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Mordsstadt

hier erhältlich:

Die packende und urkomische Vorgeschichte von "Mordsacker": Wieso musste Klara Himmel vom Ku’damm aufs Kuhdorf? Und warum musste Franziska Bach sterben?

Die Hauptrolle in "Vorstadtrevier" war erst der Anfang! Denn der große Durchbruch als Schauspielerin steht ihr noch bevor, dessen ist sich Franziska sicher. Leider läuft es weder bei ihrer Karriere noch in ihrer Ehe rund. Ihr Mann schiebt ständig Überstunden, und langsam wird Franziska misstrauisch: Geht er etwa fremd? Heimlich spioniert sie ihm nach. Doch die Abgründe, in die sie dabei stolpert, sind noch viel tiefer als gedacht, und schnell befindet sich Franziska in Lebensgefahr.


  • Erscheinungstag: 15.06.2017
  • Seitenanzahl: 63
  • ISBN/Artikelnummer: 9783955767839
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

KAPITEL 1

„Der Tisch ist gleich frei“, rief Magda und winkte mir über die Köpfe der anderen Gäste zu. Beladen mit Einkaufstüten von Boss, H&M, Esprit & Co drängelte ich mich durch das voll besetzte Café in eine Ecke, wo die Kellnerin gerade abkassierte.

Zwei attraktive Endvierziger mit Dreitagebart und grau melierten Schläfen standen auf. Sie bedachten uns mit der Höflichkeit, die man alten Damen oder Schwangeren gewährt, wenn man ihnen den Platz in der S-Bahn überlässt. Ihre Blicke signalisierten: kein Interesse an einem Flirt. Dabei sahen wir zwei Grazien trotz körperlichem Zustand, Vorbereitungsmodus der Menopause, verdammt attraktiv aus.

Zumindest fand ich das, im Vergleich mit anderen Auslaufmodellen unserer Preisklasse. Magda blond und kurzhaarig mit echtem Schmollmund, ich mit roter Lockenmähne und glasklaren grünen Augen, denen man nachsagte, dass sie stets leuchteten. Dank regelmäßigen Besuchen bei Fitness Fürst und Königs Kosmetik-Salon waren wir schlank, gepflegt und fast faltenfrei. Modisch sowieso up to date – inspiriert vom Pariser Trend, betonten wir unsere Weiblichkeit gerne mit fließenden Stoffen und liefen uns eher Blasen an die Zehen, als in flachen Schuhen auf die Straße zu gehen. Auch ohne Leinwandjob achteten wir als Schauspielerinnen auf unser Äußeres. Der Körper war schließlich unser Kapital.

Okay, das ist der Ku’damm in Berlin und nicht die Piazza Navona in Rom. Es ist Ende Januar, der Himmel grau und die Luft eklig feucht. Das reinste Gift für die Knochen. Vielleicht zählten die Herren im fortgeschrittenen Alter zu den Menschen, die aufgrund der momentanen Wetterlage unter physischen oder psychischen Beschwerden litten. Aber deshalb mussten die Vertreter der hiesigen Männlichkeit nicht gleich den Mund zusammenpressen und auf den Boden gucken, wenn ihnen zwei attraktive Frauen zulächelten und Augenkontakt suchten.

He! Hier geht es nicht um Sex!

Wir erwarten doch nur diesen Blick und ein leichtes Lippenlecken, das ausdrückt: Wow, was für eine tolle Frau! Ein derartiges Kompliment wird von uns durchaus nicht gleich als blöde Anmache verstanden. Mussten wir wirklich für eine Portion Aufmerksamkeit bis nach Italien reisen? Diese Typen hier machten jedenfalls dem Ruf, dass Deutschland in Sachen Flirten geradezu ein Entwicklungsland ist, alle Ehre.

Wir schauten den Typen verstohlen hinterher, die sich noch einmal umdrehten. Allerdings zu der Kellnerin, die nicht besonders hübsch war, aber so jung, dass sie im Supermarkt garantiert keinen Alkohol zu kaufen bekam, wenn sie ihren Ausweis vergessen hatte. Magda seufzte.

Ernüchtert schmiss ich meine modischen Errungenschaften neben den Stuhl, auf den ich mich erschöpft vom vierstündigen Shopping-Marathon mit ausgestreckten Gliedern fallen ließ. Die kindliche Kellnerin räumte das schmutzige Geschirr beiseite und wischte den Tisch ab. „Zwei Prosecco“, bestellte ich, bevor sie mit den Tellern und Gläsern davoneilte. Magda setzte sich mir gegenüber, fingerte das Handy aus der Tasche und checkte gewohnheitsgemäß die SMS. Es konnte ja sein, dass ihr in den letzten fünf Minuten eine wichtige Nachricht entgangen war. Sicherheitshalber legte auch ich mein iPhone auf den Tisch. Man stelle sich vor, ein Produzent aus Hollywood ruft an, und ich bekomme es nicht mit. Was für eine verpasste Chance, nur weil ich einmal nicht erreichbar war.

Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, und so war es auch bei mir. Seit Jahren riefen mich nicht einmal mehr das ZDF oder die ARD wegen eines Rollenangebotes an. Das betrübte mich zwar ein wenig, aber ich hatte den Karriereknick nach meiner einzigen Fernsehhauptrolle als Kommissarin Emma Schröter – die Serie wurde nach drei Folgen abgesetzt – genutzt, um als Lehrerin jungen Menschen das nötige Handwerkszeug für ihren Traumberuf Schauspieler beizubringen.

Neben dem Unterricht an einer Kreuzberger Privatschule im dritten Hinterhof jobbte ich einmal wöchentlich im Buchladen einer Freundin und sprach mit meiner dunkel klingenden Stimme gelegentlich pornografische Hörbücher für Blinde ein.

Magda hatte es trotz Schmollmund und Schwedenmähne bislang nur als Komparsin auf die Mattscheibe geschafft. Sie nahm es gelassen, hatte sie doch ihren Bernd mit dem dicken Benz, der für den finanziellen Background sorgte. Wenn niemand ihr Talent erkannte, war sie eben Ehefrau von Beruf! Diese Rolle spielte sie verdammt gut, das musste man ihr lassen. Obwohl ich auch glücklich verheiratet sowie stolze Mutter einer erwachsenen Tochter – angehende Herzchirurgin! – war und mein Martin als Polizeibeamter im gehobenen Dienst den Hauptteil unseres Lebensunterhaltes bestritt, sträubte ich mich dagegen, völlig abhängig von ihm zu sein. Allein das Dasein als Hausfrau und Mutter hätte mich als moderne Großstadtpflanze nie ausgefüllt. Ich brauchte immer eine Aufgabe, die meine Kreativität herausforderte.

Der Prosecco kam. Wir hoben die Gläser. „Prösterle, meine Schöne!“, sagte ich zu Magda, die kurz vom Display ihres Smartphones aufschaute. „Wenigstens erkennst du den Kern des verstaubten Diamanten. Wahre Liebe gibt es eben nur unter Frauen.“

Ich streckte die Beine unterm Tisch aus und streifte meine Pumps ab, um die geschwollenen Füße besser bewegen zu können.

„Es ist so weit! Die Kerle schauen durch uns hindurch“, stellte meine beste Freundin seufzend fest und legte das Handy beiseite.

Ich bestätigte zähneknirschend: „Du kannst dich noch so herausputzen, neben dem Frischfleisch sind wir nur die bunte Luft.“

Sie steckte ihre Nase unter die Achsel und fragte: „Vielleicht riechen sie den Schimmel, den wir langsam ansetzen.“

Ich spürte, wie meine Mundwinkel unwillkürlich nach unten sackten. „Tja, mit Desinteresse werden wir wohl in Zukunft klarkommen müssen.“

Ihre Augen weiteten sich. „Die Idee, Martin in ein Hotelzimmer zu locken und ihn zu verführen, ist demnach gescheitert?“

„Kläglich.“ Nervös fummelte ich an der Serviette auf dem Tisch herum. „Er ist zwar dem Ruf gefolgt, hat aber nicht nur die Austern des Zimmerservice verschmäht. Das Einzige, was ihm zu der roten Spitze auf meiner Haut einfiel, war: ‚Hübsch, ist das neu?’ Bevor er im Whirlpool des Badezimmers eingeschlafen ist, hat er mir geraten, besser etwas anzuziehen, sonst würde ich mich noch erkälten.“ Ich stürzte den Rest des Proseccos in einem Zug herunter und bestellte eine ganze Flasche.

Magda wiegte den Kopf hin und her, die Stirn grüblerisch zerfurcht. „Kenn ich, nach zwanzig Jahren Ehe kannst du nackt Handstand vor deinem Gatten machen, und was macht er? Er schiebt dich beiseite, weil er lieber das Fußballspiel im Fernsehen zu Ende guckt.“

Ich goss das Glas erneut voll. „Martin interessiert sich nicht für Fußball.“

„Und auch nicht mehr für dich“, bemerkte Magda, trank aus und hielt mir ihr Glas hin. „Ihr seid siebzehn Jahre verheiratet, und er ist über fünfzig, was erwartest du?“

Ich trank hastig und verschluckte mich.

Sie tätschelte meine Hand. „Franzi, er steckt in der Midlife-Crisis. Das wird wieder. Vielleicht hast du ja Glück und er lässt sich nur ein Ohrloch stechen und macht den Motorradführerschein“, sagte Magda, bevor auch sie den Schaumwein wie Wasser hinunterkippte.

