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Something Old, Someone New

Als Buch hier erhältlich:

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Verfolgt von der hässlichen Scheidung ihrer Eltern, schwört Shea Anderson, sich an den Aberglauben ihrer Nonna zu halten: Sollte sie einen Heiratsantrag erhalten, wird sie kein Erbstück als Verlobungsring annehmen. Die Ehe ist schon schwer genug, warum sollte man da noch schlechtes Karma hinzufügen? Als ihr Freund John ihr einen Heiratsantrag mit einem vererbten Ring macht, ist Shea daher wie erstarrt. Angetrieben von den Warnungen ihrer Nonna macht sie sich auf die Suche nach den Vorbesitzerinnen des Rings und ist fest entschlossen, dessen Karma zu retten. Mit der Hilfe ihrer Schwester und eines gut aussehenden, aber zynischen Journalisten begibt sich die junge Frau auf eine Reise, die sie von New York nach Italien, Portugal und Boston führt, wobei sie an jeder Station ihre vorgefassten Meinungen darüber, was Liebe und Ehe wirklich bedeuten, ein Stück weiter über Bord wirft.


  • Erscheinungstag: 28.01.2025
  • Seitenanzahl: 416
  • ISBN/Artikelnummer: 9783749907953
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für alle ehemaligen Besitzerinnen und Besitzer meiner kostbaren Erbstücke.

Und für Geanna,
die mir geholfen hat, das hier zu schreiben.

1

Bis zu jenem Moment, in dem John mir einen Heiratsantrag machte, wusste ich nicht, dass der menschliche Körper zwei völlig gegensätzliche Gefühle zur selben Zeit empfinden kann. Meine Fingerspitzen prickelten vor Begeisterung, meine Beine hingegen fühlten sich an wie frisch gehärteter Zement. Ich war mittendrin in dieser puren Freude, und doch beobachtete ich das Geschehen merkwürdigerweise wie von außen, so angespannt, dass mir schwindelig wurde. Vor mir war der Mann, den ich liebte, aufs Knie gesunken und stellte die Frage aller Fragen, auf die ich schon seit Monaten gehofft hatte. Dafür hatte er den perfekten Ort ausgewählt – die stillste Ecke der High Line, der halbe Quadratmeter, der mir in ganz Manhattan am allerbesten gefiel. Irgendwie war es ihm gelungen, mich von Los Angeles hierherzulotsen, ohne dass ich ihm auf die Schliche gekommen wäre. Und das Universum lieferte ihm dazu auch noch einen rosa Julihimmel mit seltsamerweise immer noch frischer Stadtluft. Aber das Wichtigste: John erwählte mich zu dem einen Menschen auf der Welt, an den er sich für den Rest seines Lebens binden wollte. Tränen verschleierten meinen Blick. Ich hätte Ja kreischen und mich ihm in die Arme werfen sollen. Doch stattdessen starrte ich den einzigen bösen Teil der Überraschung an – den, den er in den Händen hielt.

»Shea … du hast mir noch nicht geantwortet«, sagte John; Worte, zu denen sich absolut kein Mensch nach »Willst du mich heiraten?« genötigt sehen möchte. Er hielt mir das Ringkästchen vor mein immer noch versteinertes Gesicht. Innen im mit Seide ausgeschlagenen Deckel standen die drei Worte, die diesen Gemütszustand ausgelöst hatten: Hudson Vintage Collectors. Sie prangten über dem Inhalt des Kästchens: ein schimmernder Verlobungsring mit einem Stein im Smaragdschliff. Doch wie das Vintage im Namen des Geschäfts schon andeutete, schimmerte er nicht, weil er brandneu war. Er war secondhand, stammte von einer anderen Frau, aus einer anderen Ehe. Aus der Ehe einer Fremden – in Johns Familie war kein Schmuck vererbt worden, so viel wusste ich. So wurde dieser Ring zu einem zutiefst bedeutungsvollen Schmuckstück vollkommen unbekannter Herkunft. Ein Objekt, angefüllt mit dem Karma eines ganzen Lebens, das ich nun in meine eigene, hoffentlich glückliche Ehe tragen sollte. Aber vor allem: mein ganz persönlicher Heiratsantragsalbtraum.

2

Das war so nicht vorgesehen gewesen, hatte ich doch seit dem Tag, an dem ich John kennengelernt hatte, darauf hingearbeitet, genau das zu verhindern.

»Was mich betrifft, gibt es vier – und nur vier – nicht verhandelbare Dinge«, hatte ich auf unserem ersten Date gesagt. »Willst du, John ›Zweitname‹ Jacobs wissen, welche das sind?«

Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch nicht zu den Zweitnamen gekommen. Wir hatten gerade die ersten drei Stunden eines Dates hinter uns, aus dem zwölf werden sollten und zu dem es überhaupt nur gekommen war, weil mein Mund, wie üblich, schneller arbeitete als mein Gehirn. In einer Cafébar hatte drei Barhocker weiter ein Mann gesessen, der Kein Land für alte Männer las, und ich konnte mich nicht bremsen, ihm mitzuteilen, dass ich den Film besser fand. Als er mich ansah, stellte ich fest, dass der Leser der attraktivste Mann im Raum war – wenn nicht in sämtlichen Räumen überhaupt. Ich war nach einem Workout völlig verschwitzt, was selten vorkommt, normalerweise dusche ich im Fitnessstudio. Auch setze ich mich nur selten ins Café, ich bin eher der Typ, der per App vorbestellt. Doch das Seltsamste war John »Zweitname« Jacobs’ Reaktion auf meinen ungebetenen Kommentar. Er hob seine Tasse und sagte: »Beweise es.«

Was ich tat. Zumindest bewies ich irgendwas, jedenfalls so viel, dass John vorschlug, das Gespräch auf einem Spaziergang woandershin fortzusetzen: zu einem Buchladen mit Weinbar, genau die richtige Art von vorwitzig. Das war eine der vielen goldenen Fahnen, auf die ich achtete – das Gegenteil von roten Fahnen. Da waren seine großen blauen Augen. Seine gepflegten welligen Haare, die aber zum Glück nicht zu gepflegt waren. Die Art und Weise, wie er sein Shirt in die nicht zu enge Jeans gesteckt hatte, sich der Tatsache bewusst, dass ein Gürtel zu weit gehen würde, vor allem an einem Samstag. Und dann waren da noch die wesentlichen Dinge, zum Beispiel, wie höflich er zu dem Kellner war, der ein wenig zu oft an unseren Tisch kam, und seine Reaktionen auf meine Antworten auf Fragen, die er mir über mein Leben stellte, während er genau die richtige Menge aus seinem eigenen preisgab. Daher beschloss ich, dass es an der Zeit war, die vier mein Leben prägenden Dinge aufs Tapet zu bringen – beziehungsweise das Gespräch in die Richtung zu lenken, aus der ich schon seit zehn Jahren bei ersten Dates meine Detektivarbeit aufnahm.

»Schön«, sagte John. »Aber wenn eines der vier Dinge lautet, dass du ein Katzen- und kein Hundetyp bist, dann bin ich raus.« Das war die Art von Antwort, auf die ich immer gehofft hatte: süß, aber nicht herablassend – eine Harrison-Ford-Charakter-Reaktion.

