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Was uns Rose heißt. Über die trefflichste aller Blumen

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Eine Blume verführt die Welt – die Geschichte der Rose

Die Rose ist voller Bedeutung. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie zum Symbol für Liebe und Sinnlichkeit, Betrug, Tod, die Mutter Gottes und das mystische Unbekannte. Heute erfreut sich die »Königin der Blumen« weltweit ungebrochener Beliebtheit und ist in unsrem Leben allgegenwärtig. Simon Morley verfällt ihr, als er an einem trüben Nachmittag zum ersten Mal die Novemberrosen in den Vorgärten seiner Nachbarschaft entdeckt. Er beginnt nicht nur, verschiedene Arten selbst zu züchten, sondern sich auch in der Kunst und Literatur mit ihnen zu beschäftigen.

Vom Rosenkranz bis zu den Bildern von Cy Twombly, vom bulgarischen Rosental bis zum florierenden Handel in Afrika, vom feministischen Manifest (»Brot und Rosen«) bis zum inflationär verschenkten Strauß am Valentinstag, von Shakespeare bis zu ihrem Auftritt in der Popmusik, eindrücklich erzählt Simon Morley von der Rose in ihrer farbenprächtigen Vielfalt und existenziellen Symbolik – und warum sie uns wie keine zweite Blume ans Herz gewachsen ist.


  • Erscheinungstag: 25.06.2024
  • Seitenanzahl: 336
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749906567
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Vorwort

»Der Mensch gibt Elend an den Menschen weiter«, schrieb der englische Dichter Philip Larkin resigniert. 1 Doch der Mensch gibt auch Freude, Liebe, Schönheit, Mitgefühl, Entzücken und Hoffnung weiter. Und bei diesen edlen Bestrebungen haben sich Blumen seit Tausenden von Jahren als treue Verbündete erwiesen.

Von allen Blumen dienen Rosen am häufigsten als Überbringerinnen von Botschaften, sie »flüstern sanft mit zartem Raunen; von Frieden, Wahrheit, unbeirrter Freundschaft«. 2 Die Rose kann eine für Herzensangelegenheiten günstige Atmosphäre schaffen und gibt den zarteren Aspekten unseres Daseins eine schöne stoffliche Gestalt. Als Gabe, Symbol und ästhetischer Blickfang, als Heilmittel, destilliertes Öl und Parfüm, als kulinarische Zutat und als Pflanze, die liebevoll gehegt und gepflegt wird, trägt sie kulturell dazu bei, Verbindungen zu den Lebenden und zu den Toten, zum Göttlichen und zum Alltäglichen herzustellen und zu stärken oder unserem Erinnern auf die Sprünge zu helfen.

Die Rose ist heute die beliebteste Blume weltweit. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Rosen zumindest in der westlichen Welt zum Ersten gehören, was Neugeborene zu sehen bekommen, weil sie als Geschenk für junge Mütter so beliebt sind. Von da an treten Rosen in vielen Formen in unser Leben – im eigenen Garten, als importierte Schnittblumen, auf Gemälden, in der Mode, als Aroma, in der Fantasie. Tatsächlich sind sie bei vielen wichtigen Momenten in unseren Biografien präsent: zur Feier einer Geburt, beim Geburtstag, beim Liebeswerben, bei einem romantischen Essen, bei Hochzeiten, Jubiläen und Trauerfeiern.

Erst vor wenigen Jahrzehnten haben die USA die Rose zu ihrer offiziellen nationalen Blume erkoren. Unter Präsident Reagan setzte sie sich im botanischen Wettstreit dank einer mächtigen Lobby gegen die Konkurrenz durch, zu der Ringelblume, Hartriegel, Nelke und Sonnenblume gehörten. Die damalige Begründung sagt viel über die Allgegenwart der Rose heute aus:

Sie wachsen in jedem Bundesstaat, selbst in Alaska und Hawaii. Fossilienfunde zeigen, dass sie seit Millionen Jahren in Amerika heimisch sind. Die einzige Blume, die praktisch jeder Amerikaner kennt, ist die Rose. Der Name ist in allen westlichen Sprachen leicht auszusprechen und wiederzuerkennen. Die Rose ist eine der wenigen Blumen, die vom Frühjahr bis zum ersten Frost blühen können. Sie hat erlesene Farben, eine ästhetische Form und einen angenehmen Duft. Die Wuchsform ist variabel, sie reicht von wenigen Zentimetern hohen Zwergrosen bis zu raumgreifenden Kletterrosen. Rosen wachsen schnell heran und sind äußerst langlebig. Sie steigern den Wert jedes Grundstücks, ohne große Kosten zu verursachen. Die Bandbreite an Sorten ist enorm, so dass sich für jeden die passende Rose findet. Wie keine andere Blume verfügt die Rose über ihre ganz eigene Botschaft und steht für Liebe, Mut und Respekt. 3

Die amerikanische Kult-Rockband The Grateful Dead, die eine besondere Vorliebe für Rosen hatte, hätte dieser Lobeshymne zweifellos zugestimmt. Das Cover zu ihrem 1971 erschienenen siebten Album zeigt einen Schädel, umkränzt mit roten Rosen. Die Zeichnung wurde einer Illustration in einem Gedichtband nachempfunden, einer frühen Übersetzung des Sufi-Klassikers Rubāʿīyāt von Omar Chayyām. 4 Den Sufis und ihren Rosen werden wir noch mehrfach im Buch begegnen. »Ich habe diesen einen Geist, der mich mit Rosen überhäuft«, sagte Bandmitglied und Textschreiber Robert Hunter einmal. »Rosen, Rosen, ich kann einfach nicht genug von diesen verdammten Rosen kriegen. Es gibt keine bessere Allegorie für das Leben, würde ich mal behaupten, als die Rose.« 5 Grateful Dead und die US-Regierung waren nur in sehr wenigen Punkten einer Meinung, hier aber offensichtlich schon.

Meine persönliche Faszination für die »Königin der Blumen« begann an einem trüben Novembernachmittag 2003 in London, als ich voller Selbstmitleid von der U-Bahn nach Hause trottete. Denn plötzlich fiel mir – wie es schien, zum ersten Mal – auf, in wie vielen der kleinen Reihenhausvorgärten, an denen ich jeden Tag vorbeikam, Rosen wuchsen. Besonders staunte ich jedoch darüber, dass viele Rosensträucher noch im Spätherbst blühten.

Die Entdeckung der farbenprächtigen Novemberrosen heiterte mich auf und inspirierte mich. Von da an schenkte ich Rosen mehr Beachtung. Schon bald pflanzte ich die ersten eigenen Rosensträucher in meinen Garten im Osten von London: »Peace« und »Zéphirine Drouhin«. Und ich beschäftigte mich intensiv mit der Geschichte der Rose. Als wir 2005 nach Zentralfrankreich zogen, machte ich mich daran, einen bescheidenen Garten zur »Geschichte der Rosen« anzulegen, bei dem ich mich auf Hybriden aus dem 19. und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentrierte, aber ebenfalls ein paar Wildrosen und zeitgenössische »englische Rosen« pflanzte, also Sorten von den jeweiligen Enden des enormen Spektrums. Seit 2010 verbringe ich einen Großteil des Jahres in Südkorea, wo ich an der Universität unterrichte. Auch dort habe ich Rosen im Garten. Ich kehre aber regelmäßig in unser Haus nach Frankreich zurück und kümmere mich (nicht ohne Unterstützung) um den Garten und entwickle ihn weiter. Dabei kommt mir natürlich der glückliche Umstand zu Hilfe, dass Rosen gerade mit ein bisschen Vernachlässigung bestens gedeihen.

»Was uns Rose heißt« wurde nicht von einem Botaniker, Gartenbauexperten oder einem besonders emsigen Gärtner verfasst. Ich komme beruflich aus dem Bereich der Kunst und Kunstgeschichte. Doch mein leidenschaftliches Interesse an der Rose als Pflanze und kulturelles Symbol brachte mich schließlich dazu, auch über sie zu schreiben. Dieses Buch ist das Ergebnis meiner intellektuellen Neugierde und Beschäftigung mit der Wirkung, die Rosen auf unsere Psyche ausüben, ergänzt um meine eigenen emotionalen Reaktionen auf die beeindruckende Präsenz von Rosen in unseren Gärten und Parks sowie um persönliche Erfahrungen mit ihrer Zucht und Pflege. Und ich bin überzeugt davon, dass eine eingehendere Beschäftigung mit diesem Thema noch viel mehr erhellen wird als allein die »Königin der Blumen«.

