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Moon - Tara und das Mondlichtpferd

hier erhältlich:

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Magie, eine große Aufgabe und ganz viel Pferdeliebe

Nach der Trennung ihrer Eltern ist Tara sehr traurig. Und als wäre das nicht genug, zieht die Zwölfjährige mit ihrer Mutter auch noch auf den ländlichen Hof ihrer Patentante. Als sie auf dem benachbarten Gnadenhof aushilft, trifft Tara auf die gleichaltrige Ina und den vierzehnjährigen Finn. Die drei werden schnell Freunde.
Als Tara eines Abends ein lautes Wiehern hört, beschließt sie nachzuschauen, ob auf dem Gnadenhof alles in Ordnung ist. Im Stall entdeckt sie ein neues Pferd, dessen Fell im Mondlicht magisch schimmert. Sofort spürt Tara eine tiefe Verbindung zu der geheimnisvollen Stute, die auf den Namen Moon hört. Die beiden bauen eine innige Beziehung zueinander auf. Auf einem ihrer Ausritte treffen sie auf eine alte Dame, die weiß, dass Moon magische Fähigkeiten hat und ihr Fell leuchtet, weil sie eine Aufgabe zu erfüllen hat. Und dass sie Tara ausgewählt hat, ihr dabei zu helfen.

Welche Aufgabe mag das sein? Können Tara und Moon sie gemeinsam meistern?


  • Erscheinungstag: 25.04.2023
  • Seitenanzahl: 208
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505150883

Leseprobe

Für Ina, weil du großartig bist!

Prolog

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Ein Windstoß streifte die Weide und ließ die Gräser im Wind tanzen. Kalinda blickte in den Himmel und beobachtete eine Wolke, die sich langsam vor den Vollmond schob. Sie wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde.

»Endlich«, flüsterte sie, als sie Moon in der Ferne entdeckte.

Die graue Stute galoppierte über die weiten Felder auf sie zu, blieb neben ihr stehen und wieherte leise.

Behutsam legte Kalinda ihre Hand auf Moons Blesse, die aussah wie ein kleiner Halbmond, umgeben von unzähligen Sternen. Sie schloss die Augen. Das Band, das beide miteinander teilten, hätte stärker nicht sein können.

»Ich weiß, du musst gehen.« Kalinda blinzelte eine Träne weg. »Ich wollte dich nur ein letztes Mal sehen.«

Moon stupste Kalinda sanft an, legte ihren Kopf auf die Schulter der Frau und schnaubte leise.

»Ich gebe dich frei, meine Freundin«, sagte Kalinda. Genau in dem Moment zog die Wolke vorüber und erlaubte dem Mondlicht, die Schönheit der Stute zu entfalten. So wie auch bei ihrer ersten Begegnung, die Kalinda nie vergessen würde: Unscheinbar hatte die Stute auf der Weide zwischen den anderen Pferden gestanden. Bis Kalinda an den Zaun getreten war. Moon hatte den Kopf gehoben, hatte sie unverwandt angesehen. Dann hatte der Wind die Wolke weggepustet, und Moons Fell hatte begonnen zu schimmern. Der Anblick war unbeschreiblich schön gewesen, so wie heute.

»Danke«, sagte Kalinda.

Wiehernd galoppierte Moon davon.

1.

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Vom Großstadtmädchen zum Landei

Jetzt bloß nicht heulen, ermahne ich mich und stecke mir schnell meine Kopfhörer in die Ohren. So bin ich abgelenkt, und vor allem kann ich so tun, als würde ich meine Mutter nicht hören.

Sie schaut prompt zu mir rüber und sagt: »Warte ab, Tara, mit der Zeit wird es dir dort gut gefallen, da bin ich mir ganz sicher.«

Demonstrativ erhöhe ich die Lautstärke und lasse meinen Kopf gegen die Autoscheibe sinken. Ich weiß nicht, wie oft ich Billie Eilishs Songs schon rauf und runter gehört habe. Heute kann allerdings selbst meine Lieblingssängerin meine Laune nicht bessern.

»Dann eben nicht!«, sagt meine Mutter so laut, dass ich es trotzdem hören kann, und startet den Wagen.

