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Ein Kowalski kommt selten allein 2

hier erhältlich:

GANZ ODER KOWALSKI

"Ich würde nie eine Frau heiraten, die nicht kochen kann!"
"Und ich würde nie einen Mann heiraten, der keine Frau heiraten würde, die nicht kochen kann!"

Die Beziehung von Sean Kowalski und Emma Shaw fängt geschäftlich an und wird minütlich persönlicher. Zuerst hat Emma ihn damit überrascht, dass sie verlobt sind. Jedenfalls glaubt das Emmas Grandma seit Monaten. Und da sie jetzt nach New Hampshire kommt, braucht Emma ihn. Dann hatte Sean nichts dagegen, so zu tun, als wäre er verrückt nach Emma, ihren heißen Kurven und den vollen Locken. Inzwischen teilt er das Haus mit ihr. Und während ihre Grandma sich lächelnd zurücklehnt, reden sie immerzu über Familie, Babys und Sex! Besonders beim letzten Thema ist Sean sehr aufmerksam … Aber falsch verlobt wird am Ende doch nicht richtig sein?!

MANCHE MÖGEN'S KOWALSKI

Ladys, aufgepasst: Mitch Kowalski ist zurück! Ihr wisst ja: Spaß - immer! Verpflichtung - niemals …

"Geschlossen." Das Schild, das Paige Sullivan an die Eingangstür ihres Diners hängt, könnte sie seit zwei Jahren auch gut um ihr Herz tragen. Komisch nur, dass Mitch Kowalski das komplett ignoriert: Der notorische Bad Boy, soeben auf seinem Motorrad nach Whitford zurückgekehrt, sieht sie an, als wäre sie ein besonders köstlich aussehendes Erdbeer-Dessert. Allerdings: Sein Lächeln geht Paige unter die Haut … Sollte sie vielleicht eine Ausnahme machen und Kowalski auf seine legendären Fähigkeiten als Mann testen? Paige wäre eher an etwas Solidem, etwas Ernstem interessiert und ist alles andere als der Typ für eine heiße Affäre. Andererseits bleibt Mitch ja nur für sechs Wochen. Kann man in der kurzen Zeit ernsthaft sein Herz verlieren?


  • Erscheinungstag: 15.10.2015
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 608
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955764944
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Shannon Stacey

Ein Kowalski kommt selten allein 2

Shannon Stacey

Ganz oder Kowalski

Aus dem Amerikanischen von Christiane Meyer

DANKSAGUNG

Mein besonderer Dank geht an meine Leser.
Viele von Ihnen haben mir gesagt, dass Sie die Familie Kowalski lieben und mehr von ihr erfahren wollen. Ich hoffe, es wird Sie freuen, Sean Kowalski kennenzulernen und auch den Rest der Familie wiederzutreffen.
Wie immer danke ich Angela James und dem Team von Carina Press sowie der Mannschaft von HQN für ihre Hingabe und Begeisterung.
Und ich danke meinem Ehemann, den ich wie wahnsinnig liebe – auch wenn er mich nie hinters Steuer des Wagens lässt.

1. KAPITEL

„Noch genauso hässlich wie eh und je.“

Sean Kowalski zeigte dem Barkeeper den Finger und ließ seinen Seesack auf den Boden neben einen leeren Hocker fallen. „Das liegt in der Familie, Cousin.“

Da sie beide fast einen Meter fünfundachtzig groß waren, konnten sie sich über den Bartresen hinweg umarmen. Kevin klopfte ihm auf den Rücken. „Ich bin verdammt froh, dass du wieder zu Hause bist.“

„Ich auch.“ Sean setzte sich auf den Barhocker und nahm einen kräftigen Schluck von dem schaumigen Bier, das Kevin vor ihm auf die Theke gestellt hatte. „Tut mir leid, dass ich deine Hochzeit verpasst habe. Und Joes auch.“

„Du musstest dich in Afghanistan beschießen lassen. Wir nehmen es dir also nicht übel, dass du gefehlt hast. Jedenfalls nicht besonders.“

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr beide es geschafft habt, Frauen zu finden, die eure Mrs Kowalski sein wollen. Was stimmt nicht mit ihnen?“

Kevin warf ihm ein breites Grinsen zu. „Es liegt an den Grübchen. Frauen können ihnen einfach nicht widerstehen. Ein Jammer für dich, dass wir sie von Ma geerbt haben und du nur die blauen Augen von Dads Seite mitbekommen hast.“

„Ich kann mich nicht beklagen. Wie geht es deinen Eltern?“

„Gut. Sie freuen sich darauf, dich zu sehen. Ma hat für heute Abend eine Lasagne gemacht.“

Sean lächelte und tätschelte sich den Bauch. „Ich habe keine Mittagspause eingelegt. Also ist jede Menge Platz in meinem Magen. Es gibt vieles, das ich an meiner Mutter – Gott hab sie selig – vermisse. Ihre Kochkünste gehören allerdings nicht dazu. Tante Mary dagegen kann verdammt gut kochen.“

Kevin nickte und verschwand kurz, um sich eine Flasche Wasser zu holen. „Also, du hast keine Arbeit. Du musst Ma um Essen anbetteln und dir von mir ein Apartment schnorren. Die Army hätte eigentlich einen Mann aus dir machen sollen, keinen nutzlosen Waschlappen.“

„Zwölf Jahre haben gereicht. Ich weiß zwar nicht, was ich jetzt machen möchte, aber ich bin sicher, dass ich das nicht mehr machen will.“

„Hast du keine Lust, nach Maine zurückzukehren und deinem Bruder zu helfen, die Lodge zu leiten?“

Sean zuckte mit den Schultern. Selbstverständlich war das Thema zur Sprache gekommen – vor allem, als er seinen Brüdern und seiner Schwester erzählt hatte, dass er eine Zeit lang bei der Verwandtschaft in New Hampshire bleiben wolle. Doch er hatte keine Lust, den Rest seines Lebens auf der Northern Star Lodge zu verbringen. Schon als Kind hatte er es gehasst, dass Fremde sich in seinem Zuhause eingenistet hatten. Und dieses Gefühl war bis zum heutigen Tag geblieben. Er war nicht dazu geboren, Gastwirt zu sein.

„Das ist Plan B“, erwiderte er.

Kevin nahm einen Schluck aus der Wasserflasche und schraubte sie anschließend wieder zu. „Du weißt, dass ich nur Spaß mache. Du kannst natürlich so lange hierbleiben, wie du willst.“

„Danke, das weiß ich zu schätzen. Sobald ich von Tante Marys Essen genug habe, gehe ich vielleicht nach Hause zurück oder … Keine Ahnung.“ Das war einer der Gründe für seinen Entschluss gewesen, die Army zu verlassen. Er musste am nächsten Tag nirgendwo sein.

Eine große, vollbusige Frau mit roten Haaren trat aus einem Hinterzimmer. Kevin winkte sie heran. „Das ist mein Cousin Sean. Sean, das ist Paulie Reed – meine Chefbarkeeperin, die Assistentin der Geschäftsführung und meine rechte Hand.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Sean und schüttelte ihr die Hand.

Paulie hatte einen festen Griff. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Willkommen zu Hause. Mein Verlobter Sam und ich wohnen in dem Apartment unter Ihnen. Falls Sie irgendetwas brauchen, schreien Sie einfach.“

„Das werde ich machen.“ Er sah ihr hinterher. Sie hatte einen unglaublichen Hüftschwung. Aber ob es nun an der Erwähnung ihres Verlobten lag oder an der Tatsache, dass sie nicht sein Typ war – der Hüftschwung ließ ihn vollkommen kalt. „Jasper’s Bar & Grille, ja? Interessanter Name.“

„Der Laden hieß schon so, als ich ihn übernommen hab, und ich bin zu geizig, ein neues Schild zu kaufen. Trink dein Bier aus, damit ich dich schnell nach oben bringen kann.“

Sean trank das restliche Bier aus, schnappte sich seinen Seesack und folgte seinem Cousin zu einem Flur im hinteren Teil. Nachdem sie zwei Treppen hinaufgestiegen waren, kamen sie zu dem Apartment, das Kevin ihm für die Dauer seines Besuchs zur Verfügung stellte. Es war eine ordentliche, saubere Wohnung mit einer großen Ledercouch und einem riesigen Fernseher. Vollkommen in Ordnung, was Sean betraf.

„Das wär‘s dann“, sagte Kevin, nachdem er ihm alles gezeigt und ihm die Schlüssel übergeben hatte. „Du hast alle unsere Telefon- und Handynummern. Außerdem ist Paulie für gewöhnlich in der Bar, falls du irgendetwas brauchst.“

Sean schüttelte ihm die Hand. „Wir sehen uns dann beim Abendessen. Ich freue mich, Beth und eure kleine Tochter kennenzulernen.“

„Lily ist ein Kracher. Vor einer Woche war ihr erster Geburtstag. Und sie liebt es, ihre Cousinen und Cousins zu terrorisieren.“ Er zog seine Brieftasche hervor. Als er sie aufklappte, kam ein Bild von einem quirlig wirkenden kleinen Mädchen zum Vorschein. Auf dem Kopf hatte die Kleine einen lustigen Zopf. Ihre blauen Augen strahlten, und sie hatte süße Grübchen und ein verschmitztes Lächeln.

„Eines Tages wird sie mal eine Menge Herzen brechen“, meinte Sean. Das hatte er jedenfalls andere Typen sagen hören, wenn sie Bilder von den Töchtern anderer Männer betrachtet hatten.

„Dann werde ich jede Menge Arme brechen. Joes Tochter Brianna sieht Lily ähnlich. Allerdings hat sie keine Grübchen. Sie ist jetzt viereinhalb Monate alt und höllisch laut.“ Kevin ging zur Tür. „Ich habe Beth versprochen, um drei zu Hause zu sein. Erst dann kann sie vorbereiten, was wir mit zu Ma nehmen wollen, ohne ständig über Lily zu stolpern. Die Kleine bleibt einfach nicht mehr da, wo man sie hinsetzt … Wir sehen uns dann gegen sechs.“

Als Kevin verschwunden war, ließ Sean sich aufs Sofa fallen und schloss die Augen. Es war schön, zu Hause zu sein – auch wenn das Zuhause nur eine geliehene Wohnung war. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren konnte er gehen, wohin er wollte, konnte tun und lassen, was auch immer er wollte. Die Army hatte ihm einen guten Start ins Leben ermöglicht, und er bereute die Jahre, in denen er gedient hatte, überhaupt nicht. Doch jetzt war er so weit, selbstständig leben zu wollen.

Und was war der erste Tagesordnungspunkt als selbstständiger Mann? Ein Nickerchen.

Als es an der Tür klopfte, schreckte er aus dem leichten Schlaf auf, in den er gerade erst geglitten war. Eigentlich erwartete er niemanden. Soweit er wusste, waren die einzigen Menschen, die ihn besuchen könnten, seine Verwandten. Und die traf er später bei seiner Tante und seinem Onkel. Trotzdem rechnete er damit, einen seiner Cousins zu erblicken, als er die Tür öffnete.

Doch er irrte sich gewaltig. Seine unerwartete Besucherin war ganz sicher nicht mit ihm verwandt. Und das war gut so, denn sein Körper reagierte so stark, als würde er zum ersten Mal einer hübschen Frau gegenüberstehen. Die Dame vor seiner Tür hatte eine wilde Mähne dunkler Locken in verschiedenen Farbtönen – es wirkte beinahe wie die Maserung von glänzendem Kirschholz. Ob man sie als brünett oder rothaarig bezeichnen konnte, hing wahrscheinlich auch vom Lichteinfall ab. Ihre Augen waren noch dunkler. Sie hatten die Farbe von starkem schwarzen Kaffee. Sie war groß, schlank und besaß Kurven an genau den richtigen Stellen.

Es war ein Körper, der unmissverständliche Reaktionen in ihm hervorrief – anders als der der sexy Barkeeperin. Diese Frau war nicht ganz so vollbusig. Und wenn er bedachte, wie sie auf ihren Körper zu achten schien, glaubte er, dass sie im Bett bestimmt gut zu ihm passen würde.

Okay. In Sachen Sex hatte er offensichtlich Nachholbedarf, wenn er bereits anfing, davon zu träumen, mit einer vollkommen Fremden zu schlafen, die nur zufällig an seine Tür klopfte.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte er, als sie nur dastand und ihn wortlos anblickte.

Sie zupfte an dem ausgefransten Bündchen ihres Sweatshirts herum, auf dem in kunstvollen Lettern Landschafts- und Gartengestaltung von Emma stand. „Sind Sie Sean Kowalski?“

„Jep.“

„Ich bin Emma Shaw … Ihre falsche Verlobte.“

„Wie bitte?“

Emma Shaw wusste, wie man sich einen falschen Mann aussuchte. Der waschechte Sean Kowalski war groß und hatte sonnengebräunte, starke Arme, über denen der blaue Stoff seines T-Shirts spannte. Seine dunkelblonden Haare, die er offenbar sehr kurz getragen hatte, wuchsen allmählich wieder. Ein Bartschatten schimmerte auf seinem ausgeprägten Kiefer, so als hätte er ein paar Tage lang vergessen, sich zu rasieren. Und auch wenn er sie im Moment misstrauisch ansah, waren seine Augen von dem hübschesten Blau, das sie je gesehen hatte.