»Ich bin ein Hundetyp«, beschied ich ihm. »Und die erste Sache ist, dass ich eines Tages in Italien leben werde.«

Johns Augenbrauen tanzten auf und ab. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle geküsst. »Warum das?«, fragte er.

»Erstens bin ich mütterlicherseits zu hundert Prozent Italienerin. Zweitens, wenn ich in einem Film leben könnte, dann wäre es Ein Herz und eine Krone. Aber vor allem, weil meine Nonna und mein Pop mal einen ganzen Monat mit meiner Schwester Annie und mir dort verbracht haben. Wir wohnten auf dem Bauernhof von Nonnas Familie in der Nähe von Salerno, pflückten jeden Tag Weintrauben und kochten jeden Abend Pasta. Auf dem Rückflug habe ich mir geschworen, dass ich eines Tages dort leben werde.«

»Notiert. Und gebilligt«, erwiderte John und fügte dann rasch hinzu: »Nicht, dass du dafür meine Billigung bräuchtest.« Dieser Typ ist gut.

»Kommen wir zu Nummer zwei«, fuhr ich fort und rückte in der halbrunden Nische einen Tick näher an John heran. »Wenn ich irgendein echtes Gesangstalent hätte – und das habe ich nicht –, hätte ich mir gewünscht, Sängerin zu werden. Und zwar so sehr, dass ich mein Studium geschmissen hätte und durchs Land getingelt wäre, um in beschissenen Bars aufzutreten.«

»Aber du sagtest doch vorhin, dass du bei einem Filmfestival arbeitest. Warum nicht in der Musikbranche?«, fragte John und bewies damit, dass er ein hervorragender Zuhörer war.

»Zu schmerzhaft«, scherzte ich.

»Verstanden. Also ist diese zweite Sache eher eine Warnung, falls du eines Tages aufwachen solltest mit der Stimme von …?«

»Kelly Clarkson«, ergänzte ich.

»Kelly Clarkson«, wiederholte John mit einem aufrichtigen Blinzeln. »So weit, so gut, noch laufe ich nicht davon. Gib mir Nummer drei.« Dies gab für gewöhnlich den Ausschlag, dass mich der Mann nie wieder anrufen würde.

»Drei: Ich halte extremen Reichtum für unmoralisch. Oder heißt es amoralisch? Das weiß ich nie.«

»Ich glaube un nicht a-, und von welcher Art von Reichtum reden wir hier?«

»Bezos, Musk und Zuckerberg natürlich. Von meinem Hedgefonds-Cousin väterlicherseits, Stew. Im Grunde von Menschen, die mehr angehäuft haben, als sie je brauchen werden, und es horten. Das ist einer der Gründe, weshalb ich meinen Job liebe: Wir nehmen von großen Firmen Geld an und helfen damit kleinen Filmschaffenden.«

»Interessant«, sagte John. Meine Gedanken huschten zurück zu den Informationen, die er mich bisher hatte wissen lassen: Mathelehrer an der Mittelschule schrie nicht gerade nach Treuhandfonds. Dann blitzte noch ein weiteres Detail auf: Heimatstadt Costa Mesa, Kalifornien. Orange County. Seine Eltern besaßen womöglich eine Luxusautohauskette und saßen im Vorstand des »Clubs«. In diesem Fall war dies vielleicht der letzte Moment, den John »Zweitname« Jacobs und ich miteinander teilten. Ich zog in Erwägung, mit ihm zu knutschen, ehe es zu spät war.

»Nun, ich habe sieben Jahre lang für einen Hedgefonds gearbeitet, der von einem Typen wie deinem Cousin geleitet wurde, ehe der Markt eingebrochen ist«, begann er. »Für deine Maßstäbe wahrscheinlich sieben Jahre zu lang, aber das Ganze war so widerwärtig, dass ich zurück an die Schule gegangen und Lehrer geworden bin.«

»Oh, gut. Sehr gut!«, erwiderte ich.

»Stellen diese Fragen eine Art Test dar?«, fragte John in weiser Voraussicht.

»Ja«, sagte ich, denn ich war schon zu angeheitert vom Sauvignon blanc und den geistreichen Antworten dieses Kerls, um zu lügen. »Nun, für die vierte und letzte Sache möchte ich gern eine Verzichtserklärung abgeben: Es geht um Heirat, bitte nichts hineininterpretieren.«

John beugte seinen sehr soliden Körper vor, kniff die babyblauen Augen zusammen und sagte: »Na los.« Mir flatterte das Herz in der Brust. Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass man das nur so sagt.

»Nummer vier: Ich bin in vielerlei Hinsicht abergläubisch, aber am meisten, wenn es um vererbten oder Secondhandschmuck geht. Das mag ich nicht. Ich traue ihm nicht über den Weg. Wenn mir also jemand mit einem antiken Ring einen Heiratsantrag macht, würde ich Nein sagen.«

»Was verstehst du darunter?«, fragte John.

»Einen Ring, der in einem Geschäft für Antik- oder Vintage-Schmuck gekauft wurde und der zuvor von einer unbekannten Frau in einer unbekannten Ehe getragen wurde.«

»Und warum sollte man deshalb abergläubisch sein?«

»Schlechtes Karma. Ich glaube, der Ring trägt die Energie aus den Ehen der vorherigen Trägerinnen in sich.«

»Und dann? Gibt er sie etwa an dich ab?«

»Genau!« Es beruhigte mich, dass er die Idee dahinter so schnell begriffen hatte.

»Okay, aber warum?«

»Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher. Ich denke, die Energie muss in Bewegung bleiben und springt deshalb über …«

John lachte. »Nein, ich meine, warum glaubst du das?«

»Oh. Wegen meiner Nonna. Sie war die Königin des Aberglaubens. Keine Schuhe auf dem Tisch, keine Eulen im Haus, wenn man jemandem ein Messer schenkt, muss einem derjenige einen Cent zurückgeben. Aber ihre Regeln rund um Ehe und Hochzeit waren legendär.«

»Noch legendärer als die Sache mit dem Messer und dem Cent?« Noch nie hatte ich einen Mann gesehen, bei dem zusammengezogene Augenbrauen so niedlich aussahen.

»Oh, das weiß jeder Italiener. Aber Nonna hatte einen Brautmodenladen, das Bella Vita, und in der Stadt ging das Gerücht, dass die Ehe einer Braut glücklich werden würde, wenn sie sämtliche von Nonnas Regeln befolgte. Nie ein Kleid ohne Schleier tragen, niemals Perlen zum Kleid, außer sie gehören deiner Mutter, nie vor dem ›Ja, ich will‹ deinen neuen Namen sagen und niemals einen alten Ring annehmen.«

»Und das glaubst du alles?«, fragte John. Sein Ton verriet Neugier, kein Urteil, aber beides wäre okay gewesen. Im Lauf der Jahre hatten schon viele Menschen meine »Glaubenssätze« infrage gestellt, einschließlich meiner Mutter, die fand, Nonnas Regeln seien optional, und meiner Schwester, die nach ihrem Abschluss in Psychologie absolut antiabergläubisch geworden war.