Mein Herz zerbricht in tausend Stücke. Ich will hier nicht wegziehen, ich will in der Stadt bleiben, in meiner Straße, bei meinen Leuten, meiner Schule. Und bei Maja, der besten Freundin der Welt.

Aber mich hat ja keiner gefragt – wie immer. Meine Eltern haben einfach über meinen Kopf hinweg entschieden. Jetzt sitze ich hier und bin auf dem Weg in meinen ganz persönlichen Albtraum. Vom Großstadtmädchen zum Landei. Womit habe ich das bloß verdient? Ich schließe die Augen und denke an Maja. Ich werde sie so fürchterlich vermissen. Jetzt im Moment liegt sie mit den anderen im Schwimmbad. Sie haben bestimmt Riesenspaß, schwimmen um die Wette, spritzen sich gegenseitig nass, futtern Pommes mit Mayo und danach ein Eis. Ohne mich. Ob ­irgendjemand von ihnen an mich denkt? Ob sie mich vermissen werden? Oder einfach irgendwann vergessen? Mein Bauch zieht sich zusammen. Ich bin traurig, und sauer bin ich auch.

Zum Glück versucht Mama erst gar nicht weiter, eine Unterhaltung anzufangen, sie lässt mich in Ruhe Musik hören.

Mit jedem Kilometer, den wir fahren, wird meine Laune schlechter. Da wird mein Lieblingssong »Lovely« plötzlich durch ein schrilles Piepen unterbrochen, darauf folgt Stille. Na super, ich habe tatsächlich vergessen, meine Kopfhörer aufzuladen. Auch das noch! Genervt ziehe ich die Stöpsel aus meinen Ohren und seufze.

»Oh, meine Tochter lebt«, witzelt Mama.

Ich verdrehe die Augen. »Wie lange fahren wir noch?«

»Ungefähr eine Stunde.«

»Können wir an der nächsten Raststätte anhalten? Ich muss mal.«

»Klar, ich habe schon darauf gewartet.« Mama schaut kurz zu mir rüber und grinst mich an. »Das ist auch früher schon so gewesen. Spätestens nach zweihundert Kilometern hat sich deine Blase gemeldet, wenn wir längere Strecken zurücklegen mussten. Weißt du noch?«

Als würde ich das jemals vergessen. Damals hat in der Regel mein Vater hinter dem Steuer gesessen und meine Mutter neben mir auf der Rückbank. Als ich noch klein war, waren wir nämlich eine glückliche Familie. Aber den Kommentar verkneife ich mir lieber. Dafür kann Mama nichts. Ich weiß, dass Papa es war, der uns verlassen hat, auch wenn beide behaupten, sie hätten es gemeinsam entschieden. Nur dumm, dass sie so laut darüber gestritten haben, dass ich jedes Wort mitbekommen habe. »Da müssen wir jetzt durch, du und ich«, hat Mama zu mir gesagt. »Gemeinsam schaffen wir alles.« Sie hat gut reden, im Gegenteil zu mir freut sie sich auf unser neues Zuhause. Ihre Augen glänzen, wenn sie von dem schönen alten Resthof spricht, in dem wir bald wohnen. Aber letztendlich ist es nichts weiter als ein runtergekommener Bauernhof, nur ohne Tiere – von den Hühnern im Garten mal abgesehen.

Einen kurzen Moment später fahren wir von der Autobahn ab. Es ist viel los an der Raststätte. Mama parkt das Auto im Schatten eines Campingwagens. Gleich neben uns hält eine Familie. Zwei kleine Mädchen stürmen aus dem Auto. Dicht gefolgt von einer Frau laufen sie in Richtung der Raststätte. Ihr Wagen ist bis unter das Dach voll mit Gepäck. Die anderen Leute sind anscheinend auf dem Weg in den Urlaub, irgendwohin, wo es schön ist. Ich stecke mein Handy in die Hosentasche und steige mit genervter Miene aus dem Auto.

»Soll ich mitkommen?«, fragt Mama.

»Ich bin zwölf, keine drei«, antworte ich.