Gut, vielleicht war es nicht nur Misstrauen, das in seinem Blick stand. Der Ausdruck zeigte auch, dass er fürchtete, sie könnte eine Verrückte sein, die eigenmächtig ihre Medikamente abgesetzt hatte. Eine Verrückte, die jeden Moment anfangen würde, wirres Zeug zu reden. Oder die ihm die handgefertigte Sean-Puppe zeigen würde, die sie gemacht hatte, um damit zu schlafen.

„Hey, Lady, ich hatte nie eine Verlobte – weder eine falsche noch eine andere“, sagte er ruhig, und seine Stimme klang so tief, dass Emmas Knie weich wurden. „Und es ist schon eine ganze Weile her, dass ich einen Filmriss hatte. Falls ich Sie also gebeten haben sollte, mich zu heiraten, würde ich mich mit ziemlicher Sicherheit noch an Ihr Gesicht erinnern.“

„Wir sind uns genau genommen nie begegnet.“

Er hörte auf, sie anzublinzeln, und stieß einen amüsierten Laut aus. „Lassen Sie mich raten – das ist ein Scherz meiner Cousins, die es lustig finden, mich so willkommen zu heißen, oder? Gut, also … Ha, ha. Jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun.“

Er wollte die Tür schließen, aber sie schlug mit der Hand dagegen. „Ich bin eine Freundin von Lisa. Sie ist wohl Ihre angeheiratete Cousine.“

„Mikeys Frau?“ Er machte die Tür wieder auf, als Emma nickte. „Vielleicht sollten wir mit dem Gespräch woanders anfangen. Zum Beispiel am Anfang.“

Sie holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. „Seit meinem vierten Lebensjahr hat meine Großmutter sich um mich gekümmert.“

„Vielleicht doch nicht ganz so weit am Anfang …“

„Sie hat sich vor ein paar Jahren mit einigen Freunden zusammen in Florida zur Ruhe gesetzt. Ich habe mich um das Haus gekümmert, in dem ich aufgewachsen bin. Aber die ganze Zeit über hat Gram sich Sorgen um mich gemacht. Irgendwann hat sie sogar davon zu sprechen begonnen, wieder zurückzuziehen – damit ich nicht so allein bin. Da habe ich ihr erzählt, ich hätte einen Freund. Kurz danach habe ich ihr gesagt, er wäre bei mir eingezogen. Und weil ich natürlich nur mit einem supertollen Typ zusammen sein würde, hat er mich nach einer Weile gefragt, ob ich ihn heiraten würde. Selbstverständlich habe ich Ja gesagt.“

„Und wie passe ich jetzt in diese Geschichte?“

„Ich war mit Lisa essen. Sie hat erwähnt, dass sie Ihnen ein Carepaket geschickt hätte. Ihr Name ist mir einfach durch den Kopf geschossen, als meine Großmutter mich am selben Abend nach dem Namen meines Freundes gefragt hat.“

Er schüttelte den Kopf. „Nur, dass ich es richtig verstehe: Sie haben Ihrer Großmutter erzählt, dass ein Kerl, den Sie nie getroffen haben, Ihr Freund ist?“

„Ich wollte nur, dass sie sich keine Sorgen mehr macht.“

„Vielleicht macht sie sich zu Recht Sorgen um Sie.“

Autsch. „Ich bin nicht verrückt.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie an. „Sie haben sich einen Freund ausgedacht.“

„Sie sind nicht ausgedacht. Nur … nicht informiert.“

Er lächelte nicht einmal. „Was wollen Sie von mir?“

Und nun kam der verrückte Teil – also, der noch verrücktere Teil. „Gram kommt zu Besuch. Sie möchte nach dem Haus sehen … und will Sie kennenlernen.“

Während sie sprach, achtete Emma darauf, dass sie weit genug von der Tür entfernt war, falls er vorhatte, ihr dieselbe vor der Nase zuzuschlagen. Sie zumindest hätte das getan, wenn ein Fremder bei ihr aufgetaucht wäre und ihr weiszumachen versucht hätte, sie hätten eine tiefe, bedeutsame Beziehung miteinander.

„Und … Was jetzt? Soll ich mit Ihnen beiden zusammen zu Abend essen? Soll ich ein paar Stunden lang so tun, als wäre ich Ihr Verlobter?“

„Sie bleibt einen Monat.“

Jetzt lachte er. Es war ein tiefes, ansteckendes Lachen, das den Wunsch in ihr weckte, mit einzustimmen – auch wenn er über sie lachte. Eigentlich konnte sie es ihm nicht verübeln. Selbst ihre beste Freundin Lisa hatte gelacht. Vielleicht weil sie geglaubt hatte, es wäre ein Witz. Und zu der Zeit hatte sie es tatsächlich nicht ernst gemeint. Doch da der Besuch ihrer Großmutter nun näher und näher rückte und sie noch immer nicht den Mut aufbringen konnte, ihr zu gestehen, dass sie keinen Verlobten hatte, kam ihr die Idee gar nicht mehr so absonderlich vor.

Sean war offenbar nicht ihrer Meinung. Er lachte so lange, dass sie nervös von einem Bein aufs andere trat, ehe er sich räusperte. „Da ich mir sicher bin, dass Sie nicht in dem Glauben hergekommen sind, ich würde bei Ihnen einziehen und einen Monat lang so tun, als wäre ich Ihr Verlobter, frage ich mich, was Sie von mir wollen.“

„Eigentlich bin ich hierhergekommen, um Sie zu fragen, ob Sie bei mir einziehen und einen Monat lang so tun würden, als wären Sie mein Verlobter.“ Nein, es klang nicht viel vernünftiger als bei der Probe vor ihrem Spiegel.

„Warum sollte ich das tun?“

Gute Frage. „Weil Sie nichts anderes vorhaben. Weil ich Sie auch bezahlen würde. Und … weil Sie ein netter Kerl sind?“

„Lady, Sie wissen nichts über mich.“

„Ich weiß, dass Sie gerade aus der Army ausgeschieden sind und dass Sie noch keine Wohnung haben. Außerdem haben Sie noch keinen Job. Und ich weiß, dass Sie ein echt netter Kerl sind.“

„Irgendjemand aus meiner Familie scheint ein loses Mundwerk zu haben.“

„Lisa ist so stolz auf Sie. Sie spricht viel über Sie.“

Er seufzte und strich sich übers Haar. „Hören Sie, ich bin kein Schauspieler, den Sie engagieren können. Wenn Sie Ihrer Großmutter nicht die Wahrheit sagen möchten, sollten Sie ihr einfach erzählen, dass Sie sich von Ihrem … also … von mir getrennt hätten.“

Sie wollte widersprechen – er sollte verstehen, dass sie nur ihre Großmutter glücklich machen wollte. Aber es war von vornherein ein wenig aussichtsreicher Versuch gewesen, und sie konnte nicht um jeden Preis daran festhalten.

„Na ja“, sagte sie schließlich, und ihre Stimme zitterte nur ein wenig. „Danke für Ihre Zeit. Und: Willkommen zu Hause.“

„Danke. Passen Sie auf sich auf.“

Selbst nachdem er in der Wohnung verschwunden war und die Tür geschlossen hatte, gelang es Emma, nicht in Tränen auszubrechen.

Davon ging die Welt nicht unter. Sie würde Gram erklären, dass sie sich getrennt hätten, und das wäre das Ende.

Allerdings würde ihre Großmutter nicht aufhören, sich Sorgen um sie zu machen. Wenn überhaupt, würde sie sich noch mehr um sie ängstigen. Sie würde sich nicht nur Sorgen machen, weil Emma allein war und sich um das Haus und das Geschäft kümmern musste. Nun würde sie sich auch noch Gedanken machen, weil ihre Enkelin wegen der geplatzten Verlobung ein gebrochenes Herz hatte. Selbst wenn Gram wieder nach Florida zurückkehren würde, wäre sie weiterhin beunruhigt. Und genau das hatte Emma eigentlich verhindern wollen.

Emma überquerte die Straße und warf zufällig einen Blick nach oben, als sie in ihren Wagen kletterte. Sean Kowalski stand am Fenster seines Apartments und beobachtete sie. Sie zwang sich, ihm ein freundliches Lächeln zuzuwerfen, und winkte kurz, bevor sie die Tür zuzog und den Schlüssel ins Zündschloss steckte.

Ein Jammer, dachte sie, und das nicht nur wegen Gram. Sean Kowalski war ein Mann, mit dem jede Frau gern eine Verlobung vortäuschen würde – wenn auch nur für einen Monat.

Erst gute zehn Minuten nachdem Sean durch die Tür des Kowalskischen Hauses getreten war, gelang es ihm, seine Jacke abzulegen. Die ganze Bande war versammelt, doch seine Tante schaffte es durch den Einsatz ihrer Ellbogen, als Erste bei ihm zu sein.

„Sean!“ Sie warf sich ihm in die Arme, und er drückte sie herzlich.

In der Zeit im Ausland hatte er sie mehr vermisst, als er gedacht hätte. Nachdem seine Mom vollkommen unerwartet gestorben war, als er gerade einmal neun Jahre alt gewesen war, hatte Tante Mary sich um ihn gekümmert. Und das, obwohl sie in einem anderen Bundesstaat lebte und selbst vier Kinder hatte. Sie hatte die Mutterrolle für ihre vier Neffen und ihre Nichte übernommen. Es war schon schön gewesen, seine Geschwister wiederzusehen, aber von seiner Tante gedrückt zu werden, während ihre Tränen seinen Hals benetzten, fühlte sich an, wie nach Hause zu kommen.

Vor lauter Rührung war er selbst ein bisschen sprachlos, als Onkel Leo ihn in die Arme schloss und ihm ein paarmal kräftig auf den Rücken klopfte. Obwohl Leo kleiner als sein Bruder Frank war, ähnelte er ihm in Aussehen und Verhalten doch so sehr, dass Sean unwillkürlich an seinen Dad denken musste, der neun Jahre zuvor verstorben war.

„Dein alter Herr wäre stolz auf dich gewesen“, erklärte Leo, und Sean nickte nur wortlos.

Dann brach der reinste Ansturm von Cousins und deren Familien über ihn herein. Zuerst wurde er von Joe und seiner hübschen neuen Frau Keri begrüßt, die ihr Baby Brianna mit den rosigen Bäckchen in den Armen hielt. Dann folgten Terry und Evan mit Stephanie, die mit ihren dreizehn Jahren allmählich zu einer hübschen jungen Dame heranwuchs. Kevin stellte ihm Beth vor, die nur knapp „Schön, dich kennenzulernen!“ hervorbringen konnte, da die quirlige Lily auf ihrem Arm ihre gesamte Aufmerksamkeit forderte.

Mikes und Lisas Familie war gewachsen, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Sean fand heraus, dass Joey inzwischen fünfzehn war, Danny zwölf, Brian neun und Bobby sieben, ehe Mary die Kinder zum Schweigen brachte und sie alle ins Esszimmer scheuchte.

„Das Essen ist fertig und kann gleich aus dem Ofen geholt werden“, sagte sie. „Lasst uns essen, solange es noch heiß ist.“

Und wie er es nicht anders erwartet hatte, bog sich der massive Esszimmertisch praktisch unter dem Gewicht der Köstlichkeiten, die zu seinem Empfang aufgefahren worden waren. Tante Mary hatte sogar Knoblauchbrot gebacken, das innen weich und saftig und außen schön kross war. Und es war natürlich nicht zu vergleichen mit seinem jämmerlichen Versuch, es mit einer Scheibe geröstetem Buttertoast mit Knoblauchsalz zu kopieren.

„Ich schwöre dir, Tante Mary, dass ich in der ganzen Zeit in Afghanistan nur an deine Lasagne denken konnte. Außer, wenn ich von deinem Rindfleischeintopf geschwärmt habe. Oder von deinem Hühnchen mit Knödeln.“

Sie schnalzte bescheiden mit der Zunge, doch er konnte an der leichten Röte, die ihre Wangen überzog, sehen, dass sie sich über das Kompliment freute. „Du hattest schon immer einen gesunden Appetit.“

Die Gesellschaft war so gut wie das Essen, und es wurde wild durcheinandergeredet und viel gelacht, während die gesamte Familie sich über die Lasagne hermachte. Sean erzählte ein paar abgeschwächte Geschichten aus Afghanistan. Joe gab zum Besten, wie er Keri dazu erpresst hatte, mit der gesamten Familie Kowalski zum Campingausflug zu fahren. Und Mike erzählte ihm, wie Kevin wie ein Mädchen in Ohnmacht gefallen war, als Lily das Licht der Welt erblickt hatte.

Als Sean sich vorstellte, wie sein Cousin wie ein Zementlaster, der eine Haarnadelkurve nicht bekam und ungebremst durch die Leitplanke raste, umgekippt war, musste er sich vor Lachen den Bauch halten. Vielleicht hätte er den dritten Nachschlag, zu dem seine Tante ihn überredet hatte, doch lieber weglassen sollen.