Einleitung

Julia: »Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.«

William Shakespeare, Romeo und Julia 1

Im Mai 1912 saß der fünfundzwanzigjährige englische Dichter Rupert Brooke im Café des Westens in Berlin und schrieb voll Heimweh ein Gedicht, das zu einem seiner bekanntesten und beliebtesten werden sollte: »The Old Vicarage, Grantchester« (»Das alte Pfarrhaus, Grantchester«). Im Gedicht verwendet Brooke die Tulpe und die Rose als Metaphern für den jeweiligen nationalen Charakter. Er erklärt, die konformistischen Deutschen würden in einer Gesellschaft leben, in der »Tulpen wachsen wie befohlen«. Für seine Heimat hingegen gelte: »Ungepflegt blüht in jenen Hecken / Eine inoffizielle englische Rose«. 2

Im selben Jahr war in Lawrence im US-Bundesstaat Massachusetts ein Streik von Textilarbeiterinnen ausgebrochen, der als »Brot-und-Rosen-Streik« in die Geschichte einging. Nicht lang zuvor hatte die amerikanische Frauenrechtlerin und Sozialarbeiterin Helen Todd eine inspirierende Rede gehalten, in der sie erklärte: »Die Frau ist in der Welt das mütterliche Element, und ihre Stimme wird dazu beitragen, die Zeit voranzutreiben, in der das Brot des Lebens, also ein Heim, Schutz und Sicherheit, und die Rosen des Lebens – Musik, Bildung, Natur und Bücher – das Erbe eines jeden Kindes sein werden, das in einem Land geboren wird, in dem es eine Stimme hat.« Die Formulierung »Brot und Rosen« wurde schon bald zum Schlachtruf für alle, die für Frauen- und Arbeiterrechte kämpften, und diente zudem als Inspiration für ein Gedicht und ein populäres Lied. 3

Rupert Brooke fiel im Ersten Weltkrieg. Bald danach verwendete Ernst Jünger, ein Bürger des Landes, das Brooke verspottet und gegen das er im Krieg gekämpft hatte, ebenfalls Blumen als Metapher, allerdings in einem ganz anderen Kontext. In seinem 1920 erschienenen Buch In Stahlgewittern, Jüngers Erinnerungen an seinen Einsatz an der Westfront, sinniert er über den rastlosen Geist, der junge Männer wie ihn (und Brooke) veranlasst hatte, so begeistert in den Krieg zu ziehen und den Tod auf dem Schlachtfeld zu verherrlichen: »Aufgewachsen im Geiste einer materialistischen Zeit, wob in uns allen die Sehnsucht nach dem Ungewöhnlichen, nach dem großen Erleben. Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir hinausgezogen in trunkener Morituri-Stimmung.« 4

1920 war auch das Jahr, in dem der französische Rosenzüchter Joseph Pernet-Ducher, der »Zauberer von Lyon«, eine Rose namens »Souvenir de Claudius Pernet« zum Gedenken an seinen ältesten Sohn vorstellte, der im Kampf gegen die Deutschen gefallen war. Doch die Neuzüchtung stand Anfang der 1920er-Jahre für deutlich mehr als für einen gefallenen Sohn und sollte eine viel größere Wirkung entfalten als üblich, denn »Souvenir de Claudius Pernet« diente später als Elternteil für eine der wichtigsten Rosen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – für eine gelbe Teehybride, die in Frankreich »Madame A. Meilland« heißt, in der Heimat Ernst Jüngers »Gloria Dei« und in Großbritannien und den USA »Peace«.

Die Beispiele aus dem frühen 20. Jahrhundert zeugen von einer Kultur, in der die Rose enorm präsent war. Rupert Brooke nutzte die Gegenüberstellung von wilder Rose und gezüchteter Tulpe, um die Unterschiede zwischen England und Deutschland aufzuzeigen – einer Nation, die romantische Rebellion erlaubte und individuelle Freiheit förderte, und einer, die, wie er es sah, sozialen Konformismus verlangte. Für Helen Todd, die sich in den USA für die Rechte der Frauen aus der Arbeiterklasse einsetzte, standen der Ziergarten und die Rose als Schnittblume für die schönen, angenehmen und kultivierten Aspekte des Lebens, die der Arbeiterklasse verwehrt wurden. Für Ernst Jünger standen dieselben kultivierten Rosen, wie sie sich in zahlreichen Gedichten und anderen Kunstwerken finden, als Symbol für die berauschende Verbindung von Romantik und Gewalt, die den Mythos des heroischen Märtyrertums nährte; ein Hinweis, dass die Rose manchmal nah an den dunklen und gefährlichen Ursprüngen unserer gesellschaftlichen Werte blüht.

Im Kontrast dazu bedeuteten Rosen für Pernet-Ducher den Lebensunterhalt; sie waren Pflanzen, die sich über Tausende von Jahren immer weiterentwickelt hatten und die zu seiner Zeit zu den beliebtesten Blumen in den großen und kleinen Gärten der westlichen Welt gehörten, ein unverzichtbares Accessoire an der Kleidung von Frauen wie Männern sowie fester Bestandteil von Dichtung, Kunst und Design.

Für den Dichter ist sie eine Metapher, für die Sozialreformerin ein Symbol für den Kampf um ein besseres Leben, für den Rosenzüchter ein vermarktbares Produkt, ein Liebhaber sieht in ihr seine Geliebte, ein Wissenschaftler einen gefährdeten ökologischen Lebensraum, ein Autor ein unerschöpfliches Thema für ein Buch. Was wir sehen, hängt von unserer individuellen, beruflichen und kollektiven Wahrnehmung ab und den unbewussten Einflüssen, denen wir in unserer Kindheit und Jugend ausgesetzt waren. Kulturell betrachtet ist die Rose weit mehr als nur eine schöne Pflanze; sie ist stets mit einer bestimmten Ideologie verbunden. Auf dem Gebiet der Kultur geht es so immer um eine heidnische Rose, eine christliche Rose, eine islamische Rose, eine mystische Rose, eine alchemistische Rose, eine nationale Rose, eine kapitalistische Rose, eine patriarchale Rose und ganz aktuell auch um eine verwestlichende Rose.

Die Familie der Rosengewächse ist in sämtlichen gemäßigten Klimazonen der nördlichen Hemisphäre heimisch, und als unsere Vorfahren vor Zehntausenden Jahren von Afrika in ein Gebiet einwanderten, das zwischen dem Wendekreis des Krebses und dem 60. nördlichen Breitengrad liegt, zogen sie damit auch in das Verbreitungsgebiet der Rosen. Mit der aktiven Züchtung der Rosen und weiterer Pflanzen wurde etwa zeitgleich in zwei Regionen begonnen – in China und im Fruchtbaren Halbmond (der Teile des heutigen Irak, den Libanon, Syrien, Israel, Palästina, Jordanien, den Nordosten und das Nildelta von Ägypten, den Südosten der Türkei und den Westen des Iran umfasst). In den dort ansässigen komplexen Gesellschaften, die Bewässerungstechniken im Feldbau nutzten, eine relativ breite soziale Schichtung aufwiesen und erste Formen der Schrift entwickelten, entstand auch eine »Kultur der Blumen«. 5

Vor allem im Fruchtbaren Halbmond war die Rose eng mit wichtigen gesellschaftlichen Werten verknüpft. Die frühesten Hinweise auf kultivierte Rosen stammen aus dem Jahr 2200 v. Chr. von den Sumerern, einem Volk in Mesopotamien, das zwischen Euphrat und Tigris lebte. Mit der Zeit führte der Austausch zwischen den damaligen Kulturen auch in weiter entfernt liegenden Regionen zur Verbreitung der Rosenpflanze und der damit verbundenen Symbolik. So gelangte die Liebe zur Rose in den Westen und fasste zuerst im antiken Griechenland, dann im Römischen Reich Fuß. Auf einer Schrifttafel, die bei einer Grabung in Pylos auf dem Peloponnes gefunden wurde und vermutlich aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. stammt, wird unter anderen Aromaölen auch Rosenextrakt genannt. Die Griechen begegneten der Rose in ganz unterschiedlichen Kontexten und banden sie in ihre gesellschaftlichen Praktiken ein. Im Laufe der Zeit wurden in einer Art Rückkopplungsschleife individuelle und gemeinschaftliche Bindungen aufgebaut und verstärkt. Die Römer ahmten die Griechen weitgehend nach, ergänzten ihre Rosenromantik jedoch um eigene Akzente. Mit der Expansion des Römischen Reichs fand auch die Rose weitere Verbreitung. Viel später akzeptierte die römisch-katholische Kirche, nachdem sie anfangs gegen den heidnischen »Blumenkult« gewettert hatte, die Rose mit ihrer besonderen Symbolik, bis sie dann in der säkularen modernen Gesellschaft andere Funktionen übernahm.