Mama steigt ebenfalls aus, streckt sich, und ich stapfe allein los. Als ich weit genug weg bin, so weit, dass sie mich nicht mehr hören kann, ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche, um Maja eine Sprachnachricht zu schicken. Ich weiß, dass Maja ihres ausgestellt hat. Und dass sie es im Schließfach in der Umkleidekabine aufbewahrt. Aber sie hat mir versprochen, zwischendurch mal nachzuschauen, ob ich mich gemeldet habe.

»Ich vermiss dich«, sage ich. »So was von!« Mehr bekomme ich nicht über die Lippen, weil plötzlich ein großer Kloß in meinem Hals steckt. Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen! Nicht in der Warteschlange vor dem Klo, vor allen Leuten. Wie peinlich wäre das denn? Schnell lasse ich das Handy wieder in der Hosentasche verschwinden.

Wieder zurück im Auto lächelt mich Mama fröhlich an. »Was hältst du von Mittagessen?« Sie legt mir meine Frühstücksdose auf den Schoß. »Toast mit Nusscreme.«

So was Ungesundes gibt es bei uns selten. »Weil du ein schlechtes Gewissen hast?«, frage ich.

»Ach, Tara …«, sagt Mama und sieht auf einmal traurig aus.

Hat ja super geklappt, jetzt habe ich das schlechte Gewissen, weil ich fies war.

»Tut mir leid«, nuschele ich, klappe die Brotbox auf und schaue auf einen Doppeldecker-Toast und ein paar kleine Toast-Herzen, die Mama mit einem Keksausstecher in Form gebracht hat. Die bekomme ich normalerweise nur, wenn ich krank bin. Aber so fühle ich mich gerade auch.

»Ich hab dich lieb«, sagt sie, und wir fahren weiter.

Nach einer Weile fällt mir Maja wieder ein. Vielleicht hat sie schon geantwortet. Ich greife in meine Hosentasche und bekomme schlagartig Panik. Wo ist mein Handy? Hektisch suche ich den Sitz ab und durchwühle meinen Rucksack, auch wenn mir längst klar ist, dass ich es darin nicht finden werde.

»Wir müssen zurückfahren, Mama«, rufe ich. »Ich hab mein Handy auf dem Klo liegen lassen.«

»Tara«, schimpft Mama, »erschreck mich doch nicht so, ich fahre!« Sie linst zu mir rüber. »Du hast was?«

»Mein blödes Handy auf dem Klo liegen lassen. Ich wollte nicht, dass es aus der Hosentasche in die Kloschüssel fällt, deswegen habe ich es auf das Ding gelegt, in dem die Ersatzklopapierrollen drinstecken.«

»Das neue Smartphone, Mensch, Tara, wirklich? Das ist jetzt schon das zweite innerhalb von einem Jahr.«

»War doch keine Absicht.« Ich blinzele ein paar Tränen weg. Ohne mein Handy bin ich verloren. »Was machen wir denn jetzt? Können wir zurückfahren, bitte!«

»Na gut.« Mama seufzt. »Hoffentlich hat es jemand abgegeben.« Kurz vor der nächsten Ausfahrt setzt sie den Blinker, um dann in die entgegengesetzte Richtung wieder auf die Autobahn aufzufahren.

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Doch mein Handy ist verschwunden. Irgendeine fiese Kuh muss es gefunden haben und freut sich jetzt darüber. Die Welt ist schlecht – und mir geht es auch schlecht.

»Wie lange noch?«, brumme ich, als wir wieder auf der Autobahn sind.

»Eine halbe Stunde.« Meine Mutter macht das Radio an, sucht einen Sender und stellt tatsächlich einen ein, der Schlagerlieder spielt.

»Nicht dein Ernst!«, sage ich.

Mama grinst. »Weißt du noch, früher?« Und da fängt sie auch schon an, lautstark – und schief – Das rote Pferd zu singen.

Wenn ich könnte, würde ich mich jetzt auf der Stelle in ein anderes Universum beamen – oder besser ins Schwimmbad, zu Maja, Luca und Josy.

»Muah, Mama!« Ich schüttle den Kopf und kreuze die Arme vor der Brust, aber sie zieht es bis zum bitteren Ende durch. Singt jede Zeile mit. Total peinlich!

