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S.P.U.K. - Sammler paranormaler Unregelmäßigkeiten

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In einer finsteren Nacht stehen Denzel und Schmitti am Wasser auf einer New Yorker Landungsbrücke, als diese plötzlich zu beben beginnt … Ehe es die frischgebackenen S.P.U.K.-Geisterjäger richtig begreifen, splittert schon das Holz unter ihren Füßen und eine gigantische Haifischflosse steuert direkt auf sie zu!
Doch die Flucht vor dem grauenvollen Monsterhai ist nicht die einzige Herausforderung, der sich die beiden zusammen mit ihren amerikanischen Kollegen Weinberg und Martinez stellen müssen. In der von einem gigantischen Meer aus grünlich waberndem Nebel überzogenen Millionenstadt bekommen es die Sammler paranormaler Unregelmäßigkeiten mit zahllosen anderen Geistererscheinungen und sogar dem leibhaftigen King Kong zu tun.


  • Erscheinungstag: 07.02.2019
  • Seitenanzahl: 256
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505142017

Leseprobe

Für Tommy Donbavand –

nur die Harten kommen

in den Garten.

B.H.

Kapitel 1

Denzel Edgar hatte den Gang mit den Spiegeln halb durchquert, als er den Geist sah.

Vor einem niedrigen Zerrspiegel sprang er auf und ab und schlug dabei mit den Armen wie ein Huhn.

»Denzel, guck mal. Was bin ich?«, fragte Schmitti. »Ich geb dir einen Tipp. Pooock-pock-pock!«

Schmitti war klein, dürr und wirkte insgesamt ein wenig unordentlich. Das war das Erste, was den Leuten an ihm auffiel. Was sie nicht bemerkten: Er war seit fast fünfhundert Jahren tot. Selbst Denzel hatte es erst vor Kurzem erfahren, obwohl Schmitti schon seit einer Ewigkeit sein bester Freund war.

»Pst. Sei mal still«, flüsterte Denzel. Er drehte sich langsam um, und der Lichtstrahl seiner Taschen­lampe flackerte unheimlich über die abblätternden Wände und die Holzdielen. »Wir sollen doch nach diesem … Ding gucken. Wie heißt es noch mal?«

»Geist?«, schlug Schmitti vor.

»Ja, aber … Boyle hat es irgendwie anders genannt. Es hatte einen richtigen Namen.«

»Kevin?«, riet Schmitti.

Denzel leuchtete Schmitti mit der Taschenlampe ins Gesicht, aber der zuckte nicht mit der Wimper. »Was? Nein! Ich meine, einen offiziellen wissen­schaftlichen Namen. Freiform-Dampf … Ach, keine Ahnung.«

Er blickte hinunter auf den protzigen Ring an seinem Finger. Der Edelstein sollte aufleuchten, wenn in der Nähe eine paranormale Unregelmäßigkeit gemessen wurde. Im Augenblick war er jedoch dunkel. Die fehlende Warnung hätte Denzel beruhigen können, aber da er ganz sicher wusste, dass sich in dem Raum mindestens ein Geist befand – eben Schmitti, der ­gerade hin und her stolzierte wie ein flugunfähiger Vogel –, verlieh ihm der offenbar nicht richtig funktionierende Kristall keineswegs Zuversicht.

Als das Funkgerät an Denzels Gürtel mit einem Knacken zum Leben erwachte, fuhr er erschrocken hoch. Hastig griff er danach, ließ dabei fast die Taschenlampe fallen und jonglierte dann ein paar Sekunden lang mit beiden Gegenständen, während aus dem Lautsprecher blechern eine barsche jugendliche Stimme drang.

»Denzel. Ist da was? Bitte kommen.«

Denzel bekam schließlich alles in den Griff und fand die Sendetaste an der Seite der Plastik­verkleidung. »Äh, nein. Hier sind nur jede Menge Spiegel.«

Er ließ den Knopf los und wartete auf eine Antwort. Als keine kam, schlug er sich selbst mit der Taschenlampe gegen den Kopf und drückte wieder die Taste. »Sorry. Ende … äh … Bitte kommen. Tut mir leid, Boyle, ich meine … Bitte kommen.«

»Such weiter«, sagte Boyle. »Wir messen dort Geisterenergie. Was macht Schmitti? Bitte kommen.«

Denzel drückte den Knopf und warf einen Blick zu Schmitti hinüber, der sich nun in einem anderen Spiegel betrachtete. »Jetzt gerade? Einen Handstand«, sagte Denzel. »Bitte kommen.«

»Ha! Du glaubst wohl, du kannst mich auf den Kopf stellen, was? Das hättest du wohl gerne!«, meinte ­Schmitti zu dem Spiegel. Dann verlor er das Gleich­gewicht und krachte mit den Füßen voran in die Scheibe. Der Spiegel zerbrach mit Getöse in tausend Stücke, und Schmitti sprang auf die Beine wie eine erschrockene Gazelle.

