, bevor er sich mehr schlecht als recht auf seinen eigenen fallen ließ. Armer Zane. Mrs. Lopez erschien mit Platten voller Essen und stellte sie auf dem Tisch ab. Zu den Enchiladas und dem Reis hatte sie einen Krug Margarita vorbereitet. Zane wollte ihnen eingießen und kämpfte wieder mit seiner Schiene. Jess bot ihm ihre Hilfe an, was er wortlos akzeptierte. Er drückte aber dankbar ihre Hand. Die Berührung erwärmte ihr Herz. Sie fühlte sich mit ihm verbunden, durch Janie. Seine Freundschaft bedeutete ihr viel, und sie war froh, hergekommen zu sein.

Das Essen war köstlich. In kürzester Zeit hatte Jess ihren Teller leer gegessen. Die Sonne war mit einem spektakulären Farbenspiel untergegangen, und nun erhellte ein bleicher Halbmond den Nachthimmel. Der Strand war ruhig und leer. Das Tosen der Wellen war in ein sanfteres Rauschen übergegangen.

Zane nippte an seiner Margarita. „Was sind deine Pläne für die nächsten Tage?“, fragte er.

„Am Strand in der Sonne liegen und dir aus dem Weg gehen. Das sollte nicht allzu schwerfallen. Das Haus ist ja riesig.“

Er lächelte. „Du musst mir nicht aus dem Weg gehen. Tu, was immer du willst. In der Garage stehen zwei Autos, vollgetankt und startbereit. Ich kann ja ohnehin nicht fahren.“

„Wie kommst du dann von A nach B?“

„Meistens fährt mich Mariah zu meinen Terminen. Seit meinem Unfall ist sie nicht nur meine rechte, sondern auch noch meine linke Hand.“

Mrs. Lopez räumte das Geschirr ab, ließ aber den Krug mit der Margarita stehen. Kluge Frau.

„Vielen Dank, Mrs. Lopez. Gute Nacht.“

„Und vielen Dank für die köstlichen Enchiladas“, fügte Jess hinzu.

„Gute Nacht und bis morgen“, verabschiedete sich Mrs. Lopez und ging.

Zane deutete auf Jess’ halb leeres Glas. „Wie viele von denen verträgst du, Schatz?“

Es war ihr zweites Glas. „Oh, ich weiß nicht. Warum?“

„Weil ich dich nicht in dein Zimmer tragen kann, wenn du umfällst.“

Er zwinkerte ihr zu, und für einen kurzen Moment hatte sie das Bild vor Augen, wie Zane sie in seinen Armen hielt. Die Vorstellung war eigentlich gar nicht so unangenehm, wie man meinen könnte. Bei Zane fühlte sie sich sicher. Sie mochte ihn wirklich sehr, und sie glaubte nicht daran, dass er Schuld an Janies Tod hatte. Wie hätte er von der fehlerhaften Stromverkabelung des Hauses wissen können, die das Feuer ausgelöst hatte, in dem Janie ihr Leben verloren hatte? Janie hatte Zane geliebt. Sie hätte nicht gewollt, dass er sich sein Leben lang Vorwürfe macht.

„Dann sind wir schon zwei. Wenn du dich betrinkst, kann ich dich auch nicht tragen.“ Sie nahm einen weiteren großen Schluck Margarita. Das Zeug schmeckte wirklich verdammt gut. Ihre Stimmung besserte sich.

Zane grinste. „Na dann, zum Wohl, Miss Holcomb!“

„Oh Gott, wenn ich mir vorstelle, dass ich jetzt eigentlich Mrs. Monahan wäre …“ Sie schüttelte sich. „Nur gut, dass ich es nicht bin.“

„Der Typ ist ein Trottel.“

„Danke, dass du das sagst. Ich habe drei Jahre meines Lebens an den Kerl verschwendet, weil ich dachte, er wäre der Richtige. Ich bin Grundschullehrerin, Steven leitet die Highschool. Ich dachte, uns würde etwas verbinden. Bis zuletzt habe ich geglaubt, wir hätten eine gemeinsame Zukunft vor uns. Was ich nicht erkannt habe, war seine Unfähigkeit, sich zu binden. Bevor wir uns kennenlernten, hatte er eine zerbrochene Beziehung nach der anderen. Aber ich glaubte, er hätte das überwunden. Er hat sich selbst genauso etwas vorgemacht wie mir. Er hat mich zum Narren gehalten.“

Jess seufzte. Die Margaritas hatten ihr die Zunge gelöst, und es war wirklich befreiend, jemandem ihr Herz ausschütten zu können. „Meine Freundin Sally hat mir erzählt, Steven habe sich nach der Hochzeit, die nie stattgefunden hat, von einer Exfreundin trösten lassen. Kannst du dir das vorstellen?“

Zane sah sie ernst an. „Nein, kann ich nicht. Tut mir leid, das sagen zu müssen, Schatz, aber du bist ohne ihn besser dran. Der Kerl verdient dich nicht. Wenn er dich geheiratet hätte, hätte er dir dein ganzes Leben versaut. Trotzdem kann ich verstehen, dass du verletzt bist. Vermutlich liebst du ihn immer noch.“

„Das tue ich nicht“, sagte sie energisch und hob erneut ihr Glas an die Lippen. „Ich hasse ihn.“

Zane lächelte. „Okay, du hasst ihn. Er ist nicht länger Teil deines Lebens.“

Sie stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn in die Hände. Das Meer war nun tiefschwarz, der Himmel wurde nur von ein paar Sternen und dem wolkenverhangenen Mond erhellt. „Ich wollte nur … Ich wollte haben, was du und Janie hattet. Ich wollte auch so eine Liebe.“

Ihr benebeltes Gehirn lichtete sich. Oh nein. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Erschrocken sah sie zu Zane hinüber, doch er blickte einfach nur aufs Meer hinaus. „Wir hatten etwas sehr Besonderes.“

„Das hattet ihr. Tut mir leid, dass ich das gesagt habe.“

„Es muss dir nicht leidtun“, sagte er ruhig. „Du bist Janies Schwester. Du hast ein Recht darauf, von ihr zu sprechen.“

Tränen stiegen ihr in die Augen. „Sie fehlt mir.“

„Mir auch.“

Jess seufzte. Zane war so großzügig, sie hier wohnen zu lassen. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn mit ihren dunklen Gedanken zu belasten. Es war höchste Zeit, ins Bett zu gehen. Sie setzte ein fröhliches Gesicht auf. „Das war ein sehr netter Abend.“

Als sie sich erhob, begann sich in ihrem Kopf auf einmal alles zu drehen. Der Tisch, die Veranda, das Meer – alles verschwamm vor ihren Augen. Sie blinzelte und versuchte, sich zu konzentrieren. Halt suchend klammerte sie sich an die Tischplatte.

Zwei Zanes traten in ihr Blickfeld. „Der Alkohol hat dich eingeholt, nicht wahr?“

„Ich denke schon.“ Sie kicherte.

„Halt eine Sekunde still.“ Er stand auf und humpelte nur auf eine Krücke gestützt zu ihr herüber. „Ich werde dir helfen.“

„Aber d-du sagtest doch, dass du das nicht k-kannst. Huch …“ Sie schwankte und kicherte schon wieder.

Zane legte seinen rechten Arm um ihre Schulter. „Okay, Schatz. Ich hab dich. Du bist meine zweite Krücke. Wir werden uns gegenseitig helfen. Beweg dich ganz langsam.“

„Wohin g-gehen wir?“, fragte sie mit schwerer Zunge.

„Du gehst ins Bett.“

Sie ließ den Kopf gegen seine Schulter fallen. Es fühlte sich gut an, sich von ihm halten zu lassen. Er roch gut. Und er würde sich um sie kümmern.