Maja würde sich kringeln vor Lachen. Ich stoße einen tiefen Atemzug aus, während meine Mutter auf das nächste Lied wartet.

Ich lasse Ein Bett im Kornfeld und Atemlos über mich ergehen, bevor Mama aufgibt.

»Es tut mir leid, Schatz, ich weiß, dass du sehr traurig bist.« Sie seufzt. »Aber momentan ist es einfach das Beste – vorerst.«

Ich horche auf und hake sofort nach. »Vorerst?«

»Am allerwichtigsten ist mir, dass es dir gut geht«, erklärt sie.

Das ist meine Chance!

»Und wenn nicht?«, frage ich. »Was, wenn es mir da total schlecht geht und es überhaupt nicht besser wird?«

»Dann finden wir vielleicht eine andere Lösung«, antwortet Mama ausweichend.

Yes! Ich werde einfach jeden Tag raushängen lassen, wie unheimlich traurig ich bin, wie mies es mir geht und dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mein altes Leben wiederzubekommen. Dann müssen wir wieder zurück­ziehen!

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»Wir sind da!«, sagt Mama, während wir einen holprigen Feldweg entlangfahren. »Ist es nicht wunderschön?«

»Ich bin nicht zum ersten Mal hier.« Wir haben Barbara vor ein paar Wochen schon mal auf ihrem neuen Hof besucht. Allerdings hat Mama mir dabei taktisch klug nicht mitgeteilt, dass sie vorhat, mit mir zu ihr zu ziehen. Gelangweilt schaue ich aus dem Fenster. Hier ist nichts! Und mit nichts meine ich wirklich nichts! Weit und breit sehe ich nur Felder. Bis auf einen weiteren Hof gibt es noch nicht einmal Nachbarn. Ich bin am A. der Welt!

Mama parkt den Wagen direkt vor dem alten Fachwerkhaus. Daneben steht die umgebaute Scheune, in der wir ab sofort wohnen werden. Für einen Urlaub ist es ja ganz nett …

Aber auf Dauer?

Ich öffne die Autotür, steige aus dem Wagen und quietsche laut auf. »Mist!« Ich stehe bis zu den Knöcheln in einer riesigen, matschigen Pfütze, und zu allem Überfluss läuft mir die dreckige Suppe auch noch in die Turnschuhe. Jetzt ist es offiziell. Heute ist nicht der schlimmste, heute ist der allerschlimmste Tag meines Lebens!

2.

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Das Steinzeithandy

»Da seid ihr ja endlich!« Meine Patentante Barbara stürmt mit ausgebreiteten Armen auf uns zu. Sie sieht aus wie immer, ihre kurz geschnittenen braunen Locken wippen bei jedem Schritt. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. Um ihre Augen hat sie freundliche kleine Fältchen. Sie trägt Jeans und ein lockeres Shirt mit V-Ausschnitt. Obwohl Mama und Barbara ungefähr in einem Alter sind, sieht meine Tante deutlich jünger aus. Liegt bestimmt an der Landluft. Milde lächelnd lasse ich die Begrüßungswelle über mich ergehen.

»Hallo, mein Sternchen«, sagt Barbara und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Gut siehst du aus, deine Haare sind so schön blond durch die Sonne geworden, und wie hübsch deine Sommersprossen wieder sind!«

»Danke …«, murmle ich, während ich erst den einen und dann den anderen Fuß aus dem Matsch ziehe. Ich rümpfe die Nase und versuche, zur Belustigung meiner Patentante, den Dreck von meinen Schuhen zu schütteln.

»Willkommen auf dem Land«, sagt sie und lacht.

Na, herzlichen Dank auch.

Mama und ich folgen ihr in die alte Scheune. Gleich beim Betreten merke ich, dass es angenehm kühl ist. Wenigstens etwas. Mit dem Handrücken wische ich mir den Rest Schweiß von der Stirn. Schon seit Tagen ist es sehr warm, bestes Schwimmbadwetter sozusagen.

