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Milan - Das Geheimnis der Wildpferde

hier erhältlich:

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Das Wildpferd mit dem sanften Herz

Eine alte Legende der Huzulen erzählt vom Pferd mit den drei Herzen: Freundlich, schlau und mächtig leitet es seine Herde auch durch die wildesten Berglandschaften. Das klingt nach grenzenloser Freiheit und Abenteuer. Doch als die 12-jährige Mia genau so ein Wildpferd als Pflegepferd bekommt, entpuppt es sich als alles andere als das Traumpferd, das sie sich erhofft hat. Während ihre Freundinnen im Reitunterricht glänzen, muss Mia sich mit dem widerspenstigen Milan herumärgern, der so gar nichts von Dressur hält. Bei Ausritten allerdings ist Milan wie ausgewechselt, im Wald werden die beiden zum echten Team. Und langsam beginnt Mia zu verstehen, was Freiheit und Abenteuer für Milan wirklich bedeuten …

Eine uralte Legende reicht hinein bis in unsere Gegenwart: spannend, atmosphärisch und mitreißend

Erzählt von der innigen Verbindung zwischen einem Mädchen und einem Pferd aus beiden Perspektiven: Das Wildpferd selbst erzählt seine Geschichte


  • Erscheinungstag: 28.06.2022
  • Seitenanzahl: 240
  • Altersempfehlung: 10
  • Format: E-Book (ePub)
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505150050

Leseprobe

Auf einem Huzulen zu reiten

ist wie die Welt zu umarmen,

auf dem Rücken eines Huzulen

ist alles gut.

Mein besonderer Dank gilt Theres Huber,

die mir dies beigebracht hat,

und

Christine und Peter Jansen,

denn mit ihnen hat es begonnen.

Die Pferde der schwarzen Berge

In einer Welt, in der so gut wie alles entdeckt werden will, auch jedes noch so kleinste Wunder, da gibt es einen Flecken Erde, der wild ist und unberührt, wie aus einem Märchenbuch. Denn dort gibt es dunkle Wälder, die aus der Vergangenheit herrühren. Schwarze Berge, die kaum je bestiegen wurden. Glitzernde Flüsse, so rein wie fließendes Kristall.

Und doch, ein Märchen ist dieser Flecken Erde nicht. Es gibt ihn wirklich, obwohl die meisten Menschen noch nie so richtig von ihm gehört haben.

Er ist Teil eines mächtigen Gebirgszugs, den Karpaten. Dort reichen die Wälder bis zum Horizont und darüber hinaus. Fünf große Länder grenzen daran an: Ukraine, Polen, Slowakei, Rumänien und Ungarn. Doch die Menschen, die dort seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur leben, fühlen sich diesen Nationen meist nur auf dem Papier zugehörig. Im Herzen sind sie Huzulen. Eng verschmolzen mit jenem Landstrich, den sie ihr Zuhause nennen, der Huzulei.

Die Huzulen leben gern abseits der Städte, in kunstvoll verzierten Holzhäusern, weit oben in den Bergen, wo sie Landwirtschaft betreiben. Es ist nicht unüblich, dass Huzulen eines dieser typischen Bergponys besitzen, die dort halbwild leben. Schließlich gibt es in der Huzulei mehr Wiesen, Wälder und schroffe Felsen als befestigte Straßen, und da schadet ein trittsicheres, unerschrockenes Pferd nie.

Die Huzulen nennen ihre Pferde ebenfalls Huzulen, wie sich selbst. Daran lässt sich erahnen, wie sehr sich die Menschen ihren Pferden verbunden fühlen. Man sagt Huzulen-Pferden nicht umsonst eine extreme Schläue und Robustheit nach. Immerhin sind sie direkte Nachkommen des Waldtarpans. Auch mit den äußerst seltenen Przewalski-Pferden sind sie verwandt. Diese gelten als die älteste Urwildpferderasse der Welt und sind sogar auf Felsmalereien in Frankreich zu finden.

In der berühmten Chauvet-Höhle, im Flusstal der Ardèche, hat man nebst Höhlenbären und Wollnashörnern auch jene Wildpferde an Steinwänden entdeckt, die wir heute als Przewalski-Pferde kennen. Gezeichnet vor über 30.000 Jahren mit Holzkohle und Ocker. Doch während Höhlenbären und Wollnashörner längst ausgestorben sind, haben die Przewalskis bis heute überlebt, und beweist das nicht jede Menge?

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass der Huzule eine ordentliche Portion Überlebenswillen von seinen Vorfahren vererbt bekommen hat.

In der Tat erkennt man schnell, wenn man einmal das Glück hat, auf einem Huzulen zu reiten, dass da etwas Wahres dran sein muss.

So besitzt der Huzule nicht nur meist eine typische Wildpferdezeichnung wie den Aalstrich, das Schulterkreuz und die Zebrierung an den Beinen. Es ist vor allem sein Wesen, das davon erzählt, welch kostbares Blut in seinen Adern fließt.

