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Plötzlich It-Girl - Wie ich beinah die Promi-Hochzeit des Jahres ruiniert hätte

hier erhältlich:

Meine Lebensziele:

1. Einen It-Girl-würdigen Auftritt bei der Hochzeit meines Vaters hinlegen (bestenfalls ohne peinliche Aussetzer).
2. Möglichst gelassen und cool bleiben, obwohl Dad die berühmteste Schauspielerin EVER heiratet und es überall von Promis UND Paparazzi wimmeln wird (siehe Punkt 1).
3. Bloß nicht aus Versehen auf den Schleier der Braut treten (siehe Punkt 1).
4. Auf keine Fall im hohen Bogen in der Hochzeitstorte landen (siehe Punkt 1).
5. Die entzückendste Brautjungfer aller Zeiten werden, um Connors Herz (zufällig der süßeste Typ meiner Schule) zum Hüpfen zu bringen.

LG, Anna xxx


  • Erscheinungstag: 01.09.2016
  • Aus der Serie: It Girl Serie
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 320
  • Altersempfehlung: 12
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505137068

Leseprobe

Katy Birchall

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Aus dem Englischen
von Verena Kilchling

 

Für alle, die manchmal denken,
sie seien nicht cool genug.
Ihr irrt euch!

Kapitel eins

»Du kannst mich nicht für immer hier oben sitzen lassen!«

Jess verschränkte die Arme und wirkte äußerst zufrieden mit sich. »Klar kann ich das.«

»Lass mich sofort runter!«

»Darüber muss ich erst nachdenken.« Sie tat für einen Moment so, als würde sie angestrengt nachgrübeln, und rieb sich versonnen das Kinn, bevor sie mit den Schultern zuckte. »Nö.«

Wütend starrte ich zu meiner besten Freundin hinunter, die mich mit siegesgewissem Grinsen ansah.

»Weißt du, Anna, es ist gar nicht so schwer«, erklärte Jess. »Du erzählst mir in allen Einzelheiten, was gestern passiert ist, und ich stelle die Leiter zurück, damit du wieder vom Dachboden runterkannst. Eine Win-win-Situation.«

»Wieso, was gewinne ich denn dabei?«, fragte ich und leuchtete mit meiner Stirnlampe auf dem Dachboden herum, für den Fall, dass hier oben zufällig irgendwo eine zweite Leiter herumstand. »Ich sage Dad, dass er dir nie wieder die Tür aufmachen soll. Diese und andere Konsequenzen deiner Tat hast du dir hoffentlich gut überlegt.«

»Ich habe lange und ausführlich darüber nachgedacht, ja.« Sie lächelte und bückte sich, um ihre Kamera aus der Tasche zu ziehen. »Und bin mir ziemlich sicher, dass das Ergebnis die Sache wert sein wird.« Sie richtete das Objektiv ihrer Kamera auf mich und drückte ab, während ich wutentbrannt zu ihr nach unten starrte.

»Also, das behalte ich auf jeden Fall«, lachte sie, nachdem sie das Foto auf dem Display betrachtet hatte. »Du siehst so was von stinkwütend aus! Dein Gesicht ist voll blass – wie ein Gespenst, das plötzlich aus der Finsternis auftaucht. Zum Glück ist bald die Klassenfahrt, dann kommst du endlich an die Sonne. Ein bisschen Vitamin D kann dir wirklich nicht schaden.«

»Musst du mich eigentlich am laufenden Band beleidigen?«, beschwerte ich mich.

»Tja, die Stirnlampe ist auch nicht gerade vorteilhaft«, fuhr sie fort, ohne auf meinen Vorwurf einzugehen. »Mit dem Ding siehst du aus wie ein Maulwurf. Ein ziemlich gruseliger Maulwurf.«

»Ernsthaft jetzt. Voll unhöflich von dir.«

»Oder vielleicht doch eher wie ein gruseliges Meerschweinchen? Schwer zu sagen. Ich gehe runter und frage deinen Dad, was er meint. Warte hier.«

»WARUM BIN ICH NOCH MAL MIT DIR BEFREUNDET?«

Jess verschwand von der Bildfläche, um Dad zu fragen, welchem Nagetier ich ähnelte.

Ich verfluchte mich innerlich dafür, dass ich seiner Behauptung geglaubt hatte, mein großer Koffer sei auf dem Dachboden. Und dass ich es für eine gute Idee gehalten hatte, selbst hinaufzusteigen, um den dämlichen Koffer zu holen, statt ihn darum zu bitten.

Wobei ich natürlich nicht hatte ahnen können, dass genau in dem Moment, als ich mit meiner Stirnlampe auf besagtem Dachboden herumwühlte, meine total witzige beste Freundin zu Besuch kommen und mir die Leiter wegnehmen würde, um Informationen von mir zu erpressen. Und alles nur, weil ich mich weigerte, ihr ein paar völlig unbedeutende Details über eine Verabredung zu verraten.

Mit dieser Nummer würde sie auf keinen Fall durchkommen, beschloss ich, als ich Jess’ Schritte zurückkehren hörte. Ich musste unbedingt eine andere Möglichkeit finden, vom Dachboden herunterzukommen. Hier oben gab es nicht viel, was mich aus meiner misslichen Lage befreien konnte, aber ich musste eben erfinderisch sein und um die Ecke denken. Hm.

»Dein Dad findet, dass du eher wie ein gruseliges Meerschweinchen aussiehst und nicht wie ein Maulwurf. Ich bin mir trotzdem noch unschlüssig. Wie läuft’s bei dir da oben?«, rief Jess, während ich Mühe hatte, nicht zu niesen bei dem vielen Staub, den ich bei meiner Suche aufwirbelte.

»Was treibt ihr hier eigentlich?«, hörte ich meinen Dad ­fragen, der sich den Spaß offenbar nicht entgehen lassen wollte.

»Anna darf erst wieder vom Dachboden runter, wenn sie mir alles über ihr gestriges Date mit Connor erzählt hat«, erklärte ihm Jess.

»Ah, verstehe«, erwiderte Dad, als wäre Jess’ Verhalten total einleuchtend. »Hast du denn noch nicht in der Zeitung oder im Internet gelesen, was passiert ist? Ich kann die Story gerne für dich auf meinem Laptop aufrufen, wenn du willst. Ziemlich peinlich, das Ganze.«

»DANKE, DAD!«, rief ich beleidigt.

»Bei Reportern weiß man nie, ob sie objektiv sind«, informierte ihn Jess. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich so schlimm war, wie es dargestellt wurde.«

»Doch, Jess«, erklärte Dad ernst. »Es war so schlimm. Es war sogar noch schlimmer.«

Ich stöhnte. »Nett, dass du mir in den Rücken fällst, Dad. Müsstest du nicht eigentlich an deinem Buch schreiben?«

»Ich war gerade in der Küche und habe gebacken.«

»Klassische Verzögerungstaktik, um nicht arbeiten zu ­müssen. Und so jemand macht mich zur Schnecke, wenn ich Hausaufgaben aufschiebe, das ist doch . . . Aha!«, rief ich triumphierend, weil ich ein paar alte Vorhänge aufgestöbert hatte, die Dad offenbar nicht weggeworfen hatte. Die Dinger könnten meine Rettung sein.

Mit meinem Fund hastete ich zur Dachbodenluke zurück. »Ich bin genau wie diese Typen aus Gesprengte Ketten!«, verkündete ich und ließ langsam die Vorhänge durch die Luke hinunter.

»Anna.« Dad räusperte sich. »Hast du deinen Abstieg von einem Dachboden gerade mit der spektakulären Flucht von britischen Soldaten aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager verglichen?«

»Ich werde diese Vorhänge einfach hier oben irgendwo befestigen und mich daran herunterhangeln«, verkündete ich stolz, ohne mich von Dads Kommentar beirren zu lassen. »Tja, du dachtest wohl, du wärst schlau, Jess. Du dachtest, du könntest mich besiegen! Ha, falsch gedacht!«

Jess packte kurzerhand die Vorhänge und zog kräftig daran, sodass sie mir aus den Händen rutschten und neben ihr auf dem Boden landeten.

»He!«

»Ich fand die Vorhänge eigentlich immer ganz schön, aber deine Mutter hat mich gezwungen, sie auszumustern«, sagte Dad und stupste den Stoffhaufen mit dem Zeh an. »Vielleicht können wir sie noch gebrauchen. Danke, dass du mich an sie erinnert hast, Anna-Schatz!«

»Nichts gegen Sie, Mr Huntley, aber diese Vorhänge sehen aus, als hätte Hund auf eine Sechzigerjahre-Tapete gereihert.« Jess tätschelte ihm mitfühlend den Arm. »Ihr Geschmack ist echt grausam.«

»Also gut!« Ich gab mich geschlagen und knipste die Stirnlampe aus. »Ich erzähle dir von meiner Verabredung, und du stellst die Leiter wieder hin, damit ich endlich runter kann.« Ich rümpfte die Nase. »Hier oben wird nämlich langsam die Luft dünn, glaube ich.«

»Dann lasse ich euch Mädchen mal allein«, sagte Dad und lachte in sich hinein, während er die Treppe hinunterging. »Hoffentlich kommt Danny bald, damit es in diesem Haus endlich wieder um vernünftige Themen geht.«

»Schieß los.« Jess griff nach der Leiter, ohne sie hinzustellen. »Ich höre.«

»Ich war als Ninja Turtle verkleidet.«

»Klar. So geht man ja auch zum ersten Date mit dem Jungen, den man seit Ewigkeiten toll findet.«

»Genau.«

»Das war ein Witz. Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, als SCHILDKRÖTE verkleidet zu einem Date mit Connor zu gehen?«

»In London ist doch gerade die Comic-Messe!«, rechtfertigte ich mich, während sie ungläubig den Kopf schüttelte. »Also war ich als Michelangelo verkleidet. Das ist der beste Ninja Turtle. Du weißt schon: der, der ständig Pizza isst und Sachen wie ›Cowabunga!‹ sagt.«

Jess sah mich fassungslos an.

»Kennst du nicht? Echt jetzt?« Ich seufzte und fuhr fort: »Jedenfalls war ich als Turtle verkleidet, und Connor tauchte als Jedi auf. Ich war ein bisschen enttäuscht, weil es schön gewesen wäre, wenn wir thematisch zusammengepasst hätten. Ursprünglich fand er meinen Vorschlag, als Ninja Turtles zu gehen, auch ganz gut, glaube ich, aber dann hat er seine Meinung offenbar in letzter Minute geändert. Vielleicht gab es auch keine grüne Gesichtsfarbe mehr zu kaufen oder so. Jedenfalls hätte ich mir gewünscht, dass er mich über seine kurzfristige Jedi-Entscheidung informiert hätte, weil ich dann nämlich als Prinzessin Leia gegangen wäre, obwohl ihre Outfit-Wahl manchmal ein bisschen fragwürdig ist und ich auch nicht weiß, ob ich ihre Frisur hingekriegt hätte. Oder ich hätte mich als R2-D2 verkleiden können, was bestimmt ganz niedlich geworden wäre. Deshalb hätte er mir unbedingt Bescheid sagen müssen, dass er sich umentschieden hat, findest du nicht auch?«

»Doch, total.«

Ich spähte zu Jess hinunter und versuchte herauszufinden, ob sie es ironisch meinte.

»Na ja, lange Rede, kurzer Sinn: Auf der Comic-Messe bin ich gestolpert und gegen das Bein von einem Typen in einem riesigen Iron-Man-Kostüm gestoßen, der wiederum gegen den großen überdachten Comic-Stand von Marvel getaumelt ist. Und der ist dann zusammengestürzt und hat alle, die gerade drin waren, und auch ein paar kleinere Stände in der Um­gebung unter sich begraben. Eigentlich ein perfektes Beispiel für den Dominoeffekt – um auch mal das Positive daran zu ­sehen.« Ich hielt inne. »Kann ich jetzt bitte die Leiter wiederhaben?«

Jess ignorierte meine Forderung und starrte mich entgeistert an. »Und wie hat Connor reagiert?«

»Es war alles ein Riesenchaos. Ich bin herumgerannt und habe mich bei allen entschuldigt und den Leuten vom Boden aufgeholfen und mich vergewissert, dass sie nicht tot sind . . .« Ich seufzte. »Weil ich so damit beschäftigt war, den Veranstaltern zu erklären, was passiert ist, und die Leute zu bitten, keine Fotos von mir zu machen, habe ich überhaupt nicht mitbekommen, was Connor in der Zeit gemacht hat. Wahrscheinlich hat er den Verschütteten geholfen, unter den Pappwänden des Stands hervorzukriechen. Ich habe ihn ein bisschen alleingelassen, fürchte ich.« Bei der Erinnerung vergrub ich das Gesicht in den Händen. »Irgendwann hat er mich wiedergefunden, und dann haben wir draußen schweigend darauf gewartet, dass Dad uns abholt.«

»Er hat nichts gesagt?«

»Nicht wirklich. Ich glaube, wir standen beide noch unter Schock. Aber nachdem wir ihn zu Hause abgesetzt hatten, hat er mir eine nette Nachricht geschrieben: dass er echt viel Spaß hatte und ich es nicht so schwernehmen soll, dass ich den Marvel-Stand umgeworfen habe. Er fand die ganze Sache ziemlich witzig und meinte, dass er solche dramatischen Ereignisse vermissen wird, während ich in Rom bin.« Ich verdrehte die Augen. »Bestimmt hält er mich jetzt für den letzten Tollpatsch. Da habe ich endlich einen festen Freund und vermassle es gleich am Anfang!«

Jess hob ruckartig den Kopf und starrte mich verwundert an.

»Warum sollte Connor deine dramatischen Erlebnisse in Rom verpassen? Er ist doch dabei.«

»Nein, er fährt nicht mit. Habe ich dir das noch gar nicht erzählt? Er hat es mir gestern eröffnet, kurz bevor ich Iron Man niedergewalzt habe.«

Traurig klärte ich Jess über Connors Pläne für die Sommerferien auf, die so ganz anders waren, als ich es mir erträumt hatte. »Ich dachte, wir würden zwei romantische Wochen in Rom verbringen – wenn auch in Begleitung vom ganzen Rest des Jahrgangs. Falsch gedacht. Er hat seine Anmeldung zur Klassenfahrt zurückgezogen, um an seinem zweiten Comic arbeiten zu können.«

»Er hat was? Niemals!« Jess stemmte entrüstet die Hände in die Hüften. »Das ist voll uncool!«

»Er steckt eben sein ganzes Herzblut in dieses Buch«, ­erklärte ich, weil ich mir fest vorgenommen hatte, nicht zu selbstsüchtig zu sein. »Und ich habe vollstes Verständnis für seine Entscheidung.«

Jess schnaubte. »Er kann in seinem Zeitplan also keine zwei Wochen erübrigen, um mit seinen Schulkameraden und seiner festen Freundin einen hammermäßigen Urlaub zu verbringen?«

»Entschuldige mal, aber du als ebenfalls talentierte Künstlerin müsstest doch eigentlich Verständnis dafür haben, dass jemand seine Freizeit für die Kunst opfert. Bei dir sind Fotoprojekte bestimmt auch wichtiger als Urlaub.«

»Irrtum, du Banause«, widersprach sie. »Die beste Kunst entsteht, indem man authentische Momente festhält, zum Beispiel die eigenen Freunde, die im Sommerurlaub die Zeit ihres Lebens verbringen. Und nicht, indem man sich ins stille Kämmerlein zurückzieht. Sag Connor bitte, dass ihm auf diese Weise wertvolle Inspirationen entgehen.«

»Ich werde es ihm ausrichten«, versprach ich und verdrehte die Augen. »Kannst du jetzt bitte endlich die Leiter zurückstellen?«

»Ja, klar. Ich fasse es nur einfach nicht, dass er . . . Warte mal.« Jess schnüffelte in die Luft. »Was ist das?«

»Was?«

»Ich glaube, es riecht nach . . .«

»Hey Mädels!«, rief Dad die Treppe hoch. »Brownies frisch aus dem Ofen! Jemand Interesse?«

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, ließ Jess die Leiter los und flitzte die Treppe hinunter. »Ja, ich! Ich bin am Verhungern!«

»Jess! JESS!«, rief ich ihr verzweifelt hinterher und lauschte hoffnungsvoll darauf, dass ihre Schritte wieder die Treppe heraufkamen. »JESS! Ich brauche die Leiter! Ich bin immer noch hier oben? Hört mich jemand?«

Ich knipste meine Stirnlampe wieder an, und eine Motte flatterte vorbei.

Manchmal hasse ich mein Leben.

Kapitel zwei

Es stellte sich als äußerst unproduktiv heraus, seine beiden besten Freunde einzuladen, damit sie einem beim Packen halfen.

Vor allem, da es sich bei besagten besten Freunden um Jess und Danny handelte.

»Was ist denn DAS?« Jess hielt eins meiner T-Shirts hoch. »Das kannst du nicht mitnehmen.« Sie schleuderte es geringschätzig beiseite.

Mein Labrador namens Hund war beim Packen genauso wenig eine Hilfe. Er jagte sofort begeistert quer durchs Zimmer, um das T-Shirt zu apportieren.

»Hey Anna«, sagte Danny, bevor ich Jess Vorwürfe machen konnte, weil sie für noch mehr Chaos sorgte. »Ich glaube, da hat sich ein Pullover von deinem Vater unter deine Sachen gemogelt.«

»Der ist nicht von meinem Vater«, erwiderte ich entrüstet, riss ihm den Pullover aus der Hand und hielt ihn mir vor die Brust. »Das ist meiner.«

»Ah, okay.« Er zögerte. »Echt schön, der Pullover. Voll . . . im Trend.«

Jess kicherte. »Das hier ist schön. Das kannst du mitnehmen.« Sie pfefferte ein Sommerkleid in meinen Koffer, der offen auf dem Boden stand.

»Ihr seid ja noch schlimmer als Marianne«, seufzte ich, ließ mich aufs Bett plumpsen und forderte Hund auf, sich zu mir zu gesellen. »Der absolute Horror.«

»Ja, muss echt hart sein, wenn der eigene Vater eine mega-berühmte Schauspielerin heiratet und man rein zufällig Marianne Montaine als Stiefschwester bekommt, das bekannteste It-Girl Großbritanniens, das einen zu allem Überfluss auch noch in Modefragen berät«, erklärte Jess sarkastisch und verdrehte die Augen. »Was für ein schweres Leben du doch hast.«

Ich funkelte sie wütend an. »Ich kann mich nicht erinnern, dass du stundenlang auf einem Dachboden festsaßt.«

»Das waren ungefähr zehn Minuten«, korrigierte sie mich. »Außerdem warst du selbst daran schuld, weil du so unkooperativ warst.«

»Zum Glück bist du in dem Moment gekommen, Danny. Noch ein paar Minuten länger, und ich wäre in Ohnmacht gefallen, weil ich so viel Staub einatmen musste.«

Er lachte und setzte sich neben mich aufs Bett, während Jess weiterhin Kleidungsstücke von dem Stapel nahm, der aus meinem Schrank quoll, und sie kreuz und quer durchs Zimmer warf.

Ich lehnte meinen Kopf an Dannys Schulter. »Ist das der Artikel über Helena?«, fragte er und zeigte auf das Hochglanzmagazin, das auf meinem Nachttisch lag.

»Ja.«

Ich gab ihm die Zeitschrift, damit er das Titelbild von meiner zukünftigen Stiefmutter bewundern konnte, die im glitzernden grünen Paillettenkleid dastand, während die Windmaschine ihr die glänzenden Haare aus dem Gesicht wehte und ein entspanntes Lächeln ihre strahlend weißen Zähne entblößte.

»Schon irgendwie komisch, dass sie auf dem Titelbild von solchen Zeitschriften ist, ein berühmter Filmstar mit massenweise Fans . . . und gleichzeitig einfach Helena ist, die Frau, die dein Dad heiraten wird. Du hast echt ein Wahnsinnsjahr hinter dir«, fasste er zusammen.

Das war stark untertrieben. Für die meisten Leute wäre es ein Wahnsinnsjahr, wenn sie . . . keine Ahnung . . . wenn sie durchweg super Noten bei den Abschlussprüfungen hätten und vielleicht eine besondere schulische Auszeichnung dafür kriegen würden, oder wenn sie in den Ferien auf einem Elefanten reiten dürften oder so was.

Bei mir hingegen ist letztes Jahr Folgendes passiert:

 

  1. Ich habe versehentlich jemanden angezündet.
  2. Mein Dad hat eine berühmte Schauspielerin interviewt, sich in sie verliebt und sich kurz darauf mit ihr verlobt. Ohne meine Erlaubnis, wie ich vielleicht hinzufügen darf.
  3. Seitdem werde ich auf Schritt und Tritt von Paparazzi verfolgt.
  4. Angeblich bin ich jetzt ein It-Girl, weil meine zukünftige Stiefschwester eins ist. Inzwischen verstehen wir uns echt gut, auch wenn die Presse sie mit Audrey Hepburn vergleicht, während ich von meinen Freundinnen mit gruseligen Maulwürfen und Meerschweinchen verglichen werde.
  5. Ich hing in einem Wasserfall. Kopfüber.
  6. Ich bin in einem Übertopf stecken geblieben. Mit dem Hintern.
  7. Ich habe jetzt einen Freund, was in Anbetracht der bisher aufgezählten Ereignisse ziemlich unglaublich ist.
  8. Ich hatte ein Date mit meinem ALLERERSTEN FESTEN FREUND! Und habe den Ort zerstört, an dem dieses Date stattfand.

 

Als ich alle diese Punkte aufzählte, um Danny sein verblüffendes Talent zur Untertreibung vor Augen zu führen, hakte Jess sofort ein: »Du hast noch was vergessen.«

»Ich weiß, was!« Danny schnipste mit den Fingern. »Dass du einmal vor der ganzen Schule standst und total schräg gesungen hast und hinterher Totenstille herrschte. Das war megapeinlich.«

»Nein, das meinte ich nicht«, widersprach Jess.

»Dass sie Connor geschlagen hat, als er versucht hat, sie zu küssen?«

»Bingo!«

Während ich mein Gesicht in einem Kissen vergrub, legte Danny die Zeitschrift beiseite und griff nach dem Italien-Reiseführer, den mein Dad mir geschenkt hatte. Er blätterte zum Kapitel über Rom.

»Also, was macht man so alles in Rom?«, fragte Jess und begutachtete angewidert einen Rock von mir, bevor sie ihn zurück in meinen Kleiderschrank warf. Ich hielt Hund am Halsband fest, damit er nicht hinterhersprang. »Eigentlich geht es dort hauptsächlich ums Essen, oder? Spaghetti Bolognese und Eis und solche Sachen.«

Danny warf Jess einen irritierten Blick zu. »Rom gehört zu den schönsten Städten der Welt!«, erklärte er und kraulte Hund hinter den Ohren, woraufhin dieser mit heraushängender Zunge bewundernd zu ihm aufblickte. »Dort ist alles voll mit geschichtsträchtigen Bauten. Vergiss Spaghetti Bolognese.«

»Ist doch egal. Mir ist nur wichtig, dass mich ein umwerfender Italiener fragt, ob ich mit ihm ausgehen möchte. Wie wäre es mit einem Vierer-Date, Anna?«, schlug sie vor und zwinkerte mir zu.

»Geht nicht. Connor fährt nicht mit, schon vergessen?«

»Ach, stimmt ja.« Jess grinste boshaft. »Ich hatte ganz vergessen, dass er nie wieder Spaß haben kann, weil er ja ein Künstler ist.« Sie warf zwei Paar Flip-Flops in meinen Koffer. »Dann muss ich das Vierer-Date wohl mit Stephanie und Danny machen, wenn ich meinen italienischen Traumtypen kennenlerne.«

Danny lief sofort knallrot an bei der Erwähnung seiner frischgebackenen Freundin Stephanie, dem Mädchen, von dem ich noch vor ein paar Wochen irrtümlich geglaubt hatte, Connor stehe auf sie, weil sie so cool ist und so künstlerisch begabt. Und weil sie einen stumpf geschnittenen Pony hat, auf den ich manchmal unbewusst starre, weil er so akkurat und hübsch ist.

»Ich gehe ganz sicher nicht auf ein Vierer-Date«, erklärte Danny nachdrücklich und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Reiseführer zu. »Ob wir überhaupt genug Zeit haben, alle diese vom Reiseführer empfohlenen Sehenswürdigkeiten abzuklappern?«

»Wieso denn nicht? Ich dachte, du lieeeeeeeeeeeebst Stephanie.« Jess machte spitze Lippen und gab schmatzende Kussgeräusche von sich.

»Ach, halt den Mund.« Danny errötete noch mehr und warf ein Kissen nach ihr. Jess wich lachend aus.

Sie kam zum Bett, kniff Danny in die Wangen und fragte: »Ist dir das etwa peinlich, Danny-Flenny?«

»Laff miff in Uuhe!«, nuschelte er. Der ganze Tumult regte Hund furchtbar auf, und weil er sich ausgeschlossen fühlte, verpasste er mir einen Kopfstoß.

»AUA, HUND!«, schrie ich und rieb mir die Stirn. »Du hast mich nicht vorgewarnt!«

»Anna, was ist das für ein Lärm hier?« Meine Zimmertür wurde aufgerissen, und Dad stand im Türrahmen, mit verschränkten Armen und in alle Richtungen abstehenden Haaren. Seine Augenbrauen hüpften bei jeder Silbe, die er von sich gab, durch sein Gesicht, und er ließ verzweifelt den Blick durch mein Zimmer schweifen. »Hier liegen ja überall Klamotten herum!«

»Wissen Sie, was uns total beim Packen helfen würde, Mr Huntley?«, fragte Jess mit Unschuldsmiene. »Noch ein paar Brownies. Die Brownies, die Sie heute Morgen gebacken haben, waren echt der Hammer!«

»Oh, vielen Dank, Jess«, erwiderte Dad merklich besänftigt. »Backen zählt zu meinen heimlichen Talenten.«

Ich schnaubte. Dads Gesicht nahm sofort wieder seinen Anna-ich-habe-jetzt-wirklich-keine-Zeit-für-diesen-Unsinn-Ausdruck an. »Anna, ich habe jetzt wirklich keine Zeit für diesen Unsinn. Ich versuche nämlich, in meinem Arbeitszimmer ein Kapitel über Fallschirme zu schreiben, und das ist alles andere als leicht, wenn man . . .«

»Wir sind jetzt leiser, versprochen«, unterbrach ich ihn, bevor er die Situation zum Vorwand nehmen konnte, mir seinen üblichen Vortrag zu halten: dass es letztendlich mir zugutekomme, wenn er diese Bücher über historische Kriegswaffen schreibe, weil er ja schließlich hier die Brötchen verdiene. Bla, bla, bla. Ich meine, warum kann er nicht einfach interessante Bücher schreiben, zum Beispiel Liebeskomödien, und muss stattdessen seine Bestseller über URALTE Zeiten verfassen? Wahrscheinlich, weil er selbst uralt ist.

»Wie läuft es denn mit Ihrem aktuellen Buch?«, fragte Danny höflich, als würde es ihn wirklich interessieren.

»Es . . . es geht schon, danke der Nachfrage«, antwortete Dad zögernd. »Durch die Hochzeit stehe ich natürlich doppelt unter Druck. Es wäre alles deutlich einfacher, wenn uns nicht bei sämtlichen Hochzeitsvorbereitungen massenhaft Reporter belästigen würden. Aber«, fügte er lächelnd hinzu, »man muss eben Opfer bringen, wenn man die Frau seiner Träume heiraten will.«

»Igitt, Dad. Du bist voll PEINLICH!« Ich rümpfte die Nase.

Er lachte. »Also gut, Leute. Seid ein bisschen ruhiger, ja? Ich gehe dann mal wieder zu meinen Fallschirmen zurück.«

»Schreiben Sie wirklich ein ganzes Kapitel nur über Fallschirme? Was kann man denn darüber schon schreiben? Das sind doch nur große, flatternde Stoffdinger«, merkte Jess schulterzuckend an und erntete einen strengen Blick von Danny, den sie gar nicht zu bemerken schien. »Ich an Ihrer Stelle würde mich an Sprengstoff und solche Sachen halten, Mr H. Das wollen die Leute doch lesen. Wenn Sie dann noch eine Liebesgeschichte einflechten, kann nichts mehr schiefgehen.«

»Danke, Jessica«, antwortete Dad trocken. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich deinen Rat zu schätzen weiß.«

Jess grinste.

»Dein Vater ist voll cool«, verkündete Danny neidisch, nachdem Dad gegangen war. »Er schreibt Militärbücher UND ist mit einem Filmstar zusammen.«

»Jetzt sabbere nicht gleich Annas Kissen voll«, sagte Jess schnaubend. »Aber wie er über Helena redet, ist echt süß. Man merkt, dass ihre Liebe echt ist, obwohl sie Promis sind.«

»Wie meinst du das?«, fragte ich.

»Du weißt schon.« Sie zuckte mit den Schultern und schnappte sich meine Zeitschrift, um die Seite mit den Promi-News aufzuschlagen. »In den Beziehungen berühmter Leute gibt es doch immer jede Menge Drama. Sie verlieben sich, trennen sich, suchen sich jemanden, der halb so alt ist wie sie selbst, gehen in die Politik, versöhnen sich wieder und so weiter und so fort.« Sie klatschte das Magazin zurück auf den Nachttisch. »Vielleicht liegt es daran, dass dein Dad und Helena schon ein bisschen älter und reifer sind. Es ist auf jeden Fall sehr erfrischend, dass sie kein typisches Promi-Paar sind.«

»Dein Vater hat echt eine Engelsgeduld, was diesen ganzen Presserummel angeht«, fügte Danny bewundernd hinzu.

»Na ja, es ist schon irgendwie ermüdend für ihn, vor allem, weil er gleichzeitig eine Hochzeit planen und ein Buch schreiben muss. Und dann verschlimmere ich auch noch alles, indem ich Comic-Messen dem Erdboden gleichmache und damit auf sämtlichen Titelseiten lande.« Ich spürte, wie mir bei der Erinnerung an den gestrigen Tag die Hitze in die Wangen stieg, vor allem beim Gedanken an Connors Gesicht, als wir verzweifelt den Ausgang gesucht hatten und ihn ein unsensibler Fan gebeten hatte, ein Foto von ihm und mir zu machen. Wenigstens hatte er hinterher darüber gelacht. »Connor hat auch eine Engelsgeduld. Aber wenn ich in Rom bin, kann er sich ja von mir und der Presse erholen.«

»Keine Angst, Anna«, tröstete mich Jess, die inzwischen zu meinem Kleiderstapel zurückgekehrt war. »In Notting Hill hat es ja am Ende auch geklappt zwischen Hugh Grant und Julia Roberts.«

»Kommt Connor wirklich nicht mit auf die Klassenfahrt?«, fragte Danny enttäuscht. »Mit wem soll ich denn abhängen, wenn ihr Mädchen mal wieder . . . Mädchen seid?«

»Und mit wem soll ich abhängen, wenn ihr zu viert mit Stephanie und dem Italiener ausgeht?«, fragte ich deprimiert.

Jess verdrehte theatralisch die Augen. »Vielleicht ist es Zeit, dass du dir in Rom ein paar neue Freunde suchst.«

»Auf keinen Fall«, stöhnte ich, während Jess einen weiteren Rock quer durchs Zimmer warf. »Ich habe vierzehn Jahre gebraucht, um hier in England Freunde zu finden. Und das, obwohl ich die Landessprache spreche. In Italien wüssten die doch gar nicht, was ich von ihnen will.«

»Das könnte auch ein Vorteil sein«, murmelte Danny grinsend. Ich warf ihm einen bösen Blick zu.

»Hör auf, dich im Selbstmitleid zu suhlen. Du bist eine absolut großartige Freundin und . . . Moment mal, Anna . . .« Jess hielt inne. »Was ist denn das? Warte. Ist das etwa . . . ist das . . . ein UMHANG?«

Sie riss ein großes, rotes Stück Stoff aus dem Kleiderhaufen und hielt es hoch, damit Danny es auch sehen konnte.

»Steht das große goldene Glitzer-›A‹ für Anna?«, wollte Danny wissen, der sich aufrecht hingesetzt hatte und wie hypnotisiert auf den Stoff starrte.

»Äh . . .« Ich errötete. »Nein?«

Für einen Moment herrschte Schweigen, bevor Jess und Danny in derart hysterisches Gelächter ausbrachen, dass ihnen die Tränen in die Augen stiegen.

Notiz an mich selbst: Es ist tatsächlich Zeit, mir in Rom neue Freunde zu suchen.

Kapitel drei

Der Ablauf, den man normalerweise bei der Anprobe eines Brautjungfernkleids erwarten würde:

 

  1. Man wird von der Braut und den übrigen Anwesenden freudig begrüßt.
  2. Man probiert sein Brautjungfernkleid an.
  3. Die Braut und die übrigen Brautjungfern sagen einem, wie wunderbar man darin aussieht.
  4. Man lacht zusammen und unterhält sich aufgeregt über die bevorstehende Hochzeit.
  5. Alles läuft völlig reibungslos.

 

Der Ablauf der Anprobe, wenn die Braut Helena Montaine ist:

 

  1. Man betritt das Haus der Braut und wird von einem wütenden Chihuahua begrüßt.
  2. Man wird der Frau des Premierministers vorgestellt, die auf ein Tässchen Tee vorbeigekommen ist, während man einen wütenden Chihuahua hinter sich herschleift, der sich in einen Schnürsenkel verbissen hat.
  3. Ein Mitglied des Hochzeitsteams trennt den wütenden Chihuahua von eben diesem Schnürsenkel, und Fenella, die Hochzeitsplanerin, mustert einen von oben bis unten und murmelt, dass Haarbürsten bei weiblichen Teenagern offenbar aus der Mode gekommen seien.
  4. Während man darauf wartet, dass die Tochter der Braut eintrifft, beschließt die eigene Mutter, die Wartezeit damit zu überbrücken, dass sie der Braut und der Frau des Premierministers chinesische Kampfkunstbewegungen zeigt, die sie kürzlich während einer Geschäftsreise gelernt hat.
  5. Die Anprobe ist schon eine Katastrophe, bevor sie überhaupt angefangen hat.

 

»Tut mir leid, dass ich zu spät komme, Leute!«, trällerte Marianne, während sie in die Eingangshalle geschwebt kam. Sie stellte ihre riesige Designerhandtasche auf dem Boden ab, zog schwungvoll ihre Sonnenbrille vom Kopf und sah mit ihren glänzenden braunen Haaren, die sie sich elegant aus dem Gesicht strich, wieder einmal aus wie das perfekte britische It-Girl, das sie war. »Habe ich was verpasst?«

»Tai Chi«, informierte ich sie, als sie zu mir herüberkam, um mich zu umarmen. »Und die Frau des Premierministers. Sie ist gerade gegangen.«

»Klingt wie ein ganz normaler Tag.« Sie nahm mich bei den Schultern. »Wie geht es dir? Nach deinem etwas turbulenten ersten Date, meine ich?«

»Ich versuche es zu verdrängen, aber das Internet lässt es nicht zu.«

»Oh, das kenne ich gut.« Marianne grinste. »Das geht vorbei. Tom findet übrigens, dass du in diesem Avocado-Kostüm absolut bezaubernd aussahst.«

»Es war ein Schildkröten-Kostüm, aber trotzdem danke.«

Marianne lachte und ging zu Helena und meiner Mutter, um auch sie zu begrüßen. Tom Kyzer war ihr Freund, ein echter Rockstar, in den sie total verliebt war, so sehr, dass sie kaum noch ein anderes Thema kannte. Als Paar stellten die beiden für die Paparazzi natürlich eine besondere Attraktion dar und konnten nicht einen Schritt tun, ohne dass die ganze Welt davon erfuhr. Im Gegensatz zu meinem Vater – und sogar zu Marianne, der der Medienrummel völlig gleichgültig war – schien Tom die Aufmerksamkeit regelrecht zu genießen.

»Ich wurde für die Kameras geboren«, hatte er einmal mit einem Zwinkern zu mir gesagt.

»Also, Rebecca«, sagte Marianne zu meiner Mutter und ignorierte Fenellas Chihuahua, der wütend vom Arm des peinlich berührt wirkenden Assistenten herunterkläffte, der ihn festhalten sollte. »Ich habe gehört, dass du bereits das Privileg hattest, die Brautjungfernkleider zu sehen.«

Meine Mutter lächelte geheimnisvoll. »Man kann nie wissen, wie ein Kleid wirkt, bis man es angezogen erlebt hat.«

»Apropos angezogen. Sollen wir loslegen?« Fenella forderte unsere beiden Mütter auf, ihre Plätze auf dem Sofa einzunehmen, und scheuchte Marianne und mich hinter zwei Paravents, die im Wohnzimmer aufgestellt waren. Zwei elegant gekleidete Damen folgten mir und halfen mir beim Ausziehen.

Ich hörte Mum mit Helena auf dem Sofa kichern. Mum ist Reisejournalistin und oft für irgendwelche abenteuerlichen Projekte am Ende der Welt unterwegs, aber den Sommer verbringt sie regelmäßig in England. Obwohl meine Eltern noch nie eine romantische Beziehung miteinander geführt haben, sind sie richtig gute Freunde, und Mum VERGÖTTERT Helena geradezu. Und da Helena in allen Punkten ihre Zustimmung zu brauchen scheint, ist Mum sehr in die Hochzeitsplanung involviert.

»Ich kann es kaum erwarten, euch zu sehen!«, rief Helena, während eine der Damen meine Haare unsanft zu einem Knoten schlang, damit sie nicht im Weg waren, und die andere den Reißverschluss eines verdächtig großen Kleidersacks aufmachte, der am Paravent hing.

Die letzte Anprobe vor ein paar Wochen war für Marianne und mich ein traumatisches Erlebnis gewesen, weil die Brautjungfernkleider, in die Helena uns gesteckt hatte, ausgesehen hatten wie Sesamstraßen-Kostüme. Bestimmt hatten alle Beteiligten aus dieser Erfahrung gelernt. Ich war mir sicher, dass dieses Mal endlich Helenas exzellenter Geschmack als international anerkannte Mode-Ikone zum Vorschein kommen würde.

Hmmm . . . Was auch immer mir von gleich mehreren Assistentinnen über den Kopf gezogen wurde, fühlte sich ziemlich schwer an.

Und es wurde viel geächzt dabei.

»Geschafft«, sagte eine der Damen und keuchte, als hätte sie gerade eine Trainingseinheit im Fitnessstudio hinter sich.

»Du siehst aus wie eine Märchenfigur«, flüsterte die andere Frau, während sie mich gerührt betrachtete.

Oh ja, ich sah allerdings aus wie eine Märchenfigur.

UND ZWAR WIE EIN KOBOLD!

»Helena!«, jaulte ich verzweifelt, als eine der Frauen meine Taille so sehr einschnürte, dass ich kaum noch Luft bekam.

»Traumhaft, nicht wahr?«, rief Helena. »Diese wunderschönen Kleider habt ihr Diana zu verdanken – das ist die Dame, die gerade neben dir steht, Anna. Sie ist die Designerin.«

Die Frau, die mich soeben fertig eingeschnürt hatte, legte den Kopf schief und lächelte. »Absolut perfekt. Du siehst aus wie eine Prinzessin.«

Na gut, ich war vielleicht keine Modedesignerin, aber war diese Frau BLIND?! Sie hatte mich in ein lavendelfarbenes Ungetüm mit so vielen Lagen Netzstoff gesteckt, dass man damit eine ganze Schule Schwertwale hätte fangen können.

»Lass mich mal sehen!«, kreischte Helena, und Mum fügte hinzu: »Ja, wir wollen euch unbedingt begutachten!«

Diana scheuchte mich hinter dem Paravent hervor, und zur gleichen Zeit erschien Marianne neben ihrem. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte haargenau wider, wie ich mich fühlte.

»Oh, Mädels«, flüsterte Helena, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.

GOTT SEI DANK – sie hatte offenbar gemerkt, dass diese Kleider die schlimmste Entscheidung waren, die sie je getroffen hatte. Es würde ein irrsinniger Aufwand werden, zum zweiten Mal die Brautjungfernkleider zu ändern – noch dazu so kurz vor dem großen Tag. Und da es ein Vermögen kosten würde, war Dad bestimmt nicht begeistert davon. Helena tat mir fast ein bisschen leid.

Gerade wollte ich mit möglichst tröstender und beruhigender Stimme zu ihr sagen, »Keine Sorge, Helena, zusammen schaffen wir das«, als ihr Gesicht sich zu einem strahlenden Lächeln verzog.

»Ihr seht wunderschön aus! Genauso hatte ich es mir vorgestellt. Die Kleider sind perfekt!« Sie sprang auf und stöckelte zu Diana hinüber, um sie zu umarmen, wobei ihr eine Freudenträne die Wange hinunterkullerte.

Dann drehte sie sich wieder zu uns um und teilte uns mit: »Ich könnte nicht glücklicher sein. Diese Kleider sind unglaublich wichtig für mich. Ich bin so stolz auf meine beiden Mädchen!«

Ich stand völlig schockiert da und überlegte, ob vielleicht irgendwo im Haus giftige Chemikalien ausgetreten waren und die Anwesenden als Folge davon ihre Sehkraft eingebüßt ­hatten.

Hilfe suchend wandte ich mich meiner Mutter zu, aber selbst die hatte sich eine Hand aufs Herz gelegt und nickte langsam, während sie uns betrachtete. Ich zog wilde Grimassen und versuchte sie mithilfe vielsagender Blicke dazu zu bringen, den Mund aufzumachen und auszusprechen, wie schrecklich wir aussahen.

»Ich finde, die beiden sehen grandios aus, Helena! Sie haben wirklich großes Talent, Diana. Was machst du da mit deinem Gesicht, Anna? Du siehst aus, als wolltest du Fenellas goldigen kleinen Chihuahua imitieren.«

»Mum«, begann Marianne, der anzumerken war, dass sie sich sorgfältig die richtigen Worte zurechtlegte. »Ich finde die Farbe total super, aber . . .«

»Oh, Marianne!«, unterbrach Helena ihre Tochter und schwebte durchs Zimmer, um sie in ihre Arme zu reißen, was bei einem Brautjungfernkleid mit derart ausladendem Rock nicht leicht war. Sie musste sich von der Seite nähern, um es auch nur annähernd hinzukriegen. »Ich wusste, dass es dir gefallen würde! Was habe ich nur für ein Glück, so eine wunderbare Tochter zu haben!«

Marianne erstarrte, unsicher, wie sie reagieren sollte. Helena tupfte sich die Augen trocken, und alle drehten sich zu mir um und warteten auf mein Urteil. Marianne starrte mich stirnrunzelnd an, und mir war klar, dass sie das Gleiche von mir erwartete wie ich vorhin von Mum: dass ich den Mut aufbrachte, die Wahrheit zu sagen.

Aber wie sollte das gehen? Helena war so glücklich, und die Designerin stand direkt neben mir, und was hatte sie in der Hand? Richtig: STECKNADELN. Jede Menge kleine, spitze Stecknadeln. Mir blieb keine andere Wahl.

»Ich finde die Kleider echt . . . toll.«

Marianne hob verzweifelt den Blick zur Zimmerdecke.

»Ach, Anna!«, rief Helena und kam herüber, um mich zu umarmen und anschließend liebevoll über die Ärmel meines Kleids zu streichen. »Findest du diese vielen Rüschen nicht auch wunderschön?«

»Ich . . . äh . . . ja, klar.«

»Und der Rock ist so wunderbar weit und wallend – einfach genial!«

»Ja.« Ich lächelte matt und versuchte, Begeisterung vorzutäuschen. »Bist du sicher, dass wir damit durch den Mittelgang passen? Ha, ha, war nur ein Witz.«

»Ich glaube, ich muss dein Kleid an der Brust ein wenig enger nähen«, sagte Diana, die mich prüfend betrachtete. »Mir war nicht klar, dass du obenrum so schmal bist.«

Na, großartig. Vielen Dank auch, Diana.

»Ja, in diesem Bereich ist sie noch nicht ganz so weit entwickelt.«

Wunderbar. Danke, Mum.

»Wenn du das Kleid doch schon bei unserem Familien-Dinner vor deiner Abreise nach Rom tragen könntest!«, seufzte Helena. »Dann könnte dich Connor auch darin sehen! Wirklich schade!«

»Äh, ja. Das ist wirklich . . . äh . . . Das ist wirklich äußerst schade.«

»Wir sollten die Kleider jetzt besser wieder ausziehen«, erklärte Marianne eilig. »Damit sie nicht knittern, wisst ihr? Noch mehr knittern, meine ich. Ha, ha!«

»Gut mitgedacht, Marianne!« Helena klatschte in die Hände. »Keine Sorge, ihr Süßen: Nur noch wenige Wochen, und die ganze Welt wird euch in diesen umwerfenden Roben sehen! Würdet ihr nicht auch am liebsten heulen deswegen?«

Marianne und ich tauschten gequälte Blicke aus. Helena hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Kapitel vier

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