Die Verbreitung der Rose als Pflanze von besonderem Interesse für die Menschheit lässt sich nachvollziehen, wenn wir die Ursprünge der Wörter studieren, die verschiedene Kulturen zu ihrer Beschreibung entwickelt haben. Heute wird im Englischen, Französischen und Deutschen dasselbe Wort verwendet, rose. Im Italienischen und Spanischen ist es rosa, im Russischen pоза (roza). All diese Namen haben ihre Wurzeln im lateinischen rosa, das wiederum vom griechischen rhódon stammt (weshalb ein Rosenexperte auch »Rhodologe« genannt wird). Im Arabischen heißt die Rose warda, im modernen Persisch gol und im Türkischen gül, was auch »Blume« im Allgemeinen bedeutet und von der Bedeutung der Rose in diesen Kulturen kündet. Die Verbreitung der islamischen Kultur sorgte für weitere etymologische Verästelungen. So lautet etwa in Indien der Hindi-Begriff für Rose gulab, ein Lehnwort aus dem Persischen und ein Hinweis darauf, dass die Rose über die Mogulherrscher Eingang in die indische Kultur fand, muslimische Invasoren aus Zentralasien, die mit dem Islam auch die Liebe zur Rose in den Norden Indiens brachten. Der linguistische Ursprung dieser nichteuropäischen Wörter liegt vermutlich ebenfalls im Griechischen rhódon, das sich aus dem Altpersischen wrd-(wurdi) entwickelt haben könnte, das wiederum etymologisch mit dem Parthischen wâr verwandt ist (das Partherreich befand sich im heutigen Iran und Irak und stand im ersten vorchristlichen sowie im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert auf dem Höhepunkt seiner Macht). Andere Etymologien sehen die Wurzeln des griechischen Wortes rhódon in vardhos, einem Begriff aus einem indoiranischen Dialekt; in dem Fall leitet sich der Name von der allgemeinen Bezeichnung für Dornbusch ab.

Bei den Wörtern für Rose, die aus dem Griechischen herrühren, wird ein und dasselbe Wort für die Pflanze und die Farbe verwendet (eine Ausnahme bilden Arabisch, Persisch, Türkisch und Hindi). Auch in den europäischen Sprachen findet sich eine Ausnahme: Im Englischen bezeichnet man die Farbe normalerweise als »pink«, nicht wie beispielsweise im Deutschen als »Rosa« oder »Rosé«, allerdings ist diese Trennung erstaunlich jung und erfolgte erst im 18. Jahrhundert. Dass eine bestimmte Farbe mit einer bestimmten Pflanzenfamilie in einer gemeinsamen Bezeichnung verbunden wird, ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Rose in Europa ursprünglich als rosafarbene Blume galt und es vor langer Zeit zu dieser Verbindung gekommen sein muss. Doch mit der Rose wurde nicht nur eine bestimmte Farbe, sondern auch Gefühle und Assoziationen verknüpft. Wenn Homer in der Ilias von der »rosenfingrigen Morgenröte« spricht und Edith Piaf Mitte des 20. Jahrhunderts von »La Vie en Rose« singt, werden in beiden Fällen sowohl die Blume als auch die Farbe heraufbeschworen. Homer nutzt den Vergleich zur Beschreibung eines Naturphänomens, Edith Piaf schildert den besonderen Gemütszustand des Verliebtseins. 6 Diese Verbindung zwischen Farbe und Blüte hat sich bis zu einem gewissen Grad auch im Englischen erhalten; beispielsweise spricht man von »rosigen« Tönen bei einem Sonnenuntergang oder davon, die Welt durch eine »rosarote Brille« zu betrachten. Wer im Französischen klar und deutlich zwischen der Farbe und der Pflanze unterscheiden will, bezeichnet die Pflanze als un rosier, die Blüte bleibt aber une rose, genau wie die Farbe rose genannt wird.

Diese komplexe Etymologie deutet darauf hin, dass das kulturelle Bewusstsein für eine Pflanzengruppe, die sich durch überwiegend rosa Blüten, Stacheln und Hagebutten (als Früchte) auszeichnet, zuerst im Fruchtbaren Halbmond aufkam und dann nach Westen wanderte. Doch es gibt noch andere, unabhängige Erklärungen zur Herkunft und Bedeutung. In China, einem weiteren wichtigen Zentrum für die Kultivierung von Pflanzen, wurden wilde Rosen traditionell qiangwei oder meigui genannt, immerblühende oder mehrfach blühende Rosen hießen hingegen yuejihua. Heute bezeichnet man alle Blumen der Gattung Rosa als meigui. Im Japanischen werden eine oder mehrere Rosenblüten baranohana genannt, inzwischen aber auch oft mit dem aus dem Englischen stammenden Lehnwort rozu bezeichnet. Im Koreanischen heißt die Rose jangmi, ein Lehnwort aus dem Chinesischen.

Die Rose ist auch in anderen Regionen heimisch, etwa in Nordamerika. Die Stämme der Anishinaabe oder Algonkin, deren Kultur sich einst von Minnesota bis nach Maine und von Indiana bis zur Hudson Bay in Ontario erstreckte, sprachen von der Oginiiminagaawanzh (sprich o-ginee-mina-gaw-wunzh), was »Mutterfrucht von einem kleinen Busch« bedeutet; eine Bezeichnung, die verschiedene einheimische Rosenarten umfasst und den Schwerpunkt nicht auf die Blüten, sondern auf die nützlichen essbaren Hagebutten dieser Arten legt. 7

Heute wird für die wissenschaftliche Beschreibung der verschiedenen Mitglieder der Rosenfamilie ein System verwendet, das der schwedische Botaniker Carl von Linné im 18. Jahrhundert entwickelte. Es beschreibt Pflanzen normalerweise mit zwei lateinischen Begriffen, von denen der eine die Gattung und der andere die Spezies benennt. Die sogenannte Hundsrose hat demnach die botanische Bezeichnung Rosa canina oder einfach R. canina (canina ist das lateinische Adjektiv für »hündisch«). Manchmal kommt noch eine weitere Klassifizierungsebene ins Spiel, wenn mehrere Rosen derselben Gruppe unterschiedliche Merkmale aufweisen, aber botanisch zur selben Linie gehören. So gibt es zum Beispiel bei den Damaszener-Rosen Unterarten wie die Rosa damascena semperflorens oder die Rosa damascena bifera.

Vor Linné wurden manche Pflanzen, die heute als »Rosen« bezeichnet werden, gar nicht mit diesem Gattungsnamen bedacht. Bei den alten Griechen war die Hundsrose oder botanisch Rosa canina als cynosbatos bekannt, nur die kultivierten Rosen wie die Gallica-Rosen wurden als rhóda – Rosen – bezeichnet. Zu Shakespeares Zeit hießen die Hundsrose und andere wilde Rosen »briars«, »briers« oder »canker-blooms«, »Rose« wurde meist nur für Kulturrosen verwendet. Mit anderen Worten, vor Linné bestand die Klassifizierung oft darin, dass man zwischen den dornigen Blütenpflanzen unterschied, die der Mensch aus dem einen oder anderen Grund zu kultivieren beschlossen hatte, und den anderen, die wild geblieben waren. Die einen wurden »Rosen« genannt, gepflegt und geschätzt, die anderen waren einfach etwas anderes.