»Was war das?«, wollte Boyle wissen. »Bitte kommen.«

Denzel hielt die Sendetaste gedrückt, zögerte aber. »Äh, nichts«, sagte er dann. »Falscher Alarm. Dachte, es wäre ein Geist, war aber keiner.«

»Es war ein Scheiß«, erwiderte Schmitti, während er sich zu Denzel herüberbeugte, um direkt in das Funkgerät zu sprechen. Er zwinkerte seinem Freund zu und hielt einen Daumen hoch.

Lautlos bedeutete Denzel ihm, er solle still sein, und lachte dann gekünstelt. »Haha. Guter Witz. Das war … ein echter Schmitti. Aber hier ist alles in Ordnung. Nichts zu berichten, Ende.«

Eine Weile sagte Boyle nichts, und dann: »Haltet die Augen offen. Und wenn ihr etwas seht, unternehmt nichts, verstanden? Ende.«

»Äh, okay. Tschüss«, antwortete Denzel und klemmte sich das Funkgerät wieder an den Gürtel.

Schmitti zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Ich glaube, er fand meine Antwort mit dem Scheiß echt lustig.«

Denzel seufzte. Seit einer Woche waren Schmitti und er offiziell Mitglieder bei S.P.U.K. – einer ultra­geheimen Organisation mit dem Auftrag, die Welt vor übernatürlichen Bedrohungen zu schützen –, und ­beide hatten den Dreh noch nicht so recht raus.

»Eigentlich unfair, oder?«, sagte er.

»Was denn?«

»Na ja … Boyle und Samara sind ein Team. Sie kann zaubern, und er hat so ziemlich jede Waffe, die man sich vorstellen kann.«

Schmitti runzelte die Stirn. »Und?«

»Und was haben wir? Zwei Taschenlampen, ein Funkgerät und einen Ring, der mir das Blut im Finger abklemmt.«

Schmitti legte Denzel den Arm um die Schultern und sang ihm leise ins Ohr, während er ihn sacht ­hin- und herwiegte. »Aber du und ich, wir haben uns, wir sind zwei gute Kumpel in einem alten, gruseligen ­Zirkus.«

Denzel schüttelte ihn ab. »Lass das«, sagte er, konnte sich ein Lächeln aber nicht verkneifen. »Das hier ist kein Zirkus, sondern ein gruseliger, alter Rummelplatz

»Wirklich? Was ist denn der Unterschied?«, fragte ­Schmitti.

»Na ja, es gibt ziemlich viele Unterschiede«, antwortete Denzel. »Auf einem Rummelplatz sind zum Beispiel keine Tiere.«

»Aber hier sind welche«, widersprach Schmitti. »Guck.«

Er zeigte mit seiner Taschenlampe in eine Ecke. Ihr Licht wurde von einem Paar winziger Augen reflektiert. »Siehst du?«

»Das ist eine Ratte«, sagte Denzel und kämpfte ­gegen das Bedürfnis an, schreiend davonzurennen. »Die zählt nicht.«

Sie drangen weiter vor in das Spiegelkabinett, und überall starrten ihnen ihre verzerrten Doppelgänger aus den verrottenden Rahmen entgegen. »Ach, übrigens«, meinte Denzel und hielt sich möglichst fern von der Ecke, in der die Ratte hockte. »Gibt es Geistertiere?«

»Auf jeden Fall«, sagte Schmitti. »Es gibt alles in Geisterform. Selbst leblose Objekte. Ich habe mal eine Geistereidechse gesehen.«

Denzel warf ihm einen Seitenblick zu. »Eine Geistereidechse?«

»Jap. Ein Kamelo oder so. In einer Zoohandlung. Ein Kind hat es berührt, und – puff – war es verschwunden.«

