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1000 Wünsche hast du frei

hier erhältlich:

Niemand auf der Tropeninsel weiß, in welchen Skandal Juliette verwickelt war. Sie will nur vergessen, am liebsten in den Armen von Doug. Er ist zärtlich, leidenschaftlich - und ein neugieriger Reporter!


  • Erscheinungstag: 10.02.2012
  • Seitenanzahl: 120
  • ISBN/Artikelnummer: 9783862789658
  • E-Book Format: ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carly Phillips

Wo Träume wahr werden

1000 Wünsche hast du frei

PROLOG

Merrilee Schaefer-Weston blätterte in den gerade eingetroffenen Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. Der Ordner enthielt detaillierte Informationen über Juliette Stanton – ihre Vorlieben, Abneigungen, Kleider- und Schuhgröße. Alles, was zur Vorbereitung nötig war, um die heimlichen Fantasien einer Frau wahr werden zu lassen. Juliette Stanton, die Tochter des allseits geachteten Senators Stanton, war unfreiwillig zu einer Person des öffentlichen Interesses geworden, dank des Skandals um ihre in letzter Minute geplatzte Hochzeit mit Stuart Barnes. “Chicagos Braut, die sich nicht traut”, so nannte die Presse sie.

Merrilee las Juliettes Antwort auf die erste Frage, die sie allen Kunden stellte: Was ist Ihre ganz spezielle Fantasie? Denn genau darum ging es bei ihrer Reiseagentur “Fantasies, Inc.”. Auf den vier luxuriösen Urlaubsinseln, die dem Unternehmen gehörten, drehte sich alles darum, die geheimen Wünsche der Gäste zu erfüllen.

Die Antworten der Gäste auf die Frage nach ihren persönlichen Fantasien waren meistens recht allgemein gehalten. In Juliette Stantons Fall lautete sie: “Ich wünsche mir, von einem ganz besonderen Mann verwöhnt und begehrt zu werden. Ich möchte mich geliebt fühlen, im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stehen und den Schmerz einer aufgelösten Verlobung vergessen.”

Obwohl sie Juliette nur das geben konnte, was sie suchte, bemühte sich Merrilee doch immer, noch einen Schritt weiter zu gehen, indem sie ihren Gästen ein Happy End bereitete, das ihr selbst verwehrt geblieben war.

Jemand klopfte an ihre Tür. Sie stand auf. “Herein.”

Die Tür wurde geöffnet, und ein großer, imposanter Mann betrat den Raum. “Mr. Houston?” Auf sein Nicken hin bedeutete sie ihm, näher zu treten. “Ich bin Merrilee Schaefer-Weston. Willkommen auf Secret Fantasy. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.”

Er machte es sich in dem Sessel vor ihrem Schreibtisch bequem. “Ausgezeichnet. Nennen Sie mich bitte Doug.” Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln, das bei jeder jüngeren Frau sicher Wunder wirkte.

Merrilee faltete die Hände auf dem Tisch und kam gleich zur Sache. “Ich nehme an, Sie haben eine Fantasie, die Sie ausleben möchten?”

“Hat das nicht jeder?”

“Allerdings. Und davon lebt mein Unternehmen.” Obwohl er lachte, registrierte Merrilee die zögernde Bereitschaft ihres Besuchers, über sich zu reden. “Möchten Sie die Insel lieber erst besichtigen, bevor Sie mir von Ihrer Fantasie erzählen?”

Doug schüttelte den Kopf und rutschte unbehaglich in seinem Sessel herum. “Ich bin Reporter bei der “Chicago Tribune”.”

Interessant, dachte Merrilee. Und als er ihr in die Augen sah, erkannte sie, dass sein Unbehagen echt war. “Bitte fahren Sie fort.”

Er räusperte sich. “Ich habe eine Beziehung hinter mir, die unglücklich endete. Ich war in den letzten zwei Jahren mit einer Frau zusammen, aber nicht bereit zu heiraten. Nur habe ich ihr das nicht gesagt.” Er fuhr sich durch die schwarzen Haare. “Dennoch, ich dachte, alles liefe gut. Leider kann der Schein manchmal trügen.”