Tatsächlich ist die Unterscheidung zwischen »Kulturrosen« und »Wildrosen« historisch betrachtet von großer Bedeutung, weil sie auch etwas über den Wert aussagt, den man der Natur im Allgemeinen beimaß. Wenn wir Zeit und Mühe auf eine bestimmte Rose (oder etwas anderes aus der Natur) verwenden, »verpassen« wir ihr quasi den Stempel der menschlichen Kultur. Im Sonett 54 unterscheidet Shakespeare zwischen den Gartenrosen wie der Damaszener-Rose und den Heckenrosen wie der wilden Hundsrose, die »bestimmt nur, unbegehrt am Strauch zu sterben / blüht ungesehen, welkt und vergeht«. Weil wir die »süßen Rosen« in unseren Gärten hegen und pflegen, überdauern sie »ihren Schein« in unserer Vorstellung und Erinnerung – und in unserer Kultur: »Ihr süßer Tod noch liefert süßen Duft«. Antoine de Saint-Exupéry argumentiert in seinem berühmten Kunstmärchen Der Kleine Prinz (1943) ähnlich, betont jedoch den persönlichen Wert anstelle des kollektiven. Der Kleine Prinz lernt vom Fuchs, dass alle anderen Rosen im Vergleich zu seiner Rose »schön, aber leer« sind. Seine Rose ist einzigartig, »da sie es ist, die ich begossen habe … Da sie es ist, deren Raupen ich getötet habe … Da sie es ist, die ich klagen oder sich rühmen gehört habe oder auch manchmal schweigen.« 8

Aufgrund der besonderen Aufmerksamkeit, die wir den Kulturrosen schenken, haben manche am Ende oft mehrere Namen, je nachdem, wo sie wachsen und wer sie benennt. So hatte etwa in Shakespeares Zeit eine wichtige Rose, die heute als Rosa gallica officinalis bekannt ist, im Englischen mehrere Bezeichnungen: Apothecary’s Rose, also Apothekerrose (officinalis bedeutet »zum Arzneimittelgebrauch«), Gallica Rose, Gallic Rose, French Rose oder Provins Rose; ein Hinweis auf die enge Verbindung dieser Rose zu Frankreich, vor allem zur Stadt Provins, wo sie zur Weiterverarbeitung angebaut wurde. In Persien wird die Damaszener-Rose nach wie vor oft Gol-e-Mohammadi (Mohammeds Rose) genannt, im levantinischen Arabisch heißt sie al-warda, während sie in Europa auch als »Rose von Kastilien« bekannt ist. Und wie bereits erwähnt, haben einige neuere Rosenzüchtungen mehr als einen Namen; die Rose, die man in den USA und Großbritannien als »Peace« kennt, heißt in Frankreich »Madame A. Meilland« und in Deutschland »Gloria Dei«.

Der Philosoph und Autor Umberto Eco gab seinem berühmten Roman den Titel Der Name der Rose (1980) und wusste natürlich um die damit verbundene Fülle an Interpretationen. In seiner Nachschrift zum Namen der Rose erklärt Eco, die Rose sei eine Symbolfigur von so vielfältiger Bedeutung, dass der Leser »regelrecht irregeleitet« und in so viele Richtungen gewiesen werde, dass er dem Titel keine bestimmte Deutung entnehmen könne. 9 Eco ist in der akademischen Welt vor allem als Vertreter der »unendlichen Semiose« bekannt, das heißt, dass er die fließende Bedeutung der von uns verwendeten Zeichen und Symbole betont. Genau aus diesem Grund entschied er sich im Titel auch für die Rose mit ihren vielen Bedeutungen und Interpretationsmöglichkeiten. Ecos Roman endet mit dem lateinischen Zweizeiler: Stat rosa pristina nomine; nomina nuda tenemus (»Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen«); ein Satz, den die mittelalterlichen Protagonisten des Romans als Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebens verstanden hätten. Doch für Eco hat die Leere semiotische Bedeutung, sie zeugt davon, dass die Rose mehr oder weniger alles bedeuten kann. Oder auch nichts. Denn wie wir noch feststellen werden, sind mit der »unendlichen Semiose« – dass die Rose also so viele Bedeutungen hat – auch weniger positive und eher einschränkende Konnotationen verbunden.

Letzten Endes gründen die zahlreichen kulturellen Assoziationen, die die Rose im Lauf der Jahrhunderte auf sich gezogen hat, in ihrer natürlichen Schönheit, die uns Menschen immer wieder fasziniert. Ein Gedichtfragment, das früher der griechischen Lyrikerin Sappho zugeschrieben wurde, die etwa 580 v. Chr. starb, bestätigt in der Übersetzung der viktorianischen Dichterin Elizabeth Barrett Browning die Vormachtstellung der Rose als botanische Schönheit bei den alten Griechen, aber noch mehr im viktorianischen England.

Wenn Zeus in seiner Freude uns eine Königin der Blumen erwählte,

Würde er sich an die Rose wenden und sie königlich krönen;

Denn die Rose, oh die Rose! Ist die Zier der Erde,

Im Lichte der Pflanzen, die darauf wachsen!

Denn die Rose, oh die Rose! Ist das Auge der Blumen,

Das Erröten der Wiesen, die sich schön fühlen,

Ist das Aufblitzen der Schönheit, das durch die Gartenlauben zuckt

Auf blasse Liebende trifft, die ahnungslos in ihrem Glühen sitzen. 10

Auch wenn wir die zentrale Bedeutung der Rose und das innige Verhältnis zwischen Mensch und Rose feiern, sollten wir nicht vergessen, dass uns in dieser Geschichte oft Dinge begegnen, die wir heute als inakzeptable Vorurteile längst vergangener Zeiten betrachten. So wurden etwa Männer früher gern mit starken und klugen Tieren wie dem Löwen oder dem Fuchs verglichen, während man Frauen mit hübschen Pflanzen wie der Rose gleichsetzte. Hinter diesen Analogien verbergen sich bestimmte kulturelle Vorstellungen von Rolle und Status. Wir werden auch feststellen, dass die symbolischen Bedeutungen, die der Rose beigemessen wurden, zu allen Zeiten die sexuellen Obsessionen und Unsicherheiten der Männer widerspiegelten. Zudem müssen wir berücksichtigen, dass selbst etwas so scheinbar Harmloses wie die Rose zum Werkzeug eines aggressiven kulturellen Expansionsdrangs werden kann. Die Rose mag heute die beliebteste Blume weltweit sein, doch das hat auch sehr viel damit zu tun, dass sie historisch betrachtet vor allem im Westen eine große symbolische und gärtnerische Bedeutung hatte und der ihr beigemessene Wert in den vergangenen hundert Jahren aufgrund der Dominanz des Westens exportiert und imitiert wurde. 11

Als kulturelles Symbol verfügt die Rose über ein starkes Informationsmuster, das sich im menschlichen Gedächtnis immer wieder repliziert, in manchen Kulturen jedoch mehr als in anderen. In diesem Sinn ist die Rose ein »Mem«, wie der Evolutionsbiologe Richard Dawkins sagen würde. 12 Heutzutage sind wir mit dem Begriff vertraut, wir kennen ihn in seiner englischen Form als Bezeichnung für Inhalte, die im Internet um unsere Aufmerksamkeit buhlen und sich dort wie ein Lauffeuer verbreiten. In tieferem Sinne bezeichnet ein Mem aber auch die Art und Weise, wie die Vorstellungen und Ansichten einer Kultur auf eine ähnliche Art und Weise weitergegeben werden wie Gene in der Biologie, die der natürlichen Selektion unterliegen. Als Informationsmuster pflanzt sich ein Mem im Gedächtnis der Menschen vor allem deshalb fort, weil wir einander imitieren. Ein Mem wird nicht nur über Generationen, sondern auch innerhalb unserer heutigen Gesellschaften weitergegeben und fördert so den sozialen Zusammenhalt. Manche Meme sind erfolgreicher als andere und können sich über einen Prozess der Ansteckung oder Nachahmung massiv verbreiten. Die weniger erfolgreichen sterben aus. Um zu überleben und sich auszubreiten, benötigt ein Mem nur ausreichend robuste kulturelle Eigenschaften, die ihm einen Vorteil gegenüber anderen Memen verschaffen, und entwickelt so eine Eigendynamik. Dawkins prägte auch den Begriff »Memplex«, um die Vernetzung kompatibler Meme zu beschreiben, die sich gegenseitig unterstützen und so zu einer noch wirkungsvolleren kulturellen Kraft werden, die weniger starke Meme ausstechen kann. Eine Rose ist in diesem Sinn eine mächtige Verbindung von Memen, ein sehr erfolgreicher Memplex, der sich durch die Anpassung an neue kulturelle Bedingungen entwickelt, vervielfacht und geschützt hat. Seine einzelnen Aspekte bleiben dabei im menschlichen Bewusstsein stets als ein bedeutendes einheitliches Informationsmuster verbunden.