»War das vielleicht ein Chamäleon?«

Schmitti schnipste mit den Fingern. »Genau, das war’s! Puff«, sagte er, wedelte geheimnisvoll mit den Händen vor Denzels Gesicht herum und flüsterte: »Verschwunden.«

»Wie alle Chamäleons.«

»Was? Alle Chamäleons sind Geister?«

»Nein«, sagte Denzel und entschied dann, dass es die Mühe nicht wert war. »Vergiss es. Ja, echt unheimlich, Mann.«

»Oh, und ich habe mal gesehen, wie jemand von ­einem Geisterlöwen gefressen wurde«, fiel Schmitti ein. Er tippte sich gegen die Schläfe. »Aber diese Erin­nerung habe ich, so gut es ging, verdrängt. Weiter geht’s!«

Er marschierte auf die Tür am anderen Ende des Gangs zu, während Denzel grübelte, ob das nun ein Witz gewesen war oder nicht. Bei Schmitti konnte man sich nie sicher sein. Manchmal fragte Denzel sich, ob Schmitti das selbst immer so genau wusste.

Sie traten aus dem Spiegelkabinett heraus in die kühle Nachtluft. Leere, ausgebleichte Popcorntüten flatterten über die Wiese wie etwas enttäuschende Schmetterlinge. Das rostige Metall einer alten Achterbahn quietschte und stöhnte, als der Wind durch das Gestell und die eingestürzten Schienen fuhr.

»Was ist mit Clowns?«, fragte Schmitti.

»Was soll mit denen sein?«

»Zirkus oder Rummelplatz?«

»Zirkus«, sagte Denzel.

»Gut. Ich hasse Clowns«, meinte Schmitti. »Oh! Frage: Wärst du lieber mit einem Killer-Clown in einem Käfig eingesperrt …«

»Oder?«

»Oder mit einem Bären?«

»Tja …«

»Aber«, fuhr Schmitti fort, »der Bär ist als Clown verkleidet und der Clown als Bär.«

Denzel runzelte die Stirn. »Wer verkleidet denn Bären als Clowns?«

Schmitti zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Die Regierung.«

Sie machten sich auf zum nächsten Gebäude auf der Liste, die Boyle ihnen zum Abarbeiten gegeben hatte. Boyle selbst war mit Samara beim Riesenrad, denn dort war tatsächlich ein Geist gesichtet worden. Denzel nahm an, dass er und Schmitti hauptsächlich deswegen auf den Kontrollgang geschickt worden waren, um ihnen nicht im Weg zu sein.

»Also, verstehe ich das richtig: Die Regierung hat ­einen Bären als Clown verkleidet …«

»Und einen Clown als Bären«, ergänzte Schmitti.

»Alles klar. Einen Clown als Bären. Und jetzt zwingt sie mich – aus welchen Gründen auch immer –, zu sagen, mit wem von beiden ich in einen Käfig gesperrt werden will«, fasste Denzel zusammen. »Und beide werden versuchen, mich zu töten, egal, wie ich mich entscheide.«

»Korrekto«, sagte Schmitti. »Also?«

Denzel kickte ein zerfallendes Plüschtier weg, das im Gras gelegen hatte. Dabei fiel der Kopf ab, und feuchtes Füllmaterial verteilte sich auf der Erde. »Wahrscheinlich würde ich mich für den Clown entscheiden, der als Bär verkleidet ist«, sagte er.

»Interessant. Wieso?«

»Na ja, wenn ich ein Bär wäre, und jemand würde mir ein Clownskostüm anziehen, wäre ich sehr wütend«, argumentierte Denzel. »Gegen einen wütenden Bären hätte ich keine Chance, er würde mich in Stücke reißen. Aber ein Clown in einem Bärenanzug wäre wahrscheinlich ein bisschen tollpatschig. Wenn er einen großen Kopf aufhätte, würde er mich nicht so gut sehen, und ich könnte ihn einfach umschubsen.«

Schmitti nickte langsam. »Und wenn der Bär unsichtbar wäre und der Clown fliegen könnte?«

»Pst«, machte Denzel. »Hast du das gehört?«

»Ja. Du hast ja direkt in mein Ohr gezischt«, sagte Schmitti.