“Und Beziehungen können manchmal sehr kompliziert sein.”

“So ist es.”

Merrilee nickte, denn sie verstand ihn besser, als er dachte. Sie sah auf den schmalen, mit Rubinen besetzten Goldreif an ihrem Ringfinger – das Symbol einer Liebe, die durch den Vietnamkrieg jäh beendet wurde. Ihr Leben war nicht so verlaufen, wie sie es geplant hatte, aber wessen Leben tat das schon, wenn das Schicksal es anders wollte? “Welchen Bezug hat Ihre jüngste Vergangenheit zu Ihrem jetzigen Wunsch?” fragte sie Doug.

“Meine Expartnerin und mich verband Arbeit und Vergnügen. Wir verstanden uns ausgezeichnet, und da sie sehr gute Verbindungen zu gewissen gesellschaftlichen Kreisen besaß, traute ich ihren Informationen.” Er schüttelte frustriert den Kopf.

“Ich nehme an, sie war nicht zuverlässig?”

“Sie war zuverlässig, bis sie mich rundheraus fragte, wann ich bereit sein würde, sie zu heiraten. Das war ich nicht. Sie schien es aber zu akzeptieren. Zumindest dachte ich das. Wie sich herausstellte, war sie von da an der Ansicht, ich würde sie benutzen, um an bestimmte Storys heranzukommen. Daher fütterte sie mich mit Informationen, doch als die Story veröffentlicht war, stellte sich plötzlich heraus, dass sie auf falschen Tatsachen beruhte.” Er grinste schief. “Die typische Rache einer verschmähten Frau.”

“Und wie denken Sie heute darüber? Ich meine, haben Sie Ihre Geliebte benutzt?”

Doug überlegte. Dass er nicht sofort mit Nein antwortete, zeigte Merrilee, dass er die Wahrheit ebenso sehr schätzte wie sie.

Er seufzte leise. “Damals hätte ich diese Frage verneint. Rückblickend nehme ich jedoch an, dass mir die Beziehung zu einem großen Teil deshalb so reizvoll erschien, weil ich so Einblick in gewisse gesellschaftliche Kreise erhielt.”

Merrilee musste seine Aufrichtigkeit anerkennen und nickte verständnisvoll. “Und jetzt sind Sie hier. Bitte verraten Sie mir, was Ihre Fantasie ist.”

Er beugte sich vor. “Ich möchte wieder gutmachen, was ich getan habe. Ich möchte mir wieder im Spiegel ins Gesicht sehen können.” Er holte tief Luft. “Ich muss wissen, dass ich die Bedürfnisse einer Frau über meine eigenen stellen kann.”

“Sie bitten mich also …”

“… mich mit Juliette Stanton, ‘Chicagos Braut, die sich nicht traut’, zusammenzubringen. Ich weiß, dass sie einen Aufenthalt hier gebucht hat.”

Merrilee kniff die Augen zusammen. “Woher wissen Sie das?” Denn wenn er sich die Mühe gemacht hatte, Juliette aufzustöbern und Informationen zusammenzutragen, die andere Reporter nicht hatten, würde er möglicherweise sowohl ihr als auch Juliette Stanton nichts als Ärger bereiten.

“Durch einen Tipp von jemandem, der der Ansicht war, ich sollte es wissen. Sehen Sie, die Story, von der ich Ihnen eben erzählte, betrifft Juliette Stantons Verlobten. Ich kann einfach nicht glauben, dass ihre Flucht so kurz vor der Trauung reiner Zufall gewesen ist oder auf einer momentanen Laune beruht. Die Klatschspalten machen sich lustig über sie, und die Radiostationen veranstalten Wetten über die Gründe, weshalb sie aus der Kirche gerannt ist. Mein Gefühl sagt mir, dass die Frau in ihrem Innersten verletzt ist und ich der Grund dafür bin. Ich will ihr helfen, darüber hinwegzukommen.”

