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Im Harem des Scheichs - drei erotische Liebesromane

hier erhältlich:

Drei Schwestern reisen ins arabischen Königreich, um den Mann ihrer Träume zu finden und landen unschuldig im Harem eines Scheichs

LIEBESSKLAVIN IM HAREM DES SCHEICHS

Entführt von Beduinen, geschenkt an Scheich Khalid – Liebessklavin im Harem? Juliette denkt gar nicht daran zu kapitulieren! Bis der Wüstenprinz sie feurig erobert. Ein orientalisches Märchen der Sinne beginnt …...

VERFÜHRT IM HAREM DES SCHEICHS

"Sie meinen, ich soll in Ihrem Harem leben?" Schockiert senkt Lady Celia den Blick vor Scheich Ramiz. Was, wenn es wahr ist, was Schehezerade in 1001 Nacht über den geheimnisvollen Ort erzählt? Auf purpurner Seide harren die Haremssklavinnen unschuldig und unbekleidet ihres Herrn und ... Gewiss, ihre Erziehung als Lady untersagt weitere Fantasien. Aber fern von England, allein mit einem faszinierenden Wüstenprinzen … Fragend blickt Celia wieder auf und entdeckt ein Glitzern in Ramiz‘ dunklen Augen, das sie erschauern lässt. Und hoffen, dass Schehezerade nicht gelogen hat …

DIE VERBOTENEN KÜSSE DES SCHEICHS

"Sie sehen aus, als würden sie in den Harem gehören, nicht ins Schulzimmer!", befindet Scheich Jamil empört. Eigentlich hat er die junge Cassandra als Gouvernante für seine Tochter engagiert, aber ihre betörend sinnliche Ausstrahlung führt den stolzen Scheich gefährlich in Versuchung. Bald sind seine Gefühle für Cassie alles andere als ehrenhaft - und unter den Sternen der Wüste küsst er sie heiß. Doch die Tradition verlangt, dass Jamil eine arabische Prinzessin heiratet. Nun steht er vor der schwersten Entscheidung seines Lebens: Pflicht … oder Liebe?


  • Erscheinungstag: 15.10.2018
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 563
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955769567
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Marguerite Kaye

Im Harem des Scheichs - drei erotische Liebesromane

Marguerite Kaye

Liebessklavin im Harem des Scheichs?

1. KAPITEL

Lashaal, Arabien, 1816

Die Stammesdelegation ist angekommen, Hoheit.“

Scheich Khalid al-Raqam, Prinz von Lash’aal, fuhr fort, die Skizze des Schreins zu prüfen, der kürzlich an der Ausgrabungsstelle der verschollenen Stadt Persimmanion entdeckt worden war. Die Ruinen des Tempels faszinierten ihn, da sie um mehrere Jahrhunderte älter waren als die übrige Stadt. Vielleicht waren sie sogar der Grund für die Existenz der Stadt. Khalid nahm die neueste Entdeckung in die Hand – die kleine Goldstatuette einer weiblichen Gottheit, die für diese arabische Region höchst ungewöhnlich war. Er lächelte verhalten. Die Abergläubischen unter seinen Untertanen, einschließlich Farid, seinem Sekretär, warteten ehrerbietig auf seine Anweisungen. Anscheinend hielten sie das Fundstück für ein wichtiges Omen. Khalid allerdings ließ sich von solchen kindischen Vorstellungen nicht beeinflussen. Die Vergangenheit zog ihn in ihren Bann, beherrschte ihn jedoch nicht.

Er ließ die zarte Skulptur in der Handfläche ruhen. Persimmanion hatte sich als wahre Fundgrube für Objekte dieser Art erwiesen. Es war wichtig, dass sie den Ort geheim hielten, damit die europäischen Aasgeier nicht Wind davon bekamen und versuchten, Lash’aals kostbares Kulturerbe zu plündern, wie sie es bereits in Ägypten getan hatten. Khalid umschloss die goldene Gottheit fester. Auf seinem Hoheitsgebiet würde er keine solche Entweihung dulden.

„Was wünscht diese Delegation?“, fragte er Farid gereizt.

„Eine Audienz, Hoheit. Sie sind fünf Tage lang durch die Wüste gereist, um Euch Tribut für Euren Beistand während des Grenzstreits zu entrichten. Ihr solltet sie nicht brüskieren, indem Ihr sie zu lange warten lasst.“

Khalid seufzte und rollte vorsichtig die Skizze zusammen. „Nun gut, dann werde ich sie jetzt empfangen.“

Farid verbeugte sich. „Ihr werdet sie feierlich empfangen, Hoheit?“

Es war nicht wirklich eine Frage, wie Khalid wohl wusste, und so seufzte er wieder. „Wenn ich muss. Wie immer, Farid, verlasse ich mich in Fragen des Protokolls ganz auf dich.“ Seit drei Jahren regierte er Lash’aal nun bereits, doch er empfand einige Gebräuche, besonders den Pomp und die gezwungene Feierlichkeit, nach wie vor als sehr ärgerlich. Der Frieden in seinem Reich, für den er so hart gekämpft hatte, war allerdings noch immer sehr zerbrechlich. Die vielen Stämme waren bereit, bei der geringsten Provokation aneinanderzugeraten, da musste es seine erste Pflicht als oberster Träger der Macht sein, Gerechtigkeit walten zu lassen und, wenn nötig, Strafe öffentlich zu vollstrecken.

Diese schwere Verantwortung, die auf ihm lastete, isolierte ihn von allen anderen Menschen in seinem Land. Es war seine Pflicht, unfehlbar, unbesiegbar und allmächtig zu sein. Zwar hätte er mit seinen zweiunddreißig Jahren längst vermählt sein und einen Erben gezeugt haben sollen, doch bisher hatte es sich selbst für Farid mit seinem legendären diplomatischen Geschick als zu schwierig erwiesen, unter den vielen verschiedenen Fraktionen des Reiches eine passende Braut auszuwählen. Khalid selbst zeigte kein besonderes Interesse an diesem Thema. In jedem Fall musste seine zukünftige Gemahlin eher den Bedürfnissen Lash’aals entsprechen als seinen persönlichen, also gab er sich zunächst damit zufrieden, unvermählt zu bleiben. Die Last der Staatsgeschäfte trug er lieber allein – zumindest sagte er sich das, während er sich in seinen Privatgemächern die schweren Zeremoniengewänder anlegte.

Die mitternachtsblaue Seidentunika mit den Paspeln an den langen Ärmeln wies am hohen Kragen Stickereien aus Silberfäden und Perlen auf. Um die Taille zog er einen silbernen, mit Türkisen und Saphiren geschmückten Gürtel fest. Den zeremoniellen Krummsäbel, ebenfalls aus Silber, schob er in die reich verzierte Scheide. Dann steckte er sich den Staatsring an den Finger, den legendären Saphir Lash’aals. Auch der Umhang, den er sich um die Schultern warf, war mitternachtsblau und besetzt mit kostbaren Edelsteinen und Halbedelsteinen. Die Kopfbedeckung wurde mit einem Band aus Silberfäden und weiteren Edelsteinen befestigt. Als er schließlich angekleidet war, fühlte Khalid sich, als würde er im wahrsten Sinne des Wortes die Last seines Reiches auf den Schultern tragen.

Der prunkvolle Thronsaal des Palastes maß achtzig Schritte in der Länge und sechzig in der Breite. Durch die Erkerfenster drang gleißendes Sonnenlicht und reflektierte sich in den aus verspiegeltem Glas bestehenden Wänden. Khalid nahm auf dem Thron Platz, der sich auf einer Estrade am Ende des Saales befand. Nun bellte Farid einen Befehl, und die Doppeltür wurde aufgerissen. Ein bunter Haufen Angehöriger der verschiedenen Stämme kam zögernd herein. Einige von ihnen trugen gemeinsam ein großes Bündel. Es sah aus wie ein Teppich. Wenn man nach seinem staubigen Zustand und den abgerissenen Fäden an jedem Ende schließen wollte, handelte es sich dabei um kein besonders kostbares Exemplar. Khalid hob fragend eine Augenbraue.

Einer der Männer trat vor und verbeugte sich mehrmals. „Euer Hoheit, wir sind gekommen, Euch Huld zu erweisen und zu bitten, Ihr möget dieses äußerst unwürdige Präsent von Euren Euch ewig dankbaren Untertanen annehmen.“

„Mit großer Freude.“ Khalid nickte. „Allerdings muss ich der Beschreibung für euer Geschenk zustimmen.“

Der Mann sah zunächst verblüfft aus, lächelte dann aber breit und entblößte lange gelbe Zähne, auf die selbst ein Kamel stolz gewesen wäre. „Der Teppich? Aber nein, Euer Hoheit, der ist nur die Umhüllung. Der wahre Schatz befindet sich darin.“

Er klatschte laut in die Hände, und seine Begleiter legten den Teppich auf den Mosaikboden und entrollten ihn mit einer schwungvollen Bewegung.

„Uff!“

Die Stimme klang verärgert, wies einen ausländischen Akzent auf und gehörte eindeutig einer Frau. Diese trug schmutzige, zerlumpte Kleider, die sich an einen erstaunlich wohlgestalteten Leib schmiegten. Langes Haar, schwarz wie die Nacht, und Augen, stürmisch wie das aufgewühlte Meer, waren das Nächste, was Khalid auffiel. Die Frau zerrte an ihren Fesseln und kam unsicher auf die Knie, den unverschämten Blick auf ihn gerichtet.

Nach der erstickenden Dunkelheit im Teppich, in den man sie eingerollt hatte, brannten ihr die Augen von der plötzlichen Sonnenhelle. Sie befand sich in einem riesigen, prachtvoll eingerichteten Raum. Ihr Blick konzentrierte sich auf den Mann, der vor ihr stand – auf den hochgewachsenen Mann. Er trug mit Edelsteinen besetzte Pantoffeln. Nach seiner kostbaren Kleidung zu urteilen, musste es sich um einen sehr reichen Mann handeln – einen sehr imposanten reichen Mann. Er wirkte kraftvoll und geschmeidig zugleich. Der juwelenbesetzte Gürtel betonte eine schlanke Taille, Taille, was sehr ungewöhnlich war in einem Land, in dem großer Leibesumfang ein Zeichen für Wohlstand darstellte.

Langsam hob Juliette den Kopf, musterte kurz die breiten Schultern und begegnete schließlich dem Blick aus einem Paar erstaunlich blauer Augen. Der Mann war eher ungewöhnlich als im klassischen Sinn gut aussehend mit seinen hohen Wangenknochen, dem Grübchen in seinem Kinn und der dünnen Narbe an einer seiner Augenbrauen. Ein wirklich bemerkenswertes Gesicht.

„Furcht einflößend“ war der Begriff, der ihr zuerst in den Sinn kam. Ein Schauder erfasste sie, auch ein Hauch von Furcht, der sie völlig überrumpelte. Ein Leben lang hatte sie ihren Vater zu Ausgrabungen begleitet, hatte unter harten Bedingungen im Zelt geschlafen und war mit jeder nur denkbaren Art von Schurken in Berührung gekommen. Da hatte sie gedacht, dass ihr inzwischen nichts so leicht Angst machen könnte, aber dieser Mann war anders. Jemanden wie ihn wollte man sich nicht gern zum Feind machen.

Verstohlen sah sie sich im fürstlich eingerichteten Saal um, bemerkte den Thron und konzentrierte sich wieder auf den majestätischen Mann vor sich. Langsam dämmerte es ihr, dass sie von ihren Häschern als eine Art Geschenk angeboten wurde. Allen Mut zusammennehmend, begegnete sie scheinbar furchtlos dem Blick des Mannes.

Je m’apelle Juliette de Montignac“, sagte sie mit all der Arroganz, die sie aufbringen konnte.

Eine Französin! Khalid sah, wie der Anführer der Stammesvertreter sich die Hände rieb, und fragte sich, ob der Dummkopf ahnte, in welch missliche Lage er ihn mit diesem unerwünschten Geschenk brachte. Er verbeugte sich.

„Prinz Khalid al-Raqam von Lash’aal.“

Ein Prinz! Das hätte sie eigentlich schon an seiner stolzen Haltung erkennen müssen. Nun, Prinz oder nicht, er hatte kein Recht, sie gegen ihren Willen gefangen zu halten. Juliette hob unbewusst das Kinn. „Diese Männer haben mich entführt. Ich verlange, dass Sie mich freilassen.“

Eindeutig Französin, dachte Khalid resigniert, und nach dem Ton ihrer Stimme und der hochmütigen Haltung zu urteilen, darüber hinaus auch noch eine Dame von vornehmer Geburt. Die diplomatischen Folgen könnten schwerwiegend sein.

„Wo haben Sie sie gefunden? Und wie lange ist es her?“, fragte er knapp.

„Am Meer, Euer Hoheit“, erwiderte der Sprecher der Gruppe, den Blick zu Boden gerichtet. „Vor einem Monat, durch einen Sturm an die Küste gespült.“

Vor einem Monat schon! Es wurde immer schlimmer. Khalid fluchte insgeheim. „Was ist mit Ihrer Begleitung geschehen?“, wandte er sich auf Französisch an Juliette.

Er sprach fehlerlos und mit kaum merklichem Akzent. Seine Frage weckte eine kurze, entsetzliche Erinnerung an den Sturm, den tosenden Sturm, der die Segel des Schiffs zerfetzte, die Schreie der Mannschaft, ihre eigenen flehenden Bitten an ihren Vater, seine kostbaren Fundstücke zurückzulassen und sich selbst zu retten. Was er natürlich nicht getan hatte. Die Riesenwelle, die sie an den Strand geworfen hatte, hatte Papa und seine Truhe mit den sorgfältig ausgesuchten Relikten auf den Grund des Roten Meers gezwungen. Im Tod wie im Leben hatte Papa seine verlorenen Zivilisationen an erste Stelle gesetzt.

„Sie sind alle untergegangen, einschließlich meines Vaters.“ Juliette biss sich leicht auf die Unterlippe.

„Das tut mir leid“, sagte Khalid, gerührt von ihrem Versuch, ihre Tränen zu bekämpfen. „Wo ist der Rest Ihrer Familie?“

„Familie?“ Juliette schüttelte den Kopf und schluckte mühsam. Sein Mitgefühl schnürte ihr die Kehle zu. Papa war von vornehmer Geburt gewesen, doch da er die Archäologie zu mehr als nur einem Hobby gemacht hatte, war er von seiner Familie verstoßen worden. Juliette hatte nie irgendjemanden ihrer Verwandten kennengelernt, und ihr Vater hatte sie auch nicht dazu ermutigt, sich für sie zu interessieren. Inzwischen hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, ganz allein in der Welt zu sein – bis auf Papa, der immer mehr ein Mentor für sie gewesen war als ein Vater. Doch jetzt war es ihr nicht angenehm, daran erinnert zu werden, und so zuckte sie nur mit den Achseln. „Ich habe keine weiteren Verwandten. Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war. Außer mir und Papa hat es nie jemanden gegeben.“

Die meiste Zeit allerdings, das musste sie sich, wenn auch widerwillig, eingestehen, hatte Papa sie kaum wahrgenommen. Erst als sie alt genug gewesen war, um ihm von Nutzen zu sein, hatte er ihre Erziehung übernommen – eine Erziehung, die sich allerdings fast ausschließlich auf sein eigenes Interessengebiet beschränkt hatte. Ansichten, die seine Tochter zu Dingen außerhalb der Welt der Archäologie haben mochte, hatten ihn nie interessiert. Juliette bezweifelte, dass er überhaupt gewusst hatte, ob sie lieber Tee oder Kaffee trank, Rousseau oder Voltaire bevorzugte. Beides hätte er für unerheblich gehalten.