Dieser Rosen-Memplex erweist sich als besonders nützlich, um subjektiven Empfindungen und Eindrücken Ausdruck zu verleihen, abstrakten Konzepten, die mit unseren innigsten Gefühlen zu tun haben, oder Aspekten unseres Lebens, die man nicht so einfach »begreifen« oder »sehen« kann. Wir nutzen etwas Konkretes und Vertrautes, das für die Sinne erfassbar ist, um dem Abstrakten eine Struktur zu geben, es begreifbar und kommunizierbar zu machen. Doch wie ein Gen ist auch das Rosen-Mem »selbstsüchtig« und strebt nach seiner eigenen Verbreitung und Fortpflanzung. Manche Aspekte des Rosen-Memplex sind inspirierend, nützlich oder neutral, andere hingegen schädlich. Wenn die Rose uns hilft, unsere aufrichtige Liebe zu jemandem zum Ausdruck zu bringen, ist sie sicher ein inspirierendes und nützliches Mem. Wenn Rosen einen Raum schmücken, kann man sie wohl am besten als »neutral« bezeichnen. Aber manchmal werden Rosen auch für Betrügereien und Täuschungen benutzt. Dabei verfolgt der Rosen-Memplex einzig und allein das Ziel, sich selbst zu erhalten und fortzupflanzen.

Eine selbst ernannte Kulturgeschichte der Rose sollte sich auch mit dem Begriff »Kultur« in den beiden Bedeutungen auseinandersetzen, die das Wörterbuch von Merriam-Webster nennt: »Die gebräuchlichen Ansichten, gesellschaftlichen Formen und materiellen Merkmale einer ethnischen, religiösen oder sozialen Gruppe«, aber auch »der Akt oder der Prozess der Kultivierung von lebendem Material«. Als Pflanze ist die Rose in erster Linie für Botaniker und Gärtner von Interesse, deren Hauptaugenmerk der Pflege und Kultivierung der Natur gilt und den damit verbundenen praktischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Wenn man sich mit der Rose als Pflanze beschäftigt, befasst man sich mit ihrer Abhängigkeit vom Boden, von den Elementen und oft auch mit der mangelnden Rücksicht der Menschen gegenüber der Natur. Wir interessieren uns dann vor allem für ihre ökologische und biologische Seite, die dem Lauf der Zeit unterworfen und von Ungewissheit geprägt ist, was zur Folge hat, dass wir uns mit der Erde verbunden fühlen und in Kontakt mit dem Konkreten bleiben.

Von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Kulturrose ist die Tatsache, dass bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie der britische Gartenbauexperte Jack Harkness schreibt, »fast alle europäischen Rosen nur wenige Wochen lang blühten, ähnlich wie die Kirsche, der Flieder, der Weißdorn, der Apfel und der Ginster«. Aber dann, im 19. Jahrhundert, »wurde die Rose durch das Wunder der wiederholten Blüte zu einer ganz besonderen Pflanze«. 13 Denn bei der manchmal geradezu obsessiven Suche nach der »perfekten Rose« schufen die Züchter Sorten, die sich erheblich von den Rosen früherer Zeiten unterschieden (was in ihren Augen natürlich eine Verbesserung darstellte). In der Praxis hieß das, dass die modernen Rosenzüchter – ausgestattet mit den nötigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und ermutigt von den günstigen wirtschaftlichen Bedingungen zu ihrer Vermarktung – versuchten, die besten Eigenschaften der traditionell in Europa und im Nahen Osten beheimateten Rosen mit denen der chinesischen zu vereinen. Das Ergebnis ihrer eifrigen Bemühungen sind die heute vorherrschenden Rosen: In jüngerer Zeit von Menschenhand geschaffene Mutationen sind sie das Ergebnis künstlicher Selektion. Sie unterscheiden sich stark von den Rosen, die Shakespeare vor Augen hatte, als er sich vorstellte, wie Julia Romeo mit einer Rose vergleicht. Das Wort, das Shakespeare verwendete, ist dasselbe wie heute, und auf der symbolischen Ebene bleiben die Assoziationen, die es hervorruft, eng verbunden mit denen der Shakespeare-Zeit. Doch die Pflanze ist eine ganz andere. Tatsächlich unterscheiden sich die heutigen Rosen auch deutlich von denen der Menschen, die wir zu Beginn des Kapitels kennenlernten und die sich alle vor dem Zweiten Weltkrieg mit der Rose beschäftigten. Die Auswirkungen, die das anhaltende Interesse auf das äußere Erscheinungsbild der Rose hatte, sind daher nicht zu unterschätzen. Aufgrund ihrer engen Bindung an unsere Interessen und Werte sind Rosen ganz und gar »Pflanzen des Menschen«.

Wenn wir heute überlegen, wie sich die Rose weiterhin vermehren und neu erfinden könnte, müssen wir auch berücksichtigen, wie sich das Verhältnis des Menschen zur Rose angesichts der aktuellen ökologischen Krise verändern wird. Früher zeichneten sich historische Darstellungen (die sich traditionell auf die Geschichte mächtiger Männer beschränkten) durch ein offenes oder implizites Lob der Einzigartigkeit, Überlegenheit und der im Wesentlichen positiven Rolle der Menschheit aus. Wir konnten von uns behaupten, die Hüter der Schöpfung oder der Gaben der Erde zu sein. Doch nun, im Anthropozän, sind uns die verheerenden Auswirkungen der Menschheit auf das Ökosystem schmerzlich bewusst, genauso wie das Wissen, dass die zukünftigen Generationen darunter leiden werden, dass wir nicht rechtzeitig etwas gegen die Klimakrise unternommen haben. Die naturwissenschaftlich-technische Logik – die Herrschaft über Flora und Fauna, aber auch über andere Völker und Kulturen – hat dazu geführt, dass die Menschheit in zunehmendem Maße in Gegnerschaft zur Natur geriet. Doch die stillschweigende Annahme, wir seien der übrigen natürlichen Welt überlegen, ist mittlerweile ins Wanken geraten. Auch wenn sich das Tier »Mensch« durch seine besonderen Eigenschaften selbst von seinen engsten Säugetierverwandten abhebt, müssen wir uns allmählich der Erkenntnis stellen, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft zusammen mit Millionen anderen Organismen aussterben könnten und dass dieser kollektive Untergang zu einem großen Teil auf unsere eigene gewaltige Dummheit zurückzuführen wäre. Inmitten der aktuellen ökologischen Krise und aus einer nichtanthropozentrischen Perspektive heraus betrachtet, scheint die menschliche »Vernunft« zu einem strikten naturfeindlichen »Rationalismus« verzerrt und wirkt dadurch beunruhigend bösartig und zerstörerisch.

Sie denken vielleicht, dass unsere tragische Lage und die Selbstanalyse, die sie erfordert, uns bei der Beschäftigung mit etwas so Harmlosem wie der Kulturgeschichte der Rose nicht weiter beunruhigen sollten. Doch für mich ist es offensichtlich, dass wir die Rose, wenn wir ihr gerecht werden wollen, im größeren aktuellen Kontext der ökologischen Krise betrachten müssen. Genauso sollten wir bei der Geschichte der Rose die bekannten Vorurteile der Vergangenheit berücksichtigen, anstatt in der Pflanze nur eine angenehm duftende, hübsch anzusehende Möglichkeit zur Realitätsflucht zu sehen.