“Und was ist mit Ihrem journalistischen Instinkt? Woher weiß ich, dass Sie nicht einfach über sie berichten wollen, so wie alle anderen Reporter? Woher weiß ich, dass Sie die Informationen nicht für einen Artikel benutzen werden? Merrilees Ruf als diskrete Reiseveranstalterin sowie Juliettes Wohlbefinden hingen von seiner Aufrichtigkeit ab. Merrilee beobachtete Doug prüfend, damit ihr keine Regung, die sich in seinem Gesicht zeigte, entging.

Doch er hielt ihrem Blick stand. “Sie wissen es nicht. Jeder Mann, mit dem Sie sie zusammenbringen, könnte dieselben Informationen über sie herausfinden und sie gegen sie verwenden, ob er nun Reporter ist oder nicht.”

Merrilee nickte, da er Recht hatte. Theoretisch konnte jeder die Gründe dafür aufdecken, weshalb Juliette die Hochzeit hatte platzen lassen, und sie veröffentlichen, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen. Dessen musste sich Juliette bewusst sein, wenn sie ihre Fantasie auslebte. Sie hatte keine Einschränkungen gemacht, was den Mann betraf, mit dem sie ihre Fantasie ausleben wollte. Merrilee neigte den Kopf und wartete, dass Doug fortfuhr.

Er enttäuschte sie nicht. “Hören Sie, ich bin Ihnen gegenüber vollkommen ehrlich, und ich gebe Ihnen mein Wort – ich habe nicht vor, ihr wehzutun.”

Merrilee nickte langsam. “Verraten Sie mir eines, Doug. Glauben Sie an ewige Liebe?” Merrilee musste mehr über Doug Houstons Charakter und Absichten erfahren, bevor sie sich einverstanden erklärte, ihn mit Juliette Stanton zusammenzubringen.

Er zog die Brauen zusammen, und seine Miene wurde angespannt. “Ja, Ma’am, das tue ich. Meine Eltern feiern dieses Jahr ihren vierzigsten Hochzeitstag.”

“Das ist wundervoll, aber eine ausweichende Antwort. Nicht, dass mich das überrascht, schließlich sind Sie Reporter. Aber was ich wissen will, ist, ob Sie es für möglich halten, eine solche Liebe selbst zu erleben?”

“Wenn ich eines Tages die richtige Frau treffe und sie mich so nimmt, wie ich bin, dann ja.” Er blickte Merrilee unverwandt an. Dann stand er auf, offenbar zufrieden darüber, seinen Standpunkt dargelegt zu haben. “Ich werde Ihre Zeit nicht länger beanspruchen. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie über meine Bitte nachdenken und sich bei mir melden würden.”

“Das werde ich.” Merrilee stand ebenfalls auf und schüttelte Doug die Hand, bevor er ging.

Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte sie sich wieder, faltete die Hände über Juliette Stantons Akte und dachte nach. Merrilee war schon lange in diesem Geschäft, und ihre Entscheidungen beruhten auf Erfahrung, Instinkt und Vertrauen. Sie konnte Doug Houstons Bitte abschlagen. Dieses Risiko war er eingegangen, indem er seine Karten offen auf den Tisch gelegt hatte. Oder sie konnte das Schicksal entscheiden lassen.

Juliette brauchte Trost. Doug brauchte die Chance, Wiedergutmachung für seinen Fehler zu leisten. Vielleicht würde er dann erkennen, dass Menschen wichtiger waren als eine Karriere.

Und dass Liebe das Wichtigste von allem war.