„Heute Abend ist Spieleabend“, verkündete der neunjährige Brian, als die Unterhaltung allmählich zu Ende ging und sie anfingen, den Tisch abzuräumen. „Bleibst du hier und spielst mit?“

„Na klar.“ Er hatte sowieso nichts Besseres vor. „Gib mir nur ein paar Minuten, um das Essen sacken zu lassen, okay?“

„Sean spielt mit“, brüllte der Junge, während er zu den anderen rannte. „Er ist in meiner Mannschaft!“

„Wir wissen doch noch gar nicht, was wir spielen“, gab Danny zu bedenken.

„Mir egal. Er ist trotzdem in meiner Mannschaft.“

Während die Familie mit einer Leidenschaft, die man sonst nur von Friedensverhandlungen kannte, beratschlagte, welche Brettspiele infrage kamen, trat Sean auf die Veranda hinaus, um frische Luft zu schnappen. Als er die Schiebetür schloss und nach links ging, wo er außer Sichtweite der Verwandten im Haus war, wäre er beinahe mit Lisa zusammengestoßen.

Sean hatte Mikes Frau schon immer gemocht. Sie war klein und zierlich – vielleicht einen Meter sechzig –, aber äußerst resolut. Sie hatte eine eigene Meinung, die sie auch entschlossen vertrat, und ließ sich von niemandem herumschubsen.

„Ich habe heute eine Freundin von dir getroffen“, sagte er.

„Ach ja?“

„Groß. Heiß. Vollkommen bekloppt.“

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ihr zu dämmern schien, von wem er sprach. Sie errötete. „Das hat sie nicht getan …“

„O doch. Sie hat an meine Tür geklopft und mir erklärt, sie wäre meine Verlobte. Und sie meinte, du wüsstest darüber Bescheid, dass sie für ihr kleines Spielchen meinen Namen benutzt.“

Beschwichtigend legte sie die Hand auf seinen Arm. „Es war harmlos, Sean. Wirklich. Sie wollte nur, dass ihre Großmutter sich nach dem Umzug nach Florida keine Sorgen um sie macht.“

„Hat sie dir von ihrem großartigen Plan erzählt?“

Sie verzog das Gesicht. „O nein. Sag mir, dass sie das nicht getan hat.“

„Doch, das hat sie.“

„Ich dachte, sie macht nur Spaß.“

„Und ich dachte, es wäre nur ein Scherz, den dein Ehemann und seine Brüder sich ausgedacht hätten, aber sie meinte es ernst.“

Lisa schüttelte den Kopf, doch er bemerkte das Lächeln, das um ihre Mundwinkel spielte. „Wie genau sieht der Plan denn aus, von dem sie dir erzählt hat?“

„Was hat sie dir denn erzählt?“

„Sie hat angedeutet, dass du vielleicht so tun könntest, als wärst du ihr Freund.“

Das klingt ja noch fast vernünftig.„ Er lachte kurz auf. “Mittlerweile sieht ihr Plan vor, dass ich bei ihr einziehe und so tue, als wäre ich ihr Verlobter. Einen Monat lang.“

Sie mied seinen Blick. „Vielleicht hat sie auch etwas in der Richtung erwähnt … Sie hat allerdings dabei gelacht, also dachte ich, dass es ein Witz gewesen wäre.“

„Nein.“ Sean verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich ans Haus. Er sollte eigentlich hineingehen und nachsehen, ob noch etwas von der Blaubeerpastete übrig war. Emma Shaw war nicht mehr als ein kurzzeitiges Blinken auf seinem Radar, und er sollte nicht länger über sie nachdenken. Allerdings war sie keine Frau, die man so leicht vergaß. „Also, was ist los mit ihr?“

„Ihre Großmutter hat oft darüber gesprochen, das Haus zu verkaufen, weil sie befürchtet, dass es zu viel für Emma sein könnte. Emma will jedoch kein anderes Haus. Und so hat sie sich einen Mann ausgedacht.“

„Sich einen Mann auszudenken, ist ja fast noch normal. Sie hat sich allerdings eine ganze Lebensgeschichte für mich überlegt. Und das ist definitiv nicht mehr normal.“

„Es ist ein echt schönes Haus.“ Er sah sie nur stumm an, bis sie lachte und mit den Schultern zuckte. „Okay, es ist verrückt, aber …“

„Aber sie macht das alles nur aus Liebe zu ihrer armen alten Großmutter. Ja, das habe ich verstanden.“

Der Blick, den sie ihm zuwarf, zeigte deutlich, dass ihr sein wenig schmeichelhafter Tonfall nicht entgangen war. Es war ein Blick, der ihn vermutlich eingeschüchtert hätte, wenn er mit ihr hätte leben und neben ihr hätte schlafen müssen oder von ihren Kochkünsten abhängig gewesen wäre. Doch glücklicherweise war er nicht in dieser Situation, also grinste er und zwinkerte ihr zu.

Sie atmete tief durch. Ihre Miene wurde ernst. „Emmas Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben, als sie vier Jahre alt war. Sie wollten Weihnachtsgeschenke besorgen. Ihre Großmutter Cat und ihr Großvater John, der vor zehn Jahren gestorben ist, haben auf Emma aufgepasst. Als die Polizei die schlimme Nachricht überbrachte, haben sie keine Sekunde gezögert, das Kind zu sich zu nehmen. Sie waren alles, was die Kleine noch hatte. Und während Cat und Johns Freunde es genossen, dass die Kinder aus dem Haus waren, und sich zur Ruhe setzten und Reisen machten, fingen die Shaws mit einer trauernden Vierjährigen noch einmal von vorn an.“

„Ich bin mir sicher, dass es reizende Menschen sind, Lisa. Aber … komm schon.“

„Cat wollte nicht zeigen, wie gern sie mit ihren Freunden zusammen nach Florida ziehen wollte, doch Emma wusste es. Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis Emma ihre Großmutter davon überzeugt hatte, dass es okay war zu gehen. Und selbst dann sprach Cat bei jedem Telefonat davon, wieder zurück nach New Hampshire zu ziehen, weil Emma allein wäre und das Haus zu groß für einen einzigen Menschen und der Garten zu riesig, um ihn zu pflegen, und so weiter und so weiter. Also hat Emma sich einen Mann ausgedacht, und Cat war frei, um ihren Buchklub und ihren Line-Dance-Unterricht zu genießen.“

Sean wollte auf den himmelweiten Unterschied hinweisen, sich einen Freund nur auszudenken und einen Fremden tatsächlich zu bitten, einen Monat bei einem einzuziehen, als seine Tante auf die Veranda kam und die Schiebetür hinter sich schloss.

„Ich wusste, dass ich dich hier draußen finden würde.“ Sie lächelte, um ihm zu zeigen, dass sie nicht beleidigt war, dass er sich von seinem eigenen Willkommensessen schlich, um ein paar Minuten Ruhe zu haben. „Worüber habt ihr zwei euch unterhalten?“

„Ich habe heute eine Freundin von Lisa getroffen“, sagte er. Belustigt bemerkte er, wie Lisa die Augen aufriss und ihm hinter dem Rücken ihrer Schwiegermutter mit hektischen Zeichen etwas mitzuteilen versuchte. „Emma Shaw.“

„Emma Shaw … Oh! Sie arbeitet in der Landschafts- und Gartengestaltung, oder?“ Lisa nickte. „Sie ist so ein nettes Mädchen. Ich habe sie allerdings schon lange nicht mehr gesehen. Nicht mehr, seit ich euch zufällig im Einkaufszentrum getroffen habe, als ihr gerade über ihre Verlobung gesprochen habt. Wie geht es ihr und ihrem Verlobten?“

Lisa machte den Mund auf und schloss ihn gleich wieder. Sean hatte die Arme vor der Brust verschränkt, sah sie an und wartete darauf, wie sie sich aus der Affäre zog, ohne Tante Mary anzulügen – oder ob es ihr überhaupt gelang.

„Ich … Ich glaube, sie haben einige Schwierigkeiten“, sagte sie schließlich. Nettes Ausweichmanöver. Und die Untertreibung des Jahres.

„Ach, das ist ja schade. Wie heißt ihr Verlobter? Ich wollte schon damals danach fragen, doch ihr habt plötzlich über einen Ausverkauf in irgendeinem Schuhgeschäft geredet, und ich habe es schlicht vergessen.“

Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Lisa sich geschlagen gab und seufzte. „Sean.“

„Wie lustig“, entgegnete Mary und lächelte ihn an, bevor sie sich wieder ihrer Schwiegertochter zuwandte. „Wie heißt er mit Nachnamen? Vielleicht kenne ich seine Familie.“

Garantiert.

„Sie hat ihrer Großmutter erzählt, dass sie mit unserem Sean zusammen ist“, murmelte Lisa.

Als seine Tante ihm einen Blick zuwarf, bei dem selbst gestandene Kowalski-Männer zusammengezuckt wären, hob Sean abwehrend die Hände. „Ich hatte nichts damit zu tun. Ich wusste es nicht einmal.“

„Wie kannst du nicht wissen, dass ihr verlobt seid?“

„Ich war in Afghanistan. Und ich bin ihr vor ein paar Stunden zum ersten Mal begegnet.“

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Das verstehe ich nicht.“

„Das ist keine große Sache“, entgegnete Lisa. „Sie wollte nicht, dass ihre Großmutter sich Sorgen um sie macht, also hat sie ihr gegenüber behauptet, einen Freund zu haben. Seans Name war der erste, der ihr eingefallen ist.“

„Das ist verrückt.“

Sean grinste Lisa an. „Was habe ich dir gesagt?“

Die Schiebetür wurde geöffnet, und Joey steckte den Kopf heraus. „Sean, du bist zum Monopoly-Spielen eingezogen worden, und sie fangen an zu schummeln, wenn du nicht endlich kommst. Du bist dran.“

Da er lieber direkt ins Gefängnis und nicht über Los ging, statt Lisa weiter dabei zuzuhören, wie sie versuchte, Tante Mary Emma Shaws Beweggründe zu erklären, zuckte er entschuldigend mit den Schultern und folgte Joey ins Wohnzimmer. Das Spiel hatte bereits begonnen, also blieb ihm nur noch der blöde Fingerhut als Spielstein. Aber er grinste nur und ließ sich neben dem großen Couchtisch auf dem Boden nieder.

In den folgenden Minuten wurde er von den Kindern seiner Cousins derart vernichtend geschlagen, dass ihm Hören und Sehen verging. Die Kids hatten einen Riecher für Grundstücksgeschäfte wie Donald Trump und den Sportsgeist von John McEnroe, wenn er einen Linienrichter in der Mangel hatte. Ein Mann konnte sich nicht ein paar Minuten auf dunkle Locken und flehentlich dreinblickende braune Augen konzentrieren, ohne dass auf dem Spielfeld an jeder möglichen und unmöglichen Ecke Hotels aus dem Boden schossen. Ein Moment der Unaufmerksamkeit und die Erinnerung an die Art, wie sein Körper auf Emma Shaws Anblick reagiert hatte, reichten aus, und er ertappte sich dabei, wie er Bobby einen Ausflug in ein Schnellrestaurant versprach, wenn der Kleine ihm im Gegenzug eine Handvoll Papiergeld lieh.

Auch bei Scattergories, dem Spiel, bei dem es darum ging, sich zu einem bestimmten Anfangsbuchstaben möglichst viele Begriffe auszudenken, schlug er sich nicht besser. Obwohl ihm zum Buchstaben L und der Kategorie Tätigkeiten sofort der Begriff „Landschaftsgärtnerin“ einfiel. Stephanie schlug sie alle, denn ihr gelang es sogar, sich in der Zeit noch passende Adjektive auszudenken. „Pingeliger Professor“. Bei Früchten und dem Buchstaben F schrieb sie „frische Feigen“ auf. Seans Antwortfeld blieb dagegen leer.

Nachdem die Punkte gezählt worden waren, kritzelte er ein paar Adjektive für seinen Begriff in der Kategorie Tätigkeiten und dem Buchstaben L aufs Papier. „Liebliche Landschaftsgärtnerin“. „Liebeshungrige Landschaftsgärtnerin“. Oder vielleicht … „lustvolle Landschaftsgärtnerin“?

„Die Erwachsenen holen die Karten raus, um ein bisschen zu pokern“, informierte Kevin ihn. „Wir nehmen keine Schecks.“

Mist. Wenn er so weitermachte, wäre er spätestens in der dritten Runde blank.

2. KAPITEL

Einen Reinigungsservice, dachte Emma, als sie ein weiteres Nest von sich in Windeseile vermehrenden Wollmäusen mit dem Staubsauger attackierte. Den wünsche ich mir von der Geburtstagsfee.

Genau genommen hätte sie gern Sean Kowalski zum Geburtstag bekommen, doch der hatte sich selbst von der Wunschliste gestrichen. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als ihren Frust an den dunklen Ecken ihres Hauses auszulassen, in denen sich klammheimlich die Wollmäuse fortpflanzten. Nein, nicht ihres Hauses. Des Hauses ihrer Großmutter.

Sollte sie Gram am Telefon erzählen, dass sie und Sean sich getrennt hätten? Oder sollte sie damit besser warten, bis sie hier war?

