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Bittere Wunden

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Special Agent Will Trent ist frisch verliebt und bereit, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen. Doch dann verschwindet eine Studentin spurlos und Will wird unerklärlicherweise vehement von diesem Fall ferngehalten. Doch warum? Erst als er seiner Vorgesetzten, Amanda Wagner, in einem verlassenen Waisenhaus begegnet, lüftet sich der Vorhang langsam. Beide waren aus unterschiedlichen Gründen an diesem für Will schicksalsträchtigen Ort, und es entspinnt sich ein grausames Netz aus Lügen und Hass, das Will alles zu nehmen droht, was er für sicher hielt …


  • Erscheinungstag: 24.09.2024
  • Aus der Serie: Georgia Serie
  • Bandnummer: 6
  • Seitenanzahl: 576
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749907984
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Vernon – fürs Segelsetzen

1. KAPITEL

15. August 1974

LUCY BENNETT

Ein zimtbrauner Oldsmobile Cutlass rollte mit heruntergelassenen Fenstern die Edgewood Avenue entlang. Der Fahrer hatte sich tief in den Sitz gedrückt. Im Licht des Armaturenbretts konnte man seine schmalen Knopfaugen erkennen, die die Reihe der Mädchen unter dem Straßenschild absuchten. Jane. Mary. Lydia. Der Wagen hielt an. Wie erwartet nickte der Mann Kitty zu. Sie strich ihren Minirock glatt, während sie auf schmalen Absätzen über den unebenen Asphalt zu ihm hinüberstöckelte. Als Juice Kitty vor zwei Wochen zum ersten Mal an dieser Ecke abgesetzt hatte, hatte sie den anderen Mädchen erzählt, sie sei sechzehn, was vermutlich fünfzehn hieß, auch wenn sie nicht älter aussah als zwölf.

Sie alle hatten sie vom ersten Augenblick an gehasst.

Kitty steckte den Kopf in das offene Wagenfenster. Ihr steifer Vinylrock schwang hoch wie der Rand einer Glocke. Sie wurde immer als Erste ausgesucht, was allmählich zu einem Problem wurde. Jeder außer Juice konnte es sehen. Kitty bekam spezielle Vergünstigungen. Sie konnte die Männer zu fast allem überreden. Sie war frisch, fast noch ein Kind, auch wenn sie – wie alle anderen auch – ein Küchenmesser in der Handtasche bei sich hatte und auch wusste, wie sie es benutzen musste. Keine von ihnen wollte tun, was sie taten, aber dass man einem anderen Mädchen – einem neueren Mädchen – den Vorzug gab, schmerzte sie ebenso sehr, als würden sie alle beim Debütantinnenball an der Seitenlinie stehen. Im Oldsmobile war die Transaktion schnell ausgehandelt.

Es gab kein Feilschen, weil das Angebot den Preis wert war. Kitty gab Juice ein Signal, wartete auf sein Nicken und stieg dann ein. Rauch quoll aus dem Auspuff, als der Wagen in einem weiten Bogen in eine schmale Seitenstraße einbog. Das Auto schwankte leicht, als die Automatik auf Parken gestellt wurde. Die Hand des Fahrers kam hoch, packte Kitty am Hinterkopf, und sie verschwand.

Lucy Bennett wandte sich ab und blickte stattdessen die dunkle, seelenlose Avenue entlang. Keine sich nähernden Scheinwerfer. Kein Verkehr. Kein Geschäft. Atlanta war keine Stadt fürs Nachtleben. Der Letzte, der das Equitable-Gebäude verließ, schaltete normalerweise das Licht aus, aber Lucy sah die Glühbirnen im Flatiron hell über den Central City Park leuchten. Wenn sie die Augen zusammenkniff, konnte sie das vertraute Grün des C&S-Schilds sehen, das den Anfang des Geschäftsbezirks markierte. Der Neue Süden. Fortschritt durch Handel. Die Stadt, die zu beschäftigt war, um zu hassen. Wenn heute Nacht noch Männer auf diesen Straßen unterwegs waren, dann führten sie nichts Gutes im Schilde.

Jane zündete sich eine Zigarette an und steckte die Packung dann wieder in ihre Handtasche. Sie war niemand, der gab, aber mit Sicherheit eine, die nahm. Ihr Blick kreuzte den von Lucy. Das Tote in ihren Augen war kaum zu ertragen. Doch anscheinend empfand Jane ebenso. Sie sah sofort wieder weg. Lucy zitterte, obwohl es Mitte August war und die Hitze vom Asphalt hochwehte wie Rauch von einem Feuer. Ihre Füße taten weh. Der Rücken schmerzte. Ihr Kopf pochte wie ein Metronom. Ihre Eingeweide fühlten sich an, als hätte sie eine Wagenladung Beton verschluckt. Ihr Mund war wattig. Ihre Hände prickelten. Heute Morgen war ein Büschel Haare im Waschbecken gelandet. Vor zwei Tagen war sie neunzehn geworden, doch sie war bereits eine alte Frau.

Das Oldsmobile in der Seitenstraße schwankte erneut, und Kittys Kopf kam wieder hoch. Sie wischte sich über den Mund, als sie aus dem Auto stieg. Nur nicht trödeln. Dem Stecher keine Zeit geben, das Geschäft zu überdenken. Der Wagen fuhr an, noch ehe Kitty die Tür schließen konnte, und sie wankte einen Augenblick auf ihren Absätzen, wirkte erst verunsichert, ängstlich und dann wütend. Sie alle waren wütend. Der Zorn war ihre Zuflucht, ihr Trost, das Einzige, was sie wirklich ihr Eigen nennen konnten.

Lucy sah, wie Kitty an die Straßenecke zurückkehrte. Sie überreichte Juice das Geld und wollte schon weitergehen, doch er hielt sie am Arm fest. Kitty spuckte auf den Bürgersteig und verzog das Gesicht, als hätte sie nicht den Hauch von Angst, während Juice die Scheine auffaltete und sie abzählte. Kitty stand nur da und wartete. Sie alle warteten.

Schließlich hob Juice den Kopf. Die Summe war okay. Kitty stellte sich wieder an ihren Platz. Sie sah die anderen Mädchen nicht an. Sie starrte nur mit leerem Blick auf die Straße, wartete auf das nächste sich nähernde Auto, den nächsten Mann, der ihr entweder zunickte oder sie überging. Es hatte höchstens zwei Tage gedauert, bis ihre Augen den gleichen toten Blick angenommen hatten wie die der anderen Mädchen. Was ging ihr durch den Kopf? Wahrscheinlich das Gleiche wie Lucy, das vertraute Mantra, das sie jede Nacht in den Schlaf wiegte: Wann wird es vorüber sein? Wann wird es vorüber sein? Wann wird es vorüber sein?

Lucy war auch mal fünfzehn gewesen. Rückblickend konnte sie sich an jenes Mädchen, das sie einmal gewesen war, kaum noch erinnern. Jenes Mädchen, das unter der Schulbank Zettel herumgereicht hatte. Über Jungs gekichert hatte. Jeden Tag von der Schule nach Hause gerannt war, um ihre Lieblingsserie nicht zu verpassen. Die mit ihrer besten Freundin Jill Henderson in ihrem Zimmer zu den Jackson Five getanzt hatte. Lucy war fünfzehn Jahre alt gewesen, als sich das Leben vor ihr aufgetan hatte wie ein Abgrund, und die kleine Lucy war hineingestürzt, tief hinunter in die unbarmherzige Dunkelheit.

Sie hatte mit Speed angefangen, um Gewicht zu verlieren. Zuerst nur Pillen. Benzedrin, das ihre Freundin Jill im Medizinschränkchen ihrer Mutter gefunden hatte. Sie hatten sie sparsam, vorsichtig genommen, bis die Bundesbehörden durchgedreht und die Pillen verboten hatten. Eines Tages war das Medizinschränkchen leer gewesen, und gleich am nächsten Tag – so war es ihr vorgekommen – war sie wieder aufgequollen auf über siebzig Kilo. Sie war das einzige übergewichtige Kind an der Schule gewesen – bis auf den Fetten George, den Jungen, der in der Nase bohrte und beim Mittagessen immer alleine blieb. Lucy verabscheute ihn ebenso, wie er sie verabscheute. Wie sie ihr eigenes Spiegelbild verabscheute.

Jills Mutter war es gewesen, die Lucy das Spritzen beigebracht hatte. Mrs. Henderson war nicht blöd; es war ihr aufgefallen, dass Pillen fehlten, und sie hatte sich gefreut, dass Lucy endlich etwas gegen ihren Babyspeck unternahm. Die Frau beschaffte sich die Drogen aus dem gleichen Grund. Sie war Krankenschwester im Clayton General Hospital. Sie verließ die Notaufnahme mit Glasröhrchen voller Methamphetamin, die in der Tasche ihrer Uniform klapperten wie Zähne. Ein Amphetamin zum Spritzen, hatte sie zu Lucy gesagt. Das Gleiche wie die Pillen, nur gehe es schneller.

Lucy war fünfzehn Jahre alt gewesen, als zum ersten Mal eine Nadel ihre Haut durchstach.

