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Mirella Manusch − Vorsicht, unser Schulleiter ist ein Vampir!

hier erhältlich:

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Mein Name ist Mirella, Mirella Manusch. Ich bin zehn Jahre alt, und ich bekomme schon jetzt meinen zweiten Eckzahn. Und mit ihm meine vollen vampirischen Fähigkeiten. Sobald das der Fall ist, besuchen Vampire eine besondere Schule für magische Wesen. Aber ich bin dafür eigentlich noch viel zu jung! Deshalb ist der Rat der Vampire zusammengekommen, um zu entscheiden, wie es mit mir weitergeht. Ich muss drei Prüfungen bestehen … Ganz schön aufregend! Und zusätzlich habe ich auch in meiner Schule für Menschen Unterricht bei einem Vampir. Holy Moly – wenn das mal alles gut geht!


  • Erscheinungstag: 23.07.2024
  • Aus der Serie: Mirella Manusch
  • Bandnummer: 3
  • Seitenanzahl: 176
  • Altersempfehlung: 8
  • Format: Hardcover
  • ISBN/Artikelnummer: 9783505152085

Leseprobe

1.
Die kleine Rüsselmaus

Der Vollmond hängt tief am Himmel und taucht den Garten in silbernes Licht. Sterne funkeln um die Wette. Und um den Apfelbaum schwirren viele kleine Glühwürmchen. Das sieht so unbeschreiblich schön aus, dass ich nicht anders kann: Ich muss einfach noch mal raus und eine Runde fliegen. Und wenn es nur eine kleine ist. Einmal um den Garten herum. Und vielleicht ein Looping. Oder auch zwei oder drei. Nur ein paar Minuten lang. Morgen ist Sonntag. Also schulfrei, da darf ich heute Abend länger aufbleiben. Solange ich nicht alleine losflattere – das habe ich Mama versprochen.

Wo Manolo nur bleibt? Inzwischen ist es schon kurz nach elf, und er ist immer noch nicht da. Normalerweise klebt mein bester Freund sich immer schon um zehn oder halb elf von außen mit seinen Saugnäpfen an die Fensterscheibe und grinst mich an. Da pappt er so lange, bis ich mich auch in eine Fledermaus verwandelt habe und zu ihm rausfliege.

Ich weiß, das klingt verrückt. Und manchmal kann ich es selbst noch nicht glauben. Aber es ist tatsächlich wahr: Seit ich meinen ersten Vampirzahn bekommen habe, kann ich mich nachts in eine Fledermaus verwandeln und fliegen. Und die Sprache der Tiere verstehe ich seitdem in der Nacht auch! Und sie verstehen mich. Aber das bringt mir im Moment leider gar nichts. Mein Kater Lancelot, der mein tierischer Beschützer ist, ist nämlich ebenfalls nicht da. Der schleicht bestimmt gerade ohne mich draußen durch die Gegend.

Ich seufze, öffne das Fenster, schaue in den Himmel, in den Garten, wieder in den Himmel. Aber weder Lancelot noch Manolo tauchen auf.

»Dann halt nicht«, sage ich und will das Fenster gerade wieder schließen, da höre ich ein leises Wimmern. Und dann ein Jammern: »Ach herrje, ach herrje … Auweia, auweia!«

Das ist jemand in Not. Bestimmt ein Tier. Da muss ich doch helfen!

Ich werfe mir meinen wunderschönen schwarz-pinken Umhang über, schwinge ihn kurz nach oben in die Luft und ziehe ihn sofort wieder runter vor mein Gesicht. Es macht wusch, und im nächsten Moment fühle ich mich federleicht. Und das bin ich auch. Ich bin jetzt nämlich tatsächlich eine Fledermaus. Das ist so was von cool!

»Hui«, rufe ich, fliege im Sturzflug aus dem Fenster und drehe eine Runde um den Baum. Ich fliege mitten durch die Glühwürmchen hindurch. »Keine Angst, ich fresse euch nicht!«, rufe ich. Bah, schon allein der Gedanke ist gruselig. Da fällt mir ein, dass das Insekten sind und die mich gar nicht verstehen. Und das ist auch gut so. Auf Gespräche mit Spinnen, Mücken oder sonstigen kleinen Krabbeltierchen habe ich nämlich gar keine Lust. Aber mit anderen Tieren kann ich mich unterhalten. Und da hat eben jemand gejammert! Ich bremse ab, hänge mich kopfüber an einen Ast des Apfelbaums, spitze meine Ohren und lausche.