Das war die Frage, die sie sich stellte, seit sie Seans Apartment am Tag zuvor verlassen hatte. Aber sie hatte noch immer keine Antwort darauf. Gram wäre traurig und würde sie trösten wollen. Doch das konnte sie nicht, wenn sie 2.464 km weit entfernt war.

Das Handy vibrierte in Emmas Gesäßtasche. Sie schaltete den Staubsauger aus und zog das Telefon aus der Tasche. Ein Bild von Lisa, das sie im vergangenen Sommer am Old Orchard Beach aufgenommen hatte, tauchte auf dem Display auf. Sie spielte ernsthaft mit dem Gedanken, das Handy stumm zu schalten. Normalerweise rief Lisa sie morgens nie an, da sie, Emma, für gewöhnlich arbeitete. Und soweit sie wusste, hatte Lisa keine Ahnung, dass sie einige Termine verschoben hatte, um sich Zeit freizuschaufeln und sich intensiv um das Haus zu kümmern, ehe Gram kam. Das hieß wiederum, dass etwas passiert war, und sie hatte das ungute Gefühl, dass es etwas mit Sean Kowalski zu tun hatte.

Nach einem tiefen Atemzug, der sie beruhigen sollte, was aber nicht klappte, nahm sie das Gespräch an. „Hallo, Lisa.“

„Hast du Sean ernsthaft gefragt, ob er zu dir zieht?“

Emma stöhnte und sank auf die Couch. „Ja, das habe ich.“

„Hat er dir die Tür vor der Nase zugeschlagen?“

„Nein. Er war sehr höflich und hat darauf geachtet, keine zu hektischen Bewegungen zu machen.“

„Ich glaube, seine Worte waren ‚vollkommen bekloppt‘.“

Autsch.

„Allerdings auch ‚heiß’“, fuhr Lisa fort. „‚Groß. Heiß. Vollkommen bekloppt.‘ So lautete seine Beschreibung.“

„Heiß“ war nicht schlecht. Doch wenn sie sich seinen Gesichtsausdruck ins Gedächtnis rief, bezweifelte sie, dass dieses „heiß“ heiß genug war, um „vollkommen bekloppt“ aufzuwiegen oder gar zu übertreffen. „Ich glaube, ich warte, bis Gram hier ist, um ihr dann zu sagen, dass mein Verlobter und ich uns getrennt haben.“

„Das ist doch Blödsinn. Wenn du behauptest, es wäre gerade erst passiert, wird sie sich fragen, warum du nicht völlig am Boden zerstört bist. Aber wenn du sagst, es wäre lange genug her und du wärst darüber hinweg, wird sie sich aufregen, weil du es ihr nicht erzählt hast.“

„Letzte Woche hat sie gemeint, sie würde sich darauf freuen, ihn kennenzulernen. Und ich habe gesagt, dass es ihm genauso geht.“ Sie brauchte irgendetwas, um ihren Kopf dagegen zu schlagen. „Wie bin ich nur in diese ganze Sache geraten?“

„Dein Mund arbeitet schneller als dein Hirn.“

„Danke.“

„Also, was denkst du über ihn?“, fragte Lisa und senkte die Stimme, als wollte sie lästern.

Es hätte kein Problem sein sollen, die Frage zu beantworten. Denn seit Emma am Vortag das Apartment verlassen hatte, hatte sie praktisch ununterbrochen über Sean nachgedacht. Außer, wenn sie sich das Hirn über ihre Gram zermartert hatte. „Ich weiß nicht. Groß, heiß und bedauerlicherweise nicht vollkommen bekloppt. Doch ich habe sein Gesicht ja schon vorher gesehen.“

„Fotos werden diesem Mann nicht gerecht. Selbst eine sehr glücklich verheiratete Frau wie ich kann das sehen.“

Nein, das tun sie wirklich nicht, dachte Emma. Ihr Blick wurde von dem verrückten Foto von Sean angezogen, das über dem Ohrensessel hing. Es war verrückt, weil er darauf eigentlich bei einem Familien-Barbecue zu sehen war und seinen Arm um Lisas Nichte Stephanie gelegt hatte, aber inzwischen jemand anders von dem Bild lächelte. Nachdem Gram nach Fotos gefragt hatte, hatte Lisa dabei geholfen, Emma an Stephanies Stelle in das Foto einzufügen. Emma wollte sich lieber gar nicht vorstellen, was Sean davon halten würde.

„Ich würde ihn nicht von der Bettkante schubsen“, gab sie zu, als Lisa noch immer in erwartungsvoller Stille auf eine Antwort wartete.

Vielleicht war es das Beste gewesen, dass er Nein gesagt hatte. Dass sie auf der Couch nächtigte, während Sean Kowalski nur ein paar Meter von ihr entfernt in ihrem Bett schlief, war theoretisch eine tolle Idee gewesen. Nachdem sie den Mann nun jedoch kennengelernt hatte, kam es ihr doch nicht mehr wie ein guter Plan vor, ihm im Dunkeln so nah zu sein, aber nicht das Bett mit ihm zu teilen.

Die Arbeit lenkte sie ab. Sie war kein Mensch, der gern in Bars herumhing. Und keiner der Männer, die sie bisher kennengelernt hatte, hatte ihren Motor so richtig auf Hochtouren gebracht. Also hatte sie gerade eine Durststrecke. Wenn sie sich ihre Reaktion auf das bloße Treffen mit Sean in Erinnerung rief, so hatte dieser Mann ganz offensichtlich das Potenzial, ihren Motor so aufheulen zu lassen, als würde sie auf der Pole Position bei einem Formel-1-Rennen stehen.

„Mist, ich muss los“, sagte Lisa. „Die Jungs haben in einer Stunde Zahnarzttermine, und ich habe meinen Jüngsten gerade mit einer Handvoll bunter Kaubonbons vorbeirennen sehen.“

„Dann mal viel Spaß.“ Emma war sich nicht sicher, wie ihre Freundin das alles schaffte. Wenn Emma vier Jungs hätte, würde sie ihre Tage im Badezimmer verbringen – bewaffnet mit einer Flasche Wick MediNait, an der sie immer wieder nippen würde, weil es so schön beruhigte.

„Wenn wir uns vor der Ankunft deiner Großmutter nicht mehr sprechen, wünsche ich dir schon mal viel Glück.“

„Danke.“ Das konnte sie brauchen.

Nachdem sie ihr Handy wieder in ihre Hosentasche gestopft hatte, rückte Emma die Couch von der Wand und tat ein neues Nest von Wollmäusen auf, an denen sie ihren Frust abbauen konnte.

Mit dem Zeh drückte sie den Schalter am Staubsauger und hoffte, dass das Brummen der Maschine das nicht länger leise Summen ihres eigenen vernachlässigten Motors übertönen würde.

Sean verglich die Nummer, die er zusammen mit einer Wegbeschreibung von Lisa erhalten hatte, mit der Nummer auf dem Briefkasten. Langsam bog er auf Emma Shaws Einfahrt.

Das solide, traditionelle Bauernhaus im neuenglischen Stil am Ende der Einfahrt war wunderschön. Es hatte eine weiße Außenverkleidung – aus getünchten Schindeln, nicht aus Kunststoff – und dunkelgrüne Fensterläden, die zum Metalldach passten. Eine Veranda zog sich von der Vorderseite um die Ecke bis zu einer Tür, die vermutlich zur Küche führte. An jedem Stützpfeiler hingen Körbe mit üppigen Blumen in den verschiedensten Farben.

Eine Gruppe bunter Schaukelstühle und Beistelltische auf der Veranda lud dazu ein, sich zu setzen und ein bisschen zu plaudern. Blumenbeete umgaben das Haus. Keine große Überraschung, nahm er an, als er neben einem Pick-up hielt, an dem Magnetschilder mit demselben Logo angebracht waren, das auch auf Emmas Sweatshirt geprangt hatte. Landschafts- und Gartengestaltung von Emma.

Er stieg aus und ging die Stufen zur Eingangstür hinauf. Nachdem er tief durchgeatmet hatte – was nicht half, da Sauerstoff einen Anfall von Wahnsinn nicht heilen konnte –, klingelte er an der Tür.

Es dauerte fast eine Minute, bis Emma die Tür öffnete. Sie sah unglaublich süß aus. Ihr Haar trug sie zu einem lockeren Zopf, und auf ihrer Nase war ein Schmutzfleck. Schnell schob er die Hände in die Hosentaschen, damit er nicht unwillkürlich den Arm ausstreckte, um den Fleck zu entfernen.

Ihre Augen wurden groß, als sie ihn erblickte. „Hallo.“

„Haben Sie einen Moment?“

„Klar.“ Sie machte einen Schritt zurück und ließ ihn in den Flur treten. Gleich zur Linken befand sich ein großes Wohnzimmer. Sämtliche Möbelstücke waren in die Mitte des Raumes gerückt worden. In der Luft hing der Geruch von Murphy-Ölseifenreiniger und Möbelpolitur mit Zitronenduft.

„Bereiten Sie sich auf eine Inspektion mit einem weißen Handschuh vor?“

Sie verzog das Gesicht und rieb sich über die Nase, womit sie allerdings alles nur noch schlimmer machte. „Gram ist gar nicht so. Mir geht nur so viel im Kopf herum, und wenn das so ist, dann putze ich. Das ist eine Art Tick.“

Er war sich nicht sicher, wie er anfangen sollte. „Gestern Abend war ich bei meiner Tante und meinem Onkel zum Abendessen.“

„Wie geht es den beiden? Ich habe Mrs K. seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

„Es geht ihnen gut. Ich hatte die Möglichkeit, mich mit Lisa zu unterhalten. Sie meint, dass Sie nicht übergeschnappt sind.“

„Das sagte ich Ihnen bereits.“

„Verrückte Menschen wissen oft nicht, dass sie verrückt sind.“

Missmutig blies sie sich die Strähnen aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. „Glauben Sie mir, ich weiß, dass die Umstände verrückt sind. Ich selbst bin vollkommen normal. Möchten Sie etwas zu trinken? Ich habe Limonade. Eistee. Ich fürchte, das Soda ist alle – auch eine Erklärung für den rasenden, durch literweise Kaffee angeregten Putzrausch.“

„Nein danke.“ Er bezweifelte, dass er lange genug bleiben würde, um ein Glas zu leeren. „Also, mal sehen, ob ich es richtig verstanden habe: Es ist überhaupt erst so weit gekommen, weil Ihre Großmutter nach Florida gezogen ist und ihr Leben dort nicht genießen konnte, weil sie sich immer Sorgen um Sie gemacht hat?“

Sie nickte und hockte sich auf die Sofalehne. „Statt Spaß zu haben, hat sie sich ständig Gedanken um mich gemacht. Weil ich allein in diesem großen Haus bin. Weil ich vergessen könnte, die Batterien in den Rauchmeldern zu wechseln. Oder weil ich beim Reinigen der Regenrinnen am Haus von der Leiter fallen könnte. Im ersten Moment kam es mir harmlos vor, ihr vorzuschwindeln, ich hätte einen Mann an meiner Seite.“

„Warum sagen Sie ihr nicht, dass Sie einen Handwerker engagiert haben oder so etwas?“

Sie lachte, und er versuchte, zu ignorieren, wie sehr ihm ihr Lachen gefiel. „Damit sie verrückt vor Angst wird, weil ich vielleicht ausgerechnet einen Serienkiller auf der Durchreise eingestellt habe? Nein, ein Freund war die bessere Lösung. Vor allem ein Freund, dessen Familie ich so gut kenne. Sie sind der Cousin des Mannes meiner besten Freundin. Wie verkorkst können Sie schon sein?“

„Was haben Sie ihr von mir erzählt? Was habe ich getan, bevor ich Ihr eingebildeter Freund wurde?“

„Ich habe ihr gesagt, dass Sie in der Army waren und dass wir uns kennengelernt hätten, als Sie im Urlaub Ihre Familie besucht haben.“ Sie zuckte die Achseln. „Und dass wir anfingen, uns zu verabreden, als Sie schließlich die Army verlassen haben. Es ist leichter, sich alles zu merken, wenn ich möglichst nahe an der Wahrheit bleibe. Die zeitliche Abfolge der Geschehnisse ist natürlich anders. Sie glaubt, dass Sie schon früher aus der Army entlassen wurden, als es tatsächlich der Fall war.“

Kopfschüttelnd schob er die Hände in die Hosentaschen und war sich ziemlich sicher, dass er den Verstand verloren hatte. „Was springt für mich dabei heraus?“

Sie wirkte genauso überrascht, wie er sich bei der Vorstellung, den Plan tatsächlich in Betracht zu ziehen, fühlte. „Was springt für Sie dabei heraus … Ein Job auf Zeit in der Landschafts- und Gartengestaltung – Sie sollen also nicht nur hier leben. Und eine Unterkunft.“

„Ich habe schon eine Unterkunft. Und Männer wie ich finden immer einen befristeten Job.“

„Männer wie Sie?“

Er lächelte und sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Kräftige Männer, die sich nicht zu schade sind, sich die Hände schmutzig zu machen. Was noch?“

„Nichts, fürchte ich. Für Sie springt nichts dabei heraus.“ Sie ließ einen Moment lang die Schultern hängen, ehe sie sie wieder straffte und lachte. „Es war sowieso verrückt. Ich wollte nur, dass Gram sich nicht länger um mich sorgt und ihr Leben lebt. Sie liebt Florida – das höre ich ganz deutlich aus unseren Telefonaten heraus –, aber sie ist hin- und her gerissen.“

„Würde sie denn nicht zu Ihrer Hochzeit kommen wollen?“

„Ich dachte nicht, dass es überhaupt so weit gehen würde. Ich hatte angenommen, dass ich irgendwann einen netten Kerl kennenlernen würde – einen echten, der wissen würde, dass es mich gibt. Wir hätten angefangen, uns zu verabreden. Später hätte ich Gram gesagt, dass Sie und ich uns getrennt hätten, und nach einer Weile hätte ich ihr von meinem neuen Freund erzählt. Dem echten.“

„Doch so war es nicht.“

Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Nein. Um ehrlich zu sein, habe ich gar nicht richtig gesucht. Ehe ich heirate und Kinder kriege, möchte ich meine Firma so weit bringen, dass ich jemanden einstellen kann, der die schweren Arbeiten erledigt, sodass ich mich nur noch um die Gartengestaltung kümmern kann.“

Er sollte in seinen Wagen springen und wegfahren. Schließlich hatte er selbst genug Probleme und musste sein eigenes Leben auf die Reihe bringen. Einen Monat lang mit Emma Vater-Mutter-Kind zu spielen, wäre ein seltsamer Umweg. Wenn er weiterhin über Kevins Bar wohnte und sich irgendwo einen Job auf dem Bau suchte, hätte er alles, was er brauchte – allerdings ohne diese ganze Seifenoper.