Prinz Khalid sah sie seltsam an. „Kein Gatte?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Das ist doch gewiss recht … ungewöhnlich.“

Gegen ihren Willen empfand Juliette Ärger über seine Bemerkung. Natürlich war ihr Leben eher ungewöhnlich gewesen, das war ihr bewusst, doch ein anderes hatte sie nun einmal nicht kennengelernt. Sie hatte zwar selbst schon oft ihre Bedenken darüber gehabt, aber es gefiel ihr nicht, wenn ein völlig Fremder sich dasselbe Recht herausnahm.

„Mein ganzes Leben lang habe ich Papa bei seiner Arbeit geholfen – eine sehr wichtige Arbeit, von größerer Bedeutung als ein Gatte. Für so etwas hatte ich keine Zeit. Ich verdiente mir das Recht, von meinem Vater und seinen Assistenten wie eine ihnen Ebenbürtige behandelt zu werden.“

Khalid betrachtete die ausnehmend attraktiven weiblichen Rundungen dieser Frau und fand es sehr schwierig, ihren Worten Glauben zu schenken. Ihm fielen die lüsternen Blicke seiner Untertanen auf, und leise Wut erwachte in ihm über ihren Mangel an guten Manieren, aber auch über die Naivität dieser seltsamen Französin.

„Sie ist sehr hübsch, nicht wahr?“, meinte einer der Männer mit einem Zwinkern.

„Sohn eines Kamels“, fuhr Juliette ihn an, „wie wagst du es, mich so anzustieren!“

Der Mann wich hastig zur Seite, als sie versuchte, nach ihm zu treten, doch die Fesseln, die man ihr angelegt hatte, hinderten sie daran, ihn zu treffen. „Wie Ihr seht, Hoheit, verfügt sie über ein feuriges Temperament.“

„Ich hoffe, Ihr habt sie mit dem Respekt behandelt“, sagte Khalid kühl, „der einem fremden Besucher meines Reiches gebührt.“

Der Mann stieß ein angespanntes Lachen aus. „Bei diesem bösartigen Naturell wagten meine Männer es nicht, ihr zu nahe zu kommen. Um die Wahrheit zu sagen, Hoheit, sind wir froh, die kleine Wildkatze loszuwerden. Nur ein Prinz wie Ihr, oh Mächtiger, kann sie zähmen und ihren Willen brechen“, schloss er mit einem falschen Lächeln.

Qu’est-ce qu’il dit?, fragte Juliette. „Was sagt dieser Mann, dessen Vater ein Ziegenbock gewesen sein muss?“ Sie funkelte ihn so wütend an, dass der noch weiter zurückwich. „Einen Monat lang haben sie mich wie ein Tier gefesselt. Ich verlange, dass Sie mir …“

„Genug!“ Khalid klatschte heftig in die Hände, und Juliette hielt abrupt inne. „Es steht Ihnen nicht zu, irgendetwas zu verlangen, Mademoiselle. Ich habe nicht um Sie gebeten und wünschte bei Gott, Sie wären mir nicht gegeben worden. Aber nun sind Sie einmal hier und nach den Gesetzen von Lash’aal mein Eigentum. Die Begleichung einer Ehrenschuld“, erklärte er streng. „Trotz ihrer abgerissenen Erscheinung repräsentieren diese Männer einen mächtigen Stamm. Es wäre unklug von mir, sie zu erzürnen, indem ich ihr Geschenk ablehne.“

Es wäre in der Tat höchst unklug. Tatsächlich war die Situation ausgesprochen heikel, und Khalid konnte nicht anders, als der Frau die Schuld daran zu geben. Warum musste sie sich ausgerechnet an seine Küste spülen lassen? Wenn er sie als Geschenk akzeptierte, riskierte er andererseits, dass ihre Regierung ihn für mitschuldig hielt an ihrer Gefangennahme. Er würde gut überlegen müssen, wie er sie am besten dem französischen Konsulat in Kairo übergeben könnte.

Sich wieder an die Männer wendend, beschloss Khalid, sich zunächst um einen Teil des Problems zu kümmern. „Ich sehe eure Schulden als getilgt an. Ihr könnt gehen und seid meiner Dankbarkeit gewiss. Begleite meine ehrenwerten Gäste hinaus, Farid, und sorge dafür, dass sie vor ihrer Heimreise hinreichend verköstigt werden.“

„Jawohl, Hoheit. Und die … die Frau?“ Farid warf Juliette einen vielsagenden Blick zu.

„Mit Mademoiselle de Montignac beschäftige ich mich persönlich“, antwortete Khalid grimmig. „Bring einfach nur die Männer hinaus.“

Der Saal war schnell geleert. Allein mit Prinz Khalid in diesem riesigen, fremden Raum, in dem das Licht von den zahlreichen Spiegelflächen zurückgeworfen wurde, versuchte Juliette verzweifelt, sich ihren nächsten Schritt zu überlegen. Ihr Magen mochte sich vor Angst zusammenziehen, ihre Knie mochten beben und sich sträuben, sie aufrecht zu halten, doch genau das mussten sie tun. Ihr waren nur noch ihre fünf Sinne geblieben, und die musste sie jetzt um jeden Preis zusammenhalten. Eine leise Unruhe strich über sie hinweg wie der Wind, der den weichen Sand einer Düne aufwirbelt, und sie erschauerte, als Prinz Khalid den Blick seiner durchdringenden blauen Augen auf sie richtete.

Trotz ihrer vierundzwanzig Jahre beschränkte sich Juliettes Erfahrung mit Männern auf jene, die an den Ausgrabungen ihres Vaters beteiligt gewesen waren. Ihr wurde bewusst, dass der Mann, der sie jetzt mit verächtlichem Ausdruck betrachtete, womöglich ihre Begeisterung für den Beruf ihres Vaters nicht teilte. Der inoffizielle Krieg zwischen dem britischen Konsul General Henry Salt und dem einstigen französischen Konsul General Bernardino Drovetti hatte Papa gezwungen, seine eigenen Regeln zu brechen und nicht nur seine Ausgrabungen ohne Erlaubnis durchzuführen, sondern die Fundstücke sogar aus dem Land zu schmuggeln. Sehr wahrscheinlich würde Prinz Khalid dieses Vorgehen unumwunden als Plündern bezeichnen. Papa, der doch früher so entschlossen gewesen war, jeden Fund an der Stelle zu belassen, an der er entdeckt worden war, hatte im vergangenen Jahr fast jedes seiner Prinzipien über Bord werfen müssen. Als er ertrank, war er ein bitterer, desillusionierter Mann gewesen.

„Montignac“, wiederholte Khalid nachdenklich. „Sie sagten, das sei Ihr Name?“

Juliette nickte zögernd.

„Weswegen hielten Sie sich in meinem Land auf?“

Es war nicht leicht, seine Antwort zu beantworten. Sie hatten keine offizielle Erlaubnis für ihr letztes Projekt erhalten, sondern sich vom französischen Konsulat dazu zwingen lassen, die Verwirrung auszunutzen, die der plötzliche Tod des Prinzen Asad al-Muhanna und die Nachfolge durch dessen Bruder Ramiz verursacht hatten. „Wir waren in A’Qadiz, nicht in Lash’aal. Das Reich, das an Ihres grenzt, glaube ich. Papa ist … war … er arbeitete für die französische Regierung“, schloss sie vorsichtig.

„Ein Diplomat? Wurde er vielleicht geschickt, um dem neuen Prinzen seinen Respekt zu erweisen? Ich glaube, Prinz Ramiz hat viel Zeit als Abgesandter seines Bruders im Westen verbracht.“

Die Worte lagen ihr schon auf der Zunge, aber Juliette zögerte, sie auszusprechen. Sie war eine sehr schlechte Lügnerin. „Nicht genau“, meinte sie unbehaglich.

„Sie sagten, Sie hätten Ihrem Vater geholfen. Auf welche Weise genau?“ Khalid tippte mit einem Finger gegen den Knauf seines Krummsäbels. „Montignac, Montignac. Natürlich, Montignac! Jean-Louis de Montignac, der Archäologe. Er war Ihr Vater?“

„Oui.“

„Ihr Vater war einer jener Grabräuber, der unser Land seiner historischen Schätze beraubte, und Sie waren nach eigener Aussage seine Komplizin. Weiß Prinz Ramiz von A’Qadiz überhaupt, dass Sie sich in seinem Reich aufhielten?“

Obwohl es sie danach drängte, ihren Vater zu verteidigen, hielt Juliette sich zurück. Sie wusste schließlich, dass er tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen hatte. Dieser Prinz sah nicht so aus, als würde er ihre Lügen schlucken, und sie wusste nur allzu gut, wie leicht sie zu durchschauen war, wenn sie versuchte, jemanden zu täuschen. Unruhig biss sie sich auf die Unterlippe.

„Ihrem Schweigen entnehme ich, die Antwort lautet nein“, fuhr Khalid sie an, ganz und gar nicht erfreut über diese neue Komplikation. „Ich nehme ebenfalls an, dass Sie die Unruhen in Prinz Ramiz’ Land ausnutzten und hofften, er würde zu beschäftigt sein, um sich um eine Handvoll Grabräuber zu sorgen. Warum glaubt ihr Europäer eigentlich, ihr hättet das Recht, jeden Teil dieser Erde zu plündern, in den ihr euren Fuß setzt? Ich versichere Ihnen, Mademoiselle, dass ich Prinz Ramiz höchstpersönlich von Ihrem Eindringen in Kenntnis setzen werde. Er wird wissen wollen, was Sie illegal und gewaltsam entwendet haben.“

„Was mein Vater aus A’Qadiz entwendete, liegt zusammen mit ihm auf dem Meeresgrund.“ Tränen schossen ihr in die Augen, aber Juliette wischte sie ärgerlich mit dem Rücken ihrer gefesselten Hände fort. „Es stimmt. Er hat die Dinge ohne Erlaubnis an sich genommen, aber nur, weil er dazu gezwungen wurde“, sagte sie heftig. „Und er wählte lediglich Stücke von geringem Wert. Was er am meisten wertschätzte – und was er mich lehrte wertzuschätzen – war das Wissen. Wer waren diese Menschen, fragte er sich. Wie lebten sie, welche Götter verehrten sie, woran glaubten sie, wie wurden diese Dinge von einer Generation an die nächste weitergegeben? Ob ein Amulett aus Knochen oder aus Gold bestand oder eine Statue mit Edelsteinen besetzt oder aus schlichtem Lehm geformt war, kümmerte ihn nicht. Es war, was dieser Gegenstand repräsentierte, das ihn faszinierte, nicht was er auf dem Markt einbringen würde. Es ist mir gleichgültig, ob Sie mir glauben oder nicht, aber es ist die Wahrheit. Jetzt ist er tot, und sehr viel prinzipienlosere Männer werden seinen Platz einnehmen.“

Die leidenschaftliche Verteidigung ihres Vaters überraschte ihn, da sie genau das wiedergab, was auch er für Persimmanion empfand und die vielen anderen Ausgrabungsstätten in Lash’aal. Trotzdem blieb die Tatsache, dass diese Frau und ihr Vater Diebe gewesen waren. „Ich garantiere Ihnen, dass unsere Grenzen nicht so leicht verletzt werden können wie die von A’Qadiz“, sagte er. „Wir sind sehr gut in der Lage, selbst auf unsere Schätze zu achten. Ganz ohne die Hilfe eurer westlichen Experten.“

„Zweifellos werden Sie sie so gut behandeln wie mich“, warf Juliette ihm vor. „Vielleicht kommen sie ja gar nicht erst, wenn sie erst erfahren, dass sie von Wilden gefangen genommen und wie Sklaven verkauft werden könnten.“

Ihre Weigerung, sich zu fügen, schürte seinen Zorn. Irgendetwas an dieser kratzbürstigen, so ganz und gar ungewöhnlichen Frau mit dem Verstand eines Mannes, den Manieren einer Ungläubigen und dem aufregenden Leib einer Haremsdienerin versetzte ihn in Flammen. Er war es nicht gewohnt, herausgefordert zu werden, noch dazu von einer bloßen Frau.

„Vielleicht“, erwiderte er wütend, „würden wir sie gastfreundlicher behandeln, wenn sie vorher auf eine Einladung warteten.“

Ohne zu überlegen und nur in dem plötzlich drängenden Wunsch, sie einzuschüchtern, zog Khalid den Dolch aus dem Gürtel.

2. KAPITEL

Khalid beabsichtigte nur, sie von ihren Fesseln zu befreien, und war wütend auf sich selbst, weil er es nicht sofort getan hatte. Doch sobald er sich ihr näherte, wurde ihm klar, dass er zorniger auf Juliette war, als ihm bewusst gewesen war. Ihr Gesicht war eher knabenhaft als schön. Doch ihre Haltung erinnerte ihn an seine eigene. Wenn er an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte er sich ebenso kühn und stolz verhalten. Zusammen mit ihren verlockenden weiblichen Rundungen weckte sie nicht nur Bewunderung in ihm. Verlangen erfasste ihn völlig unerwartet. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass er sie mit dem Dolch erschrecken könnte. Er wäre entsetzt gewesen und hätte sofort aufgehört. Die unverschämte Herausforderung in ihrem Blick war es, die den Eroberer in ihm ansprach und ihn die Waffe höher heben ließ.

Gefährlich blitzte die Klinge auf. Wie gebannt sah Juliette zu, wie er an sie herantrat. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Wollte er sie ermorden? Würde sie sterben? Würde sie hier auf dem Teppich, in den sie eingewickelt worden war wie ein Geschenk, verbluten?

Prinz Khalid beobachtete sie aus wütend funkelnden Augen. Wie ein Jäger seine Beute. Bezwingend. Eiskalt lief es ihr beim Anblick der Waffe über den Rücken, aber sie wich nicht zurück. Trotz des Dolches und der erbarmungslosen Blicke des Araberscheichs glaubte Juliette nicht, dass er sie einfach kaltblütig umbringen würde. Es war eine Prüfung. Sie durfte nicht versagen. Sie würde nicht versagen!

