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Desert Knights - Kampf um Macht und Leidenschaft

hier erhältlich:

Wenn der König von Azmahar abdankt, sind gleich drei königliche Scheichs Anwärter auf den Thron. Ein leidenschaftlicher Kampf um die zukünftige Herrschaft entbrennt…

HEIßER ALS DIE WÜSTENSONNE

Vor acht Jahren hat Roxanne Prinz Haidar verlassen, obwohl es ihr das Herz zerriss. Die Intrigen seiner Mutter waren schon schlimm, aber viel schlimmer wog der Vertrauensbruch des stolzen Wüstensohns. Nun steht Roxanne ihm als Diplomatin gegenüber und ist geblendet von seiner männlichen Aura. Wieder gibt sie seinem Werben nach und vergeht fast vor Lust. Denn Haidar weckt ein Verlangen in Roxanne, das nur er stillen kann. Doch kann sie seinen Liebesschwüren diesmal glauben - oder braucht er sie nur, um auf den umkämpften Thron seiner Heimat zu kommen?

ZURÜCK IN DEN ARMEN DES SCHEICHS

Die heimliche Geliebte eines Wüstensohnes zu sein, war Lujayn nicht mehr genug - sie musste Scheich Jalal Al Shalaal verlassen, weil er sich nicht zu ihr bekennen wollte. Zwei Jahre später steht er plötzlich wieder vor ihr: groß, stolz und immer noch so verdammt sexy! Als er sie zärtlich an sich zieht, gibt sie ihrer Sehnsucht nach seinen Liebkosungen nach und erwidert seine heißen Küsse voller Leidenschaft. Obwohl sie doch weiß, dass sie ihn erneut aus ihrem Leben verbannen muss. Denn Lujayn hütet ein Geheimnis, von dem Jalal auf gar keinen Fall erfahren darf …

MIT DIR IM PALAST DER LEIDENSCHAFT

"Du weigerst dich, mich zu heiraten?" Scheich Rashid ist fassungslos vor Wut, als Laylah es wagt, nach einer Nacht der Leidenschaft seinen Antrag abzulehnen. Aber Laylah weiß: Rashid braucht sie nur an seiner Seite, um das Thronerbe von Azmahar antreten zu können. Und sie will mehr als heiße Nächte und ein Leben als Königin in einem prunkvollen Palast - sie will Liebe! Ein Gefühl, das in Rashids Plänen nicht vorzukommen scheint. Und so bleibt Laylah standhaft. Bis etwas Unerwartetes geschieht, das ihr keine Wahl mehr lässt: Muss sie jetzt doch Ja zu Rashid sagen?


  • Erscheinungstag: 11.07.2019
  • Aus der Serie: E Bundle
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN/Artikelnummer: 9783745751062
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Olivia Gates

Desert Knights - Kampf um Macht und Leidenschaft

Olivia Gates

Heißer als die Wüstensonne

PROLOG

Vor vierundzwanzig Jahren

Der Schlag traf Haidars Gesicht mit voller Wucht.

Doch ehe er auch nur Luft holen konnte, fing er schon die zweite Ohrfeige ein, diesmal mit dem Handrücken. Dabei schrammte der kostbare, geschliffene Stein eines Rings über seine Wange und hinterließ einen blutigen Kratzer. Benommen hörte Haidar die Vorwürfe, die auf ihn niederprasselten, und sein Kopf flog hin und her von den Schlägen, die er empfing. Einer davon ließ ihn zu Boden gehen. Tränen brannten in der frischen Wunde und mischten sich mit Blut.

Von oben kam eine ruhige Stimme: „Wenn du weiterheulst, Haidar, lasse ich dich in den Turm werfen. Für eine ganze Woche.“

Er schluckte und sah auf zu jenem Menschen, den er mehr als alles auf der Welt liebte. Warum tat sie ihm das an?

Bisher hatte seine Mutter ihn noch nie geschlagen. Nicht einmal einen Klaps auf die Hand hatte sie ihm gegeben oder ihn am Ohr gezwickt, wie sie es mit seinem Zwillingsbruder Jalal zu tun pflegte. Er war ihr erklärter Liebling, und sie bevorzugte ihn offen in jeder Hinsicht.

Doch seit einiger Zeit reagierte sie oft ungehalten auf ihn, obwohl er sich keiner Schuld bewusst war oder sich sogar eingebildet hatte, etwas ganz besonders Lobenswertes getan zu haben. Ihr Verhalten verwirrte ihn. Nichts jedoch hatte ihn auf diesen Ausbruch von eiskalter Wut vorbereitet, der ihn nun traf. Dabei hatte er angenommen, dass seine Mutter voller Lob für ihn sein würde.

Aus ihrer majestätischen Höhe schaute sie auf ihn herab und kam ihm vor wie eine Rachegöttin. „Hör auf mit dem Gejammer. Dummheit muss bestraft werden. Steh auf und bekenne dich zu dem, was du getan hast, wie es dein Zwillingsbruder auch getan hätte. Mit Würde und Mut.“

Fast wäre Haidar mit der Wahrheit herausgeplatzt – dass es nämlich Jalal und Cousin Rashid waren, die bestraft werden müssten. Er hatte die beiden vor dem „Experiment“ gewarnt, bei dem sie das Zimmer im Palast in Brand gesetzt und die Party zum zehnten Geburtstag der Zwillingsbrüder ruiniert hatten.

Jalal und Rashid waren wild und ungezogen, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, und hatten längst jede Chance auf mildernde Umstände bei den Eltern verspielt. Ihre Strafe wäre hart gewesen. Da Haidar sich fast nie etwas zuschulden kommen ließ, hatte er vorgegeben, das Feuer verursacht zu haben. Sein Vater hatte ihn wie üblich nur gemaßregelt und die Sache damit als erledigt betrachtet. Mit der heftigen Reaktion seiner Mutter hatte Haidar nicht gerechnet.

In ihrem Blick las er, dass sie genau wusste, wer den Unfug angezettelt hatte. Also erwartete er Lob statt Tadel. Jetzt prasselten Schläge auf ihn ein, die auch sein Vater, König von Zohayd, der sich einmischen wollte, nicht verhindern konnte.

Zitternd stand Haidar auf und fasste sich an die blutende Wange. Seine Mutter schlug seine Hand weg.

„Geh zu deinem Bruder und deinem Cousin und bitte sie um Verzeihung, weil du deine Tat nicht gleich gestanden hast. Fast hätten sie statt deiner die Strafe erleiden müssen.“

Ungläubig und zutiefst erschüttert sah er zu ihr auf. Sich entschuldigen? Vor allen Anwesenden? Vor den Eltern, den Dienstboten, den anwesenden … Mädchen?

Seine Mutter packte mit harter Hand sein Kinn. „Los, wird’s bald?“ Sie schubste ihn in Richtung Jalal und Rashid, die betreten dastanden. „Jalal! Rashid! Schaut Haidar ins Gesicht.“ Alles Mütterliche war von Königin Sondoss von Zohayd abgefallen. Ihre Stimme hallte durch den Festsaal. „Er soll um eure Vergebung flehen müssen, und zwar in aller Öffentlichkeit.“

Die beiden Jungen sahen verlegen zu Haidar, der jetzt von seiner Mutter einen Schlag auf den Hinterkopf erhielt, damit er sich in Bewegung setzte. „Los, bitte sie um Entschuldigung und erkläre, dass du nie mehr so etwas Idiotisches tun wirst.“

Mit hochroten Wangen trat er vor seinen Zwillingsbruder und seinen Cousin und wiederholte stockend die Worte seiner Mutter.

„Ich war es doch gar nicht!“, rief Haidar, während seine Mutter den Kratzer auf seiner Wange verarztete. Allein mit ihr in ihrer Palastsuite, war er entschlossen, sich von der Schuld, die auf ihm lastete, reinzuwaschen.

Sie lächelte ihn liebevoll an und küsste die Wunde, die sie ihm zugefügt hatte. „Das weiß ich doch. Ich weiß alles. Zumindest über euch drei.“

„Aber … aber warum?“

Zärtlich umfasste sie sein Kinn. „Ich musste dir eine Lektion erteilen, Haidar. Weder dein Bruder noch dein Cousin sind dir zu Hilfe gekommen. Jetzt weißt du, dass niemand verdient hat, dass du für ihn in den Ring springst. Du darfst keinem trauen, hörst du? Und außerdem kennst du jetzt das Gefühl der Erniedrigung und wirst in Zukunft alles vermeiden, was dich noch einmal in so eine Situation bringen könnte.“

In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander, und er versuchte, ihre Worte zu verstehen. Alles in ihm widerstrebte ihren Argumenten – aber hatte sie nicht immer recht?

Sie kniete sich neben ihn und nahm ihn in die Arme. „Du bist mein Ein und Alles, und ich werde zu verhindern wissen, dass dir jemand wehtut. Wenn du groß bist, wirst du ein Mann sein, der alles bekommt, was er will. Die Welt wird dir zu Füßen liegen. Verstehst du nun, weshalb ich dich schlagen musste?“

Die großartige Zukunft, die sie für ihn ausmalte, verlockte und verwirrte ihn gleichermaßen. Schließlich nickte er, aber nur, um endlich allein sein zu dürfen. Denn er musste nachdenken.

Sanft strich sie ihm übers Haar und flüsterte: „So ist es recht, mein Junge.“

Vor acht Jahren

„Du bist genau wie Mutter.“

Haidar wäre bei diesen Worten fast schmerzlich zusammengezuckt. Offenbar kannte Jalal genau seinen wunden Punkt. Schon lange hatten er und sein Bruder begriffen, was ihre Mutter in Wirklichkeit gewesen war. Eine dämonische Frau. Die böse Königin. Daran konnten auch seine tiefen, ehrlichen Gefühle für sie nichts ändern. Ihren Titel „Dämonin“ hatte sie sich verdient.

Jahrelang hatte sie ihre Schönheit, ihre Intelligenz und ihre vielfältigen Talente nur als tödliche Waffen im Spiel um die Macht eingesetzt. Das Wort Gnade kannte sie nicht. Anstatt ihre Qualitäten einzusetzen, um loyale Mitstreiter zu gewinnen und Gutes zu tun, arbeitete sie mit Einschüchterung, Zwang und Bestechung. Dass sie sich viele Feinde machte, schien ihr zu gefallen. Und dass ihr Ehemann, der König, zu ihren größten Feinden gehörte, war für sie bloß eine Herausforderung. Früher hatte Haidar sich oft gefragt, ob sie überhaupt ein menschliches Wesen war.

Schlimmer jedoch war, dass er mit der Zeit herausfand, wie sehr er ihr in vielem ähnelte. Es war ihr gelungen, das Gift ihres Herzens auch in seines zu träufeln, und er fürchtete sich davor, dass es ihm eines Tages nicht mehr gelingen würde, die schlechten Seiten in ihm zu unterdrücken.

Nun warf ihm Jalal vor, der getreue Sohn seiner Mutter zu sein, und das zu einem Zeitpunkt, an dem er gehofft hatte, ihrem Dunstkreis endlich entronnen zu sein. Denn seit er Roxanne kannte, hatte sich alles in seinem Leben verändert …

„Nein, es stimmt nicht“, fuhr Jalal fort. „Du bist schlimmer als sie. Dabei dachte ich, das sei gar nicht möglich.“

„Du redest, als sei sie ein Monster.“

Äußerlich waren sich die beiden Zwillinge sehr unähnlich, und auch ihre Persönlichkeit war sehr verschieden. Bisher hatten sie nur selten über ihre Mutter gesprochen, eigentlich redeten sie sowieso kaum noch miteinander.