Huzulen schaffen es hervorragend, in der rauen Wildnis zurechtzukommen, ohne auf Menschen angewiesen zu sein. Sie trotzen Wetterkapriolen, stellen sich Wölfen und wissen genau, woher sie Futter kriegen. Der Stärke ihrer untrüglichen Instinkte sind sie sich durchaus bewusst.

Huzulen sind somit nicht einfach Pferde. Sie sind vielmehr wertvolle Weggefährten, denen man stets mit Respekt begegnen sollte, wenn man das Gefühl genießen will, von ihnen sicher durch die heutige Wildnis der Welt getragen zu werden.

Und nur dann, wenn man sich auch ihren Respekt verdient, werden sie zum besten Freund, den man sich wünschen kann. Das hat dann nichts mehr mit bloßem Reitsport zu tun. Es ist so vieles mehr.

Lasst euch also von dieser wunderbaren Pferderasse verzaubern und natürlich von jener Geschichte, die mir ein Huzule eines Tages ins Ohr geflüstert hat, um sie euch weiterzuerzählen.

1

»Da war schon wieder eine Sternschnuppe. Hast du sie gesehen?« Mias beste Freundin Ally lag neben ihr im Gras, während der Nachthimmel seine mitternachtsblauen Flügel, die übersät waren von Abertausenden funkelnden Sternen, über sie ausbreitete.

Mia nickte, was Ally jedoch nicht sehen konnte, denn es war schon ziemlich dunkel geworden. Also sagte sie: »Ja, total schön. Wenn man eine Sternschnuppe sieht, darf man sich was wünschen.«

»Und? Was wünschst du dir?«

»Das darf man doch nicht verraten, sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung«, antwortete Mia und gähnte, weil es im frühlingswarmen Gras ganz schön gemütlich war.

Ihre Eltern waren bei dieser langweiligen Musikaufführung der kleinen Nervensäge Lio, und Ada war vor ein paar Wochen zum Studieren nach Hamburg gezogen. Mia hatte also endlich mal sturmfrei, was in ihrer Familie gar nicht so oft vorkam. Die perfekte Gelegenheit, mal wieder eine Übernachtungsparty mit ihrer besten Freundin zu machen. Nachts im Gras zu liegen und die Sternschnuppen zu bewundern war gemeinsam viel schöner als alleine. Und weniger gruselig war es auch, fügte Mia im Stillen hinzu, wobei sie natürlich nicht in der tiefsten Wildnis lagen, sondern bloß auf dem Rasen vor der Reihenhaussiedlung, in der sie wohnte.

»Ach, ich weiß es auch so.« In Allys Stimme lag ein Grinsen. »Es ist genau das, was ich mir selber wünsche. Aber wie soll das Universum das bitte schön wissen, wenn wir es ihm nie sagen?«

»Wie? Dem Universum?« Mia lachte.

»Klar, wem denn sonst? Dem Weihnachtsmann etwa? Eine Sternschnuppennacht ist doch tausendmal magischer als der olle dicke Mann mit Bart«, brummte Ally.

»Stimmt auch wieder«, gab Mia zu, weil es hier draußen grade wirklich wunderschön war.

Sie hatten die Lichter im Haus gelöscht und auch die Terrassenbeleuchtung, damit es dunkel genug war, um die Sternschnuppen zu sehen. Nur die Straßenlaterne warf ihr milchiges Licht über sie, und ab und an brummte ein Maikäfer vorbei. Der Frühling war in diesem Jahr spät gekommen, dafür dann umso intensiver. Schon seit Tagen hatten sie frühsommerliche Temperaturen, was Mia gerade recht kam. Sie freute sich auf den bevorstehenden Sommer, vor allem auf die Sommerferien. Bei dem Gedanken räkelte sie sich genüsslich im Gras, auch wenn es bis dahin noch dauerte.

Plötzlich sprang Ally neben ihr auf die Beine. »Mann, ich habe das Warten so satt. Deshalb sagen wir dem Universum das jetzt. Und zwar so laut, dass es uns gar nicht mehr überhören kann. Schließlich haben wir beide bald Geburtstag. Wer weiß, vielleicht geschieht ja doch noch ein Wunder. Komm, mach mit!« Sie griff nach Mias Hand und zog sie auf die Beine. Und Mia ließ es zu, weil ihre Freundin sonst ohnehin keine Ruhe geben würde. Ally konnte in solchen Dingen ganz schön hartnäckig sein.

Also streckte Mia genau wie ihre beste Freundin die Arme in die Frühlingsluft, und dabei dachte sie an die eine Sache, nach der sie sich seit Ewigkeiten sehnte, obwohl sie wusste, dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen würde. Es sei denn, ihre Eltern gewännen im Lotto oder so.

»Das ist ganz schön albern«, meinte Mia trocken.

»Darauf kommt es nicht an«, antwortete Ally streng, als wäre sie die Zeremonienmeisterin höchstpersönlich. »Halt einfach die Klappe. Sonst vertreibst du die ganze Sternschnuppenmagie noch, und dann ist alles futsch. Also, wenn die nächste kommt, okay?«

»Na gut, von mir aus.« Mit einem Seufzen gab Mia sich geschlagen, und so verbrachten sie die nächsten Minuten damit, schweigend in den Sternenhimmel zu blicken. Mit ausgestreckten Armen und übervollem Herzen, während sie darauf warteten, dass der Himmel ein weiteres Mal eine seiner kostbaren Tränen aus Sternenlicht über sie vergoss.