1

»Rosa«

Die Rosenfamilie stellt sich vor

Dem ältesten noch wachsenden Rosenstock wird ein Alter von tausend Jahren nachgesagt. Es handelt sich um eine Hundsrose (Rosa canina), die an der Apsis des Hildesheimer Doms emporwächst. Im Frühjahr bringt dieser Rosenstock wie alle Hundsrosen mehrere Wochen lang eine Fülle an fünfblättrigen Blüten in Zartrosa hervor. Bereits 815, dem Gründungsjahr der Kathedrale, wird über die Rose von Hildesheim berichtet und vermerkt, dass an der Stelle, an der sie blühte, eine Kapelle errichtet worden sei, aus der schließlich der Hildesheimer Dom hervorging. Das heißt, dass die Rose dort schon vor Baubeginn gewachsen sein muss und von den Erbauern bewusst erhalten wurde. 1046 zerstörte ein Feuer einen Großteil des Gebäudes, doch die Rose überlebte. Das bedrohlichste Ereignis für die Rose ist jedoch noch gar nicht so lang her und hat nichts mit ihrem hohen Alter oder ihren natürlichen Feinden zu tun. Im März 1945 wurde der Dom durch einen Bombenangriff der Alliierten und das anschließende Feuer komplett zerstört, doch beim Wiederaufbau nach dem Krieg stellte man fest, dass die Rose an den Wurzeln, die die Feuersbrunst überlebt hatten, erneut ausgetrieben hatte und nun wieder zwischen den Trümmern emporwuchs. Die erhebliche Größe, die der Rosenstock heute hat, ist also nur das, was in den letzten knapp achtzig Jahren gewachsen ist.

Warum nennt man eine Rose »Hundsrose«? Eine Theorie besagt, dass man früher glaubte, die Wurzel einer bestimmten Rose heile nach dem Biss eines tollwütigen Hundes die Wunde. Eine andere Theorie erklärt den Namen mit der Form der Stacheln, die an die gefletschten Zähne eines Hundes erinnern. Doch bei den Menschen, die den Hildesheimer Dom bauten, hatte der Rosenstock, der an den Mauern emporwuchs, sicher einen ganz anderen Namen. Im heutigen Deutsch wird die Hundsrose oft auch einfach als Heckenrose bezeichnet. 1

Diese imposante Rose, die man im Englischen auch »dogged« (»hartnäckig, zäh«) nennen könnte, ist eindeutig ein Musterbeispiel für Anpassungsvermögen und Langlebigkeit unter extremen Bedingungen. Von Anfang an war sie umgeben von Insekten und pflanzenfressenden Tieren, die ihr an die Blätter wollten. Dazu kamen Schädlinge und konkurrierende Pflanzen sowie die Erreger verschiedener Bakterien- und Pilzerkrankungen, die über die Luft oder den Boden übertragen werden. Und natürlich musste sie sich auch irgendwie vermehren und für Nachwuchs sorgen. Aber trotz der in unseren Augen massiven evolutionären Nachteile entwickelte sich die Vorfahrin der Hundsrose so, dass sie bestmöglich gedeihen konnte. Dabei beschaffte sie sich das, was sie benötigte, auf ganz andere Art als wir Menschen oder andere Tiere. Vor etwa 1,4 Milliarden Jahren schlug die Pflanzenwelt, zu der später die Rosengewächse gehören sollten, einen völlig anderen Entwicklungspfad ein als die Tierwelt. Tiere bewegen sich, während Pflanzen an Ort und Stelle gebunden sind. Tiere konsumieren, während Pflanzen produzieren. Tiere erzeugen Kohlendioxid, Pflanzen verbrauchen es. Pflanzen entwickelten die Fähigkeit, zu den essenziellen Nährstoffen »hinzuwachsen«, in ihrem Fall also Licht, Wasser und Mineralien, und diese dorthin zu transportieren, wo sie für Fotosynthese und Wachstum benötigt werden. Pflanzen sind daher in der Lage, die Energie des Sonnenlichts zu ernten, sie in chemische Energie umzuwandeln und in organischen Strukturen zu speichern.

Als eigene Gattung in der Pflanzenwelt entwickelten die Hundsrose und ihre Verwandten mehrere Speziallösungen, die sie von den meisten anderen Pflanzen unterscheiden. Rosen können sich selbst befruchten (sie verfügen über männliche wie weibliche Sexualorgane), die Bestäubung erfolgt mithilfe von Wind, Insekten und Vögeln, die die Samen verbreiten. Dafür haben Rosen farbenfrohe Blütenblätter ausgebildet und verströmen oft einen verführerischen Duft, um Insekten wie etwa Honigbienen anzulocken. Manche Rosen, darunter auch die Hundsrose, widersetzen sich der Schwerkraft und nutzen andere Sträucher und Bäume oder – wie in Hildesheim – eine Steinmauer oder andere von Menschenhand errichtete vertikale Strukturen als Rankhilfe, um mit ihren langen, gebogenen Trieben daran emporzuwachsen. Irgendwann in ihrer Evolutionsgeschichte bildete eine zufällige Mutation Blätter aus, die sich zu Stacheln (oder »Dornen«) entwickelten und sich als hervorragendes zusätzliches Mittel der Selbstverteidigung erwiesen. Zudem beförderten diese Dornen die Fähigkeit der Rosengewächse, in Bäume und andere Strukturen zu dringen, sich dort zu verankern und so mehr Höhe und Stabilität beim Wachstum zu erreichen. Eine Hundsrose ist mäßig dornig, die an einen Hundefang erinnernden Stacheln überziehen die Triebe in regelmäßigen Abständen. Manche Rosen wie die Damaszener-Rosen und die Rugosas sind sehr stachlig, andere hingegen haben wenig oder tatsächlich gar keine Dornen, wie etwa die Bourbon-Rose »Zéphirine Drouhin«.

Botanisch betrachtet gehören Rosen seit Linné zur großen Familie der Rosengewächse (Rosaceae), die weltweit die beeindruckende Zahl von 3100 Arten und 107 Gattungen aufweist. Weitere Mitglieder der Familie sind Obstarten wie Apfel, Pflaume, Birne und Erdbeere. Der Grund, warum Äpfel und Rosen einer Familie angehören, ist der, dass Linné Pflanzen anhand ihrer Sexualorgane benannte und ordnete; alle Pflanzen der Rosengewächse weisen Ähnlichkeiten bei den Staubgefäßen und Stempeln auf, ihren weiblichen und männlichen Organen. Dank Linné ist die botanische Taxonomie sehr gut organisiert, aber auch erschreckend komplex. Die Gattung Rosa ist in vier Untergattungen unterteilt, wobei die eigentliche Rose wiederum eine eigene Untergattung bildet, die zehn Sektionen hat. 2 Laut der Klassifizierung des Rosenexperten und -züchters Peter Beales gehören dazu die Caninae (ursprünglich im Mittleren Osten und Europa heimisch, mit einem leichten Ausbreitungsdrang nach Osten Richtung Afghanistan), deren bekannteste Vertreterin die Hundsrose ist; die Gallicanae (im Mittleren Osten und Europa heimisch); Cassiorhódon (praktisch in der ganzen Welt zwischen dem Wendekreis des Krebses und dem 60. nördlichen Breitengrad beheimatet mit Ausnahme von Nordafrika und den südlichen und westlichen Bundesstaaten der USA); Synstylae (ähnlich weitverbreitet, die Rosen dieser Sektion meiden jedoch den kalten Norden, Nordafrika und weite Teile Russlands und der USA); und Chinensis (nur in China, Kaschmir und Nepal heimisch). 3 Jede Gattung hat ihre eigenen besonderen Merkmale, die jedoch große Ähnlichkeiten aufweisen wie etwa bei der Form der Stacheln, Blüten, Blätter und Hagebutten. Für uns Amateure lassen sich Rosen etwas unkomplizierter in drei Grundkategorien unterteilen: 1. Wildrosen, 2. alte Rosen, manchmal auch als klassische Rosen oder klassische Gartenrosen bezeichnet (Rosenklassen, die vor 1867 kultiviert wurden), und 3. moderne Rosen. Die langlebigsten Rosen sind die Wildrosen (wie die Hildesheimer Rose). Alte und moderne Gartenrosen können bis zu 200 Jahre alt werden. Die kurzlebigste Rose ist die Teerose, ein Rosenstock dieser Kategorie wird nur 30 bis 50 Jahre alt. Allgemein kann man sagen, dass die alten Rosen, die nur einmal blühen, deutlich älter werden als ihre modernen Verwandten, die in erster Linie dafür gezüchtet wurden, mehrmals oder kontinuierlich zu blühen.