Jalal zuckte die Achseln. Es war eine nonchalante Geste, doch die geballte Wut, die dahintersteckte, war unverkennbar und erinnerte Haidar daran, dass sein Bruder im Gegensatz zu ihm ab und zu die Fäuste zu Hilfe nahm.

„Trotzdem liebe ich sie“, sagte Jalal. „Einfach, weil sie meine Mutter ist. Dagegen kann ich mich nicht wehren. Gegen dich schon. Hier lasse ich dir deine Herzlosigkeit nicht durchgehen.“

Der alte Konkurrenzkampf, der zwischen den Zwillingsbrüdern immer bestanden hatte, gewann die Oberhand, und Haidar antwortete scharf: „Ist das deine Strategie? Getreu dem alten Sprichwort ‚Schrei deinen Feind so lange an, bis er dich schlägt‘?“

„Du bist doch derjenige, der nach dem Motto handelt: ‚Hau drauf und renn heulend weg, greif an und schrei um Hilfe‘.“

Jalals Kritik traf ihn. „Ich hätte nicht gedacht, dass du ein so schlechter Verlierer sein würdest. Roxanne hat mich genommen, akzeptier das doch einfach.“

„Du hast nur gewonnen, weil du mit unlauteren Mitteln gearbeitet hast. Sie ist die Betrogene.“

Nur mit Mühe konnte Haidar sich beherrschen. „Eine sehr schwache Ausrede dafür, dass du versucht hast, sie mir auszuspannen. Wir wissen beide, dass ich jede Frau haben kann.“

„Roxanne hättest du nicht bekommen, denn sie weiß genau, wie eiskalt du bist. Was hast du ihr vorgespielt, dass sie irgendwann dachte, du seist der Märchenprinz?“

Obwohl in einem männlich dominierten Umfeld aufgewachsen, hatte Haidar nie körperliche Gewalt angewandt, um einen Streit auszutragen. Immer unterdrückte er sein Temperament und bediente sich stattdessen kalter Überlegenheit, um seine Gegner auszumanövrieren. Jetzt allerdings sehnte er sich danach, in Jalals attraktives Gesicht einen gezielten Faustschlag zu platzieren.

Doch er riss sich zusammen. „Fakt ist – Roxanne gehört mir.“

„So behandelst du sie auch. Wie deinen persönlichen Besitz. Schlimmer noch – wie ein schmutziges Geheimnis. Du zwingst sie sogar, eure Beziehung vor ihrer Mutter geheim zu halten und zuzusehen, wie du mit all den anderen Frauen ausgehst, die du angeblich mit einem Fingerschnippen haben kannst. Du behauptest, das tätest du nur, um Roxanne zu schützen, aber ich nehme an, es bringt sie fast um, selbst wenn sie dir deine Lügen glaubt. Wie müsste es sie dann erst treffen, wenn sie wüsste, dass sie nur ein Spielzeug für dich ist, eines, das du benutzt, um dein monströses Ego zu bedienen?“

Fast wäre Haidar explodiert, doch dann erwiderte er nur kühl: „Und du weißt alles über ihre Gefühle, weil du ja ihr selbstloser, selbst ernannter ‚bester Freund und Vertrauter‘ bist? Weiß sie, dass du ihr nur deswegen so geduldig zuhörst und mit ihr Squash spielen gehst, weil du hoffst, sie ins Bett zu kriegen? Kannst du vergessen, Jalal, denn Roxanne bevorzugt mein Bett. Dauerhaft.“

„Sehr galant von dir, es in alle Welt hinauszuposaunen.“

„Nicht in alle Welt. Du weißt sowieso, dass wir miteinander schlafen. Trotzdem versuchst du, sie anzumachen.“

„Du willst sie gar nicht wirklich“, fuhr Jalal ihn aufgebracht an. „Du hast sie doch nur verführt, weil du mir eins auswischen wolltest. Sie ist bloß eine Schachfigur in einem deiner vielen Machtspielchen.“

„Hast du vergessen, dass du es warst, der dieses ganz spezielle Spiel begonnen hat?“

„Ich hatte diese blödsinnige Wette sofort wieder vergessen. Aber du nicht. Du hast so getan, als hinge alles davon ab, dass du gewinnst. Wie immer. Und dann hast du Roxanne belagert, bis du sie hattest.“

„Und jetzt willst du sie vor mir retten? Damit sie mit dir glücklich werden kann? Gibst du das zu?“

Jalal zischte: „Du wirst sie nicht länger missbrauchen.“

Wut und über all die Jahre gut genährte Rivalität mit seinem Zwillingsbruder übermannten Haidar fast. Aber er beherrschte sich, und statt zuzuschlagen, forderte er Jalal heraus. „Wie willst du das verhindern?“

Jalal warf ihm einen feindseligen Blick zu. „Ich sage ihr die Wahrheit.“

„Viel Glück“, war alles, was Haidar darauf erwiderte. Schon oft hatte er gespürt, wie tief Jalals Abneigung gegen ihn ging. Aber so wie heute hatte er ihn noch nie erlebt.

„Du bist ein Zerstörer, Haidar. Leider hast du von unseren beiden Familien nur die schlechtesten Eigenschaften geerbt. Du bist intrigant und neiderfüllt, kalt und herrschsüchtig, und das treibt dich dazu, um jeden Preis gewinnen zu wollen, egal, was es kostet. Es wird Zeit, dass du Roxanne dein wahres Gesicht zeigst.“

Haidar ballte die Fäuste. „Dein Plan hat einen kleinen Schönheitsfehler. Wenn du Roxanne dazu bringst, mich zu hassen, wird sie auch dich nie wiedersehen wollen.“

„Damit kann ich leben, wenn ich sie nur aus deinen Fängen befreie.“

An diesem Punkt verlor Haidar die Beherrschung. „Wenn du es ihr sagst, dann sieh dich vor, dass du mir nie wieder unter die Augen kommst, Jalal!“, brüllte er seinen Bruder an.

„Auch damit kann ich leben“, gab Jalal kühl zurück.

Eine Tür wurde geräuschvoll geschlossen, und die Brüder fuhren herum.

Roxanne.

Als sie das Zimmer durchquerte, beschleunigte sich Haidars Puls. Er brauchte sie bloß zu sehen, um sie zu begehren, und sein Verlangen wurde von Mal zu Mal stärker. Dabei hatte er angenommen, dass es nur eine Affäre sein würde, eine, die sich abnutzte wie alle anderen zuvor. Ehe er Roxanne begegnet war, hatte er überhaupt keine Ahnung gehabt, wie tief seine Gefühle für eine Frau sein konnten, wie stark die gegenseitige Anziehungskraft, wie leidenschaftlich jede Vereinigung.

Diese Frau war so heiß und so schön, so temperamentvoll und so erfolgreich in ihrem Job. Und sie gehörte ihm.

Jetzt war der Moment, da er es ein für alle Mal beweisen musste.

Dass Roxanne vielleicht heimlich in Jalal verliebt sein könnte, brachte ihn fast um den Verstand. Die Bemerkung über Jalals Vertrautheit mit Roxanne, die seine Mutter neulich hatte fallen lassen, überschattete seitdem jedes seiner Treffen mit der Geliebten. Panik hatte ihn allerdings erst ergriffen, als er herausfand, dass Roxanne sich Jalal auf eine Weise anvertraut hatte, wie sie es ihm gegenüber niemals tat. An diesem Punkt sah er rot und beschloss, die beiden mit seinem Verdacht zu konfrontieren.

Jalal hatte nun die Karten auf den Tisch gelegt.

Doch das war Haidar gleichgültig, solange Roxanne sich für ihn entschied. Wie es unweigerlich geschehen würde.

Forschend suchte er in ihrem Blick nach jener Leidenschaft, die immer aufblitzte, sobald sie sich begegneten. Doch sie schaute durch ihn hindurch und zu Jalal.

Haidar stürmte auf sie zu und packte ihren Arm. „Sag Jalal, dass er sich nicht zwischen uns drängen darf, egal, was er für dich empfindet. Sag ihm, dass du mir gehörst.“

Mit versteinerter Miene schaute sie ihn an, dann schlug sie seine Hand weg. „Hast du mir deswegen befohlen, mich nicht mehr mit Jalal zu treffen? Wie kannst du nur so ekelhaft sein!“

„Ekelhaft? Weil ich gemerkt habe, dass Jalal verliebt in dich ist und sich eingebildet hat, er könne dich mir wegnehmen? Ich musste das im Keim ersticken.“

„Es ist mir völlig egal, was du gemerkt zu haben meinst. Was fällt dir ein, mich herzubeordern, als sei ich einer deiner Lakaien? Glaubst du etwa, du kannst mir befehlen, wen ich zu mögen, mit wem ich mich zu verabreden habe? Ich werde niemals nachbeten, was du mir vorschreibst. Und wenn du denkst, du hättest irgendeinen Anspruch auf mich, dann irrst du dich gewaltig.“

„Ich habe einen Anspruch auf dich, Roxanne. Schließlich teilst du das Bett mit mir. Du hast gesagt, du liebst mich.“

„Erinnere dich bitte an die Situation, in der mir das herausgerutscht ist“, fauchte sie ihn an. Er hatte sie mehrmals bis zur Ekstase geliebt, und sie war fast verrückt vor Lust gewesen. „Aber danke, dass du jetzt für Klarheit sorgst. Ich werde in die Vereinigten Staaten zurückkehren und hatte mich schon gefragt, wie ich es dir schonend beibringen kann. Männer wie du nehmen es immer so persönlich, wenn es die Frau ist, die geht. Ich vermutete, du als Prinz zweier Königreiche und mit einem doppelt so großen Ego gesegnet, würdest ziemlichen Stress machen.“

Er schüttelte den Kopf. „Hör auf.“

„Genau“, bemerkte sie gelassen. „Hören wir auf. Du warst ein prima Kandidat für eine nette Affäre. Da ich aber nach Hause zurückkehre, ist unser kleines Intermezzo nun zu Ende. Meine Bedürfnisse im Bett sind, wie du weißt, sehr groß, und egal, wie gut du als Liebhaber bist, habe ich nicht vor zu warten, bis du mal vorbeikommst. Ich werde mir einen neuen Lover suchen. Oder zwei. Oder drei.“

Sie holte tief Luft, bevor sie zum Todesstoß ausholte: „Einen Tipp gebe ich dir allerdings – vermeide es bei deiner neuen Spielgefährtin, Besitzansprüche zu stellen. Das törnt voll ab. Mir zum Beispiel fällt es schwer, mich freundlich von dir zu verabschieden. Du denkst, du hättest Macht über mich. Und genau das ekelt mich so an, dass ich dich nie wiedersehen will.“ Damit drehte sie sich um und verließ mit gemessenen Schritten den Raum.