Und wirklich! Als ein heller Lichtstreif den Nachthimmel durchzog, fassten sich die beiden Mädchen an den Händen und riefen, so laut sie konnten: »Liebes Universum, ich wünsche mir ein eigenes Pferd!«

Hell hallten ihre Stimmen durch die Reihenhaussiedlung, und es dauerte nicht lange, bis nebenan die ersten Lichter angingen.

»Ups!« Ally kicherte und duckte sich schnell. »Jetzt wissen auch eure Nachbarn Bescheid.«

»Das ganze Universum.« Mia grinste und folgte ihrer Freundin schnell ins Haus. Hoffentlich, fügte sie in Gedanken hinzu, während sie sich gackernd hinter den Vorhängen verschanzten. Und auch wenn es albern war zu glauben, dass eine Sternschnuppe so etwas vermochte, wünschte Mia sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass es so war.

Dabei konnte sie nicht ahnen, dass ihnen das Universum tatsächlich eben Gehör geschenkt hatte.

Zumindest einer von ihnen …

2

»So, Dicker! Jetzt bekommst du ein neues Zuhause!«, sagt der Mann und hängt den Strick in mein Halfter. Ich bin mir zwar sicher, dass der Mann keine Ahnung davon hat, was ein Zuhause wirklich bedeutet. Aber so beginnt nun mal meine Geschichte.

Mit einem neuen Zuhause. Oder dem Wunsch danach.

In Wirklichkeit ist mein Zuhause weit weg. Schon lange kann ich es nicht mehr im Wind aufspüren. Trotzdem vermisse ich den Duft des alten Waldes, wo ich mit meiner Herde gelebt habe. Stattdessen kriecht mir etwas anderes in die Nüstern, als mich der Mann zum Pferdeanhänger führt.

Widerwillig schnaube ich ab, weil ich nicht wissen will, was sein Atem mir dennoch über ihn preisgibt. Wir Pferde riechen sofort, wenn etwas in der Luft liegt. Daher weiß ich auch, dass mir der Mann nicht geheuer ist.

Er stinkt nach Sorgen und Stress und nach etwas Bitterem, das die Menschen Bier nennen und sie unberechenbar macht, wenn sie zu viel davon trinken. Und tatsächlich kassiere ich prompt einen Klaps, weil der Mann denkt, dass ich mich sträube, in den Hänger zu steigen. Dabei habe ich keine Angst vor dem Ding da vor mir. Ich bin es mittlerweile gewöhnt, die Rampe hochzugehen. In letzter Zeit habe ich es oft getan. Viel zu oft, wenn man mich fragt. Aber irgendwie fragt mich keiner. Nur eines weiß ich sicher. Ich muss mal wieder fort. Wohin?

Ich habe keine Ahnung.

Ich bin ein Pferd. Ein Huzule, um genau zu sein.

Da, wo ich geboren worden bin, auf einer saftigen Wiese umringt von dunkelgrünen Wäldern, da gibt es keine Anhänger, die die Pferde mit Kutschen herumchauffieren. Da, wo ich herkomme, macht man es andersrum. Da transportieren die Pferde die Menschen.

Aber meine Heimat ist weit weg. Daher macht es mir nicht viel aus, dass mich der Mann mit dem schlechten Atem jetzt woandershin bringt. Es ist nicht schön bei ihm gewesen. Auch die anderen Pferde, die in seinem Stall mit den viel zu kleinen Boxen auf neue Käufer warteten, haben nicht glücklich gewirkt.

Es kann also nur besser werden, sage ich mir. Oder ist es mein Überlebensinstinkt, der zu mir spricht? Zumindest steige ich artig in den Hänger.

»Na, geht doch, Dicker«, brummt der Mann und schließt hinter mir die Rampe. Kurz darauf ertönt das Motorengeräusch, das meinen Körper vibrieren lässt, als würde die Erde unter mir zittern, und die Fahrt geht los. Ich kann nur hoffen, dass mein Wunsch nach einem Zuhause sich dieses Mal erfüllt.

3

Millionen von Staubkörnern schwebten im Licht der Stallgasse. Links und rechts davon reihte sich Box an Box, aus manchen war leises Schnauben zu hören. Sonst aber war es noch ruhig.

Eine angenehme Kühle schlug Mia entgegen, wie immer in den alten Gutsgemäuern, und sie holte Luft, ließ die Hitze, die der Juni mitgebracht hatte, hinter sich und sog begierig den würzigen Pferdegeruch ein. Dabei schlich sich ein Lächeln auf ihr sommersprossenbesetztes Gesicht. Dieser Duft, dachte Mia. Er schaffte es immer wieder aufs Neue, sie zu betören und alles andere vergessen zu lassen.