„Konzentrier dich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen.“

Sie versuchte es.

„Das machst du sehr gut.“

Humpelnd bewegten sie sich vorwärts. Jess senkte den Blick und beobachtete, wie sich ihre Füße bewegten.

„Wir sind jetzt im Haus“, erklärte Zane.

„Das ist g-gut, oder? Dann bin ich b-bald im Bett.“ Ihre Knie waren weich wie Wackelpudding.

„Aber nicht oben. Das schaffst du nie. Wir gehen in mein Zimmer.“

Sie wollte sich nur endlich hinlegen. Egal wo. Nach ein paar weiteren vorsichtigen Schritten traten sie in sein Zimmer. Der silberne Mond schien durchs Fenster geradewegs aufs Bett.

„Okay, wir haben es geschafft“, sagte Zane ein wenig atemlos. „Du wirst heute Nacht hier schlafen.“

Er ließ sie los, und sie sackte auf die Bettkante. Als sie zur Seite kippte, setzte er sich schnell neben sie und hielt sie aufrecht.

„Glaubst du, du kommst ab hier allein klar?“, fragte er.

Sie wartete, bis sich der Wirbelsturm in ihrem Kopf wieder beruhigt hatte. „Ja, ich denke schon.“

„Gut.“

Als ihr Schwips ein wenig nachließ, schwand auch ihr übermütiges Stimmungshoch, und sie fühlte sich elend. Sie hatte nicht lange gebraucht, um Zane zur Last zu fallen. Wenn sie bloß diese zweite Margarita nicht getrunken hätte! Zane hatte sie gewarnt. Der Alkohol und der Jetlag hatten sie fix und fertig gemacht.

„Tut mir leid.“

„Es gibt nichts, was dir leidtun müsste“, versicherte er ihr.

Doch es tat ihr leid, und sie verspürte auf einmal den Wunsch, ihm für alles zu danken. Sie wollte ihn auf die Wange küssen, doch verfehlte ihr Ziel und traf stattdessen seinen Mundwinkel. Er schmeckte nach Tequila und nach Meer. So gut. Ein warmes Kribbeln strömte durch ihren Körper. „Danke“, seufzte sie.

Behutsam drückte er sie auf die Matratze. Sie ließ ihren Kopf in das große weiche Kissen sinken, während er sie sanft zudeckte.

„Gern geschehen“, hörte sie ihn noch flüstern, bevor die Welt endlich aufhörte, sich zu drehen.

2. KAPITEL

Jessica warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch. Halb neun! Ihre Gedanken kehrten zurück zum Vorabend und zu den zwei riesigen Margaritas, die sie getrunken hatte. Dann sah sie sich langsam um. Sie lag in einem fremden Bett.

Da hatte sie sich ein einziges Mal gehen lassen und sich gestattet, einfach mal Spaß zu haben, und wohin hatte das geführt? Sie hatte sich zum Narren gemacht. Zane – selbst auf Krücken! – hatte sie ins Haus schleppen müssen und schlief nun Gott weiß wo. Gab es auf dieser Etage überhaupt noch ein weiteres Schlafzimmer? Sie hatte nur ein Arbeitszimmer gesehen. Keine Betten, nur Sofas. „Oh nein“, seufzte sie.

Jess setzte sich auf und wartete auf den Schmerz, doch nichts passierte. Gott sei Dank, wenigstens hatte sie keinen Kater. Sie nahm ihre Brille vom Nachttisch, warf die Decke zurück und stand auf. Sie fühlte sich elend. Gleich am ersten Abend hatte sie Zanes Gastfreundschaft rücksichtslos überstrapaziert.

Sie ging ins Bad und betrachtete entsetzt ihr Spiegelbild. Verschmierte Mascara, zerzauste Haare und zerknitterte Kleider. Schnell wusch sie sich das Gesicht und fuhr sich mit den Fingern durch die Locken. Um den Rest würde sie sich kümmern, sobald sie wieder in ihrem eigenen Zimmer war.

Sie verließ Zanes Schlafzimmer und trat in den Flur. Aus der Küche drangen Stimmen zu ihr herüber. Mariah und Zane saßen am Küchentisch und waren in ein paar Unterlagen vertieft. Vor ihnen standen dampfende Kaffeebecher, frische Brötchen, Obst und Omelette. Als Jess ins Zimmer trat, hoben beide den Kopf, und Jess spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

„Guten Morgen“, sagte Zane freundlich. „Gerade rechtzeitig fürs Frühstück.“

„Guten Morgen, Jessica“, begrüßte Mariah sie. „Bist du hungrig?“

„Oh … äh … ich … Ich möchte nicht stören. Ihr seid gerade beschäftigt.“

„Ach, wir haben nur ein paar Anfragen durchgesehen und waren ohnehin gerade fertig“, erklärte Mariah.

„Komm, setz dich zu uns“, sagte Zane.

Jess nahm Platz und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Sie war froh, dass Zane ihr Benehmen von gestern Abend mit keinem Wort erwähnte. Gütiger Himmel, sie hatte ihn geküsst! Die Erinnerung daran ließ einen heißen Schauer über ihren Körper laufen. Sie hatte seine Wange verfehlt und seine Lippen erwischt. Hatte es nur am Alkohol gelegen, oder hatte ihr Herz bei dem Kuss wirklich schneller geschlagen? Der Alkohol – es musste der Alkohol gewesen sein. Zane musste wissen, dass es nur ein Missgeschick ihrerseits gewesen war, richtig? Sie hatte nicht vorgehabt, ihn auf diese Weise zu küssen.

„Gut, dass du da bist, Jessica“, sagte Maria. „Vielleicht kannst du Zane ja dazu überreden, sich endlich das Drehbuch für den Film anzusehen, in dem er neben Dylan McKay die Hauptrolle spielen soll. Tolle Story, aber auf mich will er ja nicht hören.“

„Ein Filmprojekt mit Dylan McKay?“

Zane seufzte. „Ja, Dylan lässt mir keine Ruhe mehr deswegen. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich das Richtige für mich ist.“

Mariah sammelte ihre Unterlagen zusammen und stand auf. „Wie auch immer, ich muss jetzt ein paar Anrufe erledigen. Zane, denk auch mal darüber nach, wann du deine Tournee fortsetzen möchtest. Ich muss Absprachen mit den Konzertveranstaltern treffen. Oh, und vergiss nicht, den Vertrag durchzusehen, den Bernie dir neulich geschickt hat.“

Zane verzog das Gesicht. „Ich werde mein Bestes tun.“

Mariah verabschiedete sich und ging.

Zane grinste.

„Was ist so komisch?“, fragte Jessica irritiert.

„Du solltest dein Gesicht sehen.“

„Ich schäme mich so wegen gestern Abend. Weiß Mariah, was passiert ist? Und wo in aller Welt hast du geschlafen?“

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Dass du keine Margaritas verträgst, ist unser kleines Geheimnis.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Ich habe dir dein Bett weggenommen.“

„Ich habe es dir gern überlassen.“

„Und wo hast du geschlafen?“

„Das Sofa im Arbeitszimmer ist der bequemste Platz im ganzen Haus.“

„Es tut mir so leid“, sagte sie zerknirscht. „Kaum bin ich hier, bereite ich dir nichts als Schwierigkeiten.“

Er schenkte ihr ein Lächeln, das ihr Herz zum Schmelzen brachte. „Wenn man die Tatsache, dass du etwas Schwung in mein Leben bringst, als Schwierigkeiten bezeichnen möchte, dann immer her damit. Ich bin wirklich froh, dass du hier bist. Du hast ein Stückchen Heimat mitgebracht. Ich vermisse das.“

Sie war froh, dass er das sagte. Sie hatte befürchtet, dass ihr Hiersein alte Wunden öffnen könnte.