„Tun Sie’s doch“, sagte sie mit leicht bebender Stimme. „Wenn Sie es wagen.“

Sie zitterte. Er sah sie leicht zurückschrecken und doch die Lippen zusammenpressen, um ihn nicht um Gnade anzuflehen. Seine Bewunderung für sie wuchs, seine Wut verrauchte. So schnell, dass Juliette nicht die Zeit hatte zurückzuweichen, zerschnitt er sauber die Fesseln um ihre Handgelenke und gleich darauf in einer einzigen fließenden Bewegung auch jene an ihren Fußknöcheln.

Mit einem erschrockenen Aufschrei stolperte sie einen Schritt nach hinten. Ihre Handgelenke pochten schmerzhaft, die von den festen Fesseln verursachten Striemen sahen böse aus. Juliette rieb sie behutsam und beobachtete Khalid misstrauisch.

Er konnte sie gut verstehen. Immerhin war sie, obwohl man sie ihm aufgezwungen hatte, dennoch sein Gast. Die Ehre verlangte, dass er sie mit Respekt behandelte. Ein geringerer Mann hätte keine Bedenken gehabt, sie auf die althergebrachte Weise spüren zu lassen, wie wenig Kontrolle sie wirklich über ihr Schicksal hatte. Khalid hatte keinen Harem und wollte auch keinen. Ebenso wenig hegte er den geringsten Wunsch, dieser Frau auf primitive Weise seine Macht zu beweisen. Zumindest …

Je mehr er sie betrachtete, desto aufregender fand er, was er sah. Er wollte sie zähmen. Dass das nicht leicht sein würde, steigerte sein Verlangen noch mehr. Doch wichtiger war ihm, dass sie sich ihm aus freiem Willen ergab – nicht, weil sie ihn fürchtete oder um ihre Freiheit feilschen wollte, sondern weil auch sie ihn begehrte. Seine ungewohnt heftigen Gefühle verblüfften ihn nicht wenig, und plötzlich musste er zu seinem Unbehagen feststellen, dass seine Begierde sich auf eine äußerst offensichtliche Weise unter der Tunika abzuzeichnen begann. Unentschlossen sah er seine Gefangene an.

„Was haben Sie mit mir vor?“ Juliette wich noch weiter vor ihm zurück. Er war so groß. Viel zu groß. Und die Art, wie er sie ansah – als wollte er sie verschlingen. Beim bloßen Gedanken daran überlief es sie kalt, gleich darauf war ihr ganz heiß. So grimmig er auch schien, Prinz Khalid weckte Gefühle in ihr, die völlig gegen jede Vernunft den Wunsch nach Freiheit in ihr erstickten. Sie war es nicht gewohnt, dass man sie mit so großer Intensität ansah. Es brachte sie aus der Fassung. Aus irgendeinem Grund wurde sie rot. „Ich warne Sie, wenn Sie es wagen, Hand an mich zu legen …“ Sie hielt inne, da sie nicht wusste, was sie tun würde, und da die Vorstellung, er könnte sie mit seinen Händen berühren, ihr einen winzigen Augenblick lang sogar verlockend erschien.

„Was werden Sie dann tun?“, fragte Khalid und zog sie abrupt an sich. Seine andere Hand spürte sie gleich darauf auf ihrem Rücken, sodass es ihr nicht möglich war, sich zu befreien. Sie berührten sich von der Brust bis zu den Schenkeln, Juliette fühlte den Griff seines Krummsäbels an ihrem Bauch. „Was werden Sie tun, Juliette de Montignac? Schreien?“

Ihre Blicke trafen sich. Khalid lächelte. Allerdings lag keine Belustigung in seinem Ausdruck, nur reiner Triumph. Juliette öffnete den Mund, um zu schreien. Sie hatte keine Angst, aber es war das Letzte, was er von ihr erwartete, also würde sie es tun. Sie holte tief Luft, doch dann war er bei ihr, und sein Kuss nahm ihr den Atem.

Seine Lippen waren warm und hart, genau wie seine Hände. Noch nie hatte es jemand gewagt. Noch nie hatte es jemand versucht. Und ihr selbst war es nie möglich gewesen, sich vorzustellen, wie ein Kuss sein mochte. Obwohl sie es oft versucht hatte im Dunkel der Nacht, angefacht durch erotische Bilder in einem uralten, verbotenen Buch oder auf einer bemalten Tempelwand. Angenehm musste es sein, geküsst zu werden, hatte sie sich gesagt, wohl nicht viel mehr. Doch was sie jetzt erlebte, war nicht angenehm. Es war leidenschaftlich und meisterhaft. Khalid hatte sie völlig in seinen Bann gezogen mit seinem Kuss, seine Hände erweckten ihren Körper zu ungeahntem Leben. Eigentlich sollte sie sich wehren, aber sie wollte sich ergeben, so, wie sie es so oft in ihren geheimsten Träumen ersehnt hatte. Das erste Erschrecken wich einer erstaunlichen Aufwallung reiner, unverfälschter Freude. Einen berauschenden Augenblick lang gab sie nach, ihr Mund öffnete sich unter der Liebkosung seiner Zunge, das Blut schien schneller durch ihre Adern zu fließen, ihr Herz raste. In diesem unbeschreiblichen Moment bekam sie eine Ahnung von der Lust der Sinne. Dann riss Khalid sich von ihr los, und die Farben und berauschenden Empfindungen, die sie kaum gekostet hatte, lösten sich auf wie ein Schatten.

Juliette taumelte und wäre fast zu Boden gesunken. Unendlich bestürzt über ihr eigenes Verhalten, entsetzt über das nagende Gefühl, dass sie ihn nicht aufgehalten hätte, wenn er nicht von selbst aufgehört hätte, wandte sie sich hastig von Khalid ab. Auf keinen Fall durfte er die Wirkung sehen, die sein Kuss auf sie gehabt hatte. Sie sah keinen anderen Weg, sich zu wehren, als zum Angriff überzugehen. Absichtlich wischte sie sich mit der Hand über den Mund und sah Khalid verächtlich an. „Merci du compliment, aber ich habe nicht den Wunsch, Ihre Konkubine zu werden, Hoheit“, sagte sie und knickste mit leicht zitternden Knien.

Khalid war im Begriff gewesen, sich bei ihr zu entschuldigen, aber man hatte ihn gelehrt, jeden Angriff mit einem Gegenangriff zu erwidern. „Sie müssen noch sehr viel lernen, bevor Sie davon träumen können, eine solche Position auszufüllen, Mademoiselle. Konkubinen sind sehr viel geschickter in der Kunst, einen Mann zu erfreuen, als Sie.“ Tatsächlich hatte die unschuldige Art, wie sie seinen Kuss erwidert hatte, ihn sehr viel mehr erregt als die erfahrene Liebkosung einer Odaliske.

„Ich verlange, dass Sie mich freilassen“, forderte Juliette, weil ihr keine andere Antwort einfallen wollte.

Das war eigentlich auch seine Absicht gewesen, doch ihre Weigerung, sich ihm zu fügen, machte ihn wütend. „Sie vergessen, dass Sie ein Geschenk an mich sind. In den Augen meiner Untertanen und nach unserem Gesetz sind Sie mein Eigentum, und ich kann mit Ihnen tun, was ich will.“

„Ich bin Bürgerin Frankreichs, Sie können nicht …“

„Sie befinden sich in meinem Reich und unterliegen meiner Macht. Es gibt nichts, das ich nicht tun könnte“, unterbrach Khalid sie kühl, obwohl er in Wirklichkeit nichts dergleichen im Sinn hatte. „Vielmehr sollten Sie sich glücklich schätzen, dass Sie bei mir sind. Stellen Sie sich nur das Schicksal vor, Mademoiselle, das Sie bei meinen Stammesbrüdern ereilt hätte. Auf lange Sicht wäre es Ihnen wohl nicht gelungen, Ihre Unschuld mit blitzenden Augen oder einer scharfen Zunge zu beschützen. Das heißt, wenn Sie diese Unschuld überhaupt noch besitzen.“

„Wie können Sie es wagen! Wie können Sie andeuten, dass ich, Juliette de Montignac …“

„Sie haben natürlich recht. Kein vernünftiger Mann würde den Wunsch haben, eine so abweisende Zitadelle zu bezwingen“, unterbrach Khalid sie erneut. Er war zu sehr darauf bedacht, dieses ärgerliche Weib zu besiegen, um zu bedenken, wie unerhört seine Worte klingen mussten. „Bis jetzt. Denn ich, liebreizende Gefangene, kann mir nichts Schöneres vorstellen, als Ihnen eine Lektion zu erteilen. Es wird Zeit für Sie zu lernen, dass Sie eine Frau sind und zu Leidenschaften fähig. Und der beste Ort dafür ist der Harem.“

In der Hitze des Gefechts hatte Juliette ganz den ersten Eindruck vergessen, den sie von ihm gehabt hatte – Furcht einflößend. Zu spät begriff sie, dass ein beschwichtigendes Verhalten eine sehr viel bessere Taktik gewesen wäre. „Bitte! Prinz Khalid, ich wollte nicht … das heißt, ich bin sicher, Sie meinen nicht …“

„Ich sage nie etwas, das ich nicht auch so meine.“

Die Entschlossenheit in seiner Stimme verriet Juliette, dass sie an irgendeinem Punkt zu weit gegangen sein musste. Der Prinz war bei ihr, bevor sie weiter protestieren, geschweige denn irgendeinen Versuch unternehmen konnte zu fliehen. Er hob sie einfach hoch und warf sie sich über die Schulter, als wäre sie federleicht, schritt zu der Doppeltür am anderen Ende des Thronsaals und durchschritt sie zum Erstaunen der Wache, die davor stand.

Juliette spürte noch seinen Kuss auf den Lippen, und blankes Entsetzen erwachte in ihr, als sie sich das erschreckend verführerische Bild eines Harems vor Augen hielt und alles, was es für sie bedeuten würde. Wenn sie einer Verführung entkommen wollte, musste sie sich aus Khalids erbarmungslosem Griff befreien. Sie schlug verzweifelt mit den Fäusten auf seinen Rücken ein und versuchte, mit den nackten Füßen nach ihm zu treten, riss ihm die Kopfbedeckung herunter und stieß einen Strom derber Flüche aus, die sie im Lauf der Jahre von Soldaten und Abenteurern aufgeschnappt hatte, denen sie und ihr Vater begegnet waren. Doch nichts von allem machte einen Unterschied. Khalid ging unbeirrt weiter durch, wie ihr schien, meilenlange Korridore und vorbei an unzähligen Wachmännern, bis er schließlich eine große Eichenholztür mit Eisengitter erreichte. Der Schlüssel steckte im Schloss. Khalid drehte ihn herum, während er Juliette mit der Hand auf ihrem Rücken festhielt, betrat den Raum dahinter und schlug die Tür mit einem Tritt hinter sich zu.

Juliette sah sich verblüfft um. Nirgends waren spärlich bekleidete, sich auf Diwanen rekelnde und Konfekt naschende Haremsdamen zu sehen, wie sie es eigentlich erwartet hatte. Das Atrium war leer. Der Springbrunnen, ein kunstvolles Gebilde aus recht drallen Nymphen in der Mitte, war trocken. Es herrschte eine fast unheimliche Stille.

Als Prinz Khalid sie herunterließ, wich Juliette sofort vor ihm zurück und bezwang erfolgreich ihre Tränen. Ihr Blick ging unwillkürlich zu einer Gitterpforte am anderen Ende des Atriums. Dahinter konnte sie einen Garten ausmachen, ein wildes Gewirr von überwuchernden Pflanzen und ungepflegten Bäumen – Zitronen und Orangen, Granatäpfel und Feigen. Der Duft nach Jasmin lag schwer in der Luft. „Wohin haben Sie mich gebracht?“ Zu ihrer Erleichterung klang ihre Stimme ruhiger, als sie bei ihrem inneren Aufruhr vermutet hätte.

„Das habe ich Ihnen schon gesagt. Es ist der Harem. Mein Harem.“

„Aber er ist leer.“

„Jetzt nicht mehr. Sie, Mademoiselle, haben die Ehre, die erste Bewohnerin zu sein.“

„Aber …“

„Und da es keine anderen Konkubinen gibt“, fuhr er fort und kam auf sie zu, einen Blick in den Augen, der ihr Herz rasen ließ, „werde ich derjenige sein, der Sie alles lehren wird, Mademoiselle.“

„Was lehren?“

„Was Sie bisher noch niemand gelehrt hat. Wie man zur Frau wird. Wie man es genießt, eine Frau zu sein. Wie man Vergnügen am eigenen Körper findet und nicht darauf achtet, was die Vernunft einzuwenden hat, Mademoiselle de Montignac. Und sich daran zu erinnern, dass Sie Juliette sind. Eine Frau. Und – für eine Weile wenigstens – meine Frau.“

Er strich ihr mit dem Finger über die Wange, den Hals und ganz zart über die Außenseite ihrer Brust. Seine Berührung ließ sie erschauern. Ihre Brustspitzen reagierten sofort auf die kaum merkliche Liebkosung. „Ich will nicht“, protestierte sie unwillkürlich. Es gefiel ihr nicht, was er mit ihr tat. Es gefiel ihr noch weniger, wie sie auf ihn reagierte. Und doch gefiel es ihr. So wie ihr auch gegen jede Vernunft gefiel, wie er sie ansah – als entdecke er etwas an ihr, das niemand sonst sah. Juliette. Eine Juliette, die selbst sie nicht kannte. Das gefiel ihr. Nein. Jedenfalls sollte es ihr nicht gefallen. Oder?

Mühsam bewahrte sie die Fassung. „Sie können mich nicht zwingen.“

Khalid lachte leise. „Sie sind vielleicht naiv, aber so unschuldig sind Sie nicht. Ich werde es nicht nötig haben, Sie zu zwingen, und das wissen Sie.“

Er hatte recht. Und als er sie zum zweiten Mal küsste, hart und besitzergreifend, nur viel zu kurz, bewies er es ihr. Ein kurzes Aufflackern der Leidenschaft, das süße Knistern der Vorfreude, die Versuchung, den Sprung ins Unbekannte zu wagen. Als würde sie mit einer Kerze in der Hand am Rand eines neu entdeckten Ausgrabungsfundes stehen und zunächst zögern, aber doch insgeheim wissen, dass sie kapitulieren würde.

Khalid hob sie wieder auf die Arme und trug sie in einen der miteinander verbundenen Räume, die das Atrium umgaben. Er hatte nur vor, ihr ein wenig Demut beizubringen. Obwohl die Gesetze von Lash’aal ihm erlaubten, sie als sein Eigentum anzusehen, und er selbst den Garanten dieser Gesetze darstellte, glaubte er nicht daran, dass der Mensch irgendjemandes Eigentum sein sollte. Und die Sklaverei war in Lash’aal schon vor zweihundert Jahren abgeschafft worden. Juliette war nicht sein Eigentum, aber das wusste sie nicht. Er war zwar ein Mann von Ehre, doch irgendetwas an dieser Frau ließ ihn jede Kultiviertheit vergessen und weckte den Eroberer in ihm, den Jäger, den Mann. Es war verwirrend, und später würde es vielleicht Scham in ihm wecken, aber in diesem Moment überwältigte es ihn ganz einfach nur. Juliette musste gezähmt werden. Er würde sich ihr nicht aufzwingen. Sie würde sich ihm ergeben, und sobald sie es tat, wollte er das ganze Maß seiner Macht über sie demonstrieren, indem er sich weigerte, sie zu nehmen.