»Immer nur sehr wenig auf einmal«, hatte Mrs. Henderson ihr eingebläut, während sie eine rote Schliere Blut in den Spritzenkolben gezogen und ihn dann langsam nach unten gedrückt hatte. »Du kontrollierst den Stoff. Lass den Stoff nicht dich kontrollieren.«

Es hatte keinen richtigen Kick gegeben, nur ein leichtes Schwindelgefühl und natürlich den willkommenen Appetitverlust. Mrs. Henderson hatte recht. Die Flüssigkeit wirkte schneller als die Pillen, einfacher. Fünf Pfund. Zehn Pfund. Fünfzehn. Und dann – nichts mehr. Als hätte Lucy das »wenig auf einmal« immer wieder neu definiert, bis sie nicht mehr fünf, sondern zehn Kubikzentimeter aufzog, doch dann waren aus den zehn fünfzehn geworden, und schließlich explodierte ihr Kopf, und sie stand in Flammen.

Was ihr danach noch wichtig war? Nichts mehr.

Jungs? Zu blöd. Jill Henderson? Was für eine Langweilerin. Ihr Gewicht? Nie wieder.

Als Lucy sechzehn wurde, wog sie noch knapp fünfzig Kilo. Ihre Rippen, ihre Hüften, ihre Ellbogen stachen hervor wie polierter Marmor. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Wangenknochen. Sie trug einen dunklen Cleopatra-Lidstrich und blauen Lidschatten und glättete ihr langes blondes Haar, sodass es ihr steif gegen den knochigen Arsch klatschte. Das kleine Mädchen, dem der Sportlehrer in der fünften Klasse zur Belustigung aller anderen den Spitznamen »Dampfwalze« verpasst hatte, war jetzt dünn wie ein Model, unbekümmert und – plötzlich beliebt.

Allerdings nicht mehr beliebt bei ihren alten Freundinnen, die sie noch aus dem Kindergarten kannte. Sie alle betrachteten Lucy inzwischen als verloren, als Verliererin. Zum ersten Mal in ihrem Leben war es ihr völlig egal. Wer brauchte schon Leute, die auf einen herabsahen, nur weil man sich ein wenig Spaß gönnte? Lucy war ohnehin immer nur das Maskottchen gewesen – das fette Mädchen, mit dem man sich anfreundete, damit man selbst das hübsche Mädchen sein konnte, das charmante, mit dem die Jungs flirteten.

Ihre neuen Freundinnen hielten Lucy für perfekt. Sie fanden es toll, wenn sie sich sarkastisch über jemanden aus ihrem alten Leben ausließ. Sie tolerierten ihre Spleens. Sie luden Lucy zu ihren Partys ein. Die Jungs führten sie aus. Sie behandelten sie als gleichwertig. Endlich fügte sie sich in eine Gruppe ein. Endlich stach sie nicht mehr heraus als »zu sehr« von irgendwas. Sie war eine unter vielen. Sie war einfach nur Lucy.

Was aber dachte sie selbst über ihr altes Leben? Lucy hatte nichts als Verachtung übrig für alle, die es bevölkert hatten, vor allem für Mrs. Henderson, die ihr eines Tages abrupt den Nachschub versagt und verkündet hatte, sie müsse ihren Scheiß endlich selbst geregelt kriegen. Doch Lucys Scheiß war geregelter, als er es je gewesen war. Sie hatte absolut nicht vor, ihr neues Leben aufzugeben.

Ihre alten Freundinnen waren Spießer, besessen von der Vorbereitung aufs College, die vorwiegend aus der Frage bestand, welcher Studentinnenverbindung man am besten beitreten sollte. Die jeweiligen Eigenschaften dieser Verbindungen, deren Häuser im viktorianischen und griechischen Stil die Milledge Avenue und die South Lumpkin Street an der University of Georgia säumten, hatten seit ihrem zehnten Lebensjahr auch Lucy beschäftigt, doch die Verlockungen des Amphetamins hatten aus dem Griechischen eine tote Sprache gemacht. Die missbilligenden Blicke ihrer alten Freunde brauchte sie nicht. Sie brauchte auch Mrs. Henderson nicht mehr. Sie hatte jetzt eine Menge neuer Freunde, die ihr Stoff besorgen konnten. Ihre Eltern zahlten ihr ein großzügiges Taschengeld. Und in den Wochen, da sie knapp bei Kasse war, bemerkte ihre Mutter gar nicht, dass in ihrer Brieftasche immer wieder Geld fehlte.

Im Nachhinein war es leicht zu erkennen, aber damals schien sie die Abwärtsspirale ihres Lebens innerhalb weniger Sekunden hinabgerast zu sein und nicht in den zwei langen Jahren, die Lucys Absturz tatsächlich gedauert hatte. Zuhause war sie mürrisch und launisch gewesen. Sie hatte angefangen, sich nachts aus dem Haus zu schleichen und ihre Eltern wegen dummer Kleinigkeiten zu belügen. Wegen alltäglicher Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die leicht zu widerlegen waren. In der Schule blieb sie immer wieder sitzen und landete schließlich im Englisch-Grundkurs, zusammen mit dem Fetten George, der in der ersten Reihe saß, Lucy und ihre neuen Freunde in der letzten, wo sie meistens ihre Durchhänger verschliefen und nur die Zeit absaßen, bis sie zurückkehren konnten zu ihrer wahren Liebe.

Der Nadel.

Dieses präzise geschliffene Stück chirurgischen Stahls, das scheinbar so harmlose Instrument der Zufuhr, beherrschte jeden Augenblick ihres Lebens. Lucy träumte davon, sich einen Schuss zu setzen. Dieser erste Einstich ins Fleisch. Das Zwicken, wenn die Spitze in die Ader stach. Das leichte Brennen, wenn die Flüssigkeit injiziert wurde. Die sofort einsetzende Euphorie, wenn die Droge in ihr System eindrang. Das war alles wert. Jedes Opfer. Jeden Verlust. All die Dinge, die sie tun musste, um an sie heranzukommen. All die Dinge, die in dem Augenblick vergessen waren, sobald die Droge durch ihr Blut strömte.

Doch dann kam der Gipfel des letzten Hügels, des höchsten Aufstiegs während ihrer Achterbahnfahrt nach unten.

Bobby Fields. Fast zwanzig Jahre älter als Lucy. Schlauer. Stärker. Er war Mechaniker an einer der Tankstellen ihres Vaters. Früher hatte er sie nie bemerkt. Lucy war für ihn unsichtbar gewesen, ein pummeliges kleines Mädchen mit strähnigen Zöpfen. Aber das änderte sich, sobald die Nadel in ihr Leben getreten war. Eines Tages kam sie in die Werkstatt, die Jeans tief auf ihren frisch verschlankten Hüften, der weit ausgestellte Saum abgewetzt, weil er über den Boden schleifte, und Bobby forderte sie auf, stehen zu bleiben und ein bisschen mit ihm zu plaudern.

Er hörte ihr sogar zu, und erst jetzt erkannte Lucy, dass ihr bisher noch niemand wirklich zugehört hatte. Dann strich Bobby ihr mit seinem ölverschmierten Finger eine lose Strähne aus dem Gesicht. Und dann waren sie plötzlich ganz hinten in der Werkstatt, seine Hand lag auf ihrer Brust, und im gleißenden Schein seiner ungeteilten Aufmerksamkeit fühlte sie sich sehr lebendig.

Lucy war noch nie zuvor mit einem Mann zusammen gewesen. Auch wenn sie völlig zugedröhnt war, wusste sie, dass sie Nein sagen sollte. Sie wusste, dass sie sich aufsparen musste, dass niemand verdorbene Ware wollte. Denn so unwahrscheinlich das rückblickend auch klingen mochte, gab es zu jener Zeit noch immer einen Teil von ihr, der davon ausging, dass sie trotz ihrer kleinen Eskapade eines Tages die Universität besuchen, einer Verbindung ihrer Wahl beitreten und schließlich einen ernsten jungen Mann heiraten würde, dessen glänzende Zukunftsaussichten die Zustimmung ihres Vaters fanden.

Lucy würde Kinder bekommen. Sie würde dem Elternbeirat beitreten. Sie würden Plätzchen backen, ihre Kinder in einem Kombi zur Schule fahren und mit den anderen Müttern in der Küche sitzen, rauchen und ihr langweiliges Leben beklagen. Und während die anderen Frauen vielleicht über eheliche Unstimmigkeiten und die Koliken ihrer Babys redeten, würde Lucy freundlich lächeln und sich an ihre verwegene Jugend, ihre verrückte, hedonistische Affäre mit der Nadel erinnern.

Vielleicht würde sie aber auch eines Tages an einer Straßenecke mitten in Atlanta stehen, und ihr Magen würde sich zusammenziehen bei dem Gedanken, die gemütliche Küche, die engen Freundinnen verloren zu haben.

Denn auch wenn die sechzehnjährige Lucy noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war, hatte Bobby Fields schon viele Frauen gehabt. Junge Frauen. Er wusste, was er zu ihnen sagen musste. Er wusste, wie er ihnen das Gefühl geben konnte, etwas Besonderes zu sein. Und vor allem wusste er, wie er die Hand von der Brust zum Schenkel, vom Schenkel zum Schritt und von dort zu anderen Stellen bewegen musste, bis Lucy so laut aufstöhnte, dass ihr Vater aus dem Büro nach ihr rief, um sicherzustellen, dass mit ihr alles okay war.

»Alles in Ordnung, Daddy«, hatte sie geantwortet, weil Bobbys Hand sich so gut anfühlte, dass Lucy sogar den Herrgott persönlich angelogen hätte.