Er umfasste ihr Gesicht und beugte sich vor. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Hatte er vor, sie zu küssen? Ein heißes Kribbeln strömte durch ihren Körper, und diesmal lag es nicht am Alkohol. Wahrscheinlich hatte es auch gestern Abend nicht am Alkohol gelegen. Sie fühlte sich auf einmal ganz schwindelig. War sie vollkommen verrückt geworden? Sie sah ihn an, und er sah sie an. Dann beugte er sich vor und gab ihr einen brüderlichen Kuss auf die Stirn. Sie holte tief Luft, und ihr närrisches Herz begann wieder normal zu schlagen. Natürlich. Zane würde sie niemals auf diese Art küssen.

„Danke, dass du da bist und Schwierigkeiten machst“, sagte er vergnügt.

Jess schluckte. Sie kämpfte ihre albernen Gefühle nieder, und ihr gelang sogar ein kleines Lächeln. „Jederzeit.“

Die Sonne wärmte Jessicas Haut. Die salzige Luft, der warme, weiche Sand unter ihrem Körper und das beruhigende Geräusch der Brandung halfen ihr, ihre zerbrochene Beziehung zu Steven Monahan zu vergessen. Er verdiente es nicht, dass sie auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwendete. Doch der Stachel der Zurückweisung saß tief. Sie wusste nicht, ob sie dieses Gefühl jemals würde überwinden können, ob sie jemals wieder jemandem würde vertrauen können. Nur gut, dass sie diese Entscheidung im Augenblick nicht zu treffen brauchte. Hier am Moonlight Beach konnte sie einfach nur … sein.

Sie lag gleich unterhalb der Veranda von Zanes Strandvilla und genoss die Ruhe. Eine leichte Brise wehte fröhliche Stimmen und Kinderlachen zu ihr herüber. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich ganz entspannt. Sie hatte sich geschworen, Zane so gut es ging aus dem Weg zu gehen, und während der letzten drei Tage war ihr das auch ganz gut gelungen. Er verbrachte die meiste Zeit in seinem Arbeitszimmer, und nur gelegentlich bat er sie um ihre Meinung zu irgendwelchen Konzertanfragen und Filmangeboten. Das war vermutlich seine Art, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht langweilte und sich willkommen fühlte. Jeden Morgen stand sie früh auf, um noch vor dem Frühstück einen ausgedehnten Spaziergang am menschenleeren Strand zu machen. Die frische Seeluft war Balsam für ihre geschundene Seele. Jess rutschte ein wenig hin und her, um im weichen Sand noch bequemer zu liegen, schloss die Augen und lauschte lächelnd den Schreien der Möwen über ihr am Himmel.

„Freut mich zu sehen, dass du dich am Moonlight Beach so wohlfühlst.“

Sie sah blinzelnd nach oben, geradewegs in das gut aussehende Gesicht von Dylan McKay.

„Hi, Jessica.“ Er schenkte ihr sein berühmtes strahlendes Lächeln. „Ich darf doch hoffentlich Du sagen?“

Du liebe Zeit, er erinnerte sich an ihren Namen!

Sie setzte sich auf. „Hallo. Natürlich darfst du. Und ja, ich genieße den Strand wirklich sehr.“

Statt weiterzugehen, setzte er sich neben sie in den Sand. Offensichtlich war er in Plauderlaune. „Ich sehe dich manchmal morgens am Strand entlangspazieren.“

„Dazu hast du mich inspiriert“, erwiderte sie. „Ich schaffe allerdings nur drei Meilen. Was macht dein Lauftraining?“

„Es bringt mich um, aber ich schaffe meine zehn Meilen.“

Er hatte die schlanken Beine eines geborenen Läufers. Und der Rest seines Körpers … nun, es war unmöglich, nicht zu bemerken, wie sein T-Shirt über den muskulösen Schultern und Oberarmen spannte. „Das klingt doch gut.“

„Und, was tust du so den ganzen Tag?“, fragte er. „Ich meine, abgesehen von Sonnenbädern und Strandspaziergängen.“

„Nicht viel. Ich bereite nur ein paar Unterrichtseinheiten vor. Zu Hause unterrichte ich in einer Grundschule.“

„Ah, eine Lehrerin. Ein sehr ehrenwerter Beruf.“

Jess nickte nur stumm. Sie war verlegen und wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Es kam schließlich nicht alle Tage vor, dass ein berühmter Filmstar mit ihr plauderte.

„Hey, ich gebe am Samstagabend eine Party. Ich würde mich sehr freuen, wenn du kämst. Vielleicht könntest du Zane dazu überreden, mitzukommen und ein bisschen Spaß zu haben.“

„Oh, vielen Dank, aber ich … ich bin nicht so der Partytyp.“ Das war genau das, was sie jetzt noch brauchte: Das Mauerblümchen bei einer Party voller Hollywoodstars zu sein. „Und mir ist zurzeit auch nicht nach Feiern zumute.“

„Warum? Was ist passiert?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich habe gerade einiges zu verarbeiten und brauche ein wenig Ruhe und Erholung.“

„Ah … eine Trennung?“

Jess seufzte. „Eine gelöste Verlobung. Als die Hochzeitsgäste bereits ihre Plätze in der Kirche einnahmen.“

„Verstehe. Hör zu, Jessica, ich verspreche, es wird ein ganz ruhiger Abend im kleinen Kreise. Nur eine Grillparty am Strand mit ein paar Freunden und Nachbarn. Ich würde mich sehr freuen, wenn du auch dabei wärst.“

„Danke.“

Er lächelte, und sie lächelte zurück. Dann deutete er auf ihre Oberschenkel. „Ich glaube, du bekommst gerade einen Sonnenbrand. Du solltest dich besser eincremen und …“

„Hör auf, meine kleine Schwester zu belästigen, McKay!“

Jessica fuhr herum. Zane stand am Geländer der Veranda und blickte zu ihnen herunter. Seine Stimme klang nicht unfreundlich, doch der kühle Blick, mit dem er Dylan bedachte, verwunderte Jess. Was war denn jetzt los?

„Vielleicht möchte sie ja belästigt werden.“ Dylan zwinkerte ihr zu.

„Und vielleicht möchtest du lieber nach Hause verschwinden. Sonst könnte es sein, dass ich keine Lust mehr habe, dein Drehbuch zu lesen.“

„Oje“, erwiderte Dylan, offensichtlich unbeeindruckt. „Dabei hätte ich ihn so gern als Partner in diesem Film. Kannst du mir helfen, ihn zu überreden, die Rolle anzunehmen, Jessica?“

„Ich kann’s versuchen“, bot sie an.

„Großartig.“ Er hob den Kopf in Zanes Richtung. „Wir kommen gleich zu dir hoch, Zane.“

Gallant bot er Jess eine Hand. Sie konnte die höfliche Geste schlecht zurückweisen. Gemeinsam standen sie auf. Dylan hielt weiter ihre Hand fest und kam ihr so nah, dass es Jess ein wenig unangenehm war. Sanft, aber energisch zog sie sich ein wenig zurück. Es war offensichtlich, dass er mit ihr flirtete, doch seine Charmeoffensive blieb wirkungslos. Jess blickte zu Zane hoch. Sein Blick war fest auf sie gerichtet. Tief in ihrer Magengrube spürte sie ein Flattern. Sie ignorierte das Gefühl und ging die Treppe voran nach oben.

„Hat er dich gefragt, ob du mit ihm ausgehst?“, wollte Zane sofort wissen, nachdem Dylan McKay das Haus verlassen hatte.