Die wichtigsten Fachbegriffe, um das Aussehen der Rose zu beschreiben, sind (von »oben nach unten«): die Krone (Corolla) oder auch Blüte (bestehend aus Blütenhülle, Blütenblatt oder Kronblatt, Staubbeutel, Stempel, Narbe, Kelchblatt, Blütenkelch), Blütenstiel, Stachel, Tragblatt, Seitenspross, Sprossansatz, Hagebutte, Blatt, Blättchen, Nebenblatt, Stamm, Wurzelhals sowie Grob- und Feinwurzeln. Rosenblüten können einen Durchmesser von nur 2,5 Zentimetern oder bis zu 15 Zentimetern haben. Sie treten in dichten Büscheln auf oder als Einzelblüte (Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang vom Blütenstand oder der »Infloreszenz«).

Die Blüten einer Rosenart stehen in der Regel einzeln oder sind in Gruppen von bis zu drei Blüten arrangiert, doch einige ostasiatische Arten wie die Rosa multiflora bilden auch Blütendolden. Gartenrosen wie die modernen Floribunda-Rosen blühen in Büscheln von 50 bis 100 Blüten an einem einzigen Trieb. Die Triebe können je nach Sorte lang und gebogen sein, aber auch gerade oder kurz und kräftig. Die Struktur der Blüten wird als »einfach« bezeichnet, wenn die Blüten jeweils fünf bis sieben Blütenblätter haben (die Hundsrose zum Beispiel hat fünf); »halbgefüllt«, wenn die Blüte mehr Blütenblätter hat (16 bis 25); »gefüllt« (26 bis 40) und »stark gefüllt« (bis zu 100 Blütenblätter, daher auch der Name der Rosa centifolia, der hundertblättrigen Rose). Die Form der jeweiligen Blüten kann ebenfalls stark variieren. Sie werden üblicherweise als »flach« beschrieben, wenn die Blütenblätter weit geöffnet sind und die Staubgefäße frei liegen wie bei der Hundsrose und den meisten Wildrosen. Von »schalenförmig« spricht man, wenn die Blüte mehr Blütenblätter hat und die äußeren etwas länger sind als die in der Mitte und sich zu einer Schale biegen, sodass die Staubgefäße verborgen sind. Bei den »kugelförmigen« Rosen sind die Blüten noch weiter geschlossen und verbergen die Staubgefäße inmitten einer Fülle von Blütenblättern vollständig; von »geviertelt« spricht man, wenn die Blüten aus vielen Blütenblättern bestehen, die eng in einer Schalenform zusammengedrängt sind, aufrecht stehen und flach aneinanderliegen. Die Gesamtheit der Blütenblätter teilt sich in der Regel in vier Teile; man spricht von »hoch gebaut« oder »kelchförmig«, wenn die Blütenblätter in der Mitte über den äußeren geöffneten Blütenblättern stehen; von »rosettenförmig« bei gefüllten Blüten mit leicht überlappenden Blütenblättern von unterschiedlicher Größe und einer offenen Form; und »Pompons«, wenn es sich um kleine runde Blüten aus unzähligen winzigen Blütenblättern handelt. Die typische Schnittrose, die man zum Valentinstag verschenkt, ist »hoch gebaut«.

Wie bereits erwähnt ist die Blüte der europäischen Rose fast ausschließlich auf eine kurze Zeit im späten Frühjahr oder Frühsommer beschränkt, die wenigen Ausnahmen bilden die Herbst-Damaszener-Rose (auch »Quatre Saisons« genannt), deren Name bereits auf ihre lange Blühfähigkeit hinweist, und die Moschus-Rose Rosa moschata, die erst im Spätsommer oder frühen Herbst blüht. Ostasiatische Rosen hingegen können über längere Zeiträume und sogar bis in den Winter hinein blühen, man spricht in diesem Zusammenhang von »remontierend« oder »öfterblühend«. Damit stellt sich die interessante Frage, wie und wann das Gen für die Fähigkeit zum Remontieren nach Westeuropa kam, doch darauf werde ich später noch zu sprechen kommen.

Die Blüten der in Europa heimischen Wildrosen sind rosa oder pink und gelegentlich auch weiß. Zusätzlich zu diesen Farben gedeiht im Nahen Osten eine gelbblühende Wildrose, außerdem gibt es seit Langem etablierte Hybridvarianten, die orange und tiefrot blühen. Technisch gesehen wird die Farbe der Blütenblätter einer Rose durch spezifische Farbstoffe bestimmt, die in gelöster Form im Zellsaft vorkommen, allerdings wird nur die eigentliche Oberfläche des Blütenblattes gefärbt. Dabei wandelt sich Zucker unter dem Einfluss von Enzymen um, bis eine Verbindung entsteht, die die vom Gen vorgegebene Farbe hat. Dies geschieht nicht in einem einzigen Schritt, sondern in einer Reihe von Reaktionen, bei denen jeweils ein Enzym zum Einsatz kommt, bis der Farbstoff den richtigen Ton trifft.

Die Stacheln einer Rose können unregelmäßig und klein oder extrem abschreckend und zahlreich sein. Sie sind bei manchen Rosen wie Nadeln geformt, bei anderen sind sie gebogen, haken- oder flügelförmig mit breiteren Enden. Manche sind eher Borsten als Stacheln, bei anderen Arten ist es eine Mischung aus Stacheln und Borsten, und wieder andere haben Stacheln unterschiedlicher Größe am selben Stiel. Die Blätter einer Rose können glänzend, seidenmatt oder matt sein und verschiedene Größen, Texturen und Grüntöne aufweisen. Die Form der Blätter – oder genauer gesagt der Fiederblättchen – ist jedoch im Allgemeinen eiförmig oder elliptisch. Die Basis ist abgerundet, keil- oder auch leicht herzförmig, die Blattspitze verjüngt sich, kann stumpf oder spitz zulaufend sein, und die Ränder sind einfach oder doppelt gesägt. Die Hagebutten variieren in Größe und Form von ei- oder kugelförmig bis länglich spindel- oder birnenförmig.

Auch die Struktur der gesamten Pflanze und ihre Wuchsform sind sehr unterschiedlich. Heutzutage werden Rosen anhand ihrer Struktur normalerweise in sieben Kategorien unterteilt: Kletterrose, Rambler, Buschrose, Strauchrose, Beetrose, Bodendecker und Zwergrose. Die Wuchsstruktur wird bei der Beschreibung von Rosen oft ausgeklammert, da das Hauptaugenmerk verständlicherweise auf den Blüten liegt. Darüber hinaus hat die Dominanz bestimmter Rosenklassen – vor allem der Teehybriden und der Floribunda – zu einer Uniformität der Pflanzenstruktur geführt, die die wirklich bemerkenswerte Vielfalt der möglichen Wuchsformen überdeckt. Zwischen einer Kletterrose und einer Strauchrose besteht ein gewaltiger Unterschied, ebenso zwischen einer Hundsrose und einer typischen modernen Gartenrose. Die Bedeutung der Struktur rückt auch durch den Schnitt bei den neueren Rosen in den Hintergrund. Der Schnitt ist wichtig für ein geordnetes Wachstum und eine maximale Blütenfülle, nimmt den Rosen im Winter aber auch ihren Wert als Strukturpflanze.