Zuerst blieb ihre Beziehung ein Geheimnis, was es natürlich noch aufregender machte. Sie hatten eine Verbindung. Sie hatten etwas Verbotenes miteinander. Fast ein ganzes Jahr dauerte ihre heimliche Affäre. Lucy mied Bobbys Blick, wenn sie am Ende der Woche in die Tankstelle kam, um mit ihrem Daddy das Geld aus der Kasse abzuzählen. Sie tat so, als würde Bobby nicht existieren, bis sie es nicht mehr aushielt. Dann eilte sie in die schmutzige Toilette hinter dem Gebäude, und er packte ihren Arsch mit seinen ölverschmierten Händen so fest, dass sie den Schmerz noch immer spürte, wenn sie sich wieder neben ihren Vater setzte.

Die Gier nach Bobby war fast so intensiv wie die Gier nach der Nadel. Sie schwänzte die Schule. Sie täuschte einen Teilzeitjob und Übernachtungen bei Freundinnen vor, die ihre Eltern nie nachprüften. Bobby hatte eine eigene Wohnung. Er fuhr einen Mustang Fastback wie Steve McQueen. Er trank Bier und rauchte Dope und besorgte Speed für Lucy, und sie lernte, ihm einen zu blasen, ohne würgen zu müssen.

Alles war perfekt, bis sie merkte, dass sie ihr Scheinleben nicht mehr aufrechterhalten konnte. Oder vielleicht einfach nicht mehr wollte. Zur Katastrophe kam es an dem Wochenende, als ihre Eltern verreisten, um ihren Bruder am College zu besuchen. Lucy war die ganze Zeit bei Bobby. Sie kochte für ihn. Sie putzte für ihn. Sie trieben es die ganze Nacht, und tagsüber starrte sie die Uhr an und zählte die Minuten, bis sie ihm eröffnen würde, dass sie ihn liebte. Denn Lucy liebte ihn wirklich, vor allem wenn er abends mit diesem breiten Grinsen auf dem Gesicht und dem kleinen Röhrchen voll Magie in seiner Tasche zurück nach Hause kam.

Bobby war großzügig mit der Nadel. Vielleicht zu großzügig. Er machte Lucy so high, dass ihre Zähne klapperten. Sie war noch immer high, als sie am nächsten Morgen nach Hause stolperte.

Sonntag.

Eigentlich hatten ihre Eltern mit dem Bruder vor der Rückfahrt in die Kirche gehen wollen, aber sie saßen, noch immer in Reisekleidung, am Küchentisch. Ihre Mutter hatte nicht einmal den Hut abgenommen. Sie hatten die ganze Nacht auf sie gewartet. Sie hatten ihre Freundin, ihr Alibi, angerufen, die eigentlich hätte bestätigen sollen, dass Lucy die Nacht bei ihr verbracht hatte. Zuerst hatte sie gelogen, aber schon auf den geringsten Druck hatte sie Lucys Eltern erzählt, wo ihre Tochter wirklich war und was genau sie in den letzten Monaten getrieben hatte.

Lucy war siebzehn, man betrachtete sie immer noch als ein Kind. Ihre Eltern versuchten, sie in eine Entzugsklinik einweisen zu lassen. Sie versuchten, Bobby verhaften zu lassen. Sie versuchten, andere Werkstätten davon abzubringen, ihn einzustellen, aber er zog einfach nach Atlanta, wo es den Leuten egal war, wer ihre Autos reparierte, solange es nur billig war.

Die nächsten zwei Monate waren die Hölle, doch dann wurde Lucy achtzehn. Und einfach so wurde ihr Leben ein anderes. Oder anders auf eine andere Art. Sie war alt genug, um die Schule abzubrechen. Alt genug, um trinken zu dürfen. Alt genug, um ihre Familie zu verlassen, ohne dass die Bullen sie wieder zurück nach Hause schleiften. So wurde aus Daddys Mädchen Bobbys Mädchen, und sie lebte von nun an in einer Wohnung an der Stewart Avenue, wo sie den Tag verschlief und wartete, bis Bobby am Abend heimkam, um ihr einen Schuss zu setzen, sie zu vögeln und sie dann weiterschlafen zu lassen.

Ein schlechtes Gewissen hatte sie einzig gegenüber ihrem Bruder Henry. Er studierte Jura an der Universität von Atlanta. Er war sechs Jahre älter als sie, eher ein Freund als ein Bruder. Als sie noch zusammengelebt hatten, hatten sie nicht oft miteinander gesprochen, doch seit er angefangen hatte zu studieren, hatten sie sich zwei oder drei Mal pro Monat Briefe geschrieben.

Lucy hatte dieses Briefeschreiben geliebt. In ihrer Korrespondenz war sie wieder die alte Lucy: verschossen in Jungs, ängstlich angesichts der bevorstehenden Abschlussprüfung, ungeduldig, weil sie endlich Autofahren lernen wollte. Kein Ton von der Nadel. Kein Wort über ihre neuen Freunde, die so weit jenseits der Gesellschaft standen, dass Lucy sie nicht einmal mit nach Hause bringen wollte, damit sie nicht das Silberbesteck ihrer Mutter stahlen. Falls ihre Mutter sie überhaupt hereingelassen hätte.

Henrys Antworten waren immer kurz, aber auch wenn er mitten in einer Prüfungsphase steckte, schaffte er es, Lucy ein paar Zeilen zu schicken und sie wissen zu lassen, wie es ihm ging. Er freute sich darauf, dass sie zu ihm auf den Campus kommen würde. Er freute sich darauf, seinen Freunden sein Schwesterchen vorstellen zu können. Er freute sich über alles und dann irgendwann über gar nichts mehr, weil seine Eltern ihm erzählt hatten, dass seine Lieblingsschwester als Hure eines achtunddreißigjährigen, mit Drogen dealenden Hippietrottels nach Atlanta gezogen war.

Danach kamen Lucys Briefe ungeöffnet zurück. »Zurück an Absender«, hatte Henry daraufgekritzelt. Er hatte sie weggeworfen wie Abfall auf die Straße.

Vielleicht war sie ja wirklich Abfall. Vielleicht verdiente sie es, fallen gelassen zu werden. Denn als der Kick irgendwann nachließ, als die Highs weniger intensiv und die Lows fast unerträglich wurden – was blieb Lucy da noch übrig außer einem Leben auf der Straße?

Zwei Monate, nachdem Bobby sie nach Atlanta geholt hatte, warf er sie raus. Aus seiner heißen jungen Maus war eine Junkiebraut geworden, die ihn jeden Abend an der Tür empfing und um einen Schuss anbettelte. Als Bobby aufhörte, ihr Stoff zu besorgen, fand sie in dem Wohnblock einen anderen Mann, der bereit war, ihr zu geben, was sie wollte. Es war ihr egal, dass sie dafür die Beine breit machen musste. Er gab ihr, was Bobby ihr nicht mehr hatte geben wollen. Er befriedigte ihre Bedürfnisse.

Sein Name war Fred. Er putzte am Flughafen die Flugzeuge. Er tat Dinge, die Lucy zum Weinen brachten, doch dann gab er ihr die Nadel, und alles war wieder in Ordnung. Fred hielt sich für etwas Besonderes, etwas Besseres als Bobby. Als er herausfand, dass das Funkeln in Lucys Augen der Droge galt und nicht ihm, fing er an, sie zu schlagen. Er hörte erst damit auf, als sie im Krankenhaus landete. Und als sie in einem Taxi zu dem Wohnblock zurückkehrte, eröffnete ihr der Verwalter, dass Fred ausgezogen sei, ohne eine Nachsendeadresse zu hinterlassen. Und dann meinte der Verwalter, dass sie sehr gerne bei ihm einziehen dürfe.

Das meiste dessen, was danach kam, versank im Nebel, oder vielleicht war es auch derart klar, dass sie es einfach nicht mehr sehen konnte, so wie alles verschwimmt, wenn man die Brille eines anderen aufsetzt. Fast ein Jahr lang wanderte Lucy von Mann zu Mann, von Lieferant zu Lieferant. Sie tat Dinge – schreckliche Dinge –, um an den Stoff zu kommen. Falls es in der Welt des Speed einen Totempfahl gab, hatte Lucy oben an der Spitze angefangen und war im Nu nach unten durchgerutscht. Tagaus, tagein spürte sie den schwindelerregenden Wirbel ihres Lebens, das durch den Abfluss rauschte, und doch konnte sie nichts dagegen tun. Der Schmerz meldete sich. Die Gier. Die Sehnsucht. Das Verlangen, das heiß wie Säure in ihren Eingeweiden brannte.

Irgendwann war sie ganz unten angelangt. Lucy hatte eine Heidenangst vor den Bikern, die das Speed verkauften, doch letztendlich war ihre Liebe zu dem Stoff stärker. Sie warfen sie einander zu wie einen Baseball. Jeder durfte mal ran. Sie alle hatten in Vietnam gekämpft und waren wütend auf die Welt, das System. Und wütend auf Lucy. Sie hatte sich noch nie zuvor eine Überdosis gespritzt, zumindest keine, die sie ins Krankenhaus gebracht hätte. Einmal, zweimal, ein drittes Mal rutschte sie vom Sitz einer Harley vor den Eingang zur Notaufnahme des Grady Hospital. Den Bikern gefiel das alles nicht. Krankenhäuser bedeuteten Polizisten, und Polizisten waren schwer zu bestechen. Eines Abends war Lucy mal wieder zu high, und einer von ihnen holte sie mit Heroin wieder runter – ein Trick, den er in Vietnam gelernt hatte.