„Was meinst du?“

„Der Kerl konnte unten am Strand kaum die Augen von dir lassen!“

Sie zuckte die Schultern und räumte die leeren Gläser vom Tisch.

Nachdem sie ins Haus zurückgekehrt waren, hatte sie die beiden Männer kurz allein gelassen, um sich umzuziehen. Dann war sie ins Arbeitszimmer zurückgekehrt und hatte aufmerksam das Gespräch der Männer über das Rollenangebot verfolgt, das Dylan Zane unterbreitet hatte. Die Besprechung dauerte fast eine Stunde. Danach hatten sie auf der schattigen Veranda noch zusammen einen Eistee getrunken.

Dylan war ein Charmeur, doch sie war klug genug, sich von ihm fernzuhalten. Der Gedanke, dass er sich für eine kleine, brave Grundschullehrerin aus der Provinz interessierte, war lächerlich, und Zane sollte das ebenfalls klar sein. Vermutlich hatte ihre Mutter ihm aufgetragen, auf sie achtzugeben, damit ihr empfindsames Herz nicht noch einmal gebrochen wurde.

„Er hat mich zu seiner Strandparty am Samstag eingeladen“, antwortete sie. „Nur eine nette Einladung. Rein freundschaftlich.“

Zane schnaubte unwillig. „Das bezweifle ich.“

„Ich habe ihm schon gesagt, dass ich vermutlich nicht kommen werde.“

„Gut.“ Zane nickte zufrieden. „Du solltest dich wirklich nicht mit ihm einlassen. Er ist …“

„Nicht in meiner Liga?“

Zanes Augen weiteten sich. „Was? Nein! Das meinte ich nicht.“

„Aber es stimmt, und das weiß ich nur allzu gut. Mein Leben ist gerade chaotisch genug. Mir steht wirklich nicht der Sinn nach einer Romanze. Und es ist ohnehin absurd, sich vorzustellen, Dylan McKay würde auf jemanden wie mich abfahren.“

Zane streckte die Hand aus und packte sie am Arm. „Tu das nicht. Mach dich nicht selbst schlecht, Jess.“ Sein Blick war jetzt nicht mehr streng und misstrauisch, sondern so voller Wärme, dass ihr Herz schneller schlug. „Was ich meinte, war, dass er dich niemals zu schätzen wüsste. Du bist etwas Besonderes, Jess. Das bist du schon immer gewesen.“

Weil sie Janies Schwester war.

Zane stand immer noch treu zu seiner Liebe zu Janie, auch zwei Jahre nach ihrem Tod. Jessica wusste, dass sie nur hier war, weil Zane einfach zu nett war, ihrer Mutter einen Gefallen auszuschlagen. „Danke.“

Er nickte und ließ sie los.

Eilig lief sie davon, um die Gläser in die Küche zu bringen. Sie musste irgendetwas tun, um ihr hämmerndes Herz zur Ruhe zu bringen. Was zum Teufel war nur los mit ihr?

Dios, Sie werden doch nicht etwa arbeiten? Nicht in diesem Haus. Das ist mein Job, no?“, rief Mrs. Lopez streng.

„Aber ich helfe gern.“

Diese Unterhaltung hatten sie schon mehrfach geführt. Jessica fand nichts dabei, ein paar Kleider in die Waschmaschine zu stecken, den Tisch abzuräumen oder die Kartoffeln fürs Abendessen zu schälen. Und gerade jetzt brauchte sie dringend eine Beschäftigung.

„Na gut“, erwiderte Mrs. Lopez mit resigniertem Seufzen. „Sie können die Spülmaschine einräumen.“

Nachdem sie eine Weile in stiller Eintracht zusammengearbeitet und die Küche auf Vordermann gebracht hatten, wollte Jess gerade wieder nach draußen, als sie im Türrahmen unvermittelt mit Mariah zusammenstieß. „Oh, entschuldige bitte.“

„Ich hatte dich gar nicht gesehen“, erwiderte Mariah ebenso erschrocken.

„Mein Fehler. Ich sollte im Haus nicht so rennen.“

„Ich bin genauso. Ich muss auch immer schnell ankommen.“ Mariah rieb sich lachend die Schulter. „Wohin wolltest du denn so eilig?“

„Nach draußen. Ich habe Zane eben auf der Veranda zurückgelassen und wollte wieder zu ihm gehen.“

„Na, dann viel Glück. Ich komme gerade von ihm, und er hat schrecklich schlechte Laune.“

„Oh, wirklich? Warum?“ Doch wohl nicht wegen der Sache mit Dylan, oder doch?

„Ich weiß auch nicht, was ihn so verärgert hat, außer dass er es natürlich hasst, so eingeschränkt zu sein. Seit seiner Verletzung fühlt er sich wie ein Tier im Käfig.“

„Kein Wunder, dass er so rastlos ist.“

Mariah lächelte. „Das trifft es genau: Er ist rastlos. Trotzdem sträubt er sich davor, über irgendetwas zu reden, was mit seiner Rückkehr auf die Bühne zu tun hat.“

Vielleicht rannte er vor seiner Vergangenheit davon. Denn eigentlich liebte Zane die Musik. Er liebte es, Texte zu schreiben und Songs zu komponieren. Er war für die Bühne geboren. Das war der Zane, den sie kannte.

„Ich glaube, es würde ihm guttun, diese Filmrolle anzunehmen. Vielleicht ist das genau das, was er braucht“, überlegte Mariah. „Ich habe gehört, du warst dabei, als er mit Dylan über das Drehbuch gesprochen hat. Was denkst du über den Film?“

„Ich? Nun, um ehrlich zu sein … Zane und Dylan als zwei entfremdete Brüder, die nach dem Tod des Vaters wieder nach Hause kommen, das könnte tatsächlich funktionieren. Wenn Zane wirklich schauspielern kann, wäre er in dieser Rolle wahrscheinlich großartig. Das Problem, das ich sehe, liegt in dieser Dreiecksgeschichte mit dem Mädchen, das zu Hause auf ihn wartet. Ich habe gesehen, wie Zane reagiert hat, als Dylan ihm die romantischen Szenen erklärt hat, die er spielen müsste. Er hat augenblicklich dichtgemacht. Ich bin nicht sicher, ob Zane dazu bereit ist.“

„Das ist genau das, was ich denke. Zane wird nichts tun, womit er sich nicht wohlfühlt. Dabei ist er tatsächlich ein guter Schauspieler. Das hat er während der vergangenen zwei Jahre bewiesen. Der Mensch, den er in der Öffentlichkeit darstellt, hat nichts mehr mit dem echten Zane gemeinsam.“ Mariah senkte traurig den Blick.

Jessica sah sie ernst an. „Es ist wegen Janie, nicht wahr? Er leidet immer noch sehr.“

Mariah seufzte. „Ich fürchte, ja.“ Sie schüttelte den Kopf. „Bitte vergiss, was ich gesagt habe. Das geht mich alles gar nichts an.“

Der Gedanke, dass Zane Janie zwei Jahre nach ihrem Tod immer noch so liebte, berührte Jess. Es war überaus romantisch – und zugleich unendlich traurig. „Das stimmt nicht, Mariah. Du bist viel mehr als nur seine persönliche Assistentin. Du bist eine gute Freundin. Daher geht es dich wahrscheinlich mehr an als mich.“

„Aber dich betrachtet Zane als seine Familie. Das betont er immer wieder.“

Jess nickte. „Ich bin die kleine Schwester, die er nie hatte.“ War es nicht das, was er zuvor am Strand zu Dylan gesagt hatte?