Nichts!

Hab ich mich vielleicht verhört?

Nein, da ist es wieder: »Oje, oje, auweia, auweia …«

Es kommt von unten, da bin ich mir sicher. Vielleicht eine Maus?

Ich fliege einmal im Zickzack knapp über die Wiese, kann aber nichts sehen. Doch plötzlich …

»He!«, rufe ich.

Da hat irgendjemand mit Erde nach mir geschmissen und mich voll am Kopf getroffen! Zum Glück habe ich viel trainiert in den letzten Wochen. Nur einen winzigen Augenblick fliege ich etwas wackelig, dann habe ich alles wieder unter Kontrolle.

Wer war das?

Vorsichtshalber flattere ich jetzt noch einmal etwas höher. Und da, endlich sehe ich ihn – den kleinen Hügel auf der Wiese. Da gräbt sich ein Maulwurf sein Zuhause.

Ich lande direkt daneben. Schwupp – und wieder trifft mich eine Ladung Erde, diesmal an meinem pelzigen grauen Bauch.

Weil ich den Maulwurf nicht erschrecken will, hüpfe ich ein Stückchen zurück und warte.

»Aua, aua«, höre ich ihn jetzt ein bisschen lauter jammern. Und dann steckt er auch schon den Kopf aus dem Erdhügel. Er schnuppert mit seiner Nase, die ein bisschen aussieht wie ein Minischweinerüssel, durch die Luft. Ich weiß, dass Maulwürfe fast blind sind und deswegen echt gut riechen können. Als sich die Maulwurfnase in meine Richtung bewegt, sage ich darum schnell: »Bitte nicht erschrecken, ich bin Mirella, eine Fledermaus. Ich habe gehört, dass Sie …«

Schwupp – sofort verschwindet der Maulwurf wieder im Erdhügel.

Ich hopse etwas näher ran und dann auf den Hügel rauf. Gehen ist echt schwierig, wenn man eine Fledermaus ist. Meine Füße zeigen nämlich nach hinten, weil ich mich so besser an Wände und Äste hängen kann.

»Hallo? Ich will Ihnen doch nur helfen. Ich habe gehört, dass Sie gejammert haben. Tut Ihnen etwas weh?«

Es dauert eine Weile, aber dann merke ich, wie sich die Erde unter mir bewegt. Ich flattere nach oben, bevor ich noch darunter begraben werde. Und da taucht der Maulwurf wieder auf. Mit seinen großen Schaufelhänden stützt er sich auf der Erde ab und schnuppert.

»Hier oben bin ich, über Ihnen, aber wenn es Ihnen recht ist, komme ich runter«, rufe ich.

»Jaja, mach das nur«, sagt der Maulwurf.

Ich lande im Gras direkt neben dem Hügel. »Mein Name ist Mirella, und ich wohne in dem Haus, zu dem der Garten gehört, in dem Sie gerade graben. Eigentlich bin ich ein Menschenmädchen«, erkläre ich.

»Oho, oho, ein guter Witz. Ich kann zwar kaum was sehen, aber nach einem Menschen duftest du ganz bestimmt nicht.« Auch sein Lachen hört sich an wie das Grunzen eines kleinen Schweinchens. Aber dann verzieht er plötzlich das Gesicht. »Autsch, autsch. Wie schade, wenn du ein Mensch wärst, könntest du mir vielleicht wirklich helfen.«

»Wenn das so ist …«, sage ich und schaue schnell zum Haus. Hinter den Fenstern ist es dunkel. Mama und Papa schlafen also. Das ist gut so, denn sie sollen mich mitten in der Nacht nicht im Garten erwischen. Besonders bei Papa muss ich aufpassen. Der weiß nämlich nicht, dass ich eine Vampirin bin. Dann schlage ich meine Flügel um meinen Körper und verwandle mich zurück.