Heroin, der letzte Nagel in Lucys Sarg. Wie schon beim Speed war sie eine schnelle Umsteigerin. Das Gefühl der Abstumpfung. Das unglaubliche Hochgefühl. Der Verlust der Zeit. Des Raums. Des Bewusstseins.

Lucy hatte noch nie Geld für Sex genommen. Bis dahin waren ihre Deals immer eine Art Tauschhandel gewesen. Sex für Speed. Sex für Heroin. Nie Sex für Geld.

Doch jetzt brauchte Lucy dringend Geld.

Die Biker verkauften Speed, kein Heroin. Das Heroin war die Droge der Schwarzen. Sogar die Mafia ließ die Finger davon. H war eine Gettodroge. Es war zu stark, zu suchterzeugend, zu gefährlich für Weiße. Vor allem für weiße Frauen.

Und genau so landete Lucy bei einem Schwarzen mit einem Jesus-Tattoo auf der Brust, der sie auf der Straße zum Kauf anbot.

Der Löffel. Die Flamme. Der Geruch brennenden Gummis. Der Stauschlauch, mit dem die Venen abgepresst wurden. Der von einer Zigarette gerissene Filter. Das Ganze hatte etwas romantisch Festliches – ein in die Länge gezogener Prozess, der ihre frühere Affäre mit der Nadel schrecklich primitiv wirken ließ. Auch jetzt noch spürte Lucy die Erregung, wenn sie nur an den Löffel dachte. Sie schloss die Augen, stellte sich das gebogene Stück Silber vor, das ein bisschen an einen Schwan mit gebrochenem Hals erinnerte. Einen schwarzen Schwan. Schwarze Schafe. Die Hure eines schwarzen Mannes.

Plötzlich stand Juice neben ihr. Die anderen Mädchen traten sicherheitshalber ein Stück beiseite. Juice hatte diese Art, eine Schwäche zu erspüren. Mit dieser Masche angelte er sie sich überhaupt erst.

»Was ist los, Sexy?«

»Nichts«, murmelte sie. »Alles spitze.«

Er nahm den Zahnstocher aus dem Mund. »Mach mir nichts vor.«

Lucy blickte zu Boden. Sie sah seine weißen Lacklederschuhe, den weiten Schlag seiner maßgeschneiderten grünen Hose, der über die Schuhspitzen fiel. Wie viele Kerle hatte sie gevögelt, um diesen Schuhen zu einem derartigen Glanz zu verhelfen? Auf wie viele Rückbänke hatte sie sich gelegt, damit er zu seinem Schneider in Five Points gehen konnte, um sich Maß nehmen zu lassen?

»Sorry.« Sie riskierte einen Blick in sein Gesicht, versuchte, seine Laune einzuschätzen.

Juice zog ein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte lange Koteletten, die in einen Schnauz- und Kinnbart übergingen. Auf der Wange hatte er ein Muttermal, das Lucy manchmal anstarrte, während sie sich auf andere Dinge konzentrieren musste.

»Na, komm, Mädchen. Wenn du mir nicht sagst, was dir im Kopf herumgeht, kann ich nichts dagegen tun.« Er gab ihr einen Klaps gegen die Schulter. Als sie nicht antwortete, schubste er sie stärker, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Er würde nicht weggehen. Juice hasste es, wenn man Geheimnisse vor ihm hatte.

»Ich hab an meine Mutter denken müssen«, sagte Lucy, und es war seit langer Zeit das erste Mal, dass sie einem Mann gegenüber die Wahrheit sagte.

Juice lachte und deutete dann mit dem Zahnstocher auf die anderen Mädchen. »Ist das nicht süß? Sie hat an ihre Mami gedacht.« Er hob die Stimme. »Ihr anderen – is’ eure Mami jetzt für euch da?«

Die anderen kicherten nervös. Kitty, wie immer die Schleimerin, entgegnete: »Wir brauchen nur dich, Juice. Nur dich.«

»Lucy«, flüsterte Mary. Der Name blieb ihr fast in der Kehle stecken. Wenn Juice sich ärgerte, würde keine von ihnen bekommen, was sie wollten, und alles, was sie jetzt wollten, alles, was sie brauchten, waren der Löffel und das H in Juice’ Tasche.

»Nee, is’ schon gut.« Juice winkte ab. »Lass sie nur. Komm, Mädchen. Sprich.«

Vielleicht, weil er es genauso gesagt hatte wie zu einem Hund – »Sprich«, als würde sie eine Belohnung bekommen, wenn sie auf Befehl bellte –, oder vielleicht, weil sie es gewohnt war, alles zu tun, was Juice ihr auftrug, fingen Lucys Lippen an, sich wie aus eigenem Antrieb zu bewegen.

»Ich musste an einen Tag denken, als Mama mich mal in die Stadt mitgenommen hat.« Lucy schloss die Augen. Sie sah sich selbst in diesem Auto sitzen. Sah das metallene Armaturenbrett im Chrysler ihrer Mutter im Sonnenlicht blitzen. Es war heiß und schwül, an einem Tag im August, an dem man sich wünschte, Autos würden Klimaanlagen haben. »Sie wollte mich vor der Bibliothek absetzen und dann selbst ein paar Besorgungen machen.«

Juice kicherte über diese Erinnerung. »Ach, ist das nicht nett, Mädchen? Mami bringt dich in die Bücherei, damit du lesen kannst.«

»Sie kam nicht durch.« Lucy öffnete die Augen und sah Juice auf eine Art an, wie sie es zuvor noch nie gewagt hatte.

»Der Klan hielt gerade eine Kundgebung ab.«

Juice räusperte sich. Er warf den anderen Mädchen einen schnellen Blick zu, sah dann wieder Lucy an. »Erzähl weiter.«

Seine tiefe Stimme jagte ihr einen kalten Schauer durchs Rückenmark.

»Die Straßen waren abgesperrt. Der Verkehr wurde angehalten, Autos durchsucht.«

»Hör auf«, flüsterte Mary. Aber Lucy konnte nicht aufhören. Ihr Gebieter hatte ihr befohlen zu sprechen.

»Es war ein Samstag. Mama hat mich jeden Samstag in die Bibliothek gebracht.«

»Tatsächlich?«

»Ja.« Selbst mit offenen Augen sah Lucy die Szene vor sich, die sich in ihrem Kopf abspielte. Sie saß im Auto ihrer Mutter. Sicher. Unbekümmert. Vor den Pillen. Vor der Nadel. Vor dem Heroin. Vor Juice. Bevor die kleine Lucy verloren ging, die geduldig im Auto ihrer Mutter saß und sich gerade nur Sorgen darüber machte, es nicht rechtzeitig zum Lesekreis in die Bibliothek zu schaffen.

Die kleine Lucy war eine unersättliche Leserin. Sie hielt den Bücherstapel auf ihrem Schoß fest umklammert, während sie zu den Männern hinausstarrte, die die Straße blockierten. Sie trugen ihre weißen Kutten. Die meisten hatten wegen der Hitze die Kapuzen abgenommen. Ein paar der Männer kannte sie aus der Kirche, einige aus der Schule. Sie winkte Mr. Sheffield zu, dem der Eisenwarenladen gehörte. Er zwinkerte ihr zu und winkte zurück.

»Wir standen auf dem kleinen Hügel vor dem Gerichtsgebäude«, fuhr sie fort, »und direkt vor uns stand ein Schwarzer, der vor dem Stoppschild angehalten hatte. Er saß in einem dieser kleinen ausländischen Autos. Mr. Peterson ging direkt auf ihn zu, und Mr. Laramie kam von der anderen Seite.«

»Tatsächlich?«, wiederholte Juice.

»Ja, so war es. Der Mann hatte furchtbare Angst. Sein Auto rollte immer wieder zurück. Anscheinend hatte er ein Schaltgetriebe, und sein Fuß rutschte immer wieder von der Kupplung, weil er so in Panik war. Ich weiß noch, dass meine Mutter ihm zusah, als würden wir uns ›Im Reich der wilden Tiere‹ oder so was anschauen, und sie lachte nur und lachte und lachte und sagte: ›Sieh mal, wie verängstigt der Schwarze Arsch ist.‹«

»Mein Gott«, zischte Mary.

Lucy lächelte Juice an und wiederholte: »Sieh mal, wie verängstigt der Schwarze Arsch ist.«

Juice nahm den Zahnstocher aus dem Mund. »Pass auf, was du sagst, Mädchen.«

»Sieh mal, wie verängstigt der Arsch ist«, murmelte Lucy.

»Sieh mal, wie verängstigt …« Sie ließ ihre Stimme verklingen, aber inzwischen war sie wie ein Motor im Leerlauf, bevor man wieder Gas gab. Aus irgendeinem Grund fand sie die Geschichte ganz furchtbar lustig. Sie hob die Stimme, und ihr Klang hallte von den Wänden wider. »Sieh mal, wie verängstigt dieser Arsch ist. Sieh mal, wie verängstigt dieser Arsch ist.«

Juice schlug ihr ins Gesicht, zwar mit der offenen Hand, aber doch so fest, dass sie herumwirbelte. Lucy spürte, wie Blut an ihrer Kehle hinabrann.