Sobald sich die Tür des Penthouse hinter ihr geschlossen hatte, bemerkte Jalal: „Na, so was. Die Dame ist schlauer, als ich dachte. Offensichtlich hat sie dich auch nicht wirklich ernst genommen. Ich hätte mir wegen ihr keine Sorgen machen müssen.“

Haidar konnte sekundenlang keinen klaren Gedanken fassen. Dann schaute er Jalal fest in die Augen. „Aber um dich solltest du dir Sorgen machen. Und zwar genau dann, wenn du mir das nächste Mal über den Weg läufst.“

Sein Zwillingsbruder erwiderte den Blick kühl und erwiderte mit tödlichem Ernst: „Keine Angst. Höchste Zeit, mein Leben zu entgiften, indem ich mich von deiner Bekanntschaft befreie.“

Noch lange, nachdem Jalal gegangen war, starrte Haidar blicklos ins Leere. Es konnte doch nicht so enden!

Warum hatte Jalal ihm nicht einfach versichert, Roxanne sei tabu für ihn? Und warum hatte Roxanne seine Befürchtungen nicht einfach zerstreut? Dann wären er und sein Bruder jetzt nicht für immer entzweit, und er hätte nicht die Frau seines Lebens verloren. Beide waren ihm so wichtig, und beide hatten ihn verlassen.

Du darfst keinem trauen, hörte er die Worte seiner Mutter wie ein fernes Echo aus Kindertagen. Sie hatte recht gehabt.

Er hatte ihren Rat in den Wind geschlagen und war dafür hart bestraft worden. Dies würde ihm nie wieder passieren.

Niemals.

1. KAPITEL

In der Gegenwart

Es geschah nicht jeden Tag, dass einem Mann ein Königreich angeboten wurde. Und in Haidars Fall hätte es auch niemals geschehen dürfen. Doch die Bürger von Azmahar – oder zumindest jene Clans, zu denen ein Großteil der Bevölkerung gehörte – hatten genau das getan. Sie hatten ihre geschicktesten Vertreter zu Haidar gesandt, um ihn zuerst zu fragen, dann zu überreden, schließlich anzuflehen, als Kandidat in das Rennen um den frei gewordenen Thron des Königreichs einzusteigen.

Er dagegen hatte das alles zunächst überhaupt nicht ernst genommen, sondern nur so getan, als fühlte er sich geschmeichelt. Mit besorgter Miene hatte er sich die Argumente angehört, Fragen gestellt, Vorschläge für eine Wahlkampagne gemacht, die dem Königreich, das am Rand des Ruins stand, wieder eine gute Führung und eine Zukunft verschaffen sollte.

Als er endlich begriff, dass die Abgesandten ihm jedes Wort glaubten, war er wütend geworden. Denn – so schleuderte er ihnen entgegen – wie konnten sie einem Mann den Thron von Azmahar anbieten, dessen nächster Verwandter mütterlicherseits das Land an den Abgrund geführt hatte? Und dessen Verwandte väterlicherseits alles getan hatten, um auch den übrig gebliebenen Rest noch zu zerstören? Wie kamen sie auf die Idee, dass irgendjemand in Azmahar Interesse daran haben könnte, ihn, Haidar, auf dem Thron zu sehen?

Die Gesandten hingegen beteuerten, man würde ihn wie einen Retter willkommen heißen.

Absurd. Denn immerhin behauptete sein Zwillingsbruder, von dem er sich entfremdet hatte, er besäße sämtliche negativen Gene seiner Eltern, und in ihm wären diese Eigenschaften dazu noch auf übelste Weise mutiert. Die offiziellen Vertreter des Königreichs beharrten hingegen darauf, dass seine Abstammung mütterlicherseits aus Azmahar und väterlicherseits aus Zohayd ihn dafür prädestiniere, das Land aus dem Elend zu führen.

„König Haidar ben Atef al Shalaan“, murmelte er probeweise.

Es hörte sich vollkommen schwachsinnig an, und zwar nicht nur der Titel König. Auch der Rest schien falsch, als gehörte der Name al Shalaan schon lange nicht mehr zu ihm. Seine älteren Brüder aus der ersten Ehe seines Vaters, ja, die waren al Shalaans. Und sein Zwillingsbruder Jalal sah seinem Vater, dem König von Zohayd, wenigstens ähnlich. Er selbst dagegen hatte von Vaterseite nichts geerbt. Sowohl äußerlich als auch charakterlich war er eindeutig ein Spross der al Munsooris, jener Familie, der seine Mutter entstammte. Seine Mutter, die Dämonin.

Allerdings mittlerweile eine Dämonin außer Dienst.

Schade, dass man als Sohn nicht auch „außer Dienst“ gehen konnte. Schon seit seiner Geburt hatte seine Mutter dafür gesorgt, dass die al Shalaans keinen Einfluss auf ihn nehmen konnten. Der Clan, in den sie eingeheiratet hatte, war ihr Feind Nummer eins. Doch ihr kostbarer Sprössling, der ihr so ähnlich sah, sollte als ein al Munsoori aufwachsen.

Seinen Vornamen wählte sie daher mit Bedacht, während sie völlig vergaß, seinem wenige Minuten später geborenen Zwilling einen Namen zu geben. Das blieb ihrem Mann, dem König von Zohayd überlassen, und er nannte ihn Jalal, was so viel wie „Der Ruhmreiche“ bedeutete. Haidar war „Der Löwe“, und seine Mutter setzte alles daran, ihm den Weg zum Herrscher dreier Reiche zu ebnen. Durch Intrigen, durch Bestechung, durch Propaganda. Denn da sie selbst kein Mitglied der weitverzweigten Königsfamilie von Zohayd war, aus der sich die Ehefrauen der Könige meist rekrutierten, hatten ihre Söhne keinen Anspruch auf den Thron.

Ihr Plan war daher, Zohayd führungslos zu machen und sich selbst zur Regentin zu erheben. Neue Gesetze, die sie dann erlassen konnte, würden es ihren Söhnen ermöglichen, den Thron zu besteigen. Da Haidar der Ältere war, hatte er den Vorrang.

Noch zwei Jahre, nachdem ihre Verschwörung aufgeflogen war, schockierte Haidar die Rücksichtslosigkeit, mit der sie vorgegangen war. Sie hatte das Land an den Rand eines Kriegs gebracht!

Zunächst hatte sie die Kronjuwelen von Zohayd gestohlen, die Insignien der Macht, und hatte vorgehabt, sie Prinz Yusuf al Waaked zu geben, dem Herrscher des Nachbarstaates Ossaylan. Damit hätte er Anspruch auf den Thron von Zohayd gehabt. Ihr Mann wäre abgesetzt worden, Prinz Yusuf hätte sie geheiratet, die Macht übernommen, und da er nur eine Tochter besaß, wären Haidar und Jalal die Thronfolger geworden. Die Gefahr, dass Prinz Yusuf noch Kinder zeugte, bestand nicht, da er durch einen Unfall unfruchtbar geworden war. Die Dämonin hatte sich vergewissert.

Haidar nahm an, dass sie Yusuf hätte beiseiteschaffen lassen, sobald er König von Zohayd geworden war. Dann hätte sie ihren Bruder, den König von Azmahar, dazu getrieben, abzudanken – wie er es vor Kurzem tatsächlich getan hatte –, und hätte ihrem Erstgeborenen auf diese Weise ein Mega-Königreich verschafft: Zohayd, Azmahar und Ossaylan.

Die Dämonin war überzeugt, das einzig Richtige zu tun. Und das teilte sie Haidar auch mit, eiskalt und in freundlichstem Ton, als er sie bat, ihm zu sagen, wo sie die Kronjuwelen versteckt hatte. Haidar wollte sie zurückgeben und Frieden schaffen. Er sei auserwählt, behauptete sie, die Königreiche zu neuer Blüte zu führen. Und wenn dieses neue Goldene Zeitalter nur durch Chaos und Zerstörung erreicht werden könnte, dann sollte es eben so sein.

Vor den Konsequenzen ihres Handelns, falls sie scheitern sollte, fürchtete sie sich nicht im Geringsten. Alles, was sie tat, tat sie nur für ihren geliebten Haidar. Und er, da war sie sicher, würde sie in allem übertreffen.

Nun, laut Jalal hatte er das bereits erreicht.

Er hatte seiner Mutter viele Schändlichkeiten zugetraut, aber das Ausmaß ihrer „Maßnahmen“, die ihn zum König dreier Länder machen sollten, hatte ihn dann doch entsetzt. Ganz selbstverständlich ging sie davon aus, dass er voll auf ihrer Seite stand und ihr dankbar sein würde für alles, was sie für ihn tat, denn sie war überzeugt, dass auch er sich zu wahrhaft Großem berufen fühlte.

Fast hätte sie es geschafft. Nicht einmal Amjad, sein ältester Halbbruder und der jetzige König von Zohayd, der eigentlich krankhaft misstrauisch war, hatte etwas geahnt. Alle waren davon ausgegangen, dass sie als Frau des Königs kein Interesse daran haben konnte, dass er sein Land verlor.

Es stimmte, dass Haidar ihre kühl kalkulierende Art, ihren unbedingten Willen und ihre Fähigkeit, Dinge zu durchschauen und für sich zu nutzen, geerbt hatte. Doch er selbst verwendete diese Begabungen nur im Rahmen seiner Geschäfte. Nicht umsonst war er mit Hightech-Unternehmen und Investmentfirmen im Handumdrehen reich geworden. Seine Mutter hingegen unterschied niemals zwischen privat und dienstlich, was ihre Methoden anging.

„Bitte legen Sie jetzt Ihren Sicherheitsgurt an, Eure Hoheit“, ertönte eine samtweiche, verführerische Stimme neben ihm.

Haidar blickte zu der Stewardess auf. Seine Grübeleien hatten ihn fast vergessen lassen, dass er sich an Bord seines Privatflugzeugs befand.

In den Augen der bildhübschen Brünetten las er ein eindeutiges Angebot, doch er ignorierte es mit einer Miene, die schon die größten Wirtschaftsbosse und aufdringliche Journalisten zur Räson gebracht hatte.

Sie errötete. „Wir landen in wenigen Minuten.“

Während er den Metallverschluss des Gurtes einrasten ließ, bemerkte er kühl: „Das habe ich verstanden.“

Doch so schnell gab sie nicht auf. „Benötigen Sie noch etwas?“

„La, shukran“, lehnte er dankend ab. Damit wandte er sich ab und beendete die Konversation.

Sobald sie sich mit wiegenden Schritten entfernte, schaute er ihr nach und seufzte leise. Er würde Khaleel sagen, er solle ihr einen Bürojob verschaffen und als Flugpersonal ausschließlich Männer einstellen oder wenigstens Frauen, die mindestens zwanzig Jahre älter waren als er.

Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihm Durrat al Sahel, auch genannt die Perle der Küste. Die Hauptstadt von Azmahar war tatsächlich ein Juwel, doch nach einem Brand in einer Ölraffinerie waren das normalerweise türkisblaue Meer, der leuchtend helle Strand von schwarzem Schlick bedeckt. Diese Katastrophe war jedoch nur der Höhepunkt jener Krise gewesen, die das Land ins Chaos gestürzt hatte.

Armes Azmahar. Es war eine Schande.