Aber Emma kam ihm wie eine anständige Frau vor, die sich selbst in eine scheinbar ausweglose Situation gebracht hatte. Nicht aus egoistischen Gründen, sondern weil ihre Großmutter sich entspannen und ihre Bingo-Abende genießen sollte. Lisa mochte sie natürlich. Und auch seine Tante Mary hielt große Stücke auf sie – und seine Tante hatte eine unglaubliche Menschenkenntnis.

Er räusperte sich. „Zwischen meinem Schulabschluss und meiner Unterschrift unter dem Vertrag mit der Army habe ich ein Motorrad zu Schrott gefahren. Es hat mich ziemlich schlimm erwischt. Aber als Tante Mary angerufen hat, weil sie sich immer spätestens nach zwei Wochen bei uns meldete, habe ich ihr erzählt, ich hätte nur ein paar Abschürfungen und einen geprellten Ellbogen. Ich habe sogar meine Familie dazu überredet, für mich zu lügen.“

Emma nickte. „Sie hätte sowieso nichts tun können und sich nur fürchterliche Sorgen gemacht, wenn sie die Wahrheit erfahren hätte.“

„Ja. Also kann ich Sie verstehen. Was Ihre Beweggründe sind und wie das alles so weit kommen konnte, meine ich.“

„Es hat als harmlose kleine Notlüge begonnen, doch dann ist es irgendwann aus dem Ruder gelaufen. Und ich habe Angst, dass meine Großmutter nicht mehr nach Florida zurückkehrt, wenn sie erst hierherkommt und sieht, dass ich allein bin. Sie liebt Florida, und ihre besten Freunde wohnen mittlerweile ebenfalls dort.“

Offenbar war er genauso verrückt wie sie. „Falls ich mitspiele, was ist eigentlich Ihr Ziel?“

„Mein Ziel?“ Sie zuckte die Schultern. „Ich hoffe, dass sie mir vor ihrer Abreise das Haus verkauft. Und dann warte ich eine Zeit lang und erkläre ihr irgendwann, dass wir beide uns getrennt hätten.“

„Einen Moment mal. Sie wollen sie unter falschen Voraussetzungen dazu bringen, Ihnen das Haus zu überlassen?“

Sie schüttelte den Kopf, und ihr Zopf schwang hin und her. „Nicht überlassen. Verkaufen. Ihre Gründe, mir das Haus nicht zu verkaufen, sind lächerlich. Und ehe Sie um meine Hand angehalten haben …„ Er versuchte, nicht auf ihre Worte zu reagieren, aber es war verdammt seltsam, wenn sie so über ihn sprach. Als hätte er ein Doppelleben, an das er sich nicht erinnern konnte. “… wollte sie es auf den Markt bringen. Sie wollte nicht, dass ich mich durch das große alte Haus verpflichtet fühle und mich nicht frei entwickeln kann.“

Er sah sie an, und in ihren kaffeebraunen Augen stand ein so intensiver Ausdruck, dass er beinahe einen Schritt zurück gemacht hätte. Es schien so, als würde sie die Wahrheit sagen. „Falls ich den Eindruck bekommen sollte, dass Sie nur eine Versagerin sind, die das Haus ihrer Granny ergaunern will, ist die ganze Sache für mich augenblicklich beendet.“

„Wollen Sie mir den Gefallen tatsächlich tun?“

„Ich glaube schon.“ Er zog den billigen Ring hervor, den er am Morgen im Kaufhaus besorgt hatte, und reichte ihn ihr.

„Moment.“ In ihrer Stimme schwang leichte Panik mit. „Was machen Sie da?“

„Es gibt Ausflüchte, und es gibt klare Lügen. Ich würde Letzteres gern auf ein Minimum beschränken, also werde ich um Ihre Hand anhalten, und Sie werden Ja sagen.“

„Oh. Okay.“

„Also? Wie sieht es aus? Wollen Sie … Willst du dich mit mir verloben?“

Als sie errötete und nickte, steckte er ihr den Ring an den Finger. Er musste ein bisschen drücken, um ihn über ihren Fingerknöchel zu bekommen, doch er passte besser, als er gedacht hätte. Dann wurde es ein bisschen peinlich, denn eigentlich hätte nach einem Heiratsantrag noch irgendetwas folgen müssen. Ein Kuss. Eine Umarmung. Verdammt, mindestens ein Handschlag.

Verlegen schob sie die Hände mit dem neuen Ring am Finger in die Taschen ihrer Jeans. „Danke. Dass du das für mich tust, meine ich. Und für den Ring. Ich kann dir das Geld dafür geben.“

„Mach dir darüber keine Gedanken.“ Falsche Absichten hin oder her: Keine seiner Frauen würde sich ihren Schmuck selbst kaufen müssen. „Also, teilen wir uns in diesem Märchen ein Schlafzimmer?“

Ihm gefiel es, wie sie errötete, und er verspürte den unmissverständlichen Drang, mit dem Daumen über ihre Wangen zu streichen, um herauszufinden, ob ihre Haut sich so erhitzt anfühlte, wie sie aussah. „Sie weiß, dass wir zusammenleben. Theoretisch. Also geht sie vermutlich davon aus, dass wir miteinander schlafen.“

Das war ein Plan, hinter dem er voll und ganz stand. „Und wie, schlägst du vor, soll das Problem gelöst werden?“

„Ich stelle ein Sofa ins Schlafzimmer. Zum Lesen und um fernzusehen … und damit ich darauf schlafen kann. Du kannst das Bett haben.“

Das konnten sie später noch erörtern. „Und jetzt? Wann kommt sie?“

„In drei Tagen.“

„Wow. Das nenne ich kurzfristig.“

„Vielleicht sollten wir uns vorher zum Abendessen treffen, damit wir reden und ein bisschen übereinander erfahren können. Ich habe morgen viel zu tun, aber ich könnte auf dem Heimweg eine Pizza holen, wenn du Lust hast, zu mir zu kommen.“

Ein erstes Date mit meiner Verlobten, dachte Sean. Das Leben nach der Army entpuppte sich als weit weniger langweilig, als er befürchtet hatte. „Klingt gut. Ich mag alles auf meiner Pizza, was nicht in die Kategorie ‚Gemüse‘ fällt. Um wie viel Uhr soll ich da sein?“

„Gegen sechs? Ich werde morgen knietief in Dünger waten, also muss ich vorher noch duschen.“

Da er sich dieses Bild nicht genauer ausmalen wollte, nickte Sean nur und wandte sich dann zur Tür um. „Dann sehen wir uns um sechs.“

Er war schon fast weg, als sie noch einmal seinen Namen rief. „Du überlegst es dir doch nicht noch einmal anders, oder?“

„Wie gesagt, falls ich den Eindruck bekommen sollte, dass du sie betrügst – außer es geht um ihr seelisches Wohl –, bin ich weg. Ansonsten habe ich dir mein Wort gegeben und werde die Sache auch durchziehen.“

Er konnte beinahe sehen, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich. „Danke.“

„Soll ich dir helfen, die Möbel zurückzustellen, ehe ich gehe?“

„Nein danke. Ich bin noch nicht damit fertig, die Fußleisten abzuwischen.“

Zum Abschied hob er die Hand und ging hinaus. Ihnen blieben drei Tage, um so vertraut miteinander zu werden, dass sie als in wilder Ehe zusammenlebendes, verlobtes Paar durchgingen.

Innerlich löschte er das Wort „vertraut“. An ihrer Beziehung würde es nichts Vertrautes geben. Abgesehen von der unvermeidlichen Nähe im Schlafzimmer. Sie würden eine Rolle spielen, mit inszenierten Küssen und gespielter Zuneigung. Sobald der Vorhang fiel – oder in ihrem Fall die Schlafzimmertür zuging –, wäre das Spiel vorbei.

Was hast du vor?“

Das war die Frage, die sich Sean ungefähr alle fünf Minuten selbst stellte, nachdem er sich in Emmas Plan hatte hineinziehen lassen. Aus dem Mund seines Cousins klang es allerdings noch anders. Vielleicht lag das aber auch an Kevins ausgestrecktem Zeigefinger und seinem lauten Prusten.

„Es ist doch nur für einen Monat“, erwiderte Sean. Möglicherweise hörte er sich ein bisschen zickig an. Die kleine dunkelhaarige Kellnerin – Darcy war wohl ihr Name – stellte ein Bier vor Sean, und er nahm einen großen Schluck. Darauf hatte er sich schon den ganzen Tag gefreut.

Skeptisch sah Kevin ihn an. „Einen Monat lang willst du mit einer vollkommen Fremden zusammenwohnen und so tun, als wärst du so verrückt nach ihr, dass du sie heiraten willst? In echt?“

„Nein, eben nicht ‚in echt‘, du Idiot. Es ist alles nur gespielt. Darum geht es doch.“

Sein Cousin brach wieder in Lachen aus. Dann zog er sein Handy hervor und begann, eine Nachricht zu tippen. Sean reckte den Hals, aber er konnte das Display nicht erkennen.

„Was, zur Hölle, machst du da?“

Kevin grinste. „Ich erzähle es meiner Frau.“

„Du hättest wenigstens warten können, bis ich nach oben gegangen bin.“

„Nein, das hätte ich nicht mehr ausgehalten.“

Kevin klappte das Handy zu, doch es dauerte nur ein paar Sekunden, ehe es piepste. Schnell warf er einen Blick auf das Display, lachte leise und antwortete.

Sean nahm ebenfalls sein Handy hervor und schrieb eine Nachricht an Kevin.

Ich bin immer noch hier, du Idiot.

Dann drückte er auf „Senden“.

Ein paar Minuten später grinste Kevin und steckte das Handy wieder ein. „Beth möchte wissen, wie die Sache mit dem Schlafen geregelt ist. Nicht einmal eine Großmutter würde euch getrennte Schlafzimmer abnehmen.“

„Beth möchte das wissen, ja?“

„Glaub mir, inzwischen will die gesamte Familie es wissen.“

Sean war versucht, immer und immer wieder mit dem Kopf gegen die Bar zu schlagen. Aber er würde es sowieso nicht schaffen, sich selbst auszuknocken, also konnte er sich die Mühe sparen. „Im Schlafzimmer steht ein Sofa. Sie wird dort schlafen, und ich bekomme das Bett.“

„Sehr galant.“

„Ich bin zu groß für das Sofa.“

„Ich kenne Emma zwar nicht so gut, doch ich glaube, mich erinnern zu können, dass sie auch nicht gerade winzig ist.“ Kevin warf ihm einen wissenden Blick zu. „Und auch nicht unbedingt schlecht aussehend.“

Das stimmte. Aber Sean wollte sich auf keinen Fall in eine Beziehung ziehen lassen. In ein Bett dagegen für gewöhnlich schon. Doch zusammen mit dem Vater-Mutter-Kind-Spiel könnte Emma dadurch einen falschen Eindruck bekommen. Der Begriff „Dauerhaftigkeit“ gehörte im Augenblick nicht zu seinem Wortschatz. Nicht, dass es notwendigerweise zu ihrem gehört hätte, aber er wollte kein Risiko eingehen.

„Wann kommt deine zukünftige Schwiegergroßmutter?“, fragte Kevin, als er endlich begriffen hatte, dass Sean nicht vorhatte, über das gute Aussehen seiner falschen Verlobten zu sprechen.