Es war nicht das erste Mal, dass sie geschlagen worden war. Es würde nicht das letzte Mal sein. Es hielt sie nicht davon ab. Nichts konnte sie jetzt noch davon abhalten. »Sieh mal, wie verängstigt dieser Arsch ist. Sieh mal, wie verängstigt dieser Arsch ist!«

»Schnauze!« Juice jagte ihr die Faust ins Gesicht.

Lucy spürte, wie ein Zahn brach. Ihr Kiefer schnellte herum, aber sie leierte nur weiter: »Sieh mal, wie verängstigt …« Er trat sie in den Bauch. Die enge Hose schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit ein, doch sie spürte, wie seine Sohle über ihren Beckenknochen schleifte. Lucy keuchte vor Schmerz, der fast unerträglich, aber auch irgendwie befreiend war. Wie viele Jahre war es her, dass sie etwas anderes als Taubheit gespürt hatte? Wie viele Jahre war es her, dass sie ihre Stimme erhoben, zu einem Mann Nein gesagt hatte? Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie konnte kaum noch aufrecht stehen. »Sieh mal, wie verängstigt dieser …«

Juice schlug sie noch einmal ins Gesicht. Sie spürte ihren Nasenrücken zersplittern. Mit weit ausgebreiteten Armen stolperte Lucy nach hinten. Sie sah Sternchen. Ihre Handtasche fiel zu Boden. Der Absatz ihres Schuhs brach ab.

»Geh mir aus den Augen!« Juice hob drohend die Faust.

»Verschwinde, bevor ich dich umbringe, du Schlampe!«

Lucy taumelte gegen Jane, die sie von sich wegstieß wie einen räudigen Hund.

»Geh einfach«, flüsterte Mary. »Bitte!«

Lucy schluckte Blut und würgte es wieder hervor. Weiße Brocken fielen auf den Asphalt. Zähne.

»Verschwinde, du Schlampe«, zischte Juice erneut. »Geh mir aus den Augen!«

Lucy schaffte es, sich umzudrehen. Sie sah die dunkle Straße hinauf. Es gab dort keine Lichter, die ihr den Weg wiesen. Entweder hatten die Zuhälter sie ausgeschossen, oder die Stadt machte sich nicht mehr die Mühe, sie einzuschalten. Lucy stolperte noch einmal, hielt sich aber aufrecht. Der abgebrochene Absatz war ein Problem. Sie zog beide Schuhe aus. Ihre Fußsohlen spürten die Hitze des Asphalts, ein Brennen, das ihr bis in den Schädel hochwanderte. Es war, als würde sie über heiße Kohlen laufen. Sie hatte das einmal im Fernsehen gesehen – der Trick dabei war, so schnell zu gehen, dass die Glut nicht genug Sauerstoff bekam, um die Haut zu verbrennen.

Lucy ging schneller. Mit jedem Schritt richtete sie sich ein Stück weiter auf. Trotz des atemberaubenden Schmerzes in ihren Rippen hielt sie den Kopf hoch erhoben. Der Schmerz war jetzt unwichtig. Die Dunkelheit war unwichtig. Die Hitze unter ihren Sohlen war unwichtig. Nichts war mehr wichtig. Dann drehte sie sich um und kreischte: »Sieh mal, wie verängstigt dieser Arsch ist!«

Juice machte einen Satz auf sie zu, aber Lucy rannte bereits die Straße entlang. Ihre nackten Füße klatschten über den Asphalt, ihre Arme arbeiteten wie Kolben. Als sie um die Ecke bog, bebte ihre Lunge. Adrenalin raste durch ihren Körper. Lucy dachte an all die Sportstunden in der Schule, an die fünf, zehn, ja zwanzig Strafrunden, die ihre schlechte Einstellung ihr immer wieder eingebracht hatte. Damals war sie so schnell gewesen, so jung und frei. Doch das war jetzt Geschichte. Ihre Beine verkrampften sich. Die Knie gaben nach. Lucy riskierte einen Blick über die Schulter, aber Juice war nicht zu sehen. Kein Mensch war zu sehen. Sie blieb stehen.

Sie war ihm so egal, dass er sie nicht einmal verfolgte.

Lucy stützte sich an einer Telefonzelle ab, beugte sich vor und ließ das Blut aus ihrem Mund tropfen. Mit der Zunge tastete sie nach der Quelle. Zwei Zähne waren herausgebrochen, zum Glück weiter hinten.

Sie trat in die Telefonzelle und schloss die Tür, doch das darin aufblitzende Licht war zu grell. Sie schob die Tür wieder einen Spaltbreit auf und lehnte sich gegen das Glas. Ihr Atem ging noch immer schwer. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre sie zehn Meilen gerannt, nicht nur ein paar Blocks.

Sie starrte den Apparat an, den schwarzen Hörer am Haken, den Münzschlitz. Lucy strich mit dem Finger über das eingravierte Glockensymbol auf der Metallplatte, ließ dann die Hand nach unten wandern, um die Vier, die Sieben, die Acht zu finden. Die Telefonnummer ihrer Eltern. Sie wusste sie auswendig wie ihre Hausnummer, den Geburtstag ihrer Großmutter, das Datum der bevorstehenden Abschlussfeier ihres Bruders. Die Lucy von früher war doch noch nicht vollends verloren. Zumindest ihr Leben in Zahlen existierte noch.

Sie könnte sie anrufen. Doch selbst wenn sie sich meldeten, hätten sie einander womöglich nichts zu sagen.

Lucy stieß sich von der Glaswand ab und trat wieder aus der Zelle. Langsam ging sie die Straße entlang, ohne bestimmtes Ziel, einfach nur weg. Ihr Magen zog sich zusammen, die ersten Entzugserscheinungen kündigten sich an. Sie sollte ins Krankenhaus gehen, sich verarzten lassen und die Schwester um Methadon bitten, bevor es richtig schlimm wurde. Das Grady lag zwölf Blocks weiter unten und drei nach links. Noch machten ihre Beine mit. Sie würde die Strecke schaffen. Diese Runden über die Aschenbahn in der Highschool hatten sich nicht immer wie eine Strafe angefühlt. Lucy hatte das Laufen geliebt. An den Wochenenden war sie gern mit ihrem Bruder Henry joggen gegangen. Er hatte immer vor ihr aufgegeben. In ihrer Handtasche steckte ein Brief von ihm. Sie hatte ihn letzte Woche von einem Mann aus der Union Mission bekommen, wo die Mädchen sich aufhielten, wenn Juice sauer auf sie war.

Lucy hatte den Brief ganze drei Tage mit sich herumgetragen, bevor sie ihn hatte öffnen können, weil sie so große Angst gehabt hatte, dass er schlechte Nachrichten enthalten könnte. Ihr Vater gestorben. Ihre Mutter durchgebrannt mit dem Charles-Chips-Vertreter. Heutzutage ließ sich doch jeder scheiden, oder nicht? Kaputte Familien. Kaputte Kinder. Doch Lucy war schon so lange kaputt, da sollte es doch ein Klacks sein, einen Brief zu öffnen und zu lesen, oder etwa nicht?

Henrys eng geführte Schrift war ihr so vertraut, dass das Lesen sich angefühlt hatte wie eine weiche Hand auf ihrer Wange. Tränen waren ihr in die Augen geschossen. Sie hatte den Brief einmal gelesen, dann noch einmal und noch einmal. Eine Seite. Kein Klatsch, kein Familientratsch, denn das war nicht Henrys Art. Er war präzise, sachlich, nie dramatisch. Henrys Jurastudium neigte sich dem Ende zu. Er war auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Der Markt sei derzeit schwierig, schrieb er. Das Studentenleben werde er vermissen. Auch das Zusammensein mit seinen Freunden werde er vermissen. Und Lucy vermisse er auch.

Er vermisste Lucy.

Das war der Teil, den sie vier Mal gelesen hatte, und dann noch so oft, dass sie es gar nicht mehr zählen konnte. Henry vermisste sie. Ihr Bruder vermisste seine Schwester.

Lucy vermisste sich selbst auch.

Sie hatte ihre Handtasche weiter hinten an der Straßenecke fallen gelassen. Wahrscheinlich hatte Juice sie sich geschnappt. Wahrscheinlich hatte er sie auf dem Bürgersteig ausgeschüttet und alles durchwühlt, als würde es ihm gehören. Was hieß, dass er auch Henrys Brief gefunden hatte und das Küchenmesser, das scharf genug war, um die Haut an ihrem Bein zu zerschneiden, was Lucy wusste, weil sie es in der vergangenen Woche ausprobiert hatte, um festzustellen, ob sie überhaupt noch blutete.

An der nächsten Ecke bog Lucy links ab. Sie drehte sich um und blickte zum Mond hinauf. Mit seinem geschwungenen Fingernagelrand durchstach er den schwarzen Himmel. Das Skelett des unfertigen Peachtree Plaza ragte in der Ferne auf – das höchste Hotel der Welt. Die ganze Stadt wurde umgebaut. In ein oder zwei Jahren würde es im Zentrum Tausende neuer Hotelzimmer geben. Die Geschäfte würden aufblühen, vor allem auf der Straße.

Sie bezweifelte, dass sie das noch miterleben würde.

Lucy stolperte wieder. Schmerz schoss ihr das Rückgrat hinauf. Jetzt machten sich die Wunden an ihrem Körper bemerkbar. Wahrscheinlich war eine Rippe gebrochen. Dass die Nase gebrochen war, wusste sie. Und die Krämpfe in ihrem Bauch wurden immer schlimmer. Sie brauchte jetzt gleich einen Schuss, sonst würde der Entzug einsetzen.