»Nun, Schleier sind hübsch, Perlen hasse ich ohnehin, und meinen Nachnamen will ich nicht ändern, deshalb bleibt noch die Sache mit dem Ring, die tatsächlich noch am ehesten Sinn für mich ergibt.« So einfach war das immer für mich gewesen – eine Tatsache wie die, dass der Himmel blau ist. John nickte, nahm alles in sich auf. Dann sagte er die Worte, die unser Schicksal besiegelten: »Das ergibt tatsächlich noch am ehesten einen Sinn.«

Ich beugte mich vor und küsste ihn – lange genug, um ihm klarzumachen, dass die längere Version sehr, sehr gut werden würde. Wir lösten uns voneinander und tauschten Teenager-Lächeln aus, dann sah ich John tief in die Augen. Er hatte inzwischen so viele goldene Fahnen angesammelt, dass ich sie gar nicht mehr zählen konnte. Aber das war meine liebste, das Gefühl, dass ich all die Tiefe, Wärme und pure Güte in seinem Inneren sehen konnte. Das ist das Gefühl, auf das ich gewartet habe, wurde mir in diesem Moment klar. Das ist ein Mann, der der Richtige für mich sein könnte.

3

»Shea? Du machst mich wahnsinnig …«, sagte John. Die Rosen in dem Blumenkasten neben mir stachen mir in den Arm, stupsten mich an. Und links von mir sah ich aus dem Augenwinkel ein paar Touristen, die uns angafften. Selbst sie wirkten nervös.

Ich konnte durch Johns angstvoll aufgerissene Augen bis hinunter in sein über dem Abgrund schwebendes Herz sehen: Er starb innerlich und hielt dabei ein Schmuckstück in Händen, bei dem jede andere Frau in Ohnmacht gefallen wäre. Er muss monatelang darauf gespart haben, dachte ich. Hatte er womöglich deshalb den Job übernommen, das Team für die Wissenschaftsolympiade der Schule zu coachen? Ich konzentrierte mich wieder auf Johns liebes, hoffnungsvolles Gesicht. Dass er diesen Ring gekauft hatte, war suspekt, aber mein Schweigen war unhöflich.

»Meine Antwort ist Ja. Ich will dich heiraten«, sagte ich. »Es ist nur …« Ich konnte nicht direkt sagen, was ich dachte: Warum hast du diesen Ring ausgewählt? Hast du einfach nicht zugehört, als ich mindestens fünfmal im Lauf unserer Beziehung gesagt habe: kein Secondhandschmuck, nicht mal geerbter!?

John stand auf und riss mich dabei in seine Arme. »Okay! Ja! Aber Shit, was hatte ich Angst! Es geht mir gut. Alles ist gut.« Dann hielt er inne, blickte auf den Ring und schloss das Kästchen. »Gut. Was ich zuerst hätte sagen sollen: Ich weiß, dass es ein Vintage-Ring ist.«

»Ein Ring mit Vorbesitzerin …«, sagte ich, noch immer völlig erschüttert.

»Richtig, und ich weiß, was du darüber gesagt hast.« Dann hat er mich also ignoriert? »Aber ich habe monatelang gesucht, und ich sage dir, Shea, das ist er. Ich habe mir Dutzende von Ringen angeschaut. Ich habe sogar einen gekauft und wieder zurückgebracht, weil er sich dann doch nicht richtig angefühlt hat. Ich wollte einen Ring, der mir ein Zeichen gibt, weil ich weiß, dass du darauf gehört und deine Entscheidung genauso getroffen hättest. Und deshalb musste es genau dieser Ring sein, weil – und jetzt kommt’s – ich ihn in dem Laden gefunden habe, vor dem du zum ersten Mal ›Ich liebe dich‹ zu mir gesagt hast. Weißt du noch? Dieser Juwelierladen in Hudson?« Nun ergab dieses Hudson Vintage Collectors auf der Innenseite des Kästchens einen Sinn.

»Das scheint tatsächlich ein Zeichen zu sein«, sagte ich langsam.

»Nein, warte, es kommt noch besser.« Inzwischen war John in Fahrt. »Ich sollte eigentlich gar nicht in Hudson sein, aber ich hatte eine Reifenpanne auf der Fahrt von Saratoga nach Manhattan, weißt du noch? Ich habe im Baba Louie zu Mittag gegessen, während der Wagen repariert wurde. Und früher an diesem Tag – ich schwöre bei Gott, Shea – hatte ich unsere Flüge hierher gebucht, nach New York, weil ich vorhatte, dir einen Heiratsantrag zu machen, aber ich hatte immer noch keinen Ring! Ich ging also auf der Warren Street auf und ab und wartete auf das Auto, bis ich rein zufällig an der Ich-liebe-dich-Stelle stehen blieb. Genau wie du damals, weißt du noch? Ich hatte dir gerade von irgendeiner Exkursion erzählt, die ich mit den Schülerinnen und Schülern unternehmen wollte. Du hast mich am Arm gepackt und gesagt: ›Ich liebe dich.‹ Dann entdeckten wir links von uns ein Schaufenster voller Verlobungsringe und haben uns ausgeschüttet vor Lachen.« Natürlich erinnerte ich mich daran. »Nun, in genau diesem Fenster legte ein alter Mann gerade genau diesen Ring in die Auslage, exakt in dem Augenblick, in dem ich vorbeikam. Und der Stein hatte auch noch diesen rechteckigen Schliff, den du so magst! Ich meine, komm schon!« Eine von Johns feinsten Eigenschaften bestand darin, dass er nicht lügen oder auch nur übertreiben konnte. Dies alles war so passiert, und ich konnte nicht abstreiten, dass es die Art von unwahrscheinlichem Zufall war, von der ich mich fast überallhin leiten lassen würde. Fast.

»Smaragdschliff«, sagte ich. »Und ich werde das erste Mal, als ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe, nie vergessen.«

Ich nahm John das schwarze Samtkästchen aus den immer noch zitternden Händen und öffnete es wieder. Drinnen lag ein absolut überwältigender Diamant, umgeben von winzigen Steinen im Baguetteschliff, die strahlenförmig nach außen zeigten, wie eine sehr organisierte Sternenexplosion. Ich war mir nie sicher gewesen, was genau für einen Ring ich tragen wollte, wenn es mal so weit war; nicht mal, nachdem ich in den letzten zehn Jahren sämtliche Ringe meiner Freundinnen an ihrem großen Tag hatte bewundern dürfen. Eine Zeit lang hatte ich sogar darüber nachgedacht, meinen künftigen Verlobten darum zu bitten, mir zum Antrag eine Uhr zu überreichen wie meine beste Freundin Rebecca ihrer Frau Teres. Aber nun, da ich diesen hier sah, verstand ich den Reiz.

»Ich wusste, du würdest ihn lieben«, sagte John selbstbewusst, auch wenn er damit nicht hundertprozentig richtiglag.

Er nahm das Schmuckstück aus dem Kästchen und schickte sich an, es mir an den Ringfinger der linken Hand zu stecken. Ich hörte, wie eine der Touristinnen »Oooooh« machte, und fragte mich unwillkürlich, ob jemand – oder womöglich alle – diesen Moment auf einem Foto festhielt. Doch als der goldene Reif meine Haut berührte, schaltete mein Gehirn unmittelbar in den Panikmodus: Nein, nicht, das ist gefährlich. Schrie mich da etwa gerade Nonnas Geist an? Doch dann …

»Hm, er sitzt ein wenig locker«, meinte John. Er hatte recht. Ich spürte, wie mir der Ring vom Finger glitt. Und mit diesem Gefühl dämmerte eine Lösung meines Problems herauf.