Zanes Loyalität zu ihrer Familie war wirklich süß, aber sie wollte nicht, dass er sie bemitleidete. Als sie am Altar stehen gelassen wurde, hatte sich ihr Herz verhärtet. Sie würde sehr lange Zeit niemandem mehr vertrauen können. Daher brauchte sich Zane auch keine Sorgen um sie zu machen. Sie war nicht auf der Suche nach einer neuen Liebe, und ganz sicher würde sie den gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Zane konnte also ruhig schlafen.

Mariahs Handy klingelte, und sie entschuldigte sich.

Jessica ging wieder hinaus auf die Veranda. Zane lag ausgestreckt auf einem Liegestuhl im Schatten und war in das Drehbuch vertieft, das Dylan vorbeigebracht hatte. Er wirkte hoch konzentriert. In diesem Moment schloss er die Heftmappe und schaute voller Sehnsucht aufs Meer hinaus. Jess folgte seinem Blick über die Weite des Ozeans. Das Rauschen der Brandung war tröstlich und beruhigend. An diesem Ort konnte man wirklich Frieden finden. Ihre Nerven waren längst nicht mehr so angespannt wie bei ihrer Ankunft. Während der letzten Tage war sie viel ruhiger geworden.

„Mist. Verdammte Dinger!“

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Zanes Krücken laut krachend zu Boden fielen. Zane war aufgestanden und beugte sich vor, um sie aufzuheben. Dabei versuchte er, den verletzten Fuß nicht zu belasten. Es sah aus wie eine verunglückte Yogahaltung. Schnell lief Jess zu ihm. „Warte, Zane.“

Er stolperte, fiel nach vorn und landete auf seiner verletzten Hand. Als sie ihn erreichte, saß er schon fluchend auf dem Boden. Sie kniete sich neben ihn. „Alles okay?“, fragte sie sanft. „Ist irgendetwas verletzt?“

„Du meinst, abgesehen von meinem Stolz?“

Sie lächelte. „Ja, um den kümmern wir uns später. Wie geht’s deiner Hand? Vielleicht sollte sich die ein Arzt angucken?“

„Ich konnte den Sturz mit den Fingerspitzen abfangen. Das Handgelenk hat sicher nichts abbekommen.“

„Weißt du, ich kannte mal einen störrischen Bock. An den erinnerst du mich gerade.“

„Den kannte ich auch“, gab Zane zurück. „Ein cleveres Kerlchen.“

„Komm, lass mich dir helfen.“ Sie legte seinen rechten Arm über ihre Schulter. „Fertig? Okay, auf drei.“ Sie fasste ihn um die Taille. „Eins, zwei, drei.“

Sein Gewicht drängte sie gegen ihn. Er duftete nach Seife und Rasierwasser. Ihre Wange lag an seiner Brust, und sein Herz hämmerte an ihrem Ohr.

Gemeinsam schafften sie es, sich aufzurichten. Zane entlastete seinen Fuß, indem er Jess als seine Krücke benutzte. Schon wieder hielt er sie fest in seinen Armen, genau wie neulich Nacht. Eine seltsam wohlige Wärme strömte durch ihren Körper.

„So“, sagte sie. „Jetzt sind wir quitt.“

Seinen Arm immer noch um ihre Schulter gelegt, blickte er ihr in die Augen. „Ach, wirklich?“

Na ja, vielleicht nicht ganz. Sie war betrunken gewesen. Aber trotzdem … „Allerdings.“

„Ich hätte auch allein aufstehen können.“

„Du könntest wenigstens ein bisschen Dankbarkeit zeigen.“

Er war ein Mann, der nur ungern Hilfe annahm. Das war Teil seines Problems. Er ließ seinen Blick über die Veranda gleiten, auf der er die meiste Zeit des Tages verbracht hatte, und sie konnte spüren, wie frustriert er war.

„Willst du von hier verschwinden?“, fragte er.

„Na klar. Wohin willst du?“ Mariah hatte gesagt, dass er nicht gern das Haus verließ, daher wollte Jess diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Außerdem konnte sie gut verstehen, wenn er etwas Luft zum Atmen brauchte.

„Ist mir egal. Irgendwohin. Traust du dir zu, mein Auto zu fahren?“

„Das kriege ich schon hin. Ich werde jetzt deine Krücken aufheben, okay? Halt still.“

Sie ließ ihn los, und er balancierte auf einem Fuß, bis sie ihm beide Krücken gereicht hatte. Er klemmte sie unter die Arme und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür. „Nach dir.“

3. KAPITEL

In der Garage standen drei Fahrzeuge. Ein schwarzer Jeep, ein schicker silberner Sportwagen und ein blauer Kleinwagen, der vermutlich Mariah gehörte. Zu ihrer Überraschung wählte Zane den Sportwagen für ihren Ausflug. Jessica half ihm ins Auto, legte seine Krücken auf den schmalen Rücksitz und setzte sich hinters Lenkrad.

„Warum nehmen wir dieses Auto?“, fragte sie.

„Weil es mehr Spaß macht.“

„Du meinst wohl, weil es mir größere Angst einjagt, nicht wahr? Was hat dieser schicke Flitzer gekostet, nur für den Fall, dass ich ihn zu Schrott fahre?“

Er grinste. „Mach dir keine Sorgen. Der Wagen ist versichert.“

Um Zeit zu gewinnen, hantierte sie eine Weile mit ihrer Brille herum. Dann holte sie tief Luft und blickte Zane zögernd an.

„Schau her.“ Zane drückte auf einen Knopf, und der Motor begann zu schnurren. Er zeigte ihr, wie man die Sitze und den Rückspiegel einstellte und die Instrumente bediente. Sie umfasste das Lenkrad und wagte es endlich, aufs Gaspedal zu treten. Als der Motor aufheulte, spürte sie, wie das Adrenalin durch ihre Glieder strömte. So viel Power in ihren Händen.

Sie fuhr den Wagen aus der Garage, rollte die lange geschwungene Auffahrt entlang bis zum vorderen Tor, folgte der Straße aus dem Wohngebiet heraus und fuhr schließlich auf den Highway. Ihr Blick war konzentriert auf die Straße gerichtet, und sie achtete darauf, die Geschwindigkeit von dreißig Meilen nicht zu überschreiten. Sie spürte, wie Zane sie beobachtete, doch wagte nicht, den Blick von der Straße zu lösen, um ihn anzusehen.

„Was ist?“, fragte sie schließlich. „Fährt deine Großmutter schneller als ich?“

„Ich habe kein Wort gesagt.“ Er grinste. „Doch da du es erwähnst: Ich glaube, sogar meine Urgroßmutter ist mit ihrer Pferdekutsche schneller gefahren als du.“

„Haha. Sehr komisch. Vielleicht würde ich schneller fahren, wenn ich wüsste, wohin es eigentlich gehen soll.“

Er seufzte. „Ich habe gelernt, dass es manchmal besser ist, nicht zu wissen, wohin der Weg führt.“

Nach dieser rätselhaften Bemerkung blickte sie doch zu ihm hinüber und sah, dass er die Stirn gegen das Fenster gelehnt hatte. Seine Augen waren hinter seiner Sonnenbrille verborgen. Da sie nicht wusste, was sie antworten sollte, fuhr sie einfach schweigend weiter.

„Möchtest du meinen Lieblingsort in ganz Kalifornien sehen?“, fragte Zane nach ein paar Minuten. „Es ist nicht weit von hier.“

„Das würde ich sehr gern.“

Er erklärte ihr den Weg, und sie folgte der Straße, die sich an der malerischen Küste entlangschlängelte. Nach einer Weile bogen sie auf einen kleinen Schotterweg, der schließlich mitten in den Dünen endete.

„Du kannst gleich hier parken“, erklärte Zane.