»Nein, nicht mein ›Pst‹. Das andere Geräusch.«

Beide lauschten. Aber da war nur das Quietschen und Stöhnen der Fahrgeschäfte und Buden um sie ­herum.

»Ich höre nichts«, sagte Schmitti. »Was für ein ­Geräusch war es denn?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Denzel. »Eine Art …«

»Ptwing?«, riet Schmitti.

»Nein, eher …«

»Barradda-da-da-da?«

»Was soll das denn sein?«, fragte Denzel.

»Was, ›barradda-da-da-da‹? Na ja, irgendein Geräusch«, sagte Schmitti. »Warum, war es das?«

»Nein, eher …«

Ein tiefes Stöhnen drang durch den gähnenden ­Torbogen des Gebäudes vor ihnen. Denzel stellten sich die Nackenhaare auf.

»Das«, flüsterte er.

Der Torbogen war so angemalt worden, dass er wie ein offener Mund aussah. Ein rotes Augenpaar leuchtete oberhalb des Bogens, und darüber stand in ver­blichener Schrift ein Wort, bei dem es Denzel eiskalt den Rücken herunterlief.

Geisterbahn.

Kapitel 2

Denzel hielt sich das Funkgerät an den Mund und flüsterte in das Mikrofon.

»Hey, Boyle, ich glaube, wir haben etwas gefunden. Bitte kommen.«

Ein elektrisches Rauschen war von der anderen Seite zu hören, und dann schwebte plötzlich ein gigantischer Kopf vor ihnen in der Luft. Denzel und Schmitti hielten sich aneinander fest und schrien vor Angst.

»Hi, Jungs!«, sagte Samara, und ihr durchsichtiges Riesengesicht verzog sich zu einem Lächeln.

Denzel stöhnte, halb vor Verlegenheit, halb vor Erleichterung. Rasch ließ er Schmitti los und strich sich den schwarzen Pullover glatt. »Samara. Du hast uns ganz schön erschreckt.«

»Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen«, antwortete ­Samara und musste offensichtlich ein Lachen unterdrücken. »Wie auch immer, Boyle hat gerade keine Zeit.«

»Cool! Kämpft er mit einem Geist?«, fragte Schmitti. Anscheinend freute er sich schon darauf, die Details zu hören.

»Äh, nein. Er ist in Hundescheiße getreten«, sagte Samara.

»Vielen Dank, dass du ihm das erzählt hast«, kam Boyles Stimme von irgendwoher aus dem Hintergrund.

»Was habt ihr gefunden?«, fragte Samara.

»Denzel hat ein Geräusch gehört«, meinte Schmitti.

Samaras schwebendes Gesicht runzelte die Stirn. »Was für ein Geräusch?«

»Habe ich ihn auch gefragt«, sagte Schmitti. »Zuerst dachte ich, es wäre so eine Art Ptwing gewesen, aber er meinte …«

Da ertönte das Stöhnen erneut, hallte aus dem dunklen Tunnel der Geisterbahn.

»Dieses Geräusch war es«, sagte Denzel.

Samara zuckte mit den Schultern. Zumindest glaubte Denzel das, denn ihr Kopf machte eine ruckartige Bewegung; aber ohne tatsächlich die Schultern zu ­sehen, war es schwer zu sagen.

»Das? Das ist bloß der Wind. Aber geht ruhig mal nachschauen, schadet ja nicht, sicherzugehen.«

»Außer, es ist etwas Schreckliches, das uns umbringt«, wandte Schmitti ein.

»Ja«, stimmte Samara ihm zu. »Aber ich bin zu neunundneunzig Prozent sicher, dass es das nicht ist.«

Wieder drang ein Stöhnen aus der Geisterbahn. »Na ja, sagen wir, zu fünfundachtzig Prozent.«

»Oh Mann, nicht schon wieder! Echt jetzt, warum können die Leute nicht einfach hinter ihren Hunden sauber machen?«, rief Boyle. Samaras schwebender Kopf drehte sich, als würde sie über ihre unsichtbare Schulter blicken. »Ich muss los. Haltet uns auf dem Laufenden.«

Der Kopf zerplatzte wie eine Blase. Denzel blies die Wangen auf. »Das war ja beruhigend.«

Schmitti lugte in den Tunnel. Es war, wie einem ­Riesen in den Rachen zu gucken. Die abgeblätterte Farbe ließ das monströse Gesicht noch furchtbarer aus­sehen – als hätte es eine schlimme Hautkrankheit, die nur darauf wartete, sie anzustecken.