Der Harem hatte nur zu Zeiten seines Vaters existiert, doch abgesehen vom Garten befand sich alles andere in ausgezeichnetem Zustand. Das Bad war riesig und mit wundervollen Kacheln und Mosaiken geschmückt. Nur eine Wand war vollständig mit Spiegeln verkleidet. Die Decke, in einem dunklen Blau gestrichen, stellte die Konstellationen der Sterne über Arabien in silberner Farbe dar. In der Mitte des Raums gelangte Wasser durch eine vergoldete Meeresschlange in ein in den Boden eingelassenes Badebecken.

Khalid stellte Juliette auf die Füße und drehte am Hahn, um das Wasser fließen zu lassen. „Die erste Pflicht einer Konkubine ist es, sich vorzubereiten“, sagte er.

Sehnsüchtig betrachtete Juliette das Bad. Sie war sich nur allzu bewusst, wie schmutzig sie war. Es schien ihr, sie würde träumen. Der Schiffuntergang, den sie wie durch ein Wunder überlebt hatte, hatte sie von den Bürden befreit, die ihr bisheriges Leben bestimmt hatten. Doch an diesem exotischen Ort und in der Nähe dieses exotischen Mannes erkannte sie jetzt plötzlich, wie leer ihr Leben gewesen war. In der kurzen Zeit als Prinz Khalids Gefangene hatte sie heftiger empfunden als in ihrem ganzen bisherigen Leben. Natürlich wusste sie, dass dieses Zwischenspiel nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Doch in diesem Moment war ihr das gleichgültig.

Hier fühlte sie sich lebendig. Sie fühlte sich befreit. Sie fühlte sich … abgelenkt. Von dem Duft, der ihr in die Nase stieg, als Prinz Khalid dem Badewasser Blütenblätter und Duftöle beifügte. Von dem Prickeln auf ihren Lippen, das sein Kuss ausgelöst hatte. Von der Art, wie Hitze ihren Leib erfasste und all ihre Sinne in Aufruhr versetzte. Und vor allem von dem Mann selbst, der ihr jetzt seine Aufmerksamkeit zuwandte. Er hatte den Umhang und die Waffen abgelegt. Sein Haar war genauso tiefschwarz wie ihres, und ohne die formelle Kleidung sah er so viel jünger aus. Auch sehr viel attraktiver und viel gefährlicher. Jetzt war er nicht mehr länger der unnahbare Prinz, sondern ein Mann.

Bisher hatte Juliette kaum die Frau in sich gesehen, doch weil Khalib es so offensichtlich tat, wurde auch sie sich ihrer Weiblichkeit viel mehr bewusst. Im Vergleich zu seinem geschmeidigen Leib, der einschüchternden Kraft seiner Muskeln, der unbestreitbaren Macht, die er ausstrahlte, kam sie sich verletzlich und weich vor – und ihm völlig ausgeliefert. Jeder Wille schien sie verlassen zu haben. Seltsamerweise war sie tatsächlich bereit, alles zu tun, worum er sie bat, und ließ sich sogar von dem Gedanken erregen.

„Legen Sie Ihre Kleider ab.“

Offenbar war es etwas anderes, sich etwas nur vorzustellen, und etwas ganz anderes, es dann auch wirklich zu tun. Juliette errötete heftig. „Non!“

Ihr Protest nützte nichts. Er war schon dabei, mit den wenigen noch intakt gebliebenen Verschlüssen an ihrem praktischen Baumwollkleid kurzen Prozess zu machen. Die Schulternähte rissen, als er ihr das Mieder über den Kopf zog. Es landete in einem zerknitterten Haufen zu ihren Füßen. Gleich darauf folgte die Korsage. Nur noch in Chemise und Pantalons gehüllt, geriet Juliette in Panik. Sie hatte sich noch nie zuvor nackt im Spiegel betrachtet, und ihr behagte der Gedanke, ihr nackter Leib würde überall von diesen unzähligen Spiegeln reflektiert – und er würde sie so sehen –, ganz und gar nicht. „Nein, bitte, ich …“

Wenn er sich Zeit ließe, sein Verhalten zu überdenken, würde er einlenken, also weigerte er sich, sich diese Zeit zu nehmen. Dieses eine Mal wollte er seinem Verlangen nachgeben. Khalid packte den verschlissenen Stoff und zerriss die Chemise mit einem Ruck vom Hals bis zum Saum. Schnell verschränkte Juliette die Arme vor ihren Brüsten. Auch Khalid war ein wenig schockiert von seinem Benehmen und konnte sie nur anstarren. Sie war wunderschön. Vollkommene Brüste, deren Knospen sich dunkel von der weißen Haut abhoben. Ihre Hüften waren verführerisch rund, die Schenkel in den seltsamen Beinkleidern wundervoll geformt. Sofort stellte er sich vor, wie sie sich um ihn schlangen. Und sofort reagierte sein Körper heftig.

Erst als er sich anschickte, auch die Bänder des letzten Kleidungsstücks zu zertrennen, wurde ihm bewusst, wie unnötig gewalttätig er Juliette erscheinen musste, und hielt inne. Er wollte nicht, dass sie sich vor ihm fürchtete. Das war das Letzte, was er sich wünschte.

Behutsam legte er die Arme um sie und strich ihr das Haar aus der Stirn. „Sie wissen, dass ich Ihnen kein Leid zufügen werde.“ Sie zitterte. Natürlich zitterte sie. Wie unvernünftig von ihm, ihren Willen mit schierer Gewalt brechen zu wollen. Wie dumm er doch gewesen war, zu vergessen, dass es sich hier trotz aller Aufsässigkeit um eine Unschuld handelte. Es gab doch so viele andere, sehr viel angenehmere Wege, sie zu zähmen.

Sanft strich er an ihrem Rückgrat entlang. Ihre Haut fühlte sich eiskalt an. Er begann ihren Rücken zu streicheln, ihre schmalen Schultern, die sanfte Rundung ihres Gesäßes, und drückte sie fester an sich, damit er sie mit seinem Körper wärmen konnte und sie aufhörte zu beben. Dann zupfte er an ihren Pantalons, bis er sie davon befreit hatte, hob sie wieder auf und setzte sie behutsam in das warme, besänftigende Wasser des in den Boden eingelassenen Bades.

3. KAPITEL

Juliette schloss die Augen und versuchte, sich auf das wundervoll beruhigende Wasser und die herrlich berauschenden Düfte zu konzentrieren. Nach einem Monat in Fesseln, schmutzig und verängstigt, hätte ein Bad eigentlich ein genüssliches Vergnügen sein müssen. Doch es half nichts, sie konnte sich nicht entspannen. Khalids Gegenwart ging ihr keinen Moment aus dem Sinn. Seine plötzliche Veränderung vom kommandierenden Prinzen zum zärtlichen Mann hatte ihre letzten Widerstände besiegt. Seine blaue Tunika war feucht vom Badewasser und klebte an ihm wie eine zweite Haut. Jetzt rollte er die Ärmel hoch, seifte einen großen Schwamm ein, ließ ihn neben sie ins Wasser fallen, zog sie auf die Füße und begann, mit dem Schwamm über ihre Haut zu streichen.

Zunächst beschäftigte er sich mit ihren Schultern, ihrem Hals und ihrem Rücken. Juliette schloss die Augen und versuchte sich einzureden, dass es einer anderen Frau geschah, einer anderen Juliette. Die sanfte Berührung mit dem rauen Schwamm allerdings, das Gefühl von Khalids Fingern auf ihrer Haut und das Geräusch seines Atems – all das machte ihr seine Nähe unglaublich bewusst. Sein Duft war wundervoll, so sauber und würzig und so überaus männlich.

„Was tun Sie nur?“ Zu ihrem Kummer klang ihre Stimme atemlos.

Khalid lachte ein wenig heiser. „Ich habe es doch schon gesagt. Ich bereite Sie vor. Sie haben einen wunderschönen Körper, Juliette. Sie sollten sich seiner nicht schämen.“

Er drehte sie herum, zog sanft ihre Hände von ihren Brüsten und fuhr mit dem Schwamm erst um sie herum, bevor er über die rosigen Spitzen strich. Juliette spürte, wie sie sich zusammenzogen, und hielt erregt den Atem an.

Belle“, flüsterte Khalid.

Noch keiner hatte sie schön genannt. Aber bisher hatte ja auch noch kein Mann sie nackt gesehen.

Si belle“, fuhr er fort, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Sieh nur, was du mir antust.“ Er zog sie an sich, damit sie spüren konnte, wie hart und erregt er war.

Es war lächerlich, sich geschmeichelt zu fühlen, aber trotzdem tat sie es. Er hielt sie für schön, und sie wollte ihm glauben. In ihr breitete sich ein nie gekanntes Verlangen aus. Noch immer rieb er sie mit dem Schwamm – am Bauch, über dem sanft geschwungenen Gesäß. Sein Atem kam schneller, auch sie atmete stoßweise.

Plötzlich schlüpfte er mit dem Schwamm zwischen ihre Schenkel, und die schockierend intime Berührung ließ Juliette aufkeuchen. Sie biss sich auf die Unterlippe, doch trotzdem entfuhr ihr ein leises Stöhnen. Heiße Röte überzog ihre Wangen. Als sie einen kurzen Blick auf Khalid wagte, sah sie, wie versunken er in seine Tätigkeit war. Seine dunklen Augen brannten vor Leidenschaft, seine Brust hob und senkte sich heftig. Der Schwamm verschwand wieder zwischen ihren Beinen. Ein heißer Schauer überlief sie, ihr war, als würde sie in Flammen aufgehen.

„Denk nicht nach, überlass dich deinen Gefühlen“, flüsterte Khalid. Er drängte sie sanft an den Rand des Badebeckens, damit sie sich daran festhalten konnte. „Sieh nur, wie wunderschön du bist.“

Sie blickte in die Spiegel und bemerkte eine sinnliche Frau, die sie selbst sein musste und deren Haut mit Schaum bedeckt war. Ihr Haar klebte in feuchten Locken an ihren Armen und Brüsten. Sie, die immer dazu ermutigt worden war, zu denken, zu sprechen und zu handeln wie ein Mann, wurde jetzt gezwungen, die Rolle einer Frau zu spielen. Noch dazu einer Frau mit einem sinnlichen Körper, den sie kaum wiedererkannte. Ihre weiblichen Rundungen sahen im dunstigen Licht des Bads verführerisch und reif aus, wie die in voller Blüte stehenden Blumen im Garten des Prinzen. Alles war wie aus einer anderen Welt. Es konnte nicht wirklich geschehen.

Unwillkürlich bog sie sich dem Schwamm entgegen, mit dem Khalid sie noch immer langsam und aufreizend zwischen den Beinen einseifte. Das Gefühl der Dringlichkeit in ihr wuchs immer mehr. In ihren Brüsten begann es zu pochen, ein steter süßer Schmerz, der nach der gleichen Berührung verlangte. Das Pochen setzte sich tief in ihr fort. Noch ein kleines Stöhnen entfuhr ihr, während sie sich an den Kacheln festhielt, die Augen fest geschlossen, und sich wünschte, dass dieses aufregende Gefühl nie aufhören mochte. Gleichzeitig sehnte sie sich nach einer Art Abschluss, einer Entspannung dieser inneren Hitze, wenn sie auch nicht wusste, wie sie das erreichen sollte. Das Wasser klatschte verführerisch gegen ihre Schenkel. Sie bog sich nach hinten, sodass ihre Brüste aus dem Wasser auftauchten.

Khalid stockte bei ihrem Anblick der Atem. Juliette war so aufregend sinnlich, so unersättlich und doch gleichzeitig so unschuldig. Es war nicht seine Absicht gewesen, es so weit kommen zu lassen. Er hatte nicht gewollt, dass die Dinge so außer Kontrolle gerieten. Schon befand er sich im Zustand höchster Erregung. Es wäre besser, jetzt sofort aufzuhören. Er würde auch aufhören, aber noch nicht. Erst wenn er sie zur Ekstase gebracht hatte. Erst wenn sie ihn anflehte. Sehr lange würde es jetzt nicht mehr dauern. Die Röte in ihren Wangen und ihr leises Stöhnen zeigten ihm, dass sie bald so weit war. Er wollte den Schwamm beiseite werfen und ihn durch seine Hände, seinen Mund ersetzen. Doch das würde bedeuten, gegen seine eigenen Regeln zu verstoßen. Wieder drückte er den Schwamm fest an die Perle ihrer Lust. Juliette stieß einen heiseren Laut aus, der seine Erregung noch steigerte. Er umkreiste die Knospe, presste dann härter zu. Gleich war sie so weit. Und nicht nur sie.

Khalid beugte sich vor, um eine der aufreizenden Brustspitzen in den Mund zu nehmen und gierig daran zu saugen. Juliette schnappte nach Luft, und als er wieder den Druck zwischen ihren Beinen verstärkte, überflutete sie die Welle der Erlösung.

Sie glaubte, in einen wilden Strudel gerissen zu werden, unterzugehen in einem Meer von Gefühlen, die überwältigender waren als alles, was sie je erlebt hatte. Und bevor sie sich davon erholen konnte, geschah es wieder, gewaltiger als das erste Mal. Sie stieß einen hilflosen Schrei aus und ließ sich gegen den Rand des Beckens sinken, keuchend und zitternd und sich in Khalids Armen windend. Und es geschah ein weiteres Mal.

Sie klammerte sich an seine breiten Schultern, weil sie fürchtete zu ertrinken, wenn sie es nicht täte. Schließlich ließen die heftigen Schauer nach, und sie öffnete die Augen. Einen Moment lang erinnerte sie sich nicht, wo sie war und was passiert war. Als es ihr einfiel, befreite sie sich aus Khalids Umarmung, zog sich zum anderen Ende des Badebeckens zurück und kreuzte wieder die Arme vor den Brüsten.

Was war nur mit ihr geschehen? Etwas Unwiderrufliches, soviel wusste sie. Was musste er nur von ihr denken!

Juliette wusste es nicht, aber etwas hatte sich verändert. Er sah sie ganz anders an. Dann fiel ihr auf, dass er genauso gut nackt hätte sein können so, wie seine nasse Tunika sich an seinen Körper schmiegte. Unter halb gesenkten Lidern sah er sie mit einer Leidenschaft an, die ihr durch und durch ging. Sein Gesichtsausdruck war finster, aber nicht vor Zorn. Und er war offensichtlich erregt. Juliette stockte der Atem, als sie sah, wie sehr.

„Nein.“ Sie sagte es, ohne zu überlegen und ohne damit zu rechnen, dass er auf sie hören würde. Vielmehr sagte sie es zu sich selbst, da sie wusste, sie würde nicht in der Lage sein, sich ihm zu verweigern. Er hatte sie vorbereitet, wie er versprochen hatte, und obwohl es sie mit Scham erfüllte, es zuzugeben, musste sie sich doch eingestehen, wie gut er sie in der Tat vorbereitet hatte. Was er auch von ihr wollte, ihr Leib war bereit, es ihm zu schenken.