Ich stelle meinen Koffer neben die Garderobe. Die matschigen Schuhe lasse ich samt Socken vor der Tür. Der helle Flur führt direkt in den Wohnbereich mit offener Küche. Eine große Fensterfront mit direktem Zugang zu einem kleinen Garten zieht sich entlang des Wohnzimmers. Ob man da einen Pool aufstellen kann? Moment, ich will mich hier ja nicht einrichten. Ich will zurück zu Maja. Ich lasse mich auf einen der Stühle am Esstisch fallen. Die Fahrt, die Aufregung, das Handy, die Hitze … Ich bin tierisch erschöpft, und das merke ich jetzt.

»Wollt ihr etwas trinken?«, fragt Barbara. »Ich habe schon ein bisschen für uns eingekauft. Maracuja-Schorle? Die mögt ihr doch so gern.«

Ich nicke.

Kurz darauf stellt Barbara uns die eiskalten Getränke vor die Nase. Ich nehme einen großen Schluck und seufze. Das tut gut! Während Mama und Barbara sich unterhalten, schnappe ich mir meinen Koffer und schleiche mich, vorbei an der ersten Etage, in der Mamas Schlafzimmer ist, in die zweite Etage. Hier oben unterm Dach soll mein Reich werden, nur für mich allein. Genau das brauche ich jetzt auch. Ruhe. Ich habe sogar ein eigenes kleines Badezimmer. Direkt daneben liegt mein Zimmer. Der Raum ist groß, mit weiß gestrichenen Wänden und alten Balken, die ihn ziemlich gemütlich machen. Seit unserem letzten Besuch hat Tante Barbara ein neues, großes Bett aus hellem Holz, einen Schreibtisch und ein paar Kommoden und Schränke für mich gekauft. Um den Balken, direkt über meinem Bett, hat sie eine Lichterkette mit vielen kleinen Blümchen aus transparentem Papier gewickelt. Auf dem Schreibtisch steht eine ganze Reihe leerer Bilderrahmen. Die soll ich wohl mit Fotos füllen. Direkt daneben steht eine Staffelei mit einer leeren Leinwand darauf. Die Möbel gefallen mir, was aber kein Wunder ist. Jetzt weiß ich, warum Mama wochenlang mit mir durch etliche Möbelgeschäfte getigert ist. Sie meinte, dass ich mir alles aussuchen könne, was ich brauche. Aber ich dachte, ich dürfte mein Zimmer umgestalten. Mir war nicht klar, dass es auch gleich ausgetauscht wird. Es fühlt sich an, als hätte Mama mich hintergangen. Ich wünschte, sie hätte mir direkt die Wahrheit gesagt.

Ich setze mich an den Schreibtisch und schaue aus dem Fenster. Von hier aus kann ich auf die Ställe des Nachbarhofes gucken. Mir wird schlecht. Es ist ein Pferdehof. Warum ausgerechnet ein Pferdehof? Und warum ist mir das nicht schon aufgefallen, als wir Barbara das letzte Mal besucht haben? Mies gelaunt stehe ich auf und lasse mich mit dem Gesicht voran auf die Matratze fallen, inmitten eines Meeres aus beigefarbenen Kuschelkissen. »Das kann doch alles nicht wahr sein!«

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»Tara, Schätzchen, aufwachen, es gibt Abendbrot«, flüstert Mama und streicht mir sanft über den Arm.

»Abendbrot?«, frage ich und blinzle verschlafen. »Jetzt schon?«

Mama lächelt. »Es ist neunzehn Uhr. Tante Barbara und ich haben alles vorbereitet. Hast du Hunger?«

Mein Bauch fühlt sich an, als wäre in ihm ein schwarzes Loch. Seit dem Toast im Auto habe ich nichts mehr ge­gessen, und die Nusscreme hat nicht wirklich lange satt ­gemacht. Das predigt Mama immer, wenn ich vor dem ungesunden Zeug im Supermarkt stehe, und sie hat recht, das macht sich jetzt bemerkbar. Mein Magen knurrt so laut, dass auch Mama es hören kann. Lust zu essen habe ich trotzdem nicht. »Kein Hunger«, flunkere ich.

Mama streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ach, bitte, Tara, gib dir einen Ruck.«

Sie sieht unglücklich aus. Wegen mir! Ich richte mich auf und lasse meinen Kopf gegen Mamas Schulter sinken.

»Ich hab dich lieb«, sagt sie. Bestimmt zum hundertsten Mal heute.