1. KAPITEL

“Zupf den Rock zurecht. Er ist am Saum umgeschlagen.” Juliette Stanton seufzte, strich den Jeansminirock glatt, den sie sich von ihrer temperamentvolleren Schwester geliehen hatte, und zupfte ihr weites Baumwolltop zurecht, das ihr an einer Schulter heruntergerutscht war. “Das ist absoluter Wahnsinn.” Sie zog den Reißverschluss ihres Koffers zu und drehte sich zu Gillian, ihrer Zwillingsschwester, um. “Sag mir noch einmal, wieso du dein hart erspartes Geld ausgegeben hast, damit ich Urlaub machen kann.” Juliette liebte ihre Schwester sehr, aber sie wollte nicht, dass sie sich ihretwegen Sorgen machte, nur weil sie gerade eine schwierige Zeit durchlebte. Juliette überprüfte den Namensanhänger ihres Koffers, murmelte etwas und wartete nicht auf Gillians Antwort. “Sosehr ich die Geste auch zu schätzen weiß – ich will keinen Urlaub. Ich brauche keinen. Ich muss einfach nur wieder in mein altes Leben zurückfinden.”

Gillian lachte. “Absolut richtig. Du sollst dein Leben wieder genießen, und genau aus diesem Grund machst du diese Reise.” Sie stemmte die Hände in die Hüften und zerknitterte auf diese Weise den cremefarbenen Hosenanzug, den sie sich von Juliette geborgt hatte. Die Zwillinge hatten heimlich die Rollen getauscht, als Teil eines sorgsam ausgearbeiteten Plans, damit Juliette den Reportern entfliehen und unbemerkt zum Flughafen gelangen konnte.

Juliette warf ihrer Schwester einen verärgerten Blick zu, doch ihr Ton wurde sanfter. “Ich mache diese Reise, weil du sie für mich arrangiert hast.”

“Und du musst zugeben, dass es verlockend ist, der Boulevardpresse und den Gerüchten zu entfliehen”, fügte Gillian hinzu.

Da ihre Schwester natürlich Recht hatte, drückte Juliette sie an sich.

“Du weißt, dass ich dich liebe”, sagte Gillian.

Das wusste Juliette. Ohne die Unterstützung ihrer Zwillingsschwester hätte sie die letzten Wochen nicht überstanden. Seit dem Tag, an dem Juliette aus der Kirche geflohen war, hatten die Reporter sie rücksichtslos verfolgt und sowohl Juliettes Haus als auch Gillians Apartment observiert, in der Hoffnung auf einen Bericht über die geflohene Braut. Aber niemand außer Gillian und dem Bräutigam wusste, wieso Juliette die Hochzeit hatte platzen lassen.

Und niemand sonst würde etwas davon erfahren. Zumindest nicht eher, bis sie herausgefunden hatte, wie sie ihren Vater schützen konnte, damit er sich ohne Schädigung seines guten Rufs aus dem Senat zurückziehen konnte. Danach konnte die Presse ruhig über Stuart Barnes herfallen und sich über seine schmutzigen Geschäfte verbreiten.

“Hast du etwas von dem Mistkerl gehört?” fragte Gillian, schnappte sich ein Kissen und setzte sich.

Juliette schüttelte den Kopf. Die aufsteigenden Gefühle schnürten ihr die Kehle zu. Obwohl sie keinesfalls behaupten konnte, dass sie Stuart geliebt hatte, war ihre Beziehung doch angenehm und sicher gewesen, wenn auch sehr oberflächlich, wie ihr inzwischen klar war.

Rückblickend erkannte sie ganz genau die Gründe für diese Beziehung. Es waren zwei einfache Gründe. Sie liebte ihre Mutter und ihren Vater, deren liebevolle Beziehung für sie das Ideal war. Sie waren wunderbare Eltern, denen es gelungen war, eine intakte Familie zu haben, obwohl sie ein Leben in der Öffentlichkeit führten. Juliette wollte ein harmonisches Familienleben und eine glückliche Ehe, wie ihre Eltern sie hatten. Sie hatte geglaubt, diesen Traum mit Stuart verwirklichen zu können, den sie seit ihrer Kindheit kannte.