Nach dem Desaster mit Roxanne hatte er eigentlich nicht vorgehabt, jemals wieder hierher zurückzukehren. Nun befand er sich nicht nur im Anflug auf Azmahar – er hatte sogar zugesagt, sich als möglicher Thronfolger zur Verfügung zu stellen. Allerdings besuchte er das Land vorerst inoffiziell, um weitere Informationen einzuholen. Seine Entscheidung sollte nicht dadurch beeinflusst werden, dass die Leute ihn hofierten, ihm nach dem Mund redeten, oder dass die Reichen die Aktienkurse seiner Unternehmen kurzfristig in die Höhe trieben.

Eigentlich wunderte Haidar sich über sich selbst. Warum tat er das alles bloß, wenn er doch wusste, dass es ein großer Fehler war, sich darauf einzulassen? Es war verrückt. Abgewiesen in der Heimat seines Vaters, drängte man ihm die Heimat seiner Mutter geradezu auf. Das Land war in einem erbärmlichen Zustand, und die Vorstellung, es vielleicht retten zu können, hatte etwas Verlockendes.

Vielleicht die Gelegenheit, aus dem Schatten seiner Mutter zu treten und seine eigene Seele zu retten? An ihrem Komplott war er zwar nicht beteiligt gewesen, doch er wusste genau, dass ihre Erziehung an ihm nicht spurlos vorübergegangen war. Und weil sie ihre Untaten für ihn begangen hatte, empfand er sich irgendwie als mitschuldig.

Jalal sah Haidars Rolle noch viel, viel kritischer. Und Haidar war klar, dass auch sein Zwillingsbruder ein Kandidat für den Thron von Azmahar war. Genau wie Cousin Rashid. Einst bester Freund der Zwillingsbrüder, mittlerweile schärfster Rivale. Konkurrenz forderte Haidar immer heraus und stachelte seinen Ehrgeiz an. Die beiden Mitbewerber in die Schranken zu weisen, würde ihm ein Vergnügen sein.

Aber all das zählte wenig im Vergleich zu dem eigentlichen Grund seiner Rückkehr nach Azmahar.

Roxanne.

Sie war hier.

Seit acht Jahren versuchte er, sie zu vergessen. Es war ihm nicht gelungen. Jetzt bot sich eine Gelegenheit, ein für alle Mal mit der Vergangenheit abzuschließen. In mehr als einer Hinsicht.

„… unvorhergesehene Auswirkungen sowie Lösungen für das Problem, Ms Gleeson?“ Roxanne blinzelte einen Moment verwirrt, ehe sie den Blick auf das Gesicht des grauhaarigen Mannes richtete, der sie erwartungsvoll ansah. Seit sie vor zwei Monaten ihren Job als Vermittlerin in Azmahar angetreten hatte, war Scheich Aasem al Quadi ihr Ansprechpartner. Und nun musste sie sich konzentrieren, um sich überhaupt an seinen Namen zu erinnern – oder daran, weshalb sie eigentlich hier war.

Also räusperte sie sich und nahm sich zusammen. „Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist die ganze Region von dem Konflikt betroffen. Die einzelnen Konfliktparteien haben sehr unterschiedliche Interessen und verfolgen sehr verschiedene Strategien, um die Situation in den Griff zu bekommen. Mit einer schlampigen Analyse und einem überstürzten Statement provozieren wir nur Irritationen, und das verschärft die Auseinandersetzungen.“

Der Mann hob seine gepflegte Hand, an der ein eleganter, silberner Onyx-Ring prangte, und sein fein geschnittenes Gesicht nahm einen hoheitsvollen Ausdruck an. „Nichts liegt mir ferner, als Sie zur Eile zu drängen, Ms Gleeson.“

Selbst wenn du es versuchen würdest, dachte sie, würde es dir nicht gelingen. Sie und ihr Team wussten schließlich genau, was sie taten.

„Ich hatte nur gehofft“, fuhr er fort, „dass Sie mich etwas stärker einbeziehen und uns, falls vorhanden, Ihren Zeitplan mitteilen. Dann könnten wir uns Gedanken über einen Termin machen.“

„Ich versichere Ihnen, dass Sie als Erster erfahren werden, wann wir unsere Arbeit abzuschließen gedenken.“ Roxanne bemühte sich um ein Lächeln. „Mein Team und ich würden sich im Übrigen sehr freuen, wenn wir auf Ihre Erfahrung und Ihr Insiderwissen zurückgreifen dürften.“

Nach dem Austausch weiterer Höflichkeiten verabschiedete sich Scheich al Quadi schließlich. Roxanne hoffte, ihn davon überzeugt zu haben, dass alles auf dem besten Weg war.

Endlich allein, lehnte sie sich gegen die Tür und seufzte laut.

Was tue ich hier eigentlich? dachte sie.

Klar, der Job war für eine Analystin, die sich auf ökonomisch-politische Konflikte und deren Lösung spezialisiert hatte, das Sahnehäubchen ihrer Karriere. Schließlich war sie eine der Besten. Aber jetzt bestand wieder die Gefahr, Haidar zu begegnen.

Dabei war sie so sicher gewesen, dass er niemals wieder einen Fuß nach Azmahar setzen würde. Sie hatte sich über ihn informiert und herausgefunden, dass er seit damals nie wieder hier gewesen war.

Außerdem war sie nicht mehr das junge Mädchen, das sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Mittlerweile hatte sie sich einen Namen als strategische Analystin gemacht. Azmahar war bereits ihr dritter großer Auftrag. Wenn also „die Axt den Kopf spaltete“, wie man hier zu sagen pflegte, und sie Haidar tatsächlich begegnen sollte, würde sie ihn mit diplomatischem Geschick behandeln. Diese Kunst war ihr schließlich in die Wiege gelegt worden.

Trotzdem hatte sie gezögert, den Job anzunehmen, und eigentlich nur ihrer Mutter zuliebe eingewilligt. Denn ein Wort ihrer Mutter besaß Gewicht, immer noch. Diese war ebenfalls eine hochrangige diplomatische Spezialistin gewesen, doch in den Wirren der Thronstreitigkeiten hatte man sie aus Azmahar ausgewiesen. Nun sollte Roxanne an ihrer Stelle die Scharte auswetzen.

Roxanne hätte es lieber gesehen, wenn ihre Mutter den Job übernommen hätte, doch diese war mittlerweile im Ruhestand und wollte sich den Stress nicht mehr antun. Sie beschwor Roxanne, die Möglichkeit zu einem Karrieresprung nicht auszuschlagen. Ihr sei klar, sagte sie, dass ihre Tochter nicht nur dieselben Fähigkeiten mitbringe wie sie selbst. Das Land brauche eine neue Perspektive, und das funktioniere nur, wenn jemand wie Roxanne es aus einem frischen Blickwinkel betrachte.

Ihre Mutter konnte sehr überzeugend sein, daher knickte Roxanne ein, packte ihre Sachen, und flog nach Azmahar. Der Auftrag erwies sich tatsächlich als äußerst spannend. Es gab so viel zu verbessern. Und sie konnte helfen.

Damals, als König Nedal seine Schwester Sondoss mit König Atef al Shalaan verheiratet hatte, war man in Azmahar froh über die strategische Allianz mit dem Nachbarkönigreich Zohayd gewesen. Doch Königin Sondoss hatte durch ihre Machenschaften alles ins Wanken gebracht. Haidar, der ihr in nichts nachstand, hatte es offensichtlich geschafft, ihre Gefängnisstrafe in ein lebenslängliches Exil umwandeln zu lassen.

Als Amjad König von Zohayd wurde, waren alle davon ausgegangen, dass er dem heruntergekommenen Nachbarland nun den Todesstoß versetzen würde. Schließlich war seine Stiefmutter schuld an dem ganzen Chaos. Doch seltsamerweise hielt er still.

Anders der nun abgesetzte Kronprinz von Azmahar, der sich sofort gegen Zohayd stellte, als es um das bewaffnete Eingreifen in einem Nachbarland ging. Was dazu geführt hatte, dass die ohnehin instabile Allianz zwischen beiden Ländern endgültig zerbrach. Dann flog auch noch eine Ölraffinerie in die Luft, und Azmahar war nicht in der Lage, die Umweltkatastrophe in den Griff zu kriegen, ganz abgesehen von dem wirtschaftlichen Schaden.

Inmitten des ganzen Aufruhrs hatte der Kronprinz abgedankt. Weder seine Brüder noch seine Söhne wollten sich der Aufgabe, das Königreich vor dem Ruin zu retten, stellen. Nun hatten sie Roxanne und ihr Team gerufen, um die zerstrittenen Clans an einen Tisch zu bringen und eine Strategie zu entwickeln, wie das Land eine kompetente Führung erhalten und den Bürgern wieder eine Perspektive verschafft werden konnte.

Doch eine Einigung lag in weiter Ferne. Drei Parteien hatten sich gebildet, jede favorisierte einen anderen Kandidaten für die Thronfolge.

Und einer dieser Kandidaten war Haidar.

Das hieß, er würde hierherkommen. Und sie würde ihn wiedersehen.

Etwas Schlimmeres konnte sie sich kaum vorstellen.

Leise fluchend rief sie sich zur Ordnung. Die Sache war ewig her, sie durfte das Ganze nicht überbewerten. Damals war sie einundzwanzig gewesen, in der Liebe unerfahren, voller Vertrauen und Hingabe.

Und, ja, als Liebhaber hatte Haidar diese Hingabe verdient. Er war unglaublich gut im Bett, hatte ihre Leidenschaft erweckt. Sie war dem Märchenprinzen verfallen, doch dann war sie unsanft in der Realität aufgeknallt. Ende der Geschichte.

Das Leben war weitergegangen, irgendwann hatte sich Roxanne auch wieder auf Beziehungen eingelassen. Eine hatte sich sogar ganz vielversprechend entwickelt. Dass daraus nichts wurde, hatte mit Haidar nicht das Geringste zu tun.

Völlig albern also, sich von der Vergangenheit einholen zu lassen. Entschlossen ging Roxanne zu ihrem Schreibtisch, nahm ihre Aktenmappe und ihre Handtasche und verließ das Büro.

Sie brauchte zwanzig Minuten, um zu ihrem Apartment zu gelangen. Die Verkehrsinfrastruktur in Azmahar funktionierte perfekt – sie war ja auch von Zohayd aus geplant und umgesetzt worden. Wenn es nicht gelang, das Nachbarland zu versöhnen und wieder ins Boot zu holen, konnte nur ein Wunder Azmahar retten.

Der Versöhnungsplan der Clans bestand darin, einen Mann zum König zu machen, dessen Abstammung ihn mit beiden Ländern verband. Die Frage war nur, welcher von den Dreien, die zur Auswahl standen? Hier endete nämlich auch schon die Einigkeit der Azmaharer.

Als das Rollgitter sich hob, fuhr Roxanne langsam in die Tiefgarage des luxuriösesten Apartmentgebäudes, das die Hauptstadt zu bieten hatte. Ihr Job erwies sich in mehr als einer Hinsicht als Prüfung für ihre Nerven. Die Art Luxus, die das Apartment ihr bot, verstörte sie mehr, als dass es ihr Spaß machte.

Doch ihre Bitte um eine etwas schlichtere Unterkunft war abgelehnt worden. Das Haus habe durch den Niedergang der Wirtschaft in seiner Bewohnerstruktur gelitten, es gebe Leerstand, und wenn eine so hochrangige Persönlichkeit wie Roxanne darin wohne, würden sich vielleicht bald auch wieder Investoren für das Gebäude finden.