»Ich will ihn nicht verlieren«, sagte ich. »Was, wenn ich ihn heute Abend zur Sicherheit erst mal an meiner Halskette trage?«

Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass wir aus einem Taxi stiegen und zum Abendessen ins Café Lalo gingen, diese gemütliche kleine Dessert-Bar, in der es in e-m@il für Dich zum ersten Mal zwischen Tom Hanks und Meg Ryan knistert (goldene Verlobungsfahne!). Zwei Sekunden danach lag ich heulend meiner Schwester Annie in den Armen, die den ganzen Weg von Los Angeles hierhergeflogen war, um bei uns zu sein. Im Raum dahinter entdeckte ich Rebecca und Teres, die von Boston raufgekommen waren, und noch mehr gute Freunde und Freundinnen vom College; und meine New-York-City-Crew. Ich konnte kaum fassen, was für einen Aufwand John getrieben hatte, um seinen Antrag so besonders zu machen, und gleichzeitig überraschte es mich nicht im Geringsten.

»Danke, danke, danke, und wie um alles in der Welt hast du das hingekriegt?«, schluchzte ich.

»Willkommen im Club, Kinder«, sagte Annies Mann Mark, während er John ein Bier reichte.

Dann packte mich meine große Schwester an den Schultern, küsste mich auf die Stirn, genau wie unsere Mom es getan hätte, und erkannte sofort, dass der Verlobungsring nicht an meinem Finger steckte.

»Toilette?«, fragte sie.

»Toilette«, erwiderte ich.

4

»Er ist schön«, sagte Annie, als sie die Kette mit dem Ring in der Hand hielt.

»Ich weiß, aber …«

»Stopp. Du liebst ihn. Ich liebe ihn. John Jacobs ist es zweifellos wert, ihn zu lieben und zu heiraten. Lass den Aberglauben los, Shea.«

Wir hatten uns gemeinsam in eine der Toilettenkabinen gequetscht. Sie hockte sich auf den Klodeckel, ich trat auf dem restlichen halben Quadratmeter Fläche von einem Fuß auf den anderen, genau wie immer.

Seitdem Annie groß genug war, um an die Türklinke zu reichen, versteckten sie und ich uns in Klos: Beim ersten Mal war sie sechs, ich zwei gewesen. Mom dachte, wir würden zum Spielen dorthin gehen, was rückblickend ein wenig seltsam erscheint, aber es war von jeher der Ort, an dem wir uns üblicherweise mit einer meiner zahlreichen Neurosen befassten. Einmal hatte ich meine Lieblingspuppe zu Hause gelassen und machte mir Sorgen, wer sich um sie kümmern würde, während wir im Olive Garden waren. Ein anderes Mal entdeckte ich in der Pizzeria meinen Schwarm aus der Schule, der in einer Nische ganz in der Nähe saß, und beschloss, dass ich in seiner Anwesenheit unmöglich essen konnte. Und wenn Mom und Dad sich stritten – über die Restaurantrechnung oder die unhöfliche Art, wie Dad mit der Kellnerin gesprochen hatte, oder die Art und Weise, wie Mom seiner Meinung nach mit dem Kellner geflirtet hatte –, holte mich Annie aus der Situation heraus. Sie scherzte immer, dass sie Schulpsychologin geworden ist, weil sie schon jahrzehntelang mit mir hatte üben können. Das Thema Secondhandschmuck hatten wir schon mehrfach in einer unserer »Sessions« behandelt.

»Aber Annie, du weißt doch, was Nonna immer gesagt hat«, widersprach ich. »Und du und John wisst genau, dass kein Secondhandschmuck zu den vier Grundsätzen meines Lebens gehört.«

»Dein Leben macht mehr aus als nur vier Grundsätze, Shea«, hielt Annie dagegen.

»Dutzende von Menschen wissen das über mich! Sie werden alle darauf reagieren, werden mich ausfragen. Was hab ich auf andere Frauen eingeredet, um sie von meiner Anti-Secondhandring-Haltung zu überzeugen!«

»Ein Aberglaube, der eigentlich Nonnas Aberglaube gewesen ist«, sagte Annie. »Ein Aberglaube der Frau, die deinen Großvater hinten im Garten mit dem Luftgewehr auf eine Eule schießen ließ, weil sie meinte, die würde Unglück bringen.« Annie strich sich die glatten Haare hinters Ohr, wie immer, wenn sie wusste, dass sie ein durchaus stichhaltiges Argument vorgebracht hatte.

»Ich weiß, aber die Sache mit dem alten Ring hat auch für mich immer einen Sinn ergeben. Das Karma. Die Geister. Annie, eine andere Frau hat diesen Ring an jedem einzelnen Tag ihrer Ehe getragen. Was ist in dieser Ehe passiert?!«

»Atme, Shea.«

Es gibt Zeiten, in denen das ruhige, weise Wesen meiner Schwester genau den Balsam darstellt, den ich brauche. In jenem Moment wirkte es jedoch wie Fingernägel, die über eine Tafel schrammen. Ich holte ein wenig Luft, um sie zu besänftigen. »Sei ehrlich. Wäre es sehr schlimm, wenn ich ihn einfach um einen anderen Ring bitten würde …?« Ich schüttelte mein alles andere als glattes Haar, wie immer, wenn ich die Antwort auf meine Frage schon kannte.

»Heute?! Ich finde, du solltest unbedingt ein wenig dankbarer dafür sein, wie sehr sich dieser Mann ins Zeug gelegt hat!«

Sie hatte ja recht. Aber die dickköpfige kleine Schwester in mir wollte sich dennoch durchsetzen. »Gut«, sagte ich. »Aber mir behagt hier das Machtgefälle nicht. Der Mann diktiert einfach so, was die Frau für den Rest ihres Lebens trägt, ohne irgendein Feedback? Was ist mit Feminismus in Heiratsanträgen?«

Annie erhob sich von der Toilette, mit ihrer Geduld am Ende. »Die Ehe ist ein Geben und Nehmen, eine lebenslange Aneinanderreihung von Kompromissen. Du sagst doch selbst, dass John sich unglaublich Mühe mit seiner Wahl gegeben hat. Für ihn ist es auch ein Symbol. Und zwar nicht für irgendwelche dahergelaufenen Geister, die auf geheimnisvolle Weise durch deine Haut einsickern könnten. Du sagst, er hätte ihn dort gekauft, wo du zum ersten Mal ›Ich liebe dich zu ihm gesagt hast. Herrgott, Shea! Entweder führe ich dich zum Altar, damit du diesen Mann heiratest, oder ich lasse mich von Mark scheiden und wir tauschen die Plätze!«

Wieder strich sie sich wie wild die Haare hinter die Ohren. Aber sie rief mir auch etwas in Erinnerung. Eine einzelne Träne lief mir übers Gesicht, als mir klar wurde, dass ich bei all der Aufregung nicht mehr an die klaffenden Lücken in diesem lebensverändernden Moment gedacht hatte.