»Oh, oh, oh, oh.« Die Nase des kleinen Maulwurfs zittert aufgeregt. »Du bist tatsächlich ein Mensch.«

»Ja.« Ich knie mich hin und beuge mich zu ihm runter. »Wo tut es denn weh?«

Er räuspert sich. »Es ist, es ist … etwas peinlich. Als ich im Gang die Richtung durch einen perfekt ausgeführten Purzelbaum wechseln wollte, habe ich wohl einen kleinen Ast übersehen …« Seine Stimme wird etwas leiser. »Mit Dornen.«

»Oh, dann haben Sie sich einen Stachel eingefangen. Das ist doch nicht schlimm, das ist mir auch schon passiert. Da kann ich helfen. Wo steckt er denn?«

Er räuspert sich wieder, bevor er flüstert. »Im Po.«

Ich beiße mir auf die Lippe, damit ich nicht anfange zu lachen, und sage ernst: »Wenn Sie möchten, Herr Maulwurf, schaue ich mir das gerne mal an.«

»Eddie, mein Name ist Eddie.« Er seufzt. »Und du würdest wirklich …«

»Unbedingt!«

Eddie dreht sich um und streckt mir sein Hinterteil entgegen. »Es muss ein sehr langer Dorn sein, denn mein Fell schützt mich eigentlich gut vor solchen Dingern.«

»Oh!«, sage ich erschrocken, als ich sehe, was da in seinem Po steckt. »Das ist eine Nadel.« Sie glitzert silbern im Mondlicht.

»Eine Nadel? Was soll das sein? Noch nie gehört!«

Ich fackele nicht lange und ziehe sie raus.

»Autsch, autsch!«, ruft Eddie empört.

»Erledigt!« Ich schaue etwas genauer hin. »Es blutet nicht. Ich glaube, wir müssen die Stelle nicht desinfizieren.«

»Vielen Dank, Menschenmädchen.« Er wackelt mit dem Po. »Das fühlt sich schon viel besser an.«

»Gern geschehen«, sage ich.

Da schnüffelt Eddie plötzlich wieder mit dem Rüssel durch die Luft. »Oje, oje!«, murmelt er.

»Was ist?«, frage ich.

»Irgendwas liegt in der Luft.« Er schnuppert wieder. »Auf meine Nase und meine Ohren kann ich mich immer verlassen.« Er krabbelt flink auf seinen Erdhaufen, hält die Ohren in Richtung Baum und lauscht. »Hör doch! Merkwürdige Gestalten sind unterwegs!«

»Wo denn?« Ich schaue nach oben, kann aber nichts entdecken. Da bemerke ich plötzlich aus den Augenwinkeln Lancelot, der durch das Gras schleicht. »Nicht gleich wieder erschrecken, aber mein Kater kommt«, sage ich.

Doch es ist schon zu spät. Eddie verschwindet im Hügel.

»Mademoiselle Mirella«, ertönt da auch schon Lancelots Stimme. »Hatten wir nicht vereinbart, dass du ohne mich nicht durch die Gegend flatterst?«

»Nur mit dir oder mit Manolo. Aber ihr wart ja beide nicht da«, verteidige ich mich.

»Was daran liegt, dass dein flatternder Freund Hausarrest hat, wie ich gerade erfahren habe. Und ich war auf Kontrollgang durch die Gegend.« Er bleibt neben mir stehen, den Blick auf den Hügel gerichtet. »Steckt darin etwa eine von diesen kleinen Rüsselmäusen? Sie schmecken vorzüglich!«

»He!« Ich schaue Lancelot streng an. »Du weißt genau, dass das ein Maulwurf ist. Und außerdem hast du mir versprochen, keine Mäuse mehr zu fressen. Und auch keine anderen Tiere.«

»La vie est dure«, sagt Lancelot und seufzt. »Das Leben ist hart. Aber ja, natürlich halte ich mich an das Versprechen. Ich bin ein Ehrenmann. Nicht umsonst heiße ich Lancelot.« Er hebt stolz den Kopf. »Sir Lancelot, wie du ja weißt.«

»Ja.« Ich muss lachen, weil ich ihm damals eigentlich den Namen Langstrumpf verpasst habe, als Mama ihn mit nach Hause gebracht hat.

»Vielleicht erklärst du deinem Maulwurf, dass ich ihm nichts tue«, sagt mein Kater.