»Sollen wir reingehen?«, fragte er.

»Wir könnten reingehen …«, sagte Denzel, »… oder wir tun einfach so, als wären wir drin gewesen.«

Schmitti nickte langsam. »Was fändest du besser? Da reinzugehen – oder Samara und Boyle rausfinden zu lassen, dass du ein Feigling bist?«

Denzel wägte die zwei Möglichkeiten ab. Er brauchte nicht lange dafür. Unheimlicher, dunkler Tunnel hin oder her, da gab es im Grunde nicht viel zu über­legen.

»Na gut«, sagte er und ging auf den offenen Mund der Geisterbahn zu. »Aber wenn ich darin auf grau­same Weise sterbe, verfolge ich dich bis in alle Ewigkeit.«

*

Der schmale Lichtstrahl von Denzels Taschenlampe durchschnitt die Dunkelheit, als sie die Schienen der Geisterbahn entlangschlichen. Schmitti hielt sich dicht hinter Denzel und fuhr bei jedem Knarzen des morschen Bodens in die Höhe.

»Du bist ganz schön nervös für jemanden, der schon tot ist«, flüsterte Denzel.

»Bin ich gar nicht«, protestierte Schmitti. »Ich … Ich passe bloß auf dich auf.«

»Ist klar«, sagte Denzel. Er blickte über die Schulter. Schmitti hielt sich hinten an seinem Pullover fest. »Ich habe eher den Eindruck, du benutzt mich als menschlichen Schutzschild.«

»Kein Wunder«, flüsterte Schmitti. »Guck dich doch mal um!«

Er fuhr mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe über die Holzwände, an denen sich sechs abgeschlagene Köpfe, zwei Riesenspinnen und ein einarmiges Plastikskelett aneinanderreihten.

»Das ist der grauenhafteste Ort der Welt!«, zischte Schmitti.

Seltsamerweise hatte Denzel nun, da sie drinnen waren, weniger Angst als vorher. Das Plastikskelett hatte dazu beigetragen. Es erinnerte ihn an eine andere Geisterbahn, in der er einmal gewesen war, mit langweiligen Effekten und billiger Aufmachung. Das Gruseligste daran war der Eintrittspreis gewesen.

»Das ist alles nicht echt, also entspann dich«, ­sagte Denzel. »Samara hatte recht. Kein Grund zur Sorge.«

»Ach ja?«, quiekte Schmitti. »Und warum glüht dein Finger dann?«

Denzel hob die Hand. Der Ring an seinem Finger pulsierte in einem unheilvollen Violett.

Ein kalter Windhauch wehte durch den dunklen Tunnel, und Denzels Atem wurde als lila getönte Wölkchen sichtbar.

Denzel schluckte und umfasste seine Taschen­lampe fester. »Das hat sicher nichts zu bedeuten«, sagte er, fragte sich aber gleichzeitig, wem er gerade etwas vormachte. »Der Ring reagiert wahrscheinlich bloß auf dich.«

»Das wäre das erste Mal«, wandte Schmitti ein.

»Ja, aber du hast dich vorher auch noch nie wie ein heulendes Baby an mir festgehalten.«

»Ich heule nicht«, stellte Schmitti klar. »Zumindest noch nicht. Aber ich schließe es nicht aus.«

»Lass uns weitergehen«, sagte Denzel. »Wir müssten bald durch sein.«

Ein dunkles, grollendes Stöhnen ließ die Tunnelwände erbeben und das Plastikskelett zittern und wackeln.

»Oder wir drehen um und rennen, so schnell wir können«, quiekte Denzel. »Ist mir auch recht.«

Das Stöhnen wurde schriller, verwandelte sich in ein ohrenbetäubendes Kreischen, als würde jemand mit Krallen über eine Schiefertafel fahren. Denzel und Schmitti wechselten einen Blick, nickten sich zu, machten auf dem Absatz kehrt und stürzten in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Nach ein paar Schritten hörten sie ein tiefes, keh­liges Knurren. Ein gleißend helles Licht flackerte auf, und die Silhouette von etwas Großem, Haarigem und zum Schreien Entsetzlichem war zu erkennen.