»Wie hast du das alles ohne Nonna und Mom geschafft?«, fragte ich.

»Ich hatte doch dich«, antwortete Annie, auch ihr waren Tränen in die Augen gestiegen. »Und jetzt hast du mich.«

Unsere Nonna – die temperamentvollsten eins fünfzig in South Bay, Los Angeles – hatten wir an ihr schwaches Herz verloren, als ich sechzehn war und Annie zwanzig. Vier Jahre später war Mom – Nonnas liebe, sensible einzige Tochter – an Krebs gestorben. Pop, der Stoische – vielleicht weil er nie zu Wort kam –, blieb uns noch ein paar Jahre länger erhalten.

Bei Annies und Marks Hochzeit war keiner von ihnen dabei. Die beiden kannten einander seit der Highschool, aber ich glaube, Annie hat gewartet, bis sie dreißig waren, weil die Vorstellung, ohne sie alle heiraten zu müssen, zu heftig für sie war. Ich war diejenige, die sie zum Traualtar führte.

Bei der Erinnerung an diesen Moment musste ich plötzlich die Zähne zusammenbeißen.

»O Gott, Dad«, sagte ich.

»Schon gut. John hat gefragt, ob wir ihn für heute Abend einladen sollen, aber ich wusste, dass du Nein sagen würdest.«

Was mich anging, war unser Vater nur eine weitere Person, die aus unserem Leben verschwunden war.

Ich drückte Annie fest, schubste uns dabei beide gegen die Tür der Kabine.

»Danke«, sagte ich. »Dafür, dass du hergekommen bist. Dass du mich von diesem Abgrund weggeholt hast. Für alles.«

»Du kannst dich bei mir erkenntlich zeigen, indem du dich jetzt ganz doll amüsierst«, sagte Annie. »Und wenn dich heute Abend irgendjemand fragt, ob dein Ring ein Erbstück ist, dann sagst du: ›Eigentlich schon, aber jetzt gehört er ganz allein mir.«

Ich lachte, was sich gut anfühlte. »Wie lange hast du an diesem Satz gearbeitet?«

»Seit ich zur Tür hereingekommen bin. Jetzt geh und probiere ihn an Rebecca und Teres aus, die für das hier heute Morgen um sechs in Boston losgefahren sind.«

Der Satz funktionierte. Ebenso Annies noch wichtigerer Ratschlag: Ich verstaute meine abergläubischen Gedanken tief in einer Schublade in meinem Gehirn. Ich war dankbar und entspannt und fühlte mich von allen Menschen in meinem Leben wahrhaftig geliebt. Darüber hinaus gelang es mir sogar noch, genau dieses Gefühl mit zurück nach Los Angeles zu nehmen.

Und dann hatte ich diesen Traum.

5

Das Erste, was mir in der Traumwelt auffiel, war das Blumenmuster meines Kleides. Ich hatte es an jenem Tag getragen, an dem John mir den Antrag machte. Aber ich war nicht auf der High Line, nicht mal in New York. Ich stand allein in einem riesigen See aus goldenem Teppichboden, der nach altem Clinique-Parfüm roch: der Brautmodenladen Bella Vita.

Plötzlich veränderte der Raum seine Form – oder war ich jetzt woanders? Nun stand da ein Spiegel mit drei Flügeln. Ja. Hierher brachte Nonna jede Braut, damit sie die infrage kommenden Kleider von allen Seiten betrachten konnte. Früher hatte ich nach der Schule Stunden damit verbracht, das aus unterschiedlichen Winkeln heraus zu beobachten, meistens unter dem üppigen Reifrock eines der Kleider, die aufgereiht an Stangen an der Wand hingen. Nun aber stand ich selbst auf dem Podest. Jetzt war ich die Braut.

»Los geht’s! Die klassischen Ballkleider zuerst«, hörte ich jemanden sagen. Ich wirbelte herum und entdeckte Nonna in ihrer Uniform aus rosafarbener Hose und frischer weißer Bluse, aber es war nicht die Version von ihr, wie ich sie am Ende ihres Lebens kannte. Ihre dunkle Haut war glatt und ihr Haar noch immer rabenschwarz. Ich klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch kein Wort kam heraus.

»Ich weiß, dass du nicht der Typ für ein Ballkleid bist, aber jede Braut sollte sich als Königin des Tages fühlen.«

Ich blickte in einen der Spiegelflügel, weil ich wissen wollte, ob ich auch eine jüngere Ausgabe meiner selbst war, entdeckte aber stattdessen Annie, die in einem der Ohrensessel saß, die an der Seite standen. Die Sessel für die Zuschauer. Sie war jünger, vielleicht zwanzig? Aber mein Blick verweilte nicht bei ihr, weil daneben meine Mutter saß, am Leben und strahlend vor Mutter-der-Braut-Stolz.

»Probier sie einfach an, Shea«, sagte Mom mit einem wissenden Zwinkern. »Mach deiner Nonna eine Freude.«

Rechts von dem Spiegel hing eine Reihe von Kleidern.

»Nun mach schon«, sagte Nonna. »Du kannst anprobieren, was du willst.«

Aber mein Traum-Ich blieb stumm. Oder konnte es womöglich gar nicht sprechen?

»Komm schon, Shea …«, hörte ich Annie sagen. »Das sind mindestens drei Dutzend …«

Nonna trat neben mich. Der Rest des Raumes verschwamm.

»Tu einfach, was ich dir beigebracht habe, dann wird die Wahl klar sein.«

»Ascolta il tuo cuore«, hörte ich mich flüstern.

»Genau. Schließ die Augen und hör auf dein Herz.«

Ich gehorchte und befolgte, was sie Annie und mir schon eingebläut hatte, seit wir ganz kleine Mädchen gewesen waren. Ascolta il tuo cuore konnte auf so kleine Dinge angewandt werden wie die Wahl unseres jährlichen Halloween-Kostüms, aber auch auf Wichtigeres wie die Art und Weise, wie ich mich entschuldigte, wenn ich Mom oder Dad gegenüber mal wieder ausgerastet war. Und als die Zeit der ersten großen Liebe, der ersten Dates und der ersten gebrochenen Herzen kam, hieß es immer noch ascolta. Nonna war so etwas wie meine Grille Jiminy.

Ich löste meinen Blick von ihren erwartungsvollen Gesichtern und wandte meine Aufmerksamkeit der langen Reihe aus Kleidern zu: ein weiter dreistufiger Taftrock mit einem eleganten ballerinahaften Oberteil; ein über und über mit Perlen besetztes Korsett mit A-Linie-Rock, geeignet für einen mondänen Ball; ein schlichtes cremefarbenes Kleid mit U-Boot-Ausschnitt, das aus Rohseide bestand, die sich anfühlte, als könnte sie nicht ohne Krone getragen werden. Nicht eines davon sprach zu meinem Herzen.

»Fang einfach links an«, riet Mom und zeigte auf das Kleid im Schwanensee-Stil. Wie ein Zombie bewegte ich mich auf den Kleiderständer zu. Beobachtete ich bloß, wie das geschah, oder war ich tatsächlich in diesem Raum? Ich streifte die Spitzenträger des Kleides vom Bügel und hielt es an mich. Puff. Es verschwand. Ich wandte mich erneut dem Kleiderständer zu – hatte ich es vielleicht gar nicht an mich genommen? Aber das Kleid war tatsächlich weg. Nonna stieß einen gellenden Schrei aus. Mom presste sich die Hand an die Brust. Selbst Annie sah total erschrocken aus. Wa…, ich spürte, wie ich wieder versuchte zu sprechen, doch die Worte kamen mir nicht über die Lippen. Panik überwältigte mich.