Sie zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. »Bitte«, betete sie zum Gott des Grady Hospital. »Mach, dass sie mir Methadon geben. Mach, dass sie mir ein Bett geben. Mach, dass sie freundlich zu mir sind. Mach, dass sie …«

Lucy blieb stehen. Was zum Teufel war los mit ihr? Warum legte sie ihr Schicksal in die Hände irgendeiner blöden Krankenschwester, die sie nur einmal ansehen und sofort wissen würde, was sie war? Lucy sollte in ihr Revier zurückkehren. Sie sollte sich mit Juice versöhnen. Sie sollte auf allen vieren vor ihm kauern und ihn um Verzeihung bitten. Um Gnade. Um einen Schuss. Um Erlösung.

»Guten Abend, Schwester.«

Lucy wirbelte herum und erwartete beinahe, Henry zu sehen, obwohl er sie nie so begrüßt hatte. Einige Schritte hinter ihr stand ein Mann. Weiß. Groß. Von Schatten verdeckt. Lucys Hand schnellte zu ihrer Brust. Unter ihrer Handfläche pochte das Herz. Eigentlich war sie nicht so dumm, irgendeinen Stecher von hinten heranschleichen zu lassen. Sie wollte schon nach ihrer Handtasche greifen – nach dem Messer darin –, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie all das verloren hatte.

»Alles in Ordnung?«, fragte der Mann. Er war ordentlich gekleidet, was Lucy schon lange nicht mehr gesehen hatte – außer an Bullen. Seine hellblonden Haare waren zu einem Bürstenschnitt gestutzt. Kurze Koteletten. Auch so spät in der Nacht noch kein Bartschatten. Militär, schätzte sie. Viele der Jungs kamen zurzeit aus Vietnam wieder nach Hause. In sechs Monaten würde dieses Arschloch genauso sein wie all die anderen Veteranen, die Lucy kennengelernt hatte: Er würde die strähnigen Haare zu einem Zopf flechten, Frauen verprügeln und Scheiße über das System auskippen.

Lucy versuchte, selbstsicher zu klingen. »Tut mir leid, Süßer. Für heute Nacht bin ich fertig.« Ihre Worte hallten von den hohen Häusern wider. Sie merkte, dass sie lallte, und straffte ihre Schulter, damit er nicht auf die Idee kam, sie wäre ein leichtes Opfer. »Ende der Geschäftszeit.«

»Ich bin nicht auf ein Geschäft aus.« Er trat einen Schritt auf sie zu. Er hatte ein Buch in der Hand. Die Bibel.

»Scheiße«, murmelte sie. Diese Kerle waren überall. Mormonen, Zeugen Jehovas, sogar ein paar Spinner von der örtlichen katholischen Kirche. »Hör zu, ich muss nicht gerettet werden.«

»Ich widerspreche dir nur ungern, Schwester, aber du siehst ganz danach aus.«

»Ich bin nicht deine Schwester. Ich habe einen Bruder, und das bist nicht du.« Lucy drehte sich um und setzte sich wieder in Bewegung. Sie konnte noch nicht wieder zu Juice zurückkehren. Lucy war sich sicher, dass sie noch mehr Prügel gerade nicht ertragen konnte. Sie würde ins Krankenhaus gehen und sich so aufführen, dass sie ihr etwas geben mussten. Das würde sie wenigstens durch die Nacht bringen.

»Ich bin mir sicher, er macht sich Sorgen um dich.« Lucy blieb stehen.

»Dein Bruder«, erklärte der Mann. »Bestimmt macht er sich Sorgen um dich. Ich weiß, dass ich es tun würde.«

Lucy legte die Hände übereinander, drehte sich aber nicht um. Sie ging weiter. Seine Schritte folgten ihr. Trotzdem ging sie nicht schneller. Sie konnte nicht schneller gehen. Ihr Bauch tat weh, so heftig wie ein Messer, das ihr in die Eingeweide gerammt worden war. Das Krankenhaus wäre in Ordnung für eine Nacht, aber es gab auch ein Morgen und den nächsten Tag und den übernächsten. Lucy musste einen Weg finden, um sich bei Juice wieder einzuschmeicheln. Die heutige Nacht war schlecht gelaufen. Nicht einmal Kitty hatte viel eingebracht. Bei Juice ging es nur um kalte, harte Kohle, und Lucy war sich sicher, dass dieser Jesus-Freak mindestens zehn Dollar bei sich hatte. Natürlich würde Juice sie trotzdem schlagen, aber das Geld würde seine Schläge sanfter machen.

»Ich ruf ihn an.« Lucy behielt ihr Tempo bei. Sie hörte, dass der Mann ihr in einem gewissen Abstand folgte. »Meinen Bruder. Er kommt mich abholen. Er hat gesagt, dass er es tut.« Sie log, aber ihre Stimme klang fest. »Aber ich hab kein Geld. Um ihn anzurufen, meine ich.«

»Wenn du Geld willst, ich kann dir was geben.«

Lucy blieb stehen. Sie drehte sich langsam um. Der Mann stand in einem Lichtkegel, der aus der Lobby eines nahen Bürogebäudes drang. Lucy war groß, eins achtundsiebzig ohne Schuhe. Sie war es gewohnt, auf die meisten Menschen hinabzuschauen. Doch dieser Kerl war deutlich über eins achtzig. Die Hände, die die Bibel hielten, waren riesig. Die Schultern waren breit. Lange Beine, aber nicht dünn. Lucy war schnell, vor allem wenn sie Angst hatte. Sobald er seine Brieftasche herauszöge, würde sie sie schnappen und davonrennen.

»Bist du ein Marine oder so?«, fragte sie.

»Ausgemustert.« Er machte einen Schritt auf sie zu.

»Dienstuntauglich.«

Für Lucy sah er ziemlich tauglich aus. Wahrscheinlich hatte sein Daddy ihn aus der Musterung herausgekauft, so wie Lucys Dad es bei Henry getan hatte. »Gib mir ein paar Münzen, damit ich meinen Bruder anrufen kann.« Gerade noch rechtzeitig fiel es ihr ein. »Bitte.«

»Wo ist er?«

»Athens.«

»Griechenland?«

Sie lachte prustend. »Georgia. Er ist auf dem College. Studiert Jura. Er heiratet demnächst. Ich will ihn anrufen. Gratulieren.« Dann erinnerte sie sich wieder. »Und ihm sagen, dass er mich abholen und nach Hause bringen soll. Zu meiner Familie. Wo ich hingehöre.«

Der Mann kam noch einen Schritt auf sie zu. Im Lichtschein war sein Gesicht nun deutlich zu erkennen: normale, durchschnittliche Züge. Blaue Augen. Netter Mund. Scharfe Nase. Markantes Kinn. »Warum bist du nicht auf dem College?«

Lucy spürte ein Kribbeln im Nacken. Sie wusste nicht recht, wie sie es beschreiben sollte. Ein Teil von ihr hatte Angst vor diesem Mann. Ein anderer Teil von ihr stellte soeben fest, dass sie schon seit vielen Jahren nicht mehr so mit einem Mann geredet hatte. Er sah sie nicht an wie eine Hure. Er schlug ihr keinen Deal vor. In seinen Augen lag nichts, was sie als bedrohlich empfand. Und doch: Es war zwei Uhr morgens, und er stand auf der leeren Straße in einer Stadt, die abends um sechs, wenn die Weißen zurück in ihre Vorstädte fuhren, die Bürgersteige hochklappte.

In Wahrheit gehörten sie beide nicht hierher.

»Schwester.« Er kam noch einen Schritt näher. Lucy erschrak, als sie die Besorgnis in seinen Augen sah. »Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast. Ich lasse den Herrn meine Hand führen.«

Lucy konnte kaum antworten. Seit Jahren hatte sie niemand mehr mit auch nur einem Anflug von Mitleid angesehen. »Wie kommst du darauf, dass ich Angst vor dir habe?«

»Ich glaube, du lebst schon sehr lange in Angst, Lucy.«

»Du weißt ja nicht, was ich …« Sie brach ab. »Woher kennst du meinen Namen?«

Er wirkte verwirrt. »Du hast ihn mir gesagt.«

»Nein, hab ich nicht.«

»Du hast mir gesagt, dass du Lucy heißt. Erst vor ein paar Minuten.« Er hob die Bibel in die Höhe. »Ich schwöre es.«

Mit einem Mal war ihr Mund völlig ausgetrocknet. Ihr Name war ihr Geheimnis. Sie nannte ihn nie Fremden gegenüber. »Nein, hab ich nicht.«

»Lucy …« Er war jetzt nur noch einen guten Meter von ihr entfernt. Noch immer hatte er diesen besorgten Blick in den Augen, obwohl er problemlos noch einen Schritt machen und ihr die Hände um den Hals legen könnte, bevor sie merkte, was überhaupt passierte.