Wildrosen findet man als Buschrosen, Kletterrosen und Rambler. Es gibt sie schon sehr lang, sie entwickelten sich vor etwa 70 Millionen Jahren. Nach wie vor ist nicht klar, wie viele weltweit existieren, die Schätzungen variieren. Eine Schätzung geht von 160 aus: 48, die in China heimisch sind, 42 im übrigen Asien, 32 in Europa, 6 im Mittleren Osten, 7 in Nordafrika und 26 in Nordamerika. 4 Laut einer anderen Schätzung sind es 220 wilde Rosen weltweit. 5

Diese Rosen haben fast immer fünf Blütenblätter und blühen normalerweise rosa oder weiß, manchmal mit gelben Staubgefäßen. Doch wenn wir von Wildrosen sprechen, sollten wir nicht den Fehler machen anzunehmen, dass der Begriff eine Gruppe bezeichnet, deren Erbgut irgendwie rein und unveränderlich ist. Im Grunde handelt es sich dabei einfach um Rosen, die sich vor langer Zeit durch natürliche Selektion entwickelten, bis sie ihre heutige Form erreichten, die Tausende von Jahren überdauert hat.

Alle Pflanzen besitzen die Fähigkeit, zufällig zu mutieren und Sprossmutationen, sogenannte »Sports«, hervorzubringen, also Mutationen von derselben Pflanze; oder sie können hybridisieren, das heißt, das Erbgut von zwei verschiedenen Mutterpflanzen miteinander verbinden. Ein »Kultivar« hingegen ist eine nichtwilde Reproduktion, also eine vom Menschen geplante Mutation. Mutationen haben in der Regel einen schlechten Ruf, wie die umgangssprachlichen Bezeichnungen »Mutant«, »Mischling« und »Bastard« zeigen, aber eine zufällige Mutation ist keineswegs ein Fehler der Natur oder ein Abweichen von der angeborenen Reinheit, sondern kann eine entscheidende Hilfe für den evolutionären Erfolg sein, denn durch die Verbreitung nützlicher Gene trägt eine Tier- oder Pflanzenmutation zu neuen Anpassungsstrategien bei, die die Fähigkeit erhöhen, mit sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen umzugehen. Die meisten Mutationen gehen im Überlebenskampf wieder zugrunde. Vor langer Zeit mutierten Wildrosen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten und bildeten mehr als fünf Blütenblätter aus. Vermutlich wären sie damit gescheitert, ihre Gene weiterzugeben, wenn nicht der Mensch einige davon bemerkt und sorgfältig kultiviert hätte, weil sie ihm gefielen. Mit anderen Worten: Die ältesten Kulturrosen waren ursprünglich mutierte Wildrosen. Während viele Pflanzenmutationen vom Menschen aufgrund ihres Nutzens ausgewählt und weiterkultiviert wurden (etwa Weizen und Reis), wurden einige (wie die Rosen) vor allem dank ihrer Schönheit ausgewählt, für die der Mensch nun einmal eine Schwäche hat.

Aber warum finden wir gerade Rosen so schön? Ein Botaniker würde darauf hinweisen, dass die Rose sehr erfolgreich darin ist, die Aufmerksamkeit von befruchtenden Insekten auf sich zu ziehen – und eben auch von uns. Für uns und die Biene hat die Rosenblüte ein- und dieselbe Funktion: Sie übt einen starken visuellen Reiz aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Dank der Logik der natürlichen Selektion haben sich Blüten so entwickelt, dass sie Aufmerksamkeit auf sich lenken und sie auch binden, weil sie von dieser Aufmerksamkeit profitieren. Sie nutzen ihre Form, Farbe und ihren Duft, um mit anderen Arten zu kommunizieren und Insekten und Vögel anzulocken. Eine Blüte hat die Aufgabe, chemische Signale zu senden, sie muss sich aber auch in ihrem Aussehen und ihrem Duft von anderen Pflanzen unterscheiden, um die Aufmerksamkeit der bevorzugten Bestäuber zu binden. Das bedeutet, dass alle Blüten grundsätzlich auf die Befriedigung der Wünsche anderer Lebewesen ausgerichtet sind, denn Aufmerksamkeit zahlt sich aus: Sie bringt mehr Nachkommen für die Pflanze. Wenn im Frühjahr die Wildrosen in den Hecken blühen, hat man den Eindruck, sie seien urplötzlich aufgetaucht und buhlten um die Aufmerksamkeit der Bestäuber. Dieses »Hervorstechen« erfolgt auch auf olfaktorischer Ebene über ihren verführerischen Duft. Wenn ihre Aufgabe erfüllt ist, verwelken die Blüten und fallen ab, und die Pflanze verschmilzt wieder mit dem gleichförmigen grünen Hintergrund.

Was bei Honigbienen funktioniert, funktioniert offensichtlich auch bei uns. Im Lauf der Zeit haben einige Blumen, insbesondere Rosen, in ihre Überlebensprotokolle die Vorteile aufgenommen, die sich aus der Befriedigung der Wünsche des Menschen und vor allem aus dem menschlichen Verlangen nach Schönheit ergeben. Während eine Biene für ihre Aufmerksamkeit Pollen erhält, werden wir Menschen mit Schönheit belohnt. Und wie Michael Pollan in Die Botanik der Begierde (2002) schreibt: »Wir wiederum taten das Unsere hinzu, züchteten unsinnige Mengen von Blumen, verbreiteten ihre Samen in der ganzen Welt, schrieben Bücher, um ihren Ruhm zu verbreiten und ihr Glück zu sichern. Für die Blume war es die altbekannte Geschichte: ein weiterer, grandioser koevolutionärer Tauschhandel mit einem willigen, zur Leichtgläubigkeit neigenden Tier – im Ganzen nicht schlecht, wenn auch nicht annähernd so gut wie der frühere, prototypische Handel mit den Bienen.« 6

Aber was ist eigentlich »Schönheit«? Die Erfahrung scheint eng verbunden mit dem Gefühl, dass trotz zahlreicher gegenteiliger Beweise alles in der Welt in Ordnung ist. Dazu passt die Beobachtung des französischen Schriftstellers Stendhal: »Schönheit ist nur das Versprechen auf Glück.« 7 Aus Sicht einer Kulturrose ist das, was wir Schönheit nennen, nichts anderes als das Fundament, auf dem ihr Überleben als Art basiert und gefördert wird. Der Mensch schützt, was er schön findet, und damit ist Schönheit die Garantie für besondere Vorteile. Wenn eine Rose mit fünf Blütenblättern eine Mutation mit größeren oder mehr Blütenblättern hervorbrachte, etwa eine Gallica- oder Damaszener-Rose, war das im Hinblick auf die Evolution zunächst nicht unbedingt ein Vorteil. Doch indem der Mensch mit einer planvollen künstlichen Auslese in den Evolutionsprozess eingriff, erhielten solche Mutationen plötzlich einen beträchtlichen Vorteil und gediehen in der Folgezeit sehr gut. Für die Rose ist es eine Überlebensstrategie, wenn sie für schön befunden wird.

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»Es gibt viele Arten von Rosen«

Leben mit Wildrosen und Mutationen

In der Römerzeit waren die Britischen Inseln (ohne Irland) als Albion bekannt, und Plinius der Ältere (2379 n. Chr.) glaubte, das würde »Inseln der weißen Rosen« bedeuten, weil dort weiße Rosen wuchsen. Alba heißt auf Lateinisch »weiß«, und mit den fraglichen weißen Rosen war vermutlich Rosa pimpinellifolia gemeint. Heutzutage geht man jedoch davon aus, dass der vorkeltische Bezug auf Albion von einem anderen auffälligen weißen Merkmal der Insel herrührt, das besonders ins Auge sticht, wenn man sich von der anderen Seite des Ärmelkanals als Eroberer nähert – den Kreideklippen von Dover. 1 Die Rosa pimpinellifolia, auch Dünenrose, Erdrose, Feldrose, Haferrose oder Stachelige Rose genannt, ist, wie der Name schon sagt, sehr stachlig, blüht aber auch sehr üppig. Wahrscheinlich gab es in Albion, oder Britannia, wie die Insel in römischer Zeit offiziell hieß, auch Mitglieder der heute noch an den Mauern des Hildesheimer Doms emporrankenden Rosenfamilie: die rosa Hundsrose Rosa canina, oder die verwandte Weinrose (Rosa rubiginosa), auch Apfelrose, Schottische Zaunrose oder Sweet Briar genannt, und die Feldrose (Rosa arvenis).

Die Hundsrose ist auch heute noch in Südengland und Wales weitverbreitet und war es vermutlich bereits im römischen Britannien, während die Rosa rub...

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