Und dann war da der zweite Grund, weshalb sie sich verlobt hatte – der, den sie sich nur ungern eingestand. Zwar hatten weder ihre Mutter noch ihr Vater sie je darum gebeten, sich zu opfern, doch hatte sie stets die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Vielleicht weil Gillian die Wildere von beiden gewesen war, hatte Juliette, die wenige Minuten Ältere, die Rolle der Vernünftigen übernommen. Als Stuart seine Absichten bekundete, hatte sie sofort zugestimmt. Nachdem ihr kurz vorher ein Mann wehgetan hatte, der mehr am Namen und den Verbindungen ihres Vaters interessiert gewesen war, war ihr Stuart, der immer zu ihrem Leben gehört hatte, als eine sichere Wahl erschienen. Und weil ihre Eltern ihn mochten und ihm vertrauten, waren sie begeistert und verkündeten, sie hätten schon die ganze Zeit gewusst, dass Stuart und Juliette zusammengehörten.

Aber sie gehörten nicht zusammen, und wenn Juliette genau hingesehen hätte, wären ihr die Zeichen auch nicht entgangen. Doch sie hatte ihre Beziehung nie in Frage gestellt, nicht einmal den lauwarmen Sex, für den sie sich insgeheim die Schuld gab. Ihre vorangegangene unglückliche Affäre hatte ihr Selbstbewusstsein in dieser Hinsicht nicht gerade gestärkt. Möglicherweise hätte sie bei genauerer Betrachtung rasch festgestellt, dass sie ihren Fehler nur wiederholte. Stuart strebte nach Einfluss, und das hieß für ihn, er wollte ihrem Vater im Amt folgen, sobald dessen Senatorensitz frei wurde. Mehr wollte er nicht. Juliette begehrte er nicht, sie war für ihn nur ein Mittel zum Zweck.

“Erde an Juliette.” Gillian schnippte mit den Fingern.

Juliette schüttelte den Kopf. “Entschuldige. Ich denke zu viel nach. Nein, seit dem Streit in der Kirche habe ich nichts mehr von ihm gehört. Aber was soll er auch schon sagen? ‘Danke, dass du mir die Presse vom Hals hältst, damit ich im November den Platz deines Vaters im Senat übernehmen kann.’?”

Gillian schnaubte angewidert. “Er könnte sagen: ‘Ich bin ein Mistkerl.’ Das wäre zumindest ein Anfang.”

“Da stimme ich dir zu. Und da er gedroht hat, Dad mit in die Sache hineinzuziehen, vertraut er darauf, dass ich den Mund halte.” Stuart war der Protegé ihres Vaters gewesen, der von ihm selbst auserwählte Nachfolger für sein Amt. Wenn Stuarts Machenschaften ans Licht kamen, würde das den Ruf ihres Vaters schädigen und einen Schatten auf seine ganze Amtszeit werfen.

Gillian biss die Zähne zusammen. “Er spekuliert auf deine Liebe zu Dad.”

Juliette lachte bitter. “Da hast du Recht.” Sie hatte geglaubt, dass Stuart und sie, basierend auf den Jahren ihrer Freundschaft, eine liebevolle und rücksichtsvolle Beziehung führten. Selbst als die Presse über den Skandal berichtete und man Stuarts Geschäftspartner, dem Kongressabgeordneten Haywood, vorwarf, mit Hilfe von Coffee Connections, ihrer Import-Export-Firma, Mafiageld zu waschen, hatte sie den Beteuerungen ihres Verlobten geglaubt. In diesem Moment hatte sie zwar die Augen nicht vor der Wahrheit verschlossen, aber genau wie ihr Vater an Stuarts Integrität geglaubt. Und da Stuart nicht als Mitbeschuldigter bezeichnet wurde und man die Vorwürfe gegen den Kongressabgeordneten Haywood später zurückzog, vertraute sie ihrem Instinkt.

Wie sehr sie sich geirrt hatte! Sie hatte Stuart dabei ertappt, wie er mit seinem Geschäftspartner und einem bekannten Mafiaboss wenige Minuten vor der Trauung in der Kirche zusammenkam.