Aber er tat es nicht. Er stand einfach nur da und drückte sich die Bibel an die Brust. »Bitte, hab keine Angst vor mir. Es gibt keinen Grund dafür.«

»Warum bist du hier?«

»Ich will dir helfen. Dich retten.«

»Ich muss nicht gerettet werden. Ich brauche nur ein bisschen Geld.«

»Ich hab doch gesagt, ich gebe dir so viel Geld, wie du brauchst.« Er klemmte sich die Bibel unter den Arm und zog seine Brieftasche heraus. Sie erkannte nur zu deutlich die Scheine in den Fächern. Hunderte Dollar. Er blätterte sie in der Hand auf. »Ich will mich um dich kümmern. Etwas anderes habe ich nie gewollt.«

Ihre Stimme zitterte. Sie starrte das Geld an. Es waren mindestens fünfhundert, wahrscheinlich mehr. »Ich kenne dich nicht.«

»Nein, noch nicht.«

Lucys Fuß bewegte sich zurück, doch eigentlich müsste sie vorwärtsgehen, sich das Geld schnappen und davonrennen.

Ob der Mann ihre Absicht erahnte, ließ er sich nicht anmerken. Er stand nur da mit den Hundertern wie Briefmarken in seinen großen Händen, reglos und ohne ein Wort zu sagen. So viel Geld. Fünfhundert Dollar. Sie könnte sich ein Hotelzimmer mieten, für Monate, vielleicht sogar ein Jahr lang von der Straße wegbleiben.

Lucy spürte, wie ihr Herz gegen die zertrümmerte Rippe hämmerte. Sie war hin- und hergerissen: Sie könnte die Kohle schnappen und um ihr Leben rennen. Aus ihrem Leben davonrennen.

Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Ihre Hände zitterten. Irgendwo hinter sich spürte sie wärmende Strahlen. Einen Augenblick meinte Lucy, dass die Sonne über dem Peachtree Plaza aufginge, die Straße entlangschiene und ihr Kopf und Schultern wärmte. War das ein Zeichen von oben? War das endlich der Augenblick ihrer Erlösung?

Nein. Keine Erlösung. Nur Geld.

Sie zwang sich, einen Schritt nach vorne zu machen. Dann noch einen. »Ich will dich kennenlernen«, sagte sie zu dem Mann, doch die Angst ließ ihre Stimme verwaschen klingen.

Er lächelte. »Das ist gut, Schwester.«

Lucy zwang sich, das Lächeln zu erwidern. Ließ die Schultern ein wenig hängen, damit sie jünger, süßer, unschuldig aussah. Und dann packte sie die Scheine. Sie fuhr herum und wollte losrennen, doch ihr Körper schnellte nach hinten wie ein Gummiband.

»Wehr dich nicht.« Seine Finger umklammerten ihr Handgelenk. Ihr halber Arm verschwand in seiner Faust. »Du entkommst mir nicht.«

Lucy wehrte sich nicht. Sie hatte keine andere Wahl.

Schmerz schoss ihr in den Nacken. Ihr Kopf pochte. Ihre Schulter knirschte im Gelenk. Das Geld hielt sie noch immer fest umklammert. Sie spürte, wie die steifen Scheine an ihrer Handfläche kratzten.

»Schwester«, sagte er. »Warum begehrst du ein Leben in Sünde?«

»Ich weiß es nicht.« Lucy schüttelte den Kopf. Sie sah zu Boden. Sie zog das Blut hoch, das ihr aus der Nase tropfte. Und dann spürte sie, wie sein Griff sich lockerte.

»Schwester …«

Lucy riss ihren Arm los. Die Haut fühlte sich an, als würde sie sich lösen wie ein Handschuh, den man abstreift. Sie rannte, so schnell sie konnte, ihre Füße klatschten über den Asphalt, die Arme pumpten. Einen Block. Zwei. Sie öffnete den Mund und atmete in tiefen Zügen, die stechende Schmerzen durch ihren Brustkorb jagten. Gebrochene Rippen. Eine zerschmetterte Nase. Ausgeschlagene Zähne. Geld in der Hand. Fünfhundert Dollar. Ein Hotelzimmer. Eine Busfahrkarte. So viel H, wie sie nur brauchte. Sie war frei. Verdammt, sie war endlich frei.

Bis ihr Kopf nach hinten gerissen wurde. Die Schädelschwarte öffnete sich wie ein Reißverschluss, während ihr ein Büschel Haare an den Wurzeln herausgerissen wurde. Ihre Vorwärtsbewegung kam zu einem abrupten Halt. Sie sah ihre Beine vor sich bis auf Kinnhöhe hochwirbeln, und dann knallte sie mit dem Rücken auf den Boden.

»Wehr dich nicht«, wiederholte der Mann, kniete sich über sie und legte ihr die Hände um den Hals.

Lucy krallte sich in seine Finger. Sein Griff war unnachgiebig. Blut quoll aus ihrer aufgeplatzten Schädelschwarte. Es lief ihr in die Augen, in die Nase, in den Mund.

Sie konnte nicht schreien. Sie schlug blindlings um sich, versuchte, ihm die Fingernägel in die Augen zu rammen. Sie spürte seine Wange, seine raue Haut, dann sackten ihre Hände nach unten, weil sie die Arme nicht mehr hochhalten konnte. Sein Atem beschleunigte sich, während ihr Körper zuckte. Warmer Urin rann an ihrem Bein hinunter. Sie spürte seine Erregung, während sie ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam. Für wen kämpfte sie? Wen kümmerte es, ob Lucy Bennett lebte oder starb? Vielleicht würde Henry traurig sein, wenn er die schlechte Nachricht erhielt, aber ihre Eltern, ihre alten Freunde, sogar Mrs. Henderson würden nichts als Erleichterung empfinden.

Schließlich das Unausweichliche.

Lucys Zunge schwoll an. Ihre Sicht verschwamm. Es war sinnlos. In ihrer Lunge war keine Luft mehr. Kein Sauerstoff strömte mehr in ihr Gehirn. Sie spürte, wie sie nachgab, wie die Muskeln sich entspannten. Ihr Hinterkopf sank auf den Asphalt. Sie starrte in die Höhe. Der Himmel war tiefschwarz, die Nadelstiche der Sterne kaum mehr zu erkennen. Der Mann starrte auf sie hinab, noch immer diesen besorgten Blick in den Augen.

Dann lächelte er.

2. KAPITEL

Gegenwart

MONTAG

Will Trent war noch nie allein in der Wohnung einer anderen Person gewesen – außer der Betreffende war tot.

Wie bei vielen Dingen in seinem Leben war er sich bewusst, dass dies ein Merkmal war, das er mit vielen Serienmördern gemeinsam hatte. Zum Glück war Will Agent des Georgia Bureau of Investigation, und daher drang er in Wohnungen ein und durchsuchte leere Bäder und verwaiste Schlafzimmer für ein übergeordnetes Wohl.

Trotzdem hatte er ein mulmiges Gefühl, als er durch Sara Lintons Wohnung ging. Immer wieder musste er sich einreden, dass er einen guten Grund hatte, hier zu sein. Sara hatte ihn gebeten, die Hunde zu füttern und auszuführen, weil sie im Krankenhaus eine Zusatzschicht übernommen hatte. Und auch abgesehen davon waren sie kaum als Fremde zu bezeichnen. Sie hatten einander schon fast ein ganzes Jahr gekannt, als sie vor zwei Wochen schließlich ein Paar geworden waren. Seitdem hatte Will jede Nacht hier verbracht. Und schon zuvor hatte er Saras Eltern kennengelernt. Er hatte am Esstisch der Familie gesessen. Zu dieser Vertrautheit passte das Gefühl des unbefugten Eindringens eigentlich nicht.

Irgendwie fühlte er sich trotzdem wie ein Stalker. Vermutlich lag es einfach nur daran, dass er allein hier war.

Und dass er wie besessen war von Sara Linton. Er wollte alles über sie wissen. Auch wenn ihn nicht gerade der Drang überfiel, sich auszuziehen und sich nackt auf ihrem Bett zu wälzen – zumindest nicht, solange Sara nicht da war –, spürte er doch den Zwang, sich all ihre Sachen auf den Regalen und in den Schubladen anzusehen. Er wollte die Fotoalben durchblättern, die sie in einem Karton in ihrem Schlafzimmerschrank aufbewahrte. Er wollte ihre Bücher aufschlagen und sich durch ihre iTunes-Sammlung klicken.

Doch er gab diesen Impulsen nicht nach. Im Gegensatz zu den meisten Serienmördern war Will sich bewusst, wo die Grenze zum Unheimlichen lag. Seine Sehnsucht beunruhigte ihn nichtsdestotrotz.

Er hängte die Hundeleinen an den Haken im Dielenschrank. Saras zwei Greyhounds lagen zusammengerollt auf der Wohnzimmercouch. Ein Sonnenstrahl erhellte ihr graubraunes Fell. Das Loft war ein Eck-Penthouse – einer der Vorteile, wenn man Kinderärztin war und nicht bloß ein kleiner Beamter. Die L-förmige Fensterwand bot einen gigantischen Blick auf das Zentrum Atlantas. Das Bank of America Plaza, das aussah, als hätten die Bauarbeiter vergessen, das Gerüst an der Spitze abzunehmen. Der gestufte Georgia-Pacific-Turm, der über dem Kino errichtet worden war, in dem »Vom Winde verweht« Premiere gefeiert hatte. Das kleine Equity-Gebäude, das wie ein Briefbeschwerer aus schwarzem Granit neben dem Stiftbecher des Westin Peachtree Plaza kauerte.