Jess stellte den Motor ab und stieg aus. Dann holte sie die Krücken vom Rücksitz und ging um das Auto herum auf seine Seite. Bis sie dort war, hatte er sich schon aus seinem Sitz gehievt. „Hier bitte.“

„Danke.“

Sie wartete, bis er sicher auf seinen Krücken stand, und folgte ihm dann über einen schmalen Trampelpfad, der durch die Dünen direkt in eine menschenleere Bucht führte. Der Strand war an dieser Stelle sehr weitläufig. Auf einem Felsendamm zur Linken saßen Möwen und Pelikane, ein paar Seelöwen dösten daneben im Sand, und jenseits der Küstenstraße erhob sich sanft das kalifornische Hügelland.

„Was für eine wunderschöne Bucht!“

„Ja, nicht wahr? An klaren Tagen kann man meilenweit in alle Richtungen sehen. Man begegnet keiner Menschenseele.“

„Wirklich paradiesisch“, stimmte sie zu.

Sie standen eine Weile schweigend nebeneinander, bevor Jess wagte, die Frage zu stellen, die sie schon länger bewegte. „Willst du in Zukunft wirklich in die Filmbranche einsteigen, Zane? Was ist mit deiner Musik? Wieso habe ich das Gefühl, dass du nicht gerade darauf brennst, zu dem zurückzukehren, was du doch immer geliebt hast?“

Es war eine sehr persönliche Frage. Möglicherweise zu persönlich, denn Zane reagierte überhaupt nicht darauf. Er starrte einfach nur gedankenverloren hinaus auf den Ozean.

„Tut mir leid. Das geht mich natürlich nichts an.“

„Entschuldige dich nicht, Jess.“ Seine Stimme klang ein wenig rau. „Du darfst mich alles fragen, was du willst.“

Sie würde ihn beim Wort nehmen. „Na gut, dann sag mir, warum du unbedingt nach neuen Projekten suchst, obwohl deine Musikkarriere auf dem Höhepunkt ist und deine Fans auf der ganzen Welt auf deine Rückkehr warten?“

Er schloss kurz die Augen. „Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich dieses ganze Leben einfach nur satt.“

Es war eine sehr ehrliche Antwort. Zane litt. Immer noch. Und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.

„Das verstehe ich. Nach der Geschichte mit Steven war ich auch völlig am Boden zerstört. Ich wusste nicht, wem ich noch vertrauen sollte, an was ich noch glauben konnte. Ich wollte einfach nur noch weg, aber ich war nicht in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Also habe ich es meiner Mutter überlassen, sich um alles zu kümmern. Und nachdem sie das getan hatte, hatte ich einfach nicht den Mumm, ihr zu widersprechen. Nimm es nicht persönlich, aber dich zu besuchen, wäre mir von selbst niemals in den Sinn gekommen.“

Er lächelte. „Sollte ich jetzt beleidigt sein?“

Ihre Stimme wurde sanft. „Na ja, du hast dich ganz bewusst von unserer Familie ferngehalten, nachdem Janie …“

Ihre Offenheit ließ ihn zusammenzucken. Vielleicht hätte sie nicht so direkt sein sollen. „Nicht aus dem Grund, den du vermutest.“

„Ich weiß, warum, Zane.“

Er ließ den Kopf sinken. „Mir ging es nicht gut.“

„Ich weiß.“ Er litt unter entsetzlichen Schuldgefühlen. Janie war im fünften Monat schwanger gewesen, als sie starb. Sie hätte Zane gern auf seine Tournee durch England begleitet, doch Zane hatte das rundheraus abgelehnt. Er wollte nicht, dass sie sich einem solchen Stress aussetzte. Sie hatten miteinander gestritten, und schließlich hatte er sich durchgesetzt. Er liebte Janie so sehr und versuchte nur, sie zu beschützen. Es war eine tragische Ironie des Schicksals, dass sie letzten Endes in ihrem eigenen Haus umkam.

Jess sah, wie der Schmerz seine Züge verzerrte, als er daran dachte. Er würde sich wegen seiner Entscheidung wahrscheinlich bis an sein Lebensende schuldig fühlen. Aber niemand war schuld. Niemand hätte wissen können, dass Janie in London sicherer gewesen wäre als in ihrem eigenen Zuhause. Ihre Mutter hatte das verstanden. Jessica hatte das verstanden. Aber Zane konnte sich einfach nicht verzeihen.

Er ließ eine Krücke los und griff nach ihrer rechten Hand. Er verschränkte seine Finger mit ihren und drückte sie sanft, während sie gemeinsam aufs Meer hinausblickten. „Ich bin froh, dass du da bist, Jess.“

Friede und Schmerz verschmolzen miteinander, eine seltsame, bittersüße Mischung aus Gefühlen, von denen Jess sicher war, dass Zane sie ebenfalls spürte. Sie hatten beide so viel verloren und waren durch den Verlust so eng miteinander verbunden.

Der Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht, und Zane streckte die Hand aus, um ihr eine Strähne hinters Ohr zu streichen. „Es tut gut, jemanden zu haben, der einen versteht“, flüsterte er.

Sie nickte.

Er ließ ihre Hand los, und sie standen eine Weile schweigend nebeneinander und beobachteten, wie Welle um Welle an den Strand gespült wurde. Dann drehte er sich zu ihr um. „Möchtest du dir die Pelikane und die Seelöwen aus der Nähe ansehen?“

Sie blickte zweifelnd auf seine Krücken. „Schaffst du es denn durch den Sand?“

„Na klar.“ Er humpelte voran. „Folge mir, wenn du mit mir mithalten kannst.“

Zane lehnte sich auf seinem Stuhl im Amigos del Sol zurück und beobachtete Jess dabei, wie sie die Speisekarte seines Lieblingsmexikaners studierte. Das winzige Lokal war für seine umwerfende hausgemachte Guacamole bekannt. „Alles hier ist gut, aber wenn du mich fragst, die gefüllten Maisfladen sind einfach überirdisch.“

Und die Guacamole war schon unterwegs.

Jessica hatte den Kopf tief über die Karte gebeugt, sodass ihr ihre Brille auf ihre Nasenspitze gerutscht war. Zane beobachtete lächelnd, wie sie sie mit einem Finger wieder hochschob. Er fand diese Angewohnheit einfach bezaubernd.

„Dann verlasse ich mich auf dein kundiges Urteil und nehme die Maisfladen“, entschied sie. „Aber jetzt verrat mir, wie du es geschafft hast, uns hier hereinzuschmuggeln, ohne dass irgendwelche Fans oder Fotografen dich entdecken konnten.“

„Eigentlich sollte ich meine Geheimnisse ja nicht preisgeben, aber während du dich aufs Fahren konzentriert hast, habe ich Mariah eine SMS geschrieben, damit sie dem Wirt Bescheid gibt, dass wir ein ruhiges Plätzchen benötigen und gern durch die Hintertür hereinkommen würden.“

„Ah … Mariah, deine Geheimwaffe.“

„Sie macht einfach alles möglich.“

„Das habe ich auch schon bemerkt. Sie ahnt jeden deiner Schritte voraus und gibt immer auf dich acht.“

„Ja, wie eine Glucke“, sagte er seufzend. „Aber ich will nicht undankbar sein. Sie ist mein zweiter rechter Arm.“ Er hielt die verletzte Hand in die Höhe. „Und unter diesen Umständen ist das von besonderer Bedeutung.“

Ein Kellner brachte einen Teller mit Tortilla-Chips und eine Schüssel mit frischer Guacamole an ihren Tisch. Zane lief das Wasser im Mund zusammen. Darauf hatte er sich schon den ganzen Tag gefreut. Das Aroma von Limettensaft, Gewürzen und reifen Avocados erfüllte die Luft.