Also stellte sie Stuart zur Rede und verschwand. Und obwohl ihre Eltern für ihre Entscheidung und ihren Wunsch nach Ruhe Verständnis aufbrachten, wusste sie, dass auch sie auf eine Erklärung warteten.

Gillian stöhnte auf. “Wir sind uns beide einig, dass die Sache geheim bleibt, bis du einen Plan hast. Allerdings gefällt es mir nicht, dass Stuart einfach zusieht, wie die Presse aus dir ‘Die Braut, die sich nicht traut’ macht.” Sie hielt das Video des gleichnamigen Films hoch. “Auch wenn du ähnliche Haare wie Julia Roberts hast. Habe ich dir schon gesagt, wie gut ich deine Locken finde?” Sie zupfte an einer von Juliettes langen Locken. “Du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, dass ich heute zum letzten Mal meine Lockenpracht stundenlang glatt föhnen musste, um die Reporter täuschen zu können.”

Juliette lachte. “Danke für dein Kompliment.” Sie mochte ihre neue Frisur.

Insgeheim hatte sie ihre Schwester um die Fähigkeit beneidet, sich über Konventionen hinwegzusetzen und ungeachtet der Presse ganz sie selbst zu sein. Juliette hoffte, dass die leichte Dauerwelle, die sie jetzt mit ihrer Schwester gemeinsam hatte, sowohl ihr Aussehen als auch ihre Einstellung zu der bevorstehenden Reise ändern würde. Wenn es eine Zeit gab, lockerer zu werden, dann in diesem Urlaub.

“Hast du alle Sachen, die ich brauche, für mich eingekauft?” fragte Juliette ihre Schwester. Wenn ihr Verlobter daran interessiert gewesen wäre, in die Flitterwochen zu fahren, statt eine Wahlkampagne zu planen, hätte sie nun die geeignete Kleidung besessen. Aber Stuart hatte darauf bestanden, dass sie nicht fahren konnten. Jetzt wusste sie, warum.

“Ich habe alles in deinem Koffer verstaut, als du vorhin telefoniert hast. Du wirst stolz auf mich sein, weil es mir gelungen ist, diese Reise zu arrangieren, ohne dass jemand Wind davon bekommen hat.” Gillian grinste, zufrieden mit sich selbst.

Juliette verzog das Gesicht. “Ich bin sicher, dass ich das gar nicht genau wissen will. Anscheinend bringt momentan jeder Opfer für mich, um mir Unannehmlichkeiten zu ersparen.” Sie fand es schrecklich, was die anderen ihretwegen über sich ergehen lassen mussen. Ihr Stylist hatte sich bereit erklärt, ihr das Haar bei ihr zu Hause zu machen, weil er nicht wollte, dass sein Salon von der Presse gestürmt wurde. Und jetzt lief ihre Schwester auch noch wie eine Undercoveragentin herum – und genoss jede Minute.

“Es sind keine Opfer, sondern Gefälligkeiten. Wir lieben dich, also mach dir deswegen keine Gedanken. Aber es gefällt mir nicht, dass du dich im Haus verkriechen musst.” Gillian klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Holzfußboden. “Verdammt, ich wünschte, wir könnten diese Story der Presse zuspielen. Aber das geht nicht.”

“Noch nicht. Dad blickt auf eine lange Dienstzeit zurück. Er ist allgemein beliebt und wird respektiert. Er hat sich seinen Platz in der Geschichte verdient. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass sein Ruf durch diesen Skandal beschädigt wird. Das verdient er nicht.”

Gillian nickte. “Da gebe ich dir Recht.”

Um ihres Vaters willen würde das Geheimnis noch eine Weile gewahrt bleiben müssen. Juliette atmete tief durch. “Ich bin bereit.”

“Gut.” Gillian stand auf und nahm eine Tasche.