Nachdem sie ausgiebig Pferdeluft eingeatmet hatte, ging sie als Erstes zur Anschlagtafel. An der Pinnwand neben der Sattelkammer war außer den üblichen Suchmeldungen nach verloren gegangenen Dingen, die die Reitschüler auf dem großen Anwesen irgendwo verlegt hatten, nichts zu finden. Frau Trekany hatte die Pferdeaufteilung für die heutige Reitstunde also noch nicht ausgehängt, und Mia seufzte erleichtert auf. Das würde ihr ein paar ruhige Minuten verschaffen, ehe die anderen kamen und die herrliche Ruhe mit Kichern und Schwatzen vertrieben. Nicht dass Mia etwas dagegen gehabt hätte. Sie schwatzte ja mit.

Doch sie liebte es mindestens genauso, mal alleine mit den Pferden zu sein. Vor allem mit Pepito. Ihn vergötterte Mia, und deshalb war die gemeinsame Kuschelzeit ihr ebenso wichtig wie die wöchentliche Reitstunde selbst. Zumindest konnte sie dann für einen Augenblick so tun, als hätte sie nun ebenfalls ein eigenes Pferd hier auf Gut Birkenmühle stehen. Und nicht nur Ally …

Mist, dachte sie. Jetzt war es ihr schon wieder passiert. Schon wieder hatte sie über jene Sache gegrübelt, die in den letzten Wochen ihr ganzes Leben zu bestimmen schien, obwohl Mia das doch gar nicht wollte. Dennoch fühlte es sich so an, als säße ein giftiger Stachel in ihrem Herzen, der so lange keine Ruhe gab, bis … ja, was eigentlich?

Für dieses Problem gab es einfach keine Lösung, dachte Mia bitter. Und deshalb war es höchste Zeit, sich endlich damit abzufinden. Sie verdrängte also ihre dunklen Gedanken und ging stattdessen auf Pepitos Box zu. Leise schob sie die Boxentür auf und schlich sich ins Innere. Als sie in seine schönen dunklen Augen sah, fühlte sie sich sofort besser.

»Hallo, mein Lieber«, raunte Mia und hielt dem Hannoveraner eine Willkommenskarotte hin.

Pepito war mit Abstand das beste Schulpferd auf Gut Birkenmühle. Auf ihm zu reiten war herrlich, sodass jede Reitschülerin ihn für den Unterricht haben wollte. Obwohl nicht jede so spielend leicht mit ihm zurechtkam wie Mia. Sie und Pepito waren eben ein richtiges Dreamteam – was jedoch einem Mädchen aus der Donnerstags-Fünfzehn-Uhr-Stunde so gar nicht passte, nämlich Semira. Das blondlockige Mädchen ritt Pepito genauso gern. Und fast genauso gut! Was mittlerweile eine regelrechte Rivalität zwischen ihnen ausgelöst hatte. Aber das war nicht der eigentliche Grund, warum Mia Semi nicht ausstehen konnte.

Es lag vor allem daran, dass das Mädchen sich ständig in den Vordergrund spielen musste. Auch bei Frau Trekany. Normalerweise teilte die Reitlehrerin die Schulpferde immer gerecht ein, sodass jede von ihnen mal in den Genuss kam, auf Pepito zu reiten. Es sei denn, Semi funkte mal wieder dazwischen und quasselte so lange auf die Reitlehrerin ein, bis sie am Ende doch Pepito kriegte.

Doch daran wollte Mia jetzt ebenfalls nicht denken. Lieber legte sie den Kopf auf den Hals des fuchsfarbenen Wallachs und seufzte, während er genüsslich die Karotte mampfte.

»Ach, wenn du bloß mir gehören würdest«, murmelte sie in seine Mähne. »Dann müsste ich nicht ständig vor Neid platzen, wenn Ally zu Cookie geht. Außerdem hätte ich dann auch ein Pferd zum Liebhaben. Ist das denn so schwer zu verstehen?«

Mias Eltern rollten bei diesem Thema nur noch mit den Augen. Für Mama und Papa war die Sache einfach. Ein eigenes Pferd konnten sie sich nicht leisten, und damit hatte sich die Sache erledigt.

Pepito hingegen schnaubte freundlich, als würde er Mia recht geben, und schnüffelte dann interessiert an ihren Taschen auf der Suche nach weiteren Leckereien.

»Du verstehst mich eben«, sagte sie lächelnd. »Bei dir gelingt es mir immer zu vergessen, was nach der Sternschnuppennacht passiert ist.« Und warum ihr Leben seitdem völlig aus den Fugen geraten war.

Denn kurz darauf hatte Ally tatsächlich ein eigenes Pferd von ihren Eltern geschenkt bekommen! Es kam an ihrem Geburtstag mit roter Schleife auf Birkenmühle an, während Ally vor Freude austickte und alle anderen vor Neid erblassten.

Auch Mia, sie besonders. Zu ihrem Geburtstag hatte sie nämlich nur eine neue Reithose bekommen, obwohl sie sich doch genauso sehr ein Pferd wünschte.