„Letzteres besitzt er schon.“ Ich beugte mich zu ihr nach vorn, damit nicht alle Welt ringsum hörte, worüber wir sprachen. „Seit einem halben Jahr haben wir keinen Sex mehr. Von heute auf morgen war Schluss. Er verweigert jeden Annäherungsversuch.“

Magda spitzte die Lippen. „Vielleicht will er sich keine Blöße wegen nachlassender Manneskraft geben?“

„Quatsch, damit hatte er vorher kein Problem. Der schwitzt doch das Zeug nicht plötzlich aus.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

„Fakt ist, die Testosteronproduktion sinkt genauso rapide wie bei uns der Östrogenspiegel. In der Männerwelt ein Tabu-Thema. Die würden nie wie wir miteinander über ihre nächtlichen Schweißausbrüche reden. Solange manche Superstars öffentlich protzen, dass es mit Anfang sechzig normal ist, täglich dreimal Sex zu haben und mindestens zwei Kinder zu zeugen, denkt jeder Mann, er ist der Einzige, dem der Appetit vergeht.“

Die Kellnerin brachte die Flasche Prosecco. Magda nahm sie ihr eilig aus der Hand, goss uns ein und sagte: „Ich hab Hunger. Du auch?“

Ich nickte trotzig. Wir bestellten die Speisekarte und suchten uns leckere Nudeln mit Basilikum-Pesto aus. Die machten wenigstens glücklich.

„Bernd hat seinen Ausrutscher jedenfalls mit Angst vorm Altern begründet. Er wollte sich noch einmal jung fühlen“, sagte Magda über ihren Göttergatten.

Zum Glück mussten wir nicht lange auf die Nudeln warten: Ruckzuck wurden die dampfenden Trostspender serviert. Die Pasta roch köstlich. Wir legten uns die Servietten auf den Schoß. Magda schaufelte sich die erste Fuhre in den Mund. „Hättest du ewig Lust darauf?“, fragte sie auf ihre Mahlzeit zeigend. „Wenn du es jeden Tag haben kannst?“

„Nee, da verginge mir auch der Appetit.“

„Und wenn sie dann noch alles andere als bissfest daherkommen …“

„Wir tun unser Bestes, um knackig zu bleiben“, protestierte ich und drehte die Tagliatelle auf meinem Teller um die Gabel.

Magda kaute und sprach mit vollem Mund: „Manchmal ist es eben egal, wenn du dein Bestes gibst.“ Ich starrte sie mit großen Augen an.

„Da kannst du hunderttausend Kniebeugen machen …“ Sie erklärte: „Realistisch betrachtet können unsere Hintern mit dem dieser Zwanzigjährigen einfach nicht konkurrieren.“ Mit einer Kopfbewegung wies sie auf die Kellnerin, die uns bedient hatte. „Vollkommen natürlich.“

Ihr Gedankengang war mir ein Rätsel. Ich runzelte die Stirn.

Magda fragte: „Greifst du im Supermarkt zum schrumpeligen Apfel oder zum straffen rotbackigen daneben?“

„Zum rotbackigen.“

„Siehst du!“ Sie wedelte mit dem Löffel. „Genauso geht es den Männern. Und wenn dann noch mangelnder Hunger ab einem bestimmten Alter dazukommt, kann es passieren, dass sie mit dem rotbackigen versuchen, den verlorenen Appetit anzuregen. Verstehst du?“

Entsetzt ließ ich die Gabel fallen. „Du entschuldigst Bernds Affäre mit Appetitlosigkeit auf zu lange gelagerte Äpfel?“

„Er hat sich ja wieder eingekriegt und ist reumütig zurückgekehrt.“ Sie kaute eifrig und schluckte.

„Dein Mann hat sich neun Monate lang so bei seiner dreiundzwanzigjährigen Geliebten verausgabt, als wäre es eine neue olympische Disziplin. Du warst fix und fertig. Hast du das vergessen?“ Ich nahm die Gabel wieder auf, kratzte die restlichen Nudeln vom Teller und schob sie mir zwischen die Zähne.

Magda wischte sich den Mund mit der Serviette ab. „Man sollte das bei Männern nicht überbewerten! Die Affäre mit dieser Alina diente der sportlichen Ertüchtigung, Training seiner männlichen Leistungsfähigkeit. Das hatte doch nichts mit Liebe zu tun.“

„Also ich könnte das nicht“, sagte ich die Gabel beiseitelegend.

Sie warf die zerknüllte Serviette auf den Teller. „Was?“

„Martin wieder vertrauen, wenn er fremdgehen würde.“

„Du willst, dass alles so wird wie vorher? Dann sitz es aus. Das, was du gerade geschildert hast, wie Martin sich verhält? Genauso hat es damals bei Bernd auch angefangen.“

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