»Okay. Schon gut. Alles ist bestens. Probiere einfach ein anderes«, sagte Mom beruhigend.

Ich griff nach dem nächsten Kleid, hielt seinen Tüllrock gut fest, als ich es vom Kleiderbügel streifte. Es löste sich noch schneller in Luft auf als das vorherige.

»Was ist das? Was passiert da?« Nonna blickte nach oben, als erwartete sie vom Himmel eine Antwort, so wie sie es immer tat, wenn eine Lampe überraschend verlosch. Dann wandte sie sich mit entsetztem Gesicht an mich. »Shea? Was hast du getan?«

Ich wusste es nicht, und was noch schlimmer war, ich konnte ihr das nicht sagen. Es war, als wären meine Lippen zugenäht. Wieder sah ich in den Spiegel, aber mit meinem Gesicht war alles in Ordnung. Ich klappte den Mund auf und wieder zu. Inzwischen durchsuchten Nonna, Mom und Annie die Reihe der Kleider, flüsterten ängstlich miteinander. Völlig verunsichert von mir. Dadurch wurde ich noch panischer. Warum kann ich nicht sprechen? Ich starrte in den Spiegel, flehte um eine Art Durchbruch. Dann holte ich tief Luft, spannte meine Mitte an, öffnete den Mund und versuchte wieder und wieder zu schreien.

Plötzlich schreckte ich zitternd hoch und wachte auf. John lag tief und fest schlafend neben mir im Bett – ich war in Sicherheit. Mit klopfendem Herzen öffnete ich den Mund, und ein geflüstertes Hallo kam mir ganz leicht über die Lippen. Ich legte die Fingerspitzen zusammen und erinnerte mich an das Gefühl, wie die Kleider zwischen ihnen verschwunden waren. Dann drehte ich mich zum Nachttisch, um auf die Uhr zu schauen. Doch statt der Uhr sah ich ein Glitzern, das vom Halbmond, der durchs Fenster schien, hervorgerufen wurde: der Ring. Eine Vision von Nonnas Gesicht aus dem Traum wehte wie ein Windhauch an mir vorbei. Seit meine Großmutter gestorben war, hatte ich immer nur Schönes von ihr geträumt. Allerdings hatte ich auch nie etwas getan, was sie so eindeutig missbilligen würde …

Bei Geistern, die unsere Träume bestimmen, ziehen wir eine Grenze, sagte ich mir, während ich nach meinem Handy griff, das auf dem Nachttisch lag. Fünf neue E-Mails wurden auf dem Display angezeigt: zwei von der Arbeit und drei von WeddingWire.com – offensichtlich hatte das Internet in dem Moment, in dem ich mich verlobt hatte, die Lauscher aufgesperrt. Der Traum ist nur meiner Aufregung wegen der Hochzeit entsprungen, dachte ich, während ich vorsichtig aus dem Bett schlüpfte, um John nicht zu wecken. Es war fünf Uhr morgens, spät genug, um aufzustehen. Ich würde mich mit einer riesigen Tasse Kaffee und letzten Vorbereitungen für den Zehn-Uhr-Termin ablenken, bei dem wir um einen großen neuen Kunden für das Festival werben würden. Eine weitere vollkommen vernünftige Erklärung für einen seltsamen Traum.

Ich holte meinen Laptop aus der Tasche in der Ecke des Zimmers und nahm meinen Morgenmantel vom Haken hinter der Schranktür. Den Ring ließ ich auf dem Nachttisch liegen.

6

»Hast du ihre Gesichter gesehen, als du die Partnerschaft mit dem Academy-Museum durchgezogen hast?« Mein Boss strahlte, als hätte er mich gerade zur Olympiade gecoacht. »Genau da hattest du den Deal in der Tasche. Wir werden binnen einer Stunde eine Zusage von ihnen bekommen, Anderson. Spätestens.«

»Meinst du wirklich?«, fragte ich und war froh über meine frühmorgendliche Vorbereitungssession, egal, wie viel Kaffee dafür notwendig gewesen war.

»Ich weiß es«, sagte er.

Jack Sachs war New Yorker, der zu einem Angeleno geworden war, und er trug immer noch tagtäglich Anzug, um das unter Beweis zu stellen. Wir arbeiteten gemeinsam am New York Film Festival – mein erster richtiger Job nach dem College –, und ich war Teil des Teams, das ihn nach L. A. gelockt hatte zum damals frischgebackenen LA Cinema Fest. Jack Sachs war ein Marketinggenie. Alles, was ich darüber wusste, wie man Geld von Firmen in einen Indie-Film verwandelt, hatte er mir beigebracht; dabei waren wir zu einer Art Robin Hood für junge Filmschaffende geworden. Einmal hatte ich einige Open-Bar-Getränke zu viel intus gehabt und ihm erzählt, dass ich mir wünschte, er wäre mein Dad. Jack Sachs war nett genug, dies hinterher nie wieder zu erwähnen.

»Shea Anderson hat gerade einen dicken Fisch an Land gezogen«, verkündete er dem Großraumbüro voller Nischen, als wir aus dem Konferenzraum kamen. »Unseren allerersten Streaming-Plattform-Sponsor. Und sie hat ihn davon überzeugt, seine Dollars in ein brandneues Projekt zu investieren, das seinen besonderen Schwerpunkt auf Filmschaffende von den asiatischen und pazifischen Inseln legt, also die Künstlerinnen und Künstler, die bisher am schlechtesten von uns versorgt wurden.« Meine Kolleginnen und Kollegen applaudierten, sogar die launische Julie, die an der Präsentation für diesen Deal hatte mitwirken wollen. Ich musste mich anstrengen, den Blick nicht zu senken, weil ich mich nicht wohlfühlte bei all dieser Aufmerksamkeit. Nach außen hin wirkte ich zwar selbstbewusst und lebhaft, war aber stets besorgt darüber, was die Leute von mir hielten. Aber ich holte rasch Luft, um meinen Körper daran zu erinnern, dass wir erwachsen waren.

»Danke«, sagte ich. »Ich freue mich sehr darauf, daran zu arbeiten.« Ich hatte getan, was Jack Sachs gesagt hatte, und war unglaublich stolz darauf.

»Hast du einen Moment Zeit, Anderson?«, fragte Jack mit verdächtig leiser Stimme, als wir durch den Flur gingen.

»Klar«, erwiderte ich ebenso leise.

»Wie es aussieht, verlässt Christy ihren Posten als Leiterin der Markenintegration.«

»Wirklich … Geht sie zur Konkurrenz?«

»Das weiß ich noch nicht, aber ich würde gern durchsetzen, dass du in ihre Fußstapfen trittst.« Schockiert blieb ich stehen. Jack schob mich mit einem scharfen Blick weiter.