“Lass mich unseren Plan noch einmal zusammenfassen. Ich fahre deinen Wagen, angezogen wie du, während du auf dem Beifahrersitz sitzt und meine Rolle übernimmst”, sagte Juliette.

“So weit, so gut.”

“Wir fahren an den Reportern vorbei zu deinem Apartment, wo der Rest der Meute wartet. Dort verschwinden wir in der sicheren Tiefgarage.”

Gillian nickte. “Zu der sie keinen Zugang haben.” Sie lachte übermütig bei der Vorstellung, die Presse auszutricksen. “Sie glauben, du besuchst mich, und um diesen Eindruck zu verstärken, gehe ich, gekleidet wie du, hinauf in die Lobby und zum Lebensmittelladen an der Ecke hinaus, bevor ich ins Haus zurückkehre. Sie werden nicht damit rechnen, dass wir irgendwohin gehen, da wir ja offenbar bei mir, sprich Juliette Stanton, sind.”

“In der Zwischenzeit schlüpfe ich auf den Rücksitz von Dads Wagen, den sein Chauffeur fährt, verstecke mich unter einer Decke und lasse mich zum Flughafen fahren”, ergänzte Juliette.

“Und falls dich jemand zufällig sieht, werden sie denken, sie hätten Gillian Stanton vor sich, und der werden sie nicht folgen, denn sie sind ja hinter dir her. Und dann bist du frei.”

Juliette breitete die Arme aus. “Und bereit für eine herrliche Woche voll mit Sonnenschein und Spaß. Allein. Ist das nicht wundervoll?

Ihre Schwester grinste schief. “Was die ersten beiden Dinge angeht, liegst du richtig.”

Juliette kniff die Augen zusammen. Sie kannte ihre abenteuerlustige Schwester viel zu gut. Irgendetwas führte sie im Schilde. “Was soll das nun wieder heißen?”

“Überhaupt nichts.” Gillian schaute auf ihre Uhr. “Wir müssen los, wenn du deinen Flug nicht verpassen willst.”

Juliette schnappte sich ihre Handtasche. “Na schön. Und falls ich es noch nicht gesagt habe, weil ich so mit Jammern beschäftigt war – ich bin zutiefst gerührt, dass du dein Erspartes für mich ausgegeben hast. Ich werde es dir zurückzahlen.” Obwohl beide Frauen Treuhandfonds besaßen, die nach dem letzten Willen ihrer Großmutter eingerichtet worden waren, rührten sie das Stammkapital nicht an. Beide hatten beschlossen, ihren Weg aus eigener Kraft zu gehen, Juliette als PR-Beraterin bei einem Pharmakonzern, Gillian als Lehrerin.

“Wenn du mir das Geld zurückgibst, ist es doch kein Geschenk mehr. Betrachte es als mein Geschenk zur gescheiterten Hochzeit.”

Juliette drückte ihrer Schwester die Hand. “Ich bin so froh, dass ich dich habe.”

Gillian grinste. “Dazu hast du auch allen Grund.”

Sie gingen in die Doppelgarage, die zu dem alten Haus gehörte, das Juliette gemietet hatte. Dort stand Gillians Wagen.

“Versprichst du mir etwas?” meinte Gillian. “Auf der Insel bist du ungestört, und wenn wir alles richtig gemacht haben, werden dir keine Kameras folgen, und keine Presse wird da sein, um dir Fragen zu stellen. Entspann dich, und sei ganz du selbst, ja?”

“Du liest meine Gedanken.” Juliette war nicht überrascht, dass die geheimnisvolle Verbindung, die zwischen den meisten eineiigen Zwillingen besteht, wieder einmal funktionierte. Sie lachte, da sie längst beschlossen hatte, diesen Inselaufenthalt zu nutzen, um herauszufinden, wer Juliette Stanton wirklich war. Sie setzte sich auf den Fahrersitz, schob den Schlüssel ins Zündschloss und drehte ihn um.

“Also”, sagte sie über das Brummen des Motors hinweg, “lassen wir das Abenteuer beginnen.”

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