„Am Samstag. Emma und ich wollen heute Abend zusammen essen und uns ein bisschen besser kennenlernen.“

„Meinst du, ihr könnt euch bei einem Abendessen gut genug kennenlernen, um ihre Großmutter hinters Licht zu führen?“

„Das glaubt sie jedenfalls.“

„Und was glaubst du?

Sean zuckte die Achseln. „Ich habe ihr versprochen, dass ich ihr helfen werde, also werde ich mein Bestes tun, damit es auch funktioniert.“

„Weiß Ma schon darüber Bescheid?“

„Noch nicht“, entgegnete er und verzog das Gesicht. Er freute sich nicht unbedingt darauf, es ihr zu erklären – falls Beth nicht schon längst am Telefon hing und ihr die Neuigkeiten brühwarm erzählte.

Sean erhob sich und nahm sein Bier, um es mit nach oben in sein Apartment zu nehmen. Das leere Glas konnte er später zurückbringen. „Ich weiß, dass du sowieso sofort Joe und Mike anrufen wirst, sobald ich weg bin. Also überlasse ich es dir, es allen zu sagen.“

Kevin lachte. „Vergiss nicht Mitch. Und Ryan und Josh und Liz.“

Sean, der gerade einen Schluck von seinem Bier nehmen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung. Mist. Er hatte keine Sekunde an seine Brüder und seine Schwester gedacht oder sich gefragt, was sie davon halten mochten. Ganz sicher wären sie der Meinung, dass er den Verstand verloren hätte. Doch falls einer von ihnen glaubte, er müsste vor sich selbst gerettet werden, und herkam, würde die ganze Sache unweigerlich auffliegen.

„Tu mir einen Gefallen“, bat er, „und überlasse es mir, ihnen Bescheid zu sagen. Und halte solange bitte deinen Teil der Familie in Schach.“

„Ich werde es versuchen. Aber lass dir mit dem Anruf bei deinen Geschwistern nicht zu lange Zeit. Sobald Ma davon hört …“

Ja, darüber machte er sich wirklich Sorgen. Er würde so schnell wie möglich mit Tante Mary sprechen müssen. Und auch wenn er es nicht wollte, würde er es von Angesicht zu Angesicht tun müssen. Er konnte nur hoffen, dass ihr Holzlöffel nicht in Reichweite war. Das verdammte Ding tat echt weh.

Er ging hinauf in seine Wohnung, die eigentlich sein vorübergehendes Zuhause hatte werden sollen, nun aber nur ein Zwischenstopp war. Seufzend ließ er sich auf die Couch sinken. Bis jetzt hatte er noch nicht viel ausgepackt – wobei er auch nicht viel auszupacken hatte. Es würde also keinen besonderen Aufwand darstellen, bei Emma einzuziehen.

Und er glaubte nicht, dass es ihm schwerfallen würde, so zu tun, als fände er sie anziehend. Vollkommen bekloppt hin oder her: Sie war groß, was er an Frauen mochte, und heiß, was ihm wirklich gut gefiel. Und ihr Haar … Sie hatte eine so wilde Mähne, dass man sein Gesicht oder seine Hände darin vergraben und die dichten dunklen Locken durch die Finger gleiten lassen konnte.

Unterdrückt fluchend rutschte Sean auf der Couch hin und her. Es war schon lange her, dass er sein Gesicht in den Haaren einer Frau vergraben hatte. Und nun wäre er gezwungen, mit einer Frau im selben Zimmer zu schlafen, die er besser nicht anrührte. Er wäre ihr nahe genug, um ihr Shampoo riechen zu können. Um ihren Atem hören und ihrem leisen Seufzen lauschen zu können, wenn sie sich nachts im Schlaf drehte. Doch er wäre zu weit entfernt, um ihren Rücken streicheln und sie dazu bringen zu können, seinen Namen zu flüstern.

Laut aufstöhnend griff er nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Er brauchte etwas Ablenkung. Einen Film. Die Wiederholung eines Boxkampfes. Verdammt, sogar „Die drei Stooges“ wären ihm jetzt recht. Alles, um nur nicht mehr an Sex denken zu müssen. Er durfte diese Gedanken nicht zulassen.

Schließlich war er jetzt verlobt.

3. KAPITEL

Im Laufe des Tages änderte Emma mindestens ein Dutzend Mal ihre Meinung über Sean Kowalski. Sie spielte mit dem Gedanken, Lisa anzurufen, um sie nach seiner Handynummer zu fragen, die sie sich dummerweise nicht hatte geben lassen. Aber am Ende tat sie es doch nicht, denn gerade noch rechtzeitig fiel ihr wieder ein, was auf dem Spiel stand.

Seelenfrieden für Gram. Sich keine Gedanken mehr darüber machen zu müssen, das Haus zu verlieren. Was sie selbst betraf, eigentlich alles.

Also öffnete sie Sean um sechs Uhr mit noch feuchten Haaren vom Duschen und einem Lächeln auf den Lippen die Tür. „Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest.“

Er zuckte mit den Schultern und hielt ein Sixpack Budweiser in die Höhe. „Ich habe doch gesagt, dass ich komme. Ich wusste nicht, welchen Wein du bevorzugst, also habe ich Bier mitgebracht.“

„Klingt gut. Komm rein. Die Pizza ist in der Küche. Ich habe einen Bärenhunger, also habe ich eine Pizza mit extra viel Fleisch besorgt.“

„Dann war Bier wahrscheinlich die richtige Wahl. Hab keine Ahnung, ob man zu Peperoni, Schinken, Wurst, Hamburger und Bacon Rot- oder Weißwein serviert.“

Sie lachte und führte ihn in die Küche. Ihr Lachen blieb ihr allerdings im Hals stecken, als er den Griff des Kühlschranks packte, um das Bier kalt zu stellen. Er runzelte die Stirn und beugte sich vor. Aufmerksam betrachtete er das Foto, das von einem Magneten in Form einer Braunäugigen Susanne gehalten wurde. Das Bild zeigte Emma bei einem Spiel der Red Sox in Seans Armen. Hinter ihnen erstreckte sich das Grün des Fenway Parks.

Seine Stirn war noch immer gerunzelt. „Das ist ein bisschen unheimlich. Sollte das nicht eigentlich Lisa sein? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mit Mikey und seiner Frau bei dem Spiel war.“

„Lisa hat das Bild bearbeitet, nicht ich. Vielleicht ist es dann ein bisschen weniger unheimlich.“

„Eigentlich nicht. Wie viele von diesen gefakten Bildern hast du?“

„Ein paar Dutzend. Die hat Lisa im Laufe der Zeit für mich gemacht. Wir lassen uns nicht gern fotografieren, was natürlich hilft, aber ich habe genug Bilder, damit es zumindest so aussieht, als wären wir ein Paar. Und ich brauchte ein paar Aufnahmen, die ich mitnehmen konnte, als ich Gram besucht habe.“

„Wo war ich, als du in Florida warst?“

„Du warst verhindert.“

„Wodurch?“

Sie zuckte mit den Achseln. „Du musstest an dem einzigen Wochenende, das ich mir freinehmen konnte, zu der Hochzeit einer Verwandten. Du hast immer viel um die Ohren.“

Er sah aus, als wollte er etwas erwidern, doch dann schüttelte er den Kopf und stellte das Bier in den Kühlschrank. Zwei Flaschen nahm er aus dem Sechserträger, ehe er die Tür wieder schloss. Nachdem er die Flaschen geöffnet hatte, stellte er sie neben die Teller auf den Tisch.

„Kann ich dir irgendwie behilflich sein?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist schon alles da. Greif zu.“

Ihr entging nicht, dass er ihr ein Stück reichte, ehe er sich selbst bediente, und das gab ihrer Hoffnung neue Nahrung. Offensichtlich war er gut erzogen worden. Das würde ihm nicht nur dabei helfen, ihre Großmutter für sich zu gewinnen, sondern ihn auch eher dazu bringen, sein Wort zu halten.

Bevor sie Platz nahm, schnappte sie sich das spiralgebundene Buch, in dem sie einige Dinge notiert hatte, seit sie zum ersten Mal mit Lisa über die ganze Sache gescherzt hatte. Sie legte es auf den Tisch. „Ich habe ein paar Dinge aufgeschrieben. Über mich selbst. Wenn du es überfliegst, kannst du vielleicht leichter so tun, als würdest du mich länger als zwei Tage kennen.“

Statt zu warten, bis sie mit dem Essen fertig waren, legte er seine Pizza auf den Teller, nahm das Buch entgegen und schlug eine beliebige Seite auf. „Du hast keine Angst vor Spinnen, aber du hasst Nacktschnecken? Ist das wichtig?“

„Das ist etwas, das du über mich wissen würdest, wenn du mit mir zusammen wärst.“

„Du hast deinen Abschluss an der University of New Hampshire gemacht. Deine Füße sind nicht kitzelig.„ Er lachte leise und schüttelte den Kopf. “Es gibt tatsächlich eine Bedienungsanleitung für dich?“

„Wenn du es so nennen willst. Und wenn du etwas in der Art auch für mich aufschreiben würdest, damit ich es studieren kann, wäre das super.“

Er zuckte mit den Schultern und blätterte durch das Buch. „Ich bin ein Mann. Ich mag Männersachen. Steak. Football. Bier. Frauen.“

„Vor allem eine Frau. Singular. Zumindest für den nächsten Monat. Und dann kannst du mit deiner wilden Pluralbildung fortfahren.„ Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier. “Meinst du, dass das alles ist, was ich über dich wissen muss?“

„Das ist das Wichtigste. Ich könnte es auf ein Post-it schreiben, wenn du willst. Zusammen mit meiner Lieblingsstellung beim Sex. Was übrigens nicht die Missionarsstellung ist.“

Es lag ihr auf der Zunge zu fragen: Was ist denn dann deine Lieblingsstellung? Doch das verkniff sie sich lieber. Das Letzte, was sie über einen Mann wissen wollte, mit dem sie einen Monat lang ein Schlafzimmer teilen würde, war, wie er am liebsten Sex hatte. „Ich glaube kaum, dass das in irgendeiner Unterhaltung vorkommen wird.“

„Das ist wichtiger als Nacktschnecken.“

„Da du eher Gartenarbeit machen wirst, als Sex zu haben, stimmt das nicht ganz.“

„Einen Moment mal.“ Er tippte mit dem Finger auf einen Eintrag in dem Buch. „Du kannst nicht kochen?“

„Nicht sehr gut. Anleitungen für die Mikrowelle helfen jedenfalls.“

„Ich würde niemals eine Frau heiraten, die nicht kochen kann.“

„Und ich würde niemals einen Mann heiraten, der keine Frau heiraten würde, nur weil sie nicht kochen kann. Also ist es schon ganz okay, dass wir nur so tun als ob.“

Er klappte das Buch zu und legte es zur Seite, um sich wieder seiner Pizza zu widmen. Bevor er hineinbiss, sah er Emma über den Tisch hinweg an. „Du hast ihr erzählt, dass wir uns kennengelernt hätten, als ich auf Heimaturlaub war. Aber hast du ihr auch erzählt, wie wir uns zum ersten Mal begegnet sind?“

„Das steht auf Seite eins in dem Buch.“

„Fass es kurz für mich zusammen.“

Eigentlich wollte sie das nicht. Irgendwie kam es ihr weniger demütigend vor, wenn er ihre Lügen las, als wenn sie sie laut aussprach. Doch er zog eine Augenbraue hoch, während er genüsslich kaute, und wartete offenbar auf eine Antwort. „Wir haben uns in Jasper‘s Bar & Grille getroffen.“

„In Kevins Bar?“

„Du warst auf Heimaturlaub, und er hatte die Bar noch nicht lange, also bist du vorbeigekommen, um dir den Laden einmal anzusehen. Lisa und ich waren an dem Tag shoppen und haben auf dem Heimweg in der Bar haltgemacht, um einen Jasper-Burger zu essen.“ Sie spürte, wie sie rot wurde, und starrte auf ihren Teller. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“

Sie hörte, wie er leise lachte, und wollte ihn wütend anfunkeln, aber sie hatte das Gefühl, dass sein leises Lachen dann zu einem lauten Prusten werden würde. „Also hast du mir geschrieben, ich habe zurückgeschrieben, dann habe ich die Army verlassen, und da wären wir nun.“

„Kurz zusammengefasst.“ Sie ließ ihn den Bissen von der Pizza herunterschlucken, den er gerade kaute, und fragte dann: „Hast du morgen schon etwas vor?“

Er schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht.“

„Willst du mit der Arbeit anfangen? Nur einen halben Tag. Auf einem Grundstück am See. Danach könnten wir einkaufen gehen. Wir könnten die Vorräte auffüllen und noch ein paar Dinge kaufen, damit es so aussieht, als würdest du tatsächlich hier wohnen.“

„Klingt gut. Um wie viel Uhr?“

„Normalerweise fahre ich hier um halb acht los. Wir könnten uns ja irgendwo treffen, damit du nicht noch früher aufstehen musst, um erst hierherzufahren.“

„Ich komme her. Ich schlafe sowieso nie länger als bis sechs Uhr.“

„Nie?“ In der Woche stand sie auch um sechs Uhr auf, doch an den Wochenenden schlief sie gern länger.