»Sorry, aber als Leiterin? Sie hat viele Jahre mehr Erfahrung als ich.«

»Du kannst diesen Job bewältigen und hast eine Chance verdient«, sagte er, während er uns zum Schutz vor Zuhörern in eine leere Arbeitsnische drängte. »Aber ich muss das irgendwie nach oben vermitteln und würde dich deshalb gern nach New York schicken, um während des Festivals auf unserem alten Terrain etwas Wettbewerbsforschung zu betreiben. Ich will in der Lage sein, bei allen deine Kompetenz hervorzuheben.«

»Sehr gern«, sagte ich. »Das wäre dann in zwei Wochen, oder?«

»Ja. Und super. Wenn mein Masterplan aufgeht, bin ich in zehn Jahren in Rente, und du bist dann ich.«

Jack Sachs verließ mich mit einem fast schon ein bisschen gruseligen Zwinkern. Das waren gute Nachrichten. Potenziell großartige Nachrichten. Eigentlich hätte ich rüber zu meinem Schreibtisch hüpfen und versuchen müssen, mein Frohlocken zu verbergen. Stattdessen stand ich da, die Arme fest vor der Brust verschränkt, und starrte Jack nach, als er durch den Flur verschwand.

Annie und ich hatten schon eine ganze Weile einmal im Monat eine feste Verabredung zum Mittagessen: im Prince Pub in Koreatown, den man aus dem Filmklassiker Chinatown aus den Siebzigerjahren kennt. Der Laden war bequeme zehn Minuten von Annies Schule und fünfzehn Minuten von meinem Büro entfernt. Doch weil ich noch so lange im Auto gesessen und ins Leere gestarrt hatte, kam ich dieses Mal eine Viertelstunde zu spät.

»Sorry, sorry, sorry«, sagte ich, als ich auf Annie zueilte, die bereits am Tisch saß. »Der Verkehr.«

»Kenne ich«, sagte Annie. »Ich lebe auch in dieser Stadt.« Verärgert verschränkte sie die Arme.

Ich ließ Annie den Anfang machen mit einer Riesentirade über den Irrsinn des Immobilienmarkts in Los Angeles. Sie und Mark versuchten nun schon seit fast einem ganzen Jahr, etwas zu kaufen, das nicht allzu weit von irgendeinem Strand entfernt war. Durch die Tatsache, dass Mark Immobilienmakler war, schmerzte das womöglich umso mehr. Sein Stolz hatte eine Delle abbekommen.

»Du sparst mindestens zwanzig Prozent von deinem Gehalt, nicht wahr?«, fragte sie mich.

»Ja.«

»Gut. Wir hätten das ab dem Moment, in dem wir angefangen haben zu arbeiten, auch tun sollen, aber Mark und ich hatten als kluge Finanzberaterin lediglich eine Comic-Eule auf unserer Bank-App. Na schön. Du bist dran. Erzähl mir was Aufmunterndes.«

Ich dachte mir, dass es weise wäre, mit der möglichen Beförderung anzufangen anstatt mit dem sonderbaren Albtraum mit den Kleidern. Annies Reaktion gab mir recht.

»Wow, Shea! Das ist unglaublich!«, sagte sie und strahlte vor mütterlichem Stolz. »Du hast eine echte Glückssträhne.«

»Danke. Es ist großartig. Unmittelbar nachdem er es mir gesagt hat, war es für einen Moment lang seltsam, aber inzwischen glaube ich, ich bin immer noch ein bisschen neben der Spur wegen des verrückten Traums heute Nacht, der in Nonnas Brautmodenladen gespielt hat.«

»O nein.« Annie schnitt eine Grimasse, die mir sagte, dass sie bereits ahnte, worauf das hinauslaufen würde. Ihr Blick blieb fest auf mich geheftet, während ich den Traum zusammenfasste.

»Ich wusste es!«, rief ich, als ich fertig war. »Das sind meine unterbewussten Ängste, der Ring könnte zu mir sprechen! Ich sollte das nicht auf sich beruhen lassen!«

Annie aß ihren Salat auf, dann lehnte sie sich zurück. »Du weißt, ich hasse es, die Therapeutin für dich zu spielen, aber da du dich weigerst, dir selbst eine zu suchen, übernehme ich es eben: Shea, glaubst du ernsthaft, dass das schlechte Karma, das dein Verlobungsring womöglich enthält, stärker ist als deine tatsächliche Beziehung zu John?« Meine Schwester war gut, deshalb brauchte ich keine andere Therapeutin.

»Tut mir leid, aber vielleicht …«, begann ich. »Was ich damit sagen will: Würdest du dir ein gebrauchtes Sofa kaufen, wenn es sein kann, dass darauf jemand gestorben ist?«

»Okay, aber was, wenn nie jemand auf diesem Sofa gestorben ist?«

»Was meinst du damit?«

»Du gehst davon aus, dass jemand auf dem Sofa gestorben ist. Dass das Karma schlecht ist. Was, wenn das gar nicht zutrifft? Was, wenn es sich vielleicht sogar um gutes Karma handelt?«

Bei dieser Frage feuerten irgendwo tief in meinem Kopf die Synapsen. Ich war vom Schlimmsten ausgegangen, aber eine glückliche Geschichte war auch möglich und stellte mein Best-Case-Szenario dar. Was, wenn ich herausfinden könnte, ob das Karma gut oder schlecht war?

»Ich werde einfach herausfinden, wem der Ring gehört hat«, sagte ich plötzlich. Ein Knistern durchlief mich, als hätte jemand meinen Finger in die Steckdose gesteckt.

»Warte mal. Was?«, erwiderte Annie.

»Das ist es! So werde ich das Ganze lösen. Ich werde herausfinden, wem der Ring vor mir gehört hat, so kann ich erfahren, ob die Ehe gut oder schlecht war! Es muss einen Weg geben, oder?«

»O mein Gott, nein …«, sagte Annie. Sie ließ den Kopf zwischen die Hände fallen und wiegte sich vor und zurück.

»Glaubst du nicht, dass ich das herausfinden könnte?«, fragte ich.

»Das Nein galt mir selbst«, sagte sie und mied meinen gespannten Blick. »Ich habe dich gerade aus Versehen zum Eingang des Kaninchenlochs geführt.«

»Vielleicht«, sagte ich und stibitzte eine Fritte von ihrem Teller. »Aber wir beide kennen mich; am Ende hätte ich ohnehin meinen eigenen Weg gefunden.«

Annie reagierte, indem sie ihren ganzen Teller mit Fritten zu mir herüberschob und damit ihre Niederlage anerkannte.

7

An diesem Nachmittag hinterließ ich die längste, holprigste Nachricht aller Zeiten auf einem Anrufbeantworter, der hoffentlich Hudson Vintage Collectors gehörte.

Hallo, hier ist Shea. Mein Freund – sorry – Verlobter! Sorry. Das spielt keine Rolle. Jedenfalls! Ein Mann namens John Jacobs hat vor Kurzem einen Ring bei Ihnen gekauft. Diamant mit Smaragdschliff, gesäumt von Baguetteschliffsteinen, Goldring. Können Sie mir irgendwelche Informationen über die Person geben, die Ihnen den Ring verkauft hat? Weil … Nun ja … Lange Geschichte! Ich will nur über den Ring reden. Ob Sie etwas über ihn wissen oder nicht. Okay. Bitte rufen Sie mich zurück. Oh, ich bin übrigens Shea.