Sie wartete, hin und her gerissen zwischen atemloser Erwartung und schockierter Erregung. Sie wartete darauf, dass er sich entkleidete und sie hier und jetzt nahm. Und sie war nicht die Einzige, die bereit war. Seine Männlichkeit ragte groß und stolz unter dem feuchten Stoff seiner Tunika auf. Doch während Juliette damit rechnete, dass er auf sie zukam, und ihr das Herz bei dem Gedanken bis zum Hals klopfte, wandte Khalid sich ab und stieg die wenigen Stufen hinauf, die aus dem Becken hinausführten. Völlig unerklärlicherweise fühlte Juliette sich unendlich enttäuscht. Fassungslos sah sie ihm nach und sagte sich, wie dankbar sie über die Galgenfrist war. Und trotzdem war es ihr in diesem Moment nicht möglich zu glauben, dass er ihr eine gewährte. Khalid drehte sich zu ihr um, und sie versuchte verzweifelt, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.

Es hatte seine ganze Willenskraft gebraucht, sie nicht sofort zu nehmen, nachdem sie ihm gezeigt hatte, wie bereit sie für ihn war. Selbst nachdem er sicheren Abstand zwischen sich und sie gebracht hatte, war ihr Anblick – so verführerisch und erregend – fast zu viel für seine Selbstbeherrschung. „Ich hätte dich nehmen können, habe es aber nicht getan. Erinnere dich daran.“

Zutiefst gedemütigt starrte Juliette ihn nur stumm an und wünschte sich, er würde ganz einfach gehen und sie ihrer Scham überlassen. Er hob seinen Umhang auf und warf ihn sich achtlos um die Schultern – offenbar genauso in Eile zu gehen –, da polterte ein kleiner Gegenstand auf den Boden und rollte über die Fliesen auf das Becken zu.

Juliette fing ihn auf, bevor er ins Wasser fallen konnte. Er war aus Gold und lag schwer in ihrer Hand. „Shal’aal!“, rief Juliette aus und vergaß in ihrem Erstaunen über die kleine Statue ihre tiefe Verlegenheit.

„Du kennst ihren Namen?“, fragte Khalid überrascht.

Juliette lächelte und fuhr geistesabwesend mit dem Finger über die üppigen Rundungen der kleinen Götterstatue. „Sie ist eine meiner Lieblinge.“ Ein Fruchtbarkeitssymbol. Juliette errötete heftig und hielt Khalid abrupt die Statue hin, wobei sie seinem Blick auswich, kletterte hastig aus dem Wasser und bedeckte sich schnell mit einem großen Badetuch. „Man findet sie normalerweise sehr viel nördlicher und westlicher von hier“, sagte sie stockend, froh, ein vertrautes Thema zu haben, das ihr Zeit geben würde, sich wieder ein wenig zu fassen. „Üblicherweise ist sie aus Lehm gemacht. Oft erhielten junge Mädchen sie, wenn sie die Reifezeit erreichten, und kinderlose Frauen trugen sie meist um den Hals.“

„Ein Fruchtbarkeitssymbol.“ Khalid ließ den Blick schweifen vom kaum bedeckten, verführerischen Leib Juliettes zu der kleinen Göttin.

„Offensichtlich“, erwiderte Juliette und versuchte erfolglos, ihrer Stimme einen unpersönlichen, gelassenen Ton zu geben.

Eigentlich hatte er ihr nicht geglaubt, dass sie wirklich eine Expertin war, doch wie es aussah, hatte er sich geirrt. So wie er sich in fast allem geirrt hatte, was mit Juliette de Montignac zu tun hatte. Sie war ihm ein Rätsel. Sie bestand aus einer Unzahl von Widersprüchen, die ihn alle ohne Ausnahme faszinierten. Er begehrte sie nicht nur, er bewunderte sie auch. Er wollte sie zu seiner Geliebten machen. Genauso sehr wollte er erfahren, was sie dachte und wusste, und sie dann küssen, bis keiner von beiden an archäologische Funde oder sonst etwas dachte.

Jetzt wich sie wieder unruhig vor ihm zurück, und wer konnte es ihr schon übel nehmen. Nicht einmal er selbst konnte sagen, was er noch tun würde, wenn er länger in ihrer Nähe blieb. Er holte tief Luft und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. Am besten verließen sie zuerst einmal das Bad, dann würde er sich vielleicht fassen können. Er machte Juliette ein Zeichen, das angrenzende Zimmer zu betreten, und dort nahm er auf einem Diwan Platz. „Sag mir, was du noch über Shal’aal weißt“, bat er und übergab ihr wieder die kleine Statue.

Nervös zog Juliette das Tuch fester um sich und versuchte, sich zu konzentrieren. Sie sollte erleichtert sein, dass sich ihr Gespräch harmlosen Dingen zuwandte, aber mit einem arabischen Prinzen in einer feuchten Tunika über Fruchtbarkeitsgöttinnen zu sprechen, während sie außer einem Badetuch nichts am Leib trug und er gerade …

Denk nach! ermahnte sie sich. „Wie ich schon sagte, so weit östlich ist sie noch nie gefunden worden.“ Sein Schenkel war ihrem viel zu nahe. Juliette glaubte, die Hitze, die von ihm ausging, durch das Badetuch spüren zu können. Unwillkürlich rutschte sie ein wenig von ihm fort. „Ich entdeckte einmal in einer Schriftrolle einen Hinweis auf sie“, fuhr sie fort, den Blick unverwandt auf den Boden gerichtet. „Zumindest glaubte ich, es sei ein Hinweis auf sie, Papa war nicht meiner Meinung. Er hielt meine Theorie für Unsinn. Die Rolle ging auf das fünfte oder sechste Jahrhundert zurück und erwähnte eine Stadt, die damals schon mehr als zweitausend Jahre alt war.“ Als ihr bewusst wurde, wie aufgeregt sie klang, hielt sie inne.

„Erinnerst du dich an den Namen der Stadt?“ Er fragte eher aus dem Wunsch heraus, das Gespräch nicht zum Erliegen zu bringen und noch bei ihr bleiben zu können, obwohl er wusste, dass er gehen sollte.

„Persimmanion.“

„Bist du sicher?“

Sein erstaunter Ton ließ Juliette aufblicken. Khalid sah sie seltsam angespannt an. „Persimmanion. Ja, ich bin sicher“, meinte sie, betroffen von seinem durchdringenden Blick. „Aber ich habe nie wieder einen Bezug darauf gefunden.“

„Was stand in der Rolle über die Göttin?“, fragte Khalid leichthin, um sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.

„Nur, dass die Stadt für sie gegründet worden war, dass ihre Reichtümer ein Geschenk von ihr gewesen seien. Wo ist diese Statue gefunden worden?“

„Das braucht dich nicht zu kümmern. Was weißt du sonst noch?“

„Nichts. Nur … mir fiel nur die Ähnlichkeit zwischen ihrem Namen, Shal’aal, und dem Ihres Reiches auf.“

„Lash’aal.“ Da hatte sie recht. Es musste einen Zusammenhang geben. Khalid nahm sich vor, dem nachzugehen. Da gab es Bücher, die er zurate ziehen musste. „Ich stehe in deiner Schuld dafür, dass du Licht auf ihre Herkunft geworfen hast. Und jetzt nehme ich sie dir wieder ab, wenn ich darf.“

Verwirrt und seltsam enttäuscht von seiner plötzlich kühlen Haltung, reichte Juliette ihm stumm die Statue. Als er sie ihr abnahm, berührten sich ihre Finger, und ein Schauer durchlief sie. Statt sie loszulassen, zog Khalid sie plötzlich auf die Füße. Juliette stieß gegen ihn, das Badetuch geriet ins Rutschen und enthüllte eine Brustspitze.

Khalid berührte sie mit der Göttin und ließ den runden Bauch der Statue über die harte Knospe rollen. Das Gold fühlte sich warm an, Khalids Finger noch wärmer. Als Juliette ihm in die Augen sah, wusste sie kurz, bevor er es tat, dass er sie wieder küssen würde. Seine Lippen berührten ihre. Keinen Moment dachte sie daran, sich zu wehren. Sein Kuss war sanft, seine Zunge stieß viel zu flüchtig an ihre.

„Ich bin ein ehrenhafter Mann“, flüsterte er wie zu sich selbst. Juliette mochte sich in seinem Harem befinden, aber sie war keine Konkubine. So verführerisch sie auch sein mochte, war sie doch eine Unschuld, die nichts von der wahren Welt wusste. Er würde sie nicht kompromittieren. Selbst wenn er sich so sehr danach sehnte, sie zu lieben, wie noch keine Frau vor ihr, bewunderte und respektierte er sie zu sehr, um es wirklich zu tun. Außerdem war sie noch Jungfrau. In Lash’aal herrschte das ungeschriebene Gesetz, das besagte, die Unschuld einer Frau dürfe nur ihrem Gatten geschenkt werden. Jeder Mann, der sie ihr stahl, ohne eine Heirat im Sinn zu haben, lud eine Schuld auf sich. Manchmal musste man einen sehr großen Preis für seine Ehre zahlen.

Bonne nuit, ma belle Juliette“, flüsterte er bedauernd.

Als ihr seine Abwesenheit bewusst wurde, fiel die Tür zum Harem bereits hinter ihm ins Schloss.

4. KAPITEL

Juliette hob leicht den Schleier an, der ihr Gesicht vor der erbarmungslosen Sonne und dem Sand beschützte, den die Kamele aufwirbelten. Sie nahm vorsichtig einen Schluck Wasser aus der Feldflasche, die sie bei sich trug. Erstaunlich, wie viel Bewegungsfreiheit ihr diese arabischen Kleider gaben und wie viel kühler sie sich anfühlten. Die orangerote, weite Hose und ein langer Kaftan aus der gleichen Seide mit seinem bis zu den Schenkeln reichenden Schlitz verwandelten den Ritt auf einem Kamel zu einer so viel angenehmeren Erfahrung, als es mit ihrer üblichen Reitkleidung gewesen wäre. Der schlichte Umhang bestand aus sehr leichter Baumwolle. Als Juliette sich im Spiegel betrachtet hatte, kurz bevor sie den Palast verließen, war sie ganz bestürzt gewesen über das exotische Geschöpf, in das sie sich in nur fünf Tagen verwandelt hatte.

Fünf Tage, die sie fast ausschließlich mit Khalid verbracht hatte. Fünf Tage, während der sie lange Gespräche über alte Schätze und verschollene Zivilisationen geführt hatten. Zu Beginn war Khalid noch zurückhaltend, doch schon bald hatte seine Leidenschaft für dieses Thema ihn jede Vorsicht vergessen lassen. Gemeinsam hatten sie sich uralte Bücher und Schriftrollen angesehen. Je mehr Khalid sich in ihrer Gegenwart entspannte, desto mehr bewunderte Juliette den fesselnden Mann hinter der prinzlichen Fassade. Sie hatten zusammen gespeist und gingen im Palastgarten spazieren und unterhielten sich, als würden ihnen niemals die Worte ausgehen und als müssten sie ein lebenslanges Schweigen aufholen. Im Vergleich dazu schienen die Stunden, die sie nicht miteinander verbrachten, leer und bedrückend.

Lebendig! Juliette hatte das Gefühl, erst jetzt zu wissen, was wahres Leben bedeutete. Sie erwachte jeden Morgen voller Vorfreude auf den neuen Tag, voller Ungeduld, Khalid wiederzusehen. Wenn er lächelte, erfüllte sie eine wundervolle Wärme. Noch nie hatte jemand sie auf diese Weise angelächelt oder sie so angesehen, als würde sie ihm wirklich etwas bedeuten, als würden ihre Meinung, ihre Gedanken und ihre Gefühle ihn wirklich berühren. Juliette fühlte sich, als wäre sie einem beengenden Kokon entschlüpft. Sie fühlte sich wie neu. Sie war glücklich. Sie war Juliette und nicht Monsieur de Montignacs Tochter. Nicht Papas Jules, sondern Juliette. Und dieses neue Gefühl genoss sie.

Bei ihren Gesprächen unterhielten Juliette und Khalid sich über alles bis auf den Zwischenfall im Bad. Khalid erwähnte ihn nicht und hatte seitdem auch keinen Versuch mehr unternommen, ihr nahe zu kommen. Wann immer er sie zufällig berührte, wich er schnell zurück, als hätte er sich verbrannt. Gelegentlich ertappte sie ihn dabei, wie er sie mit einem so intensiven Blick ansah, dass ihr ganz heiß wurde. Doch sofort senkte er stets die Lider, sodass sie nicht sicher sein konnte, ob sie sich nicht doch geirrt hatte.

Und so war sie seinem Beispiel gefolgt und hatte versucht zu vergessen, was im Harem vorgefallen war, aber es war unmöglich. Er hatte etwas in ihr zum Leben erweckt, das sich nicht wieder einlullen lassen wollte. Khalid hatte ihr gezeigt, was Leidenschaft bedeutete, und sie brannte sehnsüchtig darauf, mehr zu erfahren. Vor allem wollte sie wissen, wie es sein mochte, Khalids Frau zu werden, sein Bett zu teilen.

Nachts in seinem Harem erwachte sie oft, heiß und verschwitzt, die Hand zwischen ihren Schenkeln. Was für Träume sie hatte! Und wenn sie ihm später begegnete, fragte sie sich, ob er ihr diese quälende Sehnsucht nach ihm nicht ansehen konnte. Fast immer fiel es ihr schwer, ihn anzusehen, ohne zu erröten.

Gegen Ende des zweiten Tages erzählte er ihr von Persimmanion, am Morgen des dritten verkündete er ihr, dass er die Absicht hatte, sie dorthin zu führen. Nur sie. Den Ort einer Ungläubigen zu zeigen, noch dazu einer Frau, würde die Missbilligung seines Volkes erregen. Also befanden sie sich jetzt ganz allein in seiner Wüste, auf dem Weg zu einer sagenhaften, verschollenen Stadt, seiner verlorenen Stadt. Juliette konnte ihre Aufregung kaum unterdrücken.

Die Geschmeidigkeit, mit der er ritt, faszinierte sie. Im Vergleich zu der mühelosen Art, wie er auf dem vollblütigen Kamel mit den silbernen Quasten an den Zügeln und dem mit Samt gepolsterten Sattel saß, kam sie sich ungemein ungeschickt vor. Sie waren noch vor Tagesanbruch gen Osten aufgebrochen, fort von der grünen Umgebung des Palastes und hinaus in die sanften Sandhügel der Wüste. Dabei kamen sie an mehreren kleinen Oasen vorbei, einige kaum mehr als ein Wasserloch, umstanden von einigen Palmen und Sträuchern, und ritten weiter und weiter, während die Sonne heiß auf sie herabbrannte, den Himmel gleißend weiß aussehen ließ und den Sand zum Funkeln brachte wie einen Teppich aus winzigen Edelsteinen.