Die Worte kommen nur schleppend über meine Lippen. Aber trotzdem tut es gut, sie auszusprechen: »Ich dich auch.«

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Der Duft von Jasminreis und Curry steigt mir in die Nase. Mein Lieblingsessen.

»Oh, auch wieder wach?« Barbara strahlt mich an. Sie hat ihr Haar oben auf dem Kopf zu einem winzigen Zopf gebunden. Um die Hüften hat sie sich eine absolut hässliche Spongebob-Schürze gewickelt. »Hast du großen Hunger?« Sie schaufelt den dampfenden Reis aus dem Reiskocher in eine Schüssel.

Totale Bestechung, aber es funktioniert. Ich setze mich an den gedeckten Tisch.

»Lecker!« Ich kratze den letzten Rest Curry von meinem Teller. Das Essen hat tatsächlich meine Laune gebessert. Zumindest ein bisschen. »Sag mal, Mama, kann ich Maja von deinem Handy aus anrufen? Sie macht sich bestimmt Sorgen, ich habe mich seit meiner Nachricht heute Mittag nicht mehr bei ihr gemeldet. Nicht, dass sie denkt, dass uns etwas passiert ist.«

Mama lächelt geheimnisvoll. »Dafür brauchst du mein Handy nicht, Tara. Barbara und ich haben eine Überraschung für dich. Wir wollten es dir eigentlich erst nach dem Nachtisch geben. Warte, ich bin gleich wieder da.« Sie steht auf und verschwindet im Flur.

Ob sie in so kurzer Zeit ein neues Handy für mich organisiert hat? Das wäre der Oberhammer! Es muss eins sein, wieso sollte sie sonst so auf meine Frage reagieren?

Wenig später steht Mama vor mir und grinst bis über beide Ohren. Hinter ihrem Rücken holt sie eine kleine Schachtel hervor und hält sie mir direkt vor die Nase. »Bitte schön, mein Schatz. Damit kannst du Maja zumindest übergangsmäßig erreichen.«

Ich öffne die Schachtel und ziehe eine Augenbraue hoch. Was soll das denn sein? Ein Steinzeithandy? Es ist winzig, aufklappbar und mit richtigen Tasten zum Drücken. Unfassbar. Mit dem Ding komme ich nie im Leben ins Internet. »Danke«, sage ich, kann meine Enttäuschung aber kaum verstecken.

»Nun zieh doch nicht so ein Gesicht, Tara. Mein altes Handy ist top in Schuss. Es ist zwar nicht gerade das neuste Modell, du kannst aber telefonieren, und SMS schreiben geht auch. Guthaben ist schon drauf, für die nächsten Tage sollte es reichen.«

Ohne meine Apps bin ich total von der Außenwelt abgeschnitten. Vor allem aber von Maja! Ich sag ja, heute ist der allerschlimmste Tag meines Lebens!

Trotz des miesen Handys möchte ich Tante Barbara gegenüber nicht zu undankbar sein. »Vielleicht hast du ja recht«, sage ich und versuche mir einzureden, dass ein bisschen Social-Media-Urlaub gar nicht so schlimm ist. Immerhin schwören die Stars und Influencer alle darauf.

»Das hat sie auf jeden Fall«, unterstützt Mama Barbara.

»Und was heißt übergangsmäßig genau?«, frage ich.

Mamas Gesichtsausdruck wird ernst. »Nun ja … Wir haben uns da etwas überlegt.«

»Was denn?«, hake ich nach.

Tante Barbara legt den Kopf schief und lächelt mich an. »Du hast doch bestimmt schon den Gnadenhof gesehen. Er liegt gleich nebenan. Von einem deiner Fenster aus kannst du die Ställe sehen.«

»Ja … Warum?«, frage ich.

Tante Barbara schaut zu meiner Mutter, und Mama nickt. O nein, das kann nichts Gutes bedeuten.