Nachdem er ihre Bestellung aufgenommen hatte, nahm der Kellner die Speisekarten an sich und ging wieder. Zane tauchte einen Tortilla-Chip in die frische grüne Sauce und bot den ersten Bissen Jess an. „Probier das, und dann sag mir, dass es nicht absolut himmlisch ist.“

Sie beugte sich zu ihm herüber, sodass er ihr den Chip in den Mund stecken konnte. „Oh, das ist köstlich“, seufzte sie genüsslich. Sie kaute mit geschlossenen Augen, und ein Lächeln lag auf ihren Lippen.

Zane beobachtete fasziniert ihren ungewohnt sinnlichen Gesichtsausdruck und vergaß dabei sogar für ein paar Sekunden seinen eigenen Appetit. Bei jeder anderen Frau hätte ihm das zu denken gegeben, aber es war schließlich nur Jess.

Sie öffnete die Augen. „Hast du noch nichts gegessen?“

„Nein, es macht viel zu viel Spaß, dir zuzusehen.“

„Ich scheine in letzter Zeit ja öfter bei dir für Heiterkeit zu sorgen.“

Das stimmte allerdings. In Jess’ Gesellschaft hatte sich seine düstere Stimmung merklich aufgehellt. Das war doch nichts Schlechtes, oder? Er tauchte einen Chip in die Guacamole und biss hinein.

Jess’’’ Blick ging an ihm vorbei. „Oje … dreh dich nicht um, Zane“, flüsterte sie.

Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als zwei junge Mädchen nervös kichernd an ihren Tisch traten. „Hallo“, sagte eine von ihnen. „Entschuldigen Sie, aber wir sind sehr große Fans von Ihnen.“

„Vielen Dank.“

„Würden Sie uns vielleicht ein Autogramm geben?“

Er warf Jessica einen kurzen Blick zu, und sie nickte. „Na klar.“

Die Mädchen holten zwei Servietten und einen Stift hervor, was die ganze Sache ein wenig erleichterte. Zane hasste es, herumzustehen und zu warten, während Fans in ihren Taschen nach irgendetwas kramten, das er für sie signieren sollte. Die Mädchen nannten ihm ihre Namen, er unterschrieb auf den Servietten und gab sie ihnen zurück.

„Vielen, vielen Dank. Sie sind unser Lieblingssänger. Ich kann nicht glauben, dass wir Sie wirklich getroffen haben. Ihre letzte Ballade war wunderschön. Sie haben so eine tolle Stimme. Ich habe Sie vor ein paar Jahren bei einem Konzert live gesehen, als ich noch bei meinen Eltern in Arizona gewohnt habe.“

Zane lächelte weiterhin. Den Mädchen fiel gar nicht auf, dass sie ihn beim Essen störten. „Nun, das freut mich zu hören.“

Sie starrten ihn an und rückten immer näher.

Da stand Jessica auf. „Hallo, ich bin Jessica, Zanes Schwägerin“, sagte sie mit freundlichem Lächeln. Die Mädchen waren völlig verblüfft, als sie ihnen die Hände schüttelte. „Wir führen gerade ein kleines Familiengespräch, und wir haben leider nur wenig Zeit. Zane würde sich sonst sicher gern länger mit euch unterhalten. Wenn ihr mir eure Namen und Adressen gebt, werde ich dafür sorgen, dass ihr sein neuestes Album zugeschickt bekommt, handsigniert. Und dürfte ich euch um ein wenig Diskretion bitten, wenn ihr geht?“ Sie senkte die Stimme und flüsterte verschwörerisch: „Zane liebt es, mit seinen Fans zu plaudern, aber wir brauchen wirklich ein paar ungestörte Minuten für uns.“

„Oh, okay, sicher“, sagte eines der Mädchen fröhlich, und das andere schrieb ihre Adressen auf eine weitere Serviette. Dann verabschiedeten sie sich und gingen leise kichernd fort.

Zane sah Jessica an. „Ich bin beeindruckt.“

„Ich habe mitbekommen, wie Mariah mit den Leuten aus deinem Fanclub spricht. Ich hoffe, es war okay, dass ich ihnen ein Album versprochen habe.“

„Kein Problem. Ich wünschte, ich wäre selbst darauf gekommen.“

„Die beiden schienen ziemlich hartnäckig.“

„Da könnte ich dir Geschichten erzählen.“ Zane schüttelte den Kopf. „Verglichen mit den meisten anderen, die mich ansprechen, waren diese beiden eigentlich eher zurückhaltend.“

Sie lächelte. „Mir gefällt, dass du nett zu deinen Fans bist.“

Ihre Blicke trafen sich, und er spürte ein heißes Flattern tief in seiner Magengrube. Jessicas Kompliment bedeutete ihm mehr als die oberflächliche Begeisterung tausender Fans. „Ach, verdammt. Jess, du machst mich ganz verlegen“, scherzte er.

Sein Handy klingelte. Schnell nahm er sein Telefon aus der Tasche und schaute aufs Display. „Es ist Mariah“, erklärte er und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war schon nach acht. „Das ist ungewöhnlich. Normalerweise schickt sie mir eine SMS, wenn sie so spät noch etwas von mir will. Bitte entschuldige mich einen Moment.“ Er nahm das Gespräch an. „Hallo, Mariah. Was gibt’s?“

„Zane, etwas Schreckliches ist passiert.“ Durchs Telefon war verzweifeltes Schluchzen zu hören. Mariahs Stimme klang panisch und erstickt. Zane erstarrte. Ihre Worte riefen böse Erinnerungen in ihm wach. „Meine Mutter hatte einen Schlaganfall. Es ist ziemlich schlimm.“

„Oh nein. Das tut mir so leid, Mariah.“

„Ich muss sofort nach Hause fliegen. Sie wissen nicht, ob sie … Oh, Zane, sie ist doch noch so jung. Erst vierundsechzig. Sie hatte noch nie gesundheitliche Probleme. Oh mein Gott.“ Ihr Schluchzen wurde lauter.

„Mariah, tu einfach, was du tun musst. Mach dir keine Gedanken um irgendetwas anderes.“ Der Kummer in ihrer Stimme traf ihn mitten ins Herz. „Wo bist du jetzt?“

„Bei Patty in Santa Monica.“ Mariah teilte sich zurzeit ein Apartment mit einer ehemaligen Studienfreundin. Eine sehr praktische Lösung, solange er am Moonlight Beach wohnte. So war sie ganz in der Nähe, ohne mit ihm unter einem Dach leben zu müssen.

„Versuch, dich zu beruhigen und pack ein paar Sachen zusammen. Hast du schon einen Flug?“

„Patty hat mir einen Nachtflug nach Miami gebucht.“

„Okay. Ich schicke dir einen Wagen, der dich zum Flughafen bringt.“

„Ist schon gut, Zane, Patty kann mich fahren. Ich komme schon zurecht“, sagte sie tapfer. „Aber was ist mit dir? Kommst du auch ohne mich zurecht? Ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde.“

„Mach dir um mich keine Sorgen. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Und ruf mich an, wenn ich irgendetwas für dich tun kann, okay?“

„Okay. Danke. Auf Wiedersehen, Zane.“

Zane beendete das Gespräch. „Mariahs Mutter hatte einen Schlaganfall“, erklärte er Jessica.

„Oh nein, das tut mir leid. Ist es sehr ernst?“ In Jess’ warmherzigen Augen spiegelte sich Mitgefühl.