Juliette nahm wieder einen Schluck Wasser und merkte, dass Khalid sie dabei beobachtete. Sofort wurde sie von einer Hitze erfasst, die nichts mit der sengenden Sonne zu tun hatte. „Wie weit noch?“, fragte sie, um sich abzulenken.

„Es sind noch zwei Stunden.“

„Bis dahin wird es dunkel sein.“

Er nickte. „Wir werden dort ein Zelt aufschlagen und morgen früh die Gegend erforschen.“ Er sah gebannt zu, wie sie sich rasch mit der Zunge über die feuchten Lippen fuhr. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie sie ihn mit dieser Zunge liebkosen könnte, und schon im nächsten Moment war er hart vor Verlangen. Die Begierde nach ihr war fast schmerzhaft. Noch nie hatte er eine Frau so sehr begehrt wie Juliette. Es war diese einzigartige Mischung aus Trotz und Unschuld gewesen und ihre Entschlossenheit, unter allen Umständen ihre Würde zu wahren, die ihn zuallererst beeindruckt hatten. Doch je besser er sie kennenlernte, ihren scharfen Verstand, ihre Fähigkeit, über Dinge zu sprechen, die auch ihn faszinierten, desto mehr war es der Mensch und nicht nur das hübsche Gesicht und der verführerische Leib, der ihn bezauberte. Er bewunderte sie auch dafür, dass sie dem Leben an der Seite ihres Vaters nicht kritiklos gegenüberstand. Sie musste sich oft sehr einsam gefühlt haben, und damit hatten sie beide etwas gemeinsam.

Jeder Gedanke daran, sie zähmen zu wollen, war vergessen. Sie sollte so bleiben, wie sie war. Khalid wollte nichts an ihr verändern. Zwar glaubte er nicht daran, dass es so etwas wie verwandte Seelen gab. Zumindest war ihm bis jetzt so etwas nie begegnet. Er respektierte sie, aber dennoch wurde der Drang in ihm, sie zu nehmen, allmählich unwiderstehlich. Ihre Gespräche waren unendlich befriedigend, doch sein Wunsch, sie zu besitzen und von ihr in Besitz genommen zu werden, wurde von Moment zu Moment größer.

Bis sie ihr Ziel erreicht hatten, ließen ihn die hitzigen Bilder seiner Fantasie nicht los. Vorsichtig führte er sie zwischen den Spalten in den Felsen hindurch, die die verschollene Stadt die letzten Jahrhunderte so erfolgreich vor neugierigen Blicken geschützt hatten. Es begann zu dämmern, als Persimmanion schließlich vor ihnen auftauchte, und Khalid wurde es bewusst, wie impulsiv und vielleicht sogar töricht es von ihm gewesen war, Juliette an diesen Ort zu bringen.

Sie waren ganz allein mitten in der Wüste in einer Stadt, die wahrscheinlich erbaut worden war, um die Weiblichkeit, die die Göttin verkörperte, zu feiern. Khalid brachte sein Kamel neben Juliettes zum Stehen. „Siehst du? Der Tempel, in dem Shal’aal gefunden wurde, steht abseits von den übrigen Bauten.“

Juliette betrachtete stumm vor Staunen die Stadt, die mindestens auf drei Ebenen in den roten Stein geschlagen worden war. Die Zeichnungen hatten sie nicht vorbereitet auf diese Vollkommenheit, auf die Schönheit und die schwüle Sinnlichkeit, die der magische Ort verströmte. „Man hat fast das Gefühl, die Menschen könnten jeden Moment wiederkommen“, sagte sie ehrfürchtig. „Es ist atemberaubend.“

„Wir werden hinter den Hauptgebäuden zelten.“ Khalid sprang vom Kamel und schnalzte mit der Zunge, um Juliettes Reittier zum Knien zu bringen.

Sie kletterte recht ungelenk herunter. Nach dem langen Ritt tat es ihr überall weh. „Der Sattel sieht sehr viel bequemer aus, als er in Wirklichkeit ist“, sagte sie und verzog das Gesicht.

„Möchtest du ein Bad nehmen?“

„Du machst Scherze. Hier gibt es doch kein Wasser.“

Khalid lächelte nur und führte sie wortlos zu einem weiteren Durchgang, der in den Felsen gehauen worden war. Auf der anderen Seite gelangten sie zu einem Platz, der das Paradies auf Erden zu sein schien – eine geheime Oase! Es gab nicht nur ein natürliches Wasserbecken, sondern gleich drei, die übereinander angelegt waren und sich in einem Wasserfall ineinander ergossen. Im silbernen Licht des Vollmonds hatten sie eine dunkelblaue Farbe angenommen. Vom tiefsten Becken aus gelangte das Wasser in eine natürliche Rinne, die einst die Stadt versorgt hatte. Der Anblick war unendlich verlockend.

Khalid hatte bereits Umhang und Stiefel ausgezogen, also tat Juliette es ihm nach, löste den Verschluss ihres verstaubten Umhangs und bückte sich, um sich die Schuhe auszuziehen. Als sie sich aufrichtete, sah sie wieder diesen seltsam intensiven Blick in seinen Augen. Die Lippen hatte er fest zusammengepresst, und sein Gesicht sah im geisterhaften Licht finster und fast hager aus. Juliette stockte der Atem. Ihr Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann umso schneller weiter. „Khalid?“

„Juliette.“ Ihr Name hörte sich so vertraut an. Wie sie im Mondlicht neben dem schimmernden Wasser aussah, vergaß er, dass sie sein Gast war, dass sie nicht in seine Welt gehörte und es seine Pflicht war, sie zu achten. In diesem Moment verehrte er sie von ganzem Herzen und wollte ihr seine Anbetung auf die älteste Art zeigen.

„Juliette.“ Er streckte die Arme nach ihr aus, und sie schmiegte sich widerstandslos an ihn. „Juliette“, wiederholte er, weil ihm der Klang ihres Namens so gefiel, und strich über ihre Arme und dann mit dem Finger über die Wange und den Hals. „Parfaite, ma belle.“ Er zog die Spange aus ihrem nachtschwarzen Haar, die den Schleier festhielt. „Du bist wahrlich vollkommen.“

Es waren keine Worte nötig. Khalid sah dieselbe Leidenschaft, die er empfand, in ihren grauen Augen, und das genügte ihm. Er küsste sie, und sie öffnete sich ihm wie eine Blume, die nach Regen dürstet. Ihre Küsse waren unschuldig und doch drängend und leidenschaftlich und lockten und reizten ihn. Ihr Leib, so dicht an seinen geschmiegt, war wie das Gegenteil zu seinem – weiche, geschmeidige Rundungen im Gegensatz zu seinen harten, festen Muskeln. Zwei Hälften, die dazu geschaffen waren, zu einem Ganzen zu verschmelzen.

Khalid küsste sie, als müsste er ohne ihren Kuss sterben. Juliette hatte das Gefühl, sie müsste unter dem Ansturm einer solchen Begierde zerfließen. Und doch war die Wärme seines Mundes, seiner Lippen und seiner Zunge nur ein Vorspiel auf eine dunklere, sinnlichere Hitze. Ungeduldig vertiefte er den Kuss, sodass Juliette glaubte, dahinzuschmelzen vor Lust. Ihr Leib brannte vor Verlangen, als würde sie nackt in der sengenden Mittagssonne liegen. Wellen des Verlangens strömten durch ihre Adern, durch ihren Schoß, Verlangen, angefacht durch seinen Mund, seine Hände und das Gefühl seiner harten Erregung an ihrem Bauch. Sie vergaß alles um sich. Es gab nur Khalid und sie.

Ihre Tunika fiel in den Sand. Khalid schloss die Lippen um ihre Brust und saugte durch den dünnen seidigen Stoff ihrer Chemise an einer der aufgerichteten Spitzen. Besitzergreifend presste er die Hände auf ihre nackte Taille. Seine Lippen verschafften ihr ein so exquisites Vergnügen, dass Juliette vor Lust aufstöhnte. Auch sie verlangte es danach, ihn zu berühren – seinen Rücken, das feste Gesäß, die Arme und Schultern und den flachen Bauch.

Khalid streifte ihr hastig die knappe Chemise ab, und Juliette zerrte mit leicht zitternden Händen an den Verschlüssen seiner Tunika, so verzweifelt sehnte sie sich danach, endlich seine nackte Haut auf ihrer zu fühlen. Schließlich ließ Khalid sie los, um sich das Kleidungsstück kurzerhand über den Kopf zu ziehen. Jetzt stand er nackt vor ihr, und ihr stockte bei seinem Anblick der Atem. Sie hatte noch nie einen nackten Mann gesehen, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand vollkommener sein könnte als Khalid. Seine voll erregte Männlichkeit war voll aufgerichtet, groß und hart. Errötend, aber nicht fähig, den Blick abzuwenden, starrte Juliette ihn an und versuchte, sich vorzustellen, wie es sein mochte, ihn in sich zu spüren.

Khalid nahm ihre Hand und ermutigte Juliette, ihn zu umfassen. Zu ihrem Erstaunen fühlte er sich samtweich an und pulsierte leicht unter dem Druck ihrer Finger, ein Pulsieren, das sie auch tief in sich spürte. Khalid löste die Schnürbänder an ihren Hosen, die auf den Sand zu ihren Füßen glitten. Er schob die Hand zwischen ihre Schenkel und erkundete ihren feuchten, heißen Schoß.

„Du bist entflammt für mich“, flüsterte er in Ehrfurcht vor ihrer leidenschaftlichen Reaktion. „Spürst du, wie sehr du auch mich in Flammen versetzt hast?“

Noch ein wenig zaghaft strich sie über seinen Schaft und stöhnte, als Khalid mit den Fingern ihr Verlangen so steigerte, dass sie alles vergaß, außer dem einen Punkt, an dem sich all ihre Lust konzentrierte. Es war noch viel besser als mit dem Schwamm, denn nun berührte er sie. Ihn so intim auf sich zu fühlen – seine Finger in sich zu spüren – schockierte und erregte sie gleichermaßen.

Khalid stimulierte sie, und sie machte es ihm nach. Beide knieten nun im Sand, berührten und küssten sich und pressten sich immer enger aneinander. Wie im Rausch berührten sie einander, atmeten sie schnell und stoßweise. Kaum hörbar flüsterten sie ihre Namen.

Bitte, bitte, oh bitte!

Juliette wusste nicht, ob sie oder Khalid gesprochen hatte. Er drang noch tiefer in sie ein, dorthin, wo nur er hingehörte, und sie bog sich ihm leidenschaftlich entgegen, warf den Kopf in den Nacken und stieß in ihrer Begierde einen rauen Schrei aus. „Bitte“, rief sie, und dieses Mal war wirklich sie es, die gesprochen hatte, heiser vor Verlangen, die Hände drängend auf seine Hüften gelegt. „Bitte.“

Khalid zögerte, und in diesem Moment gewann sein Ehrgefühl wieder die Oberhand. Der animalische Drang, sie hier und jetzt zu nehmen, war überwältigend, doch stattdessen legte er sie in den Sand und nahm sie mit dem Mund, der Zunge, den Lippen, ignorierte sein eigenes schmerzhaftes Verlangen. Wie süß sie duftete und schmeckte. Die kleinen atemlosen Schreie, die sie ausstieß, die Art, wie sie die Fersen in den Sand grub, um sich ihm entgegenzubiegen, die dunklen Spitzen ihrer vollen Brüste – fast war es mehr, als er ertragen konnte.

Er küsste sie an der intimsten Stelle, umkreiste mit der Zunge die Perle ihrer Lust, zwang sich, sie langsam und genüsslich zu lecken, obwohl sie ihn an Schultern und Haar packte und anflehte, er möge sich doch bitte, bitte beeilen.

Ihr ganzer Leib war starr vor Erwartung, jeder Muskel angespannt. Es gab nichts und niemanden auf der Welt, nur diesen Ort, diesen Mann, diese unglaublichen Empfindungen. Juliette kam sich vor wie ein Vogel, der zum ersten Mal fliegen wollte. Doch noch klammerte sie sich an den Abhang und verlängerte diesen quälend süßen Moment der Vorfreude, obwohl sie wusste, dass sie schon bald würde springen müssen, sosehr sie sich auch zurückhielt. Was sein Mund mit ihr anstellte, war fast mehr, als sie aushalten konnte. Und plötzlich geschah es: Sie glaubte, in die Luft geschleudert zu werden, zu explodieren in einem Feuerwerk der Lust. Sie grub die Finger in den Sand, als könnte sie sich so festhalten, stieg aber immer höher und höher, bis sie glaubte, es ginge nicht höher. Dann spürte sie wieder seinen Mund auf sich, und nach einem schnellen Schlag mit seiner Zunge schoss sie empor zu einem noch steileren Gipfel.

Sie schrie seinen Namen. Noch ganz benommen setzte sie sich auf und griff nach ihm, presste sich an ihn. Erst als sie spürte, dass er noch immer voll erregt war, wusste sie, dass es noch nicht vorbei war. „Khalid?“

Einladend bog sie sich ihm entgegen, die Spitze seiner Männlichkeit berührte ihren Schoß.

„Khalid?“

Er war ein ehrenhafter Mann. Das durfte er nicht vergessen! Allerdings hatte ihm das noch nie so wenig bedeutet wie jetzt. „Nicht … Ich kann nicht … wir dürfen nicht …“, brachte er mühsam hervor.

„Bitte.“

Hatte es je eine härtere Prüfung gegeben? Aufstöhnend rückte er von ihr ab, nahm ihre Hände und legte sie auf seinen Schaft. Ohne zu zögern, begann Juliette, ihn zu streicheln, zunächst sanft, dann mit wachsendem Selbstvertrauen, sobald sie sah, wie sehr er es genoss. Ihre Blicke ließen sich nicht los, während sie ihn rieb und massierte, und Khalid erinnerte sich nicht, je etwas Lustvolleres erlebt zu haben – das Gefühl ihrer Hände auf sich, das Anschwellen seiner ohnehin schon aufs Höchste erregten Männlichkeit und gleichzeitig die sinnliche Verbindung ihrer Blicke.

Er brauchte sie nicht in Besitz zu nehmen, um sie zu der Seinen zu machen. Der Gedanke erfüllte ihn genau in dem Augenblick, als er kam. Er riss Juliette an sich und küsste sie voller Leidenschaft. Dieser Augenblick sollte ewig dauern.