„Nie. Und ich mag es, ausgedehnt zu frühstücken. Also hoffe ich, dass du kein Morgenmuffel bist.“

Seine Miene blieb ungerührt, aber Emma sah das belustigte Funkeln in seinen Augen. „Dann kannst du dir ja zwei Donuts im Drive-in vom Coffeeshop holen.“

Als die Belustigung sich in einem Grinsen zu erkennen gab, nahm Emma einen großen Schluck Bier und wandte den Blick ab. Sean hatte einen sehr schönen Mund. Einen echt schönen Mund, wie zum Küssen gemacht. Und da die Vorstellung, diesen Mann zu küssen, sie unruhig und nervös machte, rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und warf einen Blick auf die Uhr über dem Herd. Und auf die Einkaufsliste, die am Kühlschrank hing.

Doch, verdammt, direkt neben der Einkaufsliste war die Fotomontage von ihr und Sean, und sein Grinsen verlor auch in der zweidimensionalen Darstellung nichts von seiner Wirkung. Glücklicherweise war er so wohlerzogen, dass er sie vor ihrer Großmutter nicht küssen würde.

Während sie aßen, wandte sich ihre Unterhaltung Themen zu, die man für gewöhnlich bei einem ersten Date besprach. Sie mochten beide miese Actionfilme und bevorzugten ein schlichtes Diner statt eines schicken Restaurants. Emma las Liebesromane und Sean lieber Horrorgeschichten und Biografien. Beide sahen sich im Fernsehen lieber kurze Sitcoms als stundenlange Dramen oder Realityshows an, und sie beide kauften nur ungern Klamotten ein.

Es war ein Anfang, sagte sie sich selbst, als sie ihn zur Tür brachte. Hoffentlich würde er sich die Notizen ansehen, die sie für ihn zusammengestellt hatte. Dank Lisa wusste sie schon einiges über ihn. Das würde fürs Erste reichen müssen.

Als Emma um zwanzig nach sieben die Tür öffnete, konnte Sean ihr ansehen, dass sie sich in der Nacht genauso viel herumgewälzt hatte wie er. Sie wirkte müde, kniff die Lippen zusammen und sah schon fast ein bisschen unleidlich aus.

„Ich bin schon ein paar Minuten zu spät dran“, sagte sie. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Klar.“ Er folgte ihr in die Küche, und als sie in Richtung Kaffeebereiter deutete, ehe sie Platz nahm, vermutete er, dass er sich selbst bedienen sollte.

Vielleicht ist das ein Test, dachte er, als er den Schrank über dem Kaffeebereiter aufmachte, um einen Becher zu suchen. Glücklicherweise hatte sie ihre Küche auf eine Art organisiert, die ihm sinnvoll erschien, und so musste er nicht sämtliche Schubladen durchwühlen, um einen Löffel zu finden. Er wirkte schon fast wie jemand, der hier wohnte.

Sobald er die Kaffeesahne zurück in den Kühlschrank gestellt hatte, rückte er sich ihr gegenüber einen Stuhl zurecht und setzte sich. Sie beachtete ihn nicht weiter, nippte an ihrem Kaffee und blätterte einen riesigen, in Leder gebundenen Organizer durch. Dann nahm sie ihr Handy und drückte eine Taste.

„Hallo, hier spricht Emma“, sagte sie nach einer kurzen Pause. „Die Duncans haben sich nun doch gegen den schwarzen Mulch entschieden. Vielmehr Mrs Duncan. Sie dachte, es wäre künstlerisch, aber es – ich zitiere – ‚schluckt die Akzentbeleuchtung‘.“

Eine lange Pause entstand, während der sie sich über die Stirn rieb. „Ich kann einen Großteil des schwarzen Mulchs noch für andere Kunden benutzen, doch ich brauche noch zweieinhalb Kubikmeter vom goldenen Zedernmulch für die Duncans. Und, ja, ihr ist klar, wie viel das kosten wird.“

Sean hörte ihr nicht mehr zu, nahm seinen Kaffeebecher und schlenderte aus der Küche. Es kam ihm ein bisschen unhöflich vor, in ihrem Haus herumzuwandern, aber ihre Großmutter würde vermutlich stutzig werden, wenn er nach dem Weg zum Badezimmer fragen müsste.

Im Wohnzimmer fand er ein weiteres Foto von ihm und Emma. Es dauerte ein paar Minuten, ehe ihm einfiel, dass es sich diesmal um Stephanie handelte, die ersetzt worden war. Er erkannte es nur an dem Luftballon, der in einer Ecke des Bildes zu sehen war. Damals hatte er einen kurzen Heimaturlaub dazu genutzt, von Maine extra zu Stephanies Geburtstag hierherzukommen, denn ihre langen, lustigen Briefe hatten ihm während des Einsatzes eine Menge bedeutet.

Außer einer Gästetoilette und einem langweiligen Esszimmer gab es im Erdgeschoss nur noch Emmas Arbeitszimmer. Es war kein großer Raum, doch Regale voller Liebesromane standen an den Wänden. In einer Ecke schien ein riesiger gemütlicher Sessel förmlich darum zu betteln, dass man sich in ihm entspannte. In einer anderen Ecke stand ein verschnörkelter gusseiserner Ofen. Unter dem Fenster befand sich ein Schreibtisch, auf dem ein ziemlich neuer Computer stand. Die Papierstapel auf dem Tisch drohten jeden Augenblick in alle Richtungen wegzurutschen. Er fragte sich, ob der Aktenschrank neben dem Schreibtisch voll war oder ob Emma einfach nicht darauf achtete.

Er konnte sie in der Küche noch immer telefonieren hören, also stellte er seinen Kaffeebecher auf einem Beistelltisch im Flur ab und ging die Treppe hinauf. Alle Türen standen offen, also steckte er seinen Kopf in jedes Zimmer, das vom Flur abging.

Das erste Zimmer, das er sich ansah, schien ihrer Großmutter zu gehören. Die Fotos und die Einrichtung verrieten es ihm. Außerdem fand er viele gehäkelte Dinge. Nicht der Raum, den er suchte, also ging er weiter.

Als Nächstes kam er in ein Zimmer, das wie eine Mischung aus Gästezimmer und Abstellkammer wirkte. Offenbar hatte sie nicht oft Übernachtungsgäste. Das Bad war groß und anscheinend erst vor ein paar Jahren modernisiert worden. Hinter einer Jalousientür verborgen, standen eine hochmoderne Waschmaschine und ein ebenso moderner Trockner. Das überraschte ihn nicht weiter, wenn er daran dachte, wie Emma ihren Lebensunterhalt verdiente.

Schließlich entdeckte er am Ende des Flurs auf der rechten Seite Emmas Schlafzimmer. Sein Schlafzimmer.

Der Bogen an der Decke, in dem sich offenbar ein tragender Balken versteckte, verriet ihm, dass es sich ursprünglich um zwei kleine Zimmer gehandelt hatte. Aber irgendwann war die Wand entfernt worden, um aus den winzigen Räumen das Hauptschlafzimmer zu machen. Neben dem breiten Bett und der üblichen Möblierung eines Schlafzimmers befand sich in dem Raum noch eine Sitzecke. Um einen Beistelltisch mit einer Lampe herum standen noch mehr Bücher. An der Wand war ein kleiner Flachbildschirm angebracht. Und schließlich stand dort noch die Couch, auf der Emma den nächsten Monat über nächtigen würde.

Auch wenn das Zimmer nicht klein war, schätzte er, dass das Bett und die Couch nicht mehr als drei Meter voneinander entfernt waren. Zwar hatte er im Laufe der vergangenen Jahre gelernt, sich mit jeder Schlafsituation zu arrangieren, doch diese Anordnung würde dennoch ein bisschen unangenehm werden. Zu intim.

Links von der Sitzgruppe befand sich eine Tür. Er steckte den Kopf in den Raum dahinter. Es war ein Bad mit Toilette, Waschbecken und einer Dusche. Das würde reichen.

Plötzlich wurde ihm bewusst, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, und daher machte Sean sich auf den Weg zurück und nahm seinen Kaffeebecher aus dem Flur mit. Als er in die Küche kam, sah er, wie angespannt Emma wirkte. Offensichtlich gefiel es ihr nicht besonders, dass er sich so frei in ihrem Haus bewegte. Aber sie war wahrscheinlich zu demselben Schluss gekommen wie er – wenn sie überzeugen wollten, musste er das Haus kennen.

„Ich will nur noch schnell den Kaffee austrinken“, sagte sie. „Es war eine harte Nacht.“

Er schenkte sich den Rest des heißen Kaffees aus der Kanne in seinen Becher und lehnte sich an die Anrichte. Eine Weile beobachtete er, wie sie weitere Notizen in ihrem Organizer machte.

„Also … Garten- und Landschaftsgestaltung, ja?“ Er hatte bisher nur Rasen gemäht. „Findest du nicht, dass es hinderlich sein könnte, wenn der Name Emma im Firmenlogo auftaucht?“

Sie legte den Stift beiseite und blickte ihn mit leicht zusammengekniffenen Augen an. „Was? Können Mädchen keine Landschaftsgärtner werden? Du hast aber schon gehört, dass wir inzwischen sogar wählen dürfen, oder?“

„Also, wenn ich jemanden brauchen würde, der meinen Rasen mäht oder mein Unkraut jätet, würde ich lieber einen Bob oder einen Fred anrufen.“

„Und das ist auch gut so. Wenn du jemanden suchst, der den Rasen mäht oder das Unkraut jätet, dann ruf ruhig Bob oder Fred an. Wenn du allerdings eine Künstlerin brauchst, die dir einen wunderschönen und extrem pflegeleichten Garten für dein Sommerhäuschen oder dein Cottage am See planen soll, ruf Emma an.“

Er spürte ihre Abwehrhaltung und wollte lachen und sie weiter reizen, aber er verkniff es sich. „Also hast du dich auf die Gestaltung spezialisiert?“

„Ja, doch ich mache selbstverständlich die ganze Arbeit.“ Sie lächelte. „Außer im nächsten Monat natürlich. Dann habe ich ja dich, und du kannst die schweren Sachen heben.“

„Ich habe keine Angst vor schwerer Arbeit.“ Tatsächlich freute er sich sogar darauf. Sein Körper war mehr Anstrengung gewöhnt, als im Moment von ihm gefordert war. Wenn er sich zu sehr gehen ließ, würden seine Cousins beim traditionellen Footballspiel am vierten Juli den Boden mit ihm aufwischen.

Emma warf einen Blick auf die Uhr, stand auf und spülte ihren Kaffeebecher ab. „Wir müssen allmählich los.“

Erst als sie hinter das Steuer ihres Trucks geklettert war und ihn erwartungsvoll ansah, wurde Sean klar, dass er sich nicht daran erinnern konnte, jemals der Beifahrer einer Frau gewesen zu sein. Auch wenn es altmodisch war – er hatte lieber selbst die Kontrolle über den Wagen.

Aber Emma würde in den kommenden Wochen seine Lohnschecks unterzeichnen, also war sie der Boss. Er stieg auf der Beifahrerseite ein und schloss die Tür hinter sich. Als sie einige Zeit später den Highway erreichten, hatte er sich an den Haltegriff geklammert, und seine Fingerknöchel traten weiß hervor. Emmas Fähigkeiten am Steuer eines Wagens waren laut eigener Aussage ungefähr genauso gut wie ihre Kochkünste.

Den Morgen verbrachten sie in einer drei Millionen Dollar teuren Sommerresidenz am Ufer des Lake Winnipesaukee, wo er das Vergnügen hatte, einen Haufen Steine, die neben dem Haus lagen, zu Mauern zu stapeln, die die ganzjährigen Beete umgeben sollten – was auch immer das bedeuten mochte.

Es war gute körperliche Arbeit, bei der er ins Schwitzen geriet. Doch es machte ihn nicht so heiß und nervös wie der Anblick von Emma bei der Arbeit. Sie jammerte nicht. Sie machte sich keine Sorgen, dass sie sich einen Fingernagel abbrechen könnte. Seite an Seite arbeitete sie mit ihm und summte dabei leise Countrysongs. So lernte er auf die harte Tour, wie anziehend und sexy eine schwer arbeitende Frau sein konnte.

Drei Meter, dachte er. Drei Meter zwischen seinem Bett und ihrer Couch. Ein paar Schritte nur.

Dann bückte sie sich direkt vor ihm, und vor Schreck ließ er den Stein, den er in den Händen hielt, auf seinen Fuß fallen. Ihm schossen unzählige Flüche durch den Kopf, doch es gelang ihm, sie nicht laut auszustoßen.

Dreißig Tage zusammen mit Emma entpuppten sich langsam, aber sicher als echte Herausforderung.

4. KAPITEL

„Das hier ist nicht Disney World, Sean. Du gehst rein, du nimmst dir, was du brauchst, und dann gehst du wieder.“ Wenn Emma gewusst hätte, dass ein Einkaufstrip mit ihm so anstrengend werden würde, dann hätte sie eine Peitsche in ihrer Handtasche versteckt.