Natürlich vergaß ich, meine Telefonnummer zu hinterlassen, und musste noch mal anrufen. Eine ordentliche Mütze Schlaf wurde gerade zu einer medizinischen Notwendigkeit für mich.

Ich brannte darauf, John alles über meinen neuen Plan beim Abendessen zu erzählen. Annie war nicht gerade begeistert gewesen, aber er würde mich bestimmt unterstützen, malte ich mir aus. Er hatte sich damals mit mir ins Ungewisse gestürzt, als ich anhand alter Werbepost herausfinden wollte, wer vor mir in meiner Wohnung gelebt hatte. Wie sich herausstellte, war es eine Zahnärztin mit einer florierenden Praxis, in der wir von da an unsere Zahnreinigungen vornehmen ließen. Genauso könnte das jetzt doch auch laufen!, dachte ich auf der Fahrt nach Hause. Doch als John an diesem Abend in Dr. Rachel Fines ehemalige Wohnung platzte, hatte er seine eigenen Pläne.

»Wir haben heute Abend nichts vor, oder?«, fragte er und gab mir einen raschen Kuss, ehe er ins Schlafzimmer rannte.

»Nein, ich dachte mir, wir könnten Ramen bestellen und über ein paar Dinge plaudern.«

»Hmm, und ich dachte mir, wir könnten eine Hochzeits-Location besichtigen«, hörte ich aus dem Zimmer nebenan.

»Wie bitte, was?«

John streckte den Kopf zurück in den Flur, auf dem Gesicht ein stolzes Lächeln. Meine Lippen hingegen beschrieben eine eher gerade Linie.

»Vertrau mir«, sagte er. »Es ist eine Überraschung, die dir gefallen wird.«

»Wir haben uns ungefähr vor einer Minute verlobt. Sollten wir nicht darüber reden, was wir wollen, bevor wir zu irgendwelchen Locations fahren?«

»Es geht ganz schnell«, sagte John. »Und es macht auf jeden Fall Spaß.« Seine Augen verrieten ihn immer – und im Moment waren sie weit aufgerissen vor Aufregung. Was immer er geplant hatte, es verwandelte ihn in ein Kind am Weihnachtsmorgen. Oder eher in ein Elternteil, das mit genau dem richtigen Geschenk unter dem Baum auftrumpfen konnte.

»Okay«, sagte ich und ließ die übrigen Argumente, die ich mir zurechtgelegt hatte, ungenutzt.

Natürlich wäre auf der Fahrt zu dieser mysteriösen Location jede Menge Zeit gewesen, in Bezug auf die Sprachnachricht an den Juwelierladen Farbe zu bekennen, aber die Stimmung – vielleicht auch nur meine eigene – fühlte sich nicht richtig an. Stattdessen erzählte ich John von meiner potenziellen Beförderung.

»Das ist fantastisch, Shea«, sagte er. »Du kannst wirklich stolz auf dich sein. Und wir sollten uns eine Wohnung kaufen …« Er unterbrach sich, weil er wusste, dass das ein heikles Thema war. Vielleicht haben mich Jacks berufliche Neuigkeiten deshalb irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt, dachte ich, weil ich schon ahnte, dass John voll darauf anspringt? John war nicht der Typ, der sich Sorgen um Geld machte. Er war einigermaßen wohlhabend aufgewachsen, und seine Eltern hatten nie über ihre Finanzen geredet. Mein Dad hingegen hatte Mom am Frühstückstisch ihr wöchentliches Haushaltsgeld ausgezahlt und beim Abendessen dann kontrolliert, wofür sie es ausgegeben hatte. Es hatte ewig gedauert, bis ich John überhaupt erst erzählt hatte, wie viel ich verdiente. Und ich hatte erklärt, dass Verheiratete meiner Meinung nach getrennte Konten haben sollten. Vielleicht hatte ich nur Angst vor der Tatsache, dass wir unsere Leben auf diese Weise miteinander verflochten?

»Ich will nur keinen Stress wegen Geld haben, weil wir gerade auf eine Hochzeit sparen«, sagte ich.

John nickte; irgendetwas hielt er zurück. Ich warf ihm einen Blick zu, der ihm sagte, dass ich das durchaus bemerkte.

»Ich glaube, meine Eltern wollen die Hochzeit bezahlen«, gestand er. »Die gesamte Hochzeit.«

Kay und Bob Jacobs waren unglaublich großzügig, aber ich konnte mir vorstellen, wie das Gespräch mit John darüber abgelaufen war: Wir würden gern eure Hochzeit bezahlen; deshalb plane sie jetzt bitte, sofort. Seit mindestens einem Jahr drängten sie ihn dazu, sich endlich zu verloben. Kay ließ dauernd ganz »beiläufig« fallen, dass sie und Bob sich nach neun Monaten verlobt hatten und immer noch sehr glücklich verheiratet waren. Aber das waren gute Nachrichten. Ein riesiges Geschenk und eine Hilfe für unsere Zukunft. Warum ist mein Mund dann so seltsam trocken?

»Was genau haben deine Eltern denn gesagt?«, fragte ich, doch da bog John gerade in einen Parkplatz ein, der entweder tatsächlich zu unserer möglichen Hochzeits-Location gehörte oder aber ein ganz fieses Täuschungsmanöver darstellte. »Sind wir da? Deine Überraschung ist die Hollywood Bowl!?«, kreischte ich.

»Ja«, erwiderte John, während wir rechts vor der muschelförmigen Freilichtbühne parkten. »Die weltberühmte Hollywood Bowl, die Hüterin der jahrzehntealten Musikgeschichte L. A.s und damit auch ein wenig unserer eigenen.«

»Man kann hier auch heiraten?« Ich war immer noch völlig von den Socken.

»Kann man, wenn man eine Lehrerkollegin hat, deren Mann der Kongressabgeordnete dieses Bezirks ist. Aber nur die Zeremonie, und nicht an Abenden, an denen hier eine Veranstaltung stattfindet.« Ich ergriff Johns Hand und drückte sie so fest, dass ein Abdruck zurückblieb.

Auf unserem dritten Date war er mit mir zur Bowl gefahren, an einem warmen Abend im August, an dem es gerade windig genug war, dass meine neuen Stirnfransen verführerisch zerzaust wurden. Schon auf unserem ersten Date hatten wir herausgefunden, dass wir das berühmte Amphitheater beide liebten, und waren uns einig, dass die Bowl eine der wenigen touristischen Sehenswürdigkeiten war, die tatsächlich uns Einheimischen gehörten. An jenem Abend spielten Tom Petty and the Heartbreakers, ein weiterer gemeinsamer Favorit. Durch die Sitzreihen waberte der Duft nach Fleisch und Käse von den Picknickdecken, und die berühmte halbmondförmige Bühne war in einem Stahlblau beleuchtet, das sich vom lehmfarbenen Canyon dahinter abhob. Von da an war die Bowl etwas ganz Besonderes für uns. Und wie all ihre größten Fans wussten wir beide, dass es eigentlich ein öffentlicher Park war, in dem man tagsüber picknicken konnte, und damit der sparsamste Ort für ein Date mit erstklassiger Aussicht.

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