Der Ring an Denzels Finger leuchtete rot, und das Licht wurde von dem grauen Kopf des Monsters zurückgeworfen – der einzige Teil seines Körpers, der nicht von struppigem Haar bedeckt war – und von seinen Dutzenden Haifischzähnen.

Denzel machte ein Geräusch – keines, auf das er ­besonders stolz war, eine Art Jaulen, das von seinen Zehen her zu kommen schien, aber er hatte keinerlei Einfluss darauf. Und in dieser Situation war das ja auch wirklich verständlich.

»Hier lang!«, rief Schmitti und zerrte seinen Freund zur nächsten Wand. Denzel warf die Hände in die Höhe, um sich zu schützen, wurde durch das Holz ­gezogen und stolperte in einen Gang auf der anderen Seite.

»Geniale Geisteraktion«, keuchte er.

»Danke«, sagte Schmitti. »Was war das?«

»Ich weiß es nicht!«, antwortete Denzel. »Irgendein Haifischkopfaffending … oder so.«

Schmitti zog die Nase kraus. »Affe? Meinst du wirklich? Ich hätte eher auf Bär getippt.«

Denzel fuhr mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe über die Wände. Sie befanden sich nun an einer ganz anderen Stelle in der Geisterbahn. Ein schmuddeliges altes Laken hing von der Decke herunter; drei schwarze Kreise darauf sollten ein Gespenstergesicht darstellen. Eine alte Kuckucksuhr, aus deren offener Tür eine kleine Gummifledermaus baumelte, hing an einer Wand.

»Ich kann mich täuschen«, sagte Schmitti, »aber ich vermute, wir sind immer noch in der Geisterbahn.«

»Ach, meinst du?«, flüsterte Denzel.

Seine Taschenlampe flackerte, und er schlug einige Male dagegen. Aber selbst ohne die Taschenlampe konnten sie genug erkennen – dem hell leuchtenden Ring an Denzels Finger sei Dank. Ein orangerotes Flimmern ging von ihm aus, tanzte über die Wände wie die Sonne über eine gekräuselte Wasserober­fläche.

Wieder kam ein Geräusch wie ein Fauchen den Gang entlang auf sie zu. Denzel hielt den Atem an. »Hast du das gehört?«

»Was denn jetzt?«, krächzte Schmitti.

»Eine Art … Zischen. Als würden viele Menschen flüstern oder …«

»Millionen winziger Flügel gleichzeitig schlagen?«, fragte Schmitti.

»Ja«, antwortete Denzel. »Ja, das könnte …«

Schmitti stand mit dem Rücken zu Denzel. Er wurde von dem Ring angeleuchtet und zeigte in den Tunnel. Denzel hob die Taschenlampe genau in dem Augenblick, als Hunderte schwarzer Fledermäuse den Gang fluteten. Sie zwitscherten und kreischten, als sie von den Wänden abprallten und gegen die Decke stießen.

»Lauf!«, rief Denzel, drehte sich um und raste los. Schmitti stürmte hinter ihm her, als die ersten Fledermäuse wild mit den ledrigen Flügeln schlagend an ­ihnen vorbeirauschten.

Das Licht von Denzels Taschenlampe flackerte ­wieder. Er stolperte weiter und schlug die Lampe gegen seine Hüfte, um sie wieder zum Leben zu er­wecken.

RUMMS! Mit dem Gesicht voran stieß er gegen etwas und taumelte zurück. Das von dem Ring aus­gehende Glühen beleuchtete einen grünhäutigen Zombie direkt vor ihm. Denzels Mund stand weit ­offen, und ein Schrei war schon halb auf dem Weg nach draußen, als ihm aufging, dass der Zombie auf eine Wand gemalt war.

»Sie kommen!«, schrie Schmitti, der durch den Tunnel raste. Hinter ihm in der Dunkelheit vibrierte eine gewaltige Wolke von Fledermäusen.

»Sackgasse!«, rief Denzel.

»Nicht mehr lange!«, antwortete Schmitti, warf sich wie ein Rugbyspieler nach vorn und rammte seine Schulter in Denzels Magen.

Ein Uff entfuhr Denzel, als ihm die Luft aus der ­Lunge gepresst wurde, dann flog er rückwärts durch die Wand, stolperte über einen Vorsprung auf der anderen Seite und prallte dumpf auf dem Boden auf.