„Ich kaufe ein.“

„Nein, du schlenderst.“

Er hielt den Wagen an – schon wieder –, um sich etwas in den Regalen anzusehen, und ging dann im Schneckentempo weiter. „Ich könnte etwas entdecken, das ich vielleicht brauche.“

„Ich habe eine Einkaufsliste. Siehst du?“ Sie hielt sie in die Höhe. „Ich weiß, was wir brauchen.“

„Das ist deine Liste. Stehen da Chips mit Salz-und-Essig-Geschmack drauf?“

„Nein. Ich mag keine Chips mit Salz-und-Essig-Geschmack. Die brennen auf der Zunge.“

„Siehst du? Wenn wir durch den Laden sprinten und nur einkaufen, was du brauchst, bekomme ich keine Chips mit Salz-und-Essig-Geschmack.“

„Wenn du auch einige Dinge über dich selbst aufgeschrieben hättest, hätte ich die Chips auf die Einkaufsliste gesetzt.“

Er schüttelte den Kopf. „Für mich gibt es keine Gebrauchsanleitung. Tut mir leid.“

Sie zog am Ende des Einkaufswagens und versuchte, ihn dazu zu bringen, etwas schneller zu laufen. „Dieses Geschäft schließt in sechs Stunden. Du solltest dich ein bisschen beeilen.“

Er blieb so unvermittelt stehen, dass ein fast schmerzhafter Ruck durch ihren Arm ging. „Und du musst dich ein bisschen entspannen.“

„Nein, ich muss den Einkauf zu Ende bringen, damit es weitergehen kann.“ Aufgebracht funkelte sie ihn an und wollte, dass er den Mund hielt und weiterging.

„Eine lange Zeit hatte ich nur das, was Vater Staat mir zur Verfügung stellen wollte, und das, was meine Familie mir in Carepaketen schicken konnte“, sagte er leise, und ihre brennende Ungeduld zischte und erlosch wie ein Streichholz, das in eine Pfütze gefallen war. „Als ich in die Staaten zurückgekehrt bin, habe ich nur das Nötigste gekauft. Es war allerdings nicht viel, weil ich ja noch unterwegs war. Ich würde gern ein bisschen stöbern.“

„Tut mir leid.“ Sie ließ den Einkaufswagen los und atmete tief durch. „Du tust mir einen Riesengefallen, und ich bin so … gnadenlos.“

„Zickig“, murmelte er.

„Ich ziehe den Begriff ‚gnadenlos‘ vor.“

„Gnadenlos zickig.“

Da ein Lächeln seine Mundwinkel umspielte und er eigentlich vollkommen recht hatte, ließ Emma es gut sein. Sie ging nicht nur nicht weiter auf seine recht uncharmante Einschätzung ihrer Laune ein, sondern versuchte auch, nicht länger über die bevorstehende Ankunft ihrer Großmutter zu grübeln. Was konnte schon Schlimmes passieren, wenn ihr Plan nicht funktionierte? Gram würde wütend sein und diese kleine Eskapade als Zeichen dafür sehen, dass Emma mit allem überfordert war. Sie würde das Haus verkaufen, und Emma würde sich ein Apartment nehmen müssen. Doch das Leben würde weitergehen.

Der Gedanke machte sie allerdings traurig. Also schob sie ihn beiseite und bemühte sich, geduldig zu sein, als sie sehr, sehr langsam die Regalreihen entlanggingen.

„Was, zur Hölle, ist das denn?“ Sean nahm eine Verpackung aus dem Regal und reichte sie ihr. „Das sieht wie eine Käsereibe für die Füße aus.“

„Frauen haben gern gepflegte Fersen.“

„Hast du auch so ein Ding?“

„O nein. Das sieht wie eine Käsereibe aus.“

Sie lachten, als er die Packung zurückstellte und zum nächsten Artikel ging, der seine Fantasie anregte.

Nach ihrem Einkauf schafften sie es, beinahe die gesamte Ladefläche des Trucks vollzupacken. Aber nachdem sie eine Stunde später alles in den Schränken verstaut hatten, bemerkte man kaum einen Unterschied im Haus.

„Es sieht noch immer nicht so aus, als würdest du schon ein Jahr lang hier leben“, stellte Emma fest.

Sean zuckte die Achseln und setzte sich rücklings auf einen Küchenstuhl. Lässig verschränkte er die Arme vor sich auf der Rückenlehne. „Sie wird sich keine großen Gedanken darüber machen. Alleinstehende Männer, die vorher in der Army waren, sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie viele persönliche Dinge mitschleppen.“

„Es kommt mir nur so vor, als solltest du mehr … Kram haben. Bilder und Sporttrophäen und solche Dinge.“

„Das befindet sich alles zu Hause auf dem Dachboden. Falls sie etwas sagen sollte – was sie nicht tun wird –, werde ich ihr erklären, dass ich einfach noch nicht die Zeit hatte, um die Sachen zu holen.“

Sie nahm zwei Flaschen Soda aus dem Kühlschrank und stellte eine der Flaschen vor ihm auf den Tisch. „Lisa hat mir ein bisschen über deine Familie erzählt. Sie sagte, ihr würdet Leo und Mary sehr nahestehen, obwohl ihr alle in Maine gelebt habt.“

„Meine Mom ist gestorben, als ich neun war. Sie hatte ein Aneurysma, also kam es vollkommen unerwartet. Wenn Tante Mary und Rosie nicht gewesen wären, wäre alles den Bach runtergegangen – inklusive Dad. Rosie ist die Hausdame in der Lodge, doch eigentlich ist sie viel mehr als das. Zusätzlich zur Erziehung ihrer eigenen kleinen Tochter ist sie vorgetreten und hat meinem Dad geholfen, uns fünf großzuziehen. Dad ist vor neun Jahren gestorben, aber Rosie ist noch immer dort und hilft Josh, die Lodge zu leiten. Doch ohne Tante Marys Unterstützung weiß ich nicht, was aus uns geworden wäre.“

Sie mochte es, wie ein beinahe zärtlicher Ausdruck auf sein Gesicht trat, wenn er über seine Familie sprach. Und sie mochte die Art, wie sein Bizeps sich anspannte, wenn er die Flasche Soda an den Mund führte. Und sie mochte es, wie sein Adamsapfel zuckte, wenn er schluckte. Und …

Und nichts weiter, mahnte sie sich selbst. Sie musste ihn als Angestellten sehen … irgendwie. Bis auf die Sache mit dem gemeinsamen Schlafzimmer.

„Dann ist morgen also der große Tag“, sagte er, und sie fragte sich, ob er versuchte, das Thema zu wechseln, um nicht weiter über seine Familie sprechen zu müssen. „Bist du bereit?“

„So bereit, wie es eben geht, denke ich. Ich kann es nicht erwarten, Gram wiederzusehen. Ich habe sie so vermisst. Andererseits ist ein Monat eine lange Zeit.“

„Die Zeit wird wie im Fluge vergehen.“

Den Blick auf ihre Hand gerichtet, drehte sie den Ring an ihrem Finger und beobachtete, wie der funkelnde Stein die letzten Strahlen der Nachmittagssonne einfing. „Obwohl ich mich so intensiv mit der Sache beschäftigt habe, habe ich trotzdem das Gefühl, ich hätte noch mehr darüber nachdenken sollen.“

„Du kannst deine Meinung immer noch ändern.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wir sind jetzt irgendwie … verbunden.“

„Oder sollten es zumindest sein“, entgegnete er, und sie lachten.

Dann trank er sein Soda aus und erhob sich. „Also, ich mache mich auf den Weg. Ich werde mich ein bisschen ausruhen und ausschlafen, bevor die große Show beginnt.“

„Gut. Wenn du deine Sachen um zehn Uhr vorbeibringst, hast du noch genug Zeit, um auszupacken, ehe ich zum Flughafen muss.“

„Ich werde pünktlich sein.“

Nachdem er gegangen war, ließ Emma sich auf die Couch fallen. Sie war mit den Nerven am Ende. Vom morgigen Tag an würde sie ihre Großmutter davon überzeugen müssen, dass sie in Sean Kowalski verliebt war. Und Sean würde bei ihr einziehen. In ihr Schlafzimmer. In ihr Leben.

An Schlaf war nicht zu denken.

Nachdem er einige Stunden gegrübelt hatte, beschloss Sean, seinen ältesten Bruder Mitch anzurufen. Genau wie er war Mitch ein unsteter Mensch, der nie besonders lange an einem Ort blieb oder zu viel Zeit im Bett einer einzigen Frau verbrachte. Von seinen Geschwistern war er vermutlich derjenige, der bei Seans Geschichte nicht direkt glauben würde, Sean hätte den Verstand verloren und brauchte professionelle Hilfe.

„Hallo, kleiner Bruder“, meldete Mitch sich nach dem dritten Klingeln. „Wie geht es dir?“

„Gut.“ Seltsam, aber gut, schoss es ihm durch den Kopf. „Hast du einen Moment Zeit, oder störe ich gerade?“

„Ich habe sogar fünf oder sechs Minuten für dich. Ich bin in Chicago und bereite mich darauf vor, ein altes Bürogebäude abzureißen. Wir müssen allerdings noch auf die notwendigen Papiere warten.“ Abrissbirnen hatten Mitch schon als Kind fasziniert. Diese Leidenschaft hatte dazu geführt, dass er mittlerweile einer der angesehensten Abrissunternehmer des Landes war. „Was ist los?“

„Ich bin hier in eine komische Lage geraten. Und da ich keine Zeit habe, es wieder und wieder zu erklären, dachte ich, dass du es vielleicht weitersagen könntest?“

„Mit anderen Worten: Du willst es Liz nicht selbst erzählen.“

„Das kann sein.“ „Leidenschaftlich“ war ein gutes Wort, um das einzige Mädchen der fünfköpfigen Geschwisterschar zu umschreiben. „Ich möchte auch nicht derjenige sein, der es Rosie erzählt.“

„Geht es bei der Sache um eine Kaution?“

Sean lachte. „Nein.“

„Um eine Zwangsheirat?“

„Äh … nicht direkt.“

Schnell erzählte er Mitch die ganze Geschichte. Er fing damit an, wie Emma bei ihm geklopft hatte, und schloss damit, dass er nun in Kevins Apartment stand, um seine wenigen Habseligkeiten zu holen und den gefürchteten Telefonanruf zu tätigen.

„Heilige Scheiße“, stieß Mitch hervor, als Sean fertig war. „Das geht definitiv als ‚komische Lage‘ durch. Ist sie heiß?“

„Sehr. Allerdings kann sie überhaupt nicht kochen.“

„Wofür gibt es einen Lieferservice?“ Sein Bruder schwieg ein paar Sekunden lang, ehe er zu lachen begann. „Also bezahlt diese heiße Frau dich dafür, dass du einen Monat lang ihren Mann spielst. Ist das in New Hampshire eigentlich zulässig?“

„Leck mich, Mitch. Sie bezahlt mich dafür, dass ich ihr bei den Gartenbauaufträgen helfe. Die Sache mit der Verlobung ist … wie auch immer. Sie wird auf dem Sofa im Schlafzimmer schlafen. Ich bekomme das Bett. Da wird unter keinen Umständen irgendwas laufen.“

„Ich wette, dass das nicht länger als eine Woche gut geht.“

Ohne Zweifel würden seine Brüder noch am selben Tag eine Tippgemeinschaft ins Leben rufen. „Ich wette, dass ich es den ganzen Monat lang aushalte. Und ich habe kein Problem damit, euer Geld zu nehmen.“

„Sie ist heiß und alleinstehend. Du bist ein Mann. Und ihr schlaft im selben Zimmer? Du liegst schon so gut wie mit ihr im Bett.“

Auf keinen Fall. „Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Ich will noch meine Zahnbürste in ihr Bad stellen, bevor wir zum Flughafen fahren und so weiter.“

„Ich denke, ich werde zuerst mit Liz sprechen“, entgegnete Mitch. „Vielleicht zeichne ich das Gespräch sogar auf.“

„Es ist wichtig, dass ihr euch die Geschichte einprägt. Wenn einer von euch am vierten Juli hierherkommt, müsst ihr die Sache auf der Reihe haben.“

„Oh, ich werde da sein. Darauf kannst du deinen Arsch verwetten. Und da wir gerade vom vierten Juli sprechen: Was halten Onkel Leo und Tante Mary eigentlich von der ganzen Sache?“

Sean zuckte unwillkürlich zusammen. „Ich glaube nicht, dass sie es schon wissen. Der Rest der Familie ist allerdings informiert. Also ist es nur eine Frage der Zeit, bis Tante Mary hinter mir her ist. Ich habe es so lange wie möglich vor mir hergeschoben.“

„Das macht es nur noch schlimmer.“

„Ich weiß. Wenn es allerdings schon beschlossene Sache ist, wenn sie es erfährt, spielt sie vielleicht mit.“

Wieder lachte Mitch laut auf. „Sicher, Kumpel. Red dir das nur weiter ein.“

„Ich lege jetzt auf.“

„Gut. Ich habe einige Telefonanrufe zu erledigen.“

Sean schob das Handy in seine Hosentasche und ging noch einmal durch die Wohnung. Da alles, was er besaß, in einen Seesack passte und er ohnehin nur ein paar Tage dort gewesen war, dauerte es nicht lange, um sicher sein zu können, dass er alles hatte.

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