»Heute Morgen habe ich Elli, also die Betreiberin, getroffen. Sie hat mir erzählt, dass sie ganz dringend Hilfe in den Stallungen benötigt. Deine Mutter und ich hatten die Idee, dass du in den nächsten Wochen ein bisschen aushilfst und dir so etwas Geld für ein neues Smartphone verdienst. Zumindest, solange noch Ferien sind.«

Fassungslos und unfähig, auch nur einen Ton zu sagen, schaue ich abwechselnd zwischen den beiden hin und her. Immer dann, wenn ich denke, es kann kaum schlimmer werden, setzt das Leben, oder in diesem Fall meine Mutter und Tante Barbara, noch einen drauf.

Mama weiß ganz genau, dass ich nie wieder etwas mit Pferden zu tun haben wollte! Noch bevor ich antworten kann, schießen mir Tränen in die Augen. Mir wird heiß. Vor Wut, vor Enttäuschung. Ich springe von meinem Stuhl auf, renne die Treppen nach oben, knalle die Tür zu meinem Zimmer zu und lasse mich aufs Bett fallen. Tränen laufen über meine Wangen.

Vielleicht hätte ich lieber zu Papa ziehen sollen, aber was ich will, interessiert ja niemanden. Ich klappe das Steinzeithandy auf und tippe seine Nummer in das Tastenfeld. Zum Glück kenne ich sie auswendig. Es tutet ein paarmal bevor sich seine Mailbox einschaltet. Genervt lege ich das Handy wieder zur Seite und schließe die Augen. Ich kann nicht glauben, dass Mama mich wirklich auf den Hof ­schicken will. Ich hatte mir geschworen, nie wieder etwas mit Pferden zu tun zu haben! Nicht nach Majas schlimmem Unfall. Mama weiß das. Allein bei der Erinnerung an meine Freundin wird mir ganz anders. Die Bilder habe ich nie wieder aus dem Kopf bekommen, auch wenn Maja mittlerweile wieder ganz gesund ist.

Maja sagt immer, dass ich mich davon nicht unterkriegen lassen soll und auch, dass Bounty es nicht aus Böswilligkeit gemacht hat. Sie litt unter leichten Koliken, die bis dahin unbemerkt geblieben waren. Aber Maja ist seit dem Unfall nie wieder geritten, und auch ich habe mich nicht mehr auf einen Pferderücken gesetzt. Mama meint, manchmal hat es größere Folgen, bei etwas Schlimmem zuzusehen, als wenn es einem selbst passiert. Weil man dann machtlos ist und nicht helfen kann. Das hat Mama gut erkannt. Genauso habe ich mich gefühlt, als der Unfall direkt vor meinen Augen passiert ist, machtlos und hilflos. Und ein bisschen wütend.

Ich drehe mich auf den Rücken, puste mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und seufze laut. Es ist ruhig. Hier hört man keine Autos, keine Motoren, kein Hupen. Nur zwitschernde Vögel, bellende Hunde und natürlich, was sonst … das Wiehern eines Pferdes.

3.

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Tierretterin Tara

Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. »Ja?«, sage ich.

Mama öffnet die Zimmertür einen Spaltbreit und linst herein. »Darf ich reinkommen?«

Ich nicke.

Sie setzt sich auf den Bettrand. In ihren Händen hält sie ein kleines Schälchen mit Vanillepudding und Erdbeeren. »Nachtisch«, sagt sie, lächelt schief und streckt mir die Schüssel entgegen.

»Danke.«

»Es tut mir leid«, fährt sie fort. »Ich wollte dich mit dem Gnadenhof nicht so überrumpeln. Ich dachte nur …«

»Was dachtest du?«, frage ich. »Du weißt ganz genau, dass ich mit Pferden nichts zu tun haben will!«

»Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass du durch die Arbeit vielleicht deine Angst vor Pferden ein bisschen ab­legen kannst. Du bist früher doch so unglaublich gerne geritten, Tara.«

»Aber früher ist früher, und heute ist heute«, sage ich und schiebe eine Erdbeere von der einen Seite der Schale zur anderen.

»Und das verstehe ich, mein Schatz. Aber manchmal tut es gut, sich seinen Ängsten zu stellen. Vielleicht denkst du noch einmal darüber nach. Wenn du wirklich nicht möchtest, ist das natürlich vollkommen in Ordnung. Dann finden wir eine andere Lösung, wie du wieder zu einem Handy kommst.«

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