Da sehe ich, dass plötzlich an einer anderen Stelle im Garten ein neuer kleiner Hügel entsteht.

Lancelot hat es auch entdeckt. »Und du solltest ihm auch mitteilen, dass er Probleme mit der Herrin des Hauses bekommt, wenn er den gesamten Rasen im Garten umgräbt.«

»Mach ich. Aber du bleibst lieber hier.«

Wusch! Ich verwandle mich wieder in eine Fledermaus und flattere flugs zu Eddie, der gerade vorsichtig seinen Kopf aus der Erde steckt.

»Mein Kater tut dir nichts«, sage ich. »Echt nicht. Aber meine Mutter ist bestimmt sauer, wenn du noch mehr Hügel gräbst. Könntest du vielleicht woanders deine Wurmfallen bauen?«

»Jaja«, sagt Eddie. »Das mache ich. Ich wollte nur schnell Danke sagen, Mirella Menschenkind und Fledermaus. Aber von der Katze halte ich mich lieber fern. Der traue ich nicht. Und den Gestalten, die hier rumschleichen, auch nicht.«

»Welche meinst du?« Wieder blicke ich mich im Garten um, kann aber immer noch niemanden entdecken – außer Lancelot. Und Eddie antwortet nicht mehr. Er ist schon in der Erde verschwunden.

Ich flattere zurück in mein Zimmer. Hinter mir kommt Lancelot herein.

Bevor ich mich zurückverwandle, setze ich mich auf die Fensterbank und schaue noch einmal nach draußen. Da sehe ich mit einem Mal ein pelziges Tier durch das Gras huschen. Kurz darauf höre ich das heisere Krächzen einer Elster im Apfelbaum. Und ganz plötzlich habe ich das Gefühl, dass mich irgendjemand anstarrt.

»Hast du draußen irgendwelche Gestalten gesehen, Lancelot?«, frage ich.

»Du meinst den alten schwarz-weißen Vogel im Baum?« Lancelot setzt sich neben mich.

Also habe ich richtig gehört. »Eine Elster?«

»Ja, sie sitzt schon länger da. Sie ist harmlos. Vermutlich ist sie müde.« Er niest ein paarmal. »Oder sie hat es auf deine Juwelen abgesehen, chérie. Du weißt ja, Elstern sind Diebe. Sie mögen Glitzerkram.«

»Dann pass du mal lieber auf dein Halsband auf«, foppe ich ihn. »Dein grüner Edelstein daran gefällt ihr bestimmt.«

Lancelot springt auf mein Bett. »Ich bin ein Kater«, sagt er und reckt das Kinn in die Höhe. »Vögel fürchten sich vor mir.«

Ich hüpfe neben ihn und verwandle mich zurück in ein Mädchen. »Wie gut, dass ich einen so mutigen Beschützer habe!«

»Der übrigens ein wenig Gekraule als sehr angenehm empfinden würde.« Lancelot streckt sich. »Hättest du vielleicht ein paar Minütchen für mich? Da ist eine Stelle hinter meinem rechten Ohr …«

»Klar!« Ich lege sofort los. Lancelot ist mein tierischer Beschützer. Er passt immer auf mich auf. Aber er ist eben auch ein ganz normaler Kater.

Da fällt mir auf einmal mein bester Freund wieder ein. »Warum hat Manolo eigentlich Hausarrest?«

»Das weiß ich nicht. Frau Dohle hat es mir erzählt. Den Grund wollte sie mir allerdings nicht verraten. Du weißt doch, wie verschlossen sie sein kann.«

»Sie ist ja auch seine tierische Beschützerin. So wie du mein Beschützer bist. Du würdest doch auch nichts über mich verraten«, sage ich. »Oder?«

»Da hast du allerdings recht. So habe ich es noch gar nicht gesehen.« Er schnurrt. »Könntest du vielleicht auch das andere Ohr? Oh, ja, genau da …«

Mir fällt schon fast die Hand ab vor Anstrengung, da sagt Lancelot: »Merci beaucoup, vielen Dank. Aber jetzt wird geschlafen, du kleines Nachtgespenst.«

»Vampirin!«, stelle ich klar. Eine, die Tiere rettet. Ist das nicht obercool?