Wortlos und glücklich stiegen sie zusammen in das oberste Wasserbecken, erforschten einander und lernten die Bedürfnisse ihrer Körper noch besser kennen. Der Mond stand hoch am Himmel, die Sterne schienen heute nur für sie zu strahlen. Persimmanion, die uralte, verführerische Stadt, lag zu ihren Füßen. Genüsslich ließen Juliette und Khalid sich in das kühle Nass sinken und küssten sich, bis sie das Gleichgewicht verloren und lachend ins Wasser tauchten. Doch dann hörten sie auf zu lachen und küssten sich wieder, immer wilder, immer leidenschaftlicher. Sie ließen sich von einem Becken in das nächste rollen, standen dann im Wasserfall und küssten sich noch immer. Dann leckten sie die Haut des anderen und ihre Lust erreichte ungeahnte Höhen, als sie entdeckten, was diese Berührung bewirkte und was eine andere, kühnere. Ihr zweites Mal war noch wilder als das erste. Im herabprasselnden Wasser klammerte Juliette sich an Khalids nasse Schultern, bis das heftige Beben ihres Höhepunkts nachließ, dann rutschte sie an ihm herab und brachte ihn mit ihrem Mund in Ekstase.

Später, träge und zutiefst befriedigt, saßen sie in ihre Umhänge gewickelt am Lagerfeuer und aßen hungrig. Sie fütterten sich gegenseitig, bis sie, erschöpft von den wilden Anstrengungen ihrer Lust, eng umarmt einschliefen.

Als Juliette am nächsten Morgen erwachte, tupfte Khalid kleine Küsse auf ihre Stirn. Unwillkürlich fragte sie sich, wie es sein mochte, jeden Morgen so von ihm geweckt zu werden. In diesem Augenblick erkannte sie, dass sie verliebt war. Zum ersten Mal. Zum einzigen Mal.

5. KAPITEL

Sie war verliebt. Die Erkenntnis versetzte sie in Aufregung. Nie hätte Juliette es für möglich gehalten, sie könnte sich verlieben. Doch jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihr ganzes Leben auf ihn gewartet haben musste. Was sie bisher auch getan hatte, wo sie auch gewesen war, jedes Wissen, das sie sich angeeignet hatte, das mühselige Leben an der Seite ihres Vaters, sogar seine unheilvolle Entscheidung, A’Qadiz zu plündern, und die tragischen Folgen –, all das war geschehen, damit sie Khalid begegnen konnte. Sie war für ihn bestimmt.

Juliette schmiegte sich in seine Arme und küsste ihn mit der Inbrunst ihrer neu entdeckten Liebe für ihn. Wenn er wüsste, was sie für ihn empfand, würde er gewiss …

Was würde er dann tun? Sie hielt inne. Während der atemberaubenden Ereignisse der vergangenen Tage hatte sie nicht an viel mehr gedacht als die nächsten Stunden mit Khalid. Doch jetzt wurde sie unsanft auf den Boden der Wirklichkeit zurückgeholt. Er war ein Scheich, ein arabischer Prinz. Und sie war eine französische Waise ohne Mitgift und ohne Aussichten.

Gestern Nacht war Khalid wieder nicht so weit gegangen, sie ganz in Besitz zu nehmen. Im Gegensatz zu ihr hatte er erkannt, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie gab. Und als ehrenhafter Mann, der er war, hatte er vermieden, ihr die Unschuld zu nehmen.

Ein ungewohntes Brennen hinter den Augenlidern ließ sie heftig blinzeln. Entsetzt wandte sie Khalid den Rücken zu, damit er ihre Tränen nicht sah, obwohl sie nichts sehnlicher wünschte, als sich ihm in die Arme zu werfen und ihn anzuflehen, sie für immer bei sich zu behalten. Aber das konnte er nicht tun, und ihr Betteln würde ihn nur in Verlegenheit bringen. Schlimmer noch, vielleicht würde sie ihn sogar verletzen, und das wollte sie um alles in der Welt verhindern. Sie liebte ihn viel zu sehr, um das zuzulassen.

„Juliette, was ist mit dir?“

Seine Stimme klang so zärtlich, dass Juliette ihre Tränen nicht länger zurückhalten konnte. „Nichts“, sagte sie abweisend.

Er versuchte, sie wieder an sich zu ziehen. In der Nacht, als sie geschlafen und Juliette sich voller Vertrauen an ihn gedrückt hatte, war ihm bewusst geworden, was er für sie empfand. Liebe. Er, Khalid al-Raqam, Prinz von Lash’aal, war verliebt. Noch dazu in eine Frau, die so unpassend war, dass Farid und die Ratsversammlung und wahrscheinlich sein gesamtes Reich entsetzt sein würden. Er mochte nicht daran denken, wie viele Stammesangehörige mit heiratsfähigen Töchtern er vor den Kopf stoßen würde. Farids Traum von einer Allianz mit einem ihrer mächtigen Nachbarn wäre ausgeträumt. Aber das kümmerte ihn nicht. Er war verliebt. Unsterblich verliebt. Nur Juliette würde auf ewig sein Herz gehören. Nur Juliette füllte die Leere in seinem Leben, die ihm bisher nicht einmal bewusst gewesen war. Er und Juliette waren zwei Hälften eines Ganzen. Es gab keinen besseren Ort als hier in der verschollenen Stadt, um ihr zu sagen, dass er sie zur Frau nehmen wollte.

Aber Juliette wehrte sich gegen seine Umarmung. Sie kämpfte gegen ihn an, wand sich und kam schnell auf die Füße. Khalid konnte den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht deuten, und sie wich seinem Blick aus.

„Was quält dich?“, fragte er sie beunruhigt.

„Nichts.“

Sie wies ihn zurück. Zwar konnte sie nie hoffen, sein Leben zu teilen, aber sein Mitleid wollte sie nicht. Es wäre nicht zu ertragen. Um ihrer beider willen musste sie diese falsche Idylle, diesen unerfüllbaren Wunschtraum beenden. „Die Sonne ist aufgegangen. Bald wird es zu heiß sein, um sich umzuschauen“, sagte sie und kleidete sich hastig an. „Wenn wir andere Nachweise für Shal’aal finden wollen, müssen wir jetzt damit anfangen. Deswegen sind wir schließlich gekommen, oder?“ Juliette griff nach ihrem Umhang und ging entschlossen auf den Weg zu, der sie nach Persimmanion zurückführen würde. Sie wusste, dass Khalid ihr folgte, wagte es aber nicht, sich nach ihm umzudrehen. Mühsam hielt sie die Tränen zurück, während sie unbeirrt auf den Tempel zuhielt und verzweifelt versuchte, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.

Im Gegensatz zum Rest der Stadt war der Tempel aus weißem Marmor errichtet worden. Das Dach des schlichten Gebäudes war eingestürzt, doch die meisten seiner Wände standen noch, mehr oder weniger intakt. Das riesige Portal wurde von zwei kunstvoll verzierten Säulen flankiert. Darauf befanden sich Darstellungen eines Gartens, in dem man die Göttin Shal’aal zwischen den wuchernden Blättern ausmachen konnte. Juliette begab sich ins Innere und blieb vor dem Altar, einer langen, niedrigen Marmorplatte, stehen. „Sie gehört hierher, da bin ich sicher“, sagte sie und drehte sich, allen Mut zusammennehmend, zu ihm um. „Es muss eine Nische, einen Spalt oder so etwas geben, in den man sie stellen kann.“

Vor nur sechs Tagen hatte sie ihn genauso angesehen – trotzig, herausfordernd, entschlossen, ihn nicht merken zu lassen, was wirklich in ihr vorging. Vor nur sechs Tagen, und doch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Es war, als hätte er sein ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet, auf diese Frau. Er würde nicht zulassen, dass er sie jetzt verlor.

„Khalid? Die Göttin, hast du sie?“

„Es gibt nur eine Göttin, an der ich in diesem Augenblick interessiert bin. Sieh mich an, Juliette.“

Als sie es tat, fiel ihr ein Leuchten in seinen Augen auf, das sie bisher nicht gesehen hatte. Obwohl sie alles unternahm, um es zu unterdrücken, erwachte eine winzige Flamme der Hoffnung in ihr wie eine Fackel, die durch einen Luftstoß angefacht wird. „Was ist?“

„Wir sind füreinander bestimmt, du und ich, ma belle Juliette. Ich habe über die Vorstellung gelacht, Shal’aal könnte eine Art Omen darstellen, aber das tut sie. Sie hat uns zusammengebracht. Du bist für mich bestimmt, so, wie ich für dich bestimmt bin. Ich liebe dich, Juliette.“

„Khalid! Wenn du das wegen gestern Nacht sagst, dann musst du nicht …“

„Doch, Juliette, das muss ich! Aber nicht, weil ich mich dazu verpflichtet fühle, sondern weil ich nicht anders kann. Juliette, meine Juliette, gewiss spürst doch auch du so wie ich, dass du für mich hierhergeschickt wurdest. Dass wir füreinander geschaffen sind, vom Schicksal dazu ausersehen, zusammen zu sein.“

„Aber es ist unmöglich, Khalid. Das musst du doch wissen.“

„Nichts ist unmöglich, wenn man es nur will. Nichts wird mich davon abhalten, dich zu meiner Frau zu machen, dich an meine Seite zu stellen, wo du hingehörst. Abgesehen von einer einzigen Sache – wenn du mich nicht liebst.“ Er zog sie in die Arme. „Liebst du mich, Juliette? So wie ich dich liebe?“

„Oh Khalid, ich liebe dich so sehr, aber …“

„Was? Machst du dir Sorgen wegen deiner Familie, weil du nie wieder nach Frankreich zurückkehren würdest?“

„Ich habe jetzt keine Familie mehr, und auch keine Pflicht einem Land gegenüber, das meinen armen Vater benutzte und schmähte. Vielmehr geht es darum, dass du ein arabischer Herrscher bist, Khalid. Ich bin nur eine Ausländerin, eine Fremde in deinem Land. Deine Untertanen …“

„Meine Untertanen sollten über mein großes Glück frohlocken. Mit dir an meiner Seite werde ich ein sehr viel besserer Herrscher sein. Sei meine Prinzessin, Juliette. Sag, dass du mich liebst.“

Er liebte sie. Es war wirklich wahr. Juliette konnte es nicht ganz glauben, obwohl es eigentlich nicht anders sein konnte. „Ich liebe dich, Khalid.“ Sie lachte vor überströmender Freude. „Ich liebe dich“, rief sie noch lauter, und ihre Worte hallten im Tempel wider. „Je t’aime, Khalid. Je t’adore.“

Abrupt riss er sie in die Arme und drückte sie so fest an sich, dass es sie eigentlich hätte schmerzen müssen, wenn es nicht so wundervoll gewesen wäre. „Ma belle! Jetzt werde ich dir zeigen, wie es ist, geliebt zu werden. Tief und von ganzem Herzen geliebt. Jetzt werden wir Shal’aal, unserer Liebesgöttin, gemeinsam unseren innigsten Dank bezeigen.“

Er legte sie auf den kühlen Marmor des Altars. „Ich liebe dich. Ich möchte dich zu meiner Frau machen. Sag, dass du mir gehören wirst. Sag, dass du mir das kostbarste Gut schenken wirst, meine Geliebte – deine Unschuld.“

„Sie gehört dir. Sie hat schon immer nur dir gehört. Liebe mich, Khalid. Bitte. Ich habe mein ganzes Leben lang auf dich gewartet.“

Das war das Versprechen, das er sich gewünscht hatte. Juliette stellte alles dar, was er sich jemals gewünscht hatte. Fast ehrfürchtig begann er, sie zu entkleiden, ließ sich Zeit, um jeden Zentimeter Haut, den er enthüllte, mit heißen Küssen zu bedecken. Die Erwartung wuchs mit jedem Kuss – auf ihren Hals, ihre Arme, die Brüste, die Taille, den Bauch, die Knie, die Knöchel und Füße, die zarte Haut auf der Innenseite ihrer Schenkel. Der Marmor war kühl an ihrem Rücken, süße Schauer überliefen sie überall dort, wo Khalid sie berührte. Juliette spürte, wie sehr sie geliebt und begehrt wurde, und fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben wundervoll lebendig.

Jetzt legte Khalid seine Tunika ab und ließ sie achtlos auf den Boden des Tempels fallen. Sonnenstrahlen tauchten sie beide in glühendes Licht. Juliettes Haut schimmerte golden, sodass sie noch mehr wie die Göttin aussah, an die sie Khalid erinnerte. Ihr langes dunkles Haar strömte wie ein schwarz funkelnder Fluss bis zum Boden. Juliette betrachtete Khalid fasziniert, der stolz und aufrecht vor ihr stand. Sie bog den Rücken durch, wodurch sich ihm ihre Brustspitzen einladend entgegenreckten. Ohne länger zu zögern, kniete er sich zwischen ihre Beine und nahm eine der festen Knospen in den Mund, dann die andere, und saugte daran. Juliettes leises Stöhnen verstärkte noch sein Verlangen, seine Erregung wuchs.

„Juliette. Meine Prinzessin. Meine Göttin“, flüsterte er mit rauer Stimme und rieb die Quelle ihrer Lust, während er gierig mit der Zunge über ihre Unterlippe fuhr.

„Khalid, mein Prinz“, seufzte Juliette und zog ihn zu sich herunter, voller Sehnsucht nach der endgültigen Verschmelzung, bei der sie endlich eins werden würden.

Er küsste sie heftig und tief, und in diesem Moment drang er langsam, behutsam ein. Es war ihr, als wäre sie zum ersten Mal in ihrem Leben von allen Fesseln befreit. Es gab keinen Schmerz, nur eine Spannung, die sich bei jeder seiner Bewegungen noch verstärkte. Immer tiefer drang er in sie ein, und es war, als träfen Stahl und Samt aufeinander. Juliette nahm ihn auf und bog sich ihm entgegen, um sich weiter für ihn zu öffnen. Lustvoll keuchte sie auf, sobald er sie ganz ausfüllte.

Sie schlang die Beine um seine Hüften, und er küsste sie wieder, drang mit der Zunge in ihren Mund ein, wie er auch ihren Leib in Besitz nahm. Tief in ihr wuchs eine nie gekannte Hitze. Wieder stieß er vor, und sie glaubte, in die Lüfte emporgerissen zu werden von einer Welle ungeahnter Ekstase. Seine Bewegungen wurden schneller. Khalid zeigte ihr, wie sie sich ihm anpassen konnte. Schon bald fanden sie einen gemeinsamen Rhythmus, und nach jedem Stoß glaubte sie, nicht noch lustvollere Gefühle zu empfinden. Und doch wuchs und wuchs die Leidenschaft in ihr, bis sie den Gipfel erreichte, Khalids Namen rief und sich an ihn klammerte, als würde sie sonst in den Abgrund stürzen. In diesem Moment kam auch er tief in ihr und umschlang sie, als wollte er sie nie wieder loslassen.

So lagen sie eine ganze Weile noch auf dem Altar der Göttin, von der Sonne in ein goldenes Licht getaucht. Schließlich öffnete Juliette die Augen und schenkte Khalid ein zutiefst befriedigtes, glückliches Lächeln, das ihn bis ins Innerste berührte. „Du glaubst doch nicht, dass Shal’aal über unser Tun verärgert sein wird, oder?“

„Im Gegenteil.“ Er küsste sie auf ihre von seinen Küssen leicht geschwollenen Lippen. Sofort wurde er wieder hart. „Ich glaube eher, dass dieser Altar für diesen Zweck geschaffen wurde.“ Er küsste sie hungrig. „Wenn du mich fragst, sollten wir Shal’aal noch einmal huldigen.“ Und voller Leidenschaft begann er, genau das zu tun.