Tja, und genau das war mittlerweile zu einem ziemlich wunden Punkt zwischen ihnen geworden. Noch vor ein paar Wochen waren Ally und sie die dicksten Freundinnen gewesen und hatten ständig zusammengeklebt. Besonders hier auf dem Gut, wenn sie gemeinsam Reitstunden auf den Schulpferden hatten.

Aber jetzt war alles anders. Jetzt ritt Ally Cookie Dough, wie ihr temperamentvoller Ponywallach mit vollem Namen hieß. Nicht bloß einmal die Woche. Ally konnte nun reiten, wann immer sie wollte, während Mia von der Bande aus bloß zuguckte und immer mehr zu Allys ST mutierte.

ST war Reiterjargon für jene Leute, die die ganze Arbeit rund ums Pferd machten, aber kaum zum Reiten kamen. Stalltrottel nannte man sie, und genauso fühlte sich Mia auch. Zu allem Überdruss machte Ally nämlich neuerdings die totalen Fortschritte beim Reiten – während Mia sich glücklich schätzen konnte, wenigstens eine Reitstunde pro Woche von ihren Eltern finanziert zu bekommen. Okay, manchmal auch zwei, wenn Opa Pirmin und Oma Ruth Mitleid mit ihr hatten.

Na ja, dachte sie tapfer und schüttelte aufs Neue die miesen Gedanken fort. Zumindest blieben ihr die kurzen träumerischen Momente mit Pepito. Das war auch was. Und deshalb schlang sie jetzt die Arme um ihn und schloss die Augen, als plötzlich Schritte zu hören waren. Gefolgt von einem hektischen Zischeln.

»Mia? Bist du da?«

Es war Allys Stimme. Mit Sicherheit brauchte ihre Freundin mal wieder ihre Hilfe bei Cookie. Doch Mia versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie genervt sie davon war. Stattdessen steckte sie den Kopf aus der Boxentür und rief: »Ja, hier bin ich. Was ist denn los?«

Allys dunkle Augen blitzten, als sie die Stallgasse entlang auf sie zulief. Ihre kinnlangen schwarzen Haare federten dabei frech um ihre Wangen.

»Hast du den Zettel noch nicht gesehen?«, keuchte sie, als sie vor ihr zum Stehen kam.

Mia schüttelte ihre Haare, die sie wie immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Sie waren schnurgerade und langweilig braun. Außer die Sonne schien darauf. Dann kriegten sie einen rötlichen Schimmer, der das öde Braun zum Glück etwas aufpeppte.

Allys rabenschwarze Haare hingegen schienen immer zu glänzen. Auch jetzt saß ihr Bob einfach perfekt, obwohl sie ziemlich aus der Puste war.

»Meinst du die Pferdeaufteilung für heute? Die ist noch nicht da. Ich habe eben geguckt.«

»Echt? Und da hing sonst nichts?«, murmelte Ally verdutzt. »Dann hat ihn sich bestimmt schon jemand gekrallt. War ja klar, dass nicht nur ich auf diese Idee kommen würde.« Sie schob Mia zurück in Pepitos Box und zog ein Bündel zerknüllter Zettel aus der Tasche ihrer Reithose. Dabei legte sie verschwörerisch den Finger auf ihre Lippen. »Pst! Wenn die anderen Wind davon bekommen, wird es schwierig, die Stelle zu ergattern. Deshalb habe ich sie zur Sicherheit alle mitgehen lassen, damit uns niemand zuvorkommt.« Ihre Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern. »Die hingen nämlich überall in allen Ställen der Einsteller rum. Bestimmt war auch einer hier bei den Schulpferden angebracht. Aber egal, du wirst das Pferd auch so kriegen …« Mias Freundin verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Schließlich ist dir das Universum noch einen Wunsch schuldig.«

»Was soll das denn heißen?« Hastig drehte Mia sich zu Pepito, damit Ally nicht sehen konnte, wie sehr sie die Erinnerung daran schmerzte.

»Sag bloß, du hast die Sternschnuppennacht vergessen?«, fragte Ally ungläubig.

»Ach, das«, murmelte Mia lässig, obwohl schon der bloße Gedanke daran sie zum Kochen brachte. »Du weißt doch selber, dass keine Sternschnuppe der Welt mir diesen Wunsch erfüllen kann. Meine Eltern können sich nun mal kein Pferd leisten. Grade jetzt, wo Ada angefangen hat zu studieren und Lio seinen dämlichen Saxofonunterricht kriegt.«

»Vielleicht ja doch«, sagte Ally und hielt Mia einen der zerknüllten Zettel unter die Nase. »Lies erst mal.«

Also gut, dachte sie. Als sie die Zeilen überflog, fing ihr Herz vor Aufregung zu hüpfen an und ihre Augen wurden riesig. Jetzt verstand sie, warum Ally so aus dem Häuschen war. Denn dort stand:

Gesucht wird eine Pflegehilfe für ein Beistellpferd

Kostenloses Reiten nach Absprache möglich,

dafür Mithilfe im Offenstall verpflichtend

Bei Interesse bei Hr. Carl melden

Mia klappte vor Staunen der Mund auf. Herr Carl war niemand Geringerer als der Gutsbesitzer von Birkenmühle höchstpersönlich. Bevor er in Rente gegangen war, hatte er jahrelang Polizeipferde auf dem Gut ausgebildet, ehe er schließlich einen Reit- und Einstellbetrieb daraus machte. Herr Carl war als Pferdeausbilder so erfolgreich gewesen, dass ihm das den Spitznamen Admiral eingebracht hatte. Mia fand, dass der gut zu ihm passte. Sie hatte zwar noch nie persönlich ein Wort mit ihm gewechselt, doch wenn sie ihn ab und an über den Gutshof schreiten sah, wirkte Herr Carl tatsächlich wie ein Admiral. Umso seltsamer war es, dass ausgerechnet er Hilfe bei einem Pferd brauchte …

»Ehrlich? Der Admiral sucht eine Betreuung für eines seiner Pferde?«, murmelte sie verblüfft.

Ally nickte. »Und das Beste daran ist, dass es gar nichts kostet. Ist das nicht mega?«

»Ja«, gab Mia überrascht zu und schaffte es endlich, Ally in die Augen zu sehen. Ein Lächeln schlich sich zu ihren Sommersprossen. »Und du hast sie wirklich alle abgerissen, damit sich sonst niemand auf die Stelle melden kann?«

»Dafür sind beste Freundinnen doch da.« Ally grinste und stupste Mia in die Seite. »Ich weiß doch, wie mies das alles für dich geworden ist, seitdem ich Cookie habe …«

»Dafür kannst du nichts«, sagte Mia schnell, ehe schon wieder die trüben Gedanken über sie herfielen. Aber vielleicht hatte das jetzt endlich ein Ende und das Universum hatte nun auch sie erhört?!

Es musste schließlich nicht gleich ein eigenes Pferd sein. Ein Pflegepferd, das sie lieben und reiten konnte, war genauso gut. Wenn nicht noch besser, denn es würde ja nichts kosten. Auch wenn es zugleich bedeutete, dass Mia im Gegenzug dafür die Mistgabel schwingen musste. Aber damit hatte sie kein Problem. Sie arbeitete gern mit Pferden und half sowieso immer, wenn es auf dem Hof etwas zu tun gab.

»Komisch«, murmelte Mia, als sie die Zeilen noch mal überflog. »Wo gibt es auf Birkenmühle einen Offenstall? Hier sind doch nur Ställe mit Boxenhaltung.«

»Ja, das habe ich mich auch gefragt«, gab Ally zu und kraulte Pepitos Hals, der nun ebenfalls interessiert an den Zetteln schnupperte. »Aber wir können doch nicht alle Pferde kennen. Es stehen ja beinah hundert hier. Das hat mir Fritzi mal erzählt. Und die muss es ja wissen, wo sie sich doch mit dem stillen Bernhard um alle Pferde kümmert.«

Plötzlich war Stimmengemurmel zu hören.

»Steck den bloß weg«, zischte Ally, und im nächsten Moment traten die anderen Mädchen auch schon in die Stallgasse. »Wenn die Meute was von dem hier mitkriegt, haben wir ein Problem.« Wie ein Spion spähte sie durch die Boxenstäbe.

Mia folgte Allys Blick. Die anderen Reitschülerinnen gingen soeben auf die Anschlagtafel zu. Allen voran Semi. Kaum hatte die Reitlehrerin den Schulstall betreten, begann Mias Erzfeindin wild auf sie einzuquasseln.

»Shit«, stöhnte Mia und rollte mit den Augen. »Goldlöckchen kaut Frau Trekany schon wieder ein Ohr ab, um Pepito zu kriegen, wetten?!«

Ally zuckte mit den Schultern. »Lass sie doch. Mit ein bisschen Sternschnuppenglück hast du bald dein fast eigenes Pferd. Und damit das auch klappt, gehen wir gleich nach der Reitstunde zum Admiral, ehe uns jemand zuvorkommt, gebongt?«

»Echt? Gleich nach der Reitstunde?«, japste Mia überrumpelt. »Wäre es nicht besser, wenn ich mich … na ja … irgendwie drauf vorbereite oder so …«

»Willst du ihm die Reitbahnregeln aufsagen, oder was?« Ally grinste breit.

»Haha, sehr witzig«, murrte Mia. Ally hatte leicht reden. Nicht nur, dass ihr Wunsch längst in Erfüllung gegangen war. Es war auch so, dass sie stets die Mutigere von ihnen beiden war. Ally würde nicht lange fackeln. Und schon gar nicht würde sie sich von jenen Gruselgeschichten vom Kurs abbringen lassen, die man sich in Wolpar über Herrn Carl erzählte.

Mia hingegen wollte lieber gründlich über alles nachdenken, ehe sie etwas unternahm, und am liebsten hätte sie das auch jetzt getan. Doch dann hörte sie, wie ein paar Wörter über die Stallgasse zu ihnen herüberschwebten, die Semi und Frau Trekany miteinander wechselten. Von Offenstall und Reitbeteiligung war die Rede, und im nächsten Moment zog Semi genau jenen Zettel hervor, den auch Ally in ihrer Reithosentasche stecken hatte.