2.
Nicht schon wieder dieses Stinkezeug

Es ist mitten in der Nacht, als ich aufwache. Weil ich Zahnschmerzen habe – schon wieder!

Vorsichtig fahre ich mit der Zunge über die pochende Stelle und seufze.

»Was ist los?« Lancelot liegt zusammengerollt am Fußende meines Bettes und blinzelt mich verschlafen an. »Ist alles in Ordnung, Mademoiselle Mirella?«

»Mein Zahn tut weh.«

»Dein Vampirbeißerchen?«

»Nein, auf der anderen Seite. Oben rechts.«

Lancelot kommt über das Bett zu mir spaziert, bis er mit seinem Kopf fast vor meiner Nase steht. »Zeig mal.«

Ich öffne meinen Mund und lasse ihn hineinschauen.

»Mon dieu!«, nuschelt er. »Ich will den Teufel ja nicht an die Wand malen.« Er fährt mit der Pfote über seine Schnurrhaare. »Aber wenn du mich fragst …«

»Was?« Ich setze mich im Bett auf und sehe ihn streng an. »Lass dir doch nicht immer alles aus der Nase ziehen. Sag schon!«

Mein Kater spielt wieder an seinen Schnurrhaaren. »Die Menschensprache ist manchmal mehr als merkwürdig, kleine Mademoiselle.« Er schüttelt den Kopf. »Aus der Nase ziehen, was ist das denn für eine Redewendung?«

»Boah, Lancelot!«, schimpfe ich.

»Na gut.« Er stolziert wieder zum Bettende und rollt sich zusammen. »So wie es aussieht, bekommst du gerade deinen zweiten Vampirzahn. Das Zahnfleisch über dem Eckzahn ist rot.«

»Den kriegt man doch mit zwölf. Ich bin erst zehn Jahre alt, also noch zu jung dafür.«

»Wenn du meinst«, sagt Lancelot.

Was, wenn er doch recht hat? Der erste Zahn ist schließlich auch viel zu früh gekommen. »Kommst du mit ins Bad?«

»Ich dachte, du hast keine Angst mehr im Dunkeln, seitdem du weißt, dass du eine Vampirin bist? Immerhin flatterst du auch allein durch die Nacht.«

Es ist schon komisch: Wenn ich mich in eine Fledermaus verwandle, habe ich vor fast gar nichts Angst. Aber als normales Mädchen bekomme ich manchmal eben doch ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn es dunkel und still im Haus ist.

»Und ich dachte, dass mein tierischer Beschützer immer auf mich aufpasst. Auch, wenn er müde und faul ist«, kontere ich.

»Tu as gagné, du hast gewonnen. Ich begleite dich«, sagt Lancelot. Dann murmelt der Angeber noch ein paar Worte auf Französisch vor sich hin, die ich nicht verstehe. Er kann echt ein richtiger Stinkstiefel sein. Aber wenn es drauf ankommt, ist er immer für mich da, das weiß ich.

»Was machen wir hier eigentlich, Mademoiselle Mirella?«, fragt er, während er langsam hinter mir her ins Bad trottet.

»Nachschauen«, antworte ich, schalte das Licht ein, stelle mich vor den Spiegel, mache den Mund weit auf und ziehe die Oberlippe etwas nach oben.

Zuerst schaue ich auf meinen Vampirzahn. Weil er so schön ist und weil ich ihn gern immer wieder ansehe. Er ist perfekt, wunderbar weiß und spitz.

Dann betrachte ich den anderen, den rechten Eckzahn.

Das Zahnfleisch darüber ist wirklich rot und auch etwas geschwollen. Ich fasse den Zahn mit Daumen und Zeigefinger an und wackle vorsichtig daran. »Er ist locker!«

»C’est correct, das stimmt«, sagt Lancelot. »Dein zweites Vampirbeißerchen kommt.«

»Das dauert noch. Erst mal muss der alte ausfallen.« Ich wackle noch einmal daran, diesmal etwas fester – und ganz plötzlich halte ich den Zahn in der Hand. Es hat gar nicht wehgetan. »Ups!«

Lancelot niest ein paarmal hintereinander. Zumindest klingt es so. Aber er ist nicht krank. Er freut sich, dass er recht hatte, und kichert deswegen – was bei ihm klingt, als würde er niesen.

Autor