„Scheint so.“ Er rieb sich die Stirn. „Ich habe Mariah noch nie so aufgelöst erlebt. Sie ist jetzt auf dem Weg nach Florida. Wahrscheinlich wird sie eine ganze Weile fort sein.“

„Das kann ich mir denken. Wirst du jemanden finden, der sie vertreten kann?“

Darüber konnte Zane im Augenblick nicht nachdenken. Noch nicht. Er hörte immer noch die Fassungslosigkeit und den Schmerz in Mariahs Stimme, die er nur allzu gut nachempfinden konnte.

Ihre Frau hat es nicht geschafft, Mr. Williams.

Was nicht geschafft? hatte er den Arzt wieder und wieder gefragt. Er hatte förmlich ins Telefon geschrien. Dann, während des gesamten Heimflugs aus London, hatte er geglaubt, gehofft, gebetet, das alles wäre nur ein Irrtum gewesen. Ein entsetzlicher, unfassbarer Irrtum. Erst als er vor der heruntergebrannten Ruine seiner ehemals stolzen Ranch in Beckon stand, hatte er begriffen, dass Janie fort war. Für immer.

Das Essen wurde serviert, doch als er die heiß dampfenden Maisfladen vor sich stehen sah, wich das Blut aus seinem Gesicht, und sein Magen rebellierte. Jessica zuliebe versuchte er, seine quälenden Erinnerungen beiseitezuschieben. Er wollte ihr nicht den Abend verderben.

Sie griff über den Tisch und streichelte mit den Fingerspitzen sachte über seine unverletzte Hand. Ihre Berührung tröstete ihn. „Komm, wir lassen uns alles einpacken. Wir können später essen.“

„Macht es dir wirklich nichts aus?“

„Nein, überhaupt nicht. Wir können gehen, wann immer du möchtest.“

Süße Jess. Sie tat ihm gut. Sie verstand ihn, vielleicht besser als irgendjemand sonst auf der Welt. Sie war eine echte Freundin, und er erkannte, wie sehr er sie hier bei sich brauchte.

„Du hast mich eben gefragt, ob ich eine Vertretung für Mariah finden könnte.“

„Ich befürchte, das wird ziemlich schwierig werden.“

„Ja, da hast du recht.“ Er blickte ihr in die Augen. „Außer dass ich schon jemanden gefunden habe. Und diese Person sitzt direkt vor mir.“

4. KAPITEL

Als Jessica erwachte, fiel das gleißende Morgenlicht der aufgehenden Sonne in ihr Zimmer. Sie streckte ihre müden Glieder und dachte an Zanes Vorschlag vom Vorabend, die Vertretung für Mariah zu übernehmen. Für einen Moment hatte sie ihn verblüfft angestarrt und geglaubt, er hätte den Verstand verloren. Doch er hatte sie gebeten, eine Nacht darüber zu schlafen, und sie daran erinnert, dass er zurzeit nicht arbeitete. Daher hätte er weder Auftritte noch Interviewtermine zu absolvieren, sodass ihre Hauptaufgabe daraus bestehen würde, ihm die Presse vom Leib zu halten und alle Terminanfragen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

„Du bist eine intelligente Frau, Jess. Ich bin überzeugt, dass du das ohne Probleme hinbekommst“, hatte Zane ihr versichert.

Seine Ermutigung gab ihr jetzt den nötigen Anstoß. Sie wusste die Herausforderung zu schätzen und freute sich sogar darauf. Zane wollte nicht ständig von seinem Manager und Konzertveranstaltern bedrängt werden. Er war dazu noch nicht bereit, wieder auf die Bühne zurückzukehren. Er brauchte mehr Zeit – genau wie sie. Auch sie war noch nicht bereit, nach Texas zurückzukehren. Aber wie viele Tage konnte sie noch mit Sonnenbaden und Nichtstun verbringen? Wenn sie noch eine Weile blieb, um Zane zu helfen, hätte sie wenigstens etwas Sinnvolles zu tun.

Jessica machte sich schnell fertig und ging die Treppe hinunter in die untere Etage.

„Verdammter Mist!“

Eine Tirade wütender Flüche drang an ihr Ohr, und sie musste grinsen. Armer Zane. Er hasste es, so unbeholfen zu sein.

Sie trat in sein Schlafzimmer. „Zane?“

„Ich bin hier drinnen.“

Sie folgte der Stimme. Zane stand im Bad vor dem Waschbecken. Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel. Er schaute finster drein, und ein paar Tropfen Blut färbten den Rasierschaum an seinem Kinn rot. „Mit der Hand kann ich mich nicht mal ordentlich rasieren.“

Sie reichte ihm ein Papiertuch.

„Danke“, sagte er mürrisch.

„Komm, lass mich das machen.“

„Du?“

„Als ich noch klein war, habe ich meinen Vater oft rasiert.“ Sie setzte sich auf den Waschtisch und griff nach dem Rasierer. „Wir haben immer ein Spiel daraus gemacht. Glaub mir, ich war verdammt gut.“

Er warf einen zweifelnden Blick auf den Rasierer in ihrer Hand.

„Was ist? Vertraust du mir nicht? Ich garantiere dir, dass ich das besser hinbekomme als du! Ich könnte dich stattdessen natürlich auch zu einem Herrenfrisör fahren. Wo ich doch jetzt deine persönliche Assistentin bin.“

Der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht verschwand augenblicklich. „Dann hast du dich also entschieden?“

„Ja, habe ich. Also, wer soll dich nun rasieren? Deine persönliche Assistentin oder der Frisör?“

„Versuch bitte, mich nicht zu schneiden“, sagte er.

„Das hast du selbst schon zur Genüge getan.“ Sie reichte ihm ein Handtuch. „Wisch dein Gesicht ab. Wir fangen noch einmal ganz von vorn an.“

Sie sprühte etwas Rasierschaum auf ihre Hand und begann, ihm die Wangen, das Kinn und den Hals einzuschäumen. Zane lehnte sich gegen den Waschtisch. Ihr Herz schlug schneller. Seine Nähe, der frische Duft seiner Haut, die Art, wie sie ihn berührte – mit einem Mal wurde ihr die Intimität der Situation bewusst.

Was zum Teufel tat sie hier? Zane war ihr Schwager!

Natürlich wollte sie Zane helfen, aber sie hatte das hier nicht zu Ende gedacht.

Sie sah, wie er sie im Spiegel beobachtete, und ihre Hand war auf einmal gar nicht mehr so ruhig. Sie konnte doch nicht gleich ihren ersten offiziellen Auftrag als Zanes Assistentin vermasseln! „Okay, bist du bereit?“

Er hielt ganz still. „Hm.“

Um nah genug an ihn heranzukommen, musste sie sich vorbeugen und sich mit der linken Hand auf seiner Schulter abstützen. Dann begann sie, ganz behutsam den Rasierer über sein Gesicht gleiten zu lassen. Sie ging so vorsichtig und sanft wie möglich vor. Zwischendurch säuberte sie den Rasierer unter dem Wasserstrahl. Als sie wieder aufschaute, sah Zane ihr direkt in die Augen, und plötzlich war ein seltsames Knistern zwischen ihnen zu spüren.

Eine, zwei, drei Sekunden vergingen.

Dann richtete er seinen Blick wieder auf den Spiegel.

„Alles okay?“, fragte Jess, um die angespannte Stille zu unterbrechen.

„Blute ich?“

Ihre Mundwinkel zuckten. „Nein.“

„Dann ist alles okay.“

„Na gut, dann geht’s jetzt an den Hals. Kinn hoch, bitte.“

Er gehorchte, ohne zu zögern. Du liebe Güte, er vertraute ihr wirklich.

„Das war’s“, sagte sie nach einer weiteren Minute. „Nicht einmal geschnitten, wenn ich das bemerken darf.“

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