Frau Trekany schüttelte den Kopf und deutete hinüber zur alten Mühe, die Herr Carl bewohnte.

»Mist«, fluchte Ally. »Es war also Semi, die sich den Zettel aus dem Schulstall gekrallt hat.«

»Auch das noch!« Mia stöhnte auf. »Die hat mir gerade noch gefehlt. Semi ist genauso scharf auf ein eigenes Pferd, und unfair ist sie noch dazu. Außerdem reitet sie schon viel länger hier als ich.«

»Eben!« Auf Allys Gesicht schlich sich mal wieder ihr typisches Ally-Grinsen, das sich von nichts und niemandem erschüttern ließ. Schon gar nicht von Goldlöckchen. »Du sagst es! Semi reitet schon viel länger hier, und trotzdem bist du längst besser im Sattel als sie. Keine reitet Pepito so wie du.«

»Meinst du wirklich?« Mia sah ihre Freundin unsicher an.

Ally nickte heftig. »Warum, glaubst du, macht sie so einen Terror? Die ist voll eifersüchtig. Aber egal. Solange wir vor ihr beim Admiral sind, ist alles gut. Dieses Mal bist du dran, und nichts wird uns davon abhalten, hörst du?«

Da konnte Mia nicht anders. Sie umarmte ihre Freundin, und das fühlte sich richtig gut an. »Du kommst doch nachher mit, oder? Ohne dich traue ich mich nie, Herrn Carl anzusprechen.«

»Dafür sind beste Freundinnen da«, sagte Ally noch einmal.

4

Nervös suchte Mia das Gelände mit ihren Augen ab. Von Ally fehlte jede Spur, obwohl sie vorhin extra ausgemacht hatten, sich gleich nach der Reitstunde hier zu treffen.

Doch je länger Mia das altehrwürdige Gebäude anstarrte, desto unsicherer wurde sie. Dabei konnte sie sich keine zittrigen Knie leisten. Jetzt, wo alles auf dem Spiel stand! Was sollte Herr Carl von ihr denken? So würde er ihr niemals zutrauen, mit einem Pferd alleine klarzukommen.

Ungeduldig ließ sie erneut den Blick über den Hof schweifen. Gleich neben der Mühle wuchs eine mächtige Trauerbirke, die dem Gut ihren Namen verlieh. Ihre Äste waren so lang, dass sie bis zum Boden reichten und sanft in der Frühsommerbrise schaukelten.

Davor lag der große Kiesplatz. Er mündete in den weitläufigen Wirtschaftstrakt ein, in dem sich die Pferdeställe befanden und daneben die Reithalle. Dahinter das Viereck, der Longierzirkel und noch weiter hinten der Springplatz und die Galoppbahn. Von Letzterer träumte Mia schon ewig. Doch Frau Trekanys Unterricht fand ausschließlich in der Reithalle statt, als Reitschülerin hatte sie keine Chance, sie auszuprobieren.

Na ja, bis jetzt …, dachte Mia. Doch wenn Ally weiter so trödelte, würde sie nie wissen, was für ein Gefühl es war, mit einem Pferd über die Galoppbahn zu donnern. Wie lange konnte es denn dauern, Cookie abzusatteln? Sie hatte für ihr Schulpferd ja auch keine halbe Stunde gebraucht. Wenn Ally jetzt nicht sofort auftauchte, würde Semi am Ende doch schneller sein … Und dann würde Mia in Zukunft nicht nur ihre Freundin beneiden müssen, sondern auch das dämliche Goldlöckchen.

Mia schüttelte sich. Der Gedanke war so schrecklich, dass sie überlegte, doch alleine zum Admiral zu gehen. Aber dazu fehlte ihr schlichtweg der Mut. Um den Gutsbesitzer rankten sich echt seltsame Geschichten, und auch wenn Mia denen nicht allzu viel Glauben schenkte, waren sie gruselig. Herr Carl galt als ziemlich eigensinnig, wenn es um seinen Grundbesitz ging. Zu Gut Birkenmühle gehörte nicht nur das große Anwesen mit den Stallungen, sondern auch einiges an Land. Wie der riesige Wald, der sich hinter der Mühle auszustrecken begann und bis weit über den Horizont reichte.

Vor einigen Jahren waren deswegen sogar einige Demos in der Innenstadt angezettelt worden. Denn der Admiral weigerte sich, sein Gelände für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Niemand durfte diesen Wald je betreten, dabei wäre er für die Menschen aus Wolpar das ideale Erholungsgebiet gewesen.

Doch der Admiral blieb hart. Er ließ sogar alle Forststraßen mit Schranken abriegeln und drohte jedem, der es dennoch wagen sollte, einen Fuß in den Klabauserwald zu setzen, mit einer saftigen Klage. So hieß der geheimnisvolle Wald nämlich. Klabauserwald.