Schmitti rollte von ihm herunter. Sie lagen beide nun auf Schienen und versuchten, zu Atem zu kommen. Zumindest tat Denzel das – Schmitti hatte schon seit Jahrhunderten nicht mehr geatmet.

»Oh Mann«, keuchte Denzel. »Das war knapp. Super Reaktion.«

»Danke«, sagte Schmitti. Er hob den Kopf und ­senkte ihn dann wieder. »Ich glaube, hier sind wir ­sicher.«

Denzels Ring gab ein schrilles Jaulen von sich, und das Rot wurde noch greller. Mit einem Knall explodierte der Ring, und Dunkelheit umfing sie.

Einen Augenblick später wurde diese allerdings von einem einzigen weißen Licht durchbrochen, das die Schienen entlang leuchtete. Gleichzeitig hallte ihnen ein Pfeifen entgegen.

HU-HUUUU!

Schmitti warf Denzel einen Blick zu und lächelte nervös. »Na ja, ›sicher‹ stimmt vielleicht nicht ganz.«

Kapitel 3

Schmitti und Denzel schrien, als sie durch die letzte Wand der Geisterbahn brachen. Sie stolperten noch einige Schritte weiter, stürzten dann übereinander und blieben als zitternder Haufen am Boden liegen.

»Äh … Leben wir noch?«, fragte Schmitti.

»Ich ja«, keuchte Denzel. Seine Stimme klang ­gedämpft, weil Schmitti auf ihm gelandet war. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du nach wie vor tot bist.«

»Lächeln, bitte!«

Gerade als Denzel Schmittis Hintern aus seinem Gesicht geschoben hatte, blendete ihn ein Blitzlicht.

»He!«, protestierte er.

»Oh Mann, das ist perfekt für die Pinnwand«, sagte Boyle, während er den Bildschirm seiner Kamera betrachtete. Er zeigte ihn Samara, und beide grinsten.

»Oh ja. Das wird vergrößert«, stimmte Samara ihm zu. »Als Poster.«

Denzel und Schmitti kamen auf die Füße. »Was? Nein! Was …?« Denzel schüttelte den Kopf. »Jetzt ist keine Zeit für dumme Späße«, sagte er und zeigte auf die Geisterbahn hinter ihnen. »Das hier ist praktisch das Geisterhauptquartier.«

»Er hat recht. Darin wimmelt es nur so von Geistern!«, pflichtete Schmitti ihm bei.

»Wir haben darin so ein Hai–«

»… Bär–«

»… Affending gesehen!«, beendete Denzel den Satz. »Mit großen Zähnen und Klauen und …«

»Fledermäuse!«, jaulte Schmitti. Es schüttelte ihn. »Unglaublich viele Fledermäuse!«

Denzel nickte. »Unglaublich viele! Unmengen! Und … Und …«

Er sah Boyles und Samaras Gesichtsausdruck und verstummte. »Was?«, fragte er. »Was ist daran so lustig?«

»Hmmm?«, quiekte Samara und kniff sich mit ­Daumen und Zeigefinger in die Mundwinkel. »Lustig? Nichts, gar nichts.«

»Nichts«, meinte auch Boyle, doch dann brachen die beiden S.P.U.K.-Mitglieder in brüllendes Gelächter aus. »Oh Mann. Eure Gesichter«, sagte Boyle. Seins war rot angelaufen und passte gar nicht mehr zu dem blau-silbernen Tarnmuster seiner Vulteron-Uniform.

Samara wischte sich die Augen am Saum ihres ­Oberon-Umhangs ab. »Oh, das war herrlich. Tut mir leid, Jungs«, sagte sie. So, wie sie immer noch nach Luft schnappte und prustete, wirkte sie allerdings nicht, als ob es ihr besonders leidtäte. »Wisst ihr, also, die Sache ist die … Wir haben euch verarscht.«

Denzel und Schmitti wechselten einen Blick. »Was meinst du?«, fragte Denzel.

»Das machen wir mit allen neuen Rekruten«, schnaufte Boyle. »Also, nicht nur wir. Alle.«

»Das ist Tradition bei den Sammlern paranormaler Unregelmäßigkeiten. Wir mussten da auch durch«, ­erklärte Samara und versuchte – mit wenig Erfolg –, ihre Lachanfälle unter Kontrolle zu bekommen. »Betrachtet es einfach als Aufnahmeritual.«

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