Erst später, als Juliette die Augen öffnete und sich träge umsah, entdeckte sie die winzige Nische in einer der Wände des Tempels. Im Schatten einer Säule versteckt, konnte sie nur vom Altar aus und genau diesem Blickwinkel gesehen werden. Zunächst glaubte Juliette, dass es die Sonne war, die jene Stelle golden färbte. Doch dann fiel ihr auf, dass die Sonne weitergewandert war. Der Alkoven selbst war mit Gold ausgekleidet, geformt wie ein Schlüsselloch, nur von einer seltsamen Form – einer weiblichen Form.

„Shal’aal“, rief sie aufgeregt aus. „Khalid, sieh nur. Das muss es sein. Sieh!“

Und sie hatte recht. Vorsichtig legte Juliette die kleine Statue in die Nische, und sie passte genau. Wenn man einen Schritt zurücktrat, war nichts von der Nische hinter der Säule zu sehen, und doch schien sich die Atmosphäre im Tempel auf wunderbare Weise verändert zu haben.

„Sie ist wieder daheim.“ Juliette sah mit einem schüchternen Lächeln zu Khalid auf.

Er erwiderte es liebevoll. „Wie du und ich hat sie ihre wahre Vorsehung gefunden.“

„Du wirst mich für albern halten, aber ich habe das Gefühl, dass ich ein wenig Papas Unrecht wiedergutmachen konnte, das er gezwungen war, zu begehen. Können wir sie hierlassen, wo sie hingehört? Es würde mir sehr viel bedeuten.“

„Ich halte dich für alles andere als albern.“ Khalid küsste ihre Handfläche. „Shal’aal ist zu dem Ort zurückgekehrt, der ihr rechtmäßig gehört. Es wird Zeit, dass du und ich dasselbe tun. Ich kann es kaum erwarten, allen zu verkünden, dass du meine Gemahlin wirst.“

„Ich auch nicht, mein Liebling. Wer weiß, vielleicht wird Shal’aal unsere Vereinigung mit Kindern segnen.“

„Je eher wir anfangen, das auszuprobieren, desto besser“, meinte Khalid schmunzelnd und nahm sie wieder in die Arme.

EPILOG

Sechs Wochen später.

Ramiz al-Muhanna, erst vor Kurzem nach dem Tod seines Bruders in einer Schlacht zum neuen Herrscher von A’Qadiz gekrönt, betrachtete den Hochzeitszug mit unverhohlener Missbilligung. Ganz offensichtlich war sein Nachbar Prinz Khalid völlig vernarrt in die schöne Französin, doch nach Ramiz’ Ansicht verstanden die Menschen aus dem Westen die Traditionen der Araber nicht und ließen es an Respekt für ihre Kultur fehlen. Trotz Prinz Khalids Versicherung, der Vater seiner Braut sei von seiner eigenen Regierung gezwungen worden, die kostbaren Ausgrabungsstätten in A’Qadiz zu plündern, war Ramiz davon überzeugt, dass man dieser Europäerin ebenso wenig trauen durfte wie all den übrigen Fremden.

Und solche Frauen gaben auch keine passenden Gattinnen ab mit ihren närrischen Erwartungen von echter Liebe und ihrer unverschämten Art, Aufmerksamkeit zu fordern. Mit einer Frau zeugte man einen Erben, mehr nicht. Prinz Khalid stand wohl noch ein gehöriger Schrecken bevor, wenn er tatsächlich damit rechnete, dass diese Juliette de Montignac die althergebrachten Grenzen achten würde, die die Welt der Frau von der des Mannes trennten. Ramiz schien sie nicht zu den Geschöpfen zu gehören, die sich freiwillig auf ein Leben im Harem beschränkten.

Allerdings musste er zugeben, dass das Brautpaar regelrecht strahlte vor Glück. Ebenso wenig konnte er leugnen, dass die Braut, von Kopf bis Fuß in Scharlachrot und Gold gekleidet, wirklich hinreißend aussah. Das tiefschwarze Haar reichte ihr bis fast zu den Hüften, an den Knöcheln und Handgelenken klingelten kleine goldene Glöckchen. Prinz Khalid hatte nur Augen für sie.

Allein Ramiz inmitten der riesigen Menge der Gäste blieb unberührt von diesem Anblick. Der brutale Tod seines Bruders Asad hatte ihm völlig unerwartet die schwierige Aufgabe des Herrschers aufgezwungen – eine Aufgabe, die ihn so beschäftigte, dass er an nichts anderes denken konnte. Wäre da nicht die Notwendigkeit, sich die Freundschaft jedes Nachbarn zu erhalten, hätte er die Einladung zur Hochzeit ausgeschlagen. Doch Prinz Khalid war ein zu wichtiger Mann und durfte nicht brüskiert werden.

Der Geistliche sprach den abschließenden Segen über das Paar aus, und Prinz Khalid hob den Schleier seiner Braut, die ihn liebevoll anlächelte. Die Menge auf dem Platz vor dem Palast, wo die Zeremonie stattfand, brach in begeisterten Jubel aus.

Zwar hatte die Verlobung, kaum dass sie bekannt gegeben wurde, großen Missmut bei jenen hervorgerufen, die sich den Prinzen für ihre Töchter erhofft hatten. Insgeheim hatte Ramiz Prinz Khalids Klugheit bewundert, der seine Wahl einfach mit der Behauptung gerechtfertigt hatte, Juliette de Montignac sei von der Göttin Shal’aal persönlich für ihn ausgesucht worden. Während der Ausgrabungsarbeiten im Tempel der verschollenen Stadt Persimmanion war ein seltener gelber Diamant entdeckt worden – durch bloßen Zufall, davon war Ramiz überzeugt. Prinz Khalid hatte jedoch verkündet, dass es sich um ein Zeichen handelte, und seine Untertanen glaubten ihm. Ein diplomatischer Triumph, soviel musste der Neid ihm lassen. Ramiz sah mit widerwilliger Hochachtung zu, wie der Prinz seine Braut hingebungsvoll auf den Mund küsste, bevor er sie mit offensichtlichem Stolz seinem Volk präsentierte.

Rosenblätter flatterten auf das Paar hinab. Wieder wurde Jubel laut. Ramiz, Herrscher von A’Qadiz, verfolgte das Geschehen, ohne wirklich hinzusehen, und wartete eher ungeduldig darauf, dass die Menge sich in die Festsäle zurückzog, das Brautpaar goldene Münzen unter den aufgeregten Kindern verteilte und die ganze Angelegenheit endlich vorüber war. Seine Miene ließ nicht ahnen, dass Ramiz insgeheim schon damit beschäftigt war, seine Rückreise durch die Wüste zu planen. Seine Wüste, sein Reich wartete auf ihn. So viele Dinge verlangten seine Aufmerksamkeit. Er musste Streitigkeiten schlichten, Fehden beenden, Verbündete beschwichtigen. Die Staatsaffären lagen schwer auf seinen breiten Schultern.

Als Prinz Khalid und die neue Prinzessin Juliette sich setzten, um den Hochzeitsschmaus zu sich zu nehmen, entschuldigte Ramiz sich und ließ seine Karawane zur Abreise vorbereiten. Er wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, doch er war gewappnet für jede Herausforderung und vertraute ohne jeden Selbstzweifel auf seine Fähigkeit, in jeder Lage zu siegen. Die Pflicht hatte gerufen. Er war bereit.

– ENDE –

Marguerite Kaye

Verführt im Harem des Scheichs

1. KAPITEL

Sommer 1818

Oh George, komm her und sieh dir das an!“ Vor Aufregung beugte Lady Celia Clevenden sich gefährlich weit über den Rand des kleinen Seglers.

Das Schiff, eine Dau, hatte den Hafen fast erreicht. Die Matrosen zogen bereits das Segel ein und riefen sich dabei in ihrer Muttersprache Befehle zu oder vielleicht auch nur freudige Bemerkungen über das bevorstehende Ende der Reise. Celia mochte den Klang der fremden Worte. Er passte zu der exotischen Umgebung, zu all den wundervollen Dingen, die sie in ihrem neuen Leben erwarteten!

Jetzt schob die Dau sich zwischen den anderen Schiffen, darunter viele Feluken, hindurch. Gleich würde sie anlegen.

Mit einer behandschuhten Hand umklammerte Celia die hölzerne Reling. Mit der anderen hielt sie ihren Hut fest, an dem ein leichter Schleier befestigt war. Durch den dünnen Stoff hindurch beobachtete sie genau, was um sie her vorging. Wie ein Schwamm nahm sie alles in sich auf, was es zu sehen und zu hören gab. Wie bunt alles war! Wie ungewohnt! Wie ganz anders als in ihrer Heimat England!

Celia trug ein hochgeschlossenes, langärmliges Kleid aus grün gemustertem Musselin. In London hätte es des Schnitts wegen nicht als modisch gegolten, obwohl es durchaus elegant wirkte. Sie hatte es speziell für die Reise schneidern lassen. Auch all ihre anderen Kleider waren in einem ähnlichen Stil gehalten, denn sie hatte aus sicherer Quelle erfahren, dass es in Ägypten und den benachbarten arabischen Ländern unumgänglich war, auf tiefe Ausschnitte und kurze Ärmel zu verzichten.

Man hatte ihr zudem geraten, ihr Gesicht und vor allem ihr auffälliges kupferfarbenes Haar unter einem Schleier zu verbergen. Auch diesen Rat hatte sie befolgt. Dennoch zog sie mit ihrer schlanken Figur und ihrer hellen samtenen Haut – auch wenn diese nur gelegentlich und nur an Handgelenken und Hals zu sehen war – die Aufmerksamkeit der orientalischen Männer auf sich. Jetzt in diesem Moment folgten ihr die Blicke der Fischer und Schiffer ebenso wie die der Lastträger und anderer Arbeiter, die vom Kai aus die fremdländische Gestalt bemerkt hatten.

„George!“, rief sie dem Mann, der unter einem Sonnensegel Schutz gesucht hatte, noch einmal zu. „Komm doch her und sieh dir das an! Auf dem Boot dort drüben steht ein Esel, der ein schrecklich böses Gesicht macht. Er erinnert mich sehr an meinen Onkel Simon. Du hast ihn auf der Hochzeit kennengelernt. Erinnerst du dich? Er ist Mitglied im House of Lords. Und wenn eine Abstimmung anders verläuft, als er es sich erhofft, dann schaut er so finster drein wie dieser Esel.“

Lord George Clevenden, mit dem sie seit etwas mehr als drei Monaten verheiratet war, rührte sich nicht. Er war ebenso elegant gekleidet wie seine Gattin, aber im Gegensatz zu dieser offensichtlich nicht in der Stimmung, sich über irgendetwas zu amüsieren. Das mochte damit zusammenhängen, dass er die Hitze am Roten Meer nicht gut vertrug. Seit Tagen litt er nun schon unter Kopfschmerzen und Schweißausbrüchen. Dennoch war er nicht bereit, Zugeständnisse bei seiner Kleidung zu machen. Der dunkelblaue Gehrock, die gestreifte Weste, die Wildlederbreeches entsprachen zwar der neuesten Mode, waren aber nicht für das ägyptische Klima geeignet. Sein Krawattentuch war, ebenso wie sein Haar unter dem Biberfilzhut, schweißnass.

Er musterte seine junge Gemahlin, die erstaunlicherweise so kühl wirkte wie ein Tautropfen am Morgen, und sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, der entfernt an Abneigung erinnerte. „Welch eine Hitze!“, stöhnte er. Und setzte dann in vorwurfsvollem Ton hinzu: „Komm her, Celia! Du bist die Gattin eines britischen Diplomaten und solltest dich nicht wie ein kleines Kind benehmen.“

Himmel, wie oft hatte sie in den letzten Wochen diese Ermahnung gehört! Sie beschloss, ihren Mann einfach nicht zu beachten und sich weiterhin dem Schauspiel zu widmen, das das geschäftige Hafenleben bot. In der kurzen Zeit ihrer Ehe hatte sie es bereits zu wahrer Meisterschaft in der Kunst des Ignorierens gebracht.

Einen Tag bevor George Clevenden sein Heimatland hatte verlassen müssen, um als englischer Gesandter zu seinem ersten Einsatz im Ausland zu reisen, waren sie in London getraut worden. Natürlich hatte sie darauf bestanden, ihn nach Ägypten zu begleiten, wo große Aufgaben auf ihn warteten. Als Tochter eines angesehenen britischen Diplomaten gefiel Celia die Vorstellung, ihrem Gatten zur Seite zu stehen.

Zu ihrem Erstaunen und ihrer nicht geringen Enttäuschung hatte sie allerdings feststellen müssen, dass ihr Gemahl sich umso mehr veränderte, je weiter sie England hinter sich ließen. Aus dem klugen und verlässlichen Sekretär ihres Vaters war mittlerweile ein ständig unzufriedener und oft ungeschickter Mann geworden.

Celia, die selbst über keinerlei Erfahrung als Weltreisende verfügte, hatte sich gezwungen gesehen, sich um alles zu kümmern. Das war nicht einfach gewesen, denn sie führten eine Menge Gepäck mit sich, und die Reise war lang. Von England ging es an Gibraltar vorbei ins Mittelmeer, wo sie in Malta, Athen und Rhodos das Schiff wechseln mussten.

Der Aufenthalt auf Rhodos hatte sich als besonders unangenehm erwiesen. Denn dort war nicht nur das Schiff, auf dem sie bereits Plätze gebucht hatten, nie eingetroffen, sondern man hatte ihnen auch einen Teil ihres Gepäcks gestohlen.

Dafür, ebenso wie für jedes andere noch so kleine Missgeschick, hatte George sie verantwortlich gemacht. Ob es sich nun um schmuddelige Bettlaken handelte oder darum, dass es gar keine Bettlaken gab, ob der Wein schlecht oder das Essen ungewohnt war, stets hatte er behauptet, sie habe bei der Planung einen Fehler gemacht. Selbst daran, dass er von Insekten gestochen wurde, trug seiner Meinung nach sie die Schuld.

Celia fühlte sich ungerecht behandelt und litt darunter. Überhaupt war ihre Ehe bisher sehr enttäuschend verlaufen. Daheim war sie der Überzeugung gewesen, einen ausgeglichenen, selbstständigen Mann zu heiraten. Während ihrer Verlobungszeit hatte sie George für seine Tatkraft ebenso bewundert wie für seine Besonnenheit. Gab es einen Grund, gab es eine Entschuldigung dafür, dass davon nun nichts mehr zu spüren war? Sie versuchte sich einzureden, dass die Veränderungen im Verhalten ihres Gatten auf die Unannehmlichkeiten der Reise zurückzuführen seien. Gewiss würde alles sich zum Besten wenden, wenn sie ihr Ziel erst erreicht hatten!

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