Schon alleine sein Name klang mysteriös, fand Mia. Und wohl nicht nur sie, denn seit seiner Aktion hatten die Leute sich ordentlich das Maul darüber zerrissen, warum Herr Carl so vehement darauf bestand, dass niemand diesen Wald betrat. Mit der Zeit wurden die Behauptungen immer abstruser, immer wilder, bis irgendwann jeder in Wolpar der Meinung war, dass an den Gerüchten was dran sein müsse. Vor allem, weil im Wald tatsächlich manchmal merkwürdige Dinge passierten …

Dabei sah die historische Mühle, in der Herr Carl wohnte, gar nicht so furchterregend aus. Bunte Blumen blühten vor den Fenstern, und eine Katze schlief auf der Gartenbank. Wer bei dem Anblick der Mühle jedoch das Windrad vermisste, wurde schnell eines Besseren belehrt, wenn man mal das Glück hatte, Fritzi oder dem stillen Bernhard helfen zu dürfen, die Schulpferde von der Weide zu holen. Auf der Rückseite der Mühle fingen nämlich die Koppeln an, und der Klabauserwald erstreckte sich ins Unendliche. Dort gurgelte auch der Mühlenbach, in dessen Bachbett noch das alte Mühlenrad hing. Birkenmühle war also eine waschechte Wassermühle. Opa Pirmin hatte Mia mal erzählt, dass das Wasserrad sogar noch funktionierte … Doch war das im Moment nicht völlig schnuppe?

Mia wusste, dass sie mit ihren Überlegungen bloß Zeit schinden wollte. Dabei war es lächerlich, so feige zu sein. Es war nichts Falsches daran, sich auf eine Stelle zu melden, die Herr Carl selbst ausgeschrieben hatte. Was hatte sie schon Großartiges zu verlieren, wenn sie einfach alleine zu ihm ging? Mehr als ein Nein konnte sie nicht kassieren. Außer dass sie, wenn sie weiterhin so duckmäuserisch war, nie zu etwas kommen würde. Wollte sie sich diese einmalige Chance wirklich entgehen lassen, nur weil sie – Mia Simmerlang, zwölf Jahre alt und oberschüchtern, wenn es drauf ankam – mal wieder nicht in die Gänge kam?

»Ganz sicher nicht«, murmelte sie und straffte die Schultern. Es war an der Zeit, auch mal was ohne Ally zu wagen. Vielleicht sogar höchste Zeit! Außerdem würde das Universum ihr mit Sicherheit nicht so schnell eine weitere Chance schicken, und die vielen Gerüchte um Herrn Carl interessierten sie eigentlich gar nicht.

Mia gab sich also einen Ruck und steuerte auf die alte Mühle zu, da tauchte wie aus dem Nichts Ally vor ihr unter den hängenden Ästen der Trauerbirke auf. Ihre Wangen glühten, als wäre sie schnell gelaufen. Doch Mia war zu erleichtert, um sich Gedanken darüber zu machen, woher Ally so plötzlich gekommen war.

»Da bist du ja endlich«, rief sie. »Ich wollte schon ohne dich los–«

»Semi war schneller als wir«, unterbrach ihre Freundin sie schnaufend. »Ich habe die beiden vorhin gesehen, wie sie die Reithalle umrundet haben. Semi muss den Admiral im Stall abgefangen haben. Also bin ich ihnen gefolgt, um dem Admiral zu sagen, dass du ebenfalls Interesse an dem Pflegepferd hast. Nicht nur sie«, sprudelte es aus Ally heraus. »Oh Mann! Du hättest ihr Gesicht sehen sollen. Am liebsten hätte sie mir die Augen ausgekratzt.« Sie grinste schief und griff nach Mias Hand, um sie unter die Trauerbirke zu ziehen. »Schnell! Sie warten auf uns. Je eher wir dort sind, umso weniger Zeit hat Semi, den Admiral weichzuquatschen.«

»Ach, deshalb hat das so lange gedauert«, stammelte Mia, als sie ihrer Freundin hinterherstolperte. »Aber warte mal! Wohin gehen wir? Hier dürfen wir gar nicht sein.« Panik überflog sie, als Mia erkannte, dass Ally geradewegs auf die Mühle zusteuerte. Und die war nun mal auch privat, genauso wie der Klabauserwald.

»Doch, das geht schon in Ordnung«, meinte Ally nur. »Der Admiral hat gesagt, dass ich den Weg hier nehmen soll, weil es so viel schneller geht als außen rum.«

Schon liefen die beiden durch die Äste der Trauerbirke, und Ally folgte einem Gartenweg, der Mia bisher nie aufgefallen war. Doch jetzt sah sie, dass sich darüber ein Torbogen befand, der die Mühle mit den Stallungen verband. Hinter dem Torbogen lag der Mühlengarten, der von allen Seiten umschlossen war wie ein Innenhof. Eine riesige Engelsstatue aus weißem Marmor thronte in der Mitte des Gartens, als wären sie auf einem Friedhof gelandet oder so. Das war schon etwas seltsam, doch Mia hatte keine Zeit, sich länger umzusehen. Schnell überquerten sie eine schmale Brücke, unter der der Mühlenbach gurgelte.

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