Ihre Anwesenheit schien tatsächlich diesen Effekt zu haben. Seit sie eingezogen war, hatte sich der Leerstand halbiert. Eine Nachbarin hatte sie sogar angesprochen und ihr mitgeteilt, dass sie nur aufgrund des guten Rufs, den Roxanne und ihre Mutter genossen, eine Wohnung hier gekauft habe. Jetzt, da die Zukunft des Landes in ihren Händen liege, so die gängige Meinung, könne man auch wieder in Azmahar investieren.

So etwas verstärkte natürlich den Druck, der auf Roxanne lastete. Denn bisher war keiner der Thron-Kandidaten in Azmahar aufgetaucht oder hatte sich auch nur vage zu seinem Programm geäußert. Der einzige, wenn auch winzige Vorteil daran war, dass Roxanne Haidar vermutlich nicht so bald begegnen würde.

Lieber wäre es ihr gewesen, ihn niemals wiederzusehen.

Wenn bloß ihre Mutter mitgekommen wäre! Der einzige Mensch, der zu ihr gehörte. Kein Vater. Keine sonstige Familie. Und sie hätte so dringend jemanden gebraucht, dem sie vertrauen konnte. Bei dem sie sich auch mal anlehnen konnte.

Wenige Minuten später stand sie in ihrem riesigen Apartment, das ein Viertel des dreißigsten Stocks einnahm. Ein Triumph der Innenarchitektur. Alles vom Feinsten. Die geräuschlose Klimaanlage sorgte für eine angenehme Kühle. Roxanne war dankbar dafür.

Nachdem sie geduscht hatte, fühlte sie sich schon wieder etwas zuversichtlicher. Der Job war eine echte Herausforderung, aber sie konnte auch etwas erreichen. In ihrer Vision blühte das Land unter einem gerechten Herrscher auf, gab es Sicherheitsvorkehrungen, die Unfälle in der Ölindustrie verhinderten, Kinder gingen zur Schule, Menschen lebten in Wohlstand und Glück.

Der Weg dahin war weit. Die Tatsache, dass nun drei Prinzen, einer so arrogant, so gut ausgebildet, so reich und gut aussehend wie der andere, um den Thron konkurrierten, machte die Sache extrem kompliziert. Ihre Informationen waren widersprüchlich, und es würde eine Weile dauern, bis sie ein tragfähiges Konzept entwickeln konnte. Denn selbst wenn Azmahar schon morgen einen neuen König hätte, würde der ohne eine wirksame Strategie nicht regieren können.

Ein melodisches Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf. War das die Türklingel gewesen?

Fast bedauerte sie, dass sie Cherie gebeten hatte, das Apartment mit ihr zu teilen. Auf der Universität waren sie befreundet gewesen und hatten sich auch danach nie aus den Augen verloren. Roxannes Rückkehr nach Azmahar erfolgte genau zu dem Zeitpunkt, als sich Cherie zum hundertsten Mal von ihrem Mann, einem Geschäftsmann aus Azmahar, getrennt hatte. Ohne einen Cent in der Tasche, ohne ihre Kreditkarten, ohne Klamotten, war sie davongestürmt, und Roxanne hatte sie aufgenommen.

Allmählich wurde es Zeit, eine neue Bleibe für Cherie zu suchen, damit die ihr Leben in den Griff kriegen konnte. Roxanne mochte Cherie sehr, aber das kreative Chaos, das die Freundin veranstaltete, ging ihr oft etwas zu weit. Überall lagen Sachen von ihr herum, sie vergaß, die Spülmaschine anzustellen, sie vergaß die Sicherheitsvorkehrungen, wenn sie die Wohnung verließ … Und nun hatte sie offensichtlich auch ihren Schlüssel vergessen.

Verärgert stürmte Roxanne in den Flur. Noch einmal klingelte es, diesmal nachdrücklicher, und Roxanne riss wütend die Tür auf. Verblüfft sah sie den Mann an, der vor ihr stand. Alles drehte sich plötzlich, ihr wurde schwindlig.

Haidar.

Eine Hand lässig gegen den Türrahmen gestützt, musterte er sie von oben bis unten, ehe er ihr mit einem herausfordernden Lächeln in die Augen sah.

„Weißt du, was ich mich seit acht Jahren frage, Roxanne?“ Seine Stimme klang verführerisch weich.

Sie fühlte sich fast, als sei sie einem gefährlichen Raubtier ausgeliefert, welches sie gleich verschlingen würde. Unfähig, sich zu rühren oder etwas zu erwidern, stand sie einfach nur da und starrte ihn an.

„Wie lange hat es gedauert, bis du nach unserer Trennung einen neuen Lover gefunden hattest? Oder zwei? Oder drei?“

2. KAPITEL

Irgendwann durchzuckte Roxanne ein Gedanke. Nein, eigentlich kein echter Gedanke. Nur ein Gefühl. Ein … wow!

Wow. Immer und immer wieder.

Es dauerte eine Weile, bis sich dieses unspezifische Gefühl in Worte fassen ließ, Worte, die sie nicht laut aussprach. Das haben die vergangenen acht Jahre also aus Haidar al Shalaan gemacht.

Die meisten Männer sahen in den Dreißigern besser aus als in den Zwanzigern. Gemein, aber wahr. Und viele gewannen in den Vierzigern und selbst in den Fünfzigern noch mal dazu. Jung waren sie glatt, hübsch und noch ungeformt vom Leben. Später bekamen sie Ecken und Kanten, Erfahrung zeichnete erste Linien, und das Gesicht strahlte nun Männlichkeit und Charakter aus.

Dabei hatte Roxanne Haidar schon damals, mit sechsundzwanzig, perfekt gefunden. Doch nun … Weder die Pressefotos noch ihre Erinnerung hatten sie auf den Anblick eines Mannes vorbereitet, der nicht nur atemberaubend attraktiv war, sondern auch eine überwältigend sinnliche Aura besaß.

Unter seinem Maßanzug zeichnete sich ein durchtrainierter Körper ab. Sein Gesicht war das eines gereiften Manns. Feine Linien unterstrichen seine ausdrucksvollen Augen, und sein schöner Mund verriet, dass dieser Mann gleichzeitig sensibel und knallhart sein konnte. In ihm vereinte sich die Härte der Beduinen, von denen er abstammte, mit der Eleganz des modernen Geschäftsmanns. Eine faszinierende Mischung.

„Roxanne?“ Fragend neigte er den Kopf zur Seite, sodass sein dunkles, halblanges Haar den Kragen streifte.

Seidiges Haar, schwarz wie die Wüstennacht. Roxanne erschauerte, als sie sich bei dem Wunsch ertappte, es zu berühren.

Belustigt schaute Haidar sie an. Er schien genau zu wissen, was in ihr vorging. „Ich hatte eine Wette laufen, wer von uns als Erster jemand Neuen im Bett hat.“

„Wozu eine Wette? Ich hatte viel zu viel zu tun. Umzug in die Staaten. Zurück an die Universität. Du dagegen brauchtest bloß mit den Fingern zu schnippen und die Damen auf deiner Warteliste eine nach der anderen abarbeiten.“

„Punkt für dich“, bemerkte er. „Ich habe mich geirrt. Bei der Wette hätte es nicht um den Zeitpunkt gehen dürfen, sondern nur darum, wie viele Typen du flachlegen würdest. Im Übrigen habe ich nur deine Abschiedsworte zitiert. Da ging es um zwei oder drei. Gemessen an deinen Bedürfnissen im Bett, die ich ja nur zu gut kenne, würde ich sagen, du bist mittlerweile mindestens bei dreißig.“

So gern sie auf seine Frechheit entsprechend gekontert hätte, wusste sie gleichzeitig, dass es sich mit ihrer offiziellen Position hier in Azmahar nicht vertrug. Haidar konnte sich herausnehmen, in ihre Privatsphäre einzudringen und sie zu beleidigen, doch sie durfte gegenüber dem potenziellen Thronfolger nicht aus der Rolle fallen.

Dass sie einmal seine Geliebte gewesen war, musste sie verdrängen. Vergessen, wenn möglich. Haidar war einflussreich, und selbst wenn er nicht König wurde, würde sie ihn brauchen, um das Land aus der Krise zu führen. Also musste sie so tun, als machten ihr seine anzüglichen Bemerkungen nichts aus.

Sei professionell, befahl sie sich. Bring das Gespräch auf eine sachliche Ebene.

Im nächsten Moment hörte sie sich sagen: „Bei dem Tempo, in dem du Frauen verschlissen hast, als wir noch zusammen waren, dürftest du jetzt bei dreihundert sein.“ Und als er nur grinste, fügte sie hinzu: „Was? Habe ich eine Null vergessen? Sind es eher dreitausend?“

Jetzt warf er den Kopf in den Nacken und lachte laut.

In diesem Moment begriff sie, dass sie ihn vermisst hatte. Verdammt, das durfte nicht sein. Er war ein wunderbarer Mann, und sein spontanes Gelächter war so … so sexy.

„Du meinst, dreitausend ständig verfügbare … hm, Gespielinnen?“ Sein Blick war immer noch amüsiert. „Das ergäbe aber ein großes logistisches Problem, meinst du nicht? Selbst der größte Harem wäre mit so vielen dienstbereiten Damen überfüllt. Oder gehst du davon aus, dass ich die dreitausend nacheinander hatte?“

Sie hob kampflustig das Kinn. „Ich bin sicher, dass du weder mit dem einen noch mit dem anderen Arrangement Probleme hättest.“

Erneut lachte er. „Ich hätte mir wirklich eine Bestätigung meiner Qualitäten von dir geben lassen sollen. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Die Geschichten, die du vielleicht über mich gehört oder gelesen hast, sind alle völlig übertrieben. Ich musste Prioritäten setzen und habe mich für den Kitzel von Geld und Macht entschieden. Um im großen Business erfolgreich zu sein, darf man seine Energie nicht im Bett vergeuden. Zeit ist Geld, und du weißt nur zu gut, wie viel Zeit guter Sex kostet.“

Sie verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln. „Keine Ahnung. Ich spiele immer noch in demselben Team.“

Haidar tat überrascht. „Willst du damit sagen, du hast dich nicht ausgetobt? Du schienst mir jemand zu sein, der jede Gelegenheit wahrnehmen würde, um seine Kenntnisse in der Kunst der Liebe zu erweitern.“

„Und du? Hast du deine Kenntnisse erweitert?“

Mit einem zynischen Lachen winkte er ab. „Wie könnte ich, wenn ich deiner Meinung nach doch ein Höhlenmensch bin, der nur seinen Instinkten folgt? Immerhin habe ich deinen Rat befolgt und nie wieder Besitzansprüche an jemanden gestellt.“

Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Egal, ob sie ihm in die Augen sah oder seine breiten Schultern und schmalen Hüften bewunderte, ganz gleich, ob ihr Blick auf seine langen, kräftigen Finger fiel oder sie die sinnliche Kurve seiner Lippen betrachtete – alles, was sie denken konnte, war immer noch wow, wow, wow …

Mit aller Kraft wehrte sie sich gegen das Verlangen, das in ihr aufstieg. „Du hast ein Gedächtnis wie ein Elefant, Haidar al Shalaan. Gibt es etwas, das ich gesagt oder getan habe, woran du dich nicht erinnerst?“

Er zuckte die Achseln. „Wenn du denkst, ein unfehlbares Gedächtnis sei eine Gnade, dann irrst du dich. Ich würde oft alles dafür geben, zu vergessen.“

In ihr regte sich ein Anflug von Mitgefühl. Sympathie. Bedauern. Wo kam das nun wieder her? Es irritierte sie, und so sagte sie rasch: „Wenn ich es recht bedenke, ist ein so gutes Gedächtnis tatsächlich ein Fluch. Es gibt bestimmt eine Menge, das du lieber vergessen oder wenigstens romantisch verklären würdest.“

Plötzlich wurde er ernst und schob die Hände in die Hosentaschen.

„Mir wäre es tatsächlich lieber, wenn ich manchen Ereignissen in meinem Leben ein rosa Mäntelchen verpassen könnte“, bemerkte er kühl, bevor in seinen Augen wieder Angriffslust aufblitzte. „Ein Gutes hat diese unbestechliche Klarheit allerdings. Niemand würde sich wünschen, mich zum Feind zu haben.“

Sie lachte trocken. „Ja, und dafür liebt man dich, wie ich höre.“

„Sehe ich aus wie jemand, der geliebt werden möchte?“

Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. So ein eiskalter Mistkerl! Stattdessen atmete sie tief durch. „So ein verwirrendes, unbequemes Gefühl, diese Liebe, nicht wahr? Nein, soweit ich weiß, stehst du mehr auf bedingungslose Unterwerfung.“

Haidar grinste. „Und ich bekomme immer, was ich will. Für jemanden in meiner Position ist das sehr praktisch.“

„Du bist in allem ganz der Sohn deiner Mutter, stimmt’s?“

Obwohl sein Lächeln, mit dem er ihre Bemerkung quittierte, alles andere als einladend war, hatte sie plötzlich Lust, diese herzlosen Lippen zu küssen. Irgendwie war Haidar noch verführerischer als damals. Und rücksichtsloser. Und kälter. Eine verrückte Mischung, die sie gleichzeitig anzog und abstieß.

„Warum bittest du mich nicht herein, Roxanne?“

Ihr Name. Seine Stimme. Wie elektrisiert zuckte sie zusammen, und alles, was sie herausbrachte, war: „Du … du möchtest reinkommen?“

„Nein, ich wollte mich mit dir auf der Türschwelle duellieren.“

Als er sich in Bewegung setzte, vertrat sie ihm den Weg. „Es ist mir völlig egal, weshalb du hergekommen bist. Aber es gibt kein Duell. Ich weiß deinen Besuch durchaus nicht zu schätzen, Prinz al Shalaan. Und ich hoffe, ich sehe dich nie wieder.“

„Anscheinend überschätzen die Leute, die dich gepriesen haben, deine Fähigkeit, mit schwierigen Situationen und unbequemen Zeitgenossen fertig zu werden“, sagte er verächtlich.

„Selbst meine diplomatischen Wunderwaffen versagen vor jemandem wie dir.“

Mit einem milden Lächeln nahm er das zur Kenntnis. „Hör zu, ich habe unser kleines Scharmützel hier im Flur sehr genossen, aber ich würde unsere Unterredung gern in einer privateren Umgebung fortsetzen. Und zwar deinetwegen. Denn du wohnst hier. Möchtest du, dass deine Nachbarn mitkriegen, wie es weitergeht?“

„Da es nicht weitergehen wird, gibt es auch nichts mitzukriegen“, entgegnete sie fest. „Außer deinem Abgang.“ Sie versuchte, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch er stemmte seine Hand dagegen und hielt sie mühelos auf.

„Dir ist klar, wer ich bin, oder?“

„Willst du jetzt deinen Status gegen mich ausspielen?“, fragte sie verblüfft.

„Das wäre doch ziemlich langweilig und kindisch, oder?“

„Und was sollte das dann?“

„Ich wollte dich an eine Tatsache erinnern. Wer bin ich, wenn du den ganzen Statusquatsch mal für einen Moment vergisst?“

Der begehrenswerteste Mann auf der Welt.

Laut sagte sie: „Ein verdammter Mistkerl.“

Sein Blick ließ sie erschauern. „Ich bin der Sohn einer königlichen Hexe.“

Wie wahr. Erstaunlich allerdings, dass er sich darüber im Klaren war.

„Das stimmt“, antwortete sie ruhig.

Er lächelte dämonisch. „Also weißt du, wie weit ich gehen würde, um ein Spiel zu gewinnen. Oder möchtest du, dass ich es dir beweise?“

Roxanne fühlte sich mit einem Mal schwach und hilflos. Dennoch hielt sie ihm stand. „Weshalb willst du unbedingt reinkommen, Haidar? Du hattest dein kleines Intermezzo, und wir haben alle Höflichkeiten ausgetauscht, die wir auf Lager hatten. Alles andere wäre eine Wiederholung, und keiner von uns beiden kann es sich leisten, seine Zeit zu verschwenden.“

Achselzuckend meinte er: „Zuerst möchte ich dich darauf hinweisen, dass wir uns gerade erst ein wenig aufgewärmt haben. Zweitens glaubst du doch nicht im Ernst, dass ich dich noch einmal davonkommen lasse? Vor acht Jahren war ich zu überrascht, um zu reagieren. Außerdem war ich jung und weichherzig. Drittens nehme ich an, es war eine rein rhetorische Frage, weshalb ich reinkommen will. Schaust du manchmal in den Spiegel? Weißt du eigentlich, wie du aussiehst?“

Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie sie sich ihm präsentierte. Zierlich ohne ihre Stilettos, schutzlos ohne ihr Businesskostüm und ihr Make-up. Ihr Haar war feucht vom Duschen und lockte sich wild, und sie trug nichts außer einem Bademantel.

Wenn sie Haidars Blick richtig deutete, dann stellte er sich gerade vor, wie er den Gürtel lösen und ihr die Robe über die Schultern schieben und zu Boden gleiten lassen würde. Ob ihm wohl gefallen würde, was er dann zu sehen bekäme? Ob er sich daran erinnerte, welche Lust er ihr bereiten konnte?

„Nehmen wir dann noch deinen Mund, deine Zunge, die mir so viel Vergnügen verschafft haben“, meinte er jetzt herausfordernd. „Fragst du dich dann immer noch, weshalb ich reinkommen will?“

„Noch ein Zitat: ‚Du bist ekelhaft‘. Glaubst du wirklich, ich lasse einen Mann, der so groß, so stark und so mächtig ist wie du, in meine Wohnung, nachdem er seine schmutzigen Absichten deutlich gemacht hat?“

„Fürchtest du dich vor mir?“

Nein, dachte sie. Fürchten ist nicht das richtige Wort. Haidar würde einer Frau gegenüber niemals Gewalt anwenden. „Nein, aber du widersetzt dich meinen Wünschen. Ich habe klargemacht, dass ich dich nicht hier haben will.“

Lächelnd sah er ihr in die Augen. „Ich erinnere mich nur zu gut, wie und wo du mich haben willst, Roxanne. Du bist reifer geworden, aber dein Körper hat sich nicht verändert. Und den kenne ich in- und auswendig, spüre jedes Signal.“

Stumm stand sie da, hin und her gerissen zwischen dem Verlangen, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen oder sich ihm hemmungslos an den Hals zu werfen.

Er begriff offenbar genau, wie es in ihr aussah. „Mein kleiner Überraschungsbesuch hat dich aus dem Gleichgewicht gebracht. Jetzt hast du das Gefühl, du müsstest dich verteidigen. Deshalb bist du wütend. Du willst, dass ich gehe, damit du dich sammeln kannst.“

Ihr Widerstand schmolz weiter, und er setzte nach. „Daran werde ich dich nicht hindern, versprochen. Ich mache mir einen Tee, und du kriegst dich wieder ein. Von mir aus kannst du dich auch anziehen, wenn es dir lieber ist.“

„Was soll dieser herablassende Ton!“, zischte sie erbost.

„Eben war ich noch ekelhaft, jetzt immerhin nur herablassend. Findest du nicht, dass ich Fortschritte mache?“

„Ganz im Gegenteil.“ Sie warf einen bedeutsamen Blick auf seinen Fuß, der die Türschwelle blockierte. „Verschwinde, Haidar. Du hast Besseres zu tun, als mich zu belästigen. Immerhin bewirbst du dich hier um einen Job. Den Topjob.“

Obwohl seine Miene unbeteiligt blieb, spürte sie, dass er überrascht war. Und unangenehm berührt. Warum? Hatte er gehofft, seine Bewerbung geheim halten zu können?

„Anscheinend verbreiten sich Gerüchte in diesem Land schneller als der Schall.“

„Es handelt sich nicht um ein Gerücht, Haidar. Ich weiß, dass du als Thronanwärter kommst.“

Um seine Mundwinkel zuckte es. „Und wenn ich dir sage, dass ich deinetwegen hergekommen bin?“

„Unsinn“, meinte sie wegwerfend. „Übrigens gebe ich dir einen Rat. Meine Nachbarn sind nicht dumm, und sie bekommen viel Besuch. Du bist eine prominente Persönlichkeit. Sobald dich jemand hier vor meiner Tür entdeckt, gibt’s bestimmt bald ein paar schöne Fotos von dir im Internet. Kein guter Start für deine Bewerbung um die Königswürde, findest du nicht auch?“

„Aha, jetzt kommt die Diplomatin zum Vorschein. Schon arbeitest du für meine Sache. Und das könntest du noch viel besser, wenn wir diese Tür hinter uns beiden zumachen und in deiner Wohnung weiterreden.“

„Netter Versuch, Haidar. Geh weg.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum?“

„Kapierst du das wirklich nicht?“

„Nein.“

„Ich will, dass du verschwindest. Reicht das nicht?“

„Aber wir haben doch bereits geklärt, dass das nicht stimmt.“

„Reine Fantasie.“

„Dann gib mir einen Grund, den ich akzeptieren kann.“

„Weshalb sollte ich?“

„Muss ich immer noch büßen, dass ich dich damals ‚wie einen Lakaien herbeizitiert‘ und behauptet habe, du gehörtest mir?“

Sie ballte die Fäuste. „Hör auf, in der Vergangenheit herumzuwühlen. Du musst für gar nichts büßen. Ich fühle mich nur …“

„Bedrängt? Und du reagierst wie die heißblütige Wildkatze, die ich kenne, und nicht wie die kühle Diplomatin, die du angeblich bist.“ Weil Roxanne nichts erwiderte, setzte er hinzu: „Jetzt, da wir das geklärt haben, könnten wir doch eigentlich gemeinsam beschließen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Du könntest einfach sagen: ‚Komm rein, Haidar, sei willkommen‘.“

„Geh weg, Haidar.“

„Glaubst du wirklich, dass ich das tun werde?“

Es war, als liefe sie durch Treibsand. Mit jeder Erwiderung sank sie tiefer ein. Also schwieg sie.

Überraschend wandte Haidar sich um.

Trat er wirklich den Rückzug an?

Während Roxanne ihm nachschaute, spürte sie etwas wie Enttäuschung. Sehnte sie sich etwa nach ihm? Immer noch?

Jetzt hatte er den Lift gleich erreicht. Ende. Aus.

Plötzlich blieb er stehen. Was hatte er nun wieder vor?

Gleich darauf klingelte er an einer Wohnungstür.

Oh nein! dachte Roxanne entsetzt.

Doch da klingelte er schon an der nächsten Tür und an der übernächsten. Baute er sich mitten im Flur auf und wartete gelassen.

Ehe Roxanne begriff, was gerade geschah, wurde eine Tür nach der anderen geöffnet, und ihre Nachbarinnen erschienen. Verblüfft starrten die Frauen auf Haidar.

„He, tut mir leid, Ladys“, sagte er in aufgesetzt derbem Dialekt. „Ich wusste nicht, welches das richtige Apartment ist.“

„Oh, mein Gott!“, rief Susan Gray aus, Geschäftsführerin der Tochterfirma eines internationalen Konzerns. „Sie sind es wirklich! Prinz Haidar al Shalaan!“

Haidar schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin bloß sein Doppelgänger. Eine Lady hier hat fünf Riesen bezahlt, damit sie bei ihm mal die Domina spielen kann. Meistens mache ich es für weniger, aber weil sie ein paar wirklich ausgefallene Sachen vorhat, dachte ich mir, ich kreuze mal auf. Die Adresse stimmt, das Stockwerk auch, aber die Nummer vom Apartment war falsch. Also, welche von euch will mit diesem Haidar auf die Matte?“

Die Frauen in den geöffneten Türen starrten zuerst den Mann im Flur an, dann schauten alle wie auf Kommando zu Roxanne. Sie war die Einzige, die nur einen Bademantel trug.

War der Typ verrückt geworden? Sie musste schleunigst etwas unternehmen, sonst war ihr guter Ruf im Eimer. Es gab nur eine Möglichkeit. Rasch ging sie auf Haidar zu. Das Geräusch, das ihre bloßen Füße auf dem spiegelglatten Marmorfußboden machten, schien ihr viel zu laut.

Mit gespielter Überraschung schaute Haidar zu ihr hinüber. „Ah, Sie sind’s, richtig? Hatte eigentlich angenommen, Sie wären ein Typ. Wieso findet ihr Weiber bloß keinen Mann, den ihr auf normale Weise unterdrücken könnt? He … Sie haben nicht etwa einen an der Klatsche?“ Wie um sich rückzuversichern, ließ er den Blick zu den Nachbarinnen schweifen.

In diesem Moment packte Roxanne ihn am Ärmel, doch er befreite sich mit einem Ruck. „Halt, Lady, Unterwerfung gibt’s nur privat. In der Öffentlichkeit kostet es extra.“

Sie nahm all ihren Mut zusammen und lächelte betont strahlend in die Runde. „Tut mir leid, Ladys. Haidar ist ein alter Freund von mir. Leider. Vor acht Jahren habe ich ihn sitzen lassen, offenbar hat er das nicht verwunden. Oder es ist einfach seine Art von Humor, mich auf diese Weise zu begrüßen.“

Erneut seinen Ärmel packend, zog sie ihn zu ihrem Apartment. Gleichzeitig wünschte sie sich ans andere Ende der Welt.

Haidar schaute über die Schulter zurück zu den anderen Frauen. „Ich kenne diese Dame nicht. Ist sie gefährlich?“ Als Roxanne ihm einen Schlag versetzte, rief er: „He, wir haben Unterwerfung vereinbart, keine Tätlichkeiten.“

„Halt die Klappe, Haidar“, zischte sie.

„Hören Sie mal, ich bin ein anständiger Arbeiter, also, haben Sie ein bisschen Respekt vor mir.“

Ein Blick zurück verriet Roxanne, dass ihre Nachbarinnen nicht genau wussten, was sie von dieser Szene halten sollten. Keine lachte, aber es war klar, dass sie sich amüsierten.

„Du hast gewonnen“, flüsterte Roxanne. „Jetzt hör endlich auf mit dem Mist.“

„Heißt das, Sie zahlen mir das Doppelte, wenn ich behaupte, dass ich wirklich dieser Haidar bin?“, fragte er laut genug, dass alle es hören konnten.

„Schluss jetzt!“, rief sie gereizt und schob ihn über ihre Türschwelle ins Apartment.

Ehe sie die Tür ins Schloss werfen konnte, wandte er sich noch einmal an die Nachbarinnen. „Könnten Sie in einer Stunde mal klingeln und nachschauen, ob ich noch lebe?“

Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, zog Roxanne ihn von der Tür weg und knallte sie zu. Schwer atmend und so wütend wie noch nie in ihrem Leben funkelte sie Haidar an.

Doch der grinste nur. „Ich habe dich gewarnt. Das nächste Mal gibst du früher nach.“

Außer sich trommelte sie mit den Fäusten gegen seine stahlharte Brust. „Du rücksichtsloser Mistkerl!“

Das entlockte ihm nur ein leises, sinnliches Lachen. „Ich mag es, wenn dein Temperament mit dir durchgeht. Wer ist bloß auf die Idee gekommen, dich zur Diplomatin zu machen?“

„Du wirst sehr bald feststellen, dass ich in meinem Job sehr effektiv sein kann“, gab sie zurück. „Denn wenn ich mit dir fertig bin, kannst du den Thron von Azmahar vergessen!“

„Das ist mir egal. Darf ich dich jetzt endlich küssen?“

Ohne auf ihre Antwort zu warten, hob er sie mühelos hoch und tat es.

Sobald sein Mund ihre Lippen berührte, war es für Roxanne, als rase die Zeit rückwärts – dieser Kuss fühlte sich an wie der allererste vor acht Jahren. Jener Kuss, der ihre Leidenschaft, ihre Liebe geweckt hatte.

Haidar drängte sie nicht, warb zärtlich um ihre Hingabe. Sanft presste er die Lippen auf ihre, bis sie sich öffnete und seine Zunge eindringen ließ. Langsam steigerte er ihr Verlangen, saugte, knabberte, bis sie ihn an sich zog und sie in einem leidenschaftlichen, nicht enden wollenden Kuss verschmolzen.

Diesmal jedoch fachten ihr Zorn und die Sehnsucht, die sie jahrelang unterdrückt hatte, das Feuer ihrer Lust zusätzlich an. Roxanne wusste, dass es ein Fehler war, war aber machtlos gegen ihre Gefühle.

Haidar trug sie zum Sofa, legte sich auf sie. Es erregte sie, sein Gewicht zu spüren, seine Erektion. In Sekundenschnelle hatte er ihr den Bademantel abgestreift und sein Hemd ausgezogen. Dann kam er zurück zu ihr, drückte sie in die Kissen und seufzte verlangend, als sie ihre nackten Brüste an seinen muskulösen Oberkörper presste.

Heißer und heißer wurden ihre Küsse, leidenschaftlich erkundete er das sensible Innere ihres Mundes, bis Roxanne lustvoll aufstöhnte. Sofort begann er ein neues Spiel, zarte Liebesbisse, in die Lippen, in den Hals, ins Ohrläppchen. Keuchend vor Verlangen rieb Roxanne ihre Hüften an seinen, wollte ihn endlich tief in sich spüren …

Plötzlich löste Haidar sich von ihr, sah sie an, die Augen dunkel vor Verlangen. „Ich hätte dich sofort küssen sollen, als du mir die Tür geöffnet hast.“

Seine Arroganz stachelte ihre Wut sofort wieder an, doch die Lust gewann die Oberhand. Roxanne sehnte sich mit einer ganz neuen Intensität nach ihm, die sie fast erschreckte. Was sie hier taten, war falsch und fühlte sich doch so richtig an, so überwältigend gut.

In diesem Moment ließ ein lauter Knall die Kristallvase auf dem Mahagonitisch neben dem Sofa klirren. Roxanne erstarrte.

Cherie.

„Willst du wissen, wer vor meiner Tür auf mich gewartet hat, angeblich, um mit mir zu reden? Ayman. Stell dir das mal vor. Wie kommt der dazu, mich …“

Der Redeschwall verebbte abrupt. Roxanne spähte über Haidars Schulter. Fast hätte sie albern losgekichert, als sie den entgleisten Gesichtsausdruck ihrer Freundin sah. Nur wenige Minuten später, und Cherie hätte zwei nackte, ineinander verschlungene Liebende auf dem Sofa entdeckt.

Nun vibrierte Roxannes ganzer Körper von den unerfüllten Sehnsüchten, die Haidar in ihr geweckt hatte.

„Hm, Cherie …“, krächzte sie heiser.

„Ach, du meine Güte, ich wollte nicht …“ Cherie unterbrach sich, ehe sie herausplatzte: „Ich hätte ja nie gedacht, dass du …“

Dich mitten am Tag, mitten im Wohnzimmer mit einem Löwen von Mann vergnügst, wenn jeden Moment die Mitbewohnerin nach Hause kommen kann, ergänzte Roxanne im Stillen.

Wie in Zeitlupe erhob sich Haidar. In seiner Miene spiegelten sich Verlangen und Frustration. „Du hast eine Mitbewohnerin, Roxanne? Ernsthaft?“

„Was tue ich eigentlich noch hier?“, piepste Cherie und rannte mit einem nachgeschobenen „Tut mir echt leid, Leute. Macht ruhig weiter. Bin schon weg!“, in ihr Zimmer.

Haidar fing an, sein Hemd zuzuknöpfen. Roxanne dagegen hätte für einen verrückten Moment nichts dagegen gehabt, Cheries Aufforderung zu folgen. Doch dann setzte auch ihr Verstand wieder ein. Sie stand auf und wickelte sich in ihren Bademantel – was Haidar völlig überflüssig fand, wie sein Blick ihr sagte.

„Wir sehen uns wieder, ya naari.“

Er hatte sie „mein Feuer“ genannt. Roxanne erschauerte lustvoll. Nie hätte sie gedacht, dieses Kosewort noch einmal aus seinem Mund zu hören.

Schon in der Tür, drehte er sich um. „Das nächste Mal treffen wir uns bei mir. Und zu meinen Bedingungen.“ Mit der Zungenspitze fuhr er sich über die Lippe, wo Roxannes zarter Liebesbiss eine kleine Spur hinterlassen hatte. Leidenschaft schimmerte in seinen Augen, als er flüsterte: „Bis bald.“

3. KAPITEL

„Ich würde alles dafür geben, wenn Sie mir verraten, wie Sie das machen, Roxanne. Was ist Ihr Geheimnis?“

Verwundert sah Roxanne ihre Nachbarin Kareemah al Sabahi an. Ihre Tür war die letzte, an die sie geklopft hatte, um Haidars merkwürdiges Verhalten zu entschuldigen. Es war ihr äußerst peinlich, aber schließlich hatten die Frauen die Szene mitbekommen, und sie musste die Sache aufklären.

Cheries Auftauchen hatte Kareemahs Fantasie beflügelt, doch wenige Minuten später war Haidar gegangen, und die Vorstellung von einem flotten Dreier hatte sich verflüchtigt.

„Also, Sie sind natürlich eine tolle Frau, aber daran allein kann es nicht liegen. Bestimmt haben Sie ein Geheimnis. Und ich wette, dass andere Frauen dafür töten würden, es zu erfahren.“

Roxanne schüttelte den Kopf. Was plapperte diese Kareemah da eigentlich? Wahrscheinlich verlor jede Frau den Verstand, sobald Haidar auftauchte. Ihr selbst ging es doch ähnlich.

„Wie schaffen Sie es, dass solche Traumtypen ausgerechnet vor Ihrer Türschwelle aufkreuzen?“, wollte Kareemah wissen.

„Hm, wenn Sie Haidar meinen, dann habe ich doch bereits erklärt, dass …“

„Das habe ich ja auch verstanden“, entgegnete die Nachbarin und schaute den Flur entlang. „Aber gleich zwei auf einmal?“

Das Geräusch von Schritten ließ Roxanne herumwirbeln. Ihr stockte der Atem, und sie dachte hektisch: Nein, nicht noch ein Mitglied der al Shalaans!

Es war Jalal. Entspannt, die Hände in die Hosentaschen geschoben, stand er in ihrer Tür, die sie offen gelassen hatte. In seinem schwarzen Anzug und dem bernsteinfarbenen Hemd sah er aus, als wäre er einem Cover von GQ entsprungen.

Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden wurde sie von einem Mann heimgesucht, den sie gehofft hatte, nie wiederzusehen.

„Hier gibt es ein Sprichwort“, flüsterte Kareemah und zog Roxanne am Ärmel. „Nachbarn haben Vorrang, wenn es gilt, Gutes zu tun. Los, zeigen Sie mir, wie Sie Götter bezirzen.“ Bevor sie in ihrem Apartment verschwand, warf sie Jalal noch einen schmachtenden Blick zu.

Verwirrt starrte Roxanne auf die geschlossene Nachbartür. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.

„Wie habe ich mich all die Jahre nach dir gesehnt …“

Was er sagte, machte sie traurig und wütend zugleich. Zorn gewann die Oberhand. Sie durfte nicht zulassen, dass Jalal wieder Chaos stiftete. Die gestrige Begegnung mit Haidar war furchtbar genug gewesen.

Äußerlich ruhig, während ihre Nerven in Wahrheit zum Zerreißen gespannt waren, wandte sie sich um. „Wenn das nicht einer der meistbegehrten Mistkerle von Azmahar ist.“

Jalal umfing sie mit einem warmen Blick und breitete die Arme aus. Früher hätte sie sich nur zu bereitwillig an seine breite Brust ziehen lassen. „Allah yahmeek, ya Roxanne.“

Das bedeutete wörtlich „Gott möge dich schützen“. Eine seltsame Antwort auf ihre Provokation, doch Jalal hatte ihre Schlagfertigkeit schon immer mit Anerkennung quittiert. Sie hatten sich unglaublich gut ergänzt, waren wie Seelenverwandte gewesen. Auch das hatte sich als Lüge erwiesen.

Jahrelang hätte sie nicht sagen können, welcher Verrat mehr schmerzte. Jalals oder Haidars.

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Hör zu, ich habe letzte Nacht kaum geschlafen, und vermutlich werden die nächsten Tage und Nächte noch furchtbarer. Weshalb verschwindest du nicht einfach? Egal, weshalb du gekommen bist – ich will es nicht wissen.“

„Auch nicht, wenn ich gekommen bin, dich um Vergebung zu bitten?“

Wütend machte sie ein paar Schritte auf ihn zu. „Das wäre ja nichts Neues. Trotzdem – kein Interesse.“

Vor zwei Jahren hatte er sich urplötzlich bei ihr gemeldet und um ein Treffen gebeten, doch Roxanne hatte einfach den Telefonhörer aufgelegt. Ein zweites Mal hatte Jalal es nicht versucht.

Sie musste zu ihm aufschauen, obwohl sie ihre höchsten Stilettos trug.

Da tat er etwas, was sie völlig aus dem Konzept brachte. Jalal berührte sanft ihre Wange und flüsterte: „Alhamdullilah – ich danke Gott, dass die vergangenen Jahre dir offenbar Glück gebracht haben. Du bist noch schöner als damals, Roxy.“

Das Gleiche hätte sie von ihm behaupten können, aber sie beherrschte sich. Jalal hatte schon als junger Mann sehr gut ausgesehen, allerdings auf eine ganz andere Weise als sein Zwillingsbruder Haidar. Jetzt, gereift, war er umwerfend attraktiv und wirkte im Gegensatz zu dem eher westlichen Typ Haidars wie ein Prinz aus „Tausendundeine Nacht“.

„Ich habe dich so vermisst, meine liebste Freundin“, fügte er zärtlich hinzu.

Sie packte seine Hand und zog Jalal hinter sich her zum Lift. Er widersetzte sich nicht. Sobald sich die Fahrstuhltüren öffneten, komplimentierte sie ihn hinein. Auch ließ er es geschehen, doch sein Blick verriet, wie bekümmert er war.

Da wurde Roxanne schwach, zog ihn wieder in den Flur und hinüber zu ihrem Apartment. Drinnen überließ sie es Jalal, die Tür zu schließen, und ging mit wenigen langen Schritten voraus ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich auf das cremefarbene Ledersofa fallen, sah zu Jalal auf und bemerkte frostig: „Los, mach schon. Bitte um Vergebung. Aber gib dir Mühe, damit es auch bei mir ankommt.“

„Hm“, meinte er, „das ist gar nicht so einfach. Wie wäre es mit Pathos?“

„Etwas anderes hätte ich von dir auch nicht erwartet.“

Er seufzte und nickte dann. „Vorher möchte ich noch etwas klären. Damals, als du ins Zimmer kamst, ohne dass wir es zunächst bemerkten – hast du da gehört, wie Haidar und ich über eine Wette sprachen?“

Anscheinend kannte er nur die halbe Wahrheit. Nun, sie hatte nicht vor, ihn aufzuklären. „Was glaubst du denn? Ja oder nein?“

„Ich glaube, ja. Anders ließe sich dein Verhalten nicht erklären. Du warst wütend auf Haidar, du hast dich von ihm bevormundet gefühlt. Aber das allein wäre kein Grund, auch mich aus deinem Leben zu verbannen. Außer, du hast von der Wette erfahren und die falschen Schlüsse daraus gezogen.“

Hitzig gab sie zurück: „Von wegen die falschen Schlüsse gezogen! Ich hatte endlich die Wahrheit erfahren und beschlossen, euch zwei konkurrenzbesessenen Schwachköpfe loszuwerden. Ende der Geschichte.“

Ihre Beleidigungen schienen ihn überhaupt nicht zu treffen. Darin glich er Haidar nun wieder. Doch wo Haidar seinen teuflisch scharfen Verstand einsetzte, um sein Ziel zu erreichen, verhielt sich Jalal sanft und verständnisvoll.

„Du weißt genau, alles hat zwei Seiten. Keine Situation ist so eindeutig, dass es nur eine einzige Erklärung dafür gibt“, wandte er ein.

Roxanne hatte keine Lust mehr, sich Gedanken über die Vergangenheit zu machen. Hoffnung war kein guter Ratgeber. Also hatte sie sich aufgerappelt, den Schmerz verdrängt und ein neues Leben begonnen. Nur eine kleine, nicht totzukriegende Stimme in ihrem Kopf meldete sich ab und zu und fragte, ob sie nicht doch vorschnell reagiert hatte. Ob es nicht doch eine andere Sichtweise auf die Ereignisse gegeben hätte.

Jalal sah sie an, als könnte er ihre Gedanken lesen. Und war es nicht auch so? Sie waren schon immer auf der gleichen Wellenlänge gewesen. Seelenverwandte eben.

„Kratzt du mir die Augen aus, wenn ich mich neben dich setze?“, fragte er.

„Als ob dich das abschrecken würde“, gab sie zurück.

Er setzte sich geschmeidig und so nah, dass sie seine Wärme, seine Kraft und seine Gutmütigkeit spüren konnte, und beinahe hätte sie sich an ihn gelehnt wie früher. Alles vorbei. Es machte sie traurig, und deshalb sagte sie mit einer Spur von Sarkasmus: „Das Sofa ist so niedrig, dass die meisten Leute hineinplumpsen. Du spielst wohl immer noch jeden Tag Squash?“

„Wir sind beide sehr sportlich“, erwiderte er lächelnd. „Du siehst fitter aus denn je, Roxy.“ Ehe sie dagegen protestieren konnte, dass er ihren Kosenamen benutzte, sagte Jalal unvermittelt: „Ich möchte dir etwas über meine Beziehung zu Haidar erzählen. Das bin ich dir schuldig.“

Schon wieder Haidar … Roxannes Herz zog sich schmerzhaft zusammen, trotzdem brachte sie eine gleichmütige Antwort heraus. „Ich habe mir die Sache längst selbst zusammengereimt. Ihr versucht unentwegt, euch gegenseitig zu übertrumpfen.“

„Interessiert es dich gar nicht, weshalb wir so geworden sind?“

„Geschwisterliche Rivalität, was sonst? So etwas langweilt mich.“

„Wenn es nur das wäre!“, rief Jalal aus. „Aber es ist viel schlimmer. Du hast ja bemerkt, wie verschieden wir sind. Früher waren wir unzertrennlich. Bis etwas grundlegend schiefging. Und zwar an unserem zehnten Geburtstag.“

Oh, das war ihr neu. Roxanne hatte immer geglaubt, Jalal und Haidar wären nie miteinander ausgekommen.

„Ich habe fast den Palast in Brand gesteckt“, berichtete Jalal weiter, „aber Haidar hat die Schuld auf sich genommen. Statt die Wahrheit zu sagen, habe ich feige geschwiegen, und er kassierte die Strafe. Danach war nichts mehr wie zuvor.“

Überrascht hörte Roxanne weiter zu.

„Von da an ging mir Haidar aus dem Weg, doch anstatt es zu akzeptieren als Teil meiner Schuld, versuchte ich mit allen Mitteln, ihn zurückzugewinnen. Ohne Erfolg. Zu dieser Zeit fing Haidar an, mir in allem, was er tat, zu beweisen, dass er es besser konnte als ich. Was ihm mühelos gelang. Er bekam die besseren Noten, meine Eltern zogen ihn mir vor, weil er so klug und so ehrgeizig war. Alle Mädchen schwärmten für ihn, gerade weil er sie immer abblitzen ließ. Sport war das Einzige, wo ich ihm überlegen war, trotzdem schaffte Haidar es immer, mehr Lob einzuheimsen als ich.“

Er lachte freudlos. „Dazu kam, dass meine Mutter mich praktisch gar nicht wahrnahm. Für sie gab es nur Haidar. Er war ihr Star, während ich mich unendlich nach ihrer Liebe und Anerkennung sehnte. Es war wie verhext. Einerseits suchte ich Haidars Nähe um fast jeden Preis, und manchmal hatte ich das Gefühl, es ging ihm umgekehrt genauso. Doch jedes Mal, wenn wir uns einander angenähert hatten, zog er sich wieder zurück.“

Also hatte sich Haidar nicht nur ihr gegenüber auf diese irritierende Weise verhalten. Es hatte sie damals so verwirrt und unglücklich gemacht.

Jalal lehnte sich zurück und starrte ins Leere. „Wir standen gemeinsam gegen den Rest der Welt, aber sobald wir allein waren, begannen wir zu kämpfen wie zwei Stiere, die man mit Steroiden gedopt hat. Es war wie eine Sucht.“

Aufmerksam sah Roxanne ihn an. Nie hätte sie gedacht, dass das Verhältnis der Brüder derart kompliziert sein könnte. Wie schrecklich, dachte sie. Sie lieben sich, aber sie können nicht aufeinander zugehen.

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