Alles in allem war Atlanta eine kleine Stadt – innerhalb der Stadtgrenzen lebten kaum mehr als fünfhunderttausend Menschen. Wenn man jedoch den Großraum mit einrechnete, waren es fast sechs Millionen. Die City war ein Mekka auf einem Plateau, das Geschäftszentrum des amerikanischen Südostens. Mehr als sechzig Sprachen wurden hier gesprochen. Es gab mehr Hotelzimmer als Einwohner, mehr Büroarbeitsplätze als Menschen. Dreihundert Morde pro Jahr. Elfhundert angezeigte Vergewaltigungen. Beinahe dreizehntausend Fälle von schwerer Körperverletzung.

Eher eine Kleinstadt mit sehr schlechter Laune.

Will ging in die Küche und nahm die beiden Wasserschüsseln in die Hand. Der Gedanke, jetzt in sein kleines Haus zurückzukehren, machte ihn einsam, was merkwürdig war, denn sein ganzes Leben lang hatte Will nichts anderes als allein sein wollen. Zu seinem Leben gehörte mehr als Sara Linton. Er war ein erwachsener Mann. Er hatte einen Job. Er hatte einen eigenen Hund, den er ausführen musste. Er war sogar schon einmal verheiratet gewesen. Formal war er sogar immer noch verheiratet, doch das war bis vor Kurzem irrelevant gewesen. Will war acht Jahre alt gewesen, als die Polizei Angie Polaski in das Atlanta Children’s Home gebracht hatte. Sie war elf, was hieß, dass sie noch Chancen hatte, adoptiert zu werden, aber Angie war vorlaut und wild, und niemand wollte sie haben. Und auch Will wollte niemand. In den frühen Jahren war er immer wieder in Familien vermittelt und dann wieder ins Heim zurückgebracht worden wie ein eselsohriges Büchereibuch. Irgendwie machte Angie das alles erträglicher. Außer wenn sie es unerträglich machte.

Sie hatten vor zwei Jahren geheiratet. Die Ehe war geschlossen worden aufgrund einer Wette – Du traust dich ja doch nicht –, und das war auch der Grund, warum beide sie nicht sonderlich ernst genommen hatten. Zwei Tage nach der standesamtlichen Trauung war Will aufgewacht und hatte feststellen müssen, dass ihre Kleidung verschwunden und das Haus leer geräumt war. Er war nicht überrascht gewesen. Er war nicht einmal verletzt gewesen. Im Grunde war er sogar erleichtert gewesen, dass es eher früher als später passiert war. Angie hatte ihn immer schon sitzen gelassen. Will wusste, dass sie irgendwann zurückkommen würde. Sie war bislang immer zurückgekommen.

Doch dieses Mal – zum ersten Mal während Angies Abwesenheit – war etwas passiert. Sara. Die Art, wie sie ihm ins Ohr hauchte. Die Art, wie sie mit den Fingern über sein Rückgrat strich. Ihr Geschmack. All die Dinge, die er bei Angie überhaupt nie bemerkt hatte.

Er stellte die Wasserschüsseln auf den Boden und schnalzte mit der Zunge. Völlig unbeeindruckt blieben die Hunde auf der Couch liegen.

Wills Glock lag auf der Anrichte neben seiner Anzugjacke. Er schnallte das Holster an den Gürtel und sah auf die Uhr am Backofen, während er in die Jacke schlüpfte. Saras Schicht war in zehn Minuten zu Ende, was bedeutete, dass Will vor mindestens zehn Minuten hätte gehen müssen. Sie würde ihn wahrscheinlich anrufen, sobald sie nach Hause kam. Er würde ihr sagen, dass er noch Papierkram erledigen oder gleich aufs Laufband steigen wolle, oder irgendeine andere Lüge erfinden, um ihr vorzugaukeln, dass er nicht bloß herumgesessen und auf ihren Anruf gewartet hatte, und dann würde er hierher zurückrennen wie Julie Andrews, die in »The Sound of Music« den Hügel hinauftänzelte.

Er stand an der Wohnungstür, als das Handy in seiner Tasche vibrierte. Die Nummer seiner Chefin. Einen Sekundenbruchteil dachte er darüber nach, den Anruf auf die Mailbox weiterzuleiten, doch er wusste aus Erfahrung, dass Amanda nicht so leicht abzuschütteln war.

»Trent«, meldete er sich.

»Wo sind Sie?«

Aus irgendeinem Grund fand er die Frage indiskret. »Warum?«

Amanda seufzte erschöpft. Im Hintergrund hörte er Geräusche – leises Murmeln, ein beständiges Klicken. »Sagen Sie es mir einfach, Will.«

»Ich bin bei Sara.« Da sie nichts darauf erwiderte, fragte er: »Brauchen Sie mich?«

»Nein, auf gar keinen Fall. Sie tun bis auf Weiteres Ihren Dienst am Flughafen. Haben Sie mich verstanden? Sonst nichts.«

Einen Augenblick starrte er das Handy an und hielt es sich dann wieder ans Ohr. »Okay.«

Abrupt beendete sie das Telefonat. Will hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie den Hörer auf die Gabel geknallt hätte, wenn es bei einem Handy so etwas gegeben hätte.

Anstatt zu gehen, blieb er in der Diele stehen und dachte darüber nach, was gerade passiert war. Er ging die kurze Unterhaltung in Gedanken noch einmal durch. Doch es sprang ihn keine offensichtliche Erklärung an. Will war die Barschheit seiner Chefin gewöhnt. Verärgerung war in dieser Hinsicht kaum eine neue Empfindung für ihn. Amanda hatte zwar nicht zum ersten Mal so unvermittelt aufgelegt, aber Will konnte sich einfach nicht erklären, warum sie hatte wissen wollen, wo er sich im Augenblick befand. Genau genommen überraschte es ihn, dass sie ihn überhaupt angerufen hatte. Er hatte ihre Stimme seit zwei Wochen nicht mehr gehört.

Deputy Director Amanda Wagner gehörte zur alten Schule, zu jener Gruppe von Polizisten, die ohne Skrupel Vorschriften umgingen, wenn es ihrem Fall diente, die sich jedoch strikt ans Handbuch hielten, sofern es um die Kleiderordnung ging. Das GBI verlangte von seinen nicht verdeckt arbeitenden Agenten, dass ihre Haare einen Zentimeter über dem Kragen endeten. Vor zwei Wochen hatte Amanda allen Ernstes ein Lineal an Wills Nacken gehalten und ihn, als er den Wink immer noch nicht verstanden hatte, in den Flughafendienst versetzt, was bedeutete, dass Will in diversen Herrentoiletten herumlungern und darauf warten musste, dass irgendjemand dort eine sexuelle Handlung anzubahnen gedachte.

Will hatte den Fehler begangen, Sara von der Sache mit dem Lineal zu erzählen. Er hatte ihr die Geschichte als eine Art Witz und als Erklärung dafür präsentiert, warum er zum Friseur gehen müsse, ehe sie zum Abendessen aufbrechen konnten. Sara hatte Will zwar nicht direkt gesagt, er solle sich die Haare nicht schneiden lassen. Dafür war sie zu schlau. Sie hatte ihm lediglich gesagt, sie möge seine Haare, wie sie zu der Zeit waren. Sie hatte ihm gesagt, es sehe gut an ihm aus, und sie hatte dabei seinen Nacken gestreichelt. Und dann hatte sie vorgeschlagen, anstelle des Friseurbesuchs ins Bett zu gehen und etwas so Schmutziges zu tun, dass Will einen Augenblick hysterischer Blindheit durchlebt hatte.

Und nun musste Will sich also darauf einstellen, für den Rest seiner Karriere in den Herrentoiletten des größten Passagierflughafens der Welt unter Kabinentüren hindurchzuspähen.

Aber das erklärte nicht, warum Amanda ihn gerade heute und in diesem Moment hatte aufspüren wollen.

Oder die Geräusche der Menschenmenge im Hintergrund. Oder das vertraute Klicken.

Will kehrte ins Wohnzimmer zurück. Die Hunde auf der Couch rückten zur Seite, aber Will setzte sich nicht zu ihnen. Er griff zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Ein Basketballspiel lief. Er suchte den Lokalsender. Monica Pearson, die Nachrichtensprecherin von Channel Two, saß an ihrem Pult und verlas einen Bericht über die Beltline, das neue Nahverkehrssystem, das abgesehen von den Politikern jeder in Atlanta hasste. Wills Finger schwebte schon über der Austaste, als das Thema gewechselt wurde. Eine Eilmeldung. Über Pearsons Schulter wurde das Foto einer jungen Frau eingeblendet. Will stellte den Apparat lauter, als zu einer Live-Pressekonferenz geschaltet wurde.

Und dann musste er sich doch hinsetzen.

Amanda Wagner stand auf einem hölzernen Podium, vor ihr eine Handvoll Mikrofone. Sie wartete, bis es still im Saal wurde. Will hörte die vertrauten Geräusche: das Klicken der Kameras über dem Gemurmel der Menge.

Er hatte seine Chefin schon bei Hunderten Pressekonferenzen gesehen. Normalerweise stand Will ganz hinten im Saal, während Amanda sich im Schein der ungeteilten Aufmerksamkeit suhlte. Sie liebte es, das Sagen zu haben. Es war beinahe ihr Lebensinhalt: das langsame Tröpfeln von Informationen, die an die Medien herausgegeben wurden, zu kontrollieren. Außer jetzt. Will betrachtete ihr Gesicht, als die Kamera näher heranzoomte. Sie sah müde aus. Mehr noch